Österreich – Konvent
Anhörung am 26. 01. 2004
Statement von Rosa Logar - Geschäftsführerin der Wiener
Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie
Sehr geehrte Damen und Herren!
Zuerst möchten wir uns für die Einladung zur
Stellungnahme bei der Anhörung des Österreich-Konvent herzlich bedanken.
Unsere Einrichtung ist eine staatlich anerkannte
Opferschutzeinrichtung und wurde 1997 als Begleitmaßnahme zum
Gewaltschutzgesetz eingerichtet. Ich selbst bin schon seit über 25 Jahre im
Bereich der Prävention familiärer Gewalt tätig.
Österreich hat mit dem Bundesgesetz zum Schutz
bei Gewalt in der Familie ein für Europa beispielhaftes Gesetz geschaffen, das
überall auf große Anerkennung und Interesse stößt.
Mit dem Gesetz wurde anerkannt, dass ein
demokratischer Rechtsstaat, der die Grund- und Menschenrechte achtet, in keinem
Bereich, auch nicht im Privatbereich Gewalt dulden darf und dass die Opfer
Anspruch auf Schutz und Unterstützung haben. Der Unrechtszustand, dass Opfer
von Gewalt flüchten und sich verstecken müssen, wurde beendet. Nun sind es die Täter,
die von der Polizei der Wohnung verwiesen werden und die Folgen ihrer
Gewaltausübung zu tragen haben.
Doch Österreich darf bei dieser wichtigen Reform
nicht stehen bleiben. Die Verpflichtung zum Schutz der Grundrechte auf Leben, Gesundheit und
Freiheit erfordert weitere Anstrengungen in der Bekämpfung von Gewalt an Frauen
und Gewalt in der Familie.
Die Familie, die eigentlich der sicherste Ort
sein sollte, ist für zu viele Menschen der gefährlichste Ort: Tag für Tag
werden in Österreich tausende Menschen misshandelt und gequält. Die Opfer sind
überwiegend Kinder und Frauen, die Täter häufig Ehemänner, Lebensgefährten oder
Väter.
Besonders Kinder leiden seelisch und körperlich
schrecklich unter der Gewalt und werden in ihrer Entwicklung enorm behindert.
Es besteht die Gefahr, dass die Ausübung von Gewalt von Generation zu
Generation weitergegeben wird, Kinder die Gewalt zwischen den Eltern erleben,
haben ein erhöhtes Risiko als Erwachsene selbst zu Tätern oder Opfern zu
werden.
Die Gefahr von Gewalteskalationen ist besonders
in Zeiten von Trennung und Scheidung hoch, es kommt in diesen Phasen regelmäßig
zu schweren Gewalttaten wie Morden und Mordversuchen.
Die Prävention von Gewalt in der Familie ist
daher für die Gesellschaft ein wichtiges Ziel. Um Gewalt erfolgreich verhindern zu können ist es notwendig,
die Ursachen zu beachten und die Entstehung von Gewalt zu verhindern.
Die
Vereinten Nationen haben dazu folgende Definition festgelegt: „Violence against
women is a manifestation of the historically unequal power relations between
men and women, which have led to domination over and discrimination against
women by men and to the prevention of women’s full advancement.“ [1]
Die Ungleichheit von Frauen und Männern ist also eine der zentralen
Wurzeln von Gewalt an Frauen. Armut und Abhängigkeit von Frauen sind
Risikofaktoren für Gewalt. Frauen verdienen noch immer ein Drittel weniger
als Männer und ihre Pensionen betragen durchschnittlich nur ca. die Hälfte der
Männerpensionen.
Die Herstellung von Gleichheit und die Beendigung von Diskriminierungen
und Benachteiligungen von Frauen sind daher wichtige Maßnahmen zur Bekämpfung
von Gewalt.
Österreich hat sich im Rahmen zahlreicher internationaler
Vereinbarungen und Verträge zur Prävention von Gewalt an Frauen, zum Ziel der
Gleichstellung von Frauen und Männern und zum Gender Mainstreaming bekannt. Die
Ratifizierung der Frauenkonvention der Vereinten Nationen (CEDAW) durch
Österreich bringt die Verpflichtung auf allen Ebenen gegen Diskriminierung und
Benachteiligung von Frauen tätig zu werden. Der Artikel 3 Absatz 2 des EG Vertrags
beinhaltet das Prinzip des Gender Mainstreamings.
Wir ersuchen die Mitglieder des Konvents, die Gleichstellung von Frauen
und Männern und die Beendigung von Diskriminierungen und Benachteiligungen von
Frauen zu einem wichtigen und zentralen Element der Beratungen zu machen. Wir
unterstützen die Vorschläge des Österreichischen Frauenrings und ersuchen den
Konvent, diese vollinhaltlich zu berücksichtigen.
Zusatz zum mündlichen Beitrag:
Insbesondere erachten wir für notwendig:
Den Ausbau des Gleichheitssatzes der
Bundesverfassung Artikel 7 B‑VG:
-
die Verpflichtung zu Geschlechtergleichstellung und Frauenförderung
diese Verpflichtung soll für alle
Gebietskörperschaften und sonstigen Selbstverwaltungskörper gelten; also z.B.
auch für die Träger der beruflichen und sozialen Selbstverwaltung (Kammern,
Sozialversicherungsträger)
-
Subjektives Recht jeder Frau auf Gleichstellung und Frauenförderung
- geeigneter Rechtsschutz zur besseren Durchsetzung dieser Rechte, z.B.
beim Verfassungsgerichtshof, aber auch bei allen anderen Gerichten; Einführung
von Verbandsklagen (z.B. Klagerecht für Frauenorganisationen, wenn
Ungleichheiten nicht beseitigt werden bzw. keine Fördermaßnahmen ergriffen werden).
- Einführung einer
Geschlechterverträglichkeitsprüfung im Gesetzgebungs-verfahren
(für alle Gesetze, also einfache Gesetze, Verfassungsgesetze, Bundesgesetze,
Landesgesetze), aber auch bei allen anderen Tätigkeiten (Vollziehung
Privatwirtschaftsverwaltung). Dies dient der Verwirklichung des im
Artikel 3 Absatz 2 des EG-Vertrages verankerten Prinzips des
"Gender Mainstreaming".
-
die Verankerung der Verpflichtung zu effektiven Maßnahmen zur
Prävention von Gewalt an Frauen und Gewalt in der Familie in der Verfassung
Diese Maßnahmen wären ein entscheidender Beitrag zur Prävention von
Gewalt in der Familie.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Seit 25 Jahren im
Bereich der Bekämpfung von Gewalt an Frauen und Gewalt an Kindern tätig;
Geschäftsführerin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie
seit 1997; Mitbegründerin des ersten Frauenhauses in Österreich (1978);
Lehrtätigkeit an Fachhochschulen für Sozialarbeit in Wien; Durchführung von
Seminaren zum Thema „Gewalt in der Familie“ in der Aus- und Fortbildung von
Justiz, Polizei, Gesundheits-und Sozialwesen seit 1989; Mitarbeit am
Bundesgesetz zum Schutz bei Gewalt in Familien (GeSchG); Mitbegründerin des
Europäischen Netzwerks gegen Gewalt an Frauen WAVE; Mitarbeit an mehreren EU
Projekten zur Prävention von Gewalt in der Familie; zahlreiche Vorträge bei nationalen und internationalen Veranstaltungen
Publikationen:
Mitautorin von „Eingebrochenes Tabu. Frauenhäuser in Österreich (1988), „Gewalt
gegen Frauen in der Familie“ (1995), „Gewaltbericht des Familienministeriums“
(2001); Mitherausgeberin des Buches „Gewalttätige Männer verändern (sich)“
(2002) und andere Publikationen, Handbücher und Trainingsmanuals
[1] aus: United Nations: The Beijing Declaration and the Platform for
Action, Fourth World Conference on Women Beijing, China 4-15 September 1995,
New York 1996, S. 75