Sozialdemokratische
Initiativen
im Österreich-Konvent
Textvorschläge und Dokumente der mit der
Sozialdemokratie zusammenarbeitenden Mitglieder im Österreich-Konvent
Zusammengestellt von Dr. Ronald Faber LL.M. und Eva Strodl
Jänner 2005
Vorbemerkung:
Diese Sammlung enthält im Österreich-Konvent eingebrachte schriftliche Textvorschläge, Positionspapiere und weitere Dokumente aus dem Kreis der mit der Sozialdemokratie im Konvent zusammenarbeitenden Konventsmitglieder. Sie dokumentiert das Bemühen der Sozialdemokratie um eine umfassende und zukunftsweisende Reform der österreichischen Bundesverfassung.
Die Zusammenstellung folgt der Gliederung des Konvents in Arbeitsausschüsse und das Präsidium. Bei jedem Dokument ist die Sitzung vermerkt, in der das Papier eingebracht wurde. Nicht aufgenommen wurden – von Ausnahmen abgesehen – die schriftlichen Vorarbeiten und Anmerkungen zu den Ausschussberichten.
INHALTSVERZEICHNIS
1 Ausschuss
1 – Staatsaufgaben und Staatsziele
1.1.2 Erster
Textvorschlag zur Verankerung der Daseinsvorsorge in der Bundesverfassung
1.2 Häupl
Michael, Dr./Wittmann Peter, Dr.
1.2.1 Weiterer
Textvorschlag zur Verankerung der Daseinsvorsorge in der Bundesverfassung
1.3 Öhlinger
Theo, Dr. Univ. Prof.
1.3.2 Stellungnahme
zur Neutralität
1.4.1 Stellungnahme
zur Vorgangsweise des Ausschusses 1
1.4.2 Textvorschlag
zur Neutralität
1.5.2 Textvorschlag
zur Sozialen Sicherheit und Arbeit
1.5.3 Formulierungsvorschlag
zum Staatsziel Bildung
1.5.4 Formulierungsvorschlag
zur Sozialen Sicherheit und Arbeit
1.5.5 Formulierungsvorschlag
zum Gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht
1.5.6 Textvorschlag
zumUmfassenden Umweltschutz
1.5.7 Textvorschlag
zur Sozialpartnerschaft
1.5.8 Stellungnahme
zur Sozialpartnerschaft
1.6 Verzetnitsch
Fritz (gemeinsam mit Lichtenberger Eva, Dr.)
1.6.1 Textvorschlag
Gleichstellung von Behinderten
1.7.2 Textvorschlag
zur Daseinsvorsorge
1.7.3 Stellungnahme
zur Neutralität
1.7.4 Textvorschlag
zur Gleichstellung von Mann/Frau
1.7.5 Textvorschlag
zum Staatsziel Volksgruppen
1.7.6 Textvorschlag
zum Staatsziel Medienvielfalt
1.7.7 Textvorschlag
zum Staatsziel „Friedenspolitik“
2 Ausschuss
2 – Legistische Strukturfragen
2.1 Jabloner
Clemens, Dr. Univ.Prof.
2.2 Öhlinger
Theo, Dr. Univ. Prof.
2.2.1 Formulierungsvorschlag
- Stellung Österreichs in der EU
2.2.2 Was
soll eine Verfassungsurkunde enthalten?
2.2.3 Neufassung
der Art. 9 Abs. 2 und 50 B-VG
2.2.4 Neuformulierung
Bundes- und Landesgrenzen
2.2.5 Genehmigung
von Staatsverträgen
2.3.2 Vermögenssubstanzsicherung
Elektrizitätsunternehmen
2.4 Wiederin
Ewald, Dr. Univ. Prof.
2.4.1 Diskussionspapier
zur Legistischen Binnenstruktur der neuen Verfassung
2.4.2 „Inhaltsverzeichnis“
einer neuen Bundesverfassung
2.4.4 Vermögenssubstanzsicherung
3 Ausschuss
3 – Staatliche Institutionen
3.1.1 Stellungnahme
zum Mandat
3.4.1 Textvorschlag
Art. 26 – 33 B-VG samt Begleitschreiben
4 Ausschuss
4 – Grundrechtskatalog
4.1 Das
Sozialdemokratische Grundrechtsforum
4.1.1 Bericht
über das Sozialdemokratische Grundrechtsforum
4.1.2 Grundrechtskatalog
des Sozialdemokratischen Grundrechtsforums
4.2.1 Diskussionsvorschläge
zu Rundfunk- und Meinungsfreiheit
4.3 Funk
Bernd-Christian, Dr. Univ. Prof.
4.3.3 Verfassungsgesetzlich
gewährleistete Grundrechte – Rechtsgrundlagen
4.3.4 Vorschlag
Meinungsfreiheit
4.3.5 Vorschlag
Vereins- und Versammlungsfreiheit
4.3.6 Sozialstaatliche
Gewährleistungen und soziale Grundrechte
4.3.7 Textvorschlag
für die Einleitung zum Ausschussbericht
5 Ausschuss
5 – Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden
5.1.1 Stellungnahme
zum „Drei-Säulen-Modell“
5.2 Funk
Bernd-Christian, Dr. Univ. Prof.
5.2.1 Vorschläge
zur Neuformulierung und Aufteilung
von Gesetzgebungszuständigkeiten
5.3 Holzinger
Gerhart, Dr. Univ. Prof.
5.4.1 „Formulierung
eines Teileinspruchsrechtes des Bundesrates“
5.5 Öhlinger
Theo, Dr. Univ. Prof.
5.5.1 Stellungnahme
zum „Drei-Säulen-Modell“
5.6.1 Stellungnahme
zum „Drei-Säulen-Modell“
5.7.2 Diskussionsvorschlag
für die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen
5.8 Wiederin
Ewald, Dr. Univ. Prof.
5.8.1 Stellungnahme
zum „Drei-Säulen-Modell“
5.8.2 Textvorschlag
zu „Kompetenzzuordnungen“
5.8.3 Kompetenztatbestände
und ihre Zuordnung zu den drei Säulen
6 Ausschuss
VI – Reform der Verwaltung
6.1.1 Textvorschlag
zu den Grenzen der Ausgliederung
6.2.1 Positionspapier
zu Beratungen im Ausschuss
6.2.2 Stellungnahme
zur Sicherheitsverwaltung
6.3 Jabloner
Clemens, Dr. Univ.Prof.
6.3.1 Reformaspekte
zur allgemeinen Verwaltungsorganisation
6.3.2 Schreiben
an den Ausschussvorsitzenden
6.3.3 Stellungnahme
zur Weisung samt Textvorschlag
6.3.4 Schreiben
an den Ausschussvorsitzenden
6.3.6 Stellungnahme
zum Berichtsentwurf
6.3.7 Stellungnahme
zum Ausschussbericht samt Textvorschlag zur Ausgliederung
6.3.8 Stellungnahme
zu den Vorschlägen der WKÖ
6.4.1 Diskussionsbeitrag
zum öffentlichen Dienst
6.5 Matzka
Manfred, Dr./Schnizer Johannes, Dr.
6.6.1 Diskussionsvorschlag
Bildungsreform/Schulverfassung
6.6.2 Auskunftspflicht/Amtsverschwiegenheit
6.6.3 Vorschlag
zur Neuregelung der Vollziehung des Landes
6.6.4 Vorschlag
Sicherheitsregionen
6.6.5 Vorschlag
zur Neuregelung der Sicherheitsverwaltung
7 Ausschuss
VII – Strukturen besonderer Verwaltungseinrichtungen
7.1.1 Textvorschlag
zu den Grenzen der Ausgliederung
7.2.1 Reformaspekte
zur Privatwirtschaftsverwaltung
8 Ausschuss
VIII – Demokratische Kontrollen
8.1.1 Textvorschlag
Artikel 19 Abs. 1 bis 7
8.2.1 Kontrollrechte
der Gemeinden
8.3.1 Textvorschlag
Artikel 52 Absatz 1 bis 4
8.3.2 Textvorschlag
Artikel 20 Absatz 3 und 4
8.3.3 Textvorschlag
Artikel 44 Absatz 4
8.3.4 Textvorschlag
Artikel 57a Absatz 1 und 2
8.3.5 Textvorschlag
Artikel 98 Absatz 5
8.3.6 Textvorschlag
Artikel 148e
9 Ausschuss
IX – Rechtsschutz, Gerichtsbarkeit
9.1.1 Die
Gesetzesbeschwerde als systematische Fortentwicklung der
Verfassungsgerichtsbarkeit
9.2 Schnizer
Johannes, Dr. (gemeinsam mit Stoisits Terezija, Dr.)
9.2.1 Verfassungsbeschwerde
(1. Fassung)
9.2.2 Verfassungsbeschwerde
(2. Fassung)
9.3.1 Weisungsfreier
Bundesstaatsanwalt
9.3.2 Kollegialorgan
der Richter
10 Ausschuss
X – Finanzverfassung
10.1.6 Konsultationsmechanismus
10.1.7 Kostentragung
durch öffentlich-rechtlichen Vertrag
11.1 Kahr
Claudia, Dr./Kostelka Peter, Dr.
11.1.1 Positionen
zur Sicherheitspolitik
11.1.2 Überlegungen
zum Endbericht
11.2.1 Auflistung
fehlende Punkte
11.2.2 Weisungsfreie
Verwaltung mit Ausgliederung
11.2.3 Einsetzung
von Untersuchungsausschüssen als Minderheitenrecht mit „Organstreitverfahren“
Eingebracht im Ausschuss 1, 2. Sitzung, 8.10.2003
An den
Vorsitzenden des Ausschuss 1
des Österreich-Konvents
Univ. Prof. DDr. Heinz Mayer
Schottenbastei 10-16
1010 Wien
per email
Sehr geehrter Herr Vorsitzender!
Gerne übermittle ich Ihnen, als Vertreter des Österreichischen
Städtebundes im Österreich-Konvent, eine Stellungnahme verbunden mit
inhaltlichen Schwerpunkten zu dem vom Präsidium am 11.9.2003 beschlossenen
Mandat für den Ausschuss 1.
1. Ausgangslage:
Die geltende Verfassung enthält primär Bestimmungen über die Machtverteilung, jedoch trifft sie kaum Aussagen über die ihr zu Grunde liegenden Werte. Die Österreichische Bundesverfassung enthält keine Definition sogenannter Kernaufgaben, abgesehen von der Kompetenzverteilung nur wenige Aussagen über staatliche Aufgaben und erst in den letzten Jahren haben einige wenige Staatszielbestimmungen Eingang in die Verfassung gefunden.
Aus diesem Grund wird das B-VG auch vielfach als "Spielregelverfassung" bezeichnet.
Im Rahmen des Österreich-Konvents ist daher darüber zu beraten, ob die
zukünftige Bundesverfassung einen eigenen Katalog von Kernaufgaben,
Staatsaufgaben bzw. Staatszielen enthalten soll.
2. Kernaufgaben
Aus der Sicht des Österreichischen Städtebundes sollte die Österreichische Bundesverfassung einen eigenen Katalog von Kernaufgaben enthalten. Dieser Kernaufgabenkatalog soll Angelegenheiten festlegen, welche - unabhängig von parlamentarischen Mehrheiten - unter allen Umständen von staatlichen Organen, dies sind Organe, die organisatorisch den Gebietskörperschaften eingegliedert sind oder zumindest in deren Auftrag, unter deren Kontrolle und unter deren Verantwortung tätig werden, zu besorgen sind. Dabei kann auch normiert werden, dass bestimmte, eng abgegrenzte Angelegenheiten von den Organen ausschließlich durch hoheitliches und nicht durch privatwirtschaftliches Handeln zu vollziehen sind. Damit ist aber zwangsläufig eine Beschränkung des rechtspolitischen Handlungsspielraums des einfachen Gesetzgebers verbunden.
Bei der Festlegung von staatlichen Kernaufgaben sollte aber Zurückhaltung geübt werden. Es soll insbesondere vermieden werden, dass eine taxative Aufzählung die staatliche Tätigkeit verfassungsrechtlich begrenzen könnte, etwa aufgrund von neoliberalen Vorstellungen.
Jedenfalls als Kernaufgaben müssen die allgemein zur Daseinsvorsorge gezählten Aufgaben der Gebietskörperschaften definiert werden.
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse auch im EU-Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents vom 18. Juli 2003, Zl. CONV 850/03, in Art III-6 weiterhin Erwähnung finden. Die EU gibt somit zu erkennen, dass sie die Leistungen der Daseinsvorsorge als Grundpfeiler des Europäischen Gesellschaftsmodells betreffend die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit auf hohem Niveau und die finanzielle Verträglichkeit der genannten Dienstleistungen für die Bürger respektiert.
Leistungen des Daseinsvorsorge sind jene Dienstleistungen, die im öffentlichen Interesse erbracht werden und mit einer Gemeinwohlverantwortung verbunden sind. Die Daseinsvorsorge umfasst solche Aufgaben die hinsichtlich ihrer Aufgabenerfüllung anderen Gesetzen als denen des Freien Marktes gehorchen und insbesondere Kriterien wie der Versorgungssicherheit, der sozialen Erschwinglichkeit, der Gesundheit oder der Nachhaltigkeit unterliegen. Bei diesen Leistungen muss aus der Sicht des Österreichischen Städtebundes die Sicherung und Verbesserung, nicht aber die Privatisierung im Vordergrund stehen.
Bei der Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge nehmen die Gebietskörperschaften, allen voran die Städte und Gemeinden, eine zentrale Rolle ein. Die Städte und Gemeinden sind neben der tatsächlichen Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge auch dafür verantwortlich, dass die notwendige Infrastruktur zur Aufgabenerfüllung vorhanden ist.
Der Österreichische Städtebund spricht sich dafür aus, das Recht auf eine optimale Versorgung, mit den Leistungen der Daseinsvorsorge (Trinkwasserversorgung, Verkehr, Energie, Gesundheits- und Sozialdienstleistungen), verbunden mit der Erhaltung der notwendigen Infrastruktur, in der Bundesverfassung als Kernaufgabe zu verankern.
Damit soll festgelegt werden, dass die öffentliche Hand zum einen nicht gezwungen werden kann, sich ihrem Eigentum an Infrastruktur entledigen zu müssen und zum anderem, dass sie sich aufgrund von steigenden Privatisierungstendenzen dieser Verantwortung zur Leistungserbringung nicht völlig entziehen kann.
Leistungen der Daseinsvorsorge sind Angelegenheiten, die von den Gebietskörperschaften sowohl privatwirtschaftlich als auch hoheitlich (vgl. Wiener Wasserversorgungsgesetz), jedoch auch in Form der Ausgliederung oder Belehnung von Privaten besorgt werden können. Durch die Verankerung der Daseinsvorsorge in der Bundesverfassung soll sichergestellt werden, dass die Leistungen der Daseinsvorsorge nicht völlig unabhängig von staatlicher Einflussnahme durch Private in freier Konkurrenzwirtschaft erbracht werden können.
3. Staatsaufgaben
Staatsaufgaben, die keine Kernaufgaben darstellen, sollten weiterhin als Gesetzgebungskompetenzen verstanden werden, d.h. als Ermächtigung für den Gesetzgeber. Hier wird es angebracht sein, jeden einzelnen Tatbestand des bestehenden Kompetenzkatalogs zu prüfen und festzulegen, welche Staatsaufgaben weiterhin im neuen Kompetenzkatalog festgelegt werden sollten und welcher sich der Staat entledigen könnte.
4. Abgrenzung Kernaufgaben – Staatsaufgaben
Die Abgrenzung der Kernaufgaben des Staates, die im Mandat an den Ausschuss gefordert wird, von anderen Aufgaben, die für das Gemeinwesen zu erfüllen sind, ist – ausgenommen bei solchen, über die praktisch keine Differenzen bestehen (wie bei der Rechtspflege oder der Sicherheitspolizei), – eine Frage der ideologischen Positionen jener, die darüber zu befinden haben. Das Gleiche gilt für die Abgrenzung der Angelegenheiten, die ausschließlich in Formen der hoheitlichen Vollziehung zu besorgen sind, von jenen, für die privatrechtliche Handlungsweisen vorgesehen sein sollen. Eine Durchsicht des Kompetenzkatalogs des B-VG lässt erkennen, dass allgemeine Kriterien für eine Zuordnung zur einen oder anderen Kategorie kaum zu finden sind. Aus der Sicht des Österreichischen Städtebundes sollte die Abgrenzung nicht nur aufgrund von Kostenüberlegungen erfolgen, sondern entscheidend sollten auch Bürgerserviceaspekte, demokratiepolitische und gesellschaftspolitische Überlegungen sein.
Was die Problematik betrifft, ob die Verfassung – sozusagen als Negativkatalog – von vornherein Angelegenheiten festlegen soll, die überhaupt nicht als Staatsaufgaben in Betracht kommen oder nur einer ausgelagerten, privaten Besorgung zugänglich sein sollen, vertritt der Österreichische Städtebund die Ansicht, dass eine solche Vorgangsweise den rechtspolitischen Handlungsspielraum des einfachen Gesetzgebers in noch höherem Maße Grenzen setzen würde als dies aufgrund der großen Regelungsdichte des Österreichischen Bundesverfassungsrechts ohnedies schon derzeit der Fall ist.
Bei einer bundesverfassungsgesetzlichen Regelung der Auslagerung, sollte man sich jedenfalls darauf beschränken, einen Verfassungsrahmen vorzugeben (Ermächtigung, Rechtsformen, Kontrolle, Verantwortlichkeiten). Die Festlegung der Grundzüge ist Aufgabe des Ausschusses 7!
5. Staatsziele
Die Festlegung von Staatszielen bedeutet einerseits, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber seinem Regelungswerk ein Programm voranstellt, das er in der Folge in den materiellen Bestimmungen einzulösen gedenkt. Staatsziele beinhalten Wertvorstellungen, die die Gestaltung des Gemeinschaftslebens im Staat betreffen.
Einerseits stehen solche programmatischen Ziele mit der Wertneutralität eines Verfassungswerkes im Spannungsverhältnis, andererseits sind darin Versprechungen und Ankündigungen von Staatshandeln enthalten, die – ausgenommen, wo Gesetzeskompetenzen zur Verfügung stehen – nicht umsetzbar sind und dem Einzelnen auch keine subjektiven Rechte eröffnen; sie stellen sich als bloß schmückendes Beiwerk dar. Andererseits bergen sie aber die Gefahr in sich, dass sie in der Judikatur als Auslegungsregeln der Entscheidungspraxis zugrunde gelegt werden und dadurch dennoch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, die auch budgetär ins Gewicht fallen können.
Aus der Sicht des Österreichischen Städtebundes ist daher bei der Aufnahme von Staatszielbestimmung eher Zurückhaltung geboten. Jedoch sollten sich Werte/Ziele wie etwa Vollbeschäftigung, sozialer Fortschritt, die Gleichstellung von Mann und Frau, Umweltschutz in einem Staatszielkatalog finden. Diese Staatsziele sollten in Zukunft auch eine gewisse Bindungswirkung für den Staat entfalten und nicht nur bekenntnishaften Charakter haben.
6. Präambel
Die Voranstellung einer Präambel vor ein Gesetzeswerk entspricht nicht der österreichischen Rechtstradition. Sie ist – mit noch geringerer rechtlicher Wirksamkeit – nur Ausdruck der Intentionen der verfassungsgebenden Körperschaft, die in der Regel von ideologischen oder religiösen (vgl. Streit um „Gott“ im EU-Verfassungsvertrag) Wertvorstellungen geprägt ist, und sollte in eine Verfassung, die sich doch noch eine gewisse Wertneutralität bewahren will, nicht Eingang finden.
Entschließen sich die Mitglieder im Konvent im Zuge der Beratungen dennoch dazu, der Verfassung eine Präambel voranzustellen, sollte diese insbesondere Werte wie Demokratie, Rechtsstaat, Freiheit, Toleranz und soziale Sicherheit enthalten.
Eingebracht im Ausschuss 1, 4. Sitzung, 21.10.2003
I. Definition als Staatszielbestimmung
(1) Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich im Rahmen der Gesetzgebung und Vollziehung zu ihrer Verantwortung für die Erbringung von Leistungen im allgemeinen Interesse (Daseinsvorsorge).
(2) Leistungen im allgemeinen Interesse sind insbesondere solche, die aus Gründen der Versorgungssicherheit, der sozialen Erschwinglichkeit, der Gesundheit, der Nachhaltigkeit und des territorialen und sozialen Zusammenhalts der Gesellschaft erbracht werden.
II. Definition als Staatsaufgabe
(1) Es ist Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden, Leistungen im allgemeinen Interesse selbst zu erbringen oder für deren Erbringungen durch Dritte zu sorgen.
(2) Leistungen im allgemeinen Interesse sind insbesondere solche, die aus Gründen der Versorgungssicherheit, der sozialen Erschwinglichkeit, der Gesundheit, der Nachhaltigkeit und des territorialen und sozialen Zusammenhalts der Gesellschaft erbracht werden.
(3) Bei der Erbringung durch Dritte haben Bund, Länder und Gemeinden durch entsprechende Kontrolle oder Einflussnahme die Qualität der Leistungserbringung zu gewährleisten.
Eingebracht im Ausschuss 1, 7. Sitzung, 19.11.2003
(1) Bund, Länder und Gemeinden gewährleisten die Erbringung von Leistungen im allgemeinen Interesse (Daseinsvorsorge).
(2) Derartige Leistungen stellen einen anerkannten, nicht diskriminierenden Mindeststandard der Teilhabe an jenen Lebensbereichen sicher, die gesellschaftlich regelmäßig vorkommen.
(3) Es sind dies sowohl marktbezogene als auch nicht marktbezogene Leistungen, die so zu erbringen sind, dass dabei insbesondere die Versorgungssicherheit, die soziale Erreichbarkeit, der Verbraucherschutz, der Gesundheitsschutz und die Nachhaltigkeit sicher gestellt sind.
Erläuterungen:
Die Verankerung der Verantwortlichkeit von Bund, Ländern und Gemeinden für die Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge in der Österreichischen Bundesverfassung soll zum Ausdruck bringen, dass die Gebietskörperschaften bestrebt sind, die von ihnen eingeführten und erbrachten Leistungen der Daseinsvorsorge auch in Zukunft aufrecht zu erhalten. Mit der Erbringung dieser Leistungen werden grundlegende Bedürfnisse der Bevölkerung erfüllt. Leistungen der Daseinsvorsorge stehen der gesamten Gesellschaft, also allen Bürgern zu gleichen Bedingungen zur Verfügung und werden aufgrund gemeinwohlbezogener Überlegungen erbracht. Gemeinwohlorientierte Leistungen sollen einerseits die Grundversorgung der Bevölkerung sichern, anderseits sind sie feste Bezugspunkte des Gemeinwesens und begründen die Zugehörigkeit der Bürgerinnen und Bürger zu diesem. Die Erbringung von Leistungen im allgemeinen Interesse und/oder deren Qualitätssicherung durch die öffentliche Hand bringen darüber hinaus auch die Verantwortlichkeit des Staates für die Ziele des Gemeinwohls zum Ausdruck. Die Verfassung hat heute nicht mehr die ausschließliche Aufgabe, die Bevölkerung vor Eingriffen durch den hoheitlichen Staat zu schützen bzw. den Staatsaufbau zu regeln, vielmehr soll eine moderne Verfassung, wie etwa die Schweizer Verfassung dies zeigt, auch die Verantwortung des Staates für seine Bewohner zum Ausdruck bringen. Der Staat hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Leistungsstaat entwickelt, der für seine Bevölkerung verantwortlich ist und genau das sollte auch in der Verfassung festgeschrieben werden. Seit einigen Jahren wird insbesondere von der Europäischen Union (siehe etwa das Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse) und im Rahmen der GATS-Verhandlungen der Trend zur Privatisierung und Liberalisierung ("Weniger Staat, mehr Markt") mit der Begründung prolongiert, dass einerseits die Öffentliche Hand einsparen kann und anderseits das Preisniveau für die Verbraucher gesenkt werden könnte.
Beispiele aus Europa zeigen aber, dass Liberalisierungen nur dann zu Einsparungen bzw. Preissenkungen geführt haben, wenn die Definition hoher Qualitätskriterien vernachlässigt wurde.
Gerade die Leistungen der Daseinsvorsorge gehorchen jedoch hinsichtlich ihrer Aufgabenerfüllung anderen Gesetzen als den Mechanismen des Freien Marktes. Im Gegenteil, sie sind in erhöhtem Maß, Kriterien wie der Versorgungssicherheit, der Kontinuität, der sozialen Erschwinglichkeit, der Gesundheit, der Nachhaltigkeit etc verpflichtet.
Leistungen der Daseinsvorsorge, wie etwa Wasser, Strom, Gas, Telekommunikation, Rundfunk und Postdienste, aber auch Sozial- Gesundheits- oder Bildungsleistungen sind Dienstleistungen, die als wesentlich für das Funktionieren einer modernen Gesellschaft angesehen werden. Obwohl sie als wesentlich gelten, können diese Dienstleistungen sowohl von privaten als auch von öffentlichen Unternehmen oder von Bund, Ländern und Gemeinden selbst, teilweise hoheitlich, erbracht werden. Die Verfügbarkeit, der Preis und die Qualität der Leistungen der Daseinsvorsorge sind per definitionem von größter Bedeutung für die Verbraucher.
Dienstleistungen von allgemeinem (wirtschaftlichen) Interesse unterscheiden sich insofern von normalen Dienstleistungen, als sie in den Augen des Staates auch dann erbracht werde müssen, wenn der Markt unter Umständen nicht genügend Anreize dafür bietet. Der Begriff der Leistungen der Daseinsvorsorge beruht auf dem Anliegen, überall gute und für alle erschwingliche Dienstleistungen zu gewähren. Diese Dienste tragen zur Verwirklichung der Ziele der Solidarität und Gleichbehandlung bei, die dem europäischen Gesellschaftsmodell zu Grunde liegen.
Gerade deshalb hat auch die Europäische Union die Bedeutung der Leistungen der Daseinsvorsorge anerkannt und haben sie Eingang in den Entwurf der Europäischen Verfassung gefunden.
Zum Textvorschlag im Detail:
Die Aufzählung der einzelnen Gebietskörperschaften soll zum Ausdruck bringen, dass Leistungen der Daseinsvorsorge von Bund, Ländern und Gemeinden erbracht werden und soll die entsprechenden Kompetenzen auch unterstreichen.
Der Begriff "gewährleisten" ist so zu verstehen, dass die zuständige Gebietskörperschaft die Leistung selbst oder durch Dritten erbringen lassen kann. Darüber hinaus ist die Öffentliche Hand aufgrund der Bedeutung dieser Leistungen dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass im Fall des Versagens der Leistungserbringung durch Dritte, der Staat die Leistungen auf jeden Fall in einer Art Reservefunktion bzw. Auffangverantwortung zu erbringen hat.
Die zuständige Gebietskörperschaft kann und muss bei jeder Leistung andere Kriterien heranziehen, um beurteilen zu können, in welcher Form sie die Leistungserbringung gewährleistet. Die Erbringung der Wasserversorgung ist anders zu beurteilen als die Telekommunikation oder der Postdienst. Im Bereich der Telekommunikation oder der Postdienste kann tatsächlich gänzlich privatisiert werden, wie dies auch bereits erfolgt ist (auch an ausländische Unternehmen). Es reicht hier, um die Versorgung der Bevölkerung gewährleisten zu können, z.B. eine Universaldienstverordnung aus, die festschreibt, dass der Anbieter eine flächendeckende Versorgung anbieten muss und der Staat evt. die Kosten durch Subventionen trägt. Im Bereich der Wasserversorgung ist nach anderen Kriterien vorzugehen, da es sich dabei um natürliche Ressourcen handelt, bzw. ein europäisches, großflächiges Netz aufgrund geographischer Hürden nicht funktionieren kann. (Trink-)Wasserversorgung bedeutet nicht nur die Leitungen/Infrastruktur zu errichten, sondern heißt im erhöhten Maße vor allem Qualitätssicherung, sprich die Versorgung mit einwandfreien Trinkwasser und auch die soziale Erreichbarkeit zu gewährleisten. Im Bereich der Wasserversorgung ist auch der Gedanke der Nachhaltigkeit von großer Bedeutung. Im Sinne der Gewährleistungspflicht ist die Grundsicherung in diesem Bereich im Gegensatz etwa zur Versorgung mit Strom nicht durch die Errichtung und Wartung des Netzes/Leitungen erbracht.
Gewährleisten bedeutet die Leistungen auch in entsprechender Qualität zu erbringen. Was bedeutet, dass Bund, Länder und Gemeinden sich bei der Erbringungen der Leistungen - vor allem durch Dritte - einen Einfluss in der Form sichern müssen, dass wenn die Qualität der Leistungen nachlässt, sie eine sogenannte Rückholmöglichkeit haben. Sprich sie können die Leistungserbringung wieder an sich ziehen und selbst besorgen oder durch ein anderen, besser geeigneten Dritten. Diese Qualitätssicherung ist gerade im Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich, ferner auch in der Wasserver- und entsorgung unerlässlich.
Abs 2 soll dem Begriff "Leistungen im allgemeinen Interesse" einen Interpretationsrahmen geben. "Leistungen im allgemeinen Interesse" ist ein unbestimmter Gesetzesbegriff, der sich aufgrund gesellschaftlicher Gegebenheiten ergibt und sich durch die fortschreitende gesellschaftliche Entwicklung verändert, vom öffentlichen Diskurs bestimmt, vom einfachen Gesetzgeber beeinflusst und schließlich von Entscheidungen der Höchstgerichte ausgelegt wird.
Leistungen im allgemeinen Interesse sind Leistungen die aus Gründen des Gemeinwohls erbracht werden. Gemeinwohl ist ein Begriff, der in der österreichischen Verfassung nicht vorkommt, der aber unter Berücksichtigung der Judikatur zum öffentlichen Interesse ausgelegt werden kann bzw. kann Gemeinwohl auch als Gegenbegriff zum Privatinteresse verstanden werden. Leistungen im allgemeinen Interesse werden insbesondere deshalb erbracht, um für die Gesellschaft eine diskriminierungsfreie Grundsicherung zu gewährleisten.
Die Erbringung von Leistungen im allgemeinen Interesse ist von dem Grundgedanken getragen, dass in jeder Gesellschaft unterschiedliche Lebensbereiche vorherrschen. Davon gibt es Lebensbereiche die so regelmäßig vorkommen, dass die Gesellschaft erwartet, dass daran jedes Mitglied der Gesellschaft auch teilnehmen darf. Derartige Lebensbereiche sind etwa die Bereiche Sozial-, Gesundheitswesen oder Kultur- und Bildungswesen oder der Zugang zu natürlichen Ressourcen wie Wasser, damit verbunden aber die Entsorgung von Abwasser oder Abfällen. Ob ein Lebensbereich als anerkannt bzw. als regelmäßig vorkommend betrachtet wird ist ein dynamischer Prozess. War es vor einem Jahrhundert nicht vorstellbar, dass die ganze Bevölkerung mit Telefon, Radio oder Fernsehen ausgestattet sein wird, ist es heute anerkannt, dass jedem und jeder Telekommunikation zur Verfügung gestellt werden muss und die Benutzung dieser Medien ist auch eine regelmäßige Erscheinung in der Gesellschaft.
Abs 3 legt fest welche Kriterien die einzelnen Gebietskörperschaften bei der Erbringung von Leistungen im allgemeinen Interessen zu beachten haben. Leistungen im allgemeinen Interesse sind gemäß Abs.3 so zu erbringen, dass insbesondere die Kriterien Versorgungssicherheit, soziale Erreichbarkeit, Gesundheitsschutz und die Nachhaltigkeit erfüllt sind.
Versorgungssicherheit bedeutet, dass die Bevölkerung darauf vertrauen kann, dass die zuständige Gebietskörperschaft nach Maßgabe unterschiedlicher Kriterien dafür Sorge trägt, dass ihr etwa Sozial-, Gesundheits-, Bildungsleistungen, Trinkwasser, Telekommunikation, Postdienste, Strom, Gas und Rundfunk zur Verfügung stehen bzw. die Abwasser- und Abfallentsorgung sichergestellt sind.
Soziale Erreichbarkeit, im Grünbuch zu den Leistungen von allgemeinen Interesse als Erschwinglichkeit bezeichnet, stellt klar, dass Leistungen der Daseinsvorsorge für die Bevölkerung entweder zu angemessenen und vor allem erschwinglichen Preisen (insb. bei netzgebundene Einrichtungen) zur Verfügung stehen oder vom Staat unter Umständen unentgeltlich geleistet werden (Gesundheits- und Sozialbereich), damit sie für jedermann zugänglich sind. Besonderes Augenmerk sollte dabei den Bedürfnissen und Möglichkeiten von einkommensschwachen Personen und Randgruppen gelten. Die Anwendung des Grundsatzes der sozialen Erreichbarkeit trägt zum wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft bei.
Die Leistungen im allgemeinen Interesse sind auch unter Bedachtnahme auf den Gesundheitsschutz zu erbringen. Gesundheitsschutz ist ein umfassender Begriff und bei jeder einzelnen Leistungen ist nach unterschiedlichen Kriterien vorzugehen. Im Bereich der Trinkwasserversorgung etwa ist dafür Sorge zu tragen, dass im Rahmen der Gewährleistungspflicht die Versorgung der Bevölkerung mit einwandfreiem (frei von gesundheitsgefährdenden Stoffen) Trinkwasser erfolgt.
Der Begriff der Nachhaltigkeit kommt vor allem aus dem Bereich des Umweltrechts. Das Prinzip der Nachhaltigkeit beruht auf der Erwägung, dass die den Menschen zur Verfügung stehenden Ressourcen begrenzt sind, dass aber deren Nutzung auch künftigen Generationen ermöglicht werden soll. Die Leitidee, dass eine Befriedigung der Bedürfnisse der Gegenwart möglich sein muss, ohne zu riskieren, dass zukünftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können, schlägt sich auch in einer Vielzahl politischer Programme nieder: z.B. Agenda 21, Fünftes Aktionsprogramm der EU, Österreichischer Nationaler Umweltplan und Amsterdamer Vertrag. Seit Abschluss des Amsterdamer Vertrags sind Aktivitäten sowohl der öffentlichen Hand, wie auch jene von Privaten auf ihre Nachhaltigkeit zu prüfen (Art 2 und 6 EGV, Art 2 EUV).
Die Unterscheidung zwischen marktbezogenen und nicht marktbezogenen Leistungen stellt einen Hinweis darauf dar, dass Leistungen im allgemeinen Interesse teilweise den Regeln des Marktes gehorchen und diesen auch weitgehend unterworfen werden können (z.b. Telekommunikation, Strom, Gas) und andere Leistungen, wie Sozial- und Gesundheitsleistungen aber anderen Regeln als denen des Marktes unterliegen. Je nach Art der Leistung muss daher die zuständige Gebietskörperschaft abwägen, ob sie die Leistung selbst erbringen muss oder ob ein Dritter diese erbringen kann.
Eingebracht im Ausschuss 1, 6. Sitzung, 10.11.2003
(1) Bund, Länder und Gemeinden haben die Erbringung von Leistungen im allgemeinen Interesse (Daseinsvorsorge) zu gewährleisten und deren Qualität zu sichern.
(2) Leistungen im allgemeinen Interesse sind insbesondere solche, die aus Gründen der Versorgungssicherheit, des Verbraucherschutzes, der sozialen Erreichbarkeit, der Gesundheit, der Bildung, der Nachhaltigkeit und des territorialen und sozialen Zusammenhalts der Gesellschaft erbracht werden.
Erläuterungen:
Die Verankerung der Verantwortlichkeit von Bund, Ländern und Gemeinden für die Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge in der Österreichischen Bundesverfassung soll zum Ausdruck bringen, dass die Gebietskörperschaften bestrebt sind, die von ihnen eingeführten und erbrachten Leistungen der Daseinsvorsorge auch in Zukunft aufrecht zu erhalten. Mit der Erbringung dieser Leistungen werden grundlegende Bedürfnisse der Bevölkerung erfüllt. Leistungen der Daseinsvorsorge stehen der gesamten Gesellschaft, also allen Bürgern zu gleichen Bedingungen zur Verfügung und werden aufgrund gemeinwohlbezogener Überlegungen erbracht. Gemeinwohlorientierte Leistungen sollen einerseits die Grundversorgung der Bevölkerung sichern, anderseits sind sie feste Bezugspunkte des Gemeinwesens und begründen die
Zugehörigkeit der Bürgerinnen und Bürger zu diesem. Die Erbringung von Leistungen im allgemeinen Interesse und/oder deren Qualitätssicherung durch die öffentliche Hand bringen darüber hinaus auch die Verantwortlichkeit des Staates für die Ziele des Gemeinwohls zum Ausdruck.
Die Verfassung hat heute nicht mehr die ausschließliche Aufgabe, die Bevölkerung vor Eingriffen durch den hoheitlichen Staat zu schützen bzw. den Staatsaufbau zu regeln, vielmehr soll eine moderne Verfassung, wie etwa die Schweizer Verfassung dies zeigt, auch die Verantwortung des Staates für seine Bewohner zum Ausdruck bringen. Der Staat hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Leistungsstaat entwickelt, der für seine Bevölkerung verantwortlich ist und genau das sollte auch in der Verfassung festgeschrieben werden.
Seit einigen Jahren wird insbesondere von der Europäischen Union (siehe etwa das Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse) und im Rahmen der GATS-Verhandlungen der Trend zur Privatisierung und Liberalisierung ("Weniger Staat, mehr Markt") mit der Begründung prolongiert, dass einerseits die Öffentliche Hand einsparen kann und anderseits das Preisniveau für die Verbraucher gesenkt werden könnte.
Beispiele aus Europa zeigen aber, dass Liberalisierungen nur dann zu Einsparungen bzw. Preissenkungen geführt haben, wenn die Definition hoher Qualitätskriterien vernachlässigt wurde.
Gerade die Leistungen der Daseinsvorsorge gehorchen jedoch hinsichtlich ihrer Aufgabenerfüllung anderen Gesetzen als den Mechanismen des Freien Marktes. Im Gegenteil, sie sind in erhöhtem Maß, Kriterien wie der Versorgungssicherheit, der Kontinuität, der sozialen Erschwinglichkeit, der Gesundheit, der Nachhaltigkeit, etc verpflichtet.
Leistungen der Daseinsvorsorge, wie etwa Wasser, Strom, Gas, Telekommunikation, Rundfunk und Postdienste, aber auch Sozial- Gesundheits- oder Bildungsleistungen sind Dienstleistungen, die als wesentlich für das Funktionieren einer modernen Gesellschaft angesehen werden. Obwohl sie als wesentlich gelten, können diese Dienstleistungen sowohl von privaten als auch von öffentlichen Unternehmen oder von Bund, Ländern und Gemeinden selbst, teilweise hoheitlich, erbracht werden. Die Verfügbarkeit, der Preis und die Qualität der Leistungen der Daseinsvorsorge sind per definitionem von größter Bedeutung für die Verbraucher.
Dienstleistungen von allgemeinem (wirtschaftlichen) Interesse unterscheiden sich insofern von normalen Dienstleistungen, als sie in den Augen des Staates auch dann erbracht werde müssen, wenn der Markt unter Umständen nicht genügend Anreize dafür bietet. Der Begriff der Leistungen der Daseinsvorsorge beruht auf dem Anliegen, überall gute und für alle erschwingliche Dienstleistungen zu gewähren. Diese Dienste tragen zur Verwirklichung der Ziele der Solidarität und Gleichbehandlung bei, die dem europäischen Gesellschaftsmodell zu Grunde liegen.
Gerade deshalb hat auch die Europäische Union die Bedeutung der Leistungen der Daseinsvorsorge anerkannt und haben sie Eingang in den Entwurf der Europäischen Verfassung gefunden.
Zum Textvorschlag im Detail:
Die Aufzählung der einzelnen Gebietskörperschaften soll zum Ausdruck bringen, dass Leistungen der Daseinsvorsorge von Bund, Ländern und Gemeinden erbracht werden und soll die entsprechenden Kompetenzen auch unterstreichen.
Der Begriff "gewährleisten" ist so zu verstehen, dass die zuständige Gebietskörperschaft die Leistung selbst oder durch Dritten erbringen lässt. Darüber hinaus ist die öffentliche
Hand aufgrund der Bedeutung dieser Leistungen dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass im Fall des Versagens der Leistungserbringung durch Dritte, der Staat die Leistungen auf jeden Fall in einer Art Reservefunktion bzw. Auffangverantwortung zu erbringen hat.
Die zuständige Gebietskörperschaft kann und muss bei jeder Leistung andere Kriterien heranziehen, um beurteilen zu können, in welcher Form sie die Leistungserbringung gewährleistet. Die Erbringung der Wasserversorgung ist anders zu beurteilen als die Telekommunikation oder der Postdienst. Im Bereich der Telekommunikation oder der Postdienste kann tatsächlich gänzlich privatisiert werden, wie dies auch bereits erfolgt ist (auch an ausländische Unternehmen). Es reicht hier, um die Versorgung der Bevölkerung gewährleisten zu können, z.B. eine Universaldienstverordnung aus, die festschreibt, dass der Anbieter eine flächendeckende Versorgung anbieten muss und der Staat evt. die Kosten durch Subventionen trägt. Im Bereich der Wasserversorgung ist nach anderen Kriterien vorzugehen, da es sich dabei um natürliche Ressourcen handelt, bzw. ein europäisches, großflächiges Netz aufgrund geographischer Hürden nicht funktionieren kann .
Qualität sichern heißt u.a., dass Bund, Länder und Gemeinden sich bei der Erbringungen der Leistungen - vor allem durch Dritte - einen Einfluss in der Form sichern müssen, dass wenn die Qualität der Leistungen nachlässt, sie etwa eine sogenannte Rückholmöglichkeit haben. Sprich sie können die Leistungserbringung wieder an sich ziehen und selbst besorgen oder durch ein anderen Dritten. Diese Qualitätssicherung ist gerade im Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich, ferner auch in der Wasserver- und entsorgung unerlässlich.
Eine Definition des Begriffes "Leistungen von allgemeinen Interesse" ist insbesondere deshalb notwendig, um den Interpretationsspielraum dieses weiten und unklaren Begriffes einzugrenzen und einen Rahmen abzustecken (Die Sorge für das Gemeindeschwimmbad kann dann nicht mehr abgeleitet werden). Dies ist deshalb erforderlich, da der Inhalt dieses Staatsziels den Maßstab einer möglichen Gesetze- bzw. Verordnungsprüfung durch den Verfassungsgerichtshof bilden soll.
Versorgungssicherheit bedeutet, dass die Bevölkerung darauf vertrauen kann, dass die zuständige Gebietskörperschaft nach Maßgabe unterschiedlicher Kriterien dafür Sorge trägt, dass ihr Sozial-, Gesundheits-, Bildungsleistungen, Trinkwasser, Telekommunikation, Postdienste, Strom, Gas und Rundfunk zur Verfügung stehen bzw. die Abwasser- und Abfallentsorgung sichergestellt ist.
Soziale Erreichbarkeit stellt klar, dass Leistungen der Daseinsvorsorge für die Bevölkerung entweder zu angemessenen Preisen (insb. bei netzgebundene Einrichtungen) zur Verfügung stehen oder vom Staat unter Umständen unentgeltlich geleistet werden (Gesundheits- und Sozialbereich). Besonderes Augenmerk sollte dabei den Bedürfnissen und Möglichkeiten von einkommensschwachen Personen und Randgruppen gelten.
Eingebracht im Ausschuss 1, 2.
Sitzung, 8.10.2003
Staatsziele und Staatsaufgaben
Einige vorläufige Thesen
zum "Mandat" des Ausschusses
1. Zu unterscheiden ist zwischen
– Staatszielen und Staatsaufgaben in einem allgemeinen, dem positiven Verfassungsrecht vorgelagerten Sinn
– und verfassungsrechtlichen Staatszielbestimmungen und Verfassungsaufträgen.
Zwischen den Begriffen Staatszielen und Staatsaufgaben bzw. Staatszielbestimmungen und Verfassungsaufträgen lassen sich jeweils keine scharfen Grenzen ziehen. Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass Staatsziele bzw. Staatszielbestimmungen abstrakter, Staatsaufgaben bzw. Verfassungsaufträge konkreter sind; doch ist die Abgrenzung fließend und die Terminologie in der Literatur uneinheitlich. Eine präzise Definition ist für die Zwecke dieses Ausschusses aber auch nicht notwendig.
2. Eine verfassungsrechtliche Positivierung von Staatszielen und Staatsaufgaben (im Sinne von Staatszielbestimmungen und Verfassungsaufträgen) kann einen doppelten Sinn haben:
a. Sie kann eine Handlungs- oder Gewährleistungspflicht des Staates zum Ausdruck bringen.
b. Sie kann aber auch als Begrenzung des Staates verstanden werden – etwa in dem Sinn, dass staatliche Aktivitäten durch die verfassungsrechtlich festgelegten Aufgaben beschränkt werden.
Beide Ziele heben sich wechselseitig auf.
3. "Staatsaufgaben" ist – pointiert formuliert – ein anderes Wort für Politik. Die Auffassung darüber, welche Aufgaben der Staat besorgen und welche Ziele er anstreben soll, ist daher ständig im Fluss und Gegenstand politischer Auseinandersetzung zwischen den Parteien. Es ist der Sinn einer rechtsstaatlichen-demokratischen Verfassung, diesem politischen Prozess einen festen Rahmen zu geben, nicht aber, diesen Prozess verfassungsrechtlich zu fixieren und zu versteinern.
Gleiches gilt für den engeren Begriff der "Kernaufgaben".
Es gibt freilich Themen, die im politischen Alltag gewissermaßen außer Streit zu stellen durchaus sinnvoll sein kann. Das gilt vor allem für Ziele und Werte, die in einem auf der Mehrheitsregel beruhenden demokratischen Willensbildungsprozess nicht über ausreichende Artikulations- und Durchsetzungskraft verfügen. Ein illustratives Beispiel ist der Umweltschutz, dessen langfristige Komponente Gefahr läuft, in dem durch kurzfristige Legislaturperioden geprägten politischen Prozess unzulänglich berücksichtigt zu werden. Dazu eignen sich Staatszielbestimmungen.
Das – wohl nicht nachahmenswerte – amerikanische Beispiel zeigt ferner, dass auch elementare Leistungen der Daseinsvorsorge und der sozialen Sicherheit unter den aktuellen Sparzwängen des Staates und einer sozioökonomischen Entwicklung, die gesellschaftliche Ungleichheiten verstärkt, in der politischen Auseinandersetzung um parlamentarische Mehrheiten in Gefahr sind, "unter die Räder" zu kommen. Das "europäische Modell" des sozialen Rechtsstaates als Staatszielbestimmung verfassungsrechtlich zu verankern, macht daher einen guten Sinn. Auf der Ebene der EU ist dies durch das Kapitel "Solidarität" der EU-Grundrechtecharta (2. Teil des Entwurfs einer Verfassung der Union) bereits erfolgt.
4. Die geltende österreichische Bundesverfassung enthält punktuell und unsystematisch eine Reihe von Staatszielbestimmungen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien genannt:
- das Verbot nazistischer Tätigkeit
(VerbotsG)
- die dauernde Neutralität
(NeutralitätsBVG)
- umfassende Landesverteidigung (Art
9a B-VG)
- Umweltschutz (UmweltschutzBVG)
- Gleichbehandlung von Behinderten und
Gleichstellung von Mann und Frau (Art 7 Abs 1 B-VG)
- Schutz der Volksgruppen (Art 8 Abs 2
B-VG)
- Rundfunk als öffentliche Aufgabe
(RundfunkBVG)
- Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht
(Art 13 Abs 2 B-VG).
Über eine Streichung dieser Bestimmungen dürfte
kaum ein Konsens herstellbar sein. Es wird daher eine Aufgabe des Ausschusses
sein, über den Einbau dieser Bestimmungen in den Text einer geschlossenen
Verfassungsurkunde – wie sie das Ziel des Konvents ist – zu beraten. Mögliche
legistische Alternativen sind:
a. Die
Zusammenfassung in einem Katalog, etwa als Unterabschnitt des Ersten
Hauptstücks des B-VG.
Dabei stellt sich die Frage nach einer Ergänzung im
Sinn einer Abrundung
dieses Katalogs.
b. Die
Zuordnung zu anderen Teilen der (künftigen) Bundesverfassung. Dabei
bietet sich in einer
Reihe von Fällen der Einbau in einen allfälligen
Grundrechtekatalog
an.
5. Die Frage weiterer Staatszielbestimmungen oder Verfassungsaufträge wird
sich jedenfalls auch im Rahmen des Grundrechtsausschusses stellen, vor
allem unter dem Aspekt sozialer Grundrechte (siehe v.a. den bereits erwähnten Abschnitt
"Solidarität" der EU-Grundrechtecharta, der einen Mindeststandard für
die Mitgliedstaaten vorgibt).
6. Der normative Gehalt von Staatszielbestimmungen ist allerdings gering,
wie sich am Beispiel des UmweltschutzBVG oder des Art 13 B-VG (gesamtwirtschaftliches
Gleichgewicht) leicht zeigen ließe. Das liegt zum einen daran, dass die Gestaltungsfreiheit
des Gesetzgebers zwangsläufig groß bleiben muss, zum anderen aber auch
daran, dass solche Verfassungsregelungen kaum gerichtlich durchsetzbar
sind. Ein (Verfassungs-)Gericht ist auf die Feststellung einer mangelnden
Umsetzung von Staatszielbestimmungen und Verfassungsaufträgen beschränkt, kann
aber diese Unterlassung nicht durch seine Entscheidung substituieren.
Allerdings hat der VfGH Techniken der Gesetzesaufhebung entwickelt, mit denen
auch auf ein Unterlassen des Gesetzgebers reagiert werden kann (VfGH Slg
8017/1977, 13.477/1993, 14.075/1995; 16.316/2001 u.a.). Eine gänzliche
Untätigkeit des Gesetzgebers kann aber vom VfGH nicht aufgegriffen werden (VfGH
Slg 14.453/1996 zur fehlenden gesetzlichen Grundlage für das – nach Art 10 EMRK
zu ermöglichende – private terrestrische Fernsehen).
Eine explizite Ermächtigung des VfGH zu einem
Feststellungserkenntnis nach dem Beispiel der portugiesischen Verfassung (Art
238) dürfte gegenüber dieser Judikatur kaum Verbesserungen bringen.
7. Präambeln entsprechen nicht dem herkömmlichen Stil
österreichischer Verfassungsgesetzgebung. Das ist kein hinreichendes Argument
gegen eine Präambel in einer neuen Verfassung. Aber der normative Gehalt von
Präambeln steht in keinem Verhältnis zu dem dadurch im Regelfall provozierten
ideologischen Streit. Die Schaffung einer neuen Verfassung steht vor vielen
Hürden. Es sollte nicht künstlich eine weitere Hürde durch die Forderung nach
einer Präambel konstruiert werden.
Eingebracht im Ausschuss 1, 10.
Sitzung, 14.1.2004
Neutralität als Staatszielbestimmung
in einer
künftigen Bundesverfassung
I.
Die
österreichische Neutralität ist im Jahre 2004 gewiss nicht mehr das, was sie
zwischen 1955 und 1990 war. Geändert haben sich zum einen die außenpolitischen
Rahmenbedingungen, vor allem durch den Zusammenbruch der Sowjetunion und
des Warschauer Paktes. Verändert haben sich ferner rechtliche Überzeugungen wie
jene über das Verhältnis von UN-Mitgliedschaft und Neutralität: Während
die ältere österreichische Lehre im Sinne der so genannten Verdroß-Doktrin von
einem Vorrang der Neutralitätspflichten gegenüber den Pflichten aus der
UN-Satzung ausging, gilt heute unbestritten eine Teilnahme an vom
Sicherheitsrat legitimierten militärischen Aktionen als mit der Neutralität
vereinbar.
Eine
markante Änderung hat schließlich die EU-Mitgliedschaft bewirkt. Zu den
Zielen der EU gehört auch eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP).
Diese umfasst sämtliche Fragen der äußeren Sicherheit inklusive einer
"schrittweisen Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik …, die zu
einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte, falls der Europäische Rat dies
beschließt" (Art 17 Abs 1 EUV). Dies schließt auch "Kampfeinsätze
bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen"
ein (Art 17 Abs 2 EUV). Ziel der GASP ist ua die "Wahrung der gemeinsamen
Werte, der grundlegenden Interessen, der Unabhängigkeit und der Unversehrtheit
der Union" sowie "die Wahrung des Friedens und die Stärkung der
internationalen Sicherheit", dies im Einklang mit den Grundsätzen der
Charta der Vereinten Nationen (Art 11 Abs 1 EUV). Damit ist – da sich
Neutralität und eine gemeinsame Verteidigungspolitik widersprechen – in die
"immerwährende" Neutralität Österreichs ein Ablauftermin eingebaut,
der nur noch kein festes Datum hat (certus quam, incertus quando).
Allerdings
lässt die Realität der GASP Spielräume für die Mitgliedstaaten offen.
Derzeit erscheint es noch durchaus möglich, innerhalb der EU so etwas wie eine
Neutralitätspolitik zu verfolgen. Zu beachten ist freilich auch die Gemeinsame
Erklärung Nr. 1 zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik in der
Schlussakte zum Beitrittsvertrag von 1994, wonach u.a.
-- die neuen
Mitgliedstaaten ab dem Zeitpunkt ihres Beitritts bereit und fähig sein werden,
sich in vollem Umfang und aktiv an der Gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik, so wie sie im Vertrag über die Europäische Union definiert
ist, zu beteiligen;
-- die
neuen Mitgliedstaaten mit dem Beitritt alle Ziele des Vertrags, die
Bestimmungen in Titel V des Vertrags und die ihm beigefügten einschlägigen
Erklärungen vollständig und vorbehaltlos übernehmen werden.
Auch im EUV selbst wird festgehalten, dass
die Mitgliedstaaten "die Außen- und Sicherheitspolitik der Union aktiv und
vorbehaltlos im Geiste der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität"
unterstützen (Art 11 Abs 2 EUV). Andererseits heißt es auch im Art 17 Abs 1
2. Unterabsatz EUV, dass die "Politik der Union nach diesem Artikel …
nicht den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik
bestimmter Mitgliedstaaten (berührt)" (sog. "Irische Klausel").
II.
Der
Bundesverfassungsgesetzgeber hat auf diese Entwicklung durch Art 23f B-VG
reagiert. Danach wirkt Österreich an der GASP mit, und zwar
einschließlich der Petersberger Aufgaben ("Aufgaben gemäß Art. 17 Abs.
2" EUV) sowie wirtschaftlicher Sanktionen gegenüber Drittstaaten. Art 23f
Abs 1 letzter Satz, Abs 2, Abs 3 und Abs 4 B-VG enthalten lediglich verfahrensrechtliche
Regelungen (Genehmigung gewisser Beschlüsse durch den Nationalrat mit
qualifizierter Mehrheit – was sich auch schon aus Art 50 Abs 3 B-VG ergeben
würde; Recht des Nationalrats zu verbindlichen Stellungnahmen gemäß Art 23e
B-VG; Einvernehmen zwischen Bundeskanzler und Außenminister bei einschlägigen
Beschlüssen der EU über friedenserhaltende und friedensschaffende Aufgaben
sowie den Aufbau einer gemeinsamen Verteidigungspolitik; Mitwirkung des
Nationalrats bei Entsendung von Militärs). Er normiert aber expressis verbis
keine inhaltlichen Beschränkungen der im ersten Satz des Art 23f Abs 1 B-VG
proklamierten "Mitwirkung".
Inwieweit
dabei eine Bindung Österreichs an die dauernde Neutralität besteht, ist
strittig und wird von einem Teil der Lehre (im Einklang mit den Materialien
zu Art 23f B-VG) verneint. Eine Vereinbarkeit mit der österreichischen
Neutralität könnte allenfalls im Zusammenhang mit der in Art 11 Abs 1 EUV
normierten Bindung der EU an die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen
(siehe zuvor) argumentiert werden: Nur solche "friedensschaffende"
Einsätze mit Militärgewalt sind der EU erlaubt, die durch den Sicherheitsrat legitimiert
sind. Die Beteiligung an solchen Maßnahmen steht aber nach heutiger Auffassung
ohnehin nicht im Widerspruch zur Neutralität.
Weitgehend
unbestritten ist, dass gewisse "Kernelemente" der
ursprünglichen Neutralität für Österreich auch weiterhin – jedenfalls innerstaatlich
– verbindlich sind. Es ist dies zum einen die generelle Verpflichtung eines
Neutralen, nicht an einem "Krieg" teilzunehmen (soweit militärische
Aktionen nicht durch den Sicherheitsrat legitimiert sind). Es sind dies ferner
die im Art I Abs 2 NeutralitätsBVG angesprochenen Verpflichtungen, nicht einem
militärischen Bündnis beizutreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte
fremder Staaten auf österreichischem Territorium nicht zu dulden. Ungeachtet
der Fraglichkeit der österreichischen Neutralität aus internationaler und
völkerrechtlicher Sicht bewirken diese Bestimmungen des NeutralitätsBVG im
innerstaatlichen Bereich, dass jede weitere Einschränkung der Neutralität,
vor allem auch der Beitritt zu einem Verteidigungsbündnis, als verfassungsändernd
zu qualifizieren ist und daher einer Zweidrittelmehrheit im Nationalrat
bedarf.
III.
Wie
immer man den Stellenwert der Neutralität für Österreichs Außenpolitik
bewertet, er ist jedenfalls innenpolitisch äußerst kontroversiell. Das ist erst
jüngst im Zusammenhang mit einer im EU-Verfassungsvertrag zur Diskussion
gestellten Beistandspflicht auf europäischer
Ebene deutlich geworden. Es stellt aber keine Aufgabe eines Ausschusses des
Konvents - dessen
Arbeitsweise nach § 21 Abs 3 der Geschäftsordnung auf Konsens ausgerichtet ist - dar, dieses strittige Thema zu
entscheiden. Der Ausschuss 1 ist weder der geeignete Ort, die Neutralität zu
reanimieren noch sie zu entsorgen. Insofern empfiehlt es sich, inhaltlich am
bestehenden Verfassungsrecht vorerst festzuhalten.
Dies
könnte am einfachsten durch Aufrechterhaltung des geltenden NeutralitätsBVG
geschehen. Im Ausschuss 2 zeichnet sich die Auffassung ab, dass es auch in
Zukunft neben der Stammurkunde der Bundesverfassung einige weitere
Bundesverfassungsgesetze geben wird. Mehrere Mitglieder des Präsidiums haben
dies bereits vorgeschlagen. Im Ausschuss 2 wurde das NeutralitätsBVG als ein
Kandidat für ein solches außerhalb der Stammurkunde bestehendes Bundesverfassungsgesetz
genannt. Offen ist dabei noch die Frage, wie diese Bundesverfassungsgesetze
mit der Verfassungsurkunde verknüpft werden sollen. Doch ist dies eine Frage,
die im Ausschuss 2 zu klären sein wird.
Es
handelt sich auch um einen Kompromiss der Sache nach: Die Befürworter der
Neutralität verzichten damit auf deren Verankerung im Haupttext der (künftigen)
Bundesverfassung, ihre Kritiker auf die gänzliche Eliminierung aus dem
Verfassungsrecht.
Für
diese Lösung spricht weiters, dass die Entwicklung auf europäischer Ebene im
Fluss ist und eine Anpassung der Bundesverfassung zweckmäßigerweise zu
jenem Zeitpunkt erfolgen soll, an dem sich diese Entwicklung klarer konturiert.
Es
wird daher vorgeschlagen, das NeutralitätsBVG unverändert neben der künftigen
Verfassungsurkunde aufrecht zu erhalten und den Ausschuss 2 um die Klärung der
Frage zu ersuchen, wie dieses Nebeneinander legistisch zu gestalten wäre. Eine
andere Lösung scheint nicht konsensfähig zu sein.
Eingebracht im Ausschuss 1, 3.
Sitzung, 15.10.2003
Sehr geehrter Herr Vorsitzender!
Ich darf versuchen, meine Überlegungen zur Konkretisierung von
Staatszielen und –aufgaben weiter zu präzisieren:
(1) Tatsächlich wurde anlässlich der Ausschusssitzung vom 08. 10. 2003
lediglich oberflächlich Konsens erzielt, sich nicht an einem umfassenden
Katalog von Staatszielen und –aufgaben zu versuchen. Ich sehe in einem – selbst
taxativen – Katalog derartiger Ziele und Aufgaben mehr eine Verengung denn eine
Erweiterung des Prozesses der Formulierung neuer und der inhaltlichen
Gestaltung bestehender Staatsziele. Die bereits normierten Staatsziele und
–aufgaben sollten jedoch in einer Norm zusammengefasst werden, mit dem Verweis,
dass als solche festgestellte Staatsziele und –aufgaben verpflichtend für
Gesetzgebung und Vollziehung sind.
(2) Daher plädiere ich weiters für den Versuch, Staatsziele und –aufgaben
allgemein anzusprechen, deren Wahrung und Realisierung der gesamten Vollziehung
(Verwaltung und Gerichtsbarkeit) auf zu tragen und die Gesetzgebung in diesem
Sinne zu verpflichten.
(3) Überlegungen zur Aufnahme von Staatszielen und –aufgaben alleine unter
dem Gesichtspunkt der Sanktionierung von Behördenverhalten anzustellen, hieße,
lediglich einen Aspekt des Problems zu reflektieren. Einerseits finden im Wege
des Gemeinschaftsrechts – welches, soweit unmittelbar anzuwenden, bereits
derzeit (etwa) von der Verwaltung zu vollziehen ist, wenn eine gesetzliche
Grundlage iSd Art 18 B-VG fehlt – Zielvorstellungen (die Grundfreiheiten)
Eingang in die Rechtsordnung und binden die Vollziehung. Derartige
Zielvorstellungen konditionieren den politischen Prozess, sie binden den
Gesetzgeber und die Vollziehung. Die Konkretisierung obliegt – derzeit – vor
allem dem Europäischen Gerichtshof.
(4) Im Wege der Ziele der EU und konkretisiert durch den EuGH verlieren
traditionelle Unterscheidungen – etwa zwischen Verwaltung und Gerichtsbarkeit;
oder zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht – zusehends an Schärfe.
Beispielsweise verweise ich auf die derzeitige Diskussion über Eingriffsnormen
im Privatrecht im Gefolge der Ingmar-Entscheidung [EuGH, Urt. v. 09. 11. 2000 –
Rs. C-381/98 (Ingmar GB Ltd. v. Eaton Leonhard Technologies Inc.)]. Diese
Diskussion kristallisiert um den Ausspruch des Gerichtshofes, die
Handelsvertreter-Richtlinie (RL 85/653/EWG vom 18.12. 1986) ziele auf den
Schutz der Niederlassungsfreiheit und des unverfälschten Wettbewerbs.
Die an dieses Urteil anknüpfende Diskussion hält mittlerweile bei
Folgendem: (a) die Anwendung von Eingriffsnormen verlange die Beachtung
„rechtlicher policies“ (Staudinger, Kommentar des BGB, 13. Aufl. 2002, RZ 36 zu
Art 34 EGBGB); (b) Art 34 EGBGB normiere eine „grundrechtsspezifische
Eingriffsnorm“ der unterlegenen Partei in einer Situation gestörter
Vertragsparität (Reich, „Grundgesetz und internationales Vertragsrecht“, NJW
1994, Heft 33); (c) „internrechtliche Abgrenzungen von öffentlichem Recht und
Privatrecht“ seien nicht geeignet, das Phänomen der Eingriffsnormen zu
erfassen. Trotzdem verschwimmen Eingriffsnormen nicht zu einer „nebulöse(n)
Masse von Rechtsnormen, die nur formal durch die Unverzichtbarkeit ihrer
Anwendung (....) oder durch ihre Zugehörigkeit zum öffentlichen Recht
umschrieben werden können. Vielmehr ist man sich überwiegend einig, dass eine
Definition nur anhand materieller Kriterien in Betracht kommt: Die Bestimmung
erfolgt auf Grund der Sachnormzwecke.“ (Sonnenberger, „Das trojanische Pferd im
IPR oder notwendige Ergänzung?“, IPRax 2003, Heft 2).
(5) Die Alternative zur Formulierung eines Kataloges von Zielen und
Aufgaben ist in der Erarbeitung von Vorgaben zu sehen. Das von Funk
angesprochene Koordinatensystem aus Grundsätzen unterschiedlicher Ordnung
erscheint mir eine erste Annäherung an die Lösung der Frage, wie ein offenes
Verfahren der Konkretisierung und (normativen) Kristallisierung von
Staatszielen und –aufgaben gefasst werden kann. Allgemeine Bestimmungen von
Zielen und Aufgaben des Staates (besser: Anforderungen an das Gemeinwesen) – im
politischen Prozess – und die normative Fassung – verfassungsgesetzlich –
vorgegebene Prinzipien werden durch die Erfordernisse jeweiliger Sachverhalte –
im Wege von Verfahren und, wenn notwendig, in Entscheidungen – konkretisiert.
Derartige Prinzipien – Ziele „zweiter Ordnung“? – können beispielsweise sein:
Legalität, Nachhaltigkeit, Effizienz, Nichtdiskriminierung, Ressourcenschonung,
Verhältnismäßigkeit, Zugang zu Lebenschancen.
Wichtig erscheint mir der Gedanke, dass derart Entscheidungsgrundlagen
nicht nur im Sinne der Sanktion ex-post, sondern – vor allem – im Sinne einer
Gestaltung formulierbar sind.
Da ich an der Teilnahme an der Ausschusssitzung vom 15. Oktober 2003
verhindert bin, darf ich Sie, sehr geehrter Herr Vorsitzender, ersuchen, mein
(kurzes) Papier zur Diskussion zu stellen und Herrn Prof. Raschauer, es
gegebenen Falls vorzutragen.
Eingebracht im Ausschuss 1, 10.
Sitzung, 14.1.2004
Neutralität als Staatszielbestimmung
(1) Nicht ein weniger an Neutralität, sondern
ein anderes Verständnis von immerwährender Neutralität greift im Gefolge der
Mitgliedschaft Österreichs in der EU Platz. Ein älteres Verständnis von
immerwährender Neutralität normiert sekundäre Verpflichtungen sehr weitgehend:
etwa die Verpflichtung zu wirtschaftlicher Vorsorge für den Krisenfall; oder
Handelspolitik als von immerwährender Neutralität schon zu Friedenszeiten
bestimmt. Nunmehr ist immerwährende Neutralität auf den Kern beschränkt, der im
BVG Neutralität formuliert ist: kein Beitritt zu militärischem Bündnis und
Verbot der Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem
Gebiet.
(2) Dogmatisch bedingt immerwährende
Neutralität – im Sinne eines jüngeren Verständnisses -- auch „ein Mehr“ als
Neutralität und ist nicht Bündnisfreiheit gleich zu setzen. Neutralität
beschreibt zunächst den völkerrechtlichen Status eines Staates im Kriegsfall.
Die Entscheidung eines Staates, sich nicht an einem militärischen Konflikt zu
beteiligen, begründet dessen Neutralität. Die Pflichten des Neutralen sind: (i)
Enthaltungspflicht; (ii) Verhinderungspflicht; (iii) Unparteilichkeit; (iv)
Duldungspflichten. Unter Blockfreiheit ist dagegen völkerrechtlich die
Entscheidung eines Staates zu verstehen, sich keinem militärischen Bündnis
anzuschließen. Diese Entscheidung determiniert jedoch nicht das Verhalten des
Blockfreien im Falle kriegerischer Auseinandersetzung.
(3) Die Ausgestaltung des Instituts der
immerwährenden Neutralität alleine durch die Bundesregierung legt nahe, die
immerwährende Neutralität in ihrem rechtlich argumentierbaren Gehalt
verbindlich zu formulieren. Dies ermöglichte gegebenen falls auch den
korrigierenden Eingriff des VfGH.
(4) Ein älteres Verständnis von immerwährender
Neutralität ist mit den Verpflichtungen Österreichs aus dem EUV nicht
vereinbar. Dies jedoch aus den von der älteren Lehre formulierten Vorkehrungs-
und Vorbereitungspflichten des immerwährend neutralen Staates. Das Argument,
die Mitgliedschaft in der EU verpflichte etwa zur Teilnahme an Embargos – und
führe zur Parteinahme in Friedenszeiten – überzeugt dagegen nicht (siehe
unten). Würde das Argument, Österreich sei an Embargobeschlüsse der EU
gebunden, auch auf den Falle kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen
Drittstaaten erweitert, kann von immerwährender Neutralität nicht mehr die Rede
sein; nicht einmal mehr von Neutralität.
Das Argument, Österreich sei aus dem EUV
verpflichtet, etwa Embargobeschlüsse mit zu tragen, ist jedoch verfehlt. Dieses
Argument ist auf Art 301 EGV gestützt und übersieht, dass Art 23 EUV ein
spezielles procedere für Beschlüsse über Maßnahmen im Rahmen der GASP normiert.
Art 301 EGV normiert das Verfahren nachdem ein gemeinsamer Standpunkt
eingenommen oder gemeinsame Aktionen durch den Rat beschlossen wurden. Die
Beschlussfassung von gemeinsamen Standpunkten und gemeinsamen Aktionen folgt
jedoch dem Verfahren des Art 23 EUV. Österreich ist daher berechtigt -- und aus
dem BVG Neutralität verpflichtet --, bei Beschlussfassungen gem Art 23 EUV,
sich der Stimme zu enthalten, sollten Beschlüsse des Rates den
neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen Österreichs entgegen stehen. Österreich
ist in diesem Fall weiters verpflichtet, eine Erklärung abzugeben, die
Stimmenthaltung sei den neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen Österreichs
geschuldet. Dies mit der Konsequenz, dass Österreich nicht verpflichtet ist,
einen entsprechenden Beschluss durch zu führen oder sich an Aktionen zu
beteiligen. Die in Art 23 Abs 1 EUV normierte Verpflichtung, alles zu
unterlassen, „was dem auf diesen Beschluss beruhenden Vorgehen der Union
zuwiderlaufen und es behindern könnte“, ist im Sinne der Enthaltungspflicht
des Neutralen zu interpretieren und zu handhaben. Sowohl der erste als auch der
zweite Absatz des Art 23 EUV räumen Österreich ausreichenden Spielraum zur
Erfüllung der neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen ein.
(5) Die Mitwirkung Österreichs an „Maßnahmen
(..), mit denen die Wirtschaftsbeziehungen zu einem oder mehreren dritten
Ländern ausgesetzt, eingeschränkt oder vollständig eingestellt werden“ (Art
23 f B-VG) ist im Lichte der Verpflichtungen Österreichs aus der Charta der
Vereinten Nationen zu interpretieren. Dieser Interpretationsrahmen ist dem EUV
immanent. Verwiesen sei auf Art 11 EUV. Die Wahrung der Interessen der EU hat
ebenso „im Einklang mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen“
zu erfolgen, wie die Wahrung des Friedens und die Stärkung der internationalen
Sicherheit.
Die Teilnahme Österreichs an Maßnahmen der UN
in der schon vor dem Beitritt Österreichs zur EU praktizierten Weise ist
jedenfalls auch innerhalb der EU – soweit in Einklang mit der Charta der UN –
unbedenklich. Ebenso erscheint die Teilnahme an Maßnahmen der EU möglich,
soweit diese in Erfüllung von Beschlüssen der UN erfolgen. Dies auch an
Maßnahmen, welche der Qualität nach über die vor 1995 eingehaltenen
Restriktionen hinausgehen. Dies sind „friedenserhaltende Aufgaben sowie
Kampfeinsätze bei Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender
Maßnahmen“ (Art 23 f B-VG). Qualität und Quantität der zur Teilnahme an
derartigen Maßnahmen von Österreich bereitgestellten Ressourcen bestimmt
Österreich (Helsinki Accords).
(6) Die immerwährende Neutralität bestimmt die
Teilnahme Österreichs an der GASP demnach inhaltlich. Der Inhalt dieser
Neutralität wird im Sinne der Friedensordnung der UN konkretisiert, soweit
Österreich die Teilnahme an Maßnahmen im Rahmen der GASP, gem Art 17 EUV zu
erwägen hat.
Bei Beibehaltung des BVG Neutralität sollte
eine Novelle des Art 23 f B-VG dies präzisieren:
Art 23 f. (1) (.....) Dies schließt die
Mitwirkung an Aufgaben gemäß Art 17 Abs. 2 dieses Vertrages sowie an Maßnahmen
ein, mit denen die Wirtschaftsbeziehungen zu einem oder mehreren dritten
Ländern ausgesetzt, eingeschränkt oder vollständig eingestellt werden,
soweit diese Maßnahmen in Erfüllung eines Mandates der Vereinten Nationen
erfolgen. (.....).
(2) (.....)
(3) An Beschlüssen betreffend
friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung
einschließlich friedensschaffender Maßnahmen kann Österreich mitwirken,
soweit derartige Beschlüsse in Erfüllung eines Mandates der Vereinten Nationen
gefasst werden.
(4) (.....).
Eingebracht im Ausschuss 1, 3.
Sitzung, 15.10.2003
Verantwortungsbereiche des modernen
Wohlfahrtsstaates
Anstelle einer Diskussion über
Staatsaufgaben – gegebenenfalls in Abgrenzung zu Staatszielen – fordern wir
eine klare Festlegung von Verantwortungsbereichen des Staates. Es geht darum,
den Wohlfahrtsstaat des 21. Jahrhunderts in eine zeitgemäße Verfassung zu
bringen. Dies erscheint uns weniger missverständlich als die Festschreibung von
Staats- bzw. Kernaufgaben.
Verantwortungsbereiche des Staates
sind insbesondere:
- Stabilisierung und Aufrechterhaltung
von Wachstum und Beschäftigung, insbesondere die wirtschaftspolitische
Verantwortung für Vollbeschäftigung unter Beachtung der Lebensstandardsicherung
(Lebensunterhaltsprinzip) und der Qualität von Arbeitsplätzen
-
Verbesserung
von Produktionsbedingungen
- Förderung der Bildungschancen
unabhängig vom Einkommen durch ein öffentliches Bildungswesen
- Solidarische Absicherung gegen
Grundrisiken wie Krankheit, Unfall, Alter, Arbeitslosigkeit, Behinderung
-
Bekämpfung
sozialer Ungleichheit sowie sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung
-
Förderung
des sozialen Zusammenhaltes und der Solidarität
-
Föderung
der Gleichstellung von Mann und Frau
-
Sicherung
der Nachhaltigkeit im Bereich der Umwelt
-
Förderung
der Mobilität und Kommunikation der Bürgerinnen und Bürger
-
Ausbau
von Infrastruktur einschließlich der Förderung von Forschung und Entwicklung
und Ausbau anderer öffentlicher Dienstleistungen wie Wasserver- und
Abwasserentsorgung, Verkehrswesen, Energieversorgung, Abfallwirtschaft,
Postdienste, Telekommunikation
Grundsätzlich davon zu trennen ist
die Frage, in welcher Form der Staat seiner Verantwortung nachkommt. Im Rahmen
der Aufgabenwahrnehmung (öffentlich, erwerbswirtschaftlich, gemischt, autonomer
Sektor) darf jedoch der Gegensatz zwischen rein erwerbswirtschaftlichen und
gemeinwohlorientierten Zielen nicht aus den Augen gelassen werden. Die
zuständigen Ressorts tragen in jedem Fall eine adäquate Ergebnisverantwortung.
Zu deren Sicherung und Überprüfbarkeit sind Erfolgskontrollen durch den
Rechnungshof vorzusehen, deren Ergebnisse dem Nationalrat vorzulegen sind.
In Fragen der Ausgliederung ist eine
Abstimmung mit dem Ausschuss 7 erforderlich. Die Koordinierung sollte bereits
in einem frühen Stadium der Beratungen erfolgen.
Eingebracht im Ausschuss 1, 6.
Sitzung, 10.11.2003
Artikel soziale Sicherheit
(1) Österreich ist ein
Wohlfahrtsstaat und bekennt sich zu sozialer Gerechtigkeit und zur
Sicherstellung eines hohen sozialen Schutzes.
(2) Diese Verantwortung
umfasst insbesondere
- die solidarische Absicherung bei Krankheit, Unfall, Alter, Arbeitslosigkeit,
Behinderung, Pflegebedürftigkeit und Mutterschaft;
- die Herstellung von Chancengleichheit;
- die Verbesserung der allgemeinen Lebens- und Arbeitsbedingungen;
- die Bekämpfung sozialer Ungleichheit, Armut, Ausgrenzung und Diskriminierung;
- die Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau sowie des
gesellschaftlichen Zusammenhalts.
Artikel Arbeit
(1) Österreich bekennt
sich zur Bedeutung der menschlichen Arbeit als Mittel zur Sicherung des
Lebensunterhalts und zur Entfaltung der Persönlichkeit der Menschen.
(2) Diese Verantwortung
umfasst insbesondere
- die Ausrichtung der Sozial- und Wirtschaftspolitik am Ziel der
Vollbeschäftigung unter Berücksichtigung hoher Qualität der Arbeit;
- die Bereitstellung unentgeltlicher Arbeitsvermittlung, Berufsberatung und
sonstiger Maßnahmen zur Wiedereingliederung in das Arbeitsleben;
- die Gewährleistung sicherer, gesunder, gerechter und den menschlichen
Bedürfnissen auch sonst entsprechender Arbeitsbedingungen, sowie deren wirksame
Kontrolle;
- die Förderung des sozialen Dialogs auf betrieblicher und überbetrieblicher
Ebene.
Eingebracht im Ausschuss 1, 9. Sitzung,
10.12.2003
Staatsziel
Bildung
Textvorschlag BM Gehrer:
Die Republik Österreich strebt eine umfassende Bildung ihrer Bürger an.
Die Sicherung von leistungsorientierten, chancengerechten,
leistungsstarken Bildungsangeboten und deren Qualität ist eine öffentliche
Aufgabe.
Anmerkungen:
Der Begriff „leistungsorientiert“
sollte nicht im Staatsziel vorkommen, da es keine objektive
Leistungsbeurteilung gibt. Sehr wohl wird aber eine Leistungsförderung für
leistungsschwächere aber auch für leistungsstarke SchülerInnen innerhalb des
Bildungssystems befürwortet. Zudem fehlen wichtige Aussagen zur Finanzierung
und Verantwortlichkeit.
Gegenvorschlag:
Die Republik Österreich strebt eine
umfassende, chancengleiche Bildung ihrer BürgerInnen an und hat ein
ausreichendes, leistungsstarkes Angebot für die Aus- und Weiterbildung zu
gewährleisten.
Die Aufgabe der öffentlichen Hand
ist die Bereitstellung der notwendigen finanziellen Mittel für Infrastruktur
und Personal zur Sicherstellung eines qualitativen, chancengleichen, sowie
bedarfs- und bedürfnisgerechten Bildungsangebots. Alle Bürger haben ohne
Einschränkungen* das Recht auf einen freien und unentgeltlichen Zugang zu allen
öffentlich finanzierten Bildungseinrichtungen.
* d.h. unabhängig vom Geschlecht,
Behinderung, Herkunft, Sprache, Religion, politische und sonstiger
Weltanschauung, Minderheitenzugehörigkeit, Vermögen, Geburt, Alter oder
sexuelle Ausrichtung, Staatszugehörigkeit
Begründung:
Das Recht auf Bildung beginnt mit
der Geburt und erstreckt sich über die gesamte Lebensspanne (lebensbegleitendes
Lernen). Eine umfassende, chancengleiche Bildung zielt darauf ab,
Benachteiligungen und Diskriminierungen zu verhindern, abzubauen bzw. zu
beseitigen, das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe am Leben der Gesellschaft
zu gewährleisten und eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen.
Die drei Grundprinzipien einer
umfassenden Bildung sind:
Gleichstellung in der Bedeutung von
Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit und somit Chancengleichheit
§
Barrierefreiheit - inhaltlich, räumlich, zeitlich,
finanziell, personell, organisatorisch
§
Qualitätssicherung
In Österreich muss gewährleistet
sein, dass jedes Kind/Jugendlicher Zugang zu einer umfassenden, ausreichenden,
qualitativ hochwertigen und zukunftsweisenden Bildung erhält – ohne große
Belastungen durch weite Wege, hohe Kosten oder besondere Auswahlkriterien. Die
Chance zwischen verschiedenen Bildungswegen und guten Arbeits- und
Ausbildungsmöglichkeiten zu wählen, muss flächendeckend gewährleistet sein,
damit der Blick in die Zukunft jedes einzelnen Kindes Sinn macht und
überzeugende Perspektiven anbietet.
Die Lehrinhalte und die Lehrenden
für Kinder und Jugendliche müssen a) den jeweiligen entwicklungsbedingten
Bedürfnissen junger Menschen entsprechen und b) den Kriterien eines
demokratischen, humanistischen, sozialen, selbstwertstärkenden und
werteorientierten Bildungskonzeptes für die Zukunft folgen.
Eingebracht im Ausschuss 1, 9.
Sitzung, 10.12.2003
1. Soziale Sicherheit
Österreich ist ein Sozialstaat (Wohlfahrtsstaat) und bekennt sich als Ausdruck der Menschenwürde zu einem hohen Standard an sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit unter Berücksichtigung der Prinzipien der Solidarität und Chancengleichheit. Der Staat bekämpft aktiv alle Formen der Armut, sozialen Ausgrenzung und Diskriminierung.
2. Arbeit
Österreich bekennt sich zur Bedeutung der Arbeit als Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts unter menschenwürdigen Bedingungen und zum sozialpartnerschaftlichen Dialog. Der Staat fördert die Vollbeschäftigung und schafft geeignete Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Anmerkung: Gewährleistungsverpflichtungen für die menschenwürdigen Arbeitsbedingungen sollen in die Grundrechte kommen (Durchsetzbarkeit)!
Ergänzungen zum Wirtschaftlichen Staatsziel:
Einbau der Vollbeschäftigung in den Vorschlag der WKÖ, wenn dort
nicht möglich dann in die Staatszielbestimmung Arbeit
statt Marktwirtschaft ökosoziale Marktwirtschaft
Eingebracht im Ausschuss 1, 10.
Sitzung, 14.1.2004
Der Staat bekennt sich zur Finanzpolitik als Mittel zur Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Bund, Länder und Gemeinden koordinieren im Rahmen der Erstellung und des Vollzugs ihrer Haushalte ihre finanz- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen zur Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts.
Eingebracht im Ausschuss 1, 10.
Sitzung, 14.1.2004
(1) Die Republik Österreich bekennt sich zum umfassenden Natur- und
Umweltschutz und sorgt für dessen Einhaltung.
Umfassender Naturschutz ist die Bewahrung ökologischer Systeme und
ihrer Vielfalt. Umfassender Umweltschutz ist die Vorsorge vor nachteiligen
(anstatt schädlichen) Einwirkungen und die Behebung („tunlich“ ist zu streichen)
bestehender nachteiliger (anstatt schädlicher) Einwirkungen. Die
Kosten der Vorsorge und Behebung tragen die Verursacher
Eingebracht im Ausschuss 1, 10.
Sitzung, 14.1.2004
Vorschlag für Staatsziel „Sozialpartnerschaft“:
„Österreich anerkennt und fördert (den sozialen Dialog,) die Rolle der Sozialpartner und achtet deren Autonomie und Handlungsformen.“
Eingebracht im Ausschuss 1, 12.
Sitzung, 27.1.2004
Verankerung der Sozialpartnerschaft als Staatsziel
Der Ausschuss vertritt hiezu die Meinung, dass es zunächst darum gehen
muss, die Grundlagen der sozialpartnerschaftlichen Einrichtungen in der
Verfassung zu regeln (Schnittstellen zu Ausschuss 7 und 4).
Dies betrifft insbesondere
1.
die Verankerung der sozialen und
wirtschaftlichen Selbstverwaltung in der Verfassung (Thematik im Ausschuss 7)
und
2.
die Garantie der Koalitionsfreiheit als
Teil des Grundrechtskataloges.
In der Folge könnte bei den weiteren Arbeiten des Konvents – gleichsam
als gemeinsame Klammer eine Staats-Ziel-Bestimmung geschaffen werden, in der
Österreich die Rolle, die Autonomie und die Handlungsformen der
Sozialpartnerschaft anerkennt. Die Formulierung des Staatszieles muss dabei auf
die Arbeiten in den genannten Ausschüssen Rücksicht nehmen.
Eingebracht im Ausschuss 1, 11. Sitzung, 21.1.2004
Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) ist verpflichtet, die Gleichstellung von behinderten und nicht behinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten. Sie sorgt für die gerichtliche Durchsetzung von Vorschriften zum Schutz behinderter Menschen.
Eingebracht im Ausschuss 1, 2. Sitzung, 8.10.2003
Thesenpapier zum Ö-Konvent Ausschuss 1 – Staatsziele und - aufgaben
Ein Staat, der wenige Aufgaben erwartungsgemäß erfüllt, scheint für seine BürgerInnen mächtiger als jener Staat der viele Aufgaben trotz größerer Leistung nicht erwartungsgemäß erfüllt. Also Macht und Sinn eines Staates hängen nicht nur von den ihm zugedachten und von ihm übernommenen Aufgaben ab, sondern auch von deren Erfüllung. Scheinbare Entmachtung des Staates kann sich viel mehr als Enttäuschung überzogener Erwartungen an den Staat herausstellen. Daher ist es auch notwendig, dass sich die Verfassung an die Bürger und Bürgerinnen richtet und nicht an die Verwaltungsbeamtenschaft, die die Gesetze zu vollziehen hat. Akzeptanz der Verfassung durch die BürgerInnen ist zukünftig unerlässlich.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass von der bestehenden Verfassung ausgegangen werden soll. Ein völliger Neuentwurf ist nicht notwendig. Jeder Eingriff und jede Reform der bestehenden Verfassung soll von konkreten Problemen und Fragestellungen aus gedacht werden: Durch die rasante politische, soziale, wirtschaftliche und rechtliche Veränderung der Gesellschaft in der bestehenden Verfassung überflüssig Gewordenes soll beseitigt, Fehlendes ergänzt und sinnvoll Bestehendes angepasst werden.
Staatsziele sollen weit gefasst werden, damit durch taxative Zieldefinitionen die Dynamik einer modernen Gesellschaft nicht eingeschränkt wird. Grundsätzlich bildet das Legalitätsprinzip die erforderliche demokratische Legitimation für die Vollziehung. Hierbei sollen sich die Gesetze, wie im österreichischen Rechtsalltag, allerdings nicht an die Beamten sondern an die Bürger richten. Das „Wie“ der Umsetzung soll im Hintergrund bleiben. Vielmehr genügen Gewährleistungsstandards die Grundaufgaben und Grundbedürfnisse identifizieren, für die der Staat die Verpflichtung zur Umsetzung und Erfüllung übernimmt. Wer diese Grundaufgaben (z.B. freier Bildungszugang) wie anbietet und umsetzt ist nach effizienten Gesichtspunkten und grundlegenden Qualitätsnormen zu entscheiden. Der Gesetzgeber kann sich so auf die wesentlichen Dinge konzentrieren und diese in allgemein verständlichen Gesetzen darstellen.
Die Verwaltung kann selbst verantwortlich die beste und kostengünstigste Methode wählen um die im Gesetz festgelegten Ziele zu gewährleisten. Generell ist hier der Subsidiarität zu folgen, so dass alle Regelungen auf jener Ebene getroffen werden sollen, auf der die Umsetzung mit den geringsten Transaktionskosten verbunden ist und am Angemessensten für die Betroffenen vorgenommen und gewährleistet werden kann.
Ebenso die Ebene er Europäischen Union muss effizient eingebunden, so wie deren Vorgaben effizient umgesetzt werden.
Es gibt bei diesem Ausschuss
wichtige Themenbereiche, die unbedingt behandelt werden sollten und welche, die
sich mit jenen anderer Ausschüsse überschneiden, aber dennoch Beachtung finden
sollten. Hier ist auch die Vorarbeit der zuständigen Ausschüsse zu beachten:
1) Die Grundrechte sollen auf Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention ausformuliert und an den Anfang der Verfassung gestellt werden. (Ausschuss 4)
2) Zusammenfassung der Gesetzgebungskompetenzen nach Aufgabenbereichen. Aufgabenbereiche sind zu schaffen, in denen zusammengehörende Rechtsgebiete umfassend geregelt werden. (Ausschuss 5)
3) Festschreibung der Subsidiarität in der Verwaltung. Regelungen sollen auf der Ebene getroffen werden, wo sie mit den geringsten Transaktionskosten verbunden sind und am Angemessensten für die Betroffenen vorgenommen werden können. (Ausschuss 6)
4) Zusammenführung von Kosten- und Finanzierungsverantwortung in der Verwaltung. (Ausschuss 6)
5) Festschreibung eines „Harmoniegebots“: Sobald Bund eine Aufgabe
regelt, dürfen Länder keine widersprechende Regelungen erlassen. Wenn der Bund
umfassend regelt, sind Regelungen der Länder von vornherein ausgeschlossen.
(Ausschuss 3)
6) Verfassungsrechtliche Verankerung „unabhängige Einrichtungen (z.B. Unabhängiger ORF nach Muster BBC, Unabhängiger Bundesstaatsanwalt)
7) Änderung des Legalitätsprinzips. Die Verwaltung kann selbst verantwortlich die beste und kostengünstigste Methode wählen, um die im Gesetz festgelegten Ziele zu erreichen. (Ausschuss 6)
8) Verankerung des Sozialstaats in der Verfassung. So wie Gesetze an
Effizienz gemessen werden sollen, sollen Gesetze auch sozialer Verträglichkeit
gemessen werden. Gesetzgebung und Vollziehung sollen die soziale Sicherheit und
Chancengleichheit der in Österreich lebenden Menschen als eigenständige Ziele
berücksichtigen.
9) Die Verankerung der nachhaltigen Daseinsvorsorge soll in der Verfassung enthalten sein. Gerade in Hinblick auf GATTS und auf die demokratiepolitische Bedeutung der Gemeinden und Städte, da ab einem Maß an Ausdünnung der Staat zu schlank geworden ist, um vom Bürger noch als nützlich anerkannt zu werden.
Eingebracht im Ausschuss 1, 4. Sitzung, 21.10.2003
Was ist Daseinsvorsorge:
„In a world of change, services
of general interest remain an essential building block of the European model of
society.”
(Commission
of the European Communities, Report to the Laeken European Council. 17. 10. 2001)
„Leistungen der Daseinsvorsorge“ (LdD)
sind Dienstleistungen wie Transport, Wasser, Strom, Gas, Telekommunikation,
Rundfunk- und Postdienste, die als wesentlich für das Funktionieren einer
modernen Gesellschaft angesehen werden. Obwohl sie als ‚wesentlich’ gelten,
können diese Dienstleistungen sowohl von privaten als auch von öffentlichen
Unternehmen erbracht werden. Die Verfügbarkeit, der Preis und die Qualität der
Leistungen der Daseinsvorsorge sind per definitionem von größter Bedeutung für
die Verbraucher
Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse
unterscheiden sich insofern von normalen Dienstleistungen, als sie in den Augen
des Staates auch dann erbracht werden müssen, wenn der Markt unter Umständen
nicht genügend Anreize dafür bietet. Der Begriff der Leistungen der
Daseinsvorsorge beruht nämlich auf dem Anliegen, überall gute und für alle
erschwingliche Dienstleistungen zu gewährleisten. Diese Dienste tragen zur
Verwirklichung der Ziele der Solidarität und Gleichbehandlung bei, die dem
europäischen Gesellschaftsmodell zu Grunde liegen.
Begriffdefinitionen der EU:
Leistungen der Daseinsvorsorge |
Diese
sind gemeinwohlorientierte markt- oder nicht marktbezogene Leistungen wirtschaftlicher
oder nicht wirtschafts-, gesellschafts-, sozial- oder kulturpolitischer Art,
an deren Erbringung die Allgemeinheit und der Staat ein besonderes Interesse
haben. Sie erfassen wesentliche Teile der Grundversorgung. Zu den Leistungen
der Daseinsvorsorge können die öffentlich zugängliche Versorgung mit Energie,
Wasser, Abfallbeseitigung, Transport, Telekommunikation, Post,
Informationsmedien, Finanzdienst- und Versicherungsleistungen, Bereitstellung
eines grundlegenden Sozial- und Bildungswesens, soziale Dienste sowie äußere
und innere Sicherheit, Justiz- und Personenstandswesen gerechnet werden. |
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse |
Der
Begriff „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ ist im EU-Vertrag selbst
nicht enthalten. In der Gemeinschaftspraxis wurde er aus dem im Vertrag
verwendeten Begriff „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen
Interesse“ abgeleitet. Dieser Begriff umfasst sowohl die marktbezogenen als
auch die nichtmarktbezogenen Dienstleistungen, die von staatlichen Stellen im
Interesse der Allgemeinheit erbracht und von ihnen daher mit spezifischen
Gemeinwohlverpflichtungen verknüpft werden. |
Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen
Interesse |
Der
Begriff „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ bzw.
„Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ wird in Artikel 16 und
Artikel 86 Absatz 2 des Vertrags verwendet. Er ist weder im Vertrag noch im
abgeleiteten Recht näher bestimmt. In der Gemeinschaftspraxis herrscht jedoch
weit gehende Übereinstimmung dahingehend, dass er sich ausschließlich auf
wirtschaftliche Tätigkeiten bezieht, die von den Mitgliedstaaten oder der
Gemeinschaft mit besonderen Gemeinwohlverpflichtungen verbunden werden und
für die das Kriterium gilt, dass sie im Interesse der Allgemeinheit erbracht
werden. Das Konzept der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen
Interesse umfasst daher insbesondere bestimmte Leistungen der großen
netzgebundenen Wirtschaftszweige, wie des Verkehrswesens, der Postdienste, des
Energiesektors und der Telekommunikation. Der Begriff gilt jedoch auch für
jede sonstige wirtschaftliche Tätigkeit, die mit Gemeinwohlverpflichtungen
verknüpft ist. Beide
Begriffe sollen nicht mit dem Begriff „öffentlicher Dienst“ verwechselt
werden. |
Wirtschaftliche Tätigkeiten |
Jede
Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem
bestimmten Markt anzubieten. |
Nicht-Wirtschaftliche Tätigkeiten |
Betreffen
insbesondere Aufgaben, die per se dem Staat vorbehalten sind, Leistungen wie
die Volksbildung oder die mit der Pflichtmitgliedschaft verbundenen
Grundversorgungssysteme der sozialen Sicherheit und eine Reihe von
Tätigkeiten, die von Organisationen ausgeübt werden, die hauptsächlich
soziale Aufgaben erfüllen, deren Zweck nicht in der Ausübung einer
gewerblichen Tätigkeit besteht. |
Universaldienst |
Dieser
Begriff bezeichnet eine Reihe gemeinwohlorientierter Anforderungen an die
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, durch die sichergestellt wird,
dass bestimmte Dienste in einer bestimmten Qualität gemeinschaftsweit erfüllt
sein sollten, z. B. durch die Telekommunikations- und Postunternehmen. Sie
betreffen Allgemeinwohlverpflichtungen, die den Umfang, die Mindestqualität
und die Höchstpreise der öffentlichen Grundversorgung festlegen. |
Daseinsvorsorge:
Im weitem Sinne: Staatliche Sicherung der Versorgung der Bevölkerung
mit wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Infrastrukturleistungen.
Im engeren Sinne: Staatliche Sicherung der Versorgung der Bevölkerung
mit netzgebundenen Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse.
(nach: Michael Holoubek, Daseinsvorsorge? – Weniger Staat, mehr Markt?,
http://fgr.wu-wien.ac.at/holoubek.hat)
„Es steht den nationalen, regionalen und örtlichen Behörden eines jeden
Mitgliedstaates grundsätzlich frei, was sie als Dienstleistung von allgemeinem
Interesse ansehen. Diese Entscheidungsfreiheit schließt die Freiheit ein, den
Erbringern solcher Leistungen Pflichten aufzuerlegen, vorausgesetzt, dass diese
Pflichten mit den Gemeinschaftsvorschriften vereinbar sind. Da kein spezielles
Gemeinschaftsrecht existiert, bleibt es grundsätzlich den Mitgliedsstaaten
überlassen, Anforderungen wie die Universalverpflichtungen, Versorgungsgebiet,
Qualitäts- und Sicherheitsstandards, Nutzer- und Verbraucherrechte sowie die
einzuhaltenden Umweltvorschriften festzulegen.“ (Grünbuch zu
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, S. 27)
Der Staat hat die Gewährleistungsverantwortung zu übernehmen. Das
heißt: Der Staat hat die Leistungen der Daseinsvorsorge zu gewährleisten. Diese
Leistungen können staatlich oder privat erbracht werden. Die Organisation der
Gewährleistung steht von Bedarf und Situation frei. Erst im Augenblick des
Versagens der Leistungserbringung muss der Staat die Leistungen auf jeden Fall
erbringen in einer Art „Reservefunktion“ und „Auffangverantwortung“
....“der Staat hat die nachhaltige Entwicklung und den Schutz der
natürlichen Lebensgrundlagen, ohne die menschliches Leben nicht möglich ist, zu
gewährleisten“
....“der Staat hat Leistungen der Daseinsvorsorge, also
gemeinwohlorientierte markt- oder nicht marktbezogene Leistungen
wirtschaftlicher oder nicht wirtschafts-, gesellschafts-, sozial- oder
kulturpolitischer Art, an deren Erbringung die Allgemeinheit und der Staat ein
besonderes Interesse haben zu gewährleisten.
Eingebracht im Ausschuss 1, 6.
Sitzung, 10.11.2003
Eingebracht im Ausschuss 1, 10.
Sitzung, 14.1.2004
„Frauen und Männer haben das Recht auf tatsächliche Gleichstellung.
Menschen des benachteiligten Geschlechts haben Anspruch auf Maßnahmen, die bestehenden Benachteiligungen zu beseitigen.“
Eingebracht im Ausschuss 1, 13.
Sitzung, 11.2.2004
Die Republik Österreich bekennt sich zu ihren Volksgruppen und der sich
aus deren Bestehen ergebenden historisch gewachsenen sprachlichen und
kulturellen Vielfalt und zu deren besonderen Schutz und Förderung.
Eingebracht im Ausschuss 1, 13.
Sitzung, 11.2.2004
Die Republik Österreich achtet,
fördert und schützt die Vielfalt der Medien.
Eingebracht im Ausschuss 1, 15. Sitzung,
6.10.2004
„Artikel sx. Die Republik Österreich bekennt sich zu einer
aktiven Friedenspolitik auf der Grundlage der Neutralität und des solidarischen
Zusammenwirkens in der Europäischen Union. Österreich nimmt an Kampfeinsätzen
im Ausland zur Herbeiführung von Frieden nur aufgrund von Beschlüssen des
Sicherheitsrates der Vereinten Nationen teil, die zu solchen
ermächtigen.“
·
Aufrechterhaltung des Art. 9a B-VG: In Anbetracht der in
der Sitzung des Ausschusses am 18. Juni 2004 erfolgten Diskussion über die vom
BMLV vorgelegten Textvorschläge für ein Prinzip der „Umfassenden
Sicherheitsvorsorge“, die im wesentlichen die – ohne Verfassungsmehrheit
beschlossene – Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin des Jahres 2001 übernimmt,
bin ich zu der Auffassung gekommen, dass an der geltenden Fassung des Art. 9a
Abs. 1 und 2 B-VG festgehalten werden sollte.
·
Aufrechterhaltung des Neutralitäts-BVG als
Verfassungstrabant (im Präsidium bereits konsentiert)
·
Integration des KSE-BVG in den Verfassungstext
Eingebracht im Ausschuss 2, 19.
Sitzung, 26.11.2004
Vorschläge für verfassungsrechtliche Vorkehrungen gegen legistische
Missstände
I.
Bundes-Verfassungsgesetz,
BGBl. Nr. 1/1930, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I ......, wird
wie folgt geändert:
1. Artikel 41
Abs. 1 lautet:
"Artikel
41. (1) Gesetzesvorschläge gelangen an den Nationalrat als Anträge seiner
Mitglieder, des Bundesrates oder eines Drittels der Mitglieder des Bundesrates
sowie als Vorlagen der Bundesregierung. Vorlagen der Bundesregierung sind so zu
gestalten, dass ihre Vorberatung durch die nach der Geschäftsordnung des
Nationalrates allenfalls eingerichteten jeweiligen Ausschüsse möglich
ist".
2. Nach Artikel
49 b wird eingefügt:
"Artikel
49c. (1) Jedes Bundesgesetz, das durch ein späteres Bundesgesetz geändert oder
aufgehoben wird, ist in dessen Titel anzuführen.
(2) In einem
Bundesgesetz dürfen Bestimmungen, durch die bestehende Bundesgesetze abgeändert
oder aufgehoben werden, nicht mit anderen Bestimmungen zusammengefasst werden.
(Bestimmungen über das Inkrafttreten und den Vollzug bleiben davon
unberührt)."
(Alternative zu
2.
"Artikel
49c. Über die rechtstechnische Gestaltung der Bundesgesetze ergeht ein
besonderes Bundesgesetz.")
II.
1. Den
Vorschlägen liegt die Überlegung zugrunde, dass die Erlassung von umfangreichen
Bundesgesetzen, die zum einen Sammelnovellen sind und zum andern "selbstständige"
Bestimmungen enthalten, zu groben legistischen Missständen führt. Gemeint sind
vor allem die seit den späten 90er-Jahren regelmäßig erlassenen
"Budgetbegleitgesetze". Gegenzusteuern wäre zunächst im
parlamentarischen Verfahren, das durch derartige Regierungsvorlagen überstürzt
wird. Dazu könnten Regelungen für das Erscheinungsbild der erzeugten
Bundesgesetze treten.
2. Es erscheint
wenig aussichtsreich - und das gilt sowohl für die verfahrensrechtliche
Regelung als auch für das Produkt - vorzuschreiben, dass nur inhaltlich
verwandte Materien verbunden werden können, da dieser Begriff nicht judizierbar
ist.
3. Der Vorschlag
enthält daher zunächst eine Bestimmung für die Gestaltung von
Regierungsvorlagen. Sammelnovellen entstehen typischerweise nicht über
parlamentarische Initiativen, sondern im Wege von Regierungsvorlagen. Wenn
angeordnet wird, dass RV die Struktur der im Nationalrat eingerichteten
Ausschüsse zu reflektieren haben, ist dies freilich nur eine relative
Vorkehrung, kann der Nationalrat doch allenfalls flexibel reagieren. Aber mehr
ist hier wohl kaum möglich. Es soll allem verhindert werden, dass im Rahmen von
"Sammelnovellen" selbstständige Stammgesetze entstehen, die dann
ihrerseits wiederum novelliert werden können. Schon dies zu verhindern, wäre
ein gewisser Fortschritt.
Die im zweiten
Absatz getroffene Regelung soll "leges fugitivae" verhindern.
4. Wurden diese
Regeln nicht eingehalten, tritt nicht absolute Nichtigkeit ein. Vielmehr wäre,
wie schon von Prof. Wiederin aufgeworfen, zu fragen, welche Teile der so
erzeugten Gesetze verfassungswidrig werden. Meines Erachtens würde die
Verfassungswidrigkeit das Bundesgesetz schlechthin treffen (auch beim
verfehlten Titel nach Abs. 1).
5. Zu den
Regelungen über das Inkraftsetzen und die Vollzugsklauseln, ist Folgendes zu
sagen: Soweit Gesetze geändert werden, sind eigenständige Vollziehungsklauseln
im Grunde überflüssig, da es ja schon eine Vollzugsklausel zum Stammgesetz
gibt. Ähnliches gilt auch für die Bestimmungen über das Inkrafttreten.
6. Eine
Alternative zu 2. könnte die Ermächtigung für ein
"Bundeslegistikgesetz" bilden -
allenfalls ein "Verfassungsausführungsgesetz" - , das
seinerseits unter Kodifikationszwang steht. Als Erzeugungsbedingung würde es so
wie das BGBlG funktionieren. Auch ein Einbau in das zuletzt genannte Gesetz
wäre möglich.
Eingebracht im Ausschuss 2, 4. Sitzung, 6.3.2004
Eingebracht im Ausschuss 2, 6.
Sitzung, 18.32003
Was soll eine Verfassungsurkunde an für den Staat und die Gesellschaft
elementaren Regelungsbereichen enthalten?
1. Fragestellung
Das Präsidium hat dem Ausschuss 2 u.a.
die Frage gestellt, was die Verfassungsurkunde "an für den Staat und die
Gesellschaft elementaren Regelungsbereichen enthalten" soll. Diese Frage
soll "auf Basis der Analyse des gesamten Bestandes an formellem
Verfassungsrecht und unter Bedachtnahme auf ausländische Verfassungsurkunden"
beantwortet werden.
A. Verfassungsvergleichende Aspekte
Verfassungen jenes Typus, dem die
geltende und wohl auch die künftige Bundesverfassung zuzuordnen sind, enthalten
regelmäßig zwei – miteinander verschränkte, aber doch differenzierbare –
Regelungsbereiche: die grundsätzlichen Regelungen der Staatsorganisation
(in einem Bundesstaat allenfalls beschränkt auf den Gesamtstaat bzw den Bund)
und Grundrechte (vgl auch die Teilung des Entwurfs eines
Verfassungsvertrags der EU). Ein Bereich, der sich mit diesem Schema
überschneidet, sind Aussagen über Grundprinzipien und Staatszielbestimmungen.
1. Staatsorganisation
a. Hierher gehören Festlegungen der Staatsform:
Republik oder Monarchie. Sie sind regelmäßig begleitet von einer
proklamatorischen Aussage über das Volk als Bezugspunkt aller staatlichen
Funktionen. Dem entspricht in Österreich Art 1 B-VG, der aber heute ergänzt
ist durch Verfassungsbestimmungen im Wiener Staatsvertrag.
b. Ein Strukturelement einer Verfassung des
Typs einer "westlichen" Demokratie ist die Gewaltenteilung, meistens
basierend auf der Unterscheidung von Legislative, Exekutive und Judikative.
Demnach gibt es mehrere oberste Organe, typischerweise jedenfalls ein Parlament
und eine Regierung sowie ein Staatsoberhaupt (zur Gerichtsbarkeit siehe
unten).
aa. Was das Parlament betrifft, so
hat eine Verfassung Aussagen zu enthalten über
-
die Struktur des
Parlaments (eine oder zwei Kammern);
-
allenfalls die Zahl
der Mitglieder der Kammer(n);
-
die Art der
Bestellung der Mitglieder dieser Kammer(n);
-
was im Besonderen
die "Volkskammer" betrifft: Aussagen über das
Wahlsystem; doch ist dazu
anzumerken, dass viele Verfassungen dabei
sehr zurückhaltend sind (so
begnügt sich zB die französische Verfassung
mit dem Grundsatz der
unmittelbaren Wahl);
-
den Kreis der aktiv
und passiv Wahlberechtigten;
-
die Amtsdauer
der Kammer(n) bzw. Legislaturperiode;
-
allenfalls auch
Aussagen über Sitzungsperioden und Tagungen und die
Art und Weise ihrer Einberufung;
-
Ausschüsse
(Zusammensetzung, Funktionen);
-
typisch sind auch
Aussagen über besondere Rechte und Pflichten der
Abgeordneten (Immunität,
"freies Mandat"; finanzielle Entschädigung,
Unvereinbarkeit etc).
bb. Im Zusammenhang mit dem Parlament
sind auch Aussagen über dessen Funktionen zu treffen:
-
Gesetzgebung
(Grundzüge des Verfahrens wie Initiativrecht, Lesungen,
Beurkundung, Publikation);
-
Haushaltsgesetz;
-
Mitwirkung des
Parlaments am Abschluss völkerrechtlicher Verträge;
-
Kontrollaufgaben;
-
allenfalls weitere
Aufgaben/Befugnisse des Parlaments.
c. Zum Thema Regierung ist
anzumerken, dass jedenfalls eine Regelung der Bestellung erforderlich ist.
Regelmäßig finden sich auch Aussagen über die spezifischen Funktionen des Regierungschefs.
d. Das führt zur Frage des Verhältnisses
von Parlament und Regierung: In dem für westeuropäische Verfassungen
typischen parlamentarischen Regierungssystem bedarf es einer Regelung über die
Abberufbarkeit der Regierung durch einen Akt des Parlaments
("Misstrauensvotum" oder äquivalente Regelung).
e. Für ein parlamentarisches
Regierungssystem ist ferner die Trennung der Funktion von Regierungschef und Staatsoberhaupt
wesentlich. Insofern bedarf es einer Regelung über die Bestellung, Amtsdauer
und Abberufbarkeit des Staatsoberhauptes sowie über dessen Funktionen, ferner
über das Zusammenwirken von Parlament, Regierung und Staatsoberhaupt
(Auflösungsrechte des Staatsoberhauptes, allenfalls Abwählbarkeit durch das Parlament;
Vorschlagsrechte der Regierung und Gegenzeichnung etc).
Typisch sind auch Regelungen über die
(eingeschränkte) Verantwortlichkeit des Staatsoberhauptes sowie
Unvereinbarkeitsbestimmungen.
f. Typisch sind weiters
verfassungsrechtliche Aussagen über Möglichkeiten, allenfalls auch Grenzen direkt-demokratischer
Einrichtungen.
g. Verfassungen enthalten regelmäßig auch
Aussagen über die Unabhängigkeit der Gerichte, allenfalls auch über
Grundzüge der Organisation der Gerichtsbarkeit. Sieht man von der US-amerikanischen
Bundesverfassung ab, so erscheint jedenfalls eine Regelung über die
richterliche Gesetzesprüfung auf Verfassungsebene erforderlich. Eine
abschließende Regelung der Aufgaben der Verwaltungs- und
Verfassungsgerichtsbarkeit nach Muster des B-VG ist dagegen atypisch.
h. Bestimmte Aussagen über die Organisation
der Verwaltung unterhalb der Ebene der Regierung sind nicht typisch für
eine Verfassung, finden sich aber in unterschiedlichem Ausmaß in zahlreichen
Verfassungen (siehe etwa die Finnische Verfassung, §§ 119-126).
In der Mehrzahl europäischer Verfassungen
finden sich auch Aussagen über das Beamtentum.
Typisch sind ferner Regelungen über das Heer.
2. Bundesstaat
Für einen Bundesstaat ist die
Regelung der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern essentiell.
Sonderregelungen bestehen meist über die Kompetenzen auf dem Gebiet der
Finanzen. Typisch sind auch Regelungen über wechselseitige Mitwirkungsmöglichkeiten
an der Gesetzgebung und/oder Vollziehung der Gegenseite (wobei für den
Bundesstaatsbegriff essentiell lediglich eine Mitwirkung der Gliedstaaten an
der Gesetzgebung des Oberstaates ist). Untypisch sind detaillierte Regelungen
über die Organisation der Landesverwaltung, ebenso über die Gemeinden (deren
Regelung regelmäßig Sache der Gliedstaaten ist).
Typisch sind auch Aussagen der
Bundesverfassung über Schranken der Verfassungsautonomie der Gliedstaaten
(Länder), die ein gewisses – im Einzelnen freilich sehr divergierendes – Maß an
Verfassungshomogenität sichern.
3. Völkerrecht und Europäische Union
Regelmäßig enthalten Verfassungen auch
Aussagen über das Verhältnis zum Völkerrecht. Die österreichische
Bundesverfassung (Art 9, 50 und 65 Abs 1 B-VG) entspricht in dieser Hinsicht –
trotz einiger Besonderheiten (wie des "Erfüllungsvorbehaltes" oder
der sehr restriktiven Möglichkeit der Übertragbarkeit staatlicher
Hoheitsaufgaben auf internationale Einrichtungen) – dem Standard europäischer
Verfassungen.
Fast alle Verfassungen der
Mitgliedstaaten enthalten Aussagen zur EU, die aber im Einzelnen sehr
unterschiedliche Aspekte betreffen. Keine Verfassung enthält jedoch auch nur
annähernd so detaillierte Regelungen wie das B-VG.
4. Grundrechte und Staatsaufträge
Ein Grundrechtskatalog ist eine
Selbstverständlichkeit einer rechtsstaatlich-demokratischen Verfassung, die
Ausgestaltung im Einzelnen aber sehr variierbar. Ein einheitlicher Standard
lässt sich nur im Bereich der Freiheitsrechte (liberale Grundrechte)
feststellen. Umfang und Intensität der Aussagen über soziale Grundrechte
differieren dagegen erheblich. Ein gewisser Maßstab wird heute durch die
EU-Grundrechtecharta vorgegeben, die auch ohne Rechtsverbindlichkeit den
zeitgemäßen Standard widerspiegelt.
In vielen Grundrechtekatalogen finden
sich auch Regelungen, die nicht justiziabel in dem Sinn sind, dass sie
unmittelbar einklagbar wären. Insofern verschwimmt die Grenze zwischen
Grundrechten im engeren Sinn und Staatszielbestimmungen.
Im Übrigen gibt es keinen einheitlichen
Standard bezüglich Anzahl und Umfang verfassungsrechtlicher Staatszielbestimmungen
und Staatsaufträge. Eigene Staatszielkataloge sind die Ausnahme (siehe etwa die
Spanische Verfassung, Art 39-52). In der Mehrzahl der europäischen Verfassungen
gibt es heute Aussagen zum Umweltschutz.
In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen,
dass sich in fast allen europäischen Verfassungen grundsätzliche Aussagen zur Staatsbürgerschaft
finden.
5. Verfassungsänderungen
Jede Verfassung bedarf einer Regelung
ihrer eigenen Abänderbarkeit bzw allenfalls einer Aussage über unabänderliche
oder nur unter besonderen Bedingungen abänderbare Teile.
6. Resümee
Insgesamt ergibt eine
verfassungsvergleichende Analyse, dass das österreichische
Bundesverfassungsrecht in seinem Kern, vor allem dem B-VG selbst, im
Wesentlichen dem Typus einer Verfassung im Sinne der
europäisch-nordamerikanischen Tradition entspricht. Atypisch ist nur der Umfang
und die Dichte einzelner Regelungsbereiche. Vom Trend neuerer Verfassungen
dieses Typs abweichend sind gewisse Defizite im Grundrechtsbereich
feststellbar.
B. Österreichische Verfassungstradition
Der Verfassungsvergleich ergibt aber auch
die Einsicht, dass jede Verfassung eine spezielle Eigenart aufweist, die sich
aus der Geschichte und der spezifischen Rechtskultur des jeweiligen Staates
heraus erklären lässt. Insofern kann der Verfassungsvergleich nur einen
Überblick über den Minimalgehalt einer rechtsstaatlich-demokratischen
Bundesverfassung ergeben.
Aus der Sicht der österreichischen
Verfassungstradition können wohl auch noch zusätzlich folgende – in der
Terminologie der Fragestellung (siehe oben 1.) – "für den Staat und die
Gesellschaft elementare Regelungsbereiche" aufgelistet werden:
1. Eine Aussage über das Verhältnis von
Gesetzgebung und Verwaltung im Sinne des "Legalitätsprinzips".
Der Inhalt dieses Prinzips ist zweifellos variierbar, doch würde es der
gesamten österreichischen Rechtstradition widersprechen, auf eine Aussage zum
Verhältnis von Gesetzgebung und Vollziehung überhaupt zu verzichten. Gleiches
gilt für das Weisungsprinzip im Sinne des Art 20 B-VG, auf das sich
nicht nur die verfassungsrechtliche Unterscheidung von Verwaltung und
Gerichtsbarkeit in der österreichischen Verfassungstradition stützt, sondern
dem auch ein zentraler Stellenwert in dem vom B-VG vorausgesetzten Konzept der
Demokratie zukommt.
2. Typisch für eine – bereits auf die
Dezemberverfassung von 1867 zurückreichende – österreichische
Verfassungstradition sind auch vergleichsweise umfangreiche Aussagen über die Gerichtsbarkeit:
Der Abschnitt B des 3. Hauptstückes geht in großen Teilen auf das
Staatsgrundgesetz über die richterliche Gewalt (als Teil der Dezemberverfassung
von 1867) zurück und bildet heute einen wesentlichen Bestandteil des
österreichischen Rechtssystems.
3. Charakteristisch für das
österreichische Verfassungsrecht sind auch vergleichsweise detaillierte und zum
Teil taxativ zu verstehende Regelungen über:
- die Verfassungsgerichtsbarkeit,
- die Verwaltungsgerichtsbarkeit
einschließlich der UVS,
- den Rechnungshof,
- die Volksanwaltschaft.
Diese Institutionen bilden aus
bundesstaatlicher Sicht "gemeinsame" Einrichtungen von Bund und
Ländern, wobei es sich um eine Eigenheit des österreichischen Bundesstaates
handelt, die wohl nicht ernsthaft zur Debatte steht. Schon aus diesem
bundesstaatlichen Grund sollten diese Institutionen auch in Zukunft in
vergleichsweise eingehender Weise auf der Ebene des Bundesverfassungsrechts
geregelt bleiben.
4. Im System des österreichischen
Bundesstaates kommt den Gemeinden ein allgemein anerkannter hoher Stellenwert
zu. Dem entspricht eine – in rechtsvergleichender Hinsicht atypische –
eingehende Regelung der Rechtsstellung, Organisation und Aufgaben der Gemeinde
in der Bundesverfassung. Es ist kein Grund ersichtlich, diesen
Regelungsstandard in Frage zu stellen.
5. Die Gliederung des B-VG in
seiner ursprünglichen Gestalt ist in gewisser Weise durch die Systematik der
Dezemberverfassung von 1867 – die sich aus fünf Staatsgrundgesetzen
zusammensetzte – vorgeprägt. Diese Gliederung entspricht also einer langen Verfassungstradition,
die sich aber als solche durchaus bewährt hat und zu den Vorzügen des B-VG
gezählt werden kann. Es spricht insofern vieles dafür, an dieser Systematik
festzuhalten. Sie bedarf freilich einer Ergänzung durch ein weiteres
Hauptstück, das die Grundrechte enthält.
Eingebracht im Ausschuss 2, 11. Sitzung, 10.5.2004
Neufassung der Art 9 Abs 2 und 50 B-VG zur Lösung des Problems der
Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen
1.
Art 9 Abs 2 B-VG hat zu lauten:
Durch Gesetz oder durch einen gemäß Artikel 50
Absatz 1[1]
zu genehmigenden Staatsvertrag können einzelne Hoheitsrechte auf
zwischenstaatliche Einrichtungen[2]
oder fremde Staaten übertragen und kann die Tätigkeit von Organen fremder
Staaten oder zwischenstaatlicher Einrichtungen im Inland sowie die Tätigkeit
österreichischer Organe im Ausland geregelt werden. [Es kann dabei auch
vorgesehen werden, dass österreichische Organe der Weisungsbefugnis der Organe
fremder Staaten oder zwischenstaatlicher Einrichtungen oder diese der
Weisungsbefugnis österreichischer Organe unterstellt werden.][3]
2.
Art 50 Abs 2a[4] hat zu
lauten:
Die Genehmigung nach Absatz 1 ist nicht in
einem Verfahren erforderlich, das in einem gesetzesändernden oder
gesetzesergänzenden Staatsvertrag zur Abänderung oder Ergänzung dieses
Vertrages vorgesehen ist.
3. Im Artikel 50 Absatz 3 sind die Worte "und, wenn durch den Staatsvertrag Verfassungsrecht geändert oder ergänzt wird, Artikel 44 Absatz 1 und 2" sowie der zweite Halbsatz zu streichen.
Erläuterungen
1981
wurde Art 9 Abs 2 B-VG eingeführt, um die Fülle von Verfassungsbestimmungen in
Staatsverträgen zu reduzieren. Der Versuch ist nur teilweise gelungen. Nach wie
vor findet sich eine Fülle von Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen.
1. Das
Hauptproblem: Hoheitsrecht der Länder
Der
Hauptmangel des Art 9 Abs 2 B-VG besteht unter diesem Aspekt in seiner
Beschränkung auf "Hoheitsrechte des Bundes", die erst in den
Ausschussberatungen des NR eingefügt wurde. Sie ist systemwidrig: Der Bund ist
zum Abschluss von Staatsverträgen ohne kompentenzrechtliche Beschränkungen
berechtigt (Art 10 Abs 1 Z 2 B‑VG). Es wäre dann nur konsequent, auch die
Übertragung einzelner (!) hoheitlicher Befugnisse auf internationale
Einrichtungen durch Staatsverträge nicht an die bundesstaatliche
Kompetenzverteilung zu binden. Zum einen ist dies heute eine weitverbreitete
Praxis des Völkerrechts, zum anderen kann dies nur dem Bund obliegen, weil die
Länder keine allgemeine völkerrechtliche Vertragsschließungskompetenz haben.
Die Interessen der Länder, dass der Bund auf diese oder andere Weise durch
Staatsverträge in ihre (Gesetzgebungs-)Kompetenz eingreift, müsste durch andere
Instrumente – wie das auch auf Staatsverträge anzuwendende Zustimmungsrecht des
Bundesrates gemäß Art 44 Abs 2 B-VG – gewahrt werden.
Um
Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen in Zukunft vermeiden zu können,
müsste also die Beschränkung auf Hoheitsrechte des Bundes beseitigt
werden.
2.
Weitere Probleme der Praxis seit 1981
a. Art 9 Abs
2 B-VG sieht nur eine Übertragung von Hoheitsrechten auf
"zwischenstaatliche Einrichtungen und ihre Organe" vor. Vereinzelt
kommt es in neuerer Zeit auch zu dem Bedürfnis, Hoheitsrechte auf Organe
eines anderen Staates zu übertragen (zB die Ausstellung kurzfristiger
Visas; hierher gehört auch das Problem der einem anderen Staat zuzurechnenden
Einräumung polizeilicher Befugnisse privater Organe, zB in Luftfahrzeugen).
Dies ist durch den Wortlaut des geltenden Art 9 Abs 2 B-VG nicht gedeckt und
sollte durch eine Erweiterung des ersten Tatbestandes ermöglicht werden. Eine
explizite verfassungsrechtliche Ermächtigung, dass auch österreichische Organe gleichartige
Befugnisse für fremde Staaten auf der Grundlage eines formellen
(österreichischen) Gesetzes oder gesetzändernden Staatsvertrages ausüben
können, erscheint dagegen nicht erforderlich.
b. Art 9 Abs
2 B-VG sieht ferner nur die Tätigkeit von Organen fremder Staaten im Inland
vor, nicht aber auch die Tätigkeit von Organen zwischenstaatlicher
Einrichtungen. Es wird vorgeschlagen, Art 9 Abs 2 B-VG in diesem Sinn zu
erweitern.
c. Bei der
Tätigkeit österreichischer Organe im Ausland stellt sich das Problem der – im
Text des Art 9 Abs 2 nicht explizit vorgesehenen – Unterstellung unter die Weisungsgewalt
ausländischer Organe. Umgekehrt werden auch ausländische Organe
österreichischer Hoheit unterstellt. Derartige Regelungen finden sich vor
allem in bilateralen Katastrophenhilfeabkommen. Die bisherige Praxis geht in
solchen Fällen davon aus, dass dies durch Verfassungsbestimmungen
"abgesichert" werden müsse. Es kann allerdings auch mit guten Gründen
und in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Novak/Wieser, Zur
Neukodifikation des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 1994, 177 f; Öhlinger,
Art 9 Abs 2 B-VG, in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, Rz 10) die
These vertreten werden, dass die Einräumung einer derartigen Befugnis bzw
Bindung schon in der Ermächtigung zur Übertragung von Hoheitsrechten
inkludiert ist. Insofern wäre der zweite Satz in der hier vorgeschlagenen
Fassung des Art 9 Abs 2 B-VG überflüssig und würde eine entsprechende Klarstellung
in den EB ausreichen. Daher wurde die entsprechende Ergänzung des Art 9 Abs
2 B-VG in Klammern gesetzt.
d. Keine
praktische normative Bedeutung kommt der Formel "im Rahmen des
Völkerrechts" zu. Diese Worte können gestrichen werden.
e. Angemerkt
sei, dass aus dem geltenden und dem neu vorgeschlagenen Text des Art 9 Abs 2
B-VG nicht zwingend hervorgeht, dass Österreich Mitglied jener
zwischenstaatlichen Organisation sein muss, der einzelne hoheitliche Aufgaben
übertragen werden können. Insofern wäre auch eine Übertragung auf eine solche
Organisation verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen.
f. In
Übereinstimmung mit der Lehre (vgl Novak/Wieser, aaO, 174 f) ist
davon auszugehen, dass auch sogenannte "Zuwarte- und Bedachtnahmeregeln"
– die Vertragsparteien verpflichten sich, Entwürfe technischer Vorschriften
einer zwischenstaatlichen Einrichtung bekannt zu geben und ab dem Zeitpunkt
dieser Notifikation eine vertraglich vereinbarte Stillhaltezeit einzuräumen –,
schon auf Grund eines aus Art 9 Abs 2 B-VG ableitbaren Größenschlusses nicht
als verfassungsändernd anzusehen sind. Es handelt sich dabei um eine
geringfügigere Beschränkung der staatlichen Rechtsetzungsbefugnisse als es die
"Übertragung" solcher Befugnisse auf eine zwischenstaatliche
Einrichtung darstellen würde. Es ist zwar richtig, dass der eine solche
Vertragsbestimmung genehmigende Gesetzgeber nicht sich selbst für die Zukunft
binden kann; der Gesetzgeber ist aber auch nicht daran gehindert, im Einklang
mit einer solchen Vertragsbestimmung zu handeln und eine Völkerrechtsverletzung
zu vermeiden, auch wenn diese nicht zugleich eine Verfassungsverletzung bildet.
3. Vereinfachte
Vertragsänderungsverfahren
Ein
spezielles Problem bilden die in multilateralen Staatsverträgen häufig vorgesehenen
Regelungen über eine künftige vereinfachte Abänderung (Ergänzung) von
Textteilen (Anhängen, Annexen) eines solchen Vertrages. Die (neuere) Praxis
versteht richtig die Befugnis einer Staatenmehrheit zur künftigen Abänderung
(von Teilen) des jeweiligen Vertrages als eine Übertragung von Hoheitsrechten
auf eine zwischenstaatliche Einrichtung iSd Art 9 Abs 2 B-VG und verlangt daher
für solche Regelungen nicht den Verfassungsrang. Anders verhält es sich, wenn
ein solcher Beschluss nur unter Mitwirkung Österreichs zustande kommen kann:
Dafür wird in der Praxis eine Verfassungsbestimmung als erforderlich erachtet
(vgl etwa die EB zu Art 8 des Abkommens von Locarno zur Errichtung einer
Internationalen Klassifikation für gewerbliche Muster und Modelle BGBl
1990/496, 1189 Blg Nr XVII. GP).
Dieser
im Lichte des Art 9 Abs 2 B-VG offensichtliche Widersinn findet seine Erklärung
darin, dass es hier nicht eigentlich um das Problem einer Übertragung von
Hoheitsrechten geht, sondern um die Frage nach den Organen, die auf
österreichischer Seite in einem solchen Vertragsänderungsverfahren mitzuwirken
haben: Muss der österreichische Willensakt (Zustimmung, Ablehnung) dem
Nationalrat gemäß Art 50 B-VG zur Genehmigung unterbreitet werden? Die Fristen,
innerhalb der derartige Erklärungen regelmäßig abzugeben sind, oder auch
sonstige Verfahrensmodalitäten machen eine Einschaltung des Bundesparlaments
praktisch kaum möglich. Andererseits geht es aber um die Abänderung eines vom
Bundesparlament genehmigten und daher auf Gesetzesstufe stehenden
Staatsvertrags, die daher nach österreichischem Rechtsverständnis ihrerseits
als gesetzändernd zu qualifizieren ist. Die Praxis nimmt an, dass die Hebung
derartiger Klauseln in den Verfassungsrang von der künftigen Beteiligung des Nationalrats
und Bundesrats dispensiert. Dies kommt zwar oft gar nicht im Text solcher
Klauseln selbst zum Ausdruck, entspricht aber dem Sinn solcher Klauseln.
Die
generelle Lösung dieses Problems kann nicht bei Art 9 Abs 2 B-VG, sondern muss
bei Art 50 B-VG ansetzen.
4. Die Zukunft verfassungsändernder
Staatverträge
Ziel
dieser Vorschläge ist es, in Zukunft Verfassungsbestimmungen in
Staatsverträgen zur Gänze zu vermeiden. Durch solche
Verfassungsbestimmungen wird kein Problem gelöst, das allenfalls in der Abgabe
von Hoheitsrechten und anderen Beschränkungen der nationalen Souveränität
gesehen werden könnte. Solche Probleme sind vielmehr in den Verhandlungen über
den jeweiligen ("souveränitätsbeschränkenden") Staatsvertrag zu
berücksichtigen. Die Bundesverfassung sollte aber für solche Verhandlungen
einen sinnvollen Spielraum im Rahmen des international Üblichen
vorgeben.
Sollte
in Zukunft eine staatvertraglich Regelung mit dem Bundesverfassungsrecht nicht
kompatibel sein, so wäre vorweg oder spätestens bei Abschluss des Vertrages der
Text der Bundesverfassung so zu ändern, dass diese Kompatibilität hergestellt
wird. Um dies an einem Beispiel zu illustrieren: Enthält ein Staatsvertrag eine
die Immunität von Abgeordneten einschränkende Bestimmung (vgl zB Art 27 des
Statuts über den Internationalen Strafgerichtshof BGBl III 2002/180), so wäre
die dem entgegenstehende bundesverfassungsgesetzliche Regelung (heute: Art 57
B-VG) entsprechend zu adaptieren (etwa durch einen Vorbehalt wie:
"unbeschadet völkerrechtlicher Regelungen"). Die Vereinbarkeit einer
staatsvertraglichen Regelung mit der Bundesverfassung unterliegt der Kontrolle
des VfGH nach Art 140a B-VG. (Daran sollte nichts geändert werden.) Stellt der
VfGH eine solche Unvereinbarkeit nachträglich fest, so hat er die unmittelbare
Anwendung dieses Vertrages, allenfalls unter Setzung einer aufschiebenden Frist
bis zu zwei Jahren, zu suspendieren. In dieser Zeit wäre entweder der
Staatsvertrag nach völkerrechtlichen Regeln zu kündigen oder die
Bundesverfassung entsprechend zu ändern.
Angemerkt
sei allerdings, dass der Ausschuss 2 vorerst die Frage des Verfassungsrangs der
Staatsverträge mit grundrechtlichem Gehalt – zB die EMRK – nicht
behandelt hat. Diesbezüglich wäre die Beratung mit dem Ausschuss 4 zu
koordinieren.
Was
grenzändernde Staatsverträge betrifft, wird auf die vorgeschlagene
Neufassung der Art 2 und 3 B-VG verwiesen.
Eingebracht im Ausschuss 2, 11.
Sitzung, 10.5.2004
Neuformulierung der verfassungsrechtlichen Regelungen
über Bundes- und Landesgrenzen
(Fassung 26. 4. 2004)
Ausschuss 2
Tischvorlage für 10. Sitzung
26.4.2004
Tischvorlage für 11. Sitzung
10.5.2004
Tischvorlage für 12. Sitzung
24.5.2004
Art 2 B-VG:
(1) … (wie bisher)
(2) … (wie bisher)
(3) Veränderungen im Bestand der Länder oder
wesentliche Änderungen eines Landesgebietes bedürfen einer Neuerlassung des
Absatz 2 und verfassungsgesetzlicher Regelungen der betroffenen Länder.
Art 3 B-VG:
(1) Das Bundesgebiet umfasst die Gebiete der
Bundesländer.
(2) Völkerrechtliche Verträge, mit denen die
Bundesgrenzen geändert werden,
bedürfen der Zustimmung der betroffenen Länder.
(3) Grenzänderungen innerhalb des
Bundesgebietes bedürfen übereinstimmender Gesetze oder Verträge des Bundes und
der beteiligten Länder.
Begründung
1. Allgemeines
a. Der
gegenständliche Vorschlag beruht auf zwei Grundgedanken:
1.
Die geltende Fassung des Art 3 B-VG verlangt paktierte Verfassungsgesetze
des Bundes (und der Länder). Dies widerspricht einem prinzipiellen
Inkorpora-
tionsgebot, wie es für eine künftige Bundesverfassung vorgesehen
ist.
2.
Eine rechtsvergleichende Sicht macht deutlich, dass Staats- und
Landesgrenzen
kein Thema des Verfassungsrechts sind. Das Verfassungsrecht
bezieht sich auf
"Gebiete", überlässt aber regelmäßig die exakte Bestimmung der
Grenzen ge-
genüber Drittstaaten völkerrechtlichen Verträgen, der Grenzen im
Staatsinneren
der einfachen Gesetzgebung.
Im
Lichte dieser Grundgedanken bedarf Art 3 B-VG einer grundlegenden Revision.
b. Der
gegenständliche Vorschlag verfolgt dabei drei Ziele:
1. eine Bestandsgarantie der Länder als
Ausdruck des bundesstaatlichen
Prinzips der
Verfassungsordnung, darüber hinaus auch eine bundesverfas-
sungsrechtliche Garantie
des Territoriums der Länder;
2. eine verfassungsrechtlich erforderliche Mitwirkung
der betroffenen
Länder bei der
Festlegung oder Änderung ihrer Grenzen gegenüber
Drittstaaten;
3. eine verfassungsrechtlich erforderliche Zustimmung
der betroffenen
Länder auch zu geringfügigen
Änderungen der Landesgrenzen.
c. Ein
Vorbehalt zugunsten von "Friedensverträgen" (Art 3 Abs 2 B-VG in der
geltenden Fassung) erscheint heute entbehrlich, ebenso ein
verfassungsgesetzlicher Rahmen für großflächige Änderungen des Bundesgebietes
(eine Änderung des Bundesgebietes, die nicht auch die Änderung eines
Landesgebietes impliziert: vgl die einleitenden Worte im geltenden Art 3 Abs 2
B-VG). Gewiss können solche Änderungen nicht für alle Zukunft ausgeschlossen
werden, sie sind aber nur in Situationen vorstellbar, die schon aus anderen
Gründen tiefgreifende Verfassungsänderungen erfordern würden. Einen verfassungsgesetzlichen
Rahmen dafür vorzusehen, ist daher derzeit nicht notwendig und auch nicht
sinnvoll.
2. Zu Art 2 Abs 3 B-VG
Diese
Bestimmung knüpft an die im geltenden Art 3 Abs 2 B-VG enthaltene Regelung an,
dass eine Änderung des Bundesgebietes und der Landesgebiete durch
übereinstimmende Bundes- und Landesverfassungsgesetze zu erfolgen habe.
Diese Regelung ist von großer bundesstaatstheoretischer Bedeutung, stellt sie
doch den Bestand und das jeweilige Territorium der Länder unter einen ganz
besonderen verfassungsrechtlichen Schutz, der auch vom "einfachen"
Bundesverfassungsgesetzgeber nicht ohne weiteres übergangen werden dürfte.
Letzteres kommt im Erfordernis eines gleichberechtigten Zusammenwirkens der
Verfassungsgesetzgebung des Bundes und der Länder zum Ausdruck, die nach
begründeter Auffassung vom Bundesverfassungsgesetzgeber, jedenfalls ohne
Volksabstimmung im Sinne des Art 44 Abs 3 B-VG, nicht einseitig aufgehoben
werden dürfte.
In
praktischer Hinsicht bedeutet diese Regelung allerdings die Notwendigkeit
spezieller bundesverfassungsrechtlicher Regelungen außerhalb des B-VG, was –
wie schon gesagt – einem prinzipiellen Inkorporationsgebot zuwiderlaufen würde.
Außerdem wird in der Praxis Art 3 Abs 2 B-VG äußerst strikt interpretiert und
auf alle Bundes- und Landesgrenzen betreffenden Regelungen – auch auf bloße
Feststellungen der gegebenen Grenzen – angewendet, was zu einer Fülle
bundesverfassungsrechtlicher Regelungen geführt hat. Diese sind überdies sehr
heterogen und umfassen Staatsverträge, Bundesverfassungsgesetze sowie
Verfassungsbestimmungen in einfachen Bundesgesetzen und Staatsverträgen. Es ist
nicht übertrieben, in diesem Zusammenhang von einem
"verfassungsrechtlichen Wildwuchs" (Poier) zu sprechen.
Der
vorliegende Entwurf belässt es beim Erfordernis übereinstimmender
Verfassungsgesetze des Bundes und der Länder, schränkt diese aber auf Änderungen
im Bestand (Aufteilung eines Landes auf andere Länder oder Vereinigung
zweier oder mehrerer Länder) sowie auf wesentliche Änderungen des Gebietes
der einzelnen Länder ein. Die entsprechende Regelung auf Bundesseite kann
sich in einer Änderung des Art 2 Abs 2 B-VG erschöpfen und entspricht
damit einem Inkorporationsgebot. Der Bundesverfassungsgesetzgeber müsste Art 2
Abs 2 B-VG neu, allenfalls auch unverändert, beschließen. Der Sinn dieser
allenfalls auf eine wortgleiche Neuerlassung des Art 2 Abs 2 B-VG beschränkten
Mitwirkung des Bundesverfassungsgesetzgebers ist es, über den Bestand hinaus
auch gewissermaßen die Identität eines Landes zu garantieren.
Als
"wesentliche Änderung des Landesgebietes" ist nur eine
Gebietsänderung anzusehen, die mindestens das gesamte Gebiet einer Gemeinde
umfasst. Kleinere Gebietsänderungen fallen unter die Regelung des hier
vorgeschlagenen Art 3 Abs 2 oder Abs 3 B-VG (siehe dazu sogleich).
Anzumerken
ist in diesem Zusammenhang, dass die genaue Festlegung der neuen Grenze auch
auf Bundesseite eine Anpassung bestehender Vorschriften verlangt. Insofern wird
im Fall einer wesentlichen Gebietsänderung neben der Neuerlassung des Art 2 Abs
2 B-VG auch eine Änderung bestehender Verträge oder Bundesgesetze erforderlich
sein. Dies läuft auf eine kumulative Anwendung der Bestimmungen des Art 2 Abs 3
und Art 3 Abs 2 (bei Änderungen der Außengrenze) oder 3 (bei Änderungen
der Binnengrenzen) B-VG hinaus.
Festzuhalten
ist auch, dass eine Schmälerung des in dieser Bestimmung vorgesehenen
Mitwirkungsrechtes der Länder – im Sinne der zuvor skizzierten
Bundesstaatstheorie – als eine Gesamtänderung der Bundesverfassung anzusehen
wäre.
3. Zu Art 3 B-VG
Abs 1
entspricht der geltenden Regelung.
Eine
Zustimmung im Sinne des 2. Absatzes könnte auch in der Weise erfolgen,
dass die Länder auf österreichischer Seite am Abschluss des Staatsvertrages als
Vertragsparteien mitwirken (vgl zu solchen "trilateralen" Verträgen Jabloner,
Gliedstaatsverträge in der österreichischen Rechtsordnung, ZÖR 1989, 225 [329
f]). Es kann allerdings aus außenpolitischen oder diplomatischen Gründen nicht
immer möglich sein, ein Land in dieser oder auch in anderer Weise am Abschluss
des völkerrechtlichen Vertrages direkt zu beteiligen. In diesem Fall hat die
erforderliche Zustimmung der betroffenen Länder in anderer Weise zu erfolgen.
Die Art und Weise einer solchen Zustimmung könnte landesverfassungsgesetzlich
näher ausgestaltet werden: Die Länder könnten die Zustimmung an – allenfalls
auch qualifizierte – parlamentarische Mehrheiten oder sogar an
Volksabstimmungen binden.
Bloße
Grenzänderungen zwischen zwei Ländern sollen lediglich an die Rechtsform
einfacher Gesetze oder Verträge zwischen dem Bund und den beteiligten Ländern
(im Sinne des geltenden Art 15a B-VG) gebunden werden (Abs 3). Das
Erfordernis der Mitwirkung der Länder kann aber auch in diesem Fall – im Sinne
der zuvor skizzierten Bundesstaatstheorie – als Element des
bundesstaatlichen Prinzips angesehen werden. Es dürfte daher nicht durch
eine einseitige bundesverfassungsgesetzliche Regelung (die gemäß dem in
Aussicht genommenen Inkorporationsgebot nur in einer Abänderung des hier
vorgeschlagenen Art 3 Abs 3 bestehen könnte) ersetzt werden.
Der
Begriff der Änderungen der Bundesgrenzen (Abs 2) bzw Grenzänderungen innerhalb
des Bundesgebietes (Abs 3) ist im Einklang mit der Praxis zum geltenden
Art 3 B-VG zu verstehen und umfasst auch bloße Berichtigungen und
Feststellungen.
4. Zusammenfassung
Gegenüber
der geltenden Regelung des Art 3 B-VG bringt die hier vorgeschlagene
Neuregelung folgende Neuerungen. Das Erfordernis paktierter Verfassungsgesetze
des Bundes und der Länder wird auf die Zusammenlegung oder Teilung von Ländern
oder bedeutsame Änderungen des Territoriums eines Landes beschränkt.
Geringfügige Änderungen (Berichtigungen oder Feststellungen) der Bundesgrenzen
gegenüber Drittstaaten können in (gesetzesrangigen) Staatsverträgen des Bundes
vereinbart werden, bedürfen aber einer (landesverfassungsrechtlich
ausgestaltbaren) Zustimmung der betroffenen Länder. Geringfügige Änderungen der
Grenzen der Länder innerhalb des Bundesgebietes erfordern übereinstimmende
Rechtsakte des Bundes und der Länder, die jedenfalls auf der Seite des Bundes
keines Verfassungsranges bedürfen.
In
den in der Praxis relevanten Fällen bedarf es demgemäß in Hinkunft keines
Aktes des Verfassungsgesetzgebers mehr. Obwohl die Regelung nach wie vor
aufwendig erscheint, stellt sie doch gegenüber der geltenden Verfassungslage
eine erhebliche Vereinfachung dar.
Eingebracht im Ausschuss 2, 12. Sitzung, 24.5.2004
Neufassung der Art 9 Abs 2 und 50 B-VG
zur Lösung des Problems
der Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen
(Fassung 11. Mai 2004)
1. Artikel 9 Absatz 2 B-VG hat zu
lauten:
Durch Gesetz oder Staatsvertrag können einzelne
Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen[5]
oder fremde Staaten übertragen werden. Weiters kann die Tätigkeit von Organen
zwischenstaatlicher Einrichtungen oder fremder Staaten im Inland sowie die
Tätigkeit österreichischer Organe im Ausland geregelt werden. [Dabei kann auch
vorgesehen werden, dass österreichische Organe der Weisungsbefugnis der Organe
fremder Staaten oder zwischenstaatlicher Einrichtungen oder diese der
Weisungsbefugnis österreichischer Organe unterstellt werden.][6]
2. Artikel 50 Absatz 2a[7]
hat zu lauten:
Soweit ein Staatsvertrag zu seiner Änderung
ermächtigt, bedarf eine derartige Änderung keiner Genehmigung nach Absatz 1, es
sei denn dass sich der Nationalrat dies vorbehält.
3. Im Artikel 50 Absatz 3 sind die Worte
"und, wenn durch den Staatsvertrag Verfassungsrecht geändert oder ergänzt
wird, Artikel 44 Absatz 1 und 2" sowie der zweite Halbsatz zu streichen.
Erläuterungen
1981 wurde Art 9 Abs 2 B-VG
eingeführt, um die Fülle von Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen zu
reduzieren. Der Versuch ist nur teilweise gelungen. Nach wie vor findet sich
eine Fülle von Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen.
1. Das Hauptproblem: Hoheitsrecht
der Länder
Der Hauptmangel des Art 9 Abs 2 B-VG
besteht unter diesem Aspekt in seiner Beschränkung auf "Hoheitsrechte des Bundes",
die erst in den Ausschussberatungen des NR eingefügt wurde. Sie ist jedoch
systemwidrig, weil der Bund zum Abschluss von Staatsverträgen ohne kompetenzrechtliche
Beschränkungen berechtigt ist (Art 10 Abs 1 Z 2 B‑VG). Der Bund kann daher die
Kompetenzen der Länder durch einen von ihm abgeschlossenen Staatsvertrag viel
intensiver beschränken, als es durch die Übertragung einzelner (!)
Hoheitsrechte auf fremde Organe in dem völkerrechtlich allgemein üblichen
Ausmaß regelmäßig geschieht. Die Wahrung der berechtigten Interessen der Länder
müsste auf andere Weise erfolgen, etwa durch das Zustimmungsrecht des
Bundesrates gemäß Art 50 Abs 1 letzter Satz B-VG oder durch andere, in der
künftigen Verfassung vorgesehe Mitwirkungsrechte der Länder (siehe etwa das
Modell des Art 23d B‑VG).
2. Weitere Probleme der Praxis seit
1981
a. Art 9 Abs 2 B-VG sieht nur eine Übertragung von
Hoheitsrechten auf "zwischenstaatliche Einrichtungen und ihre Organe"
vor. Vereinzelt kommt es in neuerer Zeit auch zu dem Bedürfnis, Hoheitsrechte
auf Organe eines anderen Staates zu übertragen (zB die Ausstellung
kurzfristiger Visas; hierher gehört auch das Problem der einem anderen Staat
zuzurechnenden Einräumung polizeilicher Befugnisse an private Organe, zB in
Luftfahrzeugen). Dies ist durch den Wortlaut des geltenden Art 9 Abs 2 B-VG
nicht gedeckt und sollte durch eine Erweiterung des ersten Tatbestandes
ermöglicht werden. Eine explizite verfassungsrechtliche Ermächtigung, dass auch
österreichische Organe gleichartige Befugnisse für fremde Staaten auf der
Grundlage eines formellen (österreichischen) Gesetzes oder gesetzändernden
Staatsvertrages ausüben können, erscheint dagegen nicht erforderlich.
b. Art 9 Abs 2 B-VG sieht ferner nur die Tätigkeit
von Organen fremder Staaten im Inland vor, nicht aber auch die Tätigkeit von
Organen zwischenstaatlicher Einrichtungen. Es wird vorgeschlagen, Art 9 Abs
2 B-VG in diesem Sinn zu erweitern.
c. Bei der Tätigkeit österreichischer Organe im
Ausland stellt sich das Problem der – im Text des Art 9 Abs 2 nicht explizit
vorgesehenen – Unterstellung unter die Weisungsgewalt ausländischer Organe.
Umgekehrt werden auch ausländische Organe österreichischer Hoheit
unterstellt. Derartige Regelungen finden sich vor allem in bilateralen
Katastrophenhilfeabkommen. Die bisherige Praxis geht in solchen Fällen davon
aus, dass dies durch Verfassungsbestimmungen "abgesichert" werden
müsse. Es kann allerdings auch mit guten Gründen und in Übereinstimmung mit dem
Schrifttum (Novak/Wieser, Zur Neukodifikation des
österreichischen Bundesverfassungsrechts, 1994, 177 f; Öhlinger, Art 9
Abs 2 B-VG, in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, Rz 10) die These vertreten
werden, dass die Einräumung einer derartigen Befugnis bzw Bindung schon in
der Ermächtigung zur Übertragung von Hoheitsrechten inkludiert ist, zumal
der hier vorgelegte Entwurf ausdrücklich auch eine Übertragung von
Hoheitsrechten an fremde Staaten vorsieht. Insofern wäre der zweite Satz
in der hier vorgeschlagenen Fassung des Art 9 Abs 2 B-VG überflüssig und würde
eine entsprechende Klarstellung in den EB ausreichen. Daher wurde die
entsprechende Ergänzung des Art 9 Abs 2 B-VG vorerst in Klammern gesetzt.
d. Keine praktische normative Bedeutung kommt der
Formel "im Rahmen des Völkerrechts" zu. Diese Worte können gestrichen
werden.
e. Angemerkt sei, dass aus dem geltenden und dem
neu vorgeschlagenen Text des Art 9 Abs 2 B-VG nicht zwingend hervorgeht, dass
Österreich Mitglied jener zwischenstaatlichen Organisation sein muss, der
einzelne hoheitliche Aufgaben übertragen werden können. Insofern wäre auch eine
Übertragung auf eine solche Organisation verfassungsrechtlich nicht
ausgeschlossen.
f. In Übereinstimmung mit der Lehre (vgl Novak/Wieser,
aaO, 174 f) ist davon auszugehen, dass auch sogenannte "Zuwarte- und
Bedachtnahmeregeln" – die Vertragsparteien verpflichten sich, Entwürfe
technischer Vorschriften einer zwischenstaatlichen Einrichtung bekannt zu geben
und ab dem Zeitpunkt dieser Notifikation eine vertraglich vereinbarte
Stillhaltezeit einzuräumen –, schon auf Grund eines aus Art 9 Abs 2 B-VG
ableitbaren Größenschlusses nicht als verfassungsändernd anzusehen sind.
Es handelt sich dabei um eine geringfügigere Beschränkung der staatlichen
Rechtsetzungsbefugnisse als es die "Übertragung" solcher Befugnisse
auf eine zwischenstaatliche Einrichtung darstellen würde. Es ist zwar richtig,
dass der eine solche Vertragsbestimmung genehmigende Gesetzgeber nicht sich
selbst für die Zukunft binden kann; der Gesetzgeber ist aber auch nicht daran
gehindert, im Einklang mit einer solchen Vertragsbestimmung zu handeln und eine
Völkerrechtsverletzung zu vermeiden, auch wenn diese nicht zugleich eine
Verfassungsverletzung bildet.
3. Zur Rechtsform der Übertragung
Der geltende Art 9 Abs 2 B-VG sieht
eine Übertragung (1. Tatbestand) bzw Regelung (2. Tatbestand) "durch
Gesetz oder durch eine gemäß Art 50 Abs 1 B-VG zu genehmigenden
Staatsvertrag" vor. Das Wort "Gesetz" deutet an, dass eine
solche Regelung durch den Bundes- oder Landesgesetzgeber – entsprechend der
bundesverfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung – erfolgen kann.
Ausgeschlossen wird damit aber die Rechtsform eines Staatsvertrages nach Art 16
Abs 1 B-VG, was durch den Entstehungszeitpunkt des Art 9 Abs 2 B-VG (1981)
erklärbar (Art 16 Abs 1-3 B-VG wurde erst später – 1988 – geschaffen), aber
nicht konsequent ist. Durch Streichung des Verweises auf Art 50 B-VG werden
auch staatsvertragliche Regelungen auf der Ebene der Länder (im Rahmen ihres
Wirkungsbereichs) ermöglicht.
4. Vereinfachte
Vertragsänderungsverfahren
Ein spezielles Problem bilden die in
multilateralen Staatsverträgen häufig vorgesehenen Regelungen über eine
künftige vereinfachte Abänderung (Ergänzung) von Textteilen (Anhängen, Annexen)
eines solchen Vertrages. Die (neuere) Praxis versteht richtig die Befugnis
einer Staatenmehrheit zur künftigen Abänderung (von Teilen) des jeweiligen
Vertrages als eine Übertragung von Hoheitsrechten auf eine zwischenstaatliche
Einrichtung iSd Art 9 Abs 2 B-VG und verlangt daher für solche Regelungen nicht
den Verfassungsrang. Anders verhält es sich, wenn ein solcher Beschluss nur
unter Mitwirkung Österreichs zustande kommen kann: Dafür wird in der Praxis
eine Verfassungsbestimmung als erforderlich erachtet (vgl etwa die EB zu Art 8
des Abkommens von Locarno zur Errichtung einer Internationalen Klassifikation
für gewerbliche Muster und Modelle BGBl 1990/496, 1189 Blg Nr XVII. GP).
Dieser im Lichte des Art 9 Abs 2
B-VG offensichtliche Widersinn findet seine Erklärung darin, dass es hier nicht
eigentlich um das Problem einer Übertragung von Hoheitsrechten geht, sondern um
die Frage nach den Organen, die auf österreichischer Seite in einem solchen
Vertragsänderungsverfahren mitzuwirken haben: Muss der österreichische
Willensakt (Zustimmung, Ablehnung) dem Nationalrat gemäß Art 50 B-VG zur
Genehmigung unterbreitet werden? Die Fristen, innerhalb der derartige
Erklärungen regelmäßig abzugeben sind, oder auch sonstige Verfahrensmodalitäten
machen eine Einschaltung des Bundesparlaments praktisch kaum möglich.
Andererseits geht es aber um die Abänderung eines vom Bundesparlament
genehmigten und daher auf Gesetzesstufe stehenden Staatsvertrags, die daher
nach österreichischem Rechtsverständnis ihrerseits als gesetzändernd zu
qualifizieren ist. Die Praxis nimmt an, dass die Hebung derartiger Klauseln in
den Verfassungsrang von der künftigen Beteiligung des Nationalrats und Bundesrats
dispensiert. Dies kommt zwar oft gar nicht im Text solcher Klauseln selbst zum
Ausdruck, entspricht aber ihrem Sinn.
Die generelle Lösung dieses Problems
kann nicht bei Art 9 Abs 2 B-VG, sondern muss bei Art 50 B-VG ansetzen. Es wird
vorgeschlagen, in einem neuen Absatz für solche vereinfachte Vertragsänderungen
oder -ergänzungen von der Genehmigung des Nationalrats zu dispensieren, sofern
sich dies der Nationalrat nicht anlässlich der Genehmigung des
"Stammvertrages" ausdrücklich vorbehält. Ein solcher Vorbehalt soll
den gleichen Regeln unterliegen wie ein Erfüllungsvorbehalt gemäß Art 50 Abs 2
B-VG (geltende Fassung) oder ein Beschluss gemäß Art 49 Abs 2 B-VG.
5. Die Zukunft verfassungsändernder
Staatverträge
Ziel dieser Vorschläge ist es, in Zukunft
Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen zur Gänze zu vermeiden. Durch
solche Verfassungsbestimmungen wird kein Problem gelöst, das allenfalls in der
Abgabe von Hoheitsrechten und anderen Beschränkungen der nationalen
Souveränität gesehen werden könnte. Solche Probleme sind vielmehr in den
Verhandlungen über den jeweiligen ("souveränitätsbeschränkenden")
Staatsvertrag zu berücksichtigen. Die Bundesverfassung sollte aber für solche
Verhandlungen einen sinnvollen Spielraum im Rahmen des international Üblichen
vorgeben.
Sollte in Zukunft eine
staatvertraglich Regelung mit dem Bundesverfassungsrecht nicht kompatibel sein,
so wäre vorweg oder spätestens bei Abschluss des Vertrages der Text der
Bundesverfassung so zu ändern, dass diese Kompatibilität hergestellt wird. Um
dies an einem Beispiel zu illustrieren: Enthält ein Staatsvertrag eine die
Immunität von Abgeordneten einschränkende Bestimmung (vgl zB Art 27 des Statuts
über den Internationalen Strafgerichtshof BGBl III 2002/180), so wäre die dem
entgegenstehende bundesverfassungsgesetzliche Regelung (heute: Art 57 B-VG)
entsprechend zu adaptieren. Die Vereinbarkeit einer staatsvertraglichen
Regelung mit der Bundesverfassung unterliegt der Kontrolle des VfGH nach Art
140a B-VG. (Daran sollte nichts geändert werden.) Stellt der VfGH eine solche
Unvereinbarkeit nachträglich fest, so hat er die unmittelbare Anwendung dieses
Vertrages, allenfalls unter Setzung einer aufschiebenden Frist bis zu zwei
Jahren, zu suspendieren. In dieser Zeit wäre entweder der Staatsvertrag nach
völkerrechtlichen Regeln zu kündigen oder die Bundesverfassung entsprechend zu
ändern.
Angemerkt sei allerdings, dass der
Ausschuss 2 vorerst die Frage des Verfassungsrangs der Staatsverträge mit
grundrechtlichem Gehalt – insbesondere der EMRK – nicht behandelt hat.
Diesbezüglich wäre die Beratung mit dem Ausschuss 4 zu koordinieren.
Was grenzändernde Staatsverträge
betrifft, wird auf die vorgeschlagene Neufassung der Art 2 und 3 B-VG
verwiesen.
Eingebracht im Ausschuss 2, 16.
Sitzung, 12.10.2004
Überlegungen zur Frage, ob die Mitgliedschaft Österreichsin den
Vereinten Nationen verfassungsgesetzlich verankert werden soll
1. Rechtsqualität der UN-Satzung aus verfassungsrechtlicher Sicht
Österreich wurde im Dezember 1955 in die Vereinte Nationen (VN) aufgenommen. Die Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art 50 B-VG erfolgte bereits im Jahr 1952 (siehe StenProtNR, 6. GP, 3634 ff; StenProtBR, 1635). Dieser Beitritt und seine parlamentarische Behandlung geschahen damit in einer Zeit, als das Theorem über den verfassungsändernden Gehalt der Übertragung von Hoheitsrechten auf Internationale Organisationen noch nicht bekannt war. (Dieses Theorem wurde erst im Zusammenhang mit der Errichtung der EFTA 1960 entwickelt; siehe 156 BlgNR 9. GP, S. 318). Die Satzung der VN wurde daher vom Nationalrat als gesetzändernder Staatsvertrag genehmigt und steht seitdem in der österreichischen Rechtsordnung auf der Rangstufe eines einfachen Bundesgesetzes.
Die merkwürdige Diskrepanz, dass in der österreichischen Rechtsordnung völkerrechtliche Verträge mit geringfügiger politischer Bedeutung partiell auf Verfassungsstufe stehen, dagegen nicht ein so zentraler völkerrechtlicher Vertrag wie die UN-Satzung, besteht seit den sechziger Jahren bis heute und konnte bekanntlich auch durch die 1981 geschaffene Ermächtigung des Art 9 Abs 2 B-VG nicht endgültig gelöst werden. Der Versuch, dieses Problem durch ein "Staatsverträge-Sanierungsgesetz" (1971, siehe die RV eines "Ersten Staatsverträge-Sanierungsgesetzes" 122 BlgNR 13. GP) zu bereinigen, kam nicht zustande (dazu ausführlicher Öhlinger, Der völkerrechtliche Vertrag im staatlichen Recht, 1973, 202 ff). Die UN-Satzung war allerdings in dieser RV – anders als noch im zur Begutachtung ausgesandten Entwurf des BKA-VD GZ 44.760-2d/7c vom 11.5.1971 – nicht enthalten (vermutlich wegen offener Neutralitätsfragen); sie sollte einem "Zweiten Staatsverträge-Sanierungsgesetz" vorbehalten bleiben (siehe 122 BlgNr 13. GP, S. 6).
2. Die UNO-Charta als "Weltverfassung"
Die VN nehmen heute unter allen weltweiten Internationalen Organisationen zweifellos eine herausragende Stellung ein. Ihre Satzung ist die Grundlage einer umfassenden Weltorganisation und einer neuen universellen Ordnung des Völkerrechts (siehe Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl 1984, 72). Diese Satzung hat daher in einem nicht nur ganz allgemeinen Sinn Verfassungscharakter. Sie bildet ein wesentliches Element in dem bereits oft konstatierten Prozess einer Konstitutionalisierung des Völkerrechts. Sie enthält Verpflichtungen, die nicht nur zwischen den Mitgliedern bestehen, sondern einen Anspruch auf absolute Geltung gegenüber der gesamten Staatengemeinschaft erheben. Dazu gehören das zwischenstaatliche Gewaltverbot (Art 2 Z 4 UN-Satzung) sowie die Achtung der sich aus der Würde des Menschen ergebenden grundlegenden Menschenrechte (siehe Verdross/Simma, aaO, 75 ff). Nach Art 103 UN-Satzung haben die Pflichten aus der Satzung Vorrang vor anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen.
Das Potential der UN-Satzung ist bislang – vor allem durch die wechselseitigen Blockaden der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates und ihres Veto-Rechts – nicht vollständig ausgeschöpft worden. Potentiell bildet aber die UN-Satzung so etwas wie eine "Weltverfassung" (Tomuschat, Vereinte Nationen, in: Seidl-Hohenveldern (Hrsg), Völkerrecht, 3. Aufl. 2001, 454), auf deren Grundlage sich die VN aus einer weltweiten zwischenstaatlichen Organisation zu einem "Organ der Menschheit" (so Verdross/Simma, aaO, 79) entwickeln könnten (zur UN-Satzung als "Verfassung der Weltgemeinschaft" siehe auch Ress, in: Simma [Hrsg], Charta der Vereinten Nationen, Kommentar [1991] XLVII, LXIII).
Eine solche Entwicklung hätte durchaus auch Rückwirkungen auf die nationalen Verfassungen, die nicht ihrem Umfang, aber ihrer Qualität nach mit jenen der Mitgliedschaft Österreichs in der EU vergleichbar sind. So gibt es auch bereits in der völkerrechtlichen Literatur Ansätze, die den Beschlüssen des Sicherheitsrates unmittelbare Wirkung und Vorrang innerhalb der staatlichen Rechtsordnungen zuerkennen (vgl etwa Dicke, Erscheinungsformen und Wirkungen von Globalisierung in Struktur und Recht des internationalen Systems auf universaler und regionaler Ebene sowie gegenläufige Renationalisierungstendenzen, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Bd 39 (2000) 13 [36]; sehr weitgehend in diese Richtung und so zweifellos noch nicht konsensfähig A. Balthasar, Die österreichische bundesverfassungsrechtliche Grundordnung unter besonderer Berücksichtigung des demokratischen Prinzips, noch unveröffentlichte Wiener Habilitationsschrift [2004]).
Mit einer Verankerung der UN-Mitgliedschaft in der Bundesverfassung würde sich Österreich solchen Entwicklungen gegenüber öffnen. Potentielle Konflikte mit österreichischem Verfassungsrecht wären von vornherein reduziert und auf Interpretationsfragen eingegrenzt.
3. Vereinte Nationen und dauernde Neutralität Österreichs
Ein spezifischer Zusammenhang besteht zwischen der Mitgliedschaft Österreichs in den VN und dem verfassungsrechtlichen Status eines dauernd neutralen Staates.
Der potentielle Widerspruch zwischen dauernder Neutralität und den in der UN-Satzung verankerten Pflichten der kollektiven Sicherheit wurde in Österreich zunächst im Sinne eines Vorrangs der Neutralitätspflichten gelöst, die von der VN mit der widerspruchslosen Aufnahme Österreichs als dauernd neutraler Staat im Sinne der sog. "Verdross-Doktrin" implizite anerkannt worden seien (vgl Verdross/Simma, aaO, 147): Die Organe der VN übernahmen mit dieser vorbehaltlosen Aufnahme Österreichs "die Verpflichtung, Österreich nie zu neutralitätswidrigen Zwangsmaßnahmen heranzuziehen" (Hummer, in: Neuhold/Hummer/Schreuer, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, Bd 1, Rz 2859). Anlässlich des ersten, auf einem Sicherheitsratsbeschluss basierenden Irakkrieges 1991 wurde diese Doktrin von der herrschenden Lehre und Praxis in Österreich mit unterschiedlichen, aber im Ergebnis einhelligen Begründungen "umgedreht": Die Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft in den VN gehen den Neutralitätspflichten vor.
Eine Verankerung der UN-Mitgliedschaft in der Bundesverfassung und damit auf gleicher rechtlicher Ebene wie die Neutralität könnte diesem – aus verfassungsrechtlicher Sicht doch sehr überraschenden (siehe dazu Öhlinger, BVG Neutralität, in: Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht, Kommentar, Rz 9) – Interpretationswandel eine verfassungsrechtliche Grundlage geben.
4. Rechtsvergleichende Hinweise
In rechtsvergleichender Sicht ist anzumerken, dass sich in europäischen Verfassungen explizite Hinweise auf die VN kaum finden. Ein seltenes Beispiel bildet Sektion 1 der Verfassung von Malta, das eine Ausnahme vom neutralitätsrechtlich bedingten Verbot der Nutzung militärischer Anlagen für Aktionen des Sicherheitsrates vorsieht.
Häufig sind jedoch Bekenntnisse zu Frieden und internationaler Zusammenarbeit. Siehe etwa folgende Beispiele:
Art 11 der Italienischen Verfassung:
Italien verwirft den Krieg als Mittel des Angriffs auf die Freiheit anderer Völker und als Mittel zur Lösung internationaler Streitfragen. Unter der Bedingung der Gleichstellung mit den anderen Staaten stimmt es Souveränitätsbeschränkungen zu, die für eine Ordnung notwendig sind, welche den Frieden und die Gerechtigkeit unter den Nationen gewährleistet. Es fördert und begünstigt internationale Organisationen, die diesem Zweck dienen.
Art 2 Abs 2 der Griechischen Verfassung:
Griechenland ist bestrebt, unter Beachtung der allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts, den Frieden, die Gerechtigkeit und die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den Völkern und Staaten zu fördern.
Art 29 Abs 1 der Irischen Verfassung:
Irland bekräftigt seine Ergebenheit gegenüber dem Ideal des Friedens und der freundschaftlichen Zusammenarbeit unter den Völkern auf der Grundlage internationaler Gerechtigkeit und Moral.
Art 7 Abs 2 der Portugiesischen Verfassung:
Portugal unterstützt die Abschaffung des Imperialismus, des Kolonialismus und jeglicher anderer Form der Aggression, der Beherrschung und der Ausbeutung unter den Völkern ebenso wie die allgemeine ausgewogene und kontrollierte Abrüstung, die Auflösung der militärisch-politischen Blöcke und die Einrichtung eines internationalen Sicherheitssystems zur Schaffung einer internationalen Ordnung, die den Frieden und die Gerechtigkeit in den Beziehungen zwischen den Völkern zu gewährleisten imstande ist.
Art 7 Abs 3 der Slowakischen
Verfassung (idF 2002):
The Slovak Republic may for purpose
of maintaining peace, security and democratic order, under conditions
established by an international treaty, join an organization of mutual
collective security.
§ 1 Abs 2 der Finnischen Verfassung vom 11.6.1999:
Finnland beteiligt sich an der internationalen Zusammenarbeit in der Absicht, Frieden und Menschenrechte sicherzustellen, und in der Absicht, die Gesellschaft zu entwickeln.
Siehe ferner die Präambeln des Bonner Grundgesetzes und der Spanischen Verfassung.
5. Zusammenfassung und Vorschlag einer Formulierung
Ein dringender Bedarf nach einer verfassungsgesetzlichen Verankerung der Mitgliedschaft in den VN lässt sich nicht feststellen, doch gibt es Argumente, die dafür sprechen (siehe zuvor 2. und 3.). Sollte eine solche Verankerung erfolgen, könnte die Formulierung lauten:
Österreich ist Mitglied der Vereinten Nationen und unterstützt deren Ziele, insbesondere der Erhaltung des Friedens und der internationalen Sicherheit sowie der weltweiten Achtung der Menschenrechte.
Oder:
Österreich bekennt sich zu den Verpflichtungen, die sich aus der Satzung der Vereinten Nationen ergeben, und unterstützt insbesondere die Ziele der Wahrung des Friedens und der internationalen Sicherheit sowie der weltweiten Achtung der Menschenrechte.
Eingebracht im Ausschuss 2, 8.
Sitzung, 30.3.2004
Information zur Staatsgrenze
Meine Gespräche betreffend die
Problematik der Staatsgrenze haben folgendes ergeben:
I. Allgemeines
und derzeitiger Stand
1. Grundsätzlich sind sowohl von der
Darstellung als auch der normativen Wirkung zwei verschiedene Arten von
Staatsgrenzen zu unterscheiden:
·
Feste Grenzen: Bei diesen befindet sich die Grenze
unveränderlich an einem bestimmten Punkt in der Natur, und zwar letztlich
bezogen auf ein gedachtes Koordinatensystem; ändert sich die Natur, bleibt der
Punkt trotzdem bezogen auf das Koordinatensystem bezogen auf den Ort; der Punkt
wird mit seinem Koordinaten bzw. in einer planlichen Darstellung, er kann auf
Grund dieser Festlegung in der Natur aufgefunden und ersichtlich gemacht werden
(z.B. Grenzsteine); der Grenzverlauf ergibt sich letztlich aus der Verbindung
der so festgelegten Punkte. Normativ ist letztlich die festgelegte Punkte bzw.
deren Verbindung.
·
Bewegliche Grenzen: Maßgeblich sind Anhaltspunkte in der Natur, die
in einer normativen Beschreibung festgehalten sind; ändern sich die
Gegebenheiten in der Natur, sind die neuen Gegebenheiten maßgeblich, z.B.
Wasserläufe, Wasserscheiden, Hangkanten und ähnliches. Normativ ist die
Beschreibung der Gegebenheiten in der Natur in Verbindung mit der tatsächlichen
Lage dieser Gegebenheiten; ändert sich die Lage ist die neue Lage maßgeblich.
Die österreichische Staatsgrenze ist
sowohl durch feste Grenzen als auch durch bewegliche Grenzen festgelegt. An
diesem System änderten auch neuere Staatsverträge und werden auch künftige
Staatsverträge nichts ändern, weil bewegliche Grenzen für die Praxis sehr
zweckmäßig sind: Wasserläufe sind beispielsweise für die landwirtschaftliche
Nutzung relevant (kleine Bäche ändern sich weit stärker als große), sonstige
Gegebenheiten für den Verlauf von Wegen usw.. Beweglichen Grenzen sind auch
entsprechend markant, sodass sie auf Grund der Beschreibung in der Natur für
jedermann ersichtlich sind, was z.B. die Kontrolle erleichtert.
2. Grundsätzlich können Grenzen
normativ entweder durch eine Verbalbeschreibung (von Gegebenheiten in der
Natur), durch Pläne (die letztlich auf eine Koordinatensystem basieren) oder
durch die Angabe von Koordinaten und deren Verbindungen festgelegt werden. Alle
drei Methoden kommen zur Festlegung der österreichischen Staatsgrenze vor.
3. Für die Festlegung dieser
Staatsgrenze sind derzeit folgende Akte relevant:
·
Der größte Teil der
Grenze ergibt sich aus Staatsverträgen mit den jeweiligen Nachbarstaaten, genau
genommen aus den Anlagen zu diesen Staatsverträgen; diese Anlagen sind nicht im
BGBl. enthalten, sondern wurden gem. Art. 49 Abs. 2 B-VG durch Auflage in BKA
und bei den Ämtern der Landesregierungen kundgemacht. Die
Bundesverfassungsgesetze und Landesverfassungsgesetze gem. Art. 3 B-VG verweisen
im Wesentlichen auf diese Anlagen.
·
Für einen geringen Teil
der Staatsgrenze ist noch der Staatsvertrag von St. Germain maßgeblich, wobei
zwei Fälle zu unterscheiden sind:
- Slowenien: Ein Teil der Grenze zu Slowenien ist nicht vom neueren
Staatsvertrag erfasst, sodass der StV St. Germain gilt, dieser enthält nicht
den exakten Grenzverlauf, dieser wurde erst von verschiedenen Kommissionen in
verschiedenen Dokumenten festgelegt, die als solche nicht publiziert sind; ein
Abschluss eines neuen Staatsvertrages für diesen Teil ist innerhalb der
nächsten drei Jahre zu erwarten.
- Italien: Hier wurde der exakte Grenzverlauf bereits durch einen neuen
Staatsvertrag festgelegt, der vom österreichischen Parlament, nicht aber vom
italienischen Parlament genehmigt wurde. Rechtlich ergibt sich derzeit daher
der Grenzverlauf noch aus dem StV von St. Germain mit der gleichen Problematik
wie bei Slowenien, der korrekte Grenzverlauf ist aber bereits aus der Anlage
ersichtlich, die innerstaatlich verbindlich erklärt werden könnte (verbunden
mit einer entsprechenden Kundmachung).
·
In diesem Zusammenhang
sei der Sonderfall Bodensee erwähnt, bei dem der Grenzverlauf völkerrechtlich
umstritten ist, ohne dass jemals eine Lösung absehbar ist (die Lehre des
Völkerrechts würde dadurch wesentlich ärmer); praktisch relevante Probleme
verursacht diese „Lücke“ im Bundesgebiet nicht; jedenfalls könnte nur eine
innerstaatliche Variante festgelegt werden.
II. Festlegung
des derzeitigen Zustandes
Um zu einer innerstaatlich
verbindlichen, einfachen und klaren Festlegung der Staatsgrenze zu kommen,
bieten sich folgende Vorgangsweisen an:
1. Im Übergangsgesetz werden folgende
Dokumente für verbindlich erklärt (und zweckmäßigerweise auch in der Anlage
kundgemacht, wobei auch eine ausschließlich elektronische Kundmachung im RIS
zweckmäßig wäre):
·
Die Anlagen zu den
neueren Staatsverträgen
·
Die Anlage zum noch
nicht abgeschlossenen StV mit Italien (Kundmachung der Anlage zwingend)
·
Eine neu angefertigte
Anlage für den innerstaatlichen Ersatz der alten Dokumente für den Grenzverlauf
gegenüber Slowenien (diese könnte bei einem entsprechenden Auftrag zeitgerecht
angefertigt werden); Kundmachung ebenfalls zwingend.
Die Bundesverfassungsgesetze und
(allenfalls auch Landesverfassungsgesetze) zur Umsetzung dieser Staatsverträge
könnten ersatzlos aufgehoben werden.
2. Grundsätzlich könnte die
Staatsgrenze (für den innerstaatlichen Rechtsbereich) einheitlich auch zur
Gänze durch Angabe von Koordinaten festgelegt werden, wobei diese aus der
Neuvermessung des Bundesgebietes abgeleitet werden könnten, die weitgehend abgeschlossen
ist. Das BMWA prüft derzeit, ob bis Jahresende eine vollständige Beschreibung
der Staatsgrenze mit solchen Koordinaten möglich wäre. Die Staatsgrenze wäre
dann aus einem einheitlichen – zweckmäßigerweise elektronisch darzustellenden -
Dokument ableitbar, an das auch Änderungen anknüpfen würden; das Übergangs B-VG
(oder das B-VG selbst) müsste dann dieses Dokument für verbindlich erklären.
Zur Beibehaltung der
(völkerrechtlich verbindlichen und zweckmäßigen) Unterscheidung zwischen festen
und beweglichen Grenzen, hätte diese Koordinaten unterschiedliche Funktion und
wären entsprechend zu kennzeichnen: Bei den festen Grenzen sind die Koordinaten
konstitutiv; bei den beweglichen Grenzen machen die Koordinaten lediglich den
derzeitigen Stand sichtbar und sind bei Änderungen in der Natur entsprechend
anzupassen (in einem vereinfachten Verfahren der Kundmachung, ähnlich dem der
Berichtigung). Für den Bereich der beweglichen Grenzen müsste zusätzlich die
Beschreibung kundgemacht werden.
III. Künftige
Grenzänderungen
Echte Grenzänderungen im Sinne einer
quantitativen und qualitativen Änderung des Bundesgebietes sind in der Zweiten
Republik nicht vorgekommen und sind in mittlerer Zukunft auch nicht zu
erwarten. Die bisherigen Grenzänderungen dienten entweder der Klarstellung des
Grenzverlaufes oder der Herbeiführung eines zweckmäßigeren Grenzverlaufes (z.B.
im Zusammenhang mit Wegen, natürlichen Gegebenheiten, Grenzübergängen usw.),
wobei diese Änderungen stets flächentreu erfolgten. Alle diese Änderungen
erfolgen schon aus völkerrechtlichen Gründen stets mit Staatsverträgen. Es
bietet sich daher für die Zukunft folgendes an:
·
Für echte Änderungen
des Bundesgebietes bleibt es beim bisherigen System gem. Art. 3 Abs. 2 B-VG mit
allen hier erörterten bundesstaatlichen Implikationen.
·
Für sonstige Änderungen
der Staatsgrenze wird ein vereinfachtes Verfahren geschaffen, das für solche
„Grenzbereinigungen“ gilt: Grenzbereinigungen sind Änderungen der Staatsgrenze,
die einen zweckmäßigen Grenzverlauf bezwecken und zu keiner flächenmäßigen
Änderung des Bundesgebietes führen. Derartige Änderungen der Staatsgrenze
erfolgen durch einen Staatsvertrag, der mit Zustimmung der Länder abzuschließen
und mit einfacher Mehrheit des Nationalrates und des Bundesrates zu genehmigen
ist. Die Kundmachung der Änderung erfolgt entsprechend dem unter II. gewählten
System. In dem Staatsvertrag wäre auch ersichtlich zu machen zu welchen
Landesgebiet die jeweilige Staatsgrenze gehört.
Eingebracht im Ausschuss 2, 17.
Sitzung, 5.11.2004
Diskussionsvorschlag
Vermögenssubstanzsicherung
Elektrizitätsunternehmen
„Bundesverfassungsgesetz,
mit dem die Eigentumsverhältnisse an den Unternehmen der österreichischen
Elektrizitätswirtschaft geregelt werden
Artikel 1
(1) Vom Aktienkapital der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts-Aktiengesellschaft (VERBUND) muss mindestens 51 vH im Eigentum des Bundes stehen. Mit Ausnahme von Gebietskörperschaften und Unternehmungen, an denen Gebietskörperschaften mit mindestens 51 vH beteiligt sind, ist das Stimmrecht jedes Aktionärs in der Hauptversammlung mit 5 vH des Grundkapitals beschränkt.
(2) Von
a) den Anteilsrechten an der Gesellschaft zur Erzeugung von elektrischer Energie aus Wasserkraft VERBUND Austrian Hydro Power Aktiengesellschaft, Wien,
b) der Beteiligung an der Firma zur Erzeugung elektrischer Energie in VERBUND Austrian- Thermal Power Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Co KG (vormals Aktiengesellschaft), Graz, sowie
c) den Anteilsrechten an der Gesellschaft zur Errichtung, Betreibung von elektrischen Leitungsanlagen und dem Regelzonenführer der VERBUND- Austrian Power Grid Aktiengesellschaft, Wien,
müssen mindestens 51 vH im Eigentum des Bundes oder des VERBUND stehen.
(3) Von den Anteilrechten an den Sondergesellschaften
a) Donaukraftwerk Jochenstein Aktiengesellschaft, Passau;
b) Ennskraftwerke Aktiengesellschaft, Steyr;
c) Österreichisch- Bayerische Kraftwerke Aktiengesellschaft, Simbach/Inn
müssen mindestens 50 vH im Eigentum des Bundes oder des VERBUND stehen.
Artikel 2
Von den Anteilsrechten an den Landesgesellschaften
a) Burgenländische Elektrizitätswirtschafts- Aktiengesellschaft für das Bundesland Burgenland;
b) Kärntner Elektrizitäts- Aktiengesellschaft für das Bundesland Kärnten;
c) EVN Energieversorgung Niederösterreich Aktiengesellschaft für das Bundesland Land Niederösterreich;
d) Energie Aktiengesellschaft Oberösterreich für das Bundesland Oberösterreich;
e) Salzburg Aktiengesellschaft für das Bundesland Salzburg;
f) STEWEAG- STEG Gesellschaft mit beschränkter Haftung für das Bundesland Steiermark;
g) Tiroler Wasserkraft Aktiengesellschaft sowie Tiroler Regelzonen Aktiengesellschaft für das Bundesland Tirol;
h) Illwerke Aktiengesellschaft, Vorarlberger Kraftwerke (VKW) Aktiengesellschaft sowie die VKW- Übertragungsnetz Akteingesellschaft für das Bundesland Vorarlberg;
i) Wienstrom Gesellschaft mit beschränkter Haftung für das Bundesland Wien
müssen 51 vH im Eigentum von Gebietskörperschaften oder von Unternehmungen stehen, an denen Gebietskörperschaften mit mindestens 51 vH beteiligt sind.“
Eingebracht im Ausschuss 2, 1.
Sitzung, 22.11.2003
Diskussionsunterlage
zu Punkt I.) 4) des Mandats
„Die sog. ‚Codifikationsfrage’ ist eine der verrufensten in der ganzen
Rechtspolitik, und es stehen sich die Meinungen auf das Schroffste entgegen.
Auf der einen Seite wird von Unzähligen fast alles Heil im Rechte, beinahe im
Staate, von der Einführung solcher allgemeiner Gesetzbücher erwartet, die
Vornahme der Arbeit als ein höchstes Verdienst der Regierung, als ein Beweis
hoher Gesittigung des Volkes, als ein Ehrendenkmal für einen Zeitabschnitt
betrachtet. Auf der anderen Seite erklären Männer, deren Stimme in Rechtsfragen
vor Allen gehört zu werden verdient, nur Unheil für Recht und Bildung von
solchem Unternehmen zu erwarten, sprechen namentlich unserer Zeit alle
Befähigung zur Zustandebringung eines guten Gesetzesbuches ab.“[8]
Punkt I.) 4) des Mandats trägt dem
Ausschuss „Legistische Strukturfragen“ auf, über die „Legistische Binnenstruktur
der neuen Verfassung“ zu beraten und hiezu Vorschläge zu erstatten. Die
folgenden drei Unterpunkte sind explizit angesprochen:
— Abänderungserfordernisse und innere Stufung (a);
— Überlegungen zur Verankerung eines Inkorporationsgebots (b);
— sonstige Überlegungen zur Verbesserung des status quo (c).
Diese Unterlage soll den Beratungen des Ausschusses als Basis dienen.
Sie gliedert sich in vier Abschnitte.
Der erste Abschnitt ist dem Inkorporationsgebot gewidmet. Sowohl die
Diskussionen im Rahmen der Einsetzung des Konvents als auch das Mandat selbst
zeigen, dass die Zusammenführung des gesamten Verfassungsrechts in eine einzige
Urkunde den Fluchtpunkt der Arbeiten des Ausschusses – wenn nicht des Konvents
insgesamt – bildet. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, Erwägungen über
internationale Verbreitung, dogmatische Konsequenzen und praktische
Auswirkungen von Inkorporationsgeboten an den Beginn der Unterlage zu stellen.
Dabei ließ es sich nicht vermeiden, auch die in Punkt I.) 3) c) des Mandats
aufgeworfene Frage zu streifen, wie andere Verfassungen das Problem ihrer
Durchbrechung durch den einfachen Gesetzgeber lösen.
Der zweite Abschnitt untersucht, welche anderen Instrumente im
internationalen Vergleich begegnen, um den inneren und äußeren Zustand der
Verfassung zu wahren oder zu verbessern. Da er von der begrenzten
Leistungsfähigkeit eines Kodifikationszwanges ausgeht und mögliche
Ergänzungsmaßnahmen aufzeigt, folgt er unmittelbar auf die Ausführungen zum
Inkorporationsgebot.
Im dritten Abschnitt wird in einem rechtsvergleichenden Streifzug
dargestellt, wie Verfassungen aufgebaut sind und über welche vielfältigen
Binnenstrukturen sie verfügen. Nachdem das Mandat dem Ausschuss derartige
Überlegungen nicht zur Pflicht macht, hat er die Funktion eines Exkurses. Sein
Sinn liegt darin, das außerordentlich breite Spektrum an Möglichkeiten
aufzuzeigen, die zur Verfügung stehen, um eine Verfassung mit Stabilität
auszustatten, ohne ihr die notwendige Flexibilität zu nehmen.
Der vierte Abschnitt versucht, auf diesen Fundamenten Vorschläge de constitutione ferenda zu unterbreiten, die sich auf die Erfordernisse der Abänderung der neuen Verfassung, auf ihre innere Stufung und auf ihre äußere Einkleidung beziehen. Dabei versteht sich von selbst, dass in die diesbezüglichen Überlegungen auch zwangsläufig subjektiv gefärbte Bewertungen eingeflossen sind.
I. Internationale Verbreitung, dogmatische Konsequenzen und praktische
Auswirkungen von Inkorporationsgeboten
1. Die äußere Form von Verfassungen im internationalen Vergleich
Inkorporationsgebote in Verfassungen
sind weniger verbreitet, als es zunächst den Anschein haben mag. Die Gruppe
jener Staaten, deren Verfassung eine ausdrückliche Anordnung des Inhalts
enthält, dass das gesamte Verfassungsrecht in einer Urkunde konzentriert werden
muss, ist eng begrenzt.
Die bekannteste und wirkmächtigste
Formulierung enthält das Bonner Grundgesetz 1949. Dort findet sich in
Art 79 Abs 1 erster Satz folgende Anordnung:
„Das Grundgesetz kann nur durch ein
Gesetz geändert werden, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert
oder ergänzt.“
Eine vergleichbare Klausel begegnet
in der Verfassung der Republik Portugal 1976. Sie ordnet in Art 286 an,
dass Änderungen der Verfassung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen
beschlossen werden und dass die verabschiedeten Verfassungsänderungen in einem
einzigen Revisionsgesetz zusammengefasst werden müssen. Sodann heißt es in
Art 287:
„(1) Die Verfassungsänderungen
erfolgen durch den erforderlichen Austausch, die erforderlichen Auslassungen
oder Ergänzungen der jeweiligen Textstellen.
(2) Der neue Wortlaut der Verfassung
wird zusammen mit dem Revisionsgesetz veröffentlicht.“
Mitunter wird auch Art 141 der
Verfassung des Königreiches der Niederlande von 1983 als Beispiel für ein
Inkorporationsgebot angeführt.[9]
Diese Bestimmung lautet:
„Der Wortlaut der geänderten
Verfassung wird mit Königlichem Erlass verkündet; dabei können Kapitel,
Paragraphen und Artikel umnummeriert und Verweise entsprechend geändert
werden.“
Näheres Hinsehen zeigt freilich in
meinen Augen, dass es sich um eine Art Wiederverlautbarungsverpflichtung
handelt. Ein Inkorporationsgebot dürfte implizit aber in den Art 137 und
138 enthalten sein.
Ebenfalls nicht ganz klar ist, wie
die Verfassung der Republik Irland 1937 einzuordnen ist. Sie verlangt in
Art 46 Abs 2, dass jeder Vorschlag einer Änderung der Verfassung als
Gesetzesvorlage im Parlament eingebracht werden und nach Verabschiedung durch
beide Häuser einer Entscheidung des Volkes unterbreitet werden muss. Sodann
heißt es in Abs 3:
„Eine jede solche Gesetzesvorlage
wird als ein ‚Gesetz zur Änderung der Verfassung’ gekennzeichnet.“
Das Ensemble dieser Vorschriften
kann als Gebot einer formellen Textänderung, es kann aber auch als bloße
Pflicht zur Bezeichnung eines die Verfassung inhaltlich ändernden Gesetzes als
verfassungsändernd gedeutet werden.
Schon diese wenigen Beispiele zeigen
eine erste Schwierigkeit auf: Die Textanalyse der Verfassungen allein gibt auf
die Frage, ob sie ein Inkorporationsgebot enthalten, selten eine Antwort, weil
die einschlägigen Revisionsnormen regelmäßig nach beiden Richtungen
interpretierbar sind und unterschiedlich gedeutet werden. Die Verfassung des
Deutschen Reiches 1871 und die Verfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft
1874 enthielten beispielsweise durchaus vergleichbare Formulierungen. Dennoch
setzte sich nördlich von Bodensee und Rhein die Auffassung durch, auch
Verfassungsänderungen außerhalb der Urkunde seien zulässig, während südlich
davon Verfassungsrecht außerhalb der Urkunde überwiegend als unstatthaft
betrachtet wurde.[10]
Auf Einzelheiten kommt es hier indes
nicht an. Für die Zwecke dieser Untersuchung genügen die Feststellungen, dass
ausdrückliche Inkorporationsgebote die Ausnahme sind, dass in Wissenschaft und
Staatspraxis vielfach aber auch Verfassungen, die keine diesbezügliche
explizite Anordnung enthalten, auf interpretativem Wege ein Gebot der
Textintegration von Änderungen entnommen wird.
Dieser ersten Gruppe von Staaten, in
denen das Verfassungsrecht in einer Urkunde konzentriert ist, steht eine zweite
Gruppe gegenüber, in denen es funktionale Äquivalente gibt. Als Beispiel sei
die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika 1789 genannt, die sich aus
einer Stammurkunde und 27 weiteren Urkunden, den sogenannten Amendments
zusammensetzt. Nachdem die Novellierungstechnik in der anglo-amerikanischen
Tradition nicht üblich (um nicht zu sagen: unbekannt) ist, stehen diese
Amendments neben der Stammverfassung und fügen ihr Inhalte hinzu oder ändern
sie ab, ohne in den Text des ursprünglichen Dokuments einzugreifen. Der
Unterschied zum Inkorporationsgebot ist allerdings nicht allzu groß: Statt
Novellen, die sich auf die Stammurkunde rückbeziehen, haben wir es mit Ergänzungen
zu tun, die gleichsam hintereinander in einer Reihe stehen, aber ein und
derselben Textsorte angehören.
Eine dritte Gruppe bilden jene
Staaten, deren Verfassung sich in einer Stammurkunde und einigen wenigen
weiteren Urkunden zusammensetzt. Viele Monarchien sind dieser Gruppe
zuzurechnen, weil in ihnen auch die Hausgesetze des öfteren als Teil der
Verfassung gelten.[11]
Unter den Republiken sei Frankreich erwähnt, wo neben der Verfassung 1958 auch
die Erklärung der Menschen‑ und Bürgerrechte 1789 und die Präambel der
Verfassung 1946 Bestandteile des Verfassungsrechts sind.
In einer vierten Gruppe lassen sich
jene Staaten zusammenfassen, die wie Österreich keinen Urkundenzwang, aber
immerhin eine Verpflichtung zur Bezeichnung des Verfassungsrechts als
Verfassungsrecht kennen. Als Beispiel für solche Verfassungen sei auf die
Verfassung der Republik Tschechien 1992 verwiesen, die neben der
Verfassungsurkunde selbst weitere Verfassungsgesetze (nicht aber
Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen) zulässt,[12]
sowie auf die Verfassung der Republik Italien 1947, die verfassungsändernde
Gesetze und andere Verfassungsgesetze kennt.[13]
Auch die Verfassung des Königreiches Schweden von 1975 und Finnlands
Grundgesetz von 1999 rechnen zu dieser Gruppe, weil sie ein eigenes Verfahren
zur Grundgesetzgebung vorsehen.[14]
In eine kleine fünfte Gruppe fallen
schließlich jene Staaten, die über kein nach formellen Gesichtspunkten
abgegrenztes Verfassungsrecht verfügen. Staaten mit ungeschriebener Verfassung
zählen ebenso hierher wie Staaten, deren Verfassung sich aus einem Ensemble von
Gesetzen, Proklamationen und Statuten zusammensetzt, das nicht durch äußere
Merkmale, sondern nur durch Konvention umgrenzt wird.[15]
2. Rechtsprobleme von Inkorporationsgeboten am Beispiel des Bonner Grundgesetzes
1949
Was ein Inkorporationsgebot zu
leisten vermag und welche Rechtsfragen es aufwirft, lässt sich am Bonner
Grundgesetz exemplifizieren.
a) Der rechtsgeschichtliche Hintergrund
Es zählt zum basalen Lehrbuchwissen,
dass das Grundgesetz mit seinem Art 79 Abs 1 GG einer
Gesetzgebungstechnik eine Absage erteilt, die unter der Geltung der Weimarer
Reichsverfassung ständige Praxis war und die von ihren Gegnern als
Durchbrechung oder als Aushebelung der Verfassung bezeichnet wurde. Weniger
bekannt ist hingegen, dass die Weimarer Verfassung in diesem Punkt lediglich
eine eingelebte Tradition fortgesetzt hatte. Schon unter der Bismarckschen
Reichsverfassung 1871 war es ständige Übung, durch einen mit den für
Verfassungsänderung erforderlichen Mehrheiten gefassten Gesetzesbeschluss
bestimmte Inhalte einer Prüfung am Maßstab der Verfassung zu entziehen und doch
im Übrigen die Verfassung inhaltlich unverändert zu lassen. Die Praxis, gegen
welche Art 79 Abs 1 GG gerichtet ist und ihres Antwortcharakters
wegen Rückschlüsse auf Sinn und Zweck des Inkorporationsgebotes zulässt, ist
allerdings mit der Zersplitterung des österreichischen Verfassungsrechts nur
mittelbar vergleichbar. Das zeigt sich vor allem am geschichtlichen Ursprung,
der aus diesem Grund kurz skizziert sei.
Am Anfang stand ein Antrag des
Abgeordneten Franckenstein aus dem Jahre 1879, in § 8 des
Zolltarifgesetzes einen Klausel aufzunehmen, nach der jener Ertrag der Zölle
und der Tabaksteuer, der die jährliche Summe von 130.000 Mark überstieg, den einzelnen
Bundesstaaten nach Maßgabe ihrer Bevölkerung zu überweisen war. Der politische
Sinn und Zweck dieser Regelung bestand darin, das Reich von originären
Einnahmequellen abzuschneiden und es auf diese Weise weiterhin in Abhängigkeit
von Matrikularbeiträgen zu belassen, die von den Ländern nach einem
Bevölkerungsschlüssel geleistet wurden.[16]
Ihre verfassungsrechtliche Problematik lag darin, dass Zolleinnahmen gemäß
Art 38 der Reichsverfassung in die Reichskasse flossen.[17]
Politisch war die Franckensteinsche
Klausel heftig umkämpft. Der Verteidigung Bismarcks, schon die Existenz eines
Konflikts mit der Verfassung in Abrede zu stellen, wurde von den Gegnern der
Klausel entgegengehalten, sie ändere „dieses Verhältnis und dieses Recht
gänzlich um“.[18]
Gleichzeitig lobte die Opposition den Reichskanzler jedoch dafür, dass er die
Klausel nicht als Verfassungsänderungsantrag betrachtet und eingebracht hatte.
Hänel etwa hielt fest, dass „dieses Amendement dem Geist und Sinn der
Verfassung widerspricht“; gleichzeitig verwehrte er sich aber gegen die
„Ansicht von rein formalistischem Standpunkt aus, daß hier eine
Verfassungsänderung vorliegt.“[19]
Ein Widerspruch zur Verfassung, der
ohne ihre Änderung vonstatten gehen sollte? Was in begrifflicher Hinsicht prima
facie als inkonsistent erscheinen mag, ergab politisch seinen guten Sinn. Denn
bei aller Vehemenz, mit denen die Gegner die Franckensteinsche Klausel
bekämpften, wollten sie doch auch verhindern, sie in der Verfassung selbst
festzuschreiben. Der gewählte Weg, sie durch einen mit verfassungsändernden
Mehrheiten gefassten Beschluss in § 8 Zolltarifgesetz zu integrieren,
sollte wenigstens die Möglichkeit offen lassen, die Überweisungsklausel zu
einem späteren Zeitpunkt mit einfachen Mehrheiten wieder aus der Rechtsordnung
zu eliminieren.[20].
Anders gewendet: Die gewählte
Technik zielte zwar zum einen darauf ab, den mit qualifizierten Mehrheiten
beschlossenen Rechtstext einer inhaltlichen Überprüfung am Maßstab der
Verfassung zu entziehen; zum anderen wollte sie aber gleichzeitig verhindern,
dass eben dieser Rechtstext seinerseits an der erhöhten Bestandskraft des
Verfassungsrechts Anteil hatte und für sonstige Gesetzesbestimmungen als
Prüfungsmaßstab fungierte.
Sieht man von vereinzelten
Gegenstimmen ab, hieß die Staatsrechtslehre die mit diesem Präzedenzfall aus der
Taufe gehobene Praxis gut. Politische Probleme warf sie in weiterer Folge
offenbar nicht auf. Die Weimarer Nationalversammlung sah jedenfalls keinen
Anlass, ihr in der neuen republikanischen Verfassung eine Absage zu erteilen.[21]
Unter der Weimarer Verfassung
bildete eine Regelung über die Bannmeile den ersten Konfliktfall. Ihre
Einfügung in das Versammlungsrecht[22]
wurde mit verfassungsändernden Mehrheiten beschlossen, da Art 123 WRV
Meldepflichten und behördliche Untersagungen, nicht aber generelle
Versammlungsverbote zuließ, von welchen im Einzelfall durch Bewilligung
Ausnahmen verfügt werden konnten. Anders als unter dem Kaiserreich mehrten sich
jedoch die Stimmen aus der Wissenschaft, die gegen diese Art der
stillschweigenden Verfassungsänderung Bedenken erhoben.[23]
Das hängt wohl auch damit zusammen, dass die Technik impliziter Änderung
zunehmend zur Erzeugung von Verfassungsrecht im materiellen Sinn genutzt wurde.
Ein Beispiel bildete das Ermächtigungsgesetz 1923, das die Regierung mit
Vollmachten zur Erlassung weitreichender Verordnungen ausstattete, die mit dem
Legalitätsprinzip der Weimarer Verfassung brachen.[24]
Im Jänner 1932 erhielt der
Gelehrtenstreit im Zusammenhang mit den Bemühungen um eine Fortsetzung der
Präsidentschaft von Hindenburg eine politische Dimension. Die Regierung Brüning
war bestrebt, dem greisen Hindenburg einen Wahlkampf zu ersparen, und warb für
ein verfassungsänderndes Gesetz, mit welchem sein Mandat abweichend von Art 41
Abs 1 WRV[25] ohne
Volkswahl für eine volle Amtsperiode verlängert werden sollte. Nach der Absage
Hugenbergs war sie auf die Kooperation der Nationalsozialisten angewiesen.
Hitler nutzte die Gelegenheit, sich in der Öffentlichkeit als
Verfassungsschützer zu präsentieren, und machte sich in zwei Denkschriften an
Brüning die Argumente der Kritiker impliziter Verfassungsänderungen zu eigen.[26]
Kurz darauf selbst an die Macht gelangt, hinderte ihn das freilich nicht, sich
diese Macht im Wege eines Ermächtigungsgesetzes auf Dauer zu sichern. Das
Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 24. März 1933, das der
Herrschaft Hitlers und seiner Regierung als Basis diente, ließ die Weimarer
Reichsverfassung in formeller Hinsicht unangetastet und wurde dementsprechend
als verfassungsänderndes Gesetz verabschiedet.[27]
Die Technik impliziter
Verfassungsänderung erschien nach dem Zweiten Weltkrieg als Achillesferse der
Weimarer Reichsverfassung, die ihr vollständiges Aushebeln ermöglicht hatte. Um
solches in Hinkunft zu verhindern, schrieb Art 85 der Verfassung von
Württemberg-Baden 1946 in Art 85 Abs 4 Folgendes vor:
„Ohne vorherige Änderung der Verfassung können Gesetze,
durch die Bestimmungen der Verfassung durchbrochen würden, nicht beschlossen
werden.“
Diese Bestimmung diente den
Beratungen auf Herrenchiemsee[28]
und im parlamentarischen Rat als unmittelbares Vorbild.[29]
b) Dogmatische Probleme um Art 79 Abs 1 GG
Der Gehalt des Art 79
Abs 1 GG erscheint in einem Maße klar, das den Eindruck vermittelt, für
juristische Spitzfindigkeiten bleibe kein Raum. Und doch rankt sich um das
Textänderungsgebot so manche Kontroverse.
Gemeinsamer Ausgangspunkt aller
Erörterungen ist die Einsicht, dass Art 79 Abs 1 GG ein Gebot der
kodifikatorischen Geschlossenheit der Verfassungsurkunde enthält.[30]
Das Grundgesetz duldet keine anderen Verfassungen neben sich.[31]
Es ist die Verfassungsurkunde selbst, die über den Bestand des geltenden
Verfassungsrechts erschöpfend Auskunft gibt.[32]
Was aus diesem Telos folgt, ist
hingegen alles andere als evident. Es sind vor allem sechs Punkte, in denen die
Auffassungen auseinandergehen.
— Einer
Strömung im Schrifttum zufolge soll Art 79 Abs 1 GG ein Verbot von
Verfassungsdurchbrechungen enthalten, das es unzulässig macht, die Verfassung
im Einzelfalle beiseite zu schieben.[33]
Die herrschende Gegenauffassung, die Art 79 Abs 1 GG nur auf die
technisch-formelle Seite von Verfassungsänderungen bezieht, hält
Durchbrechungen für zulässig, sofern sie nur im Text des Grundgesetzes
integriert werden.[34]
Ermächtigungen zur „Verfassungsdurchbrechung“ innerhalb der Stammurkunde, wie
sie im Grundgesetz des öfteren begegnen, werden dementsprechend überwiegend als
unproblematisch angesehen.
— Einige
Autoren entnehmen dem Inkorporationsgebot ein Gebot der Verfassungsklarheit,
das gewährleisten soll, dass jeder Leser ohne Schwierigkeiten erkennen kann,
was de constitutione lata gilt.[35]
Dementsprechend müsse die Technik einer „artikelmäßigen Einzel-Kundmachung“
gewählt werden,[36] oder anders
gewendet: die durch die Änderung unmittelbar erfassten Bestimmungen des
Grundgesetzes seien durch Anführung im Änderungsgesetz gesondert auszuweisen.[37]
Der Rechtsprechung wie der herrschenden Lehre gehen diese Forderungen sichtlich
zu weit.[38] Die Kontroverse
hat sich vor allem am Beispiel der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft[39]
entzündet.
— Die
herrschende Meinung trifft sich aber mit den von ihr abgelehnten Auffassungen
dort, wo es um die Beurteilung von Verweisungen geht. Zumindest „unspezifische Globalverweisungen“
gelten vielen Autoren als unzulässig;[40]
andere gehen einen Schritt weiter und fordern, dass dynamische Verweisungen bei
sonstiger Verfassungswidrigkeit unterbleiben müssen.[41]
Nach der Gegenposition genügt es, dass im Grundgesetz selbst zum Ausdruck
kommt, ob und wieweit Inhalte des einfachen Gesetzesrechts, des Völkerrechts
oder außerrechtlicher Standards als Gebote der Verfassung rezipiert oder
inkorporiert werden, ohne dass es darauf ankäme, ob die Bezugnahme statisch
oder dynamisch ist.[42]
— Viertens
wird unterschiedlich eingeschätzt, ob Art 79 Abs 1 GG vom Schutz des
Art 79 Abs 3 GG erfasstes ewiges Verfassungsrecht darstellt[43]
oder ob er auf dem von ihm vorgeschriebenen Weg der Textänderung wieder aus dem
Grundgesetz eliminiert werden kann.[44]
— Eine
fünfte Divergenz besteht bei der Beurteilung der Zulässigkeit von
Verfassungsänderungen im Wege eines völkerrechtlichen Vertrages, der in
Deutschland eines Zustimmungsgesetzes bedarf. So gut wie alle denkbaren
Positionen werden vertreten.[45]
Das BVerfG hat die Grundgesetzänderungen im Einigungsvertrag mit einer
Begründung gebilligt, die die historische Sondersituation in das Zentrum rückt.[46]
— Sechstens
schließlich gibt das Verhältnis des Inkorporationsgebots zu den Bestimmungen
des primären und sekundären Gemeinschaftsrechts zu Diskussionen Anlass. Der
überwiegende Teil der Lehre qualifiziert die Öffnungsklauseln, mit denen
Hoheitsgewalt auf die Gemeinschaftsorgane übertragen wird, als Ausnahmen zu
Art 79 Abs 1 GG;[47]
die Gegenmeinung sieht das Inkorporationsgebot durch die
„Verfassungsänderungen“ im Wege primären oder sekundären Gemeinschaftsrechts
von vornherein nicht betroffen, weil es lediglich die formelle Seite betrifft
und kein Gebot enthält, Einschränkungen der Reichweite grundgesetzlicher Normen
im Verfassungstext sichtbar zu machen.[48]
Die Verwirrung im Schrifttum hat
seine Ursache in einem Begriff, der von den meisten Autoren verwendet wird,
über dessen Inhalt aber alles andere als Klarheit herrscht. Zunächst wird
Art 79 Abs 1 GG übereinstimmend als Verbot von
Verfassungsdurchbrechungen gelesen, und sodann wird unter
Verfassungsdurchbrechung ganz Verschiedenes verstanden.[49]
Nach gängigem Verständnis setzt sich
bei einer Verfassungsdurchbrechung „der Gesetzgeber unter Wahrung der
Voraussetzungen einer Verfassungsänderung im Einzelfall über einen
Verfassungssatz hinweg, ohne daß der Text des Verfassungsgesetzes geändert und
ohne daß die Geltung des durchbrochenen Verfassungssatzes im übrigen berührt
wird“.[50][43] In dieser Definition stehen formelle
Kriterien neben materiellen Bestimmungsgründen. Ihre Trennung durch Bildung
eines formellen und eines materiellen Begriffs vermag einen guten Teil der
Konfusion zu vermeiden.
In der Weimarer Debatte bezeichnet
der Begriff Verfassungsdurchbrechung primär ein inhaltliches Phänomen: Das
Beiseiteschieben von Normen der Verfassung im und für den „Einzelfall“, die
Aushebelung der generellen und/oder abstrakten Regel der Verfassung durch die
individuelle und/oder konkrete als verfassungsändernd beschlossene Ausnahme.
Eine solche Durchbrechung konnte und kann durchaus auch durch Normen bewirkt
werden, die in die Stammurkunde integriert werden. Kaum eine Verfassung kommt
ohne sie aus, weil im Rahmen von Übergangsbestimmungen regelmäßig Abstriche vom
eigenen Normenprogramm gemacht werden.
Zu solchen materiellen
Verfassungsdurchbrechungen sagt Art 79 Abs 1 GG schlicht und
ergreifend nichts aus, weil er sich lediglich auf die Verfassungsdurchbrechung
in einem formellen Sinn bezieht.[51]
Alles, was zum Verfassungsrecht zählen soll, muss bei sonstiger Unwirksamkeit
in die Verfassungsurkunde Eingang finden. Das bedeutet weder ein Gebot,
Ausnahmen von einer Regel im Text der Regel als solche zu kennzeichnen oder die
Bestimmung an systematisch passendem Ort einzufügen, noch macht es
Festsetzungen im Einzelfall zulässig, die von allgemeinen Regeln abweichen.
Im Übrigen bleibt auch völlig im
Vagen, aus welcher Quelle sich ein Verbot materieller Durchbrechungen speisen
sollte. Art 79 Abs 3 GG, auf den mitunter Bezug genommen wird,
scheidet aus mehreren Gründen aus: Erstens zählt ein Inkorporationsgebot weder
zu den Essentialia einer rechtsstaatlichen Demokratie, noch wird in der
Ewigkeitsklausel des Art 79 Abs 3 GG auf Art 79 Abs 1 GG
Bezug genommen, was nahegelegen hätte, weil die Verfassung von
Württemberg-Baden 1946 in Art 85 Abs 5 auch das Inkorporationsgebot
als Teil des unabänderlichen Verfassungskerns ausgewiesen hatte. Zweitens
vermöchte auch eine Bestandsgarantie des Art 79 Abs 1 GG nichts daran
zu ändern, dass er sich nur auf die äußere Form bezieht und zu Fragen des
Inhalts schweigt. Aus diesem Grund münden alle Versuche einer Ableitung eines
materiellen Durchbrechungsverbots früher oder später in Überlegungen, die das
positive Recht transzendieren.[52]
Die übrigen Streitfragen um die
richtige Auslegung des Art 79 Abs 1 GG sind weniger leicht zu
beantworten, und sie können für die Zwecke dieser Untersuchung auf sich
beruhen. Denn es ist eine in Österreich de constitutione lata zu
entscheidende Frage, ob jedwede Bezugnahme genügen soll oder ob Verweisungen
und Rezeptionen Grenzen gesetzt sein sollen. Um einen Eindruck zu vermitteln,
welche Phänomene angesprochen sind, seien einige Vorschriften des Grundgesetzes
wiedergegeben, gegen die in der literarischen Diskussion der Vorwurf erhoben
wurde, die Grenzen des nach Art 79 Abs 1 GG Zulässigen zu
überschreiten.
Am stärksten unter Druck geraten ist
fraglos Art 142a GG, der bis zu seiner Aufhebung im
Jahre 1968 Folgendes feststellte:
„Die Bestimmungen dieses Grundgesetzes stehen dem Abschluß
und dem Inkraftsetzen der am 26. und 27. Mai 1952 in Bonn und Paris
unterzeichneten Verträge (Vertrag über die Beziehungen zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten und Vertrag über die Gründung
der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft) mit ihren Zusatz‑ und
Nebenabkommen, insbesondere dem Protokoll vom 26. Juli 1952, nicht entgegen.“
Diese Bestimmung wird bis heute von
namhaften Autoren aus durchaus verschiedenen Gründen als verfassungswidriges
Verfassungsrecht betrachtet.[53]
Einhellig als verunglückt und
teilweise auch als problematisch erachtet wird sodann eine im Jahre 1954
gemeinsam mit Art 142 in das Grundgesetz eingefügte Klarstellung im
zweiten Satz des Art 79 Abs 1, nach welcher es heißt:
„Bei völkerrechtlichen Verträgen, die eine Friedensregelung,
die Vorbereitung einer Friedensregelung oder den Abbau einer
besatzungsrechtlichen Ordnung zum Gegenstand haben oder der Verteidigung der
Bundesrepublik zu dienen bestimmt sind, genügt zur Klarstellung, daß die
Bestimmungen des Grundgesetzes dem Abschluß und dem Inkraftsetzen der Verträge
nicht entgegenstehen, eine Ergänzung des Wortlautes des Grundgesetzes, die sich
auf diese Klarstellung beschränkt.“
Bei unbefangener Lektüre drängt sich
der Eindruck auf, diese Klausel wolle als Ausnahme etwas erlauben, was die
Regel im ersten Absatz verbietet: die Herstellung der Übereinstimmung der
Verfassung durch Bezugnahme auf unterverfassungsrechtliche Bestimmungen. Die
wohl herrschende Auffassung erachtet diese Technik jedoch nicht als durch
Art 79 Abs 1 erster Satz GG verpönt, weil sie als Wortlautänderung
dem Urkundlichkeitsgebot Genüge tut, und sieht in der Klarstellung daher eine
überflüssige Bestimmung, die nur Verwirrung gestiftet anstatt
Interpretationsunsicherheiten beseitigt hat.[54]
Es gibt jedoch auch Stimmen, die den zweiten Satz als verfassungsrechtlich
bedenklich einstufen,[55]
und Stellungnahmen, die sich um den Nachweis eines originären Gehalts bemühen.[56]
Ebenfalls geteilte Aufnahme hat
Art 143 GG gefunden.[57]
Er hat heute folgende Fassung:
„(1) Recht in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrags genannten
Gebiet kann längstens bis zum 31. Dezember 1992 von Bestimmungen dieses
Grundgesetzes abweichen, soweit und solange infolge der unterschiedlichen
Verhältnisse die völlige Anpassung an die grundgesetzliche Ordnung noch nicht
erreicht werden kann. Abweichungen dürfen nicht gegen Artikel 19 Abs. 2
verstoßen und müssen mit den in Artikel 79 Abs. 3 genannten Grundsätzen
vereinbar sein.
(2) Abweichungen von den Abschnitten II, VIII, VIIIa, IX, X
und XI sind längstens bis zum 31. Dezember 1995 zulässig.
(3) Unabhängig von Absatz 1 und 2 haben Artikel 41 des
Einigungsvertrags und Regelungen zu seiner Durchführung auch insoweit Bestand,
als sie vorsehen, daß Eingriffe in das Eigentum auf dem in Artikel 3 dieses
Vertrags genannten Gebiet nicht mehr rückgängig gemacht werden.“
Manche Stimmen im Schrifttum sehen
hierin eine Durchbrechung von Art 79 Abs 1 GG, die jedoch deshalb
verfassungsrechtlich zulässig sei, weil sie in Übereinstimmung mit der
durchbrochenen Vorschrift im Text des Grundgesetzes ausgewiesen wird.[58]
Last, not least sind die Art 23
und 24 GG zu erwähnen, die zur Teilnahme an der Integration bzw zur Übertragung
von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen und zur Teilnahme an
einem System der kollektiven Sicherheit ermächtigen. Zahlreiche Autoren sehen
hierin einen zweiten Weg der Verfassungsänderung, manche beklagen, dass die
Integrationsoffenheit der Bundesrepublik die kodifikatorische Geschlossenheit ihrer
Verfassung nicht mehr zulasse, und einige wenige leiten hieraus
verfassungsrechtliche Bedenken ab.[59]
Ein weiteres Beispiel gilt als
unproblematisch und verdeutlicht, dass jedenfalls statische Verweisungen durch
Art 79 Abs 1 GG nicht verboten sind.[60]
In Art 140 heißt es seit dem Jahre 1949:
„Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der
deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses
Grundgesetzes.“
Zur
sich aufdrängenden Frage, auf welche Art und Weise die durch diese Bestimmung
rezipierten Kirchenartikel der Weimarer Reichsverfassung abgeändert werden können,
konnte im Schrifttum keine Stellungnahme aufgefunden werden. Es erscheint aber
zwingend, dass Änderungen nicht im Wortlaut der rezipierten WRV-Artikel,
sondern im Grundgesetz selbst vorgenommen werden müssen – etwa, indem ein
Art 140 Abs 2 GG eingefügt wird, der die Geltung des Art 137 WRV in
einer modifizierten Fassung anordnet. Das zeigt, dass Art 79 Abs 1 GG
ein durchaus zweischneidiges Schwert ist: Er enthält nicht nur ein
Novellierungsgebot, sondern in Bezug auf rezipierte Verfassungsgehalte auch ein
Verbot von Novellen, welches zu einer umständlichen Amendment-Technik zwingt,
wenn es um die Abänderung von Rechtsvorschriften geht, die das Grundgesetz zwar
adoptiert, aber nicht vollständig in seinen Text aufgenommen hat.
Schließlich sei darauf hingewiesen, dass auch Gesetzesvorbehalte die Verfassung in eine Abhängigkeit von Standards und Festsetzungen außerhalb der Verfassung bringen: Sie ermächtigen den Gesetzgeber vielfach, verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte zu beschneiden oder sonst über die sachliche Reichweite von Geboten zu disponieren.[61] Der Vorwurf, solches verstoße gegen Art 79 Abs 1 GG, ist aus verständlichem Grund bis heute nicht erhoben worden.
3. Praktische Auswirkungen
Die Leistungsfähigkeit von Inkorporationsgeboten lässt sich empirisch schwer evaluieren. Dennoch sei hier der reichlich spekulative Versuch gemacht, ihren Nutzen wie ihren Schaden anhand zweier Beispiele zu illustrieren.
a) Bonner Grundgesetz 1949
Die mittlerweile ebenfalls schon in ein gesetztes Alter eingetretene
deutsche Verfassung hat nicht nur die Geschlossenheit der Form gewahrt, sondern
weitgehend auch ihre inhaltlich-systematische Konsistenz. Unübersehbar ist
allerdings, dass sich ältere und jüngere Bestimmungen in Sprache und Duktus
fundamental unterscheiden.[62]
Die neueren Artikel haben regelmäßig mehr Absätze und wesentlich längere
Absätze als die älteren Bestimmungen; sie gehen mit technischem Zugriff auf
Einzelheiten ein; und es kommt auch vor, dass sie auf Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts reagieren.[63]
Dennoch hält sich die inhaltliche Zersplitterung in Grenzen.
Bewährt haben sich insbesondere die Artikel über die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern. Sie dürften einen Systemzwang entfaltet haben, der Begleitregelungen zu Kompetenzübertragungen auf den Bund ebenso verhindert hat[64] wie Teilungen von Materien und die Verbreitung von Sondertypen, von denen es im österreichischen Verfassungsrecht (im Gefolge des Sündenfalles von 1929 auch im B‑VG) nur so wimmelt.
b) Schweizerische Bundesverfassung 1874
Inkorporationsgebote müssen sich allerdings nicht notwendigerweise als
heilsame Therapie auswirken. Am Beispiel der Bundesverfassung der
Schweizerischen Bundesverfassung 1874 lässt sich zeigen, dass sie mitunter auch
kontraproduktive Effekte haben.
Das Verfassungsrecht der Schweiz ist seit jeher in einer Urkunde konzentriert. Dennoch oder gerade deshalb war sein Zustand dermaßen desaströs, dass Ende des 20. Jahrhunderts eine Totalrevision in Angriff genommen wurde, weil trotz Inkorporation der Änderungen in die Urkunde ihre systematische Geschlossenheit im Laufe der Jahre abhanden gekommen war. So wurden einzelne Grundrechte in die Verfassung integriert,[65] andere nicht; die Kompetenzverteilung entbehrte als Aneinanderreihung der Zentralisierungsschübe jeder inneren Systematik, und bei den Staatszielen folgte ihre Verankerung in der Konstitution ebenfalls keinem durchgängigen Konzept.[66] Hinzu kamen detailversessene Bestimmungen, die den Stempel ihrer Entstehungszeit überdeutlich auf der Stirn trugen,[67] und die Neigung, die Ergänzungsartikel immer technischer und länger zu textieren und sie mit nicht in den systematischen Kontext passenden Begleitregelungen zu überfrachten, weil in politisch kontroversen Punkten Kompromisse nur auf diesem Wege erzielbar waren. Dementsprechend enthielt die Verfassung ebenso viele unsinnige Einzelfestlegungen, die in einer Verfassung keinen rechten Platz haben, wie das heute im österreichischen Verfassungsrecht der Fall ist.[68] Infolgedessen war die Bundesverfassung 1874 am Ende ihrer Geltung insbesondere im ersten Abschnitt nahezu unlesbar. Dieses Schicksal ist dem B‑VG erspart geblieben. Da es Nebenverfassungen zulässt, musste und muss nicht jede Verfassungsänderung in die vorgegebene Systematik eingezwängt werden.
II. Andere Maßnahmen zur Sicherung der Einheit der Verfassung
Inkorporationsgebote zwingen den
Verfassungsgesetzgeber dazu, Änderungen der Verfassung in Novellen zur
Stammurkunde zu kleiden. Der Unterschied zur anglo-amerikanischen
Amendment-Technik ist allerdings nicht so groß, wie man nach einem ersten Blick
meinen könnte. Denn die Einheit der Urkunde, deren Schutz Art 79
Abs 1 GG bezweckt, ist im Grunde reine Fiktion. In den amtlichen
Verlautbarungen ist von ihr nichts zu bemerken, und sie ist deshalb für den
Bürger nicht greifbar.
Der Algorithmus, nach dem vorzugehen
ist, wenn das geltende Verfassungsrecht erhoben werden soll, ist in Deutschland
und in Österreich im Grunde der gleiche. Es gilt, die amtlichen Gesetzblätter
von Beginn, dh von 1949 bzw von 1920 an zu durchforsten und sie daraufhin zu
sichten, ob sie Abänderungen des Grundgesetzes bzw als Verfassungsgesetze oder Verfassungsbestimmungen
ausgewiesene Vorschriften enthalten. Das Inhaltsverzeichnis hilft bei dieser
mühsamen Arbeit nur beschränkt weiter: in Österreich nicht, weil
Verfassungsbestimmungen in einfachen Bundesgesetzen zwar als solche bezeichnet
werden müssen, aber ihr Verfassungsrang im Titel des Kundgemachten (im
Unterschied zu Bundesverfassungsgesetzen[69])
nicht zum Ausdruck kommt; in Deutschland nicht, weil Änderungen des
Grundgesetzes auch in einer Sammelnovelle versteckt sein können, deren Titel
über die erfolgten Grundgesetzänderungen keinen Aufschluss gibt.[70]
1. Äußere Einheit: Neukundmachungsermächtigungen und ‑verpflichtungen
„Verfassungsänderungen sollten
eigentlich – im Idealfall – so geschehen, dass sämtliche alten Ausgaben
eingezogen, eingestampft und neue Texte gedruckt werden.“ Diese Wortmeldung von
Carlo Schmid, dem Vorsitzenden des Bonner Parlamentarischen Rats, die im Zuge
der Beratungen über den späteren Art 79 Abs 1 GG gefallen ist,[71]
bringt auf den Punkt, dass es mit einem Inkorporationsgebot allein nicht getan
ist. Es muss durch eine Verpflichtung zur Neukundmachung oder
Wiederverlautbarung der geänderten Verfassung ergänzt werden, um seine volle
Wirkung entfalten zu können.
Wenn man sich durch den Umstand,
dass die Einheit der Urkunde durch Textausgaben hergestellt wird, die von
privater Hand herausgegeben werden, nicht bluffen lässt, zeigt sich rasch, dass
es auch mit dem äußeren Zustand des Grundgesetzes nicht zum Besten steht. Der letzte
amtliche Text des Grundgesetzes stammt aus dem Jahr 1964 und findet sich im
Teil III des Bundesgesetzesblattes, also „nicht in der Beletage des
Bundesgesetzblattes, sondern in dessen tristen Hinterhof, der zusehends zu
einer ‚Bereinigungs’-Ruine verkommt“.[72]
Seither sind ungefähr 40 Novellen ergangen, die tiefe Einschnitte in die
Substanz der Verfassung bewirkt haben. Eine Verbesserung dieses Zustandes ist
nicht in Sicht.
Andere Verfassungen sind andere Wege
gegangen. Neukundmachungsverpflichtungen stellen zwar heute noch keinen
internationalen Standard dar, sie haben aber in Europa eine gewisse
Verbreitung. Auf die einschlägigen Bestimmungen in den Verfassungen der
Niederlande (Art 141) und Portugals (Art 287 Abs 2) wurde
bereits unter I. hingewiesen. Weiters sind Art 25 Abs 5 der
Verfassung Irlands und Art 198 der koordinierten Verfassung Belgiens 1994
zu nennen, die zwar keine Verpflichtung, aber immerhin eine Ermächtigung zur
Neukundmachung der Verfassung durch den Präsidenten bzw im Zusammenwirken von
verfassungsgebenden Kammern und König enthalten.
Auch Österreich lässt sich in der
Reihe der Beispiele anführen. In der Zwischenkriegszeit hatte das B‑VG in
diesem Punkt regelrecht Pioniercharakter, weil nach den beiden großen Novellen
1925 und 1929 die Verfassung auf Basis von Ermächtigungen in den
Übergangsnovellen[73]
in ihrer geänderten Fassung durch die Bundesregierung wiederverlautbart worden
war.[74].
2. Innere Einheit: Zeitliche Revisionserschwernisse
Neben der Neukundmachung oder
Wiederverlautbarung, die die äußere Einheit der sich wandelnden Verfassung
sichern soll, und dem Inkorporationsgebot, das an der äußeren Form ansetzt,
aber sich durch dieses Mittel eine Wahrung der systematischen Geschlossenheit
verspricht, finden sich weitere Instrumente, die dazu beitragen können, dass
Verfassungen ihre innere Einheit und ihre Maßstabsfunktion behalten.
In erster Linie ist es natürlich die
innere Stufung der Verfassung und zuvörderst die Ausgestaltung der
Abänderungserfordernisse, die über die Stabilität bzw Flexibilität der
Verfassung Auskunft geben. Auf sie wird unter III. eigens eingegangen werden.
Schon in diesem Abschnitt will ich jedoch, Überschneidungen und eine gewisse
Beliebigkeit der Zuordnung in Kauf nehmend, Bestimmungen vorstellen, die
unabhängig von Quoren und unabänderlichen Verfassungsgehalten durch zeitliche
Schranken gewährleisten wollen, dass Verfassungen im Spannungsfeld zwischen
Bewahrung und Wandel das rechte Maß nicht verfehlen.
a) Sperrfristen
Speed kills. Was für Legistik ganz allgemein
zutrifft, gilt für die Verfassungslegistik in erhöhtem Maße. Um eine
Konstitution vor dem vorschnellen Zugriff des Verfassungsgesetzgebers zu
schützen, bietet es sich an, die Verfassungsrevision nur in gewissen Abständen
zuzulassen oder sie durch Fristen zu bremsen. Solche zeitlichen Begrenzungen
können Räume für öffentliche Debatten eröffnen; sie können dazu beitragen, dass
sich Änderungen auf das Wesentliche konzentrieren; und sie können den
Verfassungsrevisionen sogar einen zeitlichen Rhythmus vorgeben.
Einige Verfassungen lassen
Änderungen nur in periodischen Abständen zu. So heißt es beispielsweise in
Art 110 Abs 6 der Verfassung der Republik Griechenland 1975:
„Eine Verfassungsänderung vor dem Ablauf von fünf Jahren
nach dem Abschluss der vorhergehenden ist unzulässig.“
Auch die portugiesische Verfassung
gestattet in Art 284 Abs 1 ihre Abänderung nur alle fünf Jahre. Nach
Art 284 Abs 2 kann jedoch die Versammlung der Republik während der
„Sperrzeit“ durch Vier-Fünftel-Mehrheit eine Sonderrevision beschließen.
b) Revisionsverbote in Krisenzeiten
Während solche absoluten zeitlichen
Grenzen die Ausnahme bilden, begegnen recht häufig Bestimmungen, die
Verfassungsrevisionen während bestimmter Zeiten verbieten: Im Krieg, während
des Ausnahmezustandes oder in Zeiten der Bundesintervention gegen renitente
Gliedstaaten sollen die Fundamente der staatlichen Ordnung konstant bleiben.[75]
c) Zeitlich-prozedurale Schranken
Eine ähnliche Funktion haben Verfassungsbestimmungen,
die die Revision der Verfassung durch eine Kombination von
Verfahrenserfordernissen mit zeitlichen Elementen erschweren. Die Verfassungen
bieten insoweit ein buntes Bild. Art 165 der Verfassung der Republik
Aserbeidschan 1995 verlangt für die Verfassungsänderungen zwei übereinstimmende
Beschlüsse des Parlaments, zwischen welchen sechs Monate verstreichen müssen.
Nach der Bulgarischen Verfassung 1991 müssen es gemäß Art 155 sogar drei
Beschlüsse sein, die an verschiedenen Tagen zu fassen sind. Finnlands
Grundgesetz sieht in § 73 nach der Annahme eines Revisionsvorschlags ein
Ruhen der Vorlage bis zur ersten Parlamentssitzung ein Jahr nach den
Reichstagswahlen vor, wenn der Reichstag nicht durch eine Fünf-Siebtel-Mehrheit
die Vorlage als dringlich erklärt.
Die Verfassung der Republik Estland
1992 verlangt wiederum in Art 164, dass zwischen Parlamentsbeschluss und
der verpflichtend vorgesehenen Volksabstimmung über die Verfassungsänderung
drei Monate liegen. Eine vergleichbare zeitliche Eingrenzung des Referendums
findet sich in Art 128 der Australischen Verfassung von 1900: Die
Zeitspanne von zwei bis sechs Monaten nach dem Parlamentsbeschluss soll
sicherstellen, dass einerseits für eine öffentliche Diskussion genügend Zeit
bleibt, aber andererseits wiederum auch nicht so viel Zeit vergangen ist, dass
das Volk im Zeitpunkt der Abstimmung das Interesse am Thema verloren hat.
Andere Verfassungen setzen schon dem
Parlamentsbeschluss Fristen. Beispielsweise darf nach Art 102 Abs 2
der Verfassung Georgiens das Parlament über einen Antrag auf
Verfassungsänderung erst einen Monat nach dessen Einlangen entscheiden.
3. Innere Konsistenz: Revisionspflichten
Nicht nur Häufigkeit und
Geschwindigkeit von Änderungen, auch die Überalterung einer Konstitution kann
ihre normative Kraft und ihre Funktionen gefährden. Eine Verfassung wird
irrelevant, wenn sie auf drängende Fragen keine Antworten bereithält und dem
tagespolitischen Druck nichts entgegenzusetzen vermag.
Aus diesem Grund beugen einzelne
Verfassungen ihrer Verkrustung dadurch vor, dass sie die eigene Revision nicht
bloß ermöglichen, sondern sie aktiv befördern. Die Konstitution des Staates
Florida von 1968 sieht zB in dem im Jahr 1988 eingefügten Art XI Sect 2
vor, dass erstmals im Jahre 2017 und sodann alle zwanzig Jahre eine
Revisionskommission einberufen werden muss.[76]
Diese Kommission hat den Auftrag, die Verfassung zu prüfen, öffentliche Anhörungen
durchzuführen und gegebenenfalls Änderungsvorschläge zu erstatten, die den
Wählern bei den nächsten allgemeinen Wahlen zur Annahme oder Verwerfung
vorgelegt werden müssen.
Die Verfassung des Staates Alaska
1956 verpflichtet in Art XIII Sect 3 den Statthalter, wenn zehn Jahre
lang kein Verfassungskonvent stattgefunden, dem Volk die Frage zur Abstimmung
vorzulegen, ob ein Konvent einberufen werden soll. Wenn sich das Volk dafür
ausspricht, sind spätestens bei den nächsten landesweiten Wahlen Delegierte für
den Konvent zu wählen, die die Revision der Verfassung in die Hand zu nehmen
haben.
III. Die innere Struktur von Verfassungen im internationalen Vergleich
Nachdem gemäß Punkt I.4.a) des Mandats auch Vorschläge zur inneren Stufung der künftigen Verfassung zu den Pflichtaufgaben des Ausschusses zählen, sei vor Überlegungen über die Ausgestaltung einer neuen österreichischen Bundesverfassung in der gebotenen Kürze dargestellt, welche Binnenhierarchien andere Verfassungen kennen und welche Besonderheiten bei der Verfassungsrevision begegnen
1. Unabänderliche Gehalte
Eine erste hierarchische Stufung ergibt sich in vielen Verfassungen aus
dem Umstand, dass sie die Aufhebung oder Abänderung mancher Inhalte verbieten.
Derartige ewigen Verfassungsartikel sind allgemein bekannt; als Beispiele sei
auf Art 79 Abs 3 GG[77] und auf Art 89 Abs 5 der französischen Verfassung[78] verwiesen.[79]
2. Differenzierung zwischen Gesamtänderung und Teiländerung
Weiters wird mitunter zwischen
Gesamtänderungen und Teiländerungen der Verfassung unterschieden.[80]
Dass uns diese Differenzierung nur allzu vertraut ist, verstellt allerdings den
Blick dafür, dass es sich hiebei regelmäßig gerade nicht um eine innere
Strukturierung der Verfassung handelt, die sich im Stufenbau nach der
derogatorischen Kraft in zwei Ebenen niederschlagen muss. Ideengeschichtlich
ist die Unterscheidung vielmehr der Lehre vom pouvoir constituant und den
pouvoirs constitués verpflichtet, die Verfassungsänderung und Verfassunggebung
voneinander scharf abgrenzt, um daraus im Übergang zu einer neuen Verfassung
das Gebot der Einbindung des Volkes abzuleiten bzw – an der historischen Wurzel
– dem Monarchen die Mitwirkung zu versagen.[81]
Interessanter als die
staatsphilosophische Folie ist im vorliegenden Zusammenhang aber ein spezifisch
juristisch-technischer Hintergrund der Unterscheidung. In einigen Verfassungen,
die sich der Differenzierung bedienen, ist sie als Konsequenz und Ergänzung
eines (expliziten oder impliziten) Inkorporationsgebotes konzipiert: Wenn eine
Verfassung Änderungen ihrer selbst nur im Wege der Novellierung zulässt, dann
verhindert sie dadurch zwangsläufig auch, dass sie zugunsten einer völligen
neuen Verfassung über Bord geworfen werden kann. Wenn es trotz
Kodifikationsgebot möglich bleiben soll, die Urkunde auszutauschen, dann muss
dieser Weg durch eine Totalrevisionsnorm eröffnet werden. In Deutschland ist es
zB Art 146 GG, der die Ablösung des Grundgesetzes durch eine neue
gesamtdeutsche Verfassung eröffnet, in der Schweiz der Art 193 über die
Totalrevision und in Spanien der Art 168 über die Gesamtrevision.
3. Zwischenstufen zwischen Verfassungsrecht und einfachen Gesetzen
Die Unterscheidung zwischen Verfassungsrecht
und einfachem Gesetzesrecht ist so alt wie der Konstitutionalismus selbst. Es
gibt kaum einen Staat, in dem Änderungen seiner Verfassung nach den auch für
einfache Gesetze geltenden Regeln ablaufen, und in den jungen Demokratien
Osteuropas ist der Vorrang der Verfassung nahezu durchwegs durch eine über ihre
Einhaltung wachende Verfassungsgerichtsbarkeit mit der Kompetenz zur
Gesetzesprüfung abgesichert.
Gleichwohl ist der Dualismus
zwischen Verfassungsrecht und Gesetzesrecht nicht überall eine schroffe
Alternative. Viele Verfassungen kennen Zwischenformen, welche den
Detailreichtum und die juristische Präzision von Gesetzesrecht mit dem besseren
Bestandschutz von Verfassungsrecht verbinden.
Bei Lichte besehen bedeutet schon
das Nebeneinander einer Haupturkunde und sonstigen Verfassungsgesetze die
Trennung der Verfassung in einen strategischen und einen operativen Teil. In
Staaten, in denen dieser Weg versperrt ist, weil sie ihr Verfassungsrecht in
einer einzigen Urkunde konzentrieren, begegnen des öfteren funktionale
Äquivalente in Form von Zwischenstufen zwischen Verfassungsgesetz und einfachem
Gesetz. Und es kommt nicht überraschend, dass sie meist dort zum Einsatz
gelangen, wo es um die Erlassung von Verfassungsrecht im materiellen Sinne
geht.
a) Zwei-Drittel-Gesetze
Standardfall ist hiebei die
Geschäftsordnung des Parlaments. Sie muss nicht nur in Österreich mit einer
Mehrheit von zwei Dritteln der Abgeordneten verabschiedet werden.[82]. Auch in Schweden[83]
und im Iran[84] werden
diese Quoren verlangt. Ebenfalls verbreitet sind solche qualifizierte
Mehrheiten im Wahlrecht,[85]
bei Änderungen der Staatsgrenze,[86]
im Zusammenhang mit Amnestien und dem Erlass von Strafen,[87]
bei Minderheitenrechten[88]
sowie bei der Einräumung von Autonomie an Gliedstaaten oder Regionen.[89]
Nicht selten wird das
Zwei-Drittel-Erfordernis mit anderen Erschwernissen kombiniert. In Belgien
können die Grenzen der vier Sprachgebiete nach Art 4 nur durch ein Gesetz
geändert werden, das in beiden Kammern von einer
Zwei-Drittel-Mehrheit
der Abgeordneten der betroffenen Sprachgruppen gebilligt wird, wobei in jeder
Kammer von jeder dieser Sprachgruppen die Mehrheit ihrer Mitglieder versammelt
sein muss. Dieses Verfahren findet außerdem Anwendung, wenn durch Gesetz der in
Art 77 Abs 1 enthaltene Katalog jener Angelegenheiten erweitert
werden soll, in welchen Abgeordnetenkammer und Senat gleichermaßen zuständig
sind.
Wohl am weitesten ist der Kreis der
Zwei-Drittel-Materien in Portugal gezogen. Art 168 Abs 6 der
Verfassung fordert eine solche qualifizierte Mehrheit für das Gesetz über das
Wahlrecht der Auslandsportugiesen (Art 121 Abs 2), für das Wahlgesetz
(Art 149) und für Gesetze über sonstige in Art 164 angeführte
Angelegenheiten. Zu den letzteren zählen die Amtsträgerwahl und der
Volksentscheid, die Organisation, die Tätigkeit und das Verfahren des
Verfassungsgerichts, Regelungen über den Belagerungs‑ und Ausnahmezustand, über
kommunale Selbstverwaltung, über den Geheimdienst uvam. Zwei-Drittel-Gesetze
haben gemäß Art 112 Abs 3 im Vergleich zu einfachen Gesetzen eine
verstärkte Geltung.
Ebenfalls der Erwähnung wert ist
eine Konstruktion in der Verfassung von Kasachstan. Sie unterscheidet zwischen
Änderungen und Ergänzung der Verfassung, die einer Drei-Viertel-Mehrheit
bedürfen, und Verfassungsgesetzen, für die eine Zwei-Drittel-Mehrheit genügt.[90]
b) Verfassungsausführende Gesetze
Mit Zwei-Drittel-Gesetzen
vergleichbar ist die vor allem im romanischen Rechtskreis beheimatete
Institution von Organgesetzen oder verfassungsausführenden Gesetzen. Darunter
fallen jene Gesetze, auf die in der Verfassung eigens Bezug genommen wird – sei
es, weil sie zur Effektuierung der Verfassung notwendig sind, sei es, weil die
zu regelnde Angelegenheit politisch als besonders wichtig erachtet wird. Für
solche verfassungsausführenden Gesetze wird regelmäßig die Zustimmung der
absoluten Mehrheit der Abgeordneten verlangt,[91]
und sie werden mitunter ausdrücklich mit verstärkter Geltung ausgestattet.[92]
Die Angelegenheiten, für welche
dieser Gesetzestypus verpflichtend vorgesehen ist, gleichen jenen Materien, für
die andere Verfassungen Zwei-Drittel-Mehrheiten einfordern, und dort, wo beide
Typen vorkommen, überschneiden sie sich zum Teil.[93]
Als Beispiel sei auf die spanische Verfassung verwiesen. Nach ihr zählen zu den
verfassungsausführenden Gesetzen
— das
allgemeine Wahlgesetz (Art 81 Abs 2 iVm Art 70) sowie die
Gesetze über Volksinitiativen (Art 87 Abs 3) und Referenda
(Art 92 Abs 3),
— die
Gesetze über die Entwicklung der Grundrechte (Art 81 Abs 1 iVm Art 55
Abs 2),
— das
Gesetze über die Einrichtung des Volksanwalts (Art 54), über
Zusammensetzung, Organisation und Funktionen des Rechnungshofes (Art 136
Abs 4), über die Gerichtsbarkeit (Art 122), über das
Verfassungsgericht (Art 165) und über den Staatsrat (Art 107),
— die
Gesetze über den Autonomiestatus (Art 144), über die Übertragung von
Hoheitsrechten auf die autonomen Gemeinschaften (Art 150 Abs 2) und
über deren finanzielle Zuständigkeiten (Art 157 Abs 3),
— Zustimmungsgesetze
zur Übertragung von Hoheitsrechten auf internationale Organisationen
(Art 93),
— die
Gesetze über den Alarm‑, Belagerungs‑ und Ausnahmezustand (Art 116
Abs 1),
— die
Gesetze über die Sicherheitskräfte und ‑körperschaften (Art 104
Abs 2) und über die Grundlagen der Militärorganisation (Art 8
Abs 2).
Eine ebenso prominente Rolle nehmen
verfassungsausführende Gesetze in der Verfassung der Republik Frankreich ein.
Sie dienen ihr ebenfalls als Mittel, um die Stammurkunde zu entlasten und
zugleich ein hohes Maß an Flexibilität zu wahren, und auch der Kreis jener
Angelegenheiten, die durch verfassungsausführendes Gesetz zu regeln sind, ist
weit gezogen.[94]
Bemerkenswert ist indessen, dass man sich der Risken einer solchen
Nebenverfassung durchaus bewusst war und deswegen eine institutionelle
Sicherung eingebaut hat. Verfassungsausführende Gesetze können in Frankreich
gemäß Art 46 Abs 5 der Verfassung erst verkündet werden, nachdem der
Conseil constitutionel ihre Verfassungsmäßigkeit festgestellt hat.
c) Differenzierung zwischen Plenargesetzen und Ausschussgesetzen
In einigen Verfassungen wird
materielles Verfassungsrecht (auch) dadurch hervorgehoben, dass die ihm
gewidmeten Gesetze zwingend durch das Plenum des Parlaments behandelt werden
müssen, während die übrigen Angelegenheiten einer Behandlung im Ausschuss überlassen
werden (können).
In Italien wird beispielsweise durch Art 72 Abs 4 der Verfassung das normale Verfahren der Gesetzgebung verpflichtend vorgeschrieben in Verfassungs‑ und Wahlfragen, für die Übertragung von Gesetzgebungsbefugnissen, für Ermächtigungen zur Ratifikation internationaler Verträge und in Budgetfragen. Eine vergleichbare Liste findet sich in Art 75 Abs 3 der Verfassung Spaniens sowie in Art 72 der Verfassung Griechenlands.
4. Revisionsverfahren
Das österreichische B‑VG zählt zu den flexiblen Verfassungen, weil im Normalfall einer Teiländerung letztlich eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat den Ausschlag gibt. Andere Verfassungen weisen mehr Beharrungsvermögen auf. Den folgenden Bemerkungen geht es nicht darum, die Vielfalt möglicher Ausgestaltungen in ihrer ganzen Breite darzustellen; sie wollen lediglich kurz in Erinnerung rufen, welcher Elemente sich die Verfassungen zu diesem Zweck bedienen.
a) Bundesstaatliche Elemente
In Bundesstaaten werden
Verfassungsänderungen vielfach schon dadurch erschwert, dass auch die Länder in
den Revisionsprozess eingebunden sind. Bei aller Vielfalt der Ausgestaltung
können staatenbündische und unitarische Verfahren unterschieden werden. In
staatenbündischen Verfahren sind die Länder als Gliedstaaten an der
Verfassungsänderung im Bund beteiligt;[95]
bei unitarisch akzentuierten Ausgestaltungen ist die Länderkammer in den
Prozess involviert.[96]
b) Plebiszitäre Elemente
Ebenfalls verbreitet ist die
Einbindung des Volkes in das Verfahren von Verfassungsgebung und
Verfassungsänderung. Mitunter sind Volksabstimmungen verpflichtend vorgesehen,[97]
mitunter können sie von einer Minderheit im Parlament verlangt werden.[98]
Vereinzelt werden auch bundesstaatliche mit plebiszitären Elementen kombiniert.[99]
c) Parlamentsauflösungsverfahren
Unserer Rechtstradition weniger
bekannt, wenngleich nicht weniger verbreitet sind prozedurale Elemente, die mit
den schon unter II. dargestellten Erschwernissen verwandt sind. Unter anderem
die nordischen Staaten und die Benelux-Staaten sehen vor, dass nach Annahme
eines Verfassungsänderungsvorschlags das Parlament aufzulösen ist, dass
Neuwahlen auszuschreiben sind und dass das neu gewählte Parlament den Vorschlag
in unveränderter Fassung annehmen muss.[100]
d) Konventsverfahren
Schließlich ist die Einberufung eines
Verfassungskonvents zu erwähnen, die vor allem in der Verfassungstradition der
amerikanischen Gliedstaaten als alternativer Weg zur Ausarbeitung von
Vorschlägen zur Verfassungsänderung begegnet[101]
und zur Zeit auch in Europa Fuß zu fassen beginnt.
IV. Überlegungen de constitutione ferenda
1. Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen
Im rechtsvergleichenden Überblick
hat sich gezeigt, dass Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen eine
Besonderheit der österreichischen Verfassung darstellen. Zwar begegnen
Ermächtigungen zur „Verfassungsdurchbrechung“ auch in anderen
Verfassungssystemen. Diese sind allerdings meist so konzipiert, dass nur die
klandestine Verfassungsänderung selbst einer verfassungsändernden Mehrheit
bedarf, nicht hingegen die Aufhebung der auf diesem Wege erzeugten Bestimmung.
Mir will scheinen, als habe die im Jahre 1920 eher spontan gewählte Lösung des
Art 44 Abs 1 B‑VG die Nachteile beider Welten kombiniert: Sie
beeinträchtigt die Steuerungskraft der Verfassung, weil sie große Koalitionen
dazu einlädt, auf verfassungsrechtliche Bedenken hin zum „Klammerausdruck“ zu
greifen, um ihre politischen Vorhaben verfassungsrechtlich abzusichern, statt
über allgemeine Regeln und ihre Sinnhaftigkeit nachzudenken; und sie leistet
gleichzeitig einer Verblockung der politischen Landschaft Vorschub, weil die ad
hoc mit Verfassungsrang ausgestatteten Bestimmungen der Disposition einer
einfachen Mehrheit entzogen und dadurch weitgehend reformfest sind.
Die Möglichkeit, einzelne
Bestimmungen eines einfachen Bundesgesetzes mit Verfassungsrang auszustatten,
sollte in eine neue Verfassung nicht übernommen werden. Für ihre Abschaffung
können nicht nur ästhetische und funktionale, sondern auch pragmatische Gründe
ins Treffen geführt werden. Mit diesem Schritt wäre nicht zuletzt gesichert,
dass Verfassungsänderungen künftig ausnahmslos in die Ressortzuständigkeit des
BKA fallen, wo eine professionelle Betreuung durch den Verfassungsdienst
gewährleistet ist, und dass sie im Verfassungsausschuss des Nationalrats
behandelt werden müssen.
2. Bewältigung des Übergangs für Verfassungsbestimmungen in einfachen
Bundesgesetzen
Die in der Zeit nach dem 2.
Weltkrieg in Deutschland so verpönte Technik der „Verfassungsdurchbrechung“
unter der RV 1871 und unter der WRV lohnt jedoch einen zweiten Blick. Zwar
stellt es gewiss keine sinnvolle rechtspolitische Option dar, in die neue
Verfassung eine eigene Normstufe „Verfassungsdurchbrechungen“ einzuführen, die
nur hinsichtlich ihres verfassungsmäßigen Zustandekommens am Maßstab der neuen
Verfassung geprüft werden darf, ohne aber den Maßstab für eine inhaltliche
Prüfung anderer Gesetze und Verordnungen abzugeben und die mit einfacher
Mehrheit wieder aufgehoben werden kann. Im Übergang zur neuen Verfassung könnte
diese Konstruktion jedoch sinnvolle Funktionen erfüllen. Gewiss ist in erster
Linie erstrebenswert, so viele Verfassungsbestimmungen wie möglich ihres
Verfassungsranges zu entkleiden. Wenn dies (aus welchen Gründen immer) jedoch
nicht vollständig gelingen sollte, könnte erwogen werden, altes
Verfassungsrecht zwar als Verfassungsrecht zu übernehmen, es aber gleichzeitig
dem einfachen Gesetzgeber zu ermöglichen, die rezipierten Bestimmungen
ungeachtet ihres Verfassungsrangs außer Kraft zu setzen. Dieser Weg könnte mit
einer Befristung der Fortgeltung als Verfassungsrecht verbunden werden.
3. Unvermeidbarkeit technischen Verfassungsrechts
Ob dem ersten Schritt – der Beseitigung von Verfassungsbestimmungen in
einfachen Bundesgesetzen – in Form der von vielen Seiten geforderten
Abschaffung von Bundesverfassungsgesetzen ein zweiter Schritt folgen soll, will
reiflich überlegt sein.
Einem bekannten, meist Kardinal
Richelieu zugeschriebenen Wort zufolge sollen Verfassungen kurz und unklar
sein. Diese Technik bietet Gewähr für Flexibilität, und sie hatte vor allem den
angenehmen Vorteil, die Macht der Exekutive zu sichern, weil im Konfliktfall
der Monarch und seine Regierung das Heft in der Hand hielten und die Unschärfen
der Verfassung zu instrumentalisieren wussten.
Heute orientieren sich die
Verfassungen immer weniger an diesem Paradigma. Kürze und Knappheit der Sprache
gilt zwar immer noch als Wert, und auch die Offenheit der Formulierungen wird
nicht grundsätzlich abgelehnt. Die erzeugten Produkte sprechen indessen eine
andere Sprache als die offiziellen Beteuerungen. In den letzten Jahrzehnten
haben Verfassungen an Umfang signifikant zugelegt.
Dieser Wandel in der Verfassungslegistik lässt sich meiner Einschätzung
nach durch Inkorporationsgebote nicht bannen. Das liegt weniger daran, dass in
einer an Komplexität stetig zunehmenden Welt, in der sich schon
Gebrauchsanweisungen für Telefone zu Büchern auswachsen, Verfassungen nicht
mehr so schlank konzipiert werden könnten wie vor hundert Jahren. Entscheidend
ist vielmehr, dass sich mit dem Siegeszug der Verfassungsgerichtsbarkeit die Gewichte verschoben haben.
Erstens ist sowohl die Neigung als auch die Notwendigkeit
gestiegen, alles von Wert in der Verfassung zu verankern, auf dass es vom
Verfassungsgericht im Rahmen von Abwägungen entsprechend berücksichtigen kann.
Zweitens hat sich ein Bedürfnis nach präziseren Maßstäben ergeben. Je vager
eine Verfassung formuliert ist, umso größer wird der diskretionäre Spielraum
des Grenzorgans. Was vormals der Exekutive genützt hat, kann dem
Verfassungsgericht hingegen durchaus zum Schaden gereichen. Ob es will oder nicht, und völlig
unabhängig davon, ob es zurückhaltend agiert oder von seinen Kompetenzen
aktiven Gebrauch macht: Wo die Richtschnur nicht sichtbar ist, kann man über
die Entscheidungen juristisch trefflich streiten. Dies mag den Trend erklären, der Verfassungsgerichtsbarkeit klare Maßstäbe an die Hand zu geben und
ihr dadurch auch Grenzen zu setzen. Drittens hat sich mit der Vermehrung der
Zahl der Verfassungsorgane, die für wechselseitige checks und balances sorgen,
auch jene Grundordnung verbreitert, die es vom normalen politischen Prozess
abzuschichten und ihm gegenüber abzusichern gilt.
Aus diesen Gründen halte ich es teilweise für naiv und teilweise für
gefährlich zu glauben, man könne die Verfassung radikal verschlanken und
gleichzeitig alles Weitere dem einfachen Gesetzgeber überlassen. Wer die
Verfassung von technischem Recht entlasten und das in ihr beträchtlichen Raum
einnehmende Organisations‑, Zuständigkeits‑ und Verfahrensrecht verbannen will,
muss zwangsläufig in Kauf nehmen, dass „Details“ wie die Regelung der Amtsdauer
der Verfassungsrichter, die Festlegung der Zuständigkeiten des Rechnungshofes
zur Gebarungsprüfung, der Zahl und des Bestellungsmodus der Volksanwälte, die
Entscheidung über das Wahlsystem und vieles andere mehr eine Domäne der
Tagespolitik wird. Das ist politisch nicht durchsetzbar und auch nicht
erstrebenswert. Aus diesem Grund haben sich einige Ausschüsse bereits über die
Einführung einer adäquaten Rechtsform für operatives Verfassungsrecht Gedanken
gemacht.
Wenn dieser Befund zutrifft, dann sind einer Verringerung der Fülle wie
der Dichte des Verfassungsrechts von vornherein Grenzen gesetzt. Das Parlament
in dieser Situation vor die harte Alternative zu stellen, eine bestimmte
Angelegenheit entweder in der Verfassungsurkunde zu regeln oder sie dem
politischen Prozess zu überlassen, würde mittel‑ und langfristig entweder der
Verfassungsurkunde oder dem Zustand des Gemeinwesens nicht gut tun. Ein Blick
auf die jüngeren Verfassungen in Afrika zeigt, dass unter dem
Kodifikationsansatz häufig unübersichtliche Konstitutionen von beträchtlichem
Umfang entstehen, die nicht leicht verständlich und schon gar nicht bürgernahe
sind. Da sich die legistische Qualität und die systematische Geschlossenheit
von Rechtstexten im Zuge von Novellierungen noch selten verbessert haben, kann
man sich die Halbwertzeit solcher Produkte leicht ausmalen.
Hinzu kommt, dass unsere Rechtstradition der Rechtssicherheit einen hohen Wert einräumt. Der Gesetzesvorbehalt wird in Österreich ernster genommen als anderswo, und auch das Verfassungsrecht ist im internationalen Vergleich von ungewöhnlicher Schärfe und Dichte. In dieser Situation mit der Therapie „Inkorporationsgebot“ eine radikale Formenkur zu verordnen, könnte leicht in eine aufgeblähte Verfassung münden, die nach einigen Novellen aussieht wie ein unregelmäßig gespickter Hase.[102] Dass diese Gefahr nicht an die Wand gemalt ist, zeigt der „Wiederverlautbarungsentwurf“ des BKA-VD aus dem Jahr 1995. Statt des radikalen Bruchs mit der eigenen Vergangenheit empfiehlt sich deshalb eine evolutive Vorgangsweise, die an die bisherige Tradition anzuknüpfen und sie sinnvoll weiterzuentwickeln versucht.
4. Zwei denkbare Wege: Gleichberechtigte Nebenverfassungen oder
nachgeordnete Bereichsverfassungen
Hiefür bieten sich zwei grundsätzliche Optionen an. Eine Möglichkeit
besteht darin, abgesehen von der Abschaffung von Verfassungsbestimmungen in
einfachen Bundesgesetzen alles beim Alten zu belassen und die neue Verfassung
als Stammurkunde zu konzipieren, die zwar im Zentrum steht, die aber neben sich
gleichberechtigte Nebenverfassungen duldet. Die andere Lösung könnte darin
liegen, eine Zwischenstufe zwischen Verfassung und einfachem Gesetzesrecht
einzuführen, die das materielle Verfassungsrecht in sich aufnehmen und ihm
damit zu auch formeller Relevanz verhelfen soll.
Die letzterwähnte Lösung ist, wie die rechtsvergleichende Übersicht
unter III.3. ergeben hat, mittlerweile international weit verbreitet.
Insbesondere Frankreich und Spanien haben durch Einführung der
„verfassungsausführenden Gesetze“ ihre Verfassungen dauerhaft zu entlasten
vermocht. Sie hat aber auch genuin österreichische Wurzeln. Schon die
Stammfassung des B‑VG fordert für den Beschluss des Gesetzes über die
Geschäftsordnung des Nationalrats eine Mehrheit von zwei Dritteln der
abgegebenen Stimmen bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder
des Nationalrats. In der Folge ist dieses Instrument wiederholt herangezogen
worden, um auch jenseits der Verfassungsform politische Stabilität zu
garantieren: beginnend vom Schulrecht über das Bankgeheimnis bis hin zur
Regelung der Stimmabgabe im Ausland bei Wahlen zum Nationalrecht.[103]
Eine solche Zwischenform muss nicht unbedingt, wie dies bei
verfassungsausführenden Gesetzen schon die Bezeichnung suggeriert, näher bei
der Gesetzes‑ als bei der Verfassungsebene angesiedelt sein. Es ist ohne
weiteres denkbar, solche Gesetze als Verfassungsgesetze zu bezeichnen und sie
dadurch als Teil der verfassungsrechtlichen Ordnung auszuweisen.[104]
Beide Lösungen haben ihre Vor‑ und Nachteile. Ich habe jedoch den
Eindruck, dass sie in Wahrheit gar nicht weit auseinander liegen. Hält man am
status quo fest, so gibt es zwar zwischen Verfassungsrecht innerhalb und
außerhalb der Stammurkunde keinen Rangunterschied; mit der traditionellen
Differenzierung zwischen Gesamt‑ und Teiländerung bei der Verfassungsänderung
besteht aber erst wieder eine hierarchische Schichtung. Und von dieser inneren
Stufung könnte und sollte Abstand genommen werden, wenn eine schlanke
Verfassungsurkunde mit Inkorporationsgebot sonstigem Verfassungsrecht im
materiellen Sinn gegenüber gestellt wird. Denn in diesem Modell könnte und
sollte die neue Bundesverfassung auf die staatliche Grundordnung beschränkt
bleiben, während die übrigen Gehalte, also das technische Verfassungsrecht, in
die verfassungsausführenden Gesetze bzw Verfassungsgesetze ausgelagert würden.
Eine nochmalige Differenzierung innerhalb der zentralen Verfassungsurkunde nach
Kern‑ und Randgehalten wäre hypertroph und juristisch kaum operationabel.
Geht man den ersten Weg, so hat man sich gegen ein Inkorporationsgebot entschieden. Schlägt man den zweiten ein, bleibt zu überlegen, wie ein solches Gebot ausgestaltet werden soll.
5. Die Ausgestaltung des Inkorporationsgebots
Das Mandat trägt dem Ausschuss auf, Vor‑ und Nachteile eines absoluten
Inkorporationsgebots, verschiedener Varianten eines relativen
Inkorporationsgebots sowie eines Verfassungsbegleitgesetzes oder eines Anhanges
zur neuen Verfassung zu evaluieren. Den diesbezüglichen Überlegungen seien
einige Bemerkungen zur Wirkungsweise von Inkorporationsgeboten vorangestellt.
a) Wirkungsweise
Aus der rechtsvergleichenden Skizze unter II, insbesondere aus den
Auseinandersetzungen rund um Art 79 Abs 1 GG, lassen sich für unsere
Diskussion einige Lehren ziehen. Ich will die mir wichtig erscheinenden Punkte
herausgreifen.
Erstens zeigen die deutschen und die schweizerischen Erfahrungen, dass
Inkorporationsgebote an der äußeren Form ansetzen und deshalb (wie andere
formellen Sicherungen auch) politischen Unsinn bestenfalls erschweren, nicht
aber verhindern können. Schon deshalb stellen sie kein Allheilmittel dar, das
automatisch segensreiche Wirkungen entfaltet und alles zum Besseren wendet.[105]
Falsch eingesetzt, können sie sich auch als Prokrustesbett erweisen.
Zweitens habe ich den Eindruck, dass Inkorporationsgebote auf einer
ganz elementaren, basalen Ebene wirken. Auch wenn die Stellungnahmen im
deutschen Schrifttum in andere Richtungen gehen: Art 79 Abs 1 GG
stellt letzten Endes keine Vorschrift dar, gegen die verstoßen werden könnte.
Im Kern handelt es sich um eine Regelung, die eingehalten werden muss, wenn die
Erzeugung von Verfassungsrecht gelingen soll, und deren Verletzung zunächst nur
das Scheitern eines Normsetzungsversuchs zur Folge hat: Recht außerhalb der
einen und einzigen Verfassungsurkunde ist kein Verfassungsrecht, mag es sich
auch durch eine falsche Bezeichnung als solches ausgeben. Deshalb muss es sich
eine inhaltliche Prüfung am Maßstab der Verfassungsurkunde gefallen lassen.
Drittens ist sichtbar geworden, dass Inkorporationsgebote für den
Gesetzgeber kein Hindernis mit Dauerwirkung darstellen, sondern dort, wo sie
dem Parlament Restriktionen auferlegen, im Grunde nur zu einem Zwischenschritt
zwingen: „Verfassungsänderungen“ außerhalb der Urkunde bleiben möglich, wenn
sie zuvor in der Urkunde sichtbar gemacht werden. Aufgrund dieser
Funktionslogik kann schon die Unterscheidung zwischen absoluten und relativen
Inkorporationsgeboten mit guten Gründen angefochten werden. Und aus diesem
Grund vermag ein Inkorporationsgebot allein den Verfassungsgesetzgeber nicht
daran zu hindern, es morgen wieder über Bord zu werfen, sofern er nur den
gebotenen Weg über die Urkunde geht. Die folgenden Überlegungen über die
Ausgestaltung eines Inkorporationsgebots beschränken sich daher darauf, über
eine sinnvolle Konzeption in der Stammfassung nachzudenken. Mit der ersten
Novelle steht sie schon wieder zur Disposition.
b) Absolutes oder relatives Inkorporationsgebot?
Ein Inkorporationsgebot kann nicht
in dem Sinne absolut sein, dass eine Lektüre allein der Verfassungsurkunde abschließende
Aussagen über den Inhalt und die Reichweite des Verfassungsrechts erlaubt.
Solches liefe auf einen Verfassungsvorbehalt hinaus, der die Legislative auf
reine Durchführungsgesetzgebung reduziert. Gesetzesvorbehalte und Klauseln, die
die Verfassung dem Gemeinschaftsrecht gegenüber öffnen, können und sollen neben
einem Inkorporationsgebot bestehen.
Außerdem setzt schon das
Übergangsrecht einem Inkorporationsgebot sachliche Grenzen. Alte
Verfassungsbestimmungen, die nicht ins Dauerrecht übernommen werden, sollten
nicht in die Verfassungsurkunde aufgenommen werden, sondern in ein
Begleitgesetz oder in einen Anhang. Da es sinnvoll ist, für eine Übergangszeit
ihre Invalidation zu verhindern, wird an einer Bestimmung in der Stammurkunde,
die den Geltungsanspruch der neuen Verfassung (einstweilen) zurücknimmt, kaum
kein Weg vorbeiführen.
Wenig empfehlenswert ist hingegen,
ein Inkorporationsgebot auf die Regelungsbereiche der neuen Verfassung zu
beschränken. Eine Verfassung, die diesen Namen verdient, bezieht sich auf alle
Aspekte des staatlichen Lebens, sodass Berührungspunkte zu ihren sachlichen
Gehalten stets vorhanden sein werden. Wenn es außerhalb
der Urkunde Verfassungsrecht geben sollte, das der Stammurkunde gleichgeordnet
ist, dann ist ein Inkorporationsgebot in der Stammurkunde wirkungslos, weil es
ohne Abänderungen der Stammurkunde eingeschränkt werden kann. Gleiches gilt für
einen numerus clausus zulässiger externer Verfassungsgesetze. Wenn hingegen
externes Verfassungsrecht der Stammurkunde untergeordnet ist, dann wird ein
Inkorporationsgebot schon durch die (in der Stammurkunde erfolgende)
Inthronisation solcher Verfassungsgesetze oder verfassungsausführender Gesetze
relativiert.
Denkbar ist hingegen, für
völkerrechtliche Verträge eine Ausnahme zu machen. Denn die Aufnahme eines
Inkorporationsgebotes in die neue Verfassung hat ohne eine solche Ausnahme zur
zwingenden Folge, dass das österreichische System der Rangzuweisung an
Staatsverträge in Analogie zu den Rechtssatzformen des innerstaatlichen Rechts
nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Mir scheint jedoch, dass ein
Mischsystem weder Fisch noch Fleisch wäre, weil es für eine Sonderbehandlung
völkerrechtlicher Verträge keine hinreichenden Gründe gibt. Soweit solche
Verträge als Menschenrechtspakte verfassungsmäßig gewährleistete Rechte
verbürgen sollen, können sie im Verweisungsweg rezipiert werden. Soweit
hingegen solche Verträge strukturelle verfassungsrechtliche Probleme aufwerfen
(Gebietshoheit, Übertragung von Hoheitsrechten), müssen diese Probleme durch
Änderung des Verfassungsrechts ausgeräumt werden. Im übrigen stellt die
Zuweisung von Verfassungsrang an Bestimmungen in Staatsverträgen einen
österreichischen Sonderweg dar, der in meinen Augen mit der Zulassung von
Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen steht und fällt.
c) Rezeption von Recht als Verfassungsrecht?
Die deutsche Diskussion rund um Art 140 GG zeigt, dass die
Rezeption von Recht außerhalb der Stammurkunde als Verfassungsrecht mit einem
Inkorporationsgebot kompatibel ist. Meines Erachtens ist jedoch zwischen
Rezeption und Inkorporation zu unterscheiden. Im Fall der Rezeption wird ein
Rechtstext außerhalb der Urkunde als Teil der Urkunde fingiert; im Falle der
Inkorporation wird dieser Rechtstext in seinem vollen Wortlaut in die Urkunde
eingearbeitet. Rezeptionen à la Art 140 GG stellen daher Ausnahmen vom
Inkorporationsgebot dar, die seine Geltung einschränken, aber deshalb keine
Probleme aufwerfen, weil sie dem Inkorporationsgebot als leges speciales
vorgehen.
Beide Techniken haben ihre Vor‑ und Nachteile. Rezeptionen entlasten
den Text der Stammurkunde und erleichtern es, Brüche in Sprache, Stil und
Systematik zu vermeiden, die bei Einarbeitung von Texten aus anderen Epochen
und Rechtstraditionen unvermeidlich sind. Sie haben allerdings den Nachteil,
dass Änderungen unter der Geltung eines Inkorporationsgebotes nicht mehr im
rezipierten Text, sondern nur mehr in der Stammurkunde selbst möglich sind.
Daher empfiehlt es sich, nur solche Texte zu rezipieren, die gegen Abänderungen
weitgehend immun sind. Dies ist vor allem bei völkerrechtlichen Verträgen der
Fall. Bei ihnen ist die Rezeption in der Stammurkunde im Vergleich zur
Einarbeitung in die Stammurkunde, die einen innerstaatlichen Klon zu generieren
versucht, der elegantere und sachadäquatere Weg.
Bei Bewältigung des
Übergangsproblems ist hingegen sorgfältig abzuwägen, ob mit Rezeptionen das
Auslangen gefunden werden kann oder ob Inkorporationen vorzuziehen sind. Die
Erfahrungen mit den Übergangsgesetzen 1920 und 1929 zeigen, dass es auch im
Übergangsrecht beträchtlichen Änderungsbedarf gibt. Zumindest das allgemeine
Übergangsrecht sollte daher in die Stammurkunde inkorporiert werden, um es dort
gegebenenfalls novellieren zu können. Wenn es hingegen nur darum geht, alte
Verfassungsbestimmungen aufzuzählen, die während einer Übergangszeit gegen eine
verfassungsgerichtliche Prüfung am Maßstab der neuen Verfassung immunisiert
werden sollen, reicht ein Anhang in den Übergangsbestimmungen völlig aus.
d) Verhinderung der ewigen Urkunde
Zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass ein Inkorporationsgebot auf eine
Art und Weise konzipiert werden sollte, die eine Totalrevision im formellen Sinn, also die
Erlassung einer komplett neuen Verfassung, nicht von vornherein versperrt.
Neben der Novellierung der Stammurkunde muss auch der Austausch der
Stammurkunde zulässig bleiben, weil es nicht angeht, künftige Generationen in
ein Korsett zu zwängen, dem sie nur auf revolutionärem Wege entkommen können.
6. Verpflichtung zur Kundmachung der geänderten Bundesverfassung
Unabhängig von einer Entscheidung
für oder gegen ein Inkorporationsgebot sollte die Einführung einer
Verpflichtung zur Neukundmachung oder zur Wiederverlautbarung der Verfassung im
Gefolge von Änderungen ernstlich erwogen werden. Dadurch stünde die geltende
Verfassung jederzeit in einer amtlichen Fassung zu Verfügung.
Mit dem Übergang zur elektronischen
Kundmachung von Rechtstexten sind die Kosten einer solchen Kundmachung des
bereinigten Textes kein entscheidendes Gegenargument mehr. In
demokratiepolitischer Hinsicht entbehrt das in Art 49a Abs 1 B‑VG
enthaltene Verbot der Wiederverlautbarung des B‑VG in meinen Augen schon heute
der Berechtigung. Gewiss stellt die Wiederverlautbarung eine Domäne der
Exekutive dar; Missbräuche sind jedoch bislang nicht bekannt geworden und
würden durch den VfGH wirksam abgestellt werden. Außerdem muss die
Neukundmachung technisch nicht als Wiederverlautbarung ausgestaltet werden.
Denkbar ist auch, den Bundeskanzler zu einer Doppelkundmachung von
Verfassungsänderungen zu verpflichten: einmal in Form der Verfassungsänderung
und einmal in Form der geänderten Verfassung.
7. Völkerrecht
Wenn es tatsächlich zur Verankerung
eines Inkorporationsgebotes in die neue Verfassung kommen sollte, dann wird
sich die Synchronisation des Völkerrechts mit dem staatlichen Recht im
Stufenbau der Rechtsordnung nicht mehr aufrechterhalten lassen, weil
Völkerrecht im Verfassungsrang entweder völlig der Vergangenheit angehören oder
nur mehr in Form von rezipierten Menschenrechtspakten begegnen wird. Eine
solche Systemumstellung von der Gleichordnung zur Unterordnung des Völkerrechts
unter die Verfassung sollte auch im Rechtsschutzsystem, insbesondere bei der
verfassungsgerichtlichen Kontrolle von Staatsverträgen, Berücksichtigung
finden. Ein möglicher Weg könnte darin bestehen, die österreichischen
Begründungsakte schon ex ante, dh vor der völkerrechtlichen Perfektion des
Vertrages, einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen,[106]
um zu verhindern, dass völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Bindung in
unauflösbare Konflikte geraten.
Eingebracht im Ausschuss 2, 11.
Sitzung, 10.5.2004
„Inhaltsverzeichnis“ einer neuen
Bundesverfassung samt Gliederungen
Grundprinzipien
Demokratie, Republik, Bundesstaat, EU-Mitgliedschaft?, Rechtsstaat?, Sozialstaat?, liberales Prinzip?
politische Parteien?, Verbot nationalsozialistischer Wiederbetätigung?
Grundrechte
Existenzielle Rechte, Gleichheitsrechte, Freiheitsrechte, Verfahrensgarantien, politische Rechte, soziale Rechte?
Staatsziele
Neutralität, Umweltschutz, Atomfreiheit, Wiederbetätigungsverbot, Behindertenschutz, Volksgruppenschutz, Rundfunk als öffentliche Aufgabe, Förderung konfessioneller Schulen, faktische Gleichstellung von Mann und Frau, gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht?, umfassende Landesverteidigung?, Daseinsvorsorge? uam
Bundesforste?
Bund und Länder
Grenzänderungen, Bestand der Bundesländer?, Staats‑ und Landesbürgerschaft, Einheit des Währungs‑, Wirtschafts‑ und Zollgebiets, Staatssprache, Hauptstadt, Staatssymbole
Kompetenzverteilung einschließlich Finanzverfassung und „Privatwirtschaftsverwaltung“, Verpflichtung der Länder zur EU- und Völkerrechtsumsetzung, Kompetenzdevolution, Bundesaufsicht
Gliedstaatsverträge, Bund-Länder-Einrichtungen, Informationspflichten, Konsultationsmechanismus, sonstige Koordinationsinstrumente
Österreich in der Staatengemeinschaft
Verhältnis Völkerrecht und innerstaatliches Recht, insbesondere allgemeine Grundsätze des Völkerrechts, Übertragung von Hoheitsrechten, Ächtung des Krieges?, Beteiligung an der internationalen Zusammenarbeit zur Sicherung des Friedens und der Menschenrechte?
Wahlen zum EP, Freistellung öffentlich Bediensteter, Ernennung von Mitgliedern der EU-Organe, Mitwirkung des Parlaments und der Länder, GASP
Die Staatsfunktionen und ihr wechselseitiges Verhältnis
Legalitätsprinzip, Verordnungsrecht, Weisungsbindung, oberste Organe, wirtschaftliche Unvereinbarkeit, Bezügebegrenzung, Amtsverschwiegenheit?, Dienstrecht, Amtshilfe, Amtshaftung, Organhaftung, Trennung von Justiz und Verwaltung
Gesetzgebung des Bundes
Festlegung des Zweikammersystems
Nationalrat: Wahlen, Organisation einschließlich Präsidium, Hauptausschuss und ständiger Unterausschuss, Auflösung, Quoren, Öffentlichkeit, sachliche Immunität
Bundesrat: Zusammensetzung, Organisation, Quoren, Öffentlichkeit, sachliche Immunität
Bundesversammlung: Zusammensetzung, Befugnisse, Quoren, Öffentlichkeit, sachliche Immunität
Weg der Bundesgesetzgebung: Gesetzesbegutachtung?, Gesetzesinitiative, Instrumente der direkten Demokratie; Gesetzgebungsverfahren einschließlich Mitwirkung des Bundesrates, Beurkundung und Gegenzeichnung, Kundmachung
Wiederverlautbarung
Mitwirkung des Nationalrats an der Vollziehung: Genehmigung von Staatsverträgen, Budgetrecht, Kontrollrechte (Frage‑, Resolutions‑, Untersuchungsrecht, besondere Untersuchungsausschüsse?), Mitwirkung an Verwaltungsakten
Stellung der Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates: Freies Mandat, „Mandat auf Zeit“, Immunität, Unvereinbarkeiten, öffentlich Bedienstete
Vollziehung des Bundes
Bundespräsident: Wahl, Angelobung, Absetzung, Immunität, Verantwortlichkeit, Vertretung, Kompetenzen, Vorschlagsbindung, Gegenzeichnung, rechtliche und politische Verantwortlichkeit
Bundesregierung: Vertretung, Quoren, Ernennung der Mitglieder, Angelobung, Enthebung und Entlassung, rechtliche und politische Verantwortlichkeit
Staatssekretäre, Bundesministerien
Bundesheer: Aufgaben, Oberbefehl und Befehlsgewalt, Ländermitwirkung, Auslandseinsätze
Sonstige Bundesbehörden: Schulbehörden, Sicherheitsbehörden
Ordentliche Gerichtsbarkeit: Organisation, Abschaffung der Militärgerichtsbarkeit, Ernennung, Unabhängigkeit, Versetzung und Enthebung, Sprengelrichter, Mitwirkung des Volkes, OGH, Amnestien?
Gesetzgebung und Vollziehung der Länder
Festlegung auf das Einkammersystem, Wahlrechtsgrundsätze, Sonderregeln für öffentliche Bedienstete, Immunität, Auflösung, Weg der Landesgesetzgebung, Mitwirkung der Bundesregierung?, Verfassung und Verfassungsänderung
Landeshauptmann, Landesregierung, Amt der Landesregierung, Landesamtsdirektor, mittelbare Bundesverwaltung
Sonderbestimmungen für Wien
Selbstverwaltung
Gemeinde: Ortsgemeinde, Rechte der Gemeinde, eigener und übertragener Wirkungsbereich, Organe, Statutarstädte, Gebietsgemeinden?, Gemeindeverbände, Gemeindeaufsicht, Gemeindebund und Städtebund?
Ermächtigung zur Einrichtung nicht-territorialer Selbstverwaltung, allgemeine Bestimmungen über den eigenen Wirkungsbereich und Aufsicht
Kontrolle
Rechnungskontrolle: Zuständigkeiten und Organisation des Rechnungshofes, Landesrechnungshöfe
Misstandskontrolle: Zuständigkeiten und Organisation der Volksanwaltschaft, Landesvolksanwälte
Unabhängige Verwaltungsbehörden mit Kontrollaufgaben, soweit sie nicht in Gerichte transformiert werden und im Verfassungsrecht verankert bleiben sollen (UFS, Umweltsenat); Rechtsschutzbeauftragte?, Anwälte des öffentlichen Rechts?
Garantien der Verfassung und Verwaltung
Verwaltungsgerichtsbarkeit: Zuständigkeiten und Organisation der Landes‑ und Bundesverwaltungsgerichte, Verwaltungsgerichtshof
Verfassungsgerichtsbarkeit: Zuständigkeiten und Organisation des Verfassungsgerichtshofes
Verfassungsänderung
Verfassungsinitiative, Beschlusserfordernisse, Mitwirkung des Bundesvolkes, Kundmachung, Inkorporationsgebot?
Übergangsbestimmungen
Erklärung bestehender Verfassungsgesetze zum Bestandteil der Bundesverfassung („Trabanten“), Übergangsrecht (oder Verweis auf ein Übergangs-BVG), Vollzugsklausel?, Inkrafttreten
Nachbemerkungen
Das
vorstehende „Inhaltsverzeichnis“ will einer Gliederung der künftigen Verfassung
nicht vorgreifen – und muss doch mit Notwendigkeit eine bestimmte Gliederung
voraussetzen. Ich habe mich um eine Unterteilung bemüht, die sich an der
Gliederung von Poier orientiert, aber auf eine Gliederungsebene beschränkt
bleibt. Gleichwohl kann (und muss) man über die zugrundegelegte Rohgliederung
ebenso diskutieren wie über die Zuordnung konkreter Inhalte.
Wesentlich
und unhintergehbar ist jedoch, dass jede Gliederung einen Systemzwang entfaltet,
dem sich die Inhalte fügen müssen, wenn das Produkt verständlich sein soll. Die
Ausarbeitung einer sachgerechten Gliederung, die den zu erwartenden Regelungen
adäquat ist, muss deshalb dem Konvent ein wichtiges Anliegen sein. Im Zuge der
Ausarbeitung des Inhaltsverzeichnisses habe ich dazu zwangsläufig Überlegungen
angestellt, die ich hier in Form von drei Gliederungsvarianten zur Diskussion
stellen will.
Version
I orientiert sich ebenso wie das „Inhaltsverzeichnis“, das es weitgehend widerspiegelt,
an der Gliederung von Poier, setzt aber manchen Akzent anders. Leitlinie war
hiebei, die Gliederung einerseits zu straffen (Kontrolle) und sie andererseits
zu öffnen, um bestimmten Inhalte Raum zu geben. Einen neuralgischen Punkt
bilden insoweit die im ersten Hauptstück des B‑VG unter A. versammelten
Artikel. Derzeit bilden die „Allgemeine Bestimmungen“ einen Korb, der
Regelungen verschiedenster Art aufzunehmen in der Lage ist. Wenn aber
einerseits an den Öffnungsartikeln des B‑VG (demokratische Republik, Bundesstaat)
festgehalten werden soll und andererseits die Grundrechte eine prominente Rolle
im vorderen Teil der Verfassung erhalten sollen, dann muss der Teil vor den
Grundrechten den Grundprinzipien vorbehalten werden. (Dies gilt unabhängig
davon, ob man die Differenzierung zwischen Gesamtänderungen und Teiländerungen
der Verfassung beibehält oder ob man sie abschafft, wofür bei Einführung einer
Kategorie für „operatives Verfassungsrecht“ in der Form verfassungsausführender
Gesetze in meinen Augen die besseren Gründe sprechen). Die „Allgemeinen
Bestimmungen“ müssen deshalb in mehrere Teile zerschlagen werden. Das aber
bereitet Schwierigkeiten, weil ein Auffangbecken, das alles und jedes aufnehmen
könnte, nach erfolgter Aufspaltung fehlt, sofern man nicht zur Verlegenheitslösung
greift, nach nicht als solche ausgewiesen allgemeinen Teilen in der Mitte der
Verfassung einen Teil „Allgemeine Bestimmungen“ zu taufen.
Version
II orientiert sich an der ursprünglichen Kelsen-Gliederung und schreibt damit
die Systematik des B-VG fort.
Version
III versucht schließlich, einerseits Gliederungselemente jüngerer Verfassungen
(wie zB die Zusammenfassung von Verfassungssicherung und Verfassungsänderung in
einem Teil) aufzunehmen und andererseits Platz für „allgemeine Teile“ zu
schaffen, die als Gesamtverfassungsrecht für Bund und Länder gleichermaßen
Richtschnur sind.
Alle
drei Versionen sind bzw bleiben der österreichischen Tradition verpflichtet,
indem sie einerseits die Staatsfunktionen (und ihr wechselseitiges Verhältnis)
zum Leitgesichtspunkt erheben und andererseits Aspekte der Kontrolle durch
Verselbständigung betonen, um nicht zu sagen: die Kontrolle zu einer vierten
Staatsfunktion machen.
Bei
allen Vorteilen ist ein Nachteil nicht zu übersehen. Materiell-themenbezogene
Teile stellten in allen drei Versionen einen Fremdkörper dar, obschon nach
ihnen mitunter echter Bedarf besteht. Als Beispiel sei auf die Finanzen
hingewiesen.
Version I
Erster Teil.
Grundprinzipien
Zweiter Teil.
Grundrechte
Dritter Teil.
Staatsziele
Vierter Teil.
Bund und Länder
1. Abschnitt: Staatsgebiet und Staatsvolk
2. Abschnitt: Aufgabenverteilung
3. Abschnitt: Instrumente der Koordination
Fünfter Teil.
Österreich in der Staatengemeinschaft
1. Abschnitt: Österreich in der Völkerrechtsgemeinschaft
2. Abschnitt: Österreich in der Europäischen Union
Sechster
Teil. Die Staatsfunktionen und ihr wechselseitiges Verhältnis
Siebenter
Teil. Gesetzgebung des Bundes
1. Abschnitt: Nationalrat
2. Abschnitt: Bundesrat
3. Abschnitt: Bundesversammlung
4. Abschnitt: Der Weg der Bundesgesetzgebung
5. Abschnitt: Mitwirkung des Nationalrates und des Bundesrates an der Vollziehung des Bundes
6. Abschnitt: Stellung der Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates
Achter Teil.
Verwaltung des Bundes
1. Abschnitt: Bundespräsident
2. Abschnitt: Bundesregierung
3. Abschnitt: Sonstige Bundeseinrichtungen
Neunter Teil.
Gesetzgebung und Verwaltung der Länder
1. Abschnitt: Landtag
2. Abschnitt: Landeshauptmann und Landesregierung
3. Abschnitt: Bundeshauptstadt Wien
Zehnter Teil.
Selbstverwaltung
1. Abschnitt: Gemeinden
2. Abschnitt: Sonstige Selbstverwaltung
Elfter Teil.
Kontrolle
1. Abschnitt: Rechnungskontrolle
2. Abschnitt: Volksanwaltschaft
3. Abschnitt: Sonstige Kontrolleinrichtungen
Zwölfter
Teil. Justiz
Dreizehnter
Teil: Garantien der Verfassung und Verwaltung
1. Abschnitt: Verwaltungsgerichtsbarkeit
2. Abschnitt: Verfassungsgerichtsbarkeit
Vierzehnter
Teil. Verfassungsänderung
Fünfzehnter
Teil. Übergangsbestimmungen
Version II
Erster Teil.
Allgemeine Bestimmungen
1. Abschnitt. Grundprinzipien
2. Abschnitt: Staatsziele
3. Abschnitt: Bund und Länder
4. Abschnitt: Österreich in der Völkerrechtsgemeinschaft und in der Europäischen Union
5. Abschnitt: Die Staatsfunktionen und ihr wechselseitiges Verhältnis
Zweiter Teil.
Gesetzgebung des Bundes
1. Abschnitt: Nationalrat
2. Abschnitt: Bundesrat
3. Abschnitt: Bundesversammlung
4. Abschnitt: Weg der Bundesgesetzgebung
5. Abschnitt: Mitwirkung des Nationalrates und des Bundesrates an der Vollziehung des Bundes
6. Abschnitt: Stellung der Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates
Dritter Teil.
Vollziehung des Bundes
1. Abschnitt: Bundespräsident
2. Abschnitt. Bundesregierung
3. Abschnitt: Bundesheer
4. Abschnitt: Sicherheitsbehörden
5. Abschnitt: Schulbehörden
6. Abschnitt. Ordentliche Gerichtsbarkeit
Vierter Teil.
Gesetzgebung und Vollziehung der Länder
1. Abschnitt: Landtag
2. Abschnitt: Landeshauptmann und Landesregierung
3. Abschnitt: Bundeshauptstadt Wien
4. Abschnitt: Gemeinden
Fünfter Teil.
Kontrolle
1. Abschnitt: Rechnungskontrolle
2. Abschnitt: Volksanwaltschaft
3. Abschnitt: Sonstige Kontrolleinrichtungen
Sechster
Teil. Grundrechte
Siebenter
Teil. Garantien der Verfassung und Verwaltung
1. Abschnitt: Verwaltungsgerichtsbarkeit
2. Abschnitt: Verfassungsgerichtsbarkeit
Achter Teil.
Übergangsbestimmungen
Version III
Erster Teil.
Grundprinzipien
Zweiter Teil.
Grundrechte
1. Abschnitt: Existenzielle Rechte
2. Abschnitt: Gleichheitsrechte
3. Abschnitt: Freiheitsrechte
4. Abschnitt: Verfahrensrechte und justizielle Rechte
5. Abschnitt: Politische Rechte
6. Abschnitt: Soziale Rechte
Dritter Teil.
Staatsziele
Vierter Teil.
Bund und Länder
1. Abschnitt: Staatsgebiet und Staatsvolk
2. Abschnitt: Aufgabenverteilung
3. Abschnitt: Instrumente der Koordination
Fünfter Teil.
Österreich in der Staatengemeinschaft
1. Abschnitt: Österreich in der Völkerrechtsgemeinschaft
2. Abschnitt: Österreich in der Europäischen Union
Sechster
Teil. Die Staatsfunktionen und ihr Verhältnis zueinander
1. Abschnitt: Grundsätze der Gesetzgebung
2. Abschnitt: Grundsätze der Vollziehung
3. Abschnitt: Trennung von Verwaltung und Gerichtsbarkeit
4. Abschnitt: Mitwirkung der Gesetzgebung an der Verwaltung
Siebenter
Teil. Gesetzgebung des Bundes
1. Abschnitt: Nationalrat
2. Abschnitt: Bundesrat
3. Abschnitt: Bundesversammlung
4. Abschnitt: Weg der Bundesgesetzgebung
Achter Teil.
Verwaltung des Bundes
1. Abschnitt: Bundespräsident
2. Abschnitt. Bundesregierung
3. Abschnitt: Bundesheer
Neunter Teil.
Gesetzgebung und Verwaltung der Länder
1. Abschnitt: Landtag
2. Abschnitt: Landeshauptmann und Landesregierung
3. Abschnitt: Bundeshauptstadt Wien
Zehnter Teil.
Selbstverwaltung
1. Abschnitt: Gemeinden
2. Abschnitt: Sonstige Selbstverwaltung
Elfter Teil.
Gerichtsbarkeit
1. Abschnitt: Justiz
2. Abschnitt: Verwaltungsgerichtsbarkeit
Zwölfter
Teil. Kontrolle
1. Abschnitt: Rechnungskontrolle
2. Abschnitt: Volksanwaltschaft
Dreizehnter
Teil. Sicherung und Änderung der Verfassung
1. Abschnitt: Verfassungsgerichtsbarkeit
2. Abschnitt: Verfassungsänderung
Vierzehnter
Teil. Übergangsbestimmungen
Eingebracht im Ausschuss 2, 19.
Sitzung, 26.11.2004
Textvorschläge
zur Verfassungsänderung, zu verfassungsausführenden Gesetzen
und zur Beschränkung von Sammelgesetzen
I. Vorbemerkungen
Um Bestimmungen über die Änderung der neuen Verfassung textieren zu können, muss ihr Titel bekannt sein. In weiterer Folge wird die neue Verfassung wie die derzeit geltende als „Bundes-Verfassungsgesetz“ bezeichnet und mit „B‑VG 200¾“ abgekürzt, ohne damit die auf politischer Ebene zu fällende Entscheidung präjudizieren zu wollen.
Die Wahl des Titels verfügt jedoch auch über eine verfassungsrechtliche Dimension. Auch eine neue Verfassung muss sich an den Rechtserzeugungsregeln der alten Verfassung messen lassen, wenn sie nicht auf revolutionärem Wege ergeht, sondern unter Wahrung der Rechtskontinuität in Kraft treten will. Nach Art. 44 Abs. 1 B‑VG sind Verfassungsgesetze ausdrücklich als solche zu bezeichnen. Diese Regel schließt es aus, die neue Verfassung in aller Schlichtheit als „Bundesverfassung der Republik Österreich“ zu benennen, sofern man mit der völlig herrschenden Auffassung eine formelle Deutung des Begriffs „Gesamtänderung“ in Art. 44 Abs. 3 ablehnt.
Das eben Gesagte gilt auch für das Verfassungsbegleitgesetz. Es wird in weiterer Folge in Fortführung der österreichischen Tradition als „Bundesverfassungsgesetz betreffend den Übergang zum Bundes-Verfassungsgesetz 200¾“ bezeichnet und mit „Verfassungsübergangsgesetz 200¾ – VÜG“ abgekürzt.
II. Erzeugungsbedingungen für Verfassungsrecht
Variante 1: Orientierung an den Vorbildern
Die klassische Formulierung des
Inkorporationsgebots ist jene in Art. 79 Abs. 1 GG. Fügt man sie mit
Art. 44 B‑VG zusammen und baut man das Verbot von Verfassungsänderungen in
Sammelnovellen in den Text ein, so ergibt sich folgende Fassung (Varianten in
eckigen Klammern):
Art. X. (1) Dieses Bundes-Verfassungsgesetz kann nur durch ein Bundesgesetz geändert werden, das seinen Text – und ausschließlich diesen [und nur seinen Text] – ausdrücklich ändert oder ergänzt.
(2) Ein solches Gesetz kann vom Nationalrat nur mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden. Sofern es die Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung oder Vollziehung einschränkt, bedarf es überdies der mit qualifizierter Mehrheit zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.
(3) Jede Gesamtänderung der Bundesverfassung, eine Teiländerung nur, wenn dies von einer qualifizierten Minderheit im Nationalrat oder im Bundesrat verlangt wird, ist vor ihrer Beurkundung durch den Bundespräsidenten einer Volksabstimmung zu unterziehen.
Diese Formulierung stellt einzig auf die Stammurkunde ab. Dass auch das Verfassungsbegleitgesetz und die Trabanten zur Verfassung zählen und Verfassungsänderungen auch im Wege der Textänderung von Verfassungsbegleitgesetz und Trabanten erfolgen können, wird durch folgende Bestimmung sichergestellt:
Art. Y. Folgende Gesetze gelten [in jeder Hinsicht] als Bestandteil dieses Bundes-Verfassungsgesetzes:
1. das Gesetz vom 3. April
1919, betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des
Hauses Habsburg-Lothringen, StGBl. Nr. 209;
2. das Gesetz vom 3. April
1919, über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter‑ und Damenorden und
gewisser Titel und Würden, StGBl. Nr. 211;
3. Artikel I des
Verbotsgesetzes 1947, StGBl. Nr. 13/1945 i.d.F. BGBl. Nr. 148/1992;
4. das
Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 über die Neutralität Österreichs,
BGBl. 211;
5. das
Bundesverfassungsgesetz betreffend den Übergang zum Bundes-Verfassungsgesetz
200¾
(Verfassungsübergangsgesetz 200¾ – VÜG), BGBl. I Nr. ¾.
Alternativ könnte auch bereits in
Art. X Abs. 1 auf die Trabanten (unter Einschluss des
Verfassungsbegleitgesetzes) Bezug genommen werden. Dazu müsste allerdings der
„Bonner Eingang“ („Dieses Grundgesetz …“) durch eine neutralere Fassung ersetzt
werden:
Art. X.’ (1) Änderungen der Verfassung erfolgen durch ein Gesetz, das sich darauf beschränkt, den Text dieses Bundes-Verfassungsgesetzes oder der in Art. Y genannten Gesetze ausdrücklich abzuändern oder zu ergänzen.
In Art. X Abs. 2 ist
zudem vorausgesetzt, dass die Begriffe qualifizierte Mehrheit und qualifizierte
Minderheit an anderer Stelle der Verfassung entsprechend definiert werden.
Hiefür und für die sonstigen Quorenregelungen böten sich folgende
Formulierungen an:
Art. Z. (1) Sofern nicht anders bestimmt, bedürfen Beschlüsse allgemeiner Vertretungskörper [von Kollegialorganen] der Anwesenheit von mindestens einem Drittel ihrer Mitglieder und der unbedingten Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
(2) Wenn dieses Bundes-Verfassungsgesetz für Beschlüsse die qualifizierte Mehrheit verlangt, ist die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und die Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.
(3) Eine qualifizierte Minderheit liegt vor, wenn wenigstens ein Drittel der abgegebenen Stimmen auf den Antrag entfällt.
Variante 2: Ein Alternativweg
Die Formulierung des Grundgesetzes
hat jedoch den Nachteil, dass der Begriff „Änderung“ in ihr ambivalent
verwendet wird: einmal materiell als Verfassungsänderung, einmal formell als
Änderung der Urkunde. Diese Sinnverschiedenheit wird zwar dadurch offengelegt,
dass die Änderung in der zweiten Bedeutung neben die Ergänzung gestellt wird
(„Dieses Grundgesetz kann nur durch ein Gesetz geändert werden, das den
Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt.“); es
bleibt aber eine terminologische Unsauberkeit. Vor allem aber: Die Ersetzung
des Grundgesetzes durch eine neue deutsche Verfassung wird durch Art. 79
nicht erfasst und wäre deshalb unzulässig, gäbe es nicht den Art. 146 GG,
der einen solchen Übergang ohne Bruch der Rechtskontinuität ausdrücklich
eröffnet.
Der folgende Vorschlag versucht,
beide Probleme dadurch zu lösen, dass der Begriff „Verfassungsänderung“ strikt
materiell verwendet und bestimmten Textmanipulationen, in deren Wege
Verfassungsänderungen bei sonstigem Scheitern des Erzeugungsversuchs
ausschließlich erfolgen können, gegenübergestellt wird. Als solche
Manipulationen kommen die Ergänzung, die Streichung und der Austausch von Text
in Frage. Der Austausch wird deshalb eigens angeführt, um den Wechsel der
Urkunde – oder, um es treffender zu sagen: die Gesamtänderung – zu ermöglichen.
Denn ein solcher Wechsel lässt sich gedanklich nicht mehr in Streichungen und
Ergänzungen ein und derselben Urkunde aufspalten.
Außerdem sieht der folgende
Vorschlag in Abweichung von der geltenden Rechtslage ein generelles
Zustimmungsrecht des Bundesrates zu Verfassungsänderungen vor. Das entspricht
der politischen Realität, entschädigt die Länder für absehbare
Kompetenzeinbußen, vereinfacht den Ablauf
und enthebt alle beteiligten Organe vom Bundesrat bis zum VfGH der
Notwendigkeit, sich über die Grenzen der Zustimmungspflicht nach Art. 44
Abs. 2 B‑VG Gedanken zu machen.
Nach diesem Vorschlag hätte
Art. X (bei unveränderten Art. Y und Z) folgendermaßen zu lauten:
Art. X. (1) Verfassungsänderungen bedürfen eines Gesetzes, dessen Inhalt sich in Ergänzungen, in Streichungen oder im Austausch des Textes dieses Bundes‑Verfassungsgesetzes erschöpft.
(2) Ein solches Gesetz kann vom Nationalrat nur mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden und bedarf der mit qualifizierter Mehrheit zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.
(3) Jede Gesamtänderung der Bundesverfassung, eine Teiländerung nur, wenn dies von einer qualifizierten Minderheit im Nationalrat oder im Bundesrat verlangt wird, ist vor ihrer Beurkundung durch den Bundespräsidenten einer Volksabstimmung zu unterziehen.
III. Erzeugungsbedingungen für Verfassungsausführungsgesetze
Hinsichtlich der
Verfassungsausführungsgesetze hat der Ausschuss im Bericht sowohl eine
Bezeichnungspflicht als auch eine Kennzeichnung in der Promulgationsklausel
erwogen. In der anschließenden Beratungsphase hat er eine gewisse Präferenz für
die zweiterwähnte Lösung geäußert. Damit ist freilich noch nicht entschieden,
ob eine solche Lösung auch ein Zitiergebot enthalten soll. In der Folge werden
für all diese Lösungen Formulierungen versucht.
Wenn daran gedacht ist, nicht nur
den Charakter eines Gesetzes als verfassungsausführendes Gesetz offen zu legen,
sondern auch den ausgeführten Artikel benennen zu müssen, könnte es heißen
(Promulgationslösung mit Zitiergebot):
„Art. VfAG1. Verfassungsausführende Bundesgesetze können vom Nationalrat nur mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden. Der ausgeführte Artikel dieses Bundes‑Verfassungsgesetzes ist in der Promulgationsklausel ausdrücklich zu bezeichnen.“
Eine korrekte Umsetzung könnte beispielsweise lauten: „Der Nationalrat hat in Ausführung des Art. 26 des Bundes-Verfassungsgesetzes beschlossen:“.
Bei Normierung einer Bezeichnungspflicht könnte die Bestimmung folgende Fassung erhalten:
„Art. VfAG2. Verfassungsausführende Bundesgesetze können vom Nationalrat nur mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden; sie sind als solche („Bundesgesetz zur Ausführung des Art. … B-VG“) ausdrücklich zu bezeichnen.“
Bei Verzicht auf ein Zitiergebot könnten die Bestimmungen lauten:
„Art. VfAG3. Verfassungsausführende Bundesgesetze können vom Nationalrat nur mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden; sie sind in der Promulgationsklausel als solche zu bezeichnen.“
bzw. in der Variante einer Bezeichnungspflicht:
„Art. VfAG4. Verfassungsausführende Bundesgesetze können vom Nationalrat nur mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden; sie sind im Titel ausdrücklich als ‚Verfassungsausführungsgesetz’ zu bezeichnen.“
All diese Varianten werfen allerdings die Frage auf, ob Zitiergebot bzw. Bezeichnungspflicht auch für Novellen zu verfassungsausführenden Gesetzen Gültigkeit haben. Im Text auf diese Konstellation eigens einzugehen, hieße in Kasuistik abgleiten. In den Materialien sollte jedoch eine Klarstellung erfolgen.
In den Erläuterungen sollte außerdem erörtert werden, ob ein „Bepackungsverbot“ gilt oder ob es unschädlich ist, wenn das Verfassungsausführungsgesetz auch Regelungen enthält, die mit einfachen Mehrheiten hätten beschlossen werden können; für den Fall der Zulässigkeit einer Bepackung schließlich, ob solche nicht-verfassungsausführenden Bestimmungen mit einfachen Mehrheiten wieder aufgehoben werden können.
IV. Textvorschläge für die formale
Bereinigung
Ausgehend
von der Grundlinie des Ausschusses, bei der Textierung des Übergangsrechts den
Akzent nicht auf die aufzuhebenden Bestimmungen zu legen, sondern auf jene
Regelungen, die weiterhin als Verfassungsrecht (oder auch als Gesetzesrecht)
gelten sollen und deshalb einer Überleitung bedürfen, kann die Regelung des
Übergangs in aller Kürze erfolgen.
Für das
„Entkleiden“ von Verfassungsbestimmungen (F07) könnte es heißen:
„Folgende Bundesverfassungsgesetze, Verfassungsbestimmungen in Bundesgesetzen und Staatsverträge im Verfassungsrang gelten im Rang einfacher Bundesgesetze weiter:
1. ...“
Die
Rezeption von altem Verfassungsrecht in die neue Konstitution sollte im Text
des Verfassungsbegleitgesetzes unter Anführung des Wortlauts erfolgen.
Im Übrigen
könnten all jene zahlreichen Bestimmungen, die im Tabellenteil mit den Siglen
F01-F04 bezeichnet sind, mit folgender Derogationsnorm enderledigt werden:
„Alle
übrigen Bundesverfassungsgesetze und Verfassungsbestimmungen in Bundesgesetzen
werden aufgehoben. Die Geltung von Bestimmungen, die durch sie in Kraft gesetzt
oder eingeordnet worden sind, wird hiedurch nicht berührt.“
Staatsverträge
sind in diese Formulierung bewusst nicht einbezogen, weil ihre völkerrechtliche
Geltung nicht einseitig durch innerstaatliche Anordnung beendet werden kann und
weil die innerstaatliche Geltung nicht von der völkerrechtlichen Geltung
abgekoppelt werden sollte. Ein Erforderlichkeitsvorbehalt für die
Derogationsanordnung („..., soweit sie noch in Geltung stehen“) erscheint
denkbar, er ist aber in Ermanglung einer Aufzählung entbehrlich.
V.
Beschränkung von Sammelgesetzen
1.
Materieller Ansatz
Inhaltliche
Schranken für Sammelnovellen sind einfach zu formulieren:
„Art. S1.
Bundesgesetze müssen die Einheit der Materie wahren.“
2. Formeller Ansatz
Eine einschneidende, wohl allzu radikale Begrenzung von Sammelnovellen brächte folgender Vorschlag mit sich:
„Art. S2. Änderungen mehrerer Bundesgesetze in einem Bundesgesetz sind unzulässig.“
Nach dieser
Formulierung könnte im Zuge der Erlassung eines neuen Stammgesetzes genau ein
Bundesgesetz novelliert oder aufgehoben werden.
Alternativ
bietet es sich an, auf den in der Anlage zu § 2 BMG geregelten
Wirkungsbereich der Ministerien abzustellen:
„Art. S3.
Sammelnovellen sind unzulässig, sofern sie Bundesgesetze betreffen, deren
legistische Betreuung in den Wirkungsbereich verschiedener Bundesministerien
fällt.“
oder die
Zuständigkeit der Nationalratsausschüsse zum Kriterium zu machen:
„Art. S4.
Sammelnovellen sind lediglich zulässig, wenn zur Vorberatung der Änderung aller
betroffenen Bundesgesetze derselbe Ausschuss des Nationalrates zuständig ist.“
Eingebracht im Ausschuss 2
Textvorschlag zur Vermögenssubstanzsicherung
Art. V. (1) Rechtsgeschäfte, durch die der Anteil
1. des Bundes an der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts‑Aktiengesellschaft (VERBUND)
2. des Bundes und der VERBUND an Unternehmungen zur Erzeugung und Übertragung elektrischer Energie, die sich am …. im Allein‑ oder Mehrheitseigentum des Bundes oder der VERBUND befinden,
3. der Gebietskörperschaften an den Landeselektrizitätsgesellschaften mit Ausnahme der Illwerke AG
unter 51 v.H. sinkt, bedürfen der Zustimmung des Nationalrates, des Landtages oder des Gemeinderates.
(2) Die Veräußerung von Liegenschaften des Bundes, die von der Österreichischen Bundesforste AG auf Grundlage eines entgeltlichen Fruchtgenussrechts für den Bund verwaltet werden, bedarf der Zustimmung des Nationalrates, sofern der Erlös nicht zum Ankauf neuer Liegenschaften verwendet wird.
(3) Zustimmungen nach Abs. 1 und 2 bedürfen der qualifizierten Mehrheit. Die Geschäftsordnung des Vertretungskörpers kann mit der Zustimmung einen Ausschuss betrauen.
Eingebracht im Ausschuss 3, 2.
Sitzung, 14.10.2003
Herrn Universitätsprofessor
Dr. Gerhart Holzinger
Österreich Konvent
Judenplatz 11
1010 Wien
Sehr geehrter Herr Universitätsprofessor!
Zu den Themen des Ausschusses 3 gestatte ich mir einige Anmerkungen
bzw. Anregungen vorzunehmen.
So z. B.
soll die Festlegung und Zuteilung der Nationalratsmandate zu den
einzelnen Wahlkreisen künftig nach der Bevölkerungszahl erfolgen;
soll das Wahlalter zur Wahl des Nationalrates (bzw. Bundespräsidenten)
auf das vollendete 16. Lebensjahr herabgesetzt werden. (Wahlberechtigt sind
alle Männer und Frauen die vor den 1. Jänner d.J. der Wahl das 16. Lebensjahr
vollendet haben);
kann das E-Voting vielleicht langfristig eine Möglichkeit sein,
gegenwärtig bin ich nicht der Auffassung, dass man dieses System aufgreifen
sollte;
sollen die Länder und Gemeinden unabhängig von Bundesgesetzen für
Landtags- und Gemeinderatswahlen die Möglichkeit der Stimmabgabe außerhalb des
Landes- oder Gemeindegebietes vorsehen können.
Ich bin auch dafür, dass künftig langjährig in Österreich lebende nicht
österreichische Staatsbürger, die Wahlberechtigung auf allen Ebenen erhalten
sollen.
Bezüglich des Wahlrechtes für die Länder sollte die Verfassung mehr
Möglichkeiten des Mehrheitswahlrechtes zulassen. (Sofern in den Bundesländern
eine qualifizierte Mehrheit dafür ist.)
Bezüglich des Weges der Bundesgesetzgebung würde ich vorschlagen, dass
eine noch zu bestimmende Anzahl von Städten oder Gemeinden das Recht bekommen
einen gleichlautenden Antrag in einer bestimmten Frist vorzulegen, der dann vom
Nationalrat in Behandlung zu nehmen ist. Gleiches gilt auch, wenn sich
zumindest drei Landtage mit gleichlautenden Gesetzestexten an das Parlament
wenden.
Für die Begutachtung von Gesetzen soll in der Verfassung ein
Mindestzeitraum vorgeschrieben werden.
Auch der österreichische Städtebund und der österreichische
Gemeindebund sollen ein grundsätzliches Begutachtungsrecht aller Gesetzesentwürfe
erhalten.
Bezüglich der einstweiligen Bundesregierung wäre meiner Meinung nach
die Verweildauer nach einer Nationalratswahl zu begrenzen. Spätestens 100 Tage
nach der Wahl sollte, falls keine „normale neue Regierung“ gebildet werden
kann, die
Tätigkeit der bisherigen Bundesregierung erlöschen und der
Bundespräsident hat ein „Übergangskabinett“ mit einem neuen Bundeskanzler zu
berufen.
Ich würde auch anregen den Zeitraum der ordentlichen Tagungen des
Nationalrates zu verlängern, (d.h. die „Sommerpause“ zu verkürzen).
Auch für den Bundesrat soll die Zahl der Vertretungen nach der
Bewohnerzahl und nicht nach der Bürgerzahl festgelegt werden.
Zu überlegen wäre, dass an den Verhandlungen des Bundesrates so wie die Landeshauptmänner, auch die Landtagspräsidenten gleiches Recht erhalten.
Das bisherige Recht der Bundesregierung gegen Gesetzesbeschlüsse eines Landtages Einspruch erheben zu können, sollte um zwei Wochen verkürzt werden. Meiner Überlegung nach könnte auch das Recht des Bundespräsidenten auf Antrag der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates, die Auflösung eines Landtages vorzunehmen, restlos gestrichen werden.
Dies sind nur einige Punkte, zu anderen Fragen werde ich in der
Diskussion des Ausschusses Stellung beziehen.
Eingebracht im Ausschuss 3, 9.
Sitzung, 21.9.2004
C
Gemeinden
Neu |
Alt |
Art. 115 (1) Jedes Land gliedert sich in Gemeinden. Die Gemeinde ist Gebietskörperschaft mit dem Recht auf Selbstverwaltung und zugleich Verwaltungssprengel. Jedes Grundstück muss zu einer Gemeinde gehören. (Art. 116 Abs. 1 wird in Art. 115 übernommen) (2) Die Zuständigkeit zur Regelung der gemäß den Art. 118, 118a und 119 von den Gemeinden zu besorgenden Angelegenheiten bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften dieses Bundesverfassungsgesetzes. (Anmerkung: Der erste Satz, sollte von der allgemeinen Kompetenzverteilung erfasst werden: Kompetenzfeld: Organisation der Länder und Gemeinden)
(3) Der Österreichische
Gemeindebund und der Österreichische Städtebund sind berufen, die Interessen
der Gemeinden zu vertreten. |
Artikel 115 (1) Soweit in den folgenden Artikeln von Gemeinden die Rede ist, sind darunter die Ortsgemeinden zu verstehen. (2) Soweit nicht ausdrücklich eine Zuständigkeit des Bundes festgesetzt ist, hat die Landesgesetzgebung das Gemeinderecht nach den Grundsätzen der folgenden Artikel dieses Abschnittes zu regeln. Die Zuständigkeit zur Regelung der gemäß den Art. 118, 118a und 119 von den Gemeinden zu besorgenden Angelegenheiten bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften dieses Bundesverfassungsgesetzes.
(3) Der Österreichische
Gemeindebund und der Österreichische Städtebund sind berufen, die Interessen
der Gemeinden zu vertreten. |
Art. 116 (1) Die Gemeinde ist selbständiger Wirtschaftskörper. Sie hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze Vermögen aller Art. zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben sowie im Rahmen der Finanzverfassung ihren Haushalt selbständig zu führen und Abgaben auszuschreiben. (Könnte entfallen, sollte im Ausschuss 7 eine entsprechende Bestimmung geschaffen worden sein)
(2)
Einer Gemeinde mit mindestens 20 000 Einwohnern ist, auf ihren Antrag durch
Landesgesetz ein eigenes Statut (Stadtrecht) zu verleihen. Einer Gemeinde mit mindestens 10 000 Einwohnern kann auf ihren Antrag durch Landesgesetz ein eigenes Statut (Stadtrecht) verliehen werden. Eine Stadt mit eigenem Statut hat neben den Aufgaben der Gemeindeverwaltung auch die der Bezirksverwaltung zu besorgen. (3) Veränderungen im Bestand von Gemeinden bedürfen Volksabstimmungen in jeder der betroffenen Gemeinde. betroffenen Gemeinden.“ - stellt eine
Forderung des Gemeindebundes dar - |
Artikel 116 (1) Jedes Land gliedert sich in Gemeinden. Die Gemeinde ist Gebietskörperschaft mit dem Recht auf Selbstverwaltung und zugleich Verwaltungssprengel. Jedes Grundstück muss zu einer Gemeinde gehören. (2) Die Gemeinde ist selbständiger Wirtschaftskörper. Sie hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben sowie im Rahmen der Finanzverfassung ihren Haushalt selbständig zu führen und Abgaben auszuschreiben. (3) Einer Gemeinde mit mindestens 20 000 Einwohnern ist, wenn Landesinteressen hiedurch nicht gefährdet werden, auf ihren Antrag durch Landesgesetz ein eigenes Statut (Stadtrecht) zu verleihen. Ein solcher Gesetzesbeschluss darf nur mit Zustimmung der Bundesregierung kundgemacht werden. Die Zustimmung gilt als gegeben, wenn die Bundesregierung nicht binnen acht Wochen von dem Tag, an dem der Gesetzesbeschluss bei dem zuständigen Bundesministerium eingelangt ist, dem Landeshauptmann mitgeteilt hat, dass diese verweigert wird. Eine Stadt mit eigenem Statut hat neben den Aufgaben der Gemeindeverwaltung auch die der Bezirksverwaltung zu besorgen.
(4) (Anm.:
Aufgehoben durch Art. I Z 14 BVG, BGBl. Nr.
490/1984.) |
Art. 116a
(1) Zur gemeinsamen Besorgung von
Angelegenheiten gleichArt.iger Aufgabengebiete des eigenen oder des
übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinde können sich Gemeinden, sofern
dies der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung
dient, durch Vereinbarung zu Gemeindeverbänden zusammenschließen, deren
örtlicher Wirkungsbereich auch Bezirks- und Landesgrenzen überschreiten darf.
Eine solche Vereinbarung bedarf der Genehmigung durch Verordnung der
Landesregierung, für den Fall dass Landesgrenzen überschritten werden, durch
übereinstimmende Verordnungen der beteiligten Länder. Die Verordnungen sind
zu erlassen, wenn eine dem Gesetz entsprechende Vereinbarung vorliegt, die
Finanzierung der zu besorgenden Aufgaben gesichert ist und die Bildung des
Gemeindeverbandes die Funktion der beteiligten Gemeinden als
Selbstverwaltungskörper nicht gefährdet. (2) Im Interesse der Zweckmäßigkeit kann durch Bundes- oder
Landesgesetz die Bildung von Gemeindeverbänden zur gemeinsamen Besorgung von
Angelegenheiten gleichArt.iger Aufgabengebiete des eigenen oder des
übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinde vorgesehen werden. Dabei darf die
Funktion der Gemeinden als Selbstverwaltungskörper und Verwaltungssprengel
nicht gefährdet werden. Werden Gemeindeverbände unmittelbar durch die
Gesetzgebung oder durch die Vollziehung eingerichtet sind die beteiligten
Gemeinden vor Kundmachung des Gesetzes oder vor Erlassung des
Verwaltungsaktes zu hören. (3) Die Organisation der Gemeindeverbände wird durch Landesgesetz
geregelt, in dem insbesondere, die Vorgangsweise bei Weisungskonflikten in
Landesgrenzen überschreitenden Angelegenheiten des übertragenen
Wirkungsbereiches der Gemeinde festzulegen ist. (4) Für Gemeindeverbände, die durch Vereinbarung geschaffen werden, sind Bestimmungen über den Beitritt und den Austritt von Gemeinden sowie über die Auflösung des Gemeindeverbandes zu treffen. (5) Die Gemeinden haben das Recht, im Interesse der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei der Besorgung von Angelegenheiten des eigenen und übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinde sich auch anderer Formen der Zusammenarbeit zwischen Gemeinden, wie der Bildung von Verwaltungsgemeinschaften, zu bedienen.
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Artikel 116a (1) Zur Besorgung einzelner Aufgaben des eigenen Wirkungsbereiches können sich Gemeinden durch Vereinbarung zu Gemeindeverbänden zusammenschließen. Eine solche Vereinbarung bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Die Genehmigung ist durch Verordnung zu erteilen, wenn eine dem Gesetz entsprechende Vereinbarung der beteiligten Gemeinden vorliegt und die Bildung des Gemeindeverbandes 1. im Falle der Besorgung von Aufgaben der Hoheitsverwaltung die Funktion der beteiligten Gemeinden als Selbstverwaltungskörper nicht gefährdet, 2. im Falle der Besorgung von Aufgaben der Gemeinden als Träger von Privatrechten aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Interesse der beteiligten Gemeinden gelegen ist. (2) Im Interesse der Zweckmäßigkeit kann die zuständige Gesetzgebung (Art. 10 bis 15) zur Besorgung einzelner Aufgaben die Bildung von Gemeindeverbänden vorsehen, doch darf dadurch die Funktion der Gemeinden als Selbstverwaltungskörper und Verwaltungssprengel nicht gefährdet werden. Bei der Bildung von Gemeindeverbänden im Wege der Vollziehung sind die beteiligten Gemeinden vorher zu hören. (3) Soweit Gemeindeverbände Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde besorgen sollen, ist den verbandsangehörigen Gemeinden ein maßgebender Einfluss auf die Besorgung der Aufgaben des Gemeindeverbandes einzuräumen. (4) Die Landesgesetzgebung hat die Organisation der Gemeindeverbände zu regeln, wobei als deren Organe jedenfalls eine Verbandsversammlung, die aus gewählten Vertretern aller verbandsangehörigen Gemeinden zu bestehen hat, und ein Verbandsobmann vorzusehen sind. Für Gemeindeverbände, die durch Vereinbarung gebildet worden sind, sind weiters Bestimmungen über den Beitritt und Austritt von Gemeinden sowie über die Auflösung des Gemeindeverbandes zu treffen.
(5) Die
Zuständigkeit zur Regelung der von den Gemeindeverbänden zu besorgenden
Angelegenheiten bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften dieses
Bundesverfassungsgesetzes. |
Art. 117 (1) Als Organe der Gemeinde sind jedenfalls vorzusehen: a) der Gemeinderat, das ist ein von den Wahlberechtigten der Gemeinde zu wählender allgemeiner Vertretungskörper; b) der Gemeindevorstand (Stadtrat), bei Städten mit eigenem Statut der Stadtsenat; c) der Bürgermeister. [Abs. 2 1. Satz kann entfallen, wenn es einheitliche Grundsätze für alle Wahlen geben sollte] (2) Die Wahlen in den Gemeinderat finden auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Verhältniswahlrechts aller Staatsbürger statt, die in der Gemeinde den Hauptwohnsitz haben; die Landesgesetze können jedoch vorsehen, dass auch Staatsbürger, die in der Gemeinde einen Wohnsitz, nicht aber den Hauptwohnsitz haben, wahlberechtigt sind. In der Wahlordnung dürfen die Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechtes nicht enger gezogen sein als in der Wahlordnung zum Landtag. Unter den von den Ländern festzulegenden Bedingungen steht das aktive und passive Wahlrecht auch den Staatsbürgern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu. Die Wahlordnung kann bestimmen, dass die Wähler ihr Wahlrecht in Wahlkreisen ausüben, von denen jeder ein geschlossenes Gebiet umfassen muss. Eine Gliederung der Wählerschaft in andere Wahlkörper ist nicht zulässig. [ Für den Fall, dass keine Wahlvorschläge eingebracht werden, kann in der Wahlordnung bestimmt werden, dass Personen als gewählt gelten, deren Namen auf den Stimmzetteln am häufigsten genannt werden.] – Könnte ebenfalls entfallen! (3) Zu einem Beschluss des Gemeinderates ist die einfache Mehrheit der in beschlussfähiger Anzahl anwesenden Mitglieder desselben erforderlich; es können jedoch für bestimmte Angelegenheiten andere Beschlussfassungserfordernisse vorgesehen werden. (4) Die Sitzungen des Gemeinderates sind öffentlich, es können jedoch Ausnahmen vorgesehen werden. Wenn der Gemeindevoranschlag oder der Gemeinderechnungsabschluss behandelt wird, darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden. (5) Im Gemeinderat vertretene Wahlparteien haben nach Maßgabe ihrer Stärke Anspruch auf Vertretung im Gemeindevorstand. (6) Der Bürgermeister wird vom Gemeinderat gewählt. In der Landesverfassung kann vorgesehen werden, dass die zur Wahl des Gemeinderates Berechtigten den Bürgermeister wählen. (7) Die Geschäfte der Gemeinden werden durch das Gemeindeamt (Stadtamt), jene der Städte mit eigenem Statut durch den Magistrat besorgt. Zum Leiter des inneren Dienstes des Magistrates ist ein rechtskundiger Verwaltungsbeamter als Magistratsdirektor zu bestellen. (8) In Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde kann der Landesgesetzgeber die unmittelbare Teilnahme und Mitwirkung der zum Gemeinderat Wahlberechtigten vorsehen.
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Artikel 117 (1) Als Organe der Gemeinde sind jedenfalls vorzusehen: a) der Gemeinderat, das ist ein von den Wahlberechtigten der Gemeinde zu wählender allgemeiner Vertretungskörper; b) der Gemeindevorstand (Stadtrat), bei Städten mit eigenem Statut der Stadtsenat; c) der Bürgermeister. (2) Die Wahlen in den Gemeinderat finden auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Verhältniswahlrechts aller Staatsbürger statt, die in der Gemeinde den Hauptwohnsitz haben; die Landesgesetze können jedoch vorsehen, dass auch Staatsbürger, die in der Gemeinde einen Wohnsitz, nicht aber den Hauptwohnsitz haben, wahlberechtigt sind. In der Wahlordnung dürfen die Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechtes nicht enger gezogen sein als in der Wahlordnung zum Landtag. Es kann jedoch bestimmt werden, dass das aktive und passive Wahlrecht in den Gemeinderat Personen, die sich noch nicht ein Jahr in der Gemeinde aufhalten, dann nicht zukommt, wenn ihr Aufenthalt in der Gemeinde offensichtlich nur vorübergehend ist. Unter den von den Ländern festzulegenden Bedingungen steht das aktive und passive Wahlrecht auch den Staatsbürgern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu. Die Bestimmungen über die Wahlpflicht bei den Wahlen zum Landtag (Art. 95 Abs. 1 letzter Satz) finden für die Wahlen in den Gemeinderat sinngemäß Anwendung. Die Wahlordnung kann bestimmen, dass die Wähler ihr Wahlrecht in Wahlkreisen ausüben, von denen jeder ein geschlossenes Gebiet umfassen muss. Eine Gliederung der Wählerschaft in andere Wahlkörper ist nicht zulässig. Für den Fall, dass keine Wahlvorschläge eingebracht werden, kann in der Wahlordnung bestimmt werden, dass Personen als gewählt gelten, deren Namen auf den Stimmzetteln am häufigsten genannt werden. (3) Zu einem Beschluss des Gemeinderates ist die einfache Mehrheit der in beschlussfähiger Anzahl anwesenden Mitglieder desselben erforderlich; es können jedoch für bestimmte Angelegenheiten andere Beschlussfassungserfordernisse vorgesehen werden. (4) Die Sitzungen des Gemeinderates sind öffentlich, es können jedoch Ausnahmen vorgesehen werden. Wenn der Gemeindevoranschlag oder der Gemeinderechnungsabschluss behandelt wird, darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden. (5) Im Gemeinderat vertretene Wahlparteien haben nach Maßgabe ihrer Stärke Anspruch auf Vertretung im Gemeindevorstand. (6) Der Bürgermeister wird vom Gemeinderat gewählt. In der Landesverfassung kann vorgesehen werden, dass die zur Wahl des Gemeinderates Berechtigten den Bürgermeister wählen. (7) Die Geschäfte der Gemeinden werden durch das Gemeindeamt (Stadtamt), jene der Städte mit eigenem Statut durch den Magistrat besorgt. Zum Leiter des inneren Dienstes des Magistrates ist ein rechtskundiger Verwaltungsbeamter als Magistratsdirektor zu bestellen.
(8)
In Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde kann der
Landesgesetzgeber die unmittelbare Teilnahme und Mitwirkung der zum
Gemeinderat Wahlberechtigten vorsehen. |
Art. 118 (1) Der Wirkungsbereich der Gemeinde ist ein eigener und ein vom Bund oder vom Land übertragener. (2) Der eigene Wirkungsbereich umfasst neben den im Art. 116 Abs. 2 angeführten Angelegenheiten alle Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Die Gesetze haben derArt.ige Angelegenheiten ausdrücklich als solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zu bezeichnen. (3) Der Gemeinde sind zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich die behördlichen Aufgaben insbesondere in folgenden Angelegenheiten gewährleistet: 1. Bestellung der Gemeindeorgane unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Wahlbehörden; Regelung der inneren Einrichtungen zur Besorgung der Gemeindeaufgaben; 2. Bestellung der Gemeindebediensteten und Ausübung der Diensthoheit unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Disziplinar-, Qualifikations- und Prüfungskommissionen; 3. örtliche Sicherheitspolizei (Art. 15 Abs. 2), örtliche Veranstaltungspolizei; 4. Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde, örtliche Straßenpolizei; 5. Flurschutzpolizei; 6. örtliche Marktpolizei; 7. örtliche Gesundheitspolizei, insbesondere auch auf dem Gebiet des Hilfs- und Rettungswesens sowie des Leichen- und Bestattungswesens; 8. Sittlichkeitspolizei; 9. örtliche Baupolizei, soweit sie nicht bundeseigene Gebäude, die öffentlichen Zwecken dienen (Art. 15 Abs. 5) zum Gegenstand hat; örtliche Feuerpolizei; örtliche Raumplanung; 10. öffentliche Einrichtungen zur außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten; 11. freiwillige Feilbietungen beweglicher Sachen. (4) Die Gemeinde hat die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes in eigener Verantwortung frei von Weisungen und - vorbehaltlich der Bestimmungen des Art. 119a Abs. 5 – unter Ausschluss eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde zu besorgen. Dem Bund und dem Land kommt gegenüber der Gemeinde bei Besorgung ihres eigenen Wirkungsbereiches ein Aufsichtsrecht (Art. 119a) zu. Die Bestimmungen des Art. 12 Abs. 2 bleiben unberührt. (5) Der Bürgermeister, die Mitglieder des Gemeindevorstandes (Stadtrates, Stadtsenates) und allenfalls bestellte andere Organe der Gemeinde sind für die Erfüllung ihrer dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zugehörigen Aufgaben dem Gemeinderat verantwortlich. (6) In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches hat die Gemeinde das Recht, Verordnungen nach freier Selbstbestimmung zur Abwehr und Beseitigung von Gefahren und Missständen, soweit dies im öffentlichen Interesse gelegen ist, zu erlassen. Die Gemeinde kann die Übertretung solcher Verordnungen zu Verwaltungsübertretungen erklären und Strafbestimmungen bis zu einer gesetzlich festzulegenden Strafhöhe erlassen. Die Gemeinde ist berechtigt, auch Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt anzuordnen und Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der öffentlichen Aufsicht zur Mitwirkung an der Vollziehung zu ermächtigen. Solche Verordnungen dürfen nicht gegen bestehende Gesetze des Bundes und des Landes verstoßen. (7) Auf Antrag einer Gemeinde kann die Besorgung einzelner Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches nach Maßgabe des Art. 119a Abs. 3 durch Verordnung der Landesregierung beziehungsweise durch Verordnung des Landeshauptmannes auf eine staatliche Behörde oder eine Stadt mit eigenem Statut übertragen werden. Soweit durch eine solche Verordnung eine Zuständigkeit auf eine Bundesbehörde übertragen werden soll, bedarf sie der Zustimmung der Bundesregierung. Soweit durch eine solche Verordnung des Landeshauptmannes eine Zuständigkeit auf eine Landesbehörde übertragen werden soll, bedarf sie der Zustimmung der Landesregierung. Soweit durch eine solche Verordnung eine Zuständigkeit auf eine Stadt mit eigenem Statut übertragen werden soll, bedarf sie der Zustimmung des Gemeinderates. Eine solche Verordnung ist jederzeit auf Verlangen der Gemeinde wieder aufzuheben. Die Übertragung erstreckt sich nicht auf das Verordnungsrecht nach Abs. 6. (8) Die Errichtung eines Gemeindewachkörpers oder eine Änderung seiner Organisation ist der Bundesregierung anzuzeigen.
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Artikel 118 (1) Der Wirkungsbereich der Gemeinde ist ein eigener und ein vom Bund oder vom Land übertragener. (2) Der eigene Wirkungsbereich umfasst neben den im Art. 116 Abs. 2 angeführten Angelegenheiten alle Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Die Gesetze haben derartige Angelegenheiten ausdrücklich als solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zu bezeichnen. (3) Der Gemeinde sind zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich die behördlichen Aufgaben insbesondere in folgenden Angelegenheiten gewährleistet: 1. Bestellung von Gemeindeorgane unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Wahlbehörden; Regelung der inneren Einrichtungen zur Besorgung der Gemeindeaufgaben; 2. Bestellung der Gemeindebediensteten und Ausübung der Diensthoheit unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Disziplinar-, Qualifikations- und Prüfungskommissionen; 3. örtliche Sicherheitspolizei (Art. 15 Abs. 2), örtliche Veranstaltungspolizei; 4. Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde, örtliche Straßenpolizei; 5. Flurschutzpolizei; 6. örtliche Marktpolizei; 7. örtliche Gesundheitspolizei, insbesondere auch auf dem Gebiet des Hilfs- und Rettungswesens sowie des Leichen- und Bestattungswesens; 8. Sittlichkeitspolizei; 9. örtliche Baupolizei, soweit sie nicht bundeseigene Gebäude, die öffentlichen Zwecken dienen (Art. 15 Abs. 5) zum Gegenstand hat; örtliche Feuerpolizei; örtliche Raumplanung; 10. öffentliche Einrichtungen zur außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten; 11. freiwillige Feilbietungen beweglicher Sachen. (4) Die Gemeinde hat die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes in eigener Verantwortung frei von Weisungen und - vorbehaltlich der Bestimmungen des Art. 119a Abs. 5 – unter Ausschluss eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde zu besorgen. Dem Bund und dem Land kommt gegenüber der Gemeinde bei Besorgung ihres eigenen Wirkungsbereiches ein Aufsichtsrecht (Art. 119a) zu. Die Bestimmungen des Art. 12 Abs. 2 bleiben unberührt. (5) Der Bürgermeister, die Mitglieder des Gemeindevorstandes (Stadtrates, Stadtsenates) und allenfalls bestellte andere Organe der Gemeinde sind für die Erfüllung ihrer dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zugehörigen Aufgaben dem Gemeinderat verantwortlich. (6) In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches hat die Gemeinde das Recht, ortspolizeiliche Verordnungen nach freier Selbstbestimmung zur Abwehr unmittelbar zu erwartender oder zur Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben störender Missstände zu erlassen, sowie deren Nichtbefolgung als Verwaltungsübertretung zu erklären. Solche Verordnungen dürfen nicht gegen bestehende Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landesverstoßen. (7) Auf Antrag einer Gemeinde kann die Besorgung einzelner Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches nach Maßgabe des Art. 119a Abs. 3 durch Verordnung der Landesregierung beziehungsweise durch Verordnung des Landeshauptmannes auf eine staatliche Behörde übertragen werden. Soweit durch eine solche Verordnung eine Zuständigkeit auf eine Bundesbehörde übertragen werden soll, bedarf sie der Zustimmung der Bundesregierung. Soweit durch eine solche Verordnung des Landeshauptmannes eine Zuständigkeit auf eine Landesbehörde übertragen werden soll, bedarf sie der Zustimmung der Landesregierung. Eine solche Verordnung ist aufzuheben, sobald der Grund für ihre Erlassung weggefallen ist. Die Übertragung erstreckt sich nicht auf das Verordnungsrecht nach Abs. 6.
(8) Die Errichtung eines Gemeindewachkörpers
oder eine Änderung seiner Organisation ist der Bundesregierung anzuzeigen. |
Art. 118a (1) Durch Bundes- oder Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Angehörigen eines Gemeindewachkörpers mit Zustimmung der Gemeinde zur Besorgung des Exekutivdienstes für die zuständige Behörde ermächtigt werden können. (2) Mit Zustimmung der Gemeinde kann die Bezirksverwaltungsbehörde Angehörige eines Gemeindewachkörpers ermächtigen, an der Handhabung des Verwaltungsstrafgesetzes im selben Umfang mitzuwirken wie die übrigen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Diese Ermächtigung kann nur erteilt werden, soweit die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in der den Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens bildenden Angelegenheit die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften zu überwachen haben oder soweit diese Angelegenheit im Wirkungsbereich der Gemeinde zu besorgen ist.
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Artikel 118a (1) Durch Bundes- oder Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Angehörigen eines Gemeindewachkörpers mit Zustimmung der Gemeinde zur Besorgung des Exekutivdienstes für die zuständige Behörde ermächtigt werden können.
(2)
Mit Zustimmung der Gemeinde kann die Bezirksverwaltungsbehörde Angehörige
eines Gemeindewachkörpers ermächtigen, an der Handhabung des
Verwaltungsstrafgesetzes im selben Umfang mitzuwirken wie die übrigen Organe
des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Diese Ermächtigung kann nur erteilt
werden, soweit die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in der den
Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens bildenden Angelegenheit die
Einhaltung der Verwaltungsvorschriften zu überwachen haben oder soweit diese
Angelegenheit im Wirkungsbereich der Gemeinde zu besorgen ist. |
Art. 119 (1) Der übertragene Wirkungsbereich umfasst die Angelegenheiten, die die Gemeinde nach Maßgabe der Bundesgesetze im Auftrag und nach den Weisungen des Bundes oder nach Maßgabe der Landesgesetze im Auftrag und nach den Weisungen des Landes zu besorgen hat. (2) Die Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches werden vom Bürgermeister besorgt. Er ist hiebei in den Angelegenheiten der Bundesvollziehung an die Weisungen der zuständigen Organe des Bundes, in den Angelegenheiten der Landesvollziehung an die Weisungen der zuständigen Organe des Landes gebunden und nach Abs. 4 verantwortlich. (3) Der Bürgermeister kann einzelne Gruppen von Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches - unbeschadet seiner Verantwortlichkeit - wegen ihres sachlichen Zusammenhanges mit den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches Mitgliedern des Gemeindevorstandes (Stadtrates, Stadtsenates), anderen nach Art. 117 Abs. 1 geschaffenen Organen oder bei Kollegialorganen deren Mitgliedern zur Besorgung in seinem Namen übertragen. In diesen Angelegenheiten sind die betreffenden Organe oder deren Mitglieder an die Weisungen des Bürgermeisters gebunden und nach Abs. 4 verantwortlich. (4) Auf Antrag einer Stadt mit eigenen Statut kann die Besorgung einzelner Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches, nach Maßgabe des Art. 119a Abs. 3 durch Verordnung der Landesregierung bzw. Verordnung des Landeshauptmannes auf eine staatliche Behörde übertragen werden, deren Sitz im Gebiet einer Stadt mit eigenem Statut liegt. Unter den selben Voraussetzungen kann die Besorgung solcher Angelegenheiten von staatlichen Behörden auf eine Stadt mit eigenen Statut übertragen werden. (5) Wegen Gesetzesverletzung sowie wegen Nichtbefolgung einer Verordnung oder einer Weisung können die in den Abs. 2 und 3 genannten Organe, soweit ihnen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, wenn sie auf dem Gebiet der Bundesvollziehung tätig waren, vom Landeshauptmann, wenn sie auf dem Gebiet der Landesvollziehung tätig waren, von der Landesregierung ihres Amtes verlustig erklärt werden. Die allfällige Mitgliedschaft einer solchen Person zum Gemeinderat wird hiedurch nicht berührt.
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Artikel 119 (1) Der übertragene Wirkungsbereich umfasst die Angelegenheiten, die die Gemeinde nach Maßgabe der Bundesgesetze im Auftrag und nach den Weisungen des Bundes oder nach Maßgabe der Landesgesetze im Auftrag und nach den Weisungen des Landes zu besorgen hat. (2) Die Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches werden vom Bürgermeister besorgt. Er ist hiebei in den Angelegenheiten der Bundesvollziehung an die Weisungen der zuständigen Organe des Bundes, in den Angelegenheiten der Landesvollziehung an die Weisungen der zuständigen Organe des Landes gebunden und nach Abs. 4 verantwortlich. (3) Der Bürgermeister kann einzelne Gruppen von Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches - unbeschadet seiner Verantwortlichkeit - wegen ihres sachlichen Zusammenhanges mit den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches Mitgliedern des Gemeindevorstandes (Stadtrates, Stadtsenates), anderen nach Art. 117 Abs. 1 geschaffenen Organen oder bei Kollegialorganen deren Mitgliedern zur Besorgung in seinem Namen übertragen. In diesen Angelegenheiten sind die betreffenden Organe oder deren Mitglieder an die Weisungen des Bürgermeisters gebunden und nach Abs. 4 verantwortlich.
(4)
Wegen Gesetzesverletzung sowie wegen Nichtbefolgung einer Verordnung oder
einer Weisung können die in den Abs. 2 und 3 genannten Organe, soweit ihnen
Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, wenn sie auf dem Gebiet der
Bundesvollziehung tätig waren, vom Landeshauptmann, wenn sie auf dem Gebiet
der Landesvollziehung tätig waren, von der Landesregierung ihres Amtes
verlustig erklärt werden. Die allfällige Mitgliedschaft einer solchen Person
zum Gemeinderat wird hiedurch nicht berührt. |
Art. 119a (1) Der Bund und das Land üben das Aufsichtsrecht über die Gemeinde dahin aus, dass diese bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches die Gesetze und Verordnungen nicht verletzt, insbesondere ihren Wirkungsbereich nicht überschreitet und die ihr gesetzlich obliegenden Aufgaben erfüllt. (2) Das Land hat ferner das Recht, die Gebarung der Gemeinde auf ihre Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Gemeinden, die gemäß Art. 127a B-VG der Kontrolle durch den Rechnungshof unterliegen, sind vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung ausgenommen. Das Ergebnis der Überprüfung ist dem Bürgermeister zur Vorlage an den Gemeinderat zu übermitteln. Der Bürgermeister hat die auf Grund des Überprüfungsergebnisses getroffenen Maßnahmen innerhalb von drei Monaten der Aufsichtsbehörde mitzuteilen. (3) Das Aufsichtsrecht und dessen gesetzliche Regelung stehen, insoweit als der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde Angelegenheiten aus dem Bereich der Bundesvollziehung umfasst, dem Bund, im Übrigen den Ländern zu; das Aufsichtsrecht ist von den Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung auszuüben. (4) Die Aufsichtsbehörde ist berechtigt, sich über jedwede Angelegenheit der Gemeinde zu unterrichten. Die Gemeinde ist verpflichtet, die von der Aufsichtsbehörde im einzelnen Fall verlangten Auskünfte zu erteilen und Prüfungen an Ort und Stelle vornehmen zu lassen. (5) soll aufgrund der Ergebnisse im Ausschuss 9 entfallen (6) soll entfallen (7) Sofern die zuständige Gesetzgebung (Abs. 3) als Aufsichtsmittel die Auflösung des Gemeinderates vorsieht, kommt diese Maßnahme in Ausübung des Aufsichtsrechtes des Landes der Landesregierung, in Ausübung des Aufsichtsrechtes des Bundes dem Landeshauptmann zu. Die Zulässigkeit der Ersatzvornahme als Aufsichtsmittel ist auf die Fälle unbedingter Notwendigkeit zu beschränken. Die Aufsichtsmittel sind unter möglichster Schonung erworbener Rechte Dritter zu handhaben. (8) Einzelne von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu treffende Maßnahmen, durch die auch überörtliche Interessen in besonderem Maß berührt werden, insbesondere solche von besonderer finanzieller Bedeutung, können durch die zuständige Gesetzgebung (Abs. 3) an eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde gebunden werden. Als Grund für die Versagung der Genehmigung darf nur ein Tatbestand vorgesehen werden, der die Bevorzugung überörtlicher Interessen eindeutig rechtfertigt. (9) Die Gemeinde hat im aufsichtsbehördlichen Verfahren PArt.eistellung; sie ist berechtigt, gegen die Aufsichtsbehörde vor dem Verwaltungsgerichtshof (Art. 131 und 132) und vor dem Verfassungsgerichtshof (Art. 144) Beschwerde zu führen. (10) Die Bestimmungen dieses Artikels sind auf die Aufsicht über Gemeindeverbände, soweit diese Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde besorgen, entsprechend anzuwenden. |
Artikel 119a (1) Der Bund und das Land üben das Aufsichtsrecht über die Gemeinde dahin aus, dass diese bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches die Gesetze und Verordnungen nicht verletzt, insbesondere ihren Wirkungsbereich nicht überschreitet und die ihr gesetzlich obliegenden Aufgaben erfüllt. (2) Das Land hat ferner das Recht, die Gebarung der Gemeinde auf ihre Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Das Ergebnis der Überprüfung ist dem Bürgermeister zur Vorlage an den Gemeinderat zu übermitteln. Der Bürgermeister hat die auf Grund des Überprüfungsergebnisses getroffenen Maßnahmen innerhalb von drei Monaten der Aufsichtsbehörde mitzuteilen. (3) Das Aufsichtsrecht und dessen gesetzliche Regelung stehen, insoweit als der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde Angelegenheiten aus dem Bereich der Bundesvollziehung umfasst, dem Bund, im Übrigen den Ländern zu; das Aufsichtsrecht ist von den Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung auszuüben. (4) Die Aufsichtsbehörde ist berechtigt, sich über jedwede Angelegenheit der Gemeinde zu unterrichten. Die Gemeinde ist verpflichtet, die von der Aufsichtsbehörde im einzelnen Fall verlangten Auskünfte zu erteilen und Prüfungen an Ort und Stelle vornehmen zu lassen. (5) Wer durch den Bescheid eines Gemeindeorgans in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, kann nach Erschöpfung des Instanzenzuges (Art. 118 Abs. 4) innerhalb von zwei Wochen nach Erlassung des Bescheides dagegen Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde erheben. Diese hat den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen. Für Städte mit eigenem Statut kann die zuständige Gesetzgebung (Abs. 3) anordnen, dass die Vorstellung an die Aufsichtsbehörde nicht stattfindet. (6) Die Gemeinde hat im eigenen Wirkungsbereich erlassene Verordnungen der Aufsichtsbehörde unverzüglich mitzuteilen. Die Aufsichtsbehörde hat gesetzwidrige Verordnungen nach Anhörung der Gemeinde durch Verordnung aufzuheben und die Gründe hiefür der Gemeinde gleichzeitig mitzuteilen. (7) Sofern die zuständige Gesetzgebung (Abs. 3) als Aufsichtsmittel die Auflösung des Gemeinderates vorsieht, kommt diese Maßnahme in Ausübung des Aufsichtsrechtes des Landes der Landesregierung, in Ausübung des Aufsichtsrechtes des Bundes dem Landeshauptmann zu. Die Zulässigkeit der Ersatzvornahme als Aufsichtsmittel ist auf die Fälle unbedingter Notwendigkeit zu beschränken. Die Aufsichtsmittel sind unter möglichster Schonung erworbener Rechte Dritter zu handhaben. (8) Einzelne von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu treffende Maßnahmen, durch die auch überörtliche Interessen in besonderem Maß berührt werden, insbesondere solche von besonderer finanzieller Bedeutung, können durch die zuständige Gesetzgebung (Abs. 3) an eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde gebunden werden. Als Grund für die Versagung der Genehmigung darf nur ein Tatbestand vorgesehen werden, der die Bevorzugung überörtlicher Interessen eindeutig rechtfertigt. (9) Die Gemeinde hat im aufsichtsbehördlichen Verfahren Parteistellung; sie ist berechtigt, gegen die Aufsichtsbehörde vor dem Verwaltungsgerichtshof (Art. 131 und 132) und vor dem Verfassungsgerichtshof (Art. 144) Beschwerde zu führen.
(10)
Die Bestimmungen dieses Artikels sind auf die Aufsicht über Gemeindeverbände,
soweit diese Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde
besorgen, entsprechend anzuwenden. |
Art. 120 B-VG Die Zusammenfassung von Ortsgemeinden zu Gebietsgemeinden, deren Einrichtung nach dem Muster der Selbstverwaltung sowie die Festsetzung weiterer Grundsätze für die Organisation der allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern ist Sache der Bundesverfassungsgesetzgebung; die Ausführung obliegt der Landesgesetzgebung. Die Regelung der Zuständigkeit in Angelegenheiten des Dienstrechtes und des Personalvertretungsrechtes der Bediensteten der Gebietsgemeinden ist Sache der Bundesverfassungsgesetzgebung. |
Artikel 120 Die Zusammenfassung
von Ortsgemeinden zu Gebietsgemeinden, deren Einrichtung nach dem Muster der
Selbstverwaltung sowie die Festsetzung weiterer Grundsätze für die
Organisation der allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern ist Sache
der Bundesverfassungsgesetzgebung; die Ausführung obliegt der
Landesgesetzgebung. Die Regelung der Zuständigkeit in Angelegenheiten des
Dienstrechtes und des Personalvertretungsrechtes der Bediensteten der
Gebietsgemeinden ist Sache der Bundesverfassungsgesetzgebung. |
Eingebracht im Ausschuss 3, 2.
Sitzung, 14.10.2003
Sehr geehrter Herr Vorsitzender !
Nachstehend versuche ich einige Themata, die mit persönlich besonders
wichtig erscheinen, nicht nur aufzulisten, sondern auch mit Anmerkungen zu
versehen, worin – meines Erachtens nach - das Problem besteht und in welche
Richtung ich Lösungsansätze zu suchen vorschlage.
Sparsamkeit/Größe parlamentarischer Gremien: Es muss wohl von Anfang an
klargestellt werden, dass der von vielen immer wieder betonte Aspekt der
„Einsparungen“ hinsichtlich parlamentarischer Gremien ein höchst
problematischer, wenn nicht sogar populistischer Ansatz ist. Deren
Funktionsfähigkeit hinsichtlich Spezialisierung, zunehmender internationaler
Aufgaben und nicht zuletzt „Ansprechbarkeit“ für BürgerInnen erscheint mir
wesentlich bedeutsamer als die mögliche Einsparung durch die Reduzierung der
Mitgliederzahlen.
Bundesrat: Dass ich hier auch Interessen vertrete, ist offenkundig. Im
Sinne einer ökonomischen Arbeitsweise plädiere ich dafür, dass an diese Frage
einvernehmlich mit der Arbeitsgruppe 5 herangegangen wird; eine Klärung der
Vorgangsweise durch die beiden Ausschussvorsitzenden erschiene mir sinnvoll.
Von der Logik her, hätte aber wohl die Arbeitsgruppe 5 einen gewissen Vorrang,
da erst nach Herstellung des Einvernehmens über den künftigen
Gesetzgebungsprozess eine Debatte über Bestellung und Organisation des
Bundesrates zielführend sein kann.
Wahlsystem: Ich erachte das derzeitige System, dass die Zurechnung von
Mandaten an Bundesländer und Wahlkreise nach der „Bürgerzahl“ vornimmt
(übrigens auch bei der derzeitigen Bestellungsweise des Bundesrates) für extrem
problematisch. Die einzige annehmbare Grundlage – wie auch alle internationalen
Beispiele zeigen – ist die Wählerzahl.
Ausgehend von den berechtigten Wünschen nach einer stärkeren Bindung
zwischen Wählern und Gewählten wäre ein Nationalratswahlsystem, das auf
Einer-Wahlkreisen aufbaut und – nicht in den Bundesländern, aber
bundeseinheitlich – für einen extremen Proporzausgleich sorgt, sowohl diesen
Bedürfnissen entsprechend wie auch der österreichischen Tradition der extremen
Repräsentativität entsprechend.
Wahlformen: Alle Möglichkeiten, die Stimmabgabe zu erleichtern, wären
wohlwollend zu überprüfen. Das gilt für die – auch verfassungsrechtlich
abgesicherte – vorzeitige Stimmabgabe, eventuell Briefwahl, Ausbau des Systems
der Wahlkarten (Wahllokale ev. auch außerhalb des jeweiligen „Wahlgebietes“ bei
Regionalwahlen), während e-voting wohl noch nicht hinlänglich ausgereift ist.
Wahlberechtigung: Die generelle Senkung des Wahlalters (auf 16 Jahre),
die aktive Wahlberechtigung für EU-Bürger auch bei Landes- und Bundeswahlen,
die Wahlberechtigung auf allen Ebenen für lange ansässige Nicht-Staatsbürger
sind zumindest sachlich zu debattieren. Sonderprobleme wirft das Melderecht und
die sich daraus ergebende Praxis auf: Inwieweit es mit dem Gleichheitsgrundsatz
zu vereinbaren ist, dass Personen mit „mehreren Lebensmittelpunkten“ zu
mehreren Gemeinderäten und Landtagen wahlberechtigt sind ist zumindest
diskussionsbedürftig (zumindest in der gegenwärtigen Kreationsform des
Bundesrates ergibt sich das Sonderproblem, dass Personen mit „mehreren
Lebensmittelpunkten“ mehrfach – via Stimmabgabe für den Landtag – über dessen
Zusamensetzung entscgheiden.
Gebietsgemeinden: Sicherlich nicht allein Thema dieser Arbeitsgruppe ist die Frage, inwieweit nicht freiwillige, wenn auch bundeseinheitlich normierten logischen Kriterien entsprechende Gemeindeverbände (Gebietsgemeinden) jene Aufgaben übernehmen könnten und sollten, die derzeit im Wesentlichen von den Bezirksverwaltungsbehörden ausgeübt werden, und zudem übertragene Aufgaben der Einzelgemeinden ökonomischer bearbeiten könnten.
In diesem Zusammenhang – wenn auch wiederum möglicherweise nicht nur in
Arbeitsgruppe 3 zu beraten – erscheint mir eine Verfassungsnorm überlegenswert,
die Bund und Länder verpflichtet, bei der „Aufteilung“ des Staatsgebietes
(Bezirksgerichte, Dienststellen der Sicherheitsexekutive, Finanzämter etc.) auf
solche Einheiten (Bezirke, Gebietsgemeinden) verpflichtend Rücksicht zu
nehmen.
Ich hoffe, dass diese Aufzählung in etwa dem entspricht, was Sie sich
als „Initialzündung“ seitens der Mitglieder der Arbeitsgruppe erwarten.
Mit freundlichen Grüßen
Albrecht K. Konečny
Eingebracht im Ausschuss 3, 4.
Sitzung, 20.11.2003
Wien,
7. November 2003
Herrn Univ.Prof.
Dr. Gerhart Holzinger Vorsitzender
des Ausschusses 3 |
Sehr geehrter Herr Universitätsprofessor!
Lieber Gerhard!
Herzlichen Dank für Deinen Brief vom 29. Oktober 2003, in
dem Du mich daran erinnerst, dass ich in der letzten Sitzung des Ausschusses
Nr. 3 einen "Textvorschlag" für die Art. 27 ff B‑VG übernommen habe.
Ich habe – zumindest den ersten Teil – meiner Tätigkeit abgeschlossen
und übermittle Dir beiliegend das Ergebnis. Dazu möchte ich aber folgende
Anmerkungen machen:
·
In der linken Spalte findest Du den geltenden Verfassungstext, von dem ich
– subjektiv – der Meinung bin, dass er in der künftigen Verfassung
Aufnahme finden soll. An den verba legalia des B-VG habe ich nur dort, wo dies
unbedingt erforderlich erscheint, Änderungen vorgenommen. Diese
"neuen" Textpassagen sind rot gedruckt.
·
In der mittleren Spalte befindet sich der geltende Verfassungstext, der in die
neu zu schaffenden oder bestehenden 2/3-Mehrheitsgesetze Aufnahme finden soll.
Sind diese Bestimmungen bereits in geltenden Gesetzen enthalten (insbesondere
GOG NR), so ist dies gesondert angemerkt.
·
In der rechten Spalte finden sich die aus meiner Sicht notwendigen Anmerkungen.
·
In Deinem Brief verweist Du auf die von mir übernommene Arbeit beginnende mit
Art. 27 B-VG. Ich habe einerseits bereits bei Art. 26 begonnen, aber
– eher willkürlich – mit Art. 33 B-VG geendet. Mir ist klar,
dass diese Arbeit auch in den nachfolgenden Bestimmungen über den Bundesrat und
die Bundesversammlung und letztendlich bis zum Art. 59b B-VG fortzusetzen
wäre. Im Hinblick auf den Umfang dieser Arbeiten erschiene es mir aber sinnvoll,
vorerst einmal eine Diskussion über die vorbereiteten Unterlagen über den
Nationalrat abzuführen. Erst wenn Klarheit über die sich hiebei ergebende
Systematik besteht, können die erwähnten weiteren Arbeiten sinnvoll geleistet
werden.
·
Letztlich erscheint klar, dass bei einer Neufassung der Art. 26 bis 59b B-VG
auch die Gesetzesbegriffe teilweise geändert werden müssen. Im Interesse einer
leichteren Entscheidbarkeit habe ich diesbezüglich jedoch keine Änderungen
vorgenommen, sondern bin weitgehend beim bestehenden Verfassungstext
verblieben. Diese sprachlichen Bereinigungen sind zudem wohl erst möglich, wenn
ein neuer Verfassungstext samt Nebengesetzen im Lichte der Arbeitsergebnisse
der übrigen Ausschüsse formuliert wird.
In der Hoffnung, eine taugliche Arbeitsgrundlage für die
Arbeit Deines Ausschusses geleistet zu haben verbleibe ich
mit den besten Grüßen
Dr. Peter Kostelka e.h.
BUNDES-VERFASSUNGSGESETZ
Verfassung 2/3-Mehrheitsgesetz[107] Bemerkungen
Artikel 26 (1) Der Nationalrat (Art. X), die Landtage (Art. XX) und die
Gemeinderäte (Art. XXX) werden |
... der Männer und Frauen, die vor dem 1. Jänner des Jahres der Wahl
das 18. Lebensjahr vollendet haben, ... |
Ziel ist eine kurze Wahlrechts-Zielbestimmung für alle direkt
gewählten allgemeinen Vertretungskörper am Beginn der Verfassung (ev. Art 1
Abs 2). Daher sind in diese Bestimmung auch die Regelungen von Art 95
(Landtage) und 117 (Gemeinderäte) zu integrieren. Gegebenenfalls kann auch
die Altersgrenze im das WahlrechtsgrundsatzG übernommen werden |
Verfassung 2/3-Mehrheitsgesetz1 Bemerkungen
|
(2) Das Bundesgebiet wird in räumlich geschlossene Wahlkreise geteilt, deren Grenzen die Landesgrenzen nicht schneiden dürfen; diese Wahlkreise sind in räumlich geschlossene Regionalwahlkreise zu untergliedern. Die Zahl der Abgeordneten wird auf die Wahlberechtigten der Wahlkreise (Wahlkörper) im Verhältnis der Zahl der Staatsbürger, die nach dem Ergebnis der letzten Volkszählung im jeweiligen Wahlkreis den Hauptwohnsitz hatten, vermehrt um die Zahl der Staatsbürger, die am Zähltag im Bundesgebiet zwar nicht den Hauptwohnsitz hatten, aber in einer Gemeinde des jeweiligen Wahlkreises in der Wählerevidenz eingetragen waren, verteilt; in gleicher Weise wird die Zahl der einem Wahlkreis zugeordneten Abgeordneten auf die Regionalwahlkreise verteilt. Die Wahlordnung zum Nationalrat hat ein abschließendes Ermittlungsverfahren im gesamten Bundesgebiet vorzusehen, durch das sowohl ein Ausgleich der den wahlwerbenden Parteien in den Wahlkreisen zugeteilten als auch eine Aufteilung der noch nicht zugeteilten Mandate nach den Grundsätzen der Verhältniswahl erfolgt. Eine Gliederung der Wählerschaft in andere Wahlkörper ist nicht zulässig. |
|
Verfassung 2/3-Mehrheitsgesetz[109] Bemerkungen
|
(3) Der Wahltag muss ein Sonntag oder ein anderer öffentlicher Ruhetag sein. Treten Umstände ein, die den Anfang, die Fortsetzung oder die Beendigung der Wahlhandlung verhindern, so kann die Wahlbehörde die Wahlhandlung auf den nächsten Tag verlängern oder verschieben. |
|
Verfassung 2/3-Mehrheitsgesetz[110] Bemerkungen
|
(4) Wählbar sind alle Männer und Frauen, die am Stichtag die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen und vor dem 1. Jänner des Jahres der Wahl das 19. Lebensjahr vollendet haben. |
Bleibt in Art 26 Abs 1 die Altersgrenze erhalten, so wäre ihm dieser Absatz als 2. Satz einzufügen. Hiebei wären die Begriffe "Bundesvolk" (Abs 1) und österr. Staatsbürgerschaft (Abs 4) zu vereinheitlichen. |
|
(5) Die Ausschließung vom Wahlrecht und von der Wählbarkeit kann nur die Folge einer gerichtlichen Verurteilung sein. |
Bei unveränderter Übernahme von Art 26 Abs 1 und 4 in die Verfassung sollte auch dieser Absatz in die Verfassung. |
Verfassung 2/3-Mehrheitsgesetz[111] Bemerkungen
|
(6) Zur Durchführung und Leitung der Wahlen zum Nationalrat, der Wahl des Bundespräsidenten und von Volksabstimmungen sowie zur Mitwirkung bei der Überprüfung von Volksbegehren und Volksbefragungen sind Wahlbehörden zu bestellen, denen als stimmberechtigte Beisitzer Vertreter der wahlwerbenden Parteien anzugehören haben, bei der Bundeswahlbehörde überdies Beisitzer, die dem richterlichen Stand angehören oder angehört haben[112][5]. Die in der Wahlordnung festzusetzende Anzahl dieser Beisitzer ist - abgesehen von den dem richterlichen Berufsstande entstammenden Beisitzern - auf die wahlwerbenden Parteien nach ihrer bei der letzten Wahl zum Nationalrat festgestellten Stärke aufzuteilen. Die Stimmabgabe im Ausland bei Wahlen zum Nationalrat, der Wahl des Bundespräsidenten sowie bei Volksabstimmungen muss nicht vor einer Wahlbehörde erfolgen. Die näheren Bestimmungen über die Stimmabgabe im Ausland können vom Nationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.
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|
Verfassung 2/3-Mehrheitsgesetz[113] Bemerkungen
|
(7) Die Wählerverzeichnisse werden von den Gemeinden im übertragenen
Wirkungsbereich angelegt. |
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Verfassung 2/3-Mehrheitsgesetz[114] Bemerkungen
Artikel 27 (1) Die Gesetzgebungsperiode des Nationalrates dauert vier Jahre, vom Tag seines ersten Zusammentrittes an gerechnet, jedenfalls aber bis zu dem Tag, an dem der neue Nationalrat zusammentritt.
|
|
Auch diese Bestimmung könnte in die GOG NR aufgenommen werden. Sie betrifft aber den Parlamentarismus so zentral, dass sie in der Verfassung verbleiben sollte. |
|
(2) Der neugewählte Nationalrat ist vom Bundespräsidenten längstens
innerhalb dreißig Tagen nach der Wahl einzuberufen. Diese ist von der
Bundesregierung so anzuordnen, dass der neugewählte Nationalrat am Tag nach
dem Ablauf des vierten Jahres der Gesetzgebungsperiode zusammentreten kann.[115] |
Der erste Satz von Abs 2 ist weitgehend ident in § 3 Abs 1 GOG NR
enthalten. Der 2. Satz sollte Aufnahme in das WahlrechtsgrundsatzG finden, da
er systematisch nicht in das GOG NR passt. |
Verfassung 2/3-Mehrheitsgesetz1 Bemerkungen
|
Artikel 28 (1) Der Bundespräsident beruft den Nationalrat in jedem Jahr zu einer ordentlichen Tagung ein, die nicht vor dem 15. September beginnen und nicht länger als bis zum 15. Juli des folgenden Jahres währen soll.2 |
Wortident bereits in § 46 Abs 1 GOG NR enthalten. |
Verfassung 2/3-Mehrheitsgesetz1 Bemerkungen
|
(2) Der Bundespräsident kann den Nationalrat auch zu außerordentlichen Tagungen einberufen. Wenn es die Bundesregierung oder mindestens ein Drittel der Mitglieder des Nationalrates oder der Bundesrat verlangt, ist der Bundespräsident verpflichtet, den Nationalrat zu einer außerordentlichen Tagung einzuberufen, und zwar so, dass der Nationalrat spätestens binnen zwei Wochen nach Eintreffen des Verlangens beim Bundespräsidenten zusammentritt; die Einberufung bedarf keiner Gegenzeichnung. Zur Einberufung einer außerordentlichen Tagung auf Antrag von Mitgliedern des Nationalrates oder auf Antrag des Bundesrates ist ein Vorschlag der Bundesregierung nicht erforderlich.2 |
Wortident bereits in § 46 Abs 2 – mit Ausnahme der Worte: "die Einberufung bedarf keiner Gegenzeichnung" (2. Satz letzter Absatz) enthalten. |
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(3) Der Bundespräsident erklärt die Tagungen des Nationalrates auf
Grund Beschlusses des Nationalrates für beendet.2 |
Weitgehend wortident in § 46 Abs 3 GOG NR enthalten. |
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4) Bei Eröffnung einer neuen Tagung des Nationalrates innerhalb der gleichen Gesetzgebungsperiode werden die Arbeiten nach dem Stand fortgesetzt, in dem sie sich bei der Beendigung der letzten Tagung befunden haben. Bei Beendigung einer Tagung können einzelne Ausschüsse vom Nationalrat beauftragt werden, ihre Arbeiten fortzusetzen.
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Weitgehend wortident – mit Ausnahme des letzten Satzes – bereits in § 46 Abs 2 GOG NR enthalten. |
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Verfassung 2/3-Mehrheitsgesetz[116] Bemerkungen
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(5) Innerhalb einer Tagung beruft der Präsident des Nationalrates die einzelnen Sitzungen ein. Wenn innerhalb einer Tagung die im Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates festgesetzte Anzahl der Mitglieder des Nationalrates oder die Bundesregierung es verlangt, ist der Präsident verpflichtet, eine Sitzung einzuberufen. Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates, das auch eine Frist festzusetzen hat, innerhalb derer der Nationalrat zusammenzutreten hat.
|
Wenn auch detaillierter in § 46 Abs 5 bis 7 GOG NR enthalten. |
|
(6) Für den Fall, dass die
gewählten Präsidenten des Nationalrates an der Ausübung ihres Amtes
verhindert oder deren Ämter erledigt sind, hat das Bundesgesetz über die
Geschäftsordnung des Nationalrates Sonderbestimmungen über die Einberufung
des Nationalrates zu treffen. |
Diese Bestimmung ist in § 6 Abs
2 GOG NR enthalten und wird dort näher ausgeführt. |
Verfassung 2/3-Mehrheitsgesetz[117] Bemerkungen
Artikel 29
(1) Der Bundespräsident kann den Nationalrat auflösen, er darf dies jedoch nur einmal aus dem gleichen Anlass verfügen. ......................................... ................................................................. ........ .. ..................................... .................................... .. .......................................................
|
Die Neuwahl ist in diesem Fall von der Bundesregierung so anzuordnen, dass der neugewählte Nationalrat längstens am hundertsten Tag nach der Auflösung zusammentreten kann. |
Vorerst wäre die Frage zu beantworten, ob diese Bestimmung weiterhin bestehen soll. Wenn dies bejaht wird, dann wäre der Platz in der Verfassung dafür zu bestimmen. Viel würde für das Dritte Hauptstück Artikel 60 ff sprechen. Die Regelung über die Anordnung der Wahl wäre hingegen in ein
"WahlrechtsgrundsatzG" zu übernehmen. |
(2) Vor Ablauf der Gesetzgebungsperiode kann der Nationalrat durch einfaches Gesetz seine Auflösung beschließen.
|
|
Das Selbstauflösungsrecht des NR sollte – zur Vermeidung einer e contrario Argumentation – in der Verfassung enthalten bleiben. |
Verfassung 2/3-Mehrheitsgesetz[118] Bemerkungen
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(3) Nach einer gemäß Absatz 2 erfolgten Auflösung sowie nach Ablauf der Zeit, für die der Nationalrat gewählt ist, dauert die Gesetzgebungsperiode bis zum Tag, an dem der neugewählte Nationalrat zusammentritt.
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Artikel 30
(1) Der Nationalrat wählt aus seiner Mitte den Präsidenten, den zweiten und dritten Präsidenten.
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Wortident – mit Ausnahme der Schreibweise – in § 5 Abs 1 enthalten. Da dem Präsidium des NR in der Verfassung Staatsaufgaben zugewiesen werden (zB Vertretung des Bundespräsidenten gem. Art 64 B-VG) muss es wohl auch durch die Verfassung eingerichtet werden.
|
Verfassung 2/3-Mehrheitsgesetz[119] Bemerkungen
2) Die Geschäfte des Nationalrates und des
Bundesrates werden auf Grund
|
|
Verfassungsgesetzlich muss das Erfordernis der 2/3-Mehrheit verankert werden. Dies wäre auch für den Bundesrat notwendig, der jedoch gemäß Art 37 Abs 2 noch eine nicht in Gesetzesrang stehende "autonome" GO besitzt. Offensichtlich soll auf diese Weise verhindert werden, dass dem NR hiebei ein Mitwirkungsrecht zukommt. Dies könnte aber auch ausdrücklich geregelt werden. |
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|
(3) Zur Unterstützung der parlamentarischen Aufgaben und zur
Besorgung der Verwaltungsangelegenheiten im Bereich der Organe der
Gesetzgebung des Bundes sowie gleichartiger Aufgaben und
Verwaltungsangelegenheiten, die die von der Republik Österreich entsendeten
Abgeordneten zum Europäischen Parlament betreffen, ist die
Parlamentsdirektion berufen, die dem Präsidenten des Nationalrates
untersteht. Für den Bereich des Bundesrates ist die innere Organisation der
Parlamentsdirektion im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden des Bundesrates zu
regeln, dem bei Besorgung der auf Grund dieses Gesetzes dem Bundesrat
übertragenen Aufgaben auch das Weisungsrecht zukommt. Näheres bestimmen die Gesetze gemäß Absatz 2.
|
Art 69 Abs. 1 ließe den Schluss zu, dass es
keine autonome Parlamentsverwaltung geben darf. Wird dies so gesehen, wäre
verfassungsrechtlich vorzukehren. Dies könnte aber auch durch eine kurze
Erwähnung in Art. 69 erfolgen. |
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Verfassung 2/3-Mehrheitsgesetz1 Bemerkungen
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(4) Dem Präsidenten des Nationalrates stehen insbesondere auch die Ernennung der Bediensteten der Parlamentsdirektion und alle übrigen Befugnisse in Personalangelegenheiten dieser Bediensteten zu.
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(5) Der Präsident des Nationalrates kann den parlamentarischen Klubs
zur Erfüllung parlamentarischer Aufgaben Bedienstete der Parlamentsdirektion
zur Dienstleistung zuweisen.
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Verfassung 2/3-Mehrheitsgesetz[121] Bemerkungen
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(6) Bei der Vollziehung der nach diesem Artikel dem Präsidenten des
Nationalrates zustehenden Verwaltungsangelegenheiten ist dieser oberstes
Verwaltungsorgan und übt diese Befugnisse allein aus. Die Erlassung von
Verordnungen steht dem Präsidenten des Nationalrates insoweit zu, als diese
ausschließlich in diesem Artikel geregelte Verwaltungsangelegenheiten
betreffen.
|
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|
Artikel 31 Zu einem Beschluss des Nationalrates ist, soweit in diesem Gesetz nicht anderes bestimmt oder im Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates für einzelne Angelegenheiten nicht anderes festgelegt ist, die Anwesenheit von mindestens einem Drittel der Mitglieder und die unbedingte Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich. |
Ausgeführt in § 82 GOG NR |
Verfassung 2/3-Mehrheitsgesetz[122] Bemerkungen
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Artikel 32 (1) Die Sitzungen des Nationalrates sind öffentlich.
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Wortident in § 47 Abs 1 GOG NR enthalten. |
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(2) Die Öffentlichkeit wird ausgeschlossen, wenn es vom Vorsitzenden oder von der im Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates festgesetzten Anzahl der Mitglieder verlangt und vom Nationalrat nach Entfernung der Zuhörer beschlossen wird.
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In § 47 Abs 2 und 3 GOG NR enthalten. |
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Artikel 33
Wahrheitsgetreue Berichte über die Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen des Nationalrates und seiner Ausschüsse bleiben von jeder Verantwortung frei.
|
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Muss als Kernbestimmung der beruflichen Immunität und aus Gründen einer möglichen "Gleichheitswidrigkeit" in der Verfassung verbleiben. |
Eingebracht im Ausschuss 3, 2.
Sitzung, 14.10.2003
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
lieber Freund!
In Beantwortung Deines Schreibens
vom 17. September 2003 darf ich Dir nachstehend zum Mandat für den Ausschuss 3
des Österreich-Konvents folgende inhaltliche Stellungnahme übermitteln:
I. Bund
Ich rate davon ab, zu viel Aufwand
auf die Beschäftigung mit der Zahl der Mitglieder des Nationalrates und
ähnlichen Organisationsfragen zu richten. Hier sind die Reformen optischer
Natur, bringen aber in Wirklichkeit für das gesamte Staatsgefüge keinen Gewinn.
In ähnlicher Weise sehe ich die Frage nach dem Kreis der Wahlberechtigten: Auch
hier ist das Thema zwar für die Medien interessant, in Wirklichkeit aber eine
von der Staatsbürgerschaft abweichende Festlegung so wenig konsensfähig, dass
man sich damit nicht auseinander setzen sollte.
Ich halte es aber für sehr notwendig
und zweckmäßig, sich mit dem Bundesrat zu befassen: Die Kritik an der
derzeitigen Organisationsform dieser Einrichtung ist allseits bekannt. Ich
würde mich dafür einsetzen, jene Vorschläge aufzugreifen, die den Bundesrat zu
einer realistischen Repräsentanz der Machtträger in den Ländern umorganisieren
wollen. Um es auf einen einfachen Punkt zu bringen: Die derzeitige Mitwirkung
des Bundesrates an der Bundesgesetzgebung ist weitestgehend obsolet und braucht
nicht weiter aufrecht erhalten zu werden. Für eine vernünftige
Bund-Länder-Koordinierung wäre es aber sehr nützlich, wenn der Bundesrat die
Funktion der Landeshauptleutekonferenz, der Landesfinanzreferentenkonferenz,
... übernehmen könnte. Dies würde bedeuten, dass die Landesregierungsmitglieder
das Recht erhalten müssten, die dem Land zustehenden Sitze im Bundesrat mit
Stimmrecht wahrzunehmen, was insbesondere für die Ausschüsse gelten könnte:
Damit würde der „Hautpausschuss des Bundesrates“ mit der Landeshauptleutekonferenz
ident sei, der „Finanz- und Budgetausschuss“ mit der Landesfinanzreferentenkonferenz,
.... Wenn man dann noch den Schritt machte, festzulegen, dass ausschließlich
Landeregierungsmitglieder und Landtagsabgeordnete Bundesräte sein dürfen, könne
man sogar noch zu einem beträchtlichen Einsparungseffekt und reichert auch die
Tätigkeit der Landtagsabgeordneten an, was wohl auch nicht ganz unsinnig ist.
In der Diskussion über die Exekutive
des Bundes möchte ich mich dafür einsetzen, in keine eingehende Debatte über
Kompetenzen und die Institution des Bundespräsidenten einzutreten und auch bei
der Bundesregierung sich ausschließlich auf einige wenige Detailfragen im
Kontext der Geschäftsordnung zu konzentrieren, wo Reformen, die nahe liegen,
rasch und einhellig verabschiedet werden können.
II. Länder
Ich werde mich dafür einsetzen, hier
in eine intensive Diskussion über die Aufgaben der Landtage einzutreten. Es ist
ja doch evident, dass die Landtage derzeit, wo sie sich im wesentlichen auf die
Landesgesetzgebung zu konzentrieren haben, wenig ausgelastet sind und damit in
den Augen der Allgemeinheit ihre Funktion nur sehr unbefriedigend erfüllen. Hier
wäre doch wohl im Zusammenhang mit einer Gesamtstaatsreform darüber
nachzudenken, welche Rechte die Landtage etwa im Rahmen der Vollziehung von
Bundesgesetzen erhalten können: Wenn das Gesamtkonzept dahin geht, die
Gesetzgebung beim Bund zu konzentrieren, dann sollte dies zur Konsequenz haben,
dass den Ländern breitere Verordnungsspielräume eingeräumt werden. Diese
könnten dann von den Landtagen ausgefüllt werden, die somit bei der
generell-abstrakten Normsetzung eine wichtige zusätzliche Rolle erhalten
sollten.
Im Zusammenhang mit der
Landesexekutive wird ebenfalls die Konsequenz einer Gesamtstaatsreform zu
beachten sein, die insbesondere sich dahin auswirken wird, auf Landesebene das
System der Ministerverantwortlichkeit, also das Ressortprinzip festzulegen.
Wenn die mittelbare Bundesverwaltung in ihrer derzeitigen Ausprägungsform
beseitigt werden soll – und vieles spricht dafür -, dann ist damit auch die
Rolle des Landeshauptmannes als alleinige Drehscheibe der mittelbaren
Bundesverwaltung obsolet. Das Ressortprinzip und die jeweilige Ministerverantwortlichkeit
könnte sich dann vom Ressortminister auf Bundesebene über das zuständige
Landesregierungsmitglied erstrecken.
III. Gemeinden
Das wichtigste Kapitel in diesem
Zusammenhang scheint mir die Frage zu sein, welche Relation zwischen
Gemeindeverwaltung und Bezirksverwaltung bestehen soll. Hier geht die Tendenz
doch wohl in die Richtung, Verdoppelungen von Zuständigkeiten zu vermeiden,
Kompetenz dort anzulagern, wo sie auch sachgerecht wahrgenommen werden können
und Gemeinden nicht mit Fragen zu überfordern, die auf Gemeindeebene schwer
lösbar sind. Ganz konkret möchte ich mich dafür aussprechen, die
Bevölkerungsgrenzen für Staturstädte abzusenken (beispielsweise auf 10.0000)
und die Möglichkeiten der Gemeinden auszubauen, sich im Rahmen eines
politischen Bezirks zu Gemeindeverbänden zusammen zu schließen, die
insbesondere verwaltungsbehördliche Aufgaben wahrnehmen, wo rechtskundliche
Beamte erforderlich sind.
Zu den übrigen Kapiteln der
Themenliste des Ausschusses habe ich nur ganz wenige Bemerkungen:
Aus meiner ganzen bisherigen
beruflichen Erfahrung stehe ich dem Instrument der 15a-Vereinbarung sehr
skeptisch gegenüber und halte nichts von einem Ausbau dieses Instruments.
Ich erwarte mir auch keine
besonderen Fortschritte aus einer Diskussion über die Neuformulierung des Art.
18 B-VG, außer in einem einzigen Zusammenhang: Der Spielraum des
Verordnungsgebers bei der Vollziehung von Gesetzen kann und soll dann
ausgeweitet werden, wenn der Verordnungsgeber ein demokratisch legitimiertes
Organ ist.
Bei diesen Bemerkungen will ich es
für heute bewenden lassen und bleibe
mit den besten Grüßen
Dr.
Matzka
Eingebracht im Ausschuss 3, 9.
Sitzung, 21.9.2004
Vorschlag zur Neuregelung des Gemeinderechts
auf Basis der Vorschläge des Städtebundes
unter Schaffung einer Region mit eigenem Statut
Artikel 115. (1). Jedes Land gliedert sich in Gemeinden. Die Gemeinde ist Gebietskörperschaft mit dem Recht auf Selbstverwaltung und zugleich Verwaltungssprengel. Jedes Grundstück muss zu einer Gemeinde gehören. Veränderungen im Bestand von Gemeinden bedürfen Volksabstimmungen in jeder der betroffenen Gemeinde.
(2) Der Wirkungsbereich der Gemeinde ist ein eigener (Art. 116) und ein vom Bund oder vom Land übertragener (Art. 117). [Die Zuständigkeit zur Regelung der gemäß den Art. . . . von den Gemeinden zu besorgenden Angelegenheiten bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften dieses Bundesverfassungsgesetzes.][123]
<Variante:
(2) Die Gemeinde vollzieht innerhalb ihres Wirkungsbereiches Bundes- oder Landesgesetze. Ihr Wirkungsbereich ist ein eigener (Art. 117) und ein vom zuständigen Gesetzgeber übertragener (Art. 118).>
(3) Die Gemeinde ist selbständiger Wirtschaftskörper. Sie hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben sowie [im Rahmen der Finanzverfassung][124] ihren Haushalt selbständig zu führen und Abgaben auszuschreiben.
(4) Der Österreichische
Gemeindebund und der Österreichische Städtebund sind berufen, die Interessen
der Gemeinden zu vertreten.
Artikel 116. (1) Als Organe der Gemeinde sind jedenfalls vorzusehen:
a) der Gemeinderat als oberstes Organ, dem die anderen Organe verantwortlich sind,
b) der Gemeindevorstand [(Stadtrat), bei Städten mit eigenem Statut der Stadtsenat][125];
c) der Bürgermeister.
(2) Volksabstimmungen sind in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches zulässig.
(3) Der Gemeinderat ist von den Gemeindebürgern nach den für allgemeine Vertretungskörper geltenden Vorschriften zu wählen.[126] Die Bedingungen des Wahlrechtes dürfen nicht enger gezogen werden als die zum Landtag. Bürger der Europäischen Union sind wahlberechtigt.
(4) Die Sitzungen des Gemeinderates sind grundsätzlich öffentlich. Wenn der Gemeindevoranschlag oder der Gemeinderechnungsabschluss behandelt wird, darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden. Zu einem Beschluss des Gemeinderates ist - sofern Beschlussfähigkeit gegeben und für bestimmte Angelegenheiten nichts anderes vorgesehen ist - die einfache Mehrheit der anwesenden Mitglieder erforderlich.
(5) Im Gemeinderat vertretene Wahlparteien haben nach Maßgabe ihrer Stärke Anspruch auf Vertretung im Gemeindevorstand.
(6) Der Bürgermeister wird vom Gemeinderat gewählt. Die Landesverfassung kann die Wahl des Bürgermeisters durch die zum Gemeinderat Wahlberechtigten vorsehen.
(7) Die Geschäfte der Gemeinden werden durch das Gemeindeamt (Stadtamt), [jene der Städte mit eigenem Statut durch den Magistrat] besorgt. [Zum Leiter des inneren Dienstes des Magistrates ist ein rechtskundiger Verwaltungsbeamter als Magistratsdirektor zu bestellen.][127]
Artikel 117. (1) Der eigene Wirkungsbereich umfasst die Privatwirtschaftsverwaltung (Art. 17, Art. 115 Abs. 3) und alle sonstigen Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Die Gesetze haben derartige Angelegenheiten ausdrücklich als solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zu bezeichnen.
(2) Die Gemeinde vollzieht im eigenen Wirkungsbereich jedenfalls folgende Angelegenheiten:
1. Bestellung der Gemeindeorgane unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Wahlbehörden; Regelung der inneren Einrichtungen zur Besorgung der Gemeindeaufgaben;
2. Bestellung der Gemeindebediensteten und Ausübung der Diensthoheit unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Disziplinar-, Qualifikations- und Prüfungskommissionen;
3. örtliche Sicherheitspolizei (Art. 15 Abs. 2), örtliche Veranstaltungspolizei;
4. Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde, örtliche Straßenpolizei;
5. Flurschutzpolizei;
6. örtliche Marktpolizei;
7. örtliche Gesundheitspolizei, insbesondere auch auf dem Gebiet des Hilfs- und Rettungswesens sowie des Leichen- und Bestattungswesens;
8. Sittlichkeitspolizei;
9. örtliche Baupolizei, soweit sie nicht bundeseigene Gebäude, die öffentlichen Zwecken dienen (Art. 15 Abs. 5) zum Gegenstand hat; örtliche Feuerpolizei; örtliche Raumplanung;
10. öffentliche Einrichtungen zur außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten;
11. freiwillige Feilbietungen beweglicher Sachen.
(3) Die Gemeinde hat die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes in eigener Verantwortung frei von Weisungen zu besorgen.[128] Dem Bund und dem Land kommt gegenüber der Gemeinde bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches ein Aufsichtsrecht (Art. ..) zu.
(4) In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches hat die Gemeinde das Recht, Verordnungen nach freier Selbstbestimmung zur Abwehr und Beseitigung von Gefahren und Missständen, [soweit dies im öffentlichen Interesse gelegen ist,][129] zu erlassen. Die Gemeinde kann die Übertretung solcher Verordnungen zu Verwaltungsübertretungen erklären und Strafbestimmungen [bis zu einer gesetzlich festzulegenden Strafhöhe][130] erlassen. Die Gemeinde ist berechtigt, auch Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt anzuordnen und Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der öffentlichen Aufsicht zur Mitwirkung an der Vollziehung zu ermächtigen. [Solche Verordnungen dürfen nicht gegen bestehende Gesetze des Bundes und des Landes verstoßen.][131]
(5) Die Gemeinde kann die Besorgung einzelner Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches auf eine andere Behörde übertragen. Die Übertragung erfolgt durch Verordnung der Gemeinde, die der Zustimmung des obersten Organs bedarf, das für die Behörde zuständig ist, auf die die Angelegenheit übertragen wird.[132][ Eine solche Verordnung kann die Gemeinde jederzeit wieder aufheben. Die Übertragung erstreckt sich nicht auf das Verordnungsrecht nach Abs. 6.
(6) Die Errichtung und Organisation eines Gemeindewachkörpers erfolgt durch Verordnung der Gemeinde. Durch Gesetz[133] wird bestimmt, welche Befugnisse über die Mitwirkung an der Vollziehung von Verordnungen gem. Abs. 4 hinaus die zuständige Behörde auf Gemeindewachkörper mit Zustimmung der Gemeinde übertragen kann.
Artikel 119. (1) Der übertragene Wirkungsbereich umfasst die Angelegenheiten, die die Gemeinde nach Maßgabe der Bundesgesetze im Auftrag und nach den Weisungen des Bundes oder nach Maßgabe der Landesgesetze im Auftrag und nach den Weisungen des Landes zu besorgen hat.
(2) Die Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches werden vom Bürgermeister besorgt. Er ist hiebei in den Angelegenheiten der Bundesvollziehung an die Weisungen der zuständigen Organe des Bundes, in den Angelegenheiten der Landesvollziehung an die Weisungen der zuständigen Organe des Landes gebunden und nach Abs. 4 verantwortlich.
(3) Der Bürgermeister kann einzelne Gruppen von Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches - unbeschadet seiner Verantwortlichkeit - wegen ihres sachlichen Zusammenhanges mit den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches Mitgliedern des Gemeindevorstandes (Stadtrates, Stadtsenates), anderen nach Art. 117 Abs. 1 geschaffenen Organen oder bei Kollegialorganen deren Mitgliedern zur Besorgung in seinem Namen übertragen. In diesen Angelegenheiten sind die betreffenden Organe oder deren Mitglieder an die Weisungen des Bürgermeisters gebunden und nach Abs. 4 verantwortlich.
(4) Wegen einer schuldhaften Rechtsverletzung oder Nichtbefolgung einer Weisung können die in Abs. 2 und 3 genannten Organe auf Antrag des zuständigen obersten Organs vom Verfassungsgerichtshof ihres Amtes enthoben werden. Die allfällige Mitgliedschaft einer solchen Person zum Gemeinderat wird hiedurch nicht berührt.
Artikel 119. (1) Der Bund und das Land üben das Aufsichtsrecht über die Gemeinde dahin aus, dass diese bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches die Gesetze und Verordnungen nicht verletzt, insbesondere ihren Wirkungsbereich nicht überschreitet und die ihr gesetzlich obliegenden Aufgaben erfüllt.
(2) Das Land hat das Recht, die Gebarung von Gemeinden, die nicht der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen, auf ihre Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Das Ergebnis der Überprüfung ist dem Bürgermeister zur Vorlage an den Gemeinderat zu übermitteln. Der Bürgermeister hat die auf Grund des Überprüfungsergebnisses getroffenen Maßnahmen innerhalb von drei Monaten dem Land mitzuteilen.
(3) Das Aufsichtsrecht und dessen gesetzliche Regelung stehen, insoweit als der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde Angelegenheiten aus dem Bereich der Bundesvollziehung umfasst, dem Bund, im Übrigen den Ländern zu.
(4) Die Aufsichtsbehörde ist berechtigt, sich über jedwede Angelegenheit der Gemeinde zu unterrichten. Die Gemeinde ist verpflichtet, die von der Aufsichtsbehörde im einzelnen Fall verlangten Auskünfte zu erteilen und Prüfungen an Ort und Stelle vornehmen zu lassen.
(7) Sofern die zuständige Gesetzgebung (Abs. 3) als Aufsichtsmittel die Auflösung des Gemeinderates vorsieht, kommt diese Maßnahme dem zuständigen obersten Organ zu. Die Zulässigkeit der Ersatzvornahme als Aufsichtsmittel ist auf die Fälle unbedingter Notwendigkeit zu beschränken. Die Aufsichtsmittel sind unter möglichster Schonung erworbener Rechte Dritter zu handhaben.
(8) Einzelne von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu treffende Maßnahmen, durch die auch überörtliche Interessen in besonderem Maß berührt werden, insbesondere solche von besonderer finanzieller Bedeutung, können durch die zuständige Gesetzgebung (Abs. 3) an eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde gebunden werden. Als Grund für die Versagung der Genehmigung darf nur ein Tatbestand vorgesehen werden, der die Bevorzugung überörtlicher Interessen eindeutig rechtfertigt.
(9) Die Gemeinde hat im aufsichtsbehördlichen Verfahren Parteistellung; sie ist berechtigt, gegen die Aufsichtsbehörde vor dem Verwaltungsgerichtshof (Art. 131 und 132) und vor dem Verfassungsgerichtshof (Art. 144) Beschwerde zu führen.
Artikel 120. (1) Einer Gemeinde mit mindestens 10 000 Einwohnern kann, einer solchen mit mindestens 20 000 Einwohnern muß auf ihren Antrag durch Landesgesetz ein eigenes Statut (Stadtrecht) verliehen werden. Eine Stadt mit eigenem Statut hat neben den Aufgaben der Gemeindeverwaltung auch die der Bezirksverwaltung zu besorgen
(2)
Gemeinden können sich zur Besorgung der Angelegenheiten der Bezirksverwaltung
und zur gemeinsamen Besorgung von Angelegenheiten des eigenen oder des
übertragenen Wirkungsbereiches durch Vereinbarung zu Regionen mit eigenem
Statut zusammenschließen. Abs. 1 und 5 gelten sinngemäß. Durch Landesgesetz
können mit Zustimmung der Regione weitere Gemeinden einbezogen werden, wenn
dies der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung
dient. Das Statut hat als oberstes Organ ein von den Gemeindebürgern der
beteiligten Gemeinden zu wählenden Regionalrat und als ausführendes Organ
eine/n von den Gemeindebürgern oder dem Regionalrat zu wählende/n Vorsitzende/n
der Region vorzusehen, der/die die Angelegenheiten der Bezirksverwaltung führt.
Art. 118 Abs. 2 und 4 sind auf ihn anzuwenden.
(3)
Zur gemeinsamen Besorgung von Angelegenheiten gleichartiger Aufgabengebiete des
eigenen oder des übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinde können sich
Gemeinden, durch Vereinbarung zu Gemeindeverbänden zusammenschließen, deren
örtlicher Wirkungsbereich auch Bezirks- und Landesgrenzen überschreiten darf.
(4)
Im Interesse der Zweckmäßigkeit kann durch Bundes- oder Landesgesetz die
Bildung von Gemeindeverbänden zur gemeinsamen Besorgung von Angelegenheiten
gleichartiger Aufgabengebiete des eigenen oder des übertragenen Wirkungsbereiches
der Gemeinde vorgesehen werden. Dabei darf die Funktion der Gemeinden als
Selbstverwaltungskörper und Verwaltungssprengel nicht gefährdet werden. Werden
Gemeindeverbände unmittelbar durch die Gesetzgebung oder durch die Vollziehung
eingerichtet, sind die beteiligten Gemeinden vor Kundmachung des Gesetzes oder
vor Erlassung des Verwaltungsaktes zu hören.
(5)
[Die Organisation der Gemeindeverbände wird durch Landesgesetz geregelt.][134]
Den verbandsangehörigen Gemeinden ist ein maßgebender Einfluss auf die
Besorgung der Aufgaben der Gemeindeverbände einzuräumen. Für Gemeindeverbände,
die durch Vereinbarung geschaffen werden, sind Bestimmungen über den Beitritt
und den Austritt von Gemeinden sowie über die Auflösung des Gemeindeverbandes
zu treffen. Als Organe sind jedenfalls eine Verbandsversammlung, die aus
gewählten Vertretern aller verbandsangehörigen Gemeinden zu bestehen hat, und
ein/e Vorsitzende/r der Verbandsversammlung vorzusehen. Länderübergreifende
Gemeindeverbände bedürfen einer Vereinbarung gem. Art. 15a zwischen den
betreffenden Ländern, in der auch die Vorgangsweise bei Weisungskonflikten zu
regeln ist.
(6) Die Gemeinden haben das Recht, im Interesse der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei der Besorgung von Angelegenheiten des eigenen und übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinde sich auch anderer Formen der Zusammenarbeit zwischen Gemeinden, wie der Bildung von Verwaltungsgemeinschaften, zu bedienen
(10) Art. 119 ist auf die Aufsicht über Regionen und Gemeindeverbände sinngemäß anzuwenden.
Eingebracht im Ausschuss 3
Art. 18 Abs. 1 bis 3 lauten:
„Artikel 18. (1) Die gesamte Vollziehung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden. Das Erfordernis ihrer Bestimmtheit hängt vom Ausmaß des Eingriffs in Rechte [von Personen] und davon ab, inwieweit die Mitwirkung der Betroffenen im Verfahren eine sachgerechte Entscheidung gewährleistet.
(2) Jede Verwaltungsbehörde kann auf Grund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen erlassen und darüber hinaus, sofern sie hiezu ausdrücklich durch Gesetz ermächtigt wird und die Ziele der Regelung im Gesetz ausreichend bestimmt sind. Verordnungen haben ihre gesetzliche Grundlage anzuführen.
(3) Die Organisation der Verwaltung [mit Ausnahme des Rechtszuges] bedarf keiner gesetzlichen Grundlage, sofern disee Bundesverfassung nichts anderes bestimmt.“
Die Abs. 3 bsi 5 des Art. 18 erhalten die Absatzbezeichnung „(4)“,
„(5)“ und „(6)“.
Das Sozialdemokratische Grundrechtsforum wurde am 12. Dezember 2003 ins Leben gerufen. An diesem Tag wurde ein Entwurf eines vollständigen, neuen Grundrechtskatalogs vorgestellt. Dieser Entwurf wurde bis zum Sommer 2004 im Sozialdemokratischen Grundrechtsforum unter Einbeziehung einer breiten Öffentlichkeit diskutiert und weiterentwickelt.
Über eine öffentliche Internetseite (www.grundrechtsforum.spoe.at) sind etwa 200 Anregungen und Kommentare zu diesem Entwurf eingegangen. Diese wurden unter Leitung eines wissenschaftlichen Beirates in sechs öffentlichen Sitzungen (12. Dezember 2003, 6. Februar, 19. März, 23. April, 19. Mai und 25. Juni 2004) debattiert und in den Katalog eingearbeitet. Der Grundrechtskatalog wurde laufend in die Arbeit des Österreich-Konvents eingespeist.
Mitglieder des wissenschaftlichen Beirates waren Univ. Prof. Dr. Heinz Barta (Universität Innsbruck), Univ. Prof. Dr. Ulrike Davy (Universität Bielefeld), Univ. Prof. Dr. Stefan Hammer (Universität Wien), Univ. Prof. Dr. Michael Holoubek (Wirtschaftuniversität Wien), Dr. Brigitte Hornyik (Österreichischer Frauenring), Univ. Prof. Dr. Dieter Kolonovits (Universität Wien), Univ. Prof. Dr. Christian Kopetzki (Universität Wien), Univ. Prof. Dr. Franz Merli (Universität Dresden), Univ. Prof. Dr. Gerhard Muzak (Universität Wien), RA Univ. Doz. Dr. Alfred J. Noll (Universität Wien) und Univ. Prof. Dr. Manfred Nowak (Universität Wien).
Die im Grundrechtsforum akkordierte Endfassung eines sozialdemokratischen Grundrechtskataloges (siehe 4.1.2.) wurde bei einer wissenschaftlichen Enquete am 19. Oktober 2004 der breiten Öffentlichkeit präsentiert.
Auf der Internetseite des
Sozialdemokratischen Grundrechtsforums sind die Berichte die Kommentare zu den
einzelnen Artikeln des Kataloges, die Berichte der Sitzungen des
Grundrechtsforums sowie die Reden der wissenschaftlichen Abschlussveranstaltung
abrufbar: www.grundrechtsforum.spoe.at.
Ronald Faber
Eingebracht im Ausschuss 4
Grundrechtskatalog
für eine neue
Bundesverfassung der Republik Österreich
(Endfassung vom 14. Juli
2004)
Artikel 1. Alle Menschen haben gleiche, angeborene und unveräußerliche Rechte. Sie zu achten, zu gewährleisten und zu schützen, ist vornehmste Aufgabe des Staates. Die Würde des Menschen ist unantastbar.
1. Abschnitt: Elementare Menschenrechte
Artikel 2. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Leben.
(2) Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden.
(3) Ein das Leben gefährdender Eingriff ist nur zulässig, wenn er gesetzlich vorgesehen, unbedingt erforderlich und verhältnismäßig ist,
1. um andere Menschen vor rechtswidriger Gewaltanwendung zu schützen,
2. um eine gesetzmäßige Festnahme durchzuführen oder das Entkommen eines gesetzmäßig festgehaltenen Menschen zu verhindern, der eine Gefahr für andere Menschen darstellt.
Artikel 2a. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit.
(2) Einschränkungen dieses Rechts sind nur unter den Voraussetzungen des Artikel 31 zulässig.
Artikel 3. (1) Jeder Mensch hat das Recht, in Würde zu sterben. Tötung auf Verlangen ist verboten.
(2) Dieses Recht schließt jedenfalls den Anspruch
auf Sterbebegleitung und bestmögliche Schmerzbehandlung ein. Die Betreuung
durch Angehörige ist unabhängig vom Einkommen zu ermöglichen.
Artikel 4. Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Artikel 5. (1) Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden.
(2) Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten.
(3) Als Zwangs- oder Pflichtarbeit gilt nicht
1. jede Arbeit, die normalerweise von einer Person verlangt wird, die unter den verfassungsgesetzlichen Bedingungen in Haft gehalten oder bedingt freigelassen worden ist;
2. Wehr- oder Zivildienst;
3. jede Dienstleistung im Fall von Notständen und Katastrophen, die das Leben oder das Wohl der Gemeinschaft bedrohen;
4. jede Arbeit oder Dienstleistung, die zu den normalen Bürgerpflichten gehört.
(4) Menschenhandel ist verboten.
Artikel 6. (1) Niemand darf in einen Staat verbracht werden, in dem ihr oder ihm die ernstliche Gefahr einer Verletzung elementarer Menschenrechte droht.
(2) Menschen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind, haben das Recht auf Aufenthalt.
Artikel 7. Flüchtlinge nach Maßgabe des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 und des Protokolls vom 31. Jänner 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und Menschen, die in vergleichbarer Weise verfolgt sind, haben das Recht auf Asyl in Österreich, sofern sie in keinem anderen Staat ausreichend Schutz vor Verfolgung finden.
2. Abschnitt: Gleichheitsrechte
Artikel 8. Alle Menschen sind vor
dem Gesetz gleich.
Artikel 9. (1) Diskriminierung, insbesondere wegen der Geburt, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität, der Rasse, der Hautfarbe, der genetischen Merkmale, einer Behinderung, des Alters, einer Krankheit, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, der Sprache, der Religion, der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, des Vermögens oder der sozialen Stellung, sind verboten.
(2) Der Staat ergreift Maßnahmen, um Diskriminierungen vorzubeugen und sie zu beseitigen.
Artikel 10. (1) Frauen und Männer haben das Recht auf tatsächliche Gleichstellung.
(2) Menschen des benachteiligten Geschlechts haben Anspruch auf Maßnahmen, die bestehende Benachteiligungen beseitigen.
(3) Der Staat ergreift Maßnahmen, um eine wirksame Durchsetzung dieser Rechte zu gewährleisten, insbesondere durch Klagsbefugnisse für Organisationen, die nach ihrem Wirkungsbereich zur Herbeiführung der tatsächlichen Gleichstellung berufen sind.
Artikel 11. (1) Menschen mit Behinderung haben Anspruch auf Maßnahmen, die tatsächliche Benachteiligungen beseitigen und die volle Entfaltung ihrer Persönlichkeit durch Ausbildung, Arbeit und Teilnahme am politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben der Gemeinschaft ermöglichen.
(2) Hörbehinderte Menschen (Gehörlose, Ertaubte und Schwerhörige) und sprachbehinderte Menschen haben das Recht, die Österreichische Gebärdensprache oder lautsprachbegleitende Gebärden zu verwenden.
Artikel 12. (1) Jedes Kind hat Anspruch auf Schutz und Fürsorge für sein Wohlergehen und auf bestmögliche individuelle Entwicklung und Entfaltung, auf Freizeit und Spiel. Kinder, die dauernd oder vorübergehend aus ihrer familiären Umgebung herausgelöst sind, haben Anspruch auf besonderen Schutz und Beistand des Staates.
(2) Jedes Kind hat das Recht auf Partizipation in allen das Kind betreffenden Angelegenheiten, in einer seinem Alter und seiner Entwicklung entsprechenden Weise.
(3) Das Wohl des Kindes muss bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen staatlicher Organe oder sonstiger öffentlicher oder privater Einrichtungen sozialer Fürsorge eine vorrangige Erwägung sein.
(4) Jedes Kind hat Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen, es sei denn, dies steht seinem Wohl entgegen.
(5) Jedes Kind hat das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, die Zufügung seelischen Leides, sexueller Missbrauch und andere Misshandlungen sind verboten. Jedes Kind hat das Recht auf Schutz vor wirtschaftlicher und sexueller Ausbeutung, einschließlich von Kinderarbeit, Kinderprostitution, Kinderpornographie und Kinderhandel. Kinder als Opfer von Gewalt oder Ausbeutung haben ein Recht auf Rehabilitation.
Artikel 13. Ältere Menschen haben Anspruch auf ein würdiges und unabhängiges Leben, auf Teilnahme am politischen, sozialen und kulturellen Leben und auf Pflege.
Artikel 14. (1) Jeder Mensch hat einen Anspruch auf Achtung seiner Sprache und Kultur. Der Staat fördert den Geist der Offenheit und des interkulturellen Dialogs und ergreift Maßnahmen zur Förderung der gegenseitigen Achtung und der Zusammenarbeit zwischen allen in seinem Staatsgebiet lebenden Menschen, ungeachtet ihrer Sprache und Kultur.
(2) Die Volksgruppen und ihre Angehörigen haben einen Anspruch auf besondere Förderung ihrer Entwicklung und Sicherung ihres Bestandes, ihrer Sprache und ihrer Kultur. Das Bekenntnis zu einer Volksgruppe ist frei. Keinem Angehörigen einer Volksgruppe darf durch die Ausübung oder Nichtausübung der ihm zustehenden Rechte ein Nachteil erwachsen.
(3) Die Volksgruppen und ihre Angehörigen haben Anspruch auf Kindergartenerziehung und Schulunterricht in öffentlichen Pflichtschulen in der jeweiligen Volksgruppensprache in ihrem Siedlungsgebiet und außerhalb dieses bei einem nachhaltigen Bedarf. Weiters haben sie einen Anspruch auf eine verhältnismäßige Anzahl von öffentlichen höheren Schulen und auf Einrichtung einer eigenen Schulaufsicht. Die Volksgruppen haben ergänzend einen Anspruch auf angemessene Förderung von privaten Kindergärten und Privatschulen, die der Pflege ihrer Sprache und Kultur dienen.
(4) Die Volksgruppen und ihre Angehörigen haben im gemischtsprachigen Gebiet einen Anspruch auf Gebrauch der jeweiligen Volksgruppensprache als zusätzliche Amtssprache im Verkehr mit Verwaltungsbehörden und Gerichten sowie im öffentlichen Leben; außerhalb dieses Gebietes haben sie Anspruch auf angemessene Erleichterungen zum Gebrauch der jeweiligen Volksgruppensprache. Die zusätzliche Amtssprache kann im gemischtsprachigen Gebiet von jeder Person gebraucht werden. Die Volksgruppen haben im gemischtsprachigen Gebiet einen Anspruch auf mehrsprachige topographische Bezeichnungen und Aufschriften.
(5) Die Volksgruppen haben einen Anspruch
auf einen angemessenen Anteil an öffentlichen Mitteln als finanzielle
Volksgruppenförderung aus dem Budget des Bundes sowie aus den Budgets der
Länder und Gemeinden, in denen sich gemischtsprachige Gebiete befinden, sowie
auf eine besondere Förderung der Medien in ihrer eigenen Sprache.
(6) Organisationen, die Interessen
von Volksgruppen vertreten, haben das Recht die auf diesen Artikel gegründeten
Rechte der betreffenden Volksgruppe vor Gerichten und Verwaltungsbehörden
geltend zu machen. Die Rechte der Angehörigen der Volksgruppen bleiben davon
unberührt.
3. Abschnitt: Freiheitsrechte
Artikel 15. (1) Jeder Mensch hat das Recht
auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die
Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen
öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht, Bräuche und Riten zu
bekennen und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln.
(2) Wer erklärt, bei Leistung des
Wehrdienstes in Gewissensnot zu geraten, hat das Recht, einen Zivildienst in
gleicher Dauer außerhalb des Bundesheeres zu leisten.
(3) Angehörige des Bundesheeres
haben das Recht den Dienst zu verweigern, wenn die Beteiligung Österreichs an
kriegerischen Maßnahmen gegen das Völkerrecht verstößt.
(4) Niemand darf zur Teilnahme an
religiösen Handlungen oder Feierlichkeiten sowie zur Offenlegung seiner
religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung gezwungen werden.
(5) Der Staat achtet das Recht der Eltern, die Erziehung und den Unterricht ihrer Kinder entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen.
Artikel 16. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf persönliche Freiheit.
(2) Das bestehende Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl Nr. 684/1988, wird hiemit als Bestandteil dieser Bundesverfassung erklärt.
Artikel 17. (1) Jeder Mensch hat das
Recht, sich im Bundesgebiet frei zu bewegen, Wohnsitz oder Aufenthalt frei zu
wählen und Österreich zu verlassen.
(2) StaatsbürgerInnen darf die
Einreise in das Bundesgebiet nicht verwehrt werden. Sie dürfen weder
ausgewiesen noch ausgeliefert werden. Dieses Verbot steht einer im europäischen
Recht oder gesetzlich vorgesehenen Zurückstellung oder Überstellung an einen
internationalen Gerichtshof oder zur Vollstreckung einer von einem solchen
verhängten Strafe nicht entgegen, sofern rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt
sind.
(3) Für Menschen, die nicht Staats-
oder UnionsbürgerInnen sind, kann der Genuss der in Abs. 1 gewährleisteten
Rechte von einem rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet abhängig gemacht oder
auf bestimmte Gebiete beschränkt werden.
(4) Kollektivausweisungen sind unzulässig.
Artikel 18. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Privat‑ und Familienleben.
(2) Jeder Mensch hat das Recht, mit
Erreichen des gesetzlich zu bestimmenden Alters eine Ehe oder verschieden- oder
gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft einzugehen und eine Familie zu
gründen.
(3) Jede Frau hat das Recht, über
ihre Reproduktion frei zu bestimmen.
(4) Der Staat gewährleistet das
Recht jedes Menschen auf Familienplanung, indem er den freien Zugang zu Mitteln
und Einrichtungen der Familienplanung, Empfängnisverhütung und Geburtenkontrolle
unter Berücksichtung der sozialen Leistungsfähigkeit gewährleistet.
Artikel 19. (1) Haus und Wohnung sind unverletzlich.
(2) Ihre Durchsuchung oder technische Überwachung bedarf eines
richterlichen Befehls.
Artikel 20. (1) Jede Person hat das Recht auf ungestörte Kommunikation.
(2) Eingriffe in das Kommunikationsgeheimnis bedürfen eines richterlichen Befehls.
Artikel 21. (1) Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden Daten. Dieses Recht umfasst die Geheimhaltung, Richtigstellung und Löschung personenbezogener Daten und die Auskunft über sie.
(2) Die Einhaltung dieser Vorschriften wird von einer unabhängigen Stelle überwacht.
(3) Die Verwendung sensibler Daten darf nur erlaubt werden, wenn die
Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen durch wirksame Garantien geschützt
sind.
Artikel 22. Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe zu empfangen und weiterzugeben.
Artikel 23. (1) Presse, Rundfunk und andere Medien sind frei.
(2) Zensur und andere vorbeugende Maßnahmen sind unzulässig.
(3) Das Redaktionsgeheimnis steht unter besonderem Schutz.
(4) Die Vielfalt der Medien wird geachtet, gefördert und geschützt.
(5) Rundfunk ist eine öffentliche Aufgabe.
(6) Rundfunk darf von einer Bewilligung abhängig gemacht werden. Berichterstattung hat objektiv, wahrheitsgemäß und unparteilich zu erfolgen, Meinungsbildung als solche erkennbar und Meinungsvielfalt gewährleistet zu sein.
Artikel 24. (1) Alle Menschen haben das Recht, sich friedlich mit anderen zusammenzuschließen.
(2) Die Bildung von Vereinen darf nicht von einer behördlichen Bewilligung abhängig gemacht werden.
(3) Die Gründung von Parteien ist frei, soweit nicht diese Bundesverfassung anderes bestimmt*.
Artikel 25. (1) Alle Menschen haben das Recht, sich frei zu versammeln.
(2) Eine behördliche Anmeldung darf nur für allgemein zugängliche Versammlungen verlangt werden.
Artikel 26. (1) Anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften haben das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsausübung und der selbständigen Ordnung und Verwaltung ihrer inneren Angelegenheiten einschließlich der Errichtung juristischer Personen eigenen Rechts.
(2) Die Anerkennung erfolgt durch Gesetz. **
Artikel 27. (1) Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.
(2) Die öffentlichen Universitäten sind Stätten freier wissenschaftlicher Forschung, Lehre und Bildung mit dem Recht auf Selbstverwaltung.
(3) Jede Person kann Unterrichts‑, Erziehungs- und Bildungseinrichtungen gründen und an ihnen Unterricht erteilen, sofern sie ihre Befähigung hiezu in gesetzlicher Weise nachgewiesen hat.
Artikel 28. (1) Das künstlerische Schaffen, die Vermittlung von Kunst und ihre Lehre sind frei.
(2) Ihre Vielfalt wird geachtet, gefördert und geschützt.
Artikel 29. Jede Person hat das Recht, zu arbeiten, ein Unternehmen zu gründen, einen Beruf frei zu wählen und ihn auszuüben.
Artikel 30. (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Eigentums.
(2) Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen, dürfen nur gegen rechtzeitige, angemessene Entschädigung erfolgen.
(3) Die Vertragsfreiheit ist gewährleistet.
Artikel 31. Einschränkungen der in diesem Abschnitt gewährleisteten Rechte
1. bedürfen einer gesetzlichen Grundlage;
2. müssen im öffentlichen Interesse oder zum Schutz von Rechten und Freiheiten anderer erforderlich sein;
3. müssen verhältnismäßig sein;
4. müssen die in dieser Bundesverfassung sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention vorgesehenen weiteren Bedingungen und Grenzen wahren.
4. Abschnitt: Soziale Rechte
Artikel 32. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf ein Dasein in Würde.
(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht durch Maßnahmen zur Vermeidung und Bekämpfung von Armut und sozialer Ausschließung.
(3) Jeder Mensch hat Anspruch auf die zur sozialen Mindestsicherung erforderlichen Leistungen, insbesondere für Nahrung, Kleidung, Unterkunft, medizinische Versorgung und soziale Teilhabe. *
Artikel 33. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf soziale Sicherheit.
(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht durch Einrichtung einer öffentlich-rechtlichen Pflichtversicherung, die auf Einkommens- und Risikosolidarität beruht und die im Fall von Krankheit, Mutterschaft, Unfall, geminderter Arbeitsfähigkeit, Arbeitslosigkeit, Pflegebedürftigkeit und Alter eine angemessene Versorgung sicherstellt.
(3) Der Staat gewährleistet, dass die Pensionen gesichert sind und in angemessenem Ausmaß steigen.
Artikel 34. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Schutz der Gesundheit.
(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht durch Einrichtung eines allgemein zugänglichen öffentlichen Gesundheitswesens, durch den Schutz vor Gesundheitsbeeinträchtigungen und durch die Förderung der Gesundheitsvorsorge in allen Bereichen.
Artikel 35. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Wohnung.
(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht durch Maßnahmen, die zu einer ausreichenden Zahl an Wohnungen zu angemessenen Preisen und Bedingungen führen, durch Mieterschutz und durch sozialen Wohnbau.
Artikel 36. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit zu menschenwürdigen, sicheren, gesunden und gerechten Bedingungen.
(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht, indem er sicherstellt:
1. ein angemessenes Entgelt und gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit;
2. angemessene Beschränkungen der Arbeitszeit, einschließlich Erholungszeiten;
3. angemessene Arbeitsruhe, insbesondere auch an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen;
4. Jahresurlaub in einer Dauer, die der gesellschaftlichen Entwicklung angemessen ist;
5. berufliche Aus- und Weiterbildung;
6. besonderer Schutz von Jugendlichen und von Schwangeren und Müttern am Arbeitsplatz, soweit erforderlich auch durch Beschäftigungsverbote, sowie durch einen wirksamen Schutz vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses während eines angemessenen Zeitraums vor und nach der Geburt;
7. Fortzahlung des Arbeitsentgelts für angemessene Zeit bei Verhinderung an der Arbeitsleistung aus wichtigen Gründen;
8. Schutz vor ungerechtfertigter Beendigung oder Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses;
9. Schutz vor herabwürdigender Behandlung, Diskriminierung und Belästigung am Arbeitsplatz;
10. Schutz des Entgelts bei Insolvenz der ArbeitgeberIn .
(3) Jeder Mensch hat Anspruch auf unentgeltliche Arbeitsvermittlung, Berufsberatung und auf Maßnahmen zur beruflichen und sozialen Wiedereingliederung.
(4) Arbeitende Menschen haben das Recht auf Vertretung ihrer Interessen im Betrieb. Eine angemessene Mitbestimmung in personellen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten ist gewährleistet. Gewählte VertreterInnen sind vor Benachteiligungen wegen Ausübung dieses Rechts wirksam zu schützen. Das aktive und passive Wahlrecht steht ungeachtet der Staatsangehörigkeit zu.
Artikel 37. (1) Alle Menschen haben das Recht, sich freiwillig zur Vertretung ihrer jeweiligen Interessen zusammenzuschließen und hiezu Vereinigungen zu bilden.
(2) Sie haben das Recht, kollektive Maßnahmen zur Durchsetzung der Interessen ihrer Mitglieder ergreifen.
(3) Solche Vereinigungen und gesetzliche Interessensvertretungen haben das Recht, im Rahmen der Gesetze alle Angelegenheiten der Arbeitswelt durch Kollektivvertrag verbindlich zu regeln.
Artikel 38. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht, indem er sicherstellt:
1. eine den familiären Bedürfnissen entsprechende Gestaltung der Arbeitsbedingungen;
2. einen Anspruch auf angemessene Elternkarenz, Pflegeurlaub und Sterbekarenz einschließlich eines wirksamen Schutzes vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses;
3. ein dem Bedarf entsprechendes Angebot an Kinderbetreuung, an ganztägigen Schulen und an Alten- und Krankenpflege;
4. einen angemessenen Ausgleich für ein wegen der Betreuung entfallendes Erwerbseinkommen und eine Unterstützung bei der Tragung der Familienlasten.
Artikel 39. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung.
(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht, indem er sicherstellt:
1. die Einrichtung öffentlicher Kindergärten, Schulen, Fachhochschulen, Hochschulen und Universitäten;
2. die Unterstützung von privaten Bildungseinrichtungen, beruflicher Aus- und Weiterbildung und lebensbegleitendem Lernen;
3. individuelle Förderung und Integration;
4. eine angemessene Mitbestimmung an öffentlichen Bildungseinrichtungen.
5. (3) Der Staat hat den Zugang zur Bildung unabhängig vom Einkommen zu gewährleisten. Der Besuch öffentlicher Bildungseinrichtungen ist grundsätzlich unentgeltlich.
Artikel 39a. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf kulturelle Teilhabe.
(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht durch Unterstützung von kulturellen Betätigungen sowie von Einrichtungen, die die Mitwirkung am kulturellen Schaffen und die Auseinandersetzung mit kulturellen Gütern ermöglichen.
Artikel 40. (1) Jeder Mensch hat Anspruch auf Zugang zu Infrastruktur und sonstigen Leistungen von allgemeinem Interesse.
(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht, indem er die Leistungen selbst erbringt oder die Erbringung durch Private zu gleichen und fairen Bedingungen, in angemessener Qualität und zu erschwinglichen Preisen sicherstellt.
Artikel 40a. (1) Jeder Mensch hat Anspruch auf Schutz als KonsumentIn.
(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht, indem er die Information, die Sicherheit, die Gesundheit und die legitimen wirtschaftlichen Interessen der Konsumenten durch wirksame Maßnahmen schützt.
5. Abschnitt: Politische Rechte
Artikel 41. (1) Mit Erreichen des Wahl‑ und Stimmalters sind berechtigt:
1. StaatsbürgerInnen und durch das Recht der Europäischen Union oder durch Gesetz gleichgestellte Menschen bei der Wahl des Nationalrats, der BundespräsidentIn und der österreichischen Abgeordneten zum Europäischen Parlament sowie bei der Teilnahme an Abstimmungen, Befragungen und Begehren des Bundesvolkes;
2. BürgerInnen eines Landes und durch das Recht der Europäischen Union oder durch Gesetz gleichgestellte Menschen bei der Wahl des Landtags und bei der Teilnahme an Abstimmungen, Befragungen und Begehren des Landesvolkes;
3. BürgerInnen einer Gemeinde und durch das Recht der Europäischen Union oder durch Gesetz gleichgestellte Menschen bei der Wahl des Gemeinderats und der BürgermeisterIn, sofern sie vom Gemeindevolk gewählt wird, sowie bei der Teilnahme an Abstimmungen, Befragungen und Begehren des Gemeindevolkes.
(2) Jedenfalls wahl‑ und stimmberechtigt ist, wer am Tag der Stimmabgabe das 16. Lebensjahr vollendet hat.
(3) Jede Wahl‑ und Stimmberechtigte hat Anspruch auf die zur Wahrnehmung dieser Rechte nötige freie Zeit.
Artikel 42. (1) Mit Erreichen des Wählbarkeitsalters sind wählbar:
1. StaatsbürgerInnen und durch das Recht der Europäischen Union oder durch Gesetz gleichgestellte Menschen zum Nationalrat, zur BundespräsidentIn und zum Europäischen Parlament;
2. BürgerInnen eines Landes und durch das Recht der Europäischen Union oder durch Gesetz gleichgestellte Menschen zum Landtag und in die Landesregierung;
3. BürgerInnen einer Gemeinde und durch das Recht der Europäischen Union oder durch Gesetz gleichgestellte Menschen zum Gemeinderat und zur BürgermeisterIn.
(2) Jedenfalls wählbar ist, wer am Tag der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet hat.
(3) Der Ausschluss von der Wählbarkeit darf nur die Folge einer gerichtlichen Verurteilung sein.
Artikel 43. Jede Person hat das Recht, an öffentliche Einrichtungen Petitionen zu richten und im Rahmen der Gesetze an der politischen Willensbildung teilzunehmen.
Artikel 44. Alle StaatsbürgerInnen und durch das Recht der Europäischen Union oder durch Gesetz gleichgestellte Menschen haben das Recht auf gleichen Zugang zu den öffentlichen Ämtern.
Artikel 45. (1) Öffentlich Bediensteten ist die ungeschmälerte Ausübung ihrer politischen Rechte gewährleistet.
(2) Konflikte zwischen Dienst und Mandat sind zugunsten des Mandats zu lösen.
Artikel 46. Jeder im Bundesgebiet geborene Mensch erwirbt die österreichische Staatsbürgerschaft.
[Artikel 47. weggefallen]
6. Abschnitt: Verfahrensrechte und
Rechtsschutz
Artikel 48. (1) Jede Person hat das Recht auf ein Verfahren vor der nach dem Gesetz zuständigen Behörde.
(2) Ausnahmegerichte sind unzulässig.
Artikel 49. Jede Person hat das Recht, über Angelegenheiten öffentlicher Einrichtungen Auskunft zu erhalten und in deren Dokumente Einsicht zu nehmen. Die Auskunft und der Zugang können im öffentlichen Interesse oder zum Schutz von Rechten und Freiheiten anderer gesetzlich beschränkt werden.
Artikel 50. (1) Jede Person hat vor jeder Behörde Anspruch auf faire Behandlung sowie auf Beurteilung ihres Falles innerhalb angemessener Frist.
(2) Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
(3) Jeder festgenommene Mensch hat das Recht auf anwaltliche Vertretung.
(4) Jeder angeklagten Person sind die Verteidigungsrechte gewährleistet.
(5) Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf Verfahrenshilfe, sofern ihr Begehren nicht von vornherein aussichtslos erscheint. Dies schließt unentgeltlichen Rechtsbeistand vor Gericht mit ein.
Artikel 51. (1) In Zivil‑ und Strafsachen hat jede Person Anspruch auf Beurteilung ihrer Sache durch ein Gericht.
(2) Verhandlung und Urteilsverkündung sind öffentlich. Das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
(3) In Justizstrafsachen gilt der Anklageprozess.
Artikel 52. (1) Jede Person gilt bis zu ihrer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig.
(2) Jede verurteilte Person hat das Recht, das Urteil von einem höheren Gericht prüfen zu lassen. Ausnahmen dürfen nur für strafbare Handlungen geringfügiger Art, für Verurteilungen in erster Instanz durch ein Höchstgericht und für Verurteilungen in zweiter Instanz nach Freispruch in erster Instanz vorgesehen werden.
Artikel 53. Niemand darf wegen einer Tat verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Auch darf keine schwerere als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe verhängt werden.
Artikel 54. (1) Niemand darf wegen einer Tat, deretwegen sie oder er bereits in der Europäischen Union nach dem Gesetz rechtskräftig abgeurteilt worden ist, in einem Strafverfahren erneut verfolgt oder bestraft werden.
(2) Die gesetzlich vorgesehene Wiederaufnahme des Verfahrens ist zulässig, wenn neue oder neu bekannt gewordene Tatsachen vorliegen oder wenn das vorausgegangene Verfahren schwere, seinen Ausgang berührende Mängel aufweist.
Artikel 55. Wer rechtswidrig verhaftet oder angehalten wird oder aufgrund eines Fehlurteils eine Strafe verbüßt hat, hat das Recht auf angemessene Entschädigung, sofern sie oder ihn am nicht rechtzeitigen Bekannt werden der Tatsachen, die zur Aufhebung der Verhaftung, der Anhaltung oder des Urteils führen, kein oder nur ein geringes Verschulden trifft.
Artikel 56. Wer sich in einem Grundrecht verletzt erachtet, hat das Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz.
Artikel 57. Wer
durch rechtswidriges Handeln oder Unterlassen der Gesetzgebung oder durch
rechtswidriges schuldhaftes Verhalten der Vollziehung Schaden erleidet, hat Anspruch
auf Entschädigung nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts.
Artikel 57a. Opfer
strafbarer Handlungen sind am Strafverfahren angemessen zu beteiligen.
Artikel 58. Organisationen, die nach ihrem Wirkungsbereich zum Schutz von Grundrechten oder zur Vertretung grundrechtlich geschützter Interessen berufen sind, ist das Recht einzuräumen, gegen behauptete Verletzungen der betreffenden Grundrechte Beschwerde einzulegen. Näheres bestimmt das Gesetz.
Eingebracht im Ausschuss 4, 10.
Sitzung, 14. Jänner 2004
Art y: Rundfunkfreiheit
(1) Der Staat gewährleistet ein duales Rundfunksystem mit einem öffentlich-rechtlichen Auftrag und dem Recht Privater, Rundfunk zu betreiben.
(2) ...
Anmerkung:
Dieser Textvorschlag soll die Einrichtung eines öffentlichen Rundfunks garantieren, wie er derzeit in Form des ORF besteht. Er vermeidet die Verwendung des Satzes „Rundfunk ist eine öffentliche Aufgabe“, über dessen Inhalt Unsicherheit herrscht. Das entscheidende Kriterium am derzeit bestehenden System des öffentlichen Rundfunks ist sein öffentlich- rechtlicher Auftrag iSd § 1 Abs 2 ORF-G, der den Versorgungsauftrag (§ 3), den Programmauftrag (§ 4) und den besonderen Auftrag (§ 5) enthält. Es wird daher eine Textfassung vorgeschlagen, die sprachlich an diesen Auftrag und nicht an die Rechtsform ("öffentlich-rechtlicher Rundfunk") anknüpft. Mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag ist auch die Gebührenfinanzierung gesichert, was in Hinblick auf das Beihilfenrecht notwendig erscheint.
Bei der Meinungsfreiheit sind mir folgende zwei Absätze wichtig:
(x) Die Pluralität der Medien wird geachtet, gefördert und geschützt.
(y) Das Redaktionsgeheimnis steht unter besonderem Schutz.
Eingebracht im Ausschuss 4, 1.
Sitzung, 1.10.2003
I. Ausgangslage
1. Grundrechte und
verfassungsgesetzlich gewährleistete
Rechte
In der staatsrechtlichen Terminologie werden Grundrechte und verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte vielfach gleichgesetzt. In der Reformdiskussion sollte zwischen Grundrechten als elementaren Gewährleistungen zugunsten des Einzelnen oder gesellschaftlicher Gruppen einerseits und verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten andererseits unterschieden werden. Die Unterscheidung ist nicht ausschließend.
Es gibt grundrechtliche Gewährleistungen außerhalb des formellen Verfassungsrechts (Beispiele: UN-Pakte über bürgerliche und politische Rechte und über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte; Europäische Sozialcharta, Kinderrechtskonvention) und es gibt verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte außerhalb der Sphäre der Grundrechte (Beispiele: Rechte aus Verfassungsbestimmungen im Bezügerecht).
Die Reformarbeit im Grundrechtsausschuss sollte sich auf die Grundrechte beziehen. Verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte außerhalb der Grundrechte sollten hauptsächlich der Aufmerksamkeit des legistischen Ausschusses (2) überlassen werden.
In systematischer Nachbarschaft zu den Grundrechten stehen institutionelle Garantien (zB Wehrsystem), Staatsziel- und –aufgabenbestimmungen (zB Gewährleistung der Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen; Rundfunk als „öffentliche Aufgabe“). Hier besteht Informations- und Koordinierungsbedarf im Verhältnis zum Ausschuss betreffend Staatsziele und Staatsaufgaben (1).
Im Sinne eines entwickelten Grundrechtsverständnisses können – der Terminologie und Systematik der EU-Grundrechtscharta entsprechend – folgende Unterscheidungen getroffen werden:
–
Grundlagen
(Würde des Menschen, Recht auf Leben, Recht auf Unversehrtheit, Verbot der
Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung, Verbot
der Sklaverei und der Zwangsarbeit)
–
Freiheiten
(„klassische Grundrechte“, wie persönliche Freiheit, Privatsphäre,
Meinungsfreiheit, Eigentumsfreiheit, Erwerbsfreiheit etc)
–
Gleichheit
(Diskriminierungsverbote, Schutz und Förderung gesellschaftlicher Gruppen –
Volksgruppen, Minderheiten, Benachteiligte)
–
Solidarität
(Garantiepflichten und Gewährleistungsansprüche, sog „soziale Grundrechte“)
–
Bürgerrechte
(Wahlrecht, Recht auf eine gute Verwaltung, Informationsrechte, Schutz durch
Institutionen)
–
Justizielle
Rechte (Rechte in Zivil- und Strafsachen)
2. Grundrechtstexte und
Grundrechtsquellen
Grundrechtliche Gewährleistungen auf Verfassungsstufe finden sich verstreut in zahlreichen Texten und Quellen, aus verschiedenen Abschnitten der Rechtsentwicklung stammend, innerhalb und außerhalb des B-VG, teils staatlicher, teils völkerrechtlicher Herkunft. Zwei relativ geschlossene Kataloge enthalten das StGG 1867 und die EMRK mit ihren Zusatzprotokollen. Ansonsten gibt es eine Fülle sporadischer, größerer und kleinerer Texte und Quellen, manche davon als Reste angefangener Kodifikationen (zB Schutz der persönlichen Freiheit).
Dazu kommen Grundrechtstexte und -quellen völkerrechtlicher Herkunft, die nicht im Verfassungsrang transformiert wurden und/oder nicht unmittelbar anwendbar sind.
Die MRK und ihre Zusatzprotokolle schaffen insgesamt einen weitgehend kompletten Katalog der „klassischen“ Menschenrechte und Grundfreiheiten. Gäbe es nur die MRK und ihre Zusatzprotokolle, so bestünde bei diesen Rechten und Freiheiten nur wenig Ergänzungsbedarf an zusätzlichen verfassungsgesetzlichen Garantien.
Die MRK und ihre Zusatzprotokolle haben überdies wegen ihrer Einbindung in die europäische Grundrechtsordnung und wegen der permanenten richterrechtlichen Fortentwicklung sowohl durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als auch durch den österreichischen VfGH unter allen grundrechtlichen Rechtsquellen ein großes Gewicht an Legitimität und Implementierung.
II. Reformperspektiven
Es erscheint nicht sinnvoll, den Versuch zu unternehmen, den vorhandenen Grundrechtsbestand textlich zu kompilieren und/oder in einem weiteren Katalog neu zu kodifizieren.
Andererseits sollten die Grundrechte an prominenter Stelle – allenfalls am Beginn – einer neuen geschlossenen Verfassungsurkunde verankert sein (wenn auch nicht unbedingt als detailliert ausgearbeiteter Grundrechtskatalog).
Zu beachten ist auch die Entwicklung der Grundrechte im Bereich der EU. Das Gemeinschaftsrecht kennt eine Reihe von Gemeinschaftsgrundrechten auf der Grundlage des Art 6 EUV, der Rechtsprechung des EuGH und der (noch unverbindlichen) Grundrechtscharta. Der Verfassungsvorschlag des Konvents sieht eine Konstitutionalisierung der Grundrechtscharta in Verbindung mit einem erweiterten Zugang zum EuGH vor.
Der alte, zum Teil entwicklungshemmende Gegensatz von „liberalen“ und „sozialen“ Grundrechten verliert an Bedeutung. Das hängt wesentlich damit zusammen, dass Freiheitsrechte heute durchwegs auch als staatliche Schutz- und Garantiepflichten verstanden werden.
Ebenfalls im Wandel bzw im Abbau begriffen ist die traditionelle Fixierung der Grundrechte auf den obrigkeitlich auftretenden Staat, im Besonderen in Form der hoheitlich eingreifenden Verwaltung. Im Vordringen begriffen ist die Vorstellung von einer allgemeinen Grundrechtspflichtigkeit jeder Form von „öffentlicher Gewalt“, auch wenn sie durch formell private Institutionen und/oder mit den Mitteln des Privatrechts wahrgenommen wird. Privatrechtliche Garantien, wie der allgemeine Persönlichkeitsschutz, gute-Sitten-Klauseln, Kontrahierungspflichten, Diskriminierungs- und Missbrauchsverbote, gelten in zunehmendem Maße als Transportmittel grundrechtlicher Wertvorstellungen.
III. Strategie
Im Ausschuss sollte zunächst eine Sichtung der vorhandenen Bestände an grundrechtlichen Texten und Rechtsquellen vorgenommen werden. Die Bestandsaufnahme sollte von einem erweiterten Grundrechtsverständnis ausgehen, welches auch Quellen außerhalb des formellen Verfassungsrechts (insbesondere solche völkerrechtlicher Herkunft) einbezieht.
Auf der Grundlage dieser Bestandsaufnahme könnte eine Systematisierung der Texte und Quellen vorgenommen werden, die dem – derzeit am weitesten entwickelten – System (nicht auch den Einzelheiten!) der EU-Grundrechtscharta folgt.
Eine Kodifikation herkömmlicher Art, bei der auch Ergebnisse der Rechtsprechung in Rechtstexte transformiert werden, erscheint nicht sinnvoll. Die Dynamik der Rechtsprechung und Praxis, die sich weit über den Wortlaut der Grundrechtsgewährleistungen hinaus entwickelt, sollte nicht durch kodifikatorische „Momentaufnahmen“ beeinträchtigt werden, sondern für die weitere Zukunft erhalten bleiben.
Ein neuer Grundrechtskatalog könnte in einer kombinierten Strategie von inhaltlichen Deklarationen, Erwähnungen und Verweisungen geschaffen werden. Es geht dabei nicht darum, einen Katalog von neu zu beschließenden Grundrechtstexten herzustellen, sondern im Wesentlichen um eine Kompilation, Arrondierung und einen Weiterbau des vorhandenen Bestandes. Mehrfache Garantien sollten abgebaut werden.
Dem System der Grundrechtscharta der EU folgend können bestehende Gewährleistungen zugeordnet und neue Garantien geschaffen und eingebaut werden. Letzteres wird von der Konsensfindung im Ausschuss abhängen.
Materielle Grundrechtsbestände sollten im neuen System Platz finden, auch wenn sie bisher nicht Teil des formellen Verfassungsrechts und/oder nicht unmittelbar anwendbar gewesen sind (zB Europäische Sozialcharta, UN-Pakte, KRK). Manche Gewährleistungen, namentlich im Bereich der „Solidarität“, werden möglicherweise nicht auf dem Weg des Art 144 B-VG „einklagbar“ sein, sondern der Um- und Durchsetzung im Wege über die ordentlichen Gerichte (einschließlich Arbeits- und Sozialgerichte) anzuvertrauen sein. Auch solche Garantien sollten in den Grundrechtskatalog Aufnahme finden. Über die Technik, allenfalls in Form von Verweisungen und/oder institutionellen Garantien wird im Ausschuss zu sprechen sein.
In diesem Zusammenhang werden auch strukturelle Fragen des Rechtsschutzes zu erörtern und allenfalls neue Instrumentarien (zB Verbandsklagen) zu suchen sein.
Der Ausschuss sollte sich auch mit bestehenden Einrichtungen des kommissarischen Rechtsschutzes durch Rechtsschutzbeauftragte, Verfahrensanwälte uä befassen.
Eingebracht im Ausschuss 4, 1.
Sitzung, 1.10.2003
Vorschlag Privatsphäre:
vorgeschlagener Text
Artikel 8 EMRK – Recht auf
Achtung des Privat- und Familienlebens
(1) Jedermann hat Anspruch auf
Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines
Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer
öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit
dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in
einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche
Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der
Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der
Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer
notwendig ist.
Schutz des Hausrechts
Das Hausrecht ist unverletzlich.
Eine Hausdurchsuchung, das ist
die Durchsuchung der Wohnung oder sonstiger zum Hauswesen gehörigen
Räumlichkeiten darf in der Regel nur kraft einer mit Gründen versehenen
richterlichen Verfügung unternommen werden.
Bei Gefahr im Verzug kann eine
Hausdurchsuchung nach Maßgabe gesetzlicher Ermächtigungen, die den
Erfordernissen des Artikel 8 Abs 2 EMRK entsprechen müssen, durch die
zuständige Verwaltungsbehörde angeordnet und erforderlichenfalls auch durch
Organe der Behörden auf eigenen Entschluss vorgenommen werden.
§ 1 DSG – Grundrecht auf
Datenschutz
(1) Jedermann hat, insbesondere
auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch
auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein
schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses
ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder
wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem
Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von
personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder
mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf
Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines
anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf
Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention
zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten
Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die
ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger
öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien
für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im
Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur
in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.
(3) Jedermann hat, soweit ihn
betreffende personenbezogene Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung
oder zur Verarbeitung in manuell, dh. ohne Automationsunterstützung geführten
Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen
1.
das
Recht auf Auskunft darüber, wer welche Daten über ihn verarbeitet, woher die
Daten stammen, und wozu sie verwendet werden, insbesondere auch, an wen sie
übermittelt werden;
2.
das
Recht auf Richtigstellung unrichtiger Daten und das Recht auf Löschung
unzulässigerweise verarbeiteter Daten.
(4) Beschränkungen der Rechte nach Abs. 3
sind nur unter den in Abs. 2 genannten Voraussetzungen zulässig.
(5) Gegen Rechtsträger, die in Formen des
Privatrechts eingerichtet sind, ist, soweit sie nicht in Vollziehung der
Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit Ausnahme des Rechtes
auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. In allen übrigen Fällen
ist die Datenschutzkommission zur Entscheidung zuständig, es sei denn, dass
Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind.
Schutz der Vertraulichkeit
privater Kommunikation
Die Vertraulichkeit privater
Kommunikation darf nicht verletzt werden. Eingriffe in das
Kommunikationsgeheimnis dürfen nur nach Maßgabe gesetzlicher Ermächtigungen,
die den Erfordernissen des Artikel 8 Abs 2 EMRK entsprechen müssen, auf Grund
einer richterlichen Verfügung sowie zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für
Leben, Freiheit oder Gesundheit von Menschen auf Grund behördlicher Anordnung
und erforderlichenfalls auch durch Organe der Behörden auf eigenen Entschluss
vorgenommen werden.
Ohne richterliche Verfügung ist
eine Beschlagnahme von Nachrichtensendungen in den Fällen einer gesetzlichen
Verhaftung oder Hausdurchsuchung zulässig sowie zur Abwehr einer gegenwärtigen
Gefahr für Leben, Freiheit oder Gesundheit von Menschen.
Erläuterungen
Die vorgeschlagene Textierung
erfasst – von Art 8 EMRK ausgehend – die grundrechtlichen Gewährleistungen im
Bereich der Privatsphäre.
Art 8 EMRK bleibt unverändert.
Schutz des Hausrechts
Die vorgeschlagene Fassung geht
von der Rechtslage des StGG (Art 9) und des Gesetzes zum Schutz des Hausrechts
von 1862 (HausrechtsG) aus und übernimmt deren Garantien, soweit sie über Art 8
EMRK hinausgehen. Der „Überhang“ betrifft den Schutz vor „Hausdurchsuchung“ zum
Unterschied vom Schutz der „Wohnung“ (Art 8 EMRK) und das Erfordernis eines
richterlichen „Befehls“ (künftig: richterliche „Verfügung“, auch im Hinblick
auf die in Aussicht genommene Reform des strafrechtlichen Vorverfahrens).
Die Möglichkeit einer
Hausdurchsuchung ohne richterliche Verfügung (Befehl) soll erhalten bleiben und
je nach Dringlichkeit primär an eine behördliche Anordnung gebunden werden und
erforderlichenfalls auch durch Organe der Behörden auf eigenen Entschluss
vorgenommen werden können. Klargestellt wird, dass die Zulässigkeit solcher
Eingriffe gesetzlicher Ermächtigungen bedarf, die den Erfordernissen des Art 8
Abs 2 EMRK zu entsprechen haben.
Die Unterscheidungen des
HausrechtsG hinsichtlich Strafgerichtspflege, polizeilicher und finanzieller
Aufsicht sind verzichtbar.
Eine Schmälerung des
Schutzniveaus tritt nicht ein.
Art 9 StGG und das HausrechtsG
können künftig entfallen.
Grundrecht auf Datenschutz
Die vorgeschlagene Regelung
entspricht unverändert der geltenden Rechtslage.
Grundrecht auf Schutz der
Vertraulichkeit privater Kommunikation
Die vorgeschlagene Fassung
integriert das Grundrecht auf Schutz des Fernmeldegeheimnisses (Art 10a StGG),
des Briefgeheimnisses (Art 10 StGG) und berücksichtigt neue Formen von
Eingriffen in die Vertraulichkeit privater Kommunikation, wie Lausch- und
Spähangriff. Auch hier wird grundsätzlich ein „Richtervorbehalt“ vorgeschlagen,
mit Ausnahmeermächtigungen für den Gefahrenfall (zB „bemannte Wanze“,
Gefahrenabwehr wie derzeit in § 149d Abs 1 Z 1 iVm § 149e Abs 1 StPO
vorgesehen: Ermächtigung für Maßnahmen der optischen und akustischen
Überwachung von Personen unter Verwendung technischer Mittel bei andauernder
Entführung oder Geiselnahme).
Art 10 und 10a StGG können
entfallen.
Eingebracht im Ausschuss 4, 2.
Sitzung, 10.10.2003
Verfassungsgesetzlich
gewährleistete Grundrechte – Rechtsgrundlagen
1. Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder, RGBl 142 zuletzt geändert durch BGBl 1988/684
2. Gesetz vom 27. Oktober 1862, zum Schutze des Hausrechtes, RGBl 88 zuletzt geändert durch BGBl 1974/422
3. Beschluss der Provisorischen Nationalversammlung vom 30. Oktober 1918, StGBl 3 idF BGBl 1920/1
4. Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye vom 10. September 1919, StGBl 1920/303 Art 62 bis 69, diese idF BGBl III 2002/179 (DFB)
5. Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich, BGBl 1955/152 Art 7, Art 8, diese idF BGBl 1964/59
6. Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten, BGBl 1959/101 § 7, dieser idF BGBl 1990/420
7. Bundesverfassungsgesetz vom 3. Juli 1973 zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390
8. Zivildienstgesetz 1986, BGBl 679 § 2, dieser idF BGBl 1996/788
9. Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, BGBl 1979/529 § 12, § 44
10. Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl 684
11. Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland, BGBl 1994/641 § 1
12. Datenschutzgesetz 2000, BGBl I 1999/165 § 1
13. Bestimmungen im Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl 1920/1 zuletzt geändert durch BGBl I 2003/43 insb: Art 7; Art 9a Abs 3 und 4; Art 14 Abs 7; Art 14a Abs 7; Art 20 Abs 4; Art 23a Abs 1 und 3; Art 26 Abs 1 und 4; Art 60 Abs 1 und 3; Art 83 Abs 2; Art 90; Art 95 Abs 1; Art 116 Abs 1, 2 und 3; Art 117; Art 119a Abs 5 und 9
14. Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl 1958/210 zuletzt geändert durch BGBl III 2002/179 (DFB)
15. (Erstes) Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl 1958/210 zuletzt geändert durch BGBl III 1998/30
16. Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, durch das gewisse Rechte und Freiheiten gewährleistet werden, die nicht bereits in der Konvention oder im ersten Zusatzprotokoll enthalten sind, BGBl 1969/434 zuletzt geändert durch BGBl III 1998/30
17. Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl 1985/138 zuletzt geändert durch BGBl III 1998/30
18. Protokoll Nr. 7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl 1988/628 zuletzt geändert durch BGBl III 2002/179 (DFB)
19. Protokoll Nr. 11 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Umgestaltung des durch die Konvention eingeführten Kontrollmechanismus, BGBl III 1998/30 zuletzt geändert durch BGBl III 2002/179 (DFB)
20. Parteiengesetz, BGBl 1975/404 zuletzt geändert durch BGBl I 2003/71 § 1 Abs 3
21. Arbeiterkammergesetz 1992, BGBl 1991/626 zuletzt geändert durch BGBl 2001/98 § 10 Abs 2 Z 1 lit a
22. Kraftfahrgesetz 1967, BGBl 1967/267 zuletzt geändert durch BGBl I 2003/60 § 103 Abs 2
23. Schiffahrtsgesetz, BGBl I 1997/62 zuletzt geändert durch
BGBl I 2002/65 § 5 Abs 9
VÖLKERRECHTLICHE UND EUROPARECHTLICHE GRUNDLAGEN
Europarat
BGBl. Nr. 460/1969
Europäische Sozialcharta
idF: BGBl. Nr. 284/1970
einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt
Revidierte Europäische Sozialcharta 1996
unterzeichnet am 07. 05. 1999, noch nicht ratifiziert (Informationsstand 07. 10. 2003)
BGBl. Nr. 74/1989
Europäisches Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher
oder erniedrigender Behandlung oder Strafe
idF: BGBl. III Nr. 198/2002
BGBl. III Nr. 199/2002
Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt
BGBl. III Nr. 216/2001
Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen
Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt
BGBl. III Nr. 120/1998
Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler
Minderheiten samt Erklärung
Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt
BGBl. Nr. 317/1988
Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei
der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten
Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt
European Convention on the Exercise of
Children’s Rights
Unterzeichnet am 13. 07. 99, noch nicht ratifiziert (Informationsstand
07. 10. 2003)
UNO
BGBl. Nr. 91/1958
Konvention über die Verhütung und Bestrafung
des Völkermordes
Einfachgesetzlich, (Art IV und VI verfassungsändernd), kein Erfüllungsvorbehalt
zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang auch:
BGBl. III Nr. 180/2002
Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs
Einfachgesetzlich (Art 27 und Art 89 Abs 1 und 3 verfassungsändernd), kein Erfüllungsvorbehalt
BGBl. I Nr. 135/2002
BG über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof
Einfachgesetzlich (§7 Verfassungsbestimmung)
BGBl. Nr. 256/1969
Übereinkommen über die politischen Rechte der Frau
Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt
BGBl. Nr. 377/1972
Internationales Übereinkommen über die Beseitigung aller Formen
rassischer Diskriminierung
Einfachgesetzlich (Art 1, 4, 14 Verfassungsbestimmungen), Kein Erfüllungsvorbehalt
BGBl. Nr. 590/1978
Internationaler Pakt über wirtschaftliche,
soziale und kulturelle Rechte
Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt
BGBl. Nr. 591/1978
Internationaler Pakt über bürgerliche und
politische Rechte
Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt
BGBl. Nr. 105/1988
Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt
über bürgerliche und politische Rechte
Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt
BGBl. Nr. 333/1993
Zweites Fakultativprotokoll zu dem internationalen Pakt über
bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe
Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt
BGBl. Nr. 443/1982
Konvention zur Beseitigung jeder Form von
Diskriminierung der Frau
Einfachgesetzlich, (Art 1-4 verfassungsändernd), Erfüllungsvorbehalt
BGBl. III Nr. 206/2000
Fakultativprotokoll zur Konvention zur Beseitigung jeder Form von
Diskriminierung der Frau
Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt
BGBl. Nr. 492/1987
Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder
erniedrigende Behandlung oder Strafe
Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt
BGBl. Nr. 7/1993
Übereinkommen über die Rechte des Kindes
Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt
BGBl. III Nr. 92/2002
Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes
betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten
Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt
Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes
(Kinderhandel und Prostitution)
Unterzeichnet am 06. 09. 2000, noch nicht ratifiziert
(Informationsstand 07. 10. 2003)
BGBl. Nr. 55/1955
Konvention über die Rechtsstellung der
Flüchtlinge
Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt
BGBl. Nr. 78/1974
Protokoll über die Rechtsstellung der
Flüchtlinge
Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt
BGBl. II Nr. 215/1997
V über das Aufenthaltsrecht von
kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina
BGBl. II Nr.
133/1999
V der Bundesregierung, mit der das
Aufenthaltsrecht kriegsvertriebener Kosovo-Albaner geregelt wird
idF: BGBl. II
Nr. 461/1999
BGBl. I Nr. 85/1998
BG mit dem integrierten Vertriebenen aus
Bosnien und Herzegowina das weitere Aufenthaltsrecht gesichert wird
BGBl. I Nr. 76/1997
BG über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz;
1997 - AsylG)
idF: BGBl. I Nr. 106/1998 (VfGH)
BGBl.
I Nr. 110/1998 (VfGH)
BGBl.
I Nr. 4/1999
BGBl.
I Nr. 41/1999 (VfGH)
BGBl.
I Nr. 82/2001
BGBl.
I Nr. 126/2002
BGBl Nr 405/1991
BG, mit dem die Bundesbetreuung von Asylwerbern
geregelt wird (Bundesbetreuungsgesetz;)
idF: BGBl. Nr 314/1994
BGBl. I Nr. 134/2000
BGBl.
I Nr. 98/2001
BGBl. Nr. 31/1992
V des Bundesministers für Inneres über die
Bundesbetreuung für Asylwerber; (Bundesbetreuungsverordnung; - BBetrVO)
idF: BGBl. Nr 352/1993
BGBl.
II Nr. 180/1998
BGBl.
II Nr. 441/2001
Weitere Übereinkommen (soweit ersichtlich alle einfachgesetzlich)
RGBl. Nr. 26/1913
Internationales Übereinkommen vom 4. Mai 1910 zur Bekämpfung des
Mädchenhandels
idF: BGBl. Nr. 304/1920
BGBl. Nr. 203/1950
RGBl. Nr. 26/1913
Internationales Abkommen vom 18. Mai 1904 zur
Bekämpfung des Mädchenhandels
idF: BGBl. Nr. 304/1920
BGBl. Nr. 203/1950
BGBl. Nr. 740/1922
Zwischenstaatliches Übereinkommen zur Unterdrückung des Frauen- und
Kinderhandels
BGBl. Nr. 17/1928
Übereinkommen betreffend die Sklaverei
idF: BGBl. Nr. 183/1956
BGBl. Nr. 66/1964
Zusatzübereinkommen über die Abschaffung der Sklaverei, des
Sklavenhandels und sklavereiähnlicher Einrichtungen und Praktiken
BGBl. Nr. 317/1936
Internationales Abkommen über die Unterdrückung des Handels mit volljährigen Frauen
EU
Charta der Grundrechte der Union (Teil 2 des Entwurfes eines Vertrages über eine Verfassung von Europa, CONV 850/03)
Primärrecht (Auswahl)
EGV
Art 12 (Nicht Diskriminierung)
4 Grundfreiheiten: Freier Warenverkehr, freier Personenverkehr (Art 23ff); Freier Dienstleistungs- und Kapitalverkehr (Art 39ff)
EUV
Art 6
Sekundärrecht (Auswahl)
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Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen |
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Amtsblatt Nr. L 039 vom 14/02/1976 S. 0040 - 0042 |
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Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (Text von Bedeutung für den EWR) |
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Amtsblatt Nr. L 269 vom 05/10/2002 S. 0015 - 0020 |
Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft |
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Amtsblatt Nr. L 180 vom 19/07/2000 S. 0022 - 0026 |
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Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf |
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Amtsblatt Nr. L 303 vom 02/12/2000 S. 0016 - 0022 |
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Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten |
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Amtsblatt Nr. L 212 vom 07/08/2001 S. 0012 - 0023 |
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Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von
Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten |
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Amtsblatt Nr. L 031 vom 06/02/2003 S. 0018 - 0025 |
Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist |
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Amtsblatt Nr. L 050 vom 25/02/2003 S. 0001 - 0010 |
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Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation)
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Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr Amtsblatt Nr. L 008 vom 12/01/2001 S. 0001 - 0022 |
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ILO
Österreich ist auch Vertragspartner von zahlreichen ILO Konventionen; da deren Schutzbereich aber weitgehend von den hier bereits aufgezählten Rechtsquellen (insb. die Sozialcharta) abgedeckt ist, kann auf eine taxative Auflistung der ILO Verträge verzichtet werden. Beispielhaft seien genannt:
BGBl III Nr. 41/2002
Übereinkommen (Nr. 182) über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur
Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit
einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt
BGBl III Nr. 200/2001
Übereinkommen (Nr. 138) über das Mindestalter
für die Zulassung zur Beschäftigung
einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt
BGBl Nr. 111/1973
Übereinkommen (Nr. 111) über die
Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf
Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt
BGBl Nr. 355/1972
Übereinkommen (Nr. 122) über die
Beschäftigungspolitik
Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt
BGBl Nr. 34/1970
Übereinkommen (Nr. 128) über Leistungen bei Invalidität und Alter und
an Hinterbliebene
Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt
BGBl Nr. 33/1970
Übereinkommen (Nr. 102) über die Mindestnormen
der Sozialen Sicherheit
Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt
BGBl Nr. 31/1970
Übereinkommen (Nr. 103) über den Mutterschutz
(Neufassung vom Jahre 1952)
Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt
BGBl Nr. 86/1961
Übereinkommen (Nr. 29) über Zwangs- oder
Pflichtarbeit
idF: BGBl Nr. 39/1964
Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt
BGBl Nr. 81/1958
Übereinkommen (Nr.105) über die Abschaffung
der Zwangsarbeit
Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt
BGBl Nr. 39/1954
Übereinkommen (Nr. 100) über die Gleichheit des Entgelts männlicher und
weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit
Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt
BGBl Nr. 228/1950
Übereinkommen (Nr. 87) über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des
Vereinigungsrechtes
Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt
Quellen: Index des Bundesrechts, RIS, eur-lex.
Eingebracht im Ausschuss 4, 2.
Sitzung, 10.10.2003
Artikel 10 EMRK – Freiheit der
Meinungsäußerung
(1) Jedermann hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung.
Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und
zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden
und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein. Dieser Artikel schließt nicht aus,
daß die Staaten Rundfunk-, Lichtspiel- oder Fernsehunternehmen einem
Genehmigungsverfahren unterwerfen.
(2) Da die Ausübung dieser Freiheiten Pflichten und
Verantwortung mit sich bringt, kann sie bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen
Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen
werden, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im
Interesse der nationalen Sicherheit,
der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der
Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der
Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer
unentbehrlich sind, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu
verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu
gewährleisten.
Art I des Bundesverfassungsgesetz
vom 10. Juli 1974 über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks, BGBl
1974/396 – Rundfunkfreiheit
(1) Rundfunk ist die für die Allgemeinheit bestimmte
Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, Ton und Bild unter Benützung
elektrischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung bzw. längs oder mittels eines
Leiters sowie der Betrieb von technischen Einrichtungen, die diesem Zweck
dienen.
(2) Die näheren Bestimmungen für den Rundfunk und
seine Organisation sind bundesgesetzlich festzulegen. Ein solches Bundesgesetz
hat insbesondere Bestimmungen zu enthalten, die die Objektivität und
Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Berücksichtigung der
Meinungsvielfalt, die Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit der
Personen und Organe, die mit der Besorgung der im Abs. 1 genannten Aufgaben
betraut sind, gewährleisten.
(3) Rundfunk gemäß Abs. 1 ist eine öffentliche
Aufgabe.
Artikel 17 StGG – Wissenschaftsfreiheit
Die Wissenschaft und ihre Lehre ist
frei. Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu gründen und an solchen Unterricht
zu erteilen, ist jeder Staatsbürger berechtigt, der seine Befähigung hiezu in
gesetzlicher Weise nachgewiesen hat. Der häusliche Unterricht unterliegt keiner
solchen Beschränkung. Für den Religionsunterricht in den Schulen ist von der
betreffenden Kirche oder Religionsgesellschaft Sorge zu tragen. Dem Staate
steht rücksichtlich des gesamten Unterrichts- und Erziehungswesens das Recht
der obersten Leitung und Aufsicht zu.
Artikel 17a StGG – Kunstfreiheit
Das künstlerische Schaffen, die
Vermittlung von Kunst sowie deren Lehre sind frei.
Autonomie der Universitäten
Die Universitäten sind im Rahmen der
Gesetze und Verordnungen zur autonomen Besorgung ihrer Angelegenheiten befugt.
Erläuterungen
„ 1. Jede Zensur ist als dem Grundrecht der Staatsbürger widersprechend
als rechtsungültig aufgehoben.
2. Die Einstellung von Druckschriften und die Erlassung
eines Postverbotes gegen solche findet nicht mehr statt. Die bisher verfügten Einstellungen und
Postverbote sind aufgehoben. Die volle Freiheit der Presse ist hergestellt.“
Eingebracht im Ausschuss 4, 2.
Sitzung, 10.10.2003
Art 11 EMRK – Versammlungs- und
Vereinigungsfreiheit
(1) Alle Menschen haben das Recht, sich
friedlich zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen,
einschließlich des Rechts, zum Schutz ihrer Interessen Gewerkschaften zu
bilden und diesen beizutreten.
(2) Die Ausübung dieser Rechte darf
keinen anderen Einschränkungen unterworfen werden als den vom Gesetz
vorgesehenen, die in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der
nationalen und öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und
der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral oder des
Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Dieser Artikel
verbietet nicht, dass die Ausübung dieser Rechte durch Mitglieder der
Streitkräfte, der Polizei oder der Staatsverwaltung gesetzlichen
Einschränkungen unterworfen wird.
Politische Parteien:
Parteiengesetz
§ 1. (1) Die Existenz und Vielfalt politischer Parteien sind
wesentliche Bestandteile der demokratischen Ordnung der Republik Österreich
(Art 1 B-VG).
(2) Zu den Aufgaben der politischen
Parteien gehört die Mitwirkung an der politischen Willensbildung.
(3) Die Gründung politischer Parteien ist
frei, sofern bundesverfassungsgesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Ihre
Tätigkeit darf keiner Beschränkung durch besondere Rechtsvorschriften
unterworfen werden.
(4) Die politischen Parteien haben
Satzungen zu beschließen, die in einer periodischen Druckschrift zu
veröffentlichen und beim Bundesministerium für Inneres zu hinterlegen sind. Aus
der Satzung hat insbesondere ersichtlich zu sein, welches ihre Organe sind und
welche hievon zur Vertretung nach außen befugt sind, sowie welche Rechte und
Pflichten die Mitglieder besitzen. Mit der Hinterlegung der Satzung erlangt die
politische Partei Rechtspersönlichkeit.
(5) Dem Präsidenten des Rechnungshofes
kann durch Bundesgesetz die Aufgabe übertragen werden, Listen von Spenden an
politische Parteien entgegenzunehmen, zu verwahren und auf Ersuchen der
betreffenden Partei öffentlich festzustellen, ob Spenden in der ihm
übermittelten Liste ordnungsgemäß deklariert wurden.
Verbotsgesetz
§ 3. Es ist jedermann untersagt, sich, sei es auch
außerhalb dieser Organisationen, für die NSDAP oder ihre Ziele irgendwie zu
betätigen.
Erläuterungen
1. Zum Vergleich: Vorschlag Loebenstein
(Reformkommission) aus dem Jahr 1983:
„Jedermann hat das Recht, sich
frei mit anderen zu Vereinen zusammenzuschließen. Dieses Recht schließt auch
das Recht mit ein, von niemandem (auch nicht durch Gebietskörperschaften und
andere Rechtsträger, die öffentliche Aufgaben besorgen) gezwungen zu werden,
einer Vereinigung beizutreten, ihr anzugehören oder aus ihr auszutreten .Dieses
Recht darf keinen anderen Einschränkungen unterworfen werden, als solchen, die
im Interesse der nationalen und öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung
der verfassungsmäßigen und völkerrechtlichen Ordnung, der Strafrechtsordnung,
des Schutzes der Gesundheit und der Moral oder des Schutzes der Rechte und
Freiheiten anderer notwendig sind. Absatz 1 steht Bestimmungen nicht entgegen,
die die Ausübung dieses Rechtes durch Mitglieder des Bundesheeres, der Polizei
oder anderer Wachkörper und der sonstigen staatlichen Verwaltung sowie der
Gerichtsbarkeit den unbedingt erforderlichen Einschränkungen unterwerfen. Die
Bildung und Betätigung von Vereinigungen zu den im Art 9 des Österreichischen
Staatsvertrages, BGBl Nr 152/55, in Verbindung mit Art II Z 3 des
Bundesverfassungsgesetzes vom 4.3.1964, BGBl Nr 59/.. ist verboten. Untertänigkeits- und Hörigkeitsverbände
bleiben abgeschafft.
Jedermann hat das Recht, sich
friedlich ohne Waffen und ohne Gewaltanwendung zu versammeln. Die Ausübung
dieses Rechts darf keinen anderen Beschränkungen unterworfen werden, als
solchen, die im Interesse der nationalen und öffentlichen Sicherheit, der
Aufrechterhaltung der verfassungsmäßigen und völkerrechtlichen Ordnung, der
Strafrechtsordnung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral oder des Schutzes
der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Diese Bestimmung steht
Vorschriften nicht entgegen, die die Ausübung dieses Rechtes durch Angehörige
des Bundesheeres, der Polizei und anderer bewaffneter Wachkörper, der sonstigen
staatlichen Verwaltung und der Gerichtsbarkeit gesetzlicher Einschränkungen
unterwerfen. Ausländer gegenüber kann durch Bundesgesetz die Ausübung dieses
Rechtes, soferne politische Ziele damit verbunden werden, oder die Ausübung dieses
Rechtes auf politische Tätigkeit gerichtet ist, Beschränkungen unterworfen
werden.(3) Keine Versammlungen im Sinne des Absatzes 1 sind öffentliche
Belustigungen, Hochzeitszüge, volksbräuchliche Feste oder Aufzüge,
Leichenbegängnisse, Prozessionen, Wahlfahrten und sonstige Versammlungen oder
Aufzüge zur Ausübung eines gesetzlich verankerten Kultus und der öffentlichen
Religionsausübung dienende Versammlungen. Gleiches gilt von Versammlungen der
Wähler zu Wahlbesprechungen, zu Besprechungen mit gewählten Abgeordneten, wenn
sie zur Zeit der ausgeschriebenen Wahlen und nicht unter freiem Himmel
stattfinden. (4) Dieses Recht schließt auch das Recht mit ein, von niemandem
(auch nicht durch die öffentliche Hand oder Rechtsträgern, die öffentliche
Aufgaben besorgen) gezwungen zu werden, an einer Versammlung teilzunehmen oder
ihr fernzubleiben. Die Gesetzgebung hat dafür zu sorgen, dass Versammlungen
wirksam geschützt werden.
(1) Alle Arbeitnehmer und alle
Arbeitgeber haben das Recht, sich frei zu Vereinigungen zur Wahrung und
Förderung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Interessen (Gewerkschaften,
Berufsvereinigungen von Arbeitgebern) zusammenzuschließen, insbes. sich dabei
zu betätigen und so Arbeitskampfmaßnahmen in Übereinstimmung mit den
bestehenden Gesetzen zu treffen.
(2) Verträge und einseitige
Rechtshandlungen, die dieses Rechte einschränken oder seine Ausübung
behindernd, sind rechtsunwirksam; auch andere hierauf gerichtete Maßnahmen sind
rechtswidrig. Dies gilt auch für Maßnahmen, die einen Zwang zum Beitritt zu
einer solchen Vereinigung ausüben.
(3) Den Arbeitsvertrag und das
Rechtsverhältnis zwischen Betriebsinhaber und Gewerkschaft betreffende
Vereinbarungen zwischen Betriebsinhaber und Gewerkschaft mit normativer
(allgemein verbindlicher) Wirkung können, soweit nicht zwingend andere
gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen, nach Maßgabe besonderer gesetzlicher
Bestimmungen abgeschlossen werden. Durch Gesetz kann angeordnet werden, dass
solche Vereinbarungen auch für Nichtmitglieder solcher Vereinigungen gelten
oder dass die Geltung für Nichtmitglieder aufgrund des Gesetzes durch
Verordnung festgelegt wird.
Diese Vereinigungen müssen in der
Vertretung der Gruppeninteressen der anderen Seite gegenüber unabhängig sein
oder die am Abschluss beteiligten Gruppen müssen voneinander unabhängig sein.
Alternative zu Satz 2: Die
Rechtswirkungen solcher Vereinbarungen treten auch für Arbeitnehmer eines
kollektivvertragsangehörigen Arbeitgebers ein, die nicht
kollektivvertragnagehörig sind (Außenseiter). Diese Rechtswirkungen werden
durch einen späteren Kollektivvertrag für dessen Geltungsbereich aufgehoben.
Übergangsbestimmung zu Abs 3:
a) Die Möglichkeit des Abschlusses von
Gesamtverträgen für andere Gruppen von arbeitnehmerähnlichen Personen sowie
andere, in der Rechtsordnung bereits bestehende Regelungen über Gesamtverträge
werden hierdurch nicht berührt.
b) Die normative Wirkung im Sinne des Art
X Abs 3 ist im Sinne der Begriffsbestimmung des Arbeitsverfassungsrechts zu
verstehen.“
2. Art 12 StGG entfällt.
Folge: Künftig arbeiteilige
Prüfung (Grobprüfung VfGH, Feinprüfung VwGH) auch bei der Vereins- und
Versammlungsfreiheit. Nicht jede Gesetzesverletzung bewirkt automatisch auch
eine Grundrechtsverletzung.
3. Beschluss Prov. NV vom
30.10.1918 Z 3 entfällt.
„3. Die Ausnahmsverfügungen betreffs des Vereins- und
Versammlungsrechtes sind aufgehoben. Die volle Vereins- und
Versammlungsfreiheit ohne Unterschied des Geschlechts ist hergestellt.“
4. Art 7 Z 5 StV v. Wien bleibt aufrecht,
wird aber nicht in den Text bzgl
Vereins- und Versammlungsfreiheit eingearbeitet, allenfalls Hervorhebung bei
den Minderheitenrechten, allenfalls auch Begleittext (siehe Pkt. 9).
5. Verbotsgesetz bleibt aufrecht.
§ 3 könnte allenfalls unter die
Staatszielbestimmungen aufgenommen werden (nur Textumstellung). Ist aber
unmittelbar anwendbares Recht. Dies spricht für eine Aufnahme in den
Grundrechtskatalog. Allenfalls Begleittext (siehe Punkt 9.)
Rest des Verbotsgesetzes bleibt
jedenfalls aufrecht.
6. § 1 Abs 4 und 5 Parteiengesetz:
passen wegen ihrer Kasuistik
nicht in einen Grundrechtskatalog, müssen aber wegen Verfassungsvorbehalt in §
1 Abs 3 leg cit und wegen Eingriffes in die Gewaltentrennung als
Verfassungsrecht aufrecht bleiben. Delegation an die einfache Gesetzgebung ist
nicht ohne weiteres möglich.
Begleittext.
7. Kollektivverhandlungen und
Kollektivmaßnahmen
Thema bleibt im gegebenen
Zusammenhang ausgeklammert. Gehört in das Kapitel „Solidarität“ – siehe Art 28
Charta. Siehe auch Vorschlag Loebenstein.
8. Weitere einschlägige
Regelungen
Art 11 des internationalen
Übereinkommens über die Vereinigungsfreiheit, BGBl 1950/228;
Art 8 der UN-Weltpakte für
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte;
Art 21 der UN-Weltpakte für
bürgerliche und politische Rechte;
Art 5, 6 der Europäischen
Sozialcharta.
9. Textkollage
Eventuell
Teilung in Texte im Vordergrund (= Grundrechtskatalog) und Begleittexte.
Eingebracht im Ausschuss 4, 17.
Sitzung, 27.4.2004
Sozialstaatliche Gewährleistungen und Soziale Grundrechte
Allgemeine Erwägungen und Vorschläge zu deren Aufnahme
in einen neuen Grundrechtskatalog
1. Eine erneuerte österreichische Bundesverfassung sollte sozialstaatliche Gewährleistungen enthalten. Bereits die geltende Bundesverfassung ist keine „Spielregelverfassung“, sondern enthält Leitwertbekenntnisse in Form von sog Baugesetzen, Staatszielbestimmungen, Gesetzgebungsaufträgen und vor allem grundrechtlichen Garantien. Darunter finden sich auch Gewährleistungen sozialpolitischen Inhalts und sozialpolitischer Relevanz in Form von Diskriminierungsverboten, Gleichbehandlungspflichten und Förderungsverpflichtungen. Die vorhandenen Regelungen sind allerdings unsystematisch und unvollständig.
2. Vorschläge für eine Kombination von sozialstaatlichen Ziel- und Aufgabenbestimmungen und individuellen Rechten sind bislang nicht angenommen worden. Nach den Vorstellungen des für Staatsaufgaben und Staatsziele zuständigen Konventsausschusses 1 soll eine etwaige verfassungsrechtliche Verankerung sozialstaatlicher Verantwortung in einem neuen Grundrechtskatalog in Form von individuell durchsetzbaren Gewährleistungen erfolgen.
3. Bei der Anhörung und Aussprache vom 19. April 2004 sind unter den eingeladenen Experten zum Thema sozialstaatlicher Gewährleistungen unterschiedliche Auffassungen vertreten worden. Der Bogen reicht von der dezidierten Forderung nach sozialen Grundrechten bis zu einer zurückhaltenden Auffassung, die für eine Parallelführung mit der europäischen Rechtsentwicklung eintritt. Eine unbedingte Ablehnung solcher Verfassungsgarantien ist nicht vertreten worden.
4. Dem Ausschuss 4 sind verschiedene Vorschläge für sozialstaatliche Gewährleistungen übermittelt worden. Die Vorschläge des Sozialdemokratischen Grundrechtsforums und der Ökumenischen Expertengruppe enthalten Kataloge subjektiver Rechte. Der Vorschlag Prof. Grabenwarter enthält staatliche Gewährleistungspflichten im Arbeits- und Sozialrecht, die durch Gesetz umzusetzen sind.
5. Der Ausschuss 4 hat sich mit allgemeinen Fragen der Verankerung sozialstaatlicher Gewährleistungen in einer künftigen Bundesverfassung beschäftigt. Eine Spezialdebatte über Einzelheiten konnte noch nicht geführt werden.
6. Der Ausschuss 4 ist der Auffassung, dass eine künftige Bundesverfassung sozialstaatliche Gewährleistungen enthalten soll. Ein Rückschritt hinter die europäische Verfassungsentwicklung (derzeit noch in Form der EU-Grundrechte-Charta) sollte vermieden werden. Dazu kommt, dass nach herrschender, durch die Rechtsprechung des EGMR und staatlicher Gerichte geprägter Rechtsauffassung in Abwehr-Grundrechten staatliche Schutz- und Gewährleistungspflichten eingeschlossen sind, durch welche die konfrontierende Gegenüberstellung von (klassischen) Abwehrrechten und (neuen) Leistungsansprüchen bereits nach geltender Verfassungsrechtslage relativiert wird. Solche Ansprüche werden überdies durch Diskriminierungsverbote garantiert, die schon jetzt Bestandteil der Verfassung sind und weiter ausgebaut werden sollen.
7. Der Ausschuss 4 ist weiters der Auffassung, dass sozial- und leistungsstaatliche Verfassungsgarantien in differenzierter und kombinierter Form eingeführt werden sollten. In Betracht kommen Staatszielbestimmungen – Gesetzgebungsaufträge – institutionelle Garantien – Grundrechte mit individuellem und kollektivem Garantiegehalt. Ein künftiger Grundrechtskatalog sollte für sämtliche Möglichkeiten offen sein. Vorschläge für die konkrete Ausgestaltung wären in fortgesetzter Ausschussarbeit zu suchen. Ein solches Vorgehen würde allerdings einen politischen Grundkonsens in diese Richtung voraussetzen, der vom Ausschuss nicht erzeugt werden kann.
8. Entsprechend den Überlegungen und Vorschlägen von Prof. Holoubek tritt der Ausschuss 4 für eine möglichst konkrete Fassung sozial- und leistungsstaatlicher Verfassungsgarantien als Grundrechte „im technischen Sinne“ ein. Sprachlich diffuse Formen, wie ein „Recht auf Gesundheit“ sollten vermieden und in genaue, rechtlich geschützte Positionen, zB ein Recht auf Zugang zur Gesundheitsvorsorge oder einen Anspruch auf medizinische Notfallversorgung übersetzt werden.
9. Ein allgemeines Missbrauchsverbot sowie Gesetzesvorbehalte, die den Staat davor schützen, zur Leistung von Unerfüllbarem verpflichtet zu sein, wären als Schranken vorzusehen, jedoch so zu gestalten, dass Mindeststandards nicht unter Berufung auf nicht vorhandene Mittel unterschritten werden können.
10. Nach Überzeugung des Ausschusses 4 sollte das rechtliche Instrumentarium zur Durchsetzung sozial- und leistungsstaatlicher Verfassungsgarantien ebenso differenziert gestaltet sein wie die Verankerung solcher Garantien. Vorhandene Ansätze in der juristischen Dogmatik sind zu nutzen, zu entwickeln und auszubauen, neue Instrumente bereit zu stellen. Eine Rechtsdurchsetzung, die ausschließlich oder vorwiegend auf dem Wege der auf individuelle Eingriffsabwehr zugeschnittenen Grundrechtsbeschwerde bei den UVS und beim VfGH erfolgte, wäre unzureichend. Mechanismen kollektiver Rechtsdurchsetzung werden zusätzlich zu schaffen sein. Der Gerichtsbarkeit in Zivil-, Arbeits-, Sozialrechts- und Strafsachen wird wesentliche Funktionen bei der Effektivierung sozial- und leistungsstaatlicher Verfassungsgarantien zufallen. Hier besteht bereits ein flexibles dogmatisches Instrumentarium an argumentativen Mustern, insbesondere in Form des Grundsatzes der verfassungskonformen Gesetzesauslegung und von teleologischen Operationen (Reduktion oder Extension). In einer neu zu schaffenden Verfassungsklausel sollte die Grundrechtspflichtigkeit sämtlicher Staatsfunktionen ausdrücklich klargestellt werden.
11. Nach Auffassung des Ausschusses 4 wird die Aufnahme von sozial- und leistungsstaatlichen Verfassungsgarantien Folgewirkungen in den Bereichen der Normenkontrolle und des Staatshaftungsrechts haben müssen. Das traditionelle Kassationsprinzip in der verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle stößt schon jetzt auf Grenzen der Handhabbarkeit. Bei den neuen Gewährleistungen werden Überlegungen in die Richtung begrenzter Normsetzungsbefugnisse des VfGH anzustellen sein. Das bestehende Privileg des Ausschlusses von außervertraglicher Staatshaftung gegenüber rechtswidrigem Verhalten von Legislativorganen wird in Frage zu stellen sein.
Eingebracht im Ausschuss 4, 20.
Sitzung, 24.5.2004
Das Bundesverfassungsrecht enthält eine Fülle von grundrechtlichen Gewährleistungen, jedoch keinen systematisch geschlossenen Grundrechtskatalog. Die Texte und Quellen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und materieller grundrechtlicher Garantien staatlicher und völkerrechtlicher Herkunft sind in ihrer Gesamtheit heterogen, komplex und unübersichtlich.
Besonderes Gewicht haben die als formelles und unmittelbar anwendbares Bundesverfassungsrecht geltenden Garantien der EMRK und ihrer Zusatzprotokolle. Sie sind durch eine dynamische Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und der österreichischen Höchstgerichte entwickelt und den Erfordernissen geänderter gesellschaftlicher Verhältnisse angepasst worden. Sie sind wissenschaftlich durchdrungen und im Grundrechtsbewusstsein fest verankert.
Durch die EMRK und ihre Zusatzprotokolle wird der Bereich der „klassischen“ Menschenrechte und Grundfreiheiten – mitsamt Fundamentalgarantien und justiziellen Gewährleistungen – weitgehend abgedeckt. Auf diesem Gebiet besteht nur wenig Ergänzungsbedarf. Die Texte und Quellen bedürfen allerdings einer umfassenden und gründlichen Bearbeitung, Vereinfachung und Harmonisierung.
Dabei sind auch Fragen des allgemeinen Teiles der Grundrechte, etwa betreffend Gesetzesvorbehalte, staatliche Garantiepflichten, Horizontalwirkung, besondere Rechtsverhältnisse, Bindung der Staatsfunktionen, Verhältnis zu Staatszielbestimmungen, institutionellen Garantien und Gesetzgebungsaufträgen sowie zu neuen Instrumenten des präventiven und begleitenden Rechtsschutzes durch Beiräte und Rechtsschutzbeauftragte, zu behandeln.
Erneuerungs-, Verbesserungs- und Entwicklungsbedarf besteht auch bei den allgemeinen und besonderen Diskriminierungsverboten sowie bei den Volksgruppenrechten.
Ein neuer Grundrechtskatalog kann nicht auf „klassische“ Menschenrechte und Grundfreiheiten beschränkt bleiben. Er muss auch Antwort auf Fragen geben, die sich im Zusammenhang mit den – äußerst komplexen – Aufgaben eines Sozialstaates stellen. Der Ausschuss hat in dieser Hinsicht Vorschläge allgemeinen Inhalts erarbeitet, die auf ein differenziertes Instrumentarium an subjektiven Rechten und Gewährleistungen objektiven Inhalts hinauslaufen.
Der Ausschuss hat für alle ihm gestellten Fragen Material und eine Fülle von Vorschlägen gesammelt. Ein Teil davon konnte in jener Intensität behandelt werden, die für eine Präsentation konkreter Textvorschläge erforderlich ist.
Eingebracht im Ausschuss 4, 22.
Sitzung, 9.7.2004
Zur Unterstützung der Beratungen des Ausschusses über das Thema Volksgruppen darf ich folgende Anmerkungen zum Art 14 des Sozialdemokratischen Grundrechtsentwurfes machen:
Der Art 14 basiert auf dem Vorschlag, den Univ.Prof. Dr. Dieter Kolonovits dem Ausschuss in seiner Sitzung am 30. Jänner 2004 vorgelegt hat. Zu seiner Erläuterung – etwa zu der in der Ausschussdiskussion aufgetretenen Frage nach der Abgrenzung von „gemischtsprachigen Gebieten“ – sei daher grundsätzlich auf die von Kolonovits dem Ausschuss ebenfalls zur Verfügung gestellten „Erläuterungen zum Textvorschlag“ verwiesen.
Der Art 14 des Sozialdemokratischen Grundrechtsentwurfes unterscheidet sich vom Vorschlag Kolonovits insbesondere durch die Aufnahme des interkulturellen Dialogs (in Abs 1 Satz 2). Dazu ist folgendes zu bemerken:
Das auch von Österreich unterzeichnete „Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten“ des Europarates enthält solch ein Bekenntnis zum „Interkulturellen Dialog“ und zur Partizipation von Minderheiten an den politischen Willensbildungen, insbesondere auf regionaler Ebene.
Art 6 Abs 1 dieses Übereinkommens, an dem sich der Art 14 des Sozialdemokratischen Grundrechtsentwurfes orientiert, lautet:
Die Vertragsparteien fördern den Geist der Toleranz und des interkulturellen Dialogs und ergreifen wirksame Maßnahmen zur Förderung der gegenseitigen Achtung und des gegenseitigen Verständnisses sowie der Zusammenarbeit zwischen allen in ihrem Hoheitsgebiet lebenden Menschen ungeachtet deren ethnischer, kultureller, sprachlicher oder religiöser Identität, insbesondere in den Bereichen Bildung, Kultur und Medien.
Schließlich werden beim kollektiven Rechtschutz im Unterschied zum Kolonovits-Vorschlag „Organisationen, die Interessen von Volksgruppen vertreten“ zur Geltendmachung der Rechte der Volksgruppen berufen (Abs 6). Darunter sind alle Vereinigungen zu verstehen, gleichgültig, ob sie privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich eingerichtet sind bzw. werden.
Eingebracht im Ausschuss 5, 5.
Sitzung, 1.12.2003
Stellungnahme des Landes Wien
Zu den in der vierten Sitzung des
Ausschusses 5 zur Beantwortung erwünschten Fragen wird folgendes festgestellt:
Die Neuverteilung der Aufgaben im
Bereich der Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern ist wohl eine der
schwierigsten Herausforderungen des Konvents. Sicher ist die geltende
Verfassungsrechtslage, welche durch eine Zersplitterung auf fast 200
Kompetenztatbestände gekennzeichnet ist, unbefriedigend. Die Stadt Wien steht
aber dem im Ausschuss 5 bisher diskutierten sogenannten 3-Säulen-Modell auch
mit gutem Grund skeptisch gegenüber: Es ist zu befürchten, dass gerade durch
dieses Modell – so wie dieses im Ausschuss dargelegt wurde – erneut
schwerwiegende Abgrenzungsprobleme und komplizierte Fragen der
Zuständigkeitswahrnehmung in der sogenannten dritten Säule entstehen könnten.
Es sollte vermieden werden, von einer unbefriedigenden Kompetenzaufteilung in
eine neue nicht minder problematische Kompetenzverteilung überzuwechseln. Eine
endgültige Einschätzung dieses Modells kann natürlich erst dann erfolgen, wenn
dieses in seinen konkreten Formen vorliegt und Ergebnisse anderer Ausschüsse
(insbesondere des Ausschusses 10 – Finanzverfassung) auch feststehen. Nach
derzeitigem Stand besteht jedenfalls die ernsthafte Möglichkeit, dass, wie auch
der Vorsitzende des Ausschusses 5 in seinem „Vorschlag für eine Zuordnung der
Gesetzgebungskompetenzen zu Bund und Ländern“ feststellt, „die Gesetzgebung in
der dritten Säule eine Einschränkung der selbständigen Landesgesetzgebung
darstellt.....“.
Wenn es trotz dieser grundsätzlichen
Vorbehalte zu einem Modell mit drei Bereichen (ausschließliche
Gesetzgebungskompetenz des Bundes bzw. der Länder, dritter Bereich) kommen
sollte, sollte nicht von einem 3-Säulen-Modell gesprochen werden, sondern
davon, dass im dritten Bereich eine sinnvolle, länderfreundliche Form der
Bedarfsgesetzgebung geschaffen werde. Dem Prinzip der Subsidiarität sollte auch
und gerade in diesem Zusammenhang ein hoher Stellenwert eingeräumt werden. In
diesem Sinn sei zu den drei Fragen folgendes festgehalten:
Zu Frage 1: „In welcher Weise soll
die Rechtssetzung im dritten Kompetenzbereich (zwischen Bund und Länder
geteilte Gesetzgebung) erfolgen, nach welchen Kriterien soll die Anspruchnahme
der Kompetenz erfolgen?“:
Wenn schon das theoretische
Idealbild einer Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen in zwei Bereiche
(ausschließliche Bundes- oder Landeskompetenz) als nicht verwirklichbar
eingeschätzt wird, scheint es jedenfalls sinnvoll, den „dritten Bereich“
möglichst klein zu halten. Es sollen also nur Materien in diesen dritten
Bereich kommen, über deren Zuordnung in eine der beiden anderen Säulen man sich
nicht einigen kann bzw. sollte für jede einzelne Zuordnung einer Kompetenz in
diesen Bereich argumentativ eindeutig der Beweis erbracht werden, dass diese
Zuordnung in höherem Maß sachlich gerechtfertigt ist, also eine Zuordnung in
einen der beiden anderen Bereiche. Denn man muss sich bewusst sein, dass die
Materien des dritten Bereiches das Einfallstor für Zeitverzögerungen in der
Gesetzgebung, Rechtsunsicherheiten und permanente Streitigkeiten sein könnten.
Konstruktionen der
Rahmengesetzgebung/Ausführungsgesetzgebung werden abgelehnt. Vielmehr scheint
bei den Kriterien der Inanspruchnahme der Kompetenz im dritten Bereich die
Annahme einer Bedarfskompetenz am sinnvollsten. Es soll grundsätzlich davon
ausgegangen werden, dass in erster Linie die Länder für die Gesetzgebung dieser
Materien zuständig sind. Der Bedarf eines Gesetzgebungsrechtes des Bundes (etwa
zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder zur
Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse)
müsste ausdrücklich festgestellt werden. Als „Feststellungsorgan“ käme der -
grundsätzlich erneuerte – Bundesrat in Frage. Vorraussetzung sollte sein, dass
die Bundesräte in ihrer Funktion als „Kompetenzfeststellungsorgan“ gegenüber
ihrem Landtag weisungsgebunden sind. Der Bundesrat müsste in seiner Mehrheit
für die Feststellung eines Bedarfs einer bundesgesetzlichen Regelung für eine
gewissen Materie votieren, damit die Kompetenz von den Ländern auf den Bund
übergeht. Kombiniert mit diesem Erfordernis wäre auch denkbar, dass zusätzlich
eine qualifizierte Mehrheit der Länder (die Bundesräte jedes Bundeslandes
würden nach diesem Modell einheitlich abstimmen) im Bundesrat für den
Kompetenzübergang stimmen müsste.
Dieses Modell einer
Bedarfsgesetzgebung böte ausreichend Gewähr dafür, dass die Länder nicht eine
unnötige Einschränkung der selbständigen Landesgesetzgebung erfahren, umgekehrt
aber bei tatsächlichem Bedarf im Interesse des Staatsganzen eine
Bundeskompetenz wahrgenommen werden kann.
Zu Frage 2: „In welcher Weise sollen
die Länder im dritten Kompetenzbereich an der Gesetzgebung des Bundes
mitwirken?“:
Die Beantwortung dieser Frage ist in
hohem Maß von jener Antwort abhängig, die auf Frage 1 gegeben wird. Weiters
davon, wie ein grundlegend neuer Bundesrat tatsächlich aussieht. Bei
zufriedenstellender Beantwortung dieser beiden Vorfragen könnte ein grundlegend
neuer Bundesrat (erstmals) tatsächlich zu einem wirksamen Organ der Länder im
Bereich der Gesetzgebung des Bundes werden. Denkbar wäre ein
Vermittlungsausschuss zusammengesetzt aus Vertretern von Nationalrat und
Bundesrat. Die Bundesräte müssten so frühzeitig wie möglich in den
Gesetzwerdungsprozess eingebunden sein und von Anfang an den gleichen
Informationsstand haben. Selbstverständliche müsste – insbesondere wenn ein
Bundesbedarf festgestellt wird – ein geeigneter Kostenregelungsmechanismus
gegeben sein (kein zusätzlicher Mehraufwand für die Länder – dazu wird aber,
wie auch oben erwähnt, primär im Ausschuss 10 beraten werden müssen).
Zu Frage 3: „Welche
Materien/Aufgabenfelder sollen der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des
Bundes, welche der ausschließlichen
Gesetzgebungskompetenz der Länder zugeordnet werden?“
Eine abschließende Beantwortung
dieser Frage scheint aufgrund der bisher noch unzureichend vorliegenden
Ergebnisse bei inhaltlich korrespondierenden Fragen, die im Österreich Konvent
behandelt werden, verfrüht.
Eingebracht im Ausschuss 5, 10.
Sitzung, 23.2.2004
Vorschläge zur Neuformulierung und Aufteilung
von Gesetzgebungszuständigkeiten
Bund |
Land |
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Bundesverfassung |
Landesverfassung |
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Auswärtige Angelegenheiten, ausgenommen solche der Länder |
Auswärtige Angelegenheiten der Länder |
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Bundesfinanzen |
Landesfinanzen |
|
|
Statistik für Zwecke des Bundes |
Statistik für Zwecke der Länder |
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Bundesabgaben |
Abgaben der Länder und Gemeinden |
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Berufliche Interessenvertretungen, ausgenommen im Bereich der Land- und Forstwirtschaft |
Berufliche Interessenvertretungen in der Land und Forstwirtschaft |
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Bundesweite Raumordnung |
Raumordnung in Ländern und Gemeinden |
|
|
Überregionaler Katastrophenschutz |
Katastrophenschutz in den Ländern und Gemeinden |
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|
Organisations- und Dienstrecht des Bundes |
Organisations- und Dienstrecht der Länder und Gemeinden |
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Bundesstraßenrecht |
Sonstiges Straßen- und Wegerecht |
|
|
Schul- und Bildungswesen, ausgenommen Zuständigkeiten der Länder |
Kindergärten, Volks- und Hauptschulen; Schul- und Bildungswesen in der Land- und Forstwirtschaft |
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Soweit ein Bedarf nach einheitlicher Regelung besteht: Verwaltungsverfahren, Abfallwirtschaft, Luftreinhaltung, Umweltverträglichkeitsprüfung, öffentliches Auftragwesen |
Verwaltungsverfahren, Abfallwirtschaft, Luftreinhaltung, Umweltverträglichkeitsprüfung, öffentliches Auftragswesen, soweit kein Bedarf nach einheitlicher Regelung besteht |
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|
Sicherheitsverwaltung |
Ortspolizei |
|
|
Soziale Sicherheit, ausgenommen Sozialhilfe |
Sozialhilfe |
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Wirtschaftsordnungs- und Regulierungsrecht |
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Zivilrecht |
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Justizstrafrecht |
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Berufsrecht der freien Berufe |
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Personenstandswesen |
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Staatsbürgerschaftsrecht |
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Arbeitsrecht |
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Produktsicherheitsrecht |
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Sicherung der Lebensmittelqualität |
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Elektrizitätsrecht |
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Post- und Telekommunikationsrecht |
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Straßenpolizei- und Kraftfahrrecht, Eisenbahn-, Schiffs- und Luftverkehrsrecht |
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Straßenpolizei- und Kraftfahrrecht |
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Wasserrecht |
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Forstrecht |
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Normen, technische Spezifizierungen und Zulassungen |
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Wirtschaftslenkung und Bewirtschaftung in Notstandsfällen |
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Schutz der Gesundheit der Bevölkerung. Krankenanstaltenrecht |
Recht der Kurorte und Heilquellen. Friedhof- und Bestattungsrecht |
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Veterinärrecht |
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Tierschutz |
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Militärische Angelegenheiten |
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Denkmalschutz |
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Jagd- und Fischereirecht |
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Natur- und Landschaftsschutz |
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Bodenreform |
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Baupolizeirecht |
Erläuterungen
1. Das Modell kommt mit 2-Säulen aus. Man könnte es als staatenbündisches Bundesstaatsmodell bezeichnen. Es beruht auf den Grundsätzen der formalen und materiellen Parität von Bund und Ländern bei möglichst symmetrischer Anordnung von Zuständigkeitsbereichen.
2. In instrumentaler Hinsicht hat das Modell eine limitierende und deregulierende Funktion: Bund und Länder müssen mit ihrer Kompetenzausstattung auskommen, wenn Probleme durch Gesetzgebungsmaßnahmen zu lösen sind. Es gibt keine Generalklausel. Die Kompetenz-Kompetenz des Staates (Bund und Länder als Ganzes) bleibt aufrecht: Es gibt keinen Lebensbereich, der nicht Gegenstand gesetzlicher Maßnahmen sein kann, allerdings nur mit den Mitteln der bestehenden Kompetenzzuweisungen, gegebenenfalls auch nur mit Mitteln des Organisationsrechts (Bereitstellung von Institutionen), des Privat- und des Strafrechts.
3. Kompetenzänderungen durch einseitige Verfassungsänderung sind zwar nicht ausgeschlossen, liegen aber nicht in der Funktionslogik des Modells. Wenn das vorhandene Inventar an Kompetenzen für nicht ausreichend gehalten wird, dann sollten Änderungen ausschließlich auf der Grundlage einer Übereinkunft zwischen den beteiligten Kompetenzträgern erfolgen. Das Gleiche gilt für die Lösung von Abgrenzungskonflikten.
4. Die Auslegung der Kompetenztatbestände erfolgt unter Anwendung systematisch-finaler Gesichtspunkte. Vor allem bei Kompetenztatbeständen, die als Rechtsgebiete („Wasserrecht“, „Arbeitsrecht“ etc) oder als Sammeltatbestände (zB „Sicherheitsverwaltung“) angesprochen werden, ist auf bestehende gesetzliche Regelungssysteme zu achten, wenn auch nicht in strikt „versteinernder“ Weise. Finale Gesichtspunkte und der Aspekt der komparativen Sachnähe haben eine gleichrangige Maßstabsfunktion – in diesem Sinne Lösungen wie zB Waldbrandbekämpfung (Forstrecht) oder Hausbrieffächer (Postrecht). Die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, des Übermaß- und des Untermaßverbotes spielen in diesem Modell ebenfalls eine wesentliche Rolle (Beispiel: Tierschutz – Baupolizeirecht).
Eingebracht im Ausschuss 5, 5.
Sitzung, 1.12.2003
Sehr
geehrter Herr Universitätsdozent!
Zu den
von Ihnen aufgeworfenen Fragen nehme ich wie folgt Stellung:
Zu
Frage 1:
In den
in den "3. Kompetenzbereich" fallenden Angelegenheiten sollte die
Zuständigkeit zur Gesetzgebung grundsätzlich bei den Ländern liegen. Die
Kompetenz des Bundesgesetzgebers sollte derart umschrieben werden, dass ein
Höchstmaß an "Flexibilität" erreicht wird, etwa mit einer weit
gefassten Formulierung nach dem
Muster: "so weit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften als
vorhanden erachtet wird"; mE sollte nämlich die nähere Abgrenzung der
Bundes- von der Landeskompetenz so weit wie möglich im Wege der Mitwirkung der
Länder an der Bundesgesetzgebung, also "politisch", und nicht im Wege
der Auslegung von Kompetenzbegriffen, also "juristisch", bestimmt
werden. Dies würde nicht ausschließen, dass eine - im Hinblick auf die
inhaltliche Umschreibung der Reichweite der Bundeskompetenz durch den
Bundesverfassungsgesetzgeber - "exzessive" Gebrauchnahme des
Bundesgesetzgebers von seiner Kompetenz der verfassungsgerichtlichen Prüfung
unterliegt. Eine derart allgemein gehaltene Formulierung zur Umschreibung der
Bundeszuständigkeit "im 3. Kompetenzbereich" sollte alle zweckmäßiger
Weise in Betracht kommenden "Typen" bundesgesetzlicher Regelungen
(etwa solche zur "Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im
Bundesgebiet" oder zur "Wahrung der Rechts- oder
Wirtschaftsgebieteinheit im gesamtstaatlichen Interesse", aber auch eine
"Ziel- und/oder Rahmengesetzgebung" oder eine "Grundsatzgesetzgebung")
ermöglichen. Aus Gründen der Rechtssicherheit wäre darüber hinaus wohl auch
eine bundesverfassungsgesetzliche Regelung nach dem Muster "Bundesrecht
bricht Landesrecht" erforderlich, so wie sie auch andere bundesstaatliche
Verfassungen vorsehen.
Es
liegt auf der Hand, dass es bei diesem Konzept ganz wesentlich auf die
Möglichkeit der Länder ankommt, an der Bundesgesetzgebung effektiv mitzuwirken.
Diesbezüglich verweise ich auf meinen Vorschlag zur Frage 2.
Einer
Diskussion wert wäre mE auch die Überlegung, "im 3. Kompetenzbereich"
die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers (überhaupt) nicht inhaltlich
abzugrenzen, sondern die Abgrenzung, etwa mit der Formel "so lange und so
weit nicht der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht
hat", dem "freien Spiel der Kräfte" im Rahmen des (notwendiger
Weise: kooperativen) Verfahrens der Bundesgesetzgebung zu überlassen.
Zu
Frage 2:
Sowohl
im Hinblick auf die zu Frage 1 angestellten Überlegungen als auch mit Blick auf
eine allfällige Erweiterung der Zuständigkeiten der Länder auf dem Gebiet der
Verwaltung (etwa im Zusammenhang mit einer allfälligen "Abschaffung"
der mittelbaren Bundesverwaltung) käme der Mitwirkung der Länder an der
Bundesgesetzgebung gesteigerte Bedeutung zu, und zwar unter dem Gesichtpunkt
der Begrenzung der Bundesgesetzgebung "im 3. Kompetenzbereich" ebenso
wie unter dem Aspekt der Einbeziehung des know-how der Länder bei der
(autonomen) Vollziehung von Bundesgesetzen in den Prozess der Bundesgesetzgebung.
Ausgehend
davon, dass die Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung im Wege des Bundesrates
erfolgen soll, wäre dieses Organ sowohl in organisatorischer als auch in
funktioneller Hinsicht diesen spezifischen Anforderungen entsprechend fort zu
entwickeln. Organisatorisch müsste insbesondere gewährleistet werden, dass die
Interessen der Länder, insbesondere auch im Hinblick auf ihre Kompetenz zur
Vollziehung von Bundesgesetzen, effektiv gewahrt werden können. Ob dies für
eine Einbindung der Landesregierungen in den Bundesrat spricht oder ob der
selbe Effekt etwa durch eine Bindung der Mitglieder des Bundesrates an den
Willen des jeweiligen Landtages erreicht werden kann, müsste noch diskutiert
werden; zu fragen ist auch, ob die Regelung der Bestellung des Bundesrates nicht
- nach Schweizer Muster - den Ländern (also dem Landesverfassungsgesetzgeber)
überlassen werden könnte. In funktioneller Hinsicht erschiene eine frühzeitige
Einbeziehung der Länder in den Prozess der Bundesgesetzgebung, insbesondere in
den Stadien des Begutachtungsverfahrens und der Ausschussberatungen im
Nationalrat, geboten. Für den Fall eines intensiven Interessenskonfliktes
zwischen Bund und Ländern wäre eine "Vermittlungs"-einrichtung zu
erwägen. Um eine Blockade der Bundesgesetzgebung zu vermeiden, wäre - von noch
zu definierenden Ausnahmen, in denen ein Zustimmungsrecht des Bundesrates
vorgesehen wird, - die Mitwirkung des Bundesrates wohl weiterhin auf ein
suspensives Veto zu beschränken, wobei überlegt werden sollte, ob für den
nachfolgenden Beharrungsbeschluss des Nationalrates erhöhte Quoren vorgesehen
werden sollen.
Zu
Frage 3:
Dazu
sollte man sich an Folgendem orientieren: Ausgangspunkt wären die derzeitigen
Kompetenzen der Länder im Bereich des Art. 15 B-VG; in einem ersten Schritt
sollte man diese Materien im Hinblick auf die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit
einer Arrondierung zur Schaffung größerer zusammenhängender Aufgabenbereiche an
Stelle bloßer Aufgabenfragmente untersuchen. In einem zweiten Schritt sollte
man prüfen, ob einzelne der derzeit in die Gesetzgebungskompetenz der Länder
fallenden Aufgaben besser bundeseinheitlich geregelt werden und, ob vice versa
einzelne Aufgabenbereiche, die derzeit Bundessache in der Gesetzgebung sind,
besser von den Ländern geregelt werden sollten. In einem dritten Schritt sollte
geprüft werden, für welche Angelegenheiten eine zwischen Bund und Ländern
geteilte Gesetzgebung zweckmäßig erscheint; Indikatoren dafür könnten etwa
sein: die derzeitige Zuordnung zum Art. 12 B-VG, aber auch die Fälle der
delegierten Kompetenz, der Bedarfskompetenz und dergleichen mehr. Der Rest
wären jene Angelegenheiten, die der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des
Bundes zugeordnet werden sollten. In jedem Fall sollte man sich bemühen,
größere zusammenhängende Aufgabenbereiche zu formulieren.
Ich
bin mir darüber im Klaren, dass die vorstehenden Überlegungen in manchem die
"ausgetretenen Pfade" bisheriger Reformüberlegungen verlassen. Ohne
eine derartige Neuorientierung wird sich aber an den Problemen der geltenden
Kompetenzverteilung nichts ändern.
Mit
den besten Grüßen
Eingebracht im Ausschuss 5, 9.
Sitzung, 9.2.2004
Textvorschlag zu Art 42 Abs 2 B-VG
Art. 42 Abs. 2 B-VG wird folgender Satz
angefügt:
"Ein Einspruch kann sich auch gegen eines
von mehreren Gesetzen richten, die in einem Gesetzesbeschluss des Nationalrates
zusammengefasst sind; die darin enthaltenen Gesetze, gegen die sich der
Einspruch nicht richtet, können beurkundet und kundgemacht werden."
Eingebracht im Ausschuss 5, 5.
Sitzung, 1.12.2003
Stellungnahme zum "Drei
Säulen-Modell" einer künftigen
Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern
1. Zur Struktur der
"dritten" Säule
a. Bevor über die Zuordnung einzelner Sachbereiche zum "dritten"
Kompetenzbereich sinnvoll geredet werden kann, muss Klarheit über die Struktur
dieses Kompetenzverteilungstypus (Modells) gewonnen werden. Während über
die Typen "ausschließliche Bundeskompetenzen" sowie
"ausschließliche Länderkompetenzen" einigermaßen klare Vorstellungen
bestehen,[135] ist der
dritte Bereich offensichtlich noch sehr strittig.
ME sollte dieser Bereich weitgehend auf einen
einzigen Typus der Kompetenzverteilung reduziert werden, der in etwa dem
deutschen Modell der konkurrierenden Gesetzgebung[136]
bzw. dem Modell der geteilten Gesetzgebung des Konventsentwurfs einer
Verfassung der EU[137]
entspricht. Der Sache nach handelt es sich um eine Bedarfsgesetzgebungskompetenz
des Bundes.
Eine derartige Aufteilung der Kompetenzen
beruht auf dem Gedanken, dass der Bund gesetzgeberisch nur tätig sein soll,
soweit eine bundeseinheitliche Regelung sinnvoll und zweckmäßig ist. Das gilt
sowohl für das Ob als auch für die Intensität einer gesetzlichen
Regelung. Dieses Kompetenzverteilungsmodell entspricht somit der Idee der Subsidiarität.
Der große Vorteil dieses Modells ist seine
Beweglichkeit (Flexibilität). Der Bundesgesetzgeber kann selbst bestimmen, ob
eine diesem Modell unterliegende Angelegenheit überhaupt gesetzlich geregelt
werden soll und in welcher Intensität diese Regelung bundeseinheitlich
erfolgen soll. Er kann sich also auch auf "Rahmenregelungen"
beschränken, ohne dabei dem Gebot hinreichender Bestimmtheit
(Legalitätsprinzip) zu unterliegen: Ist die Regelung nicht in einer dem
Legalitätsprinzip (wie immer es in der künftigen Verfassung normiert werden
soll) entsprechenden Weise bestimmt, so haben die Länder entsprechende
gesetzliche Ausführungsregelungen zu erlassen. Dieses Kompetenzmodell weist
insofern Parallelen zum bisherigen Typus des Art 12 Abs 1 B-VG auf, ohne
allerdings den Bundesgesetzgeber auf bloße Grundsätze zu begrenzen (was in
der Praxis der Anwendung des Art 12 B-VG bekanntlich ohnehin nicht funktioniert
hat).
Die damit angesprochene – weithin bekannte –
mangelnde Praktikabilität des Art 12
B-VG legt es nahe, auf diesen Typus der Kompetenzverteilung – im
Diskussionsvorschlag der WKÖ als "Rahmengesetzgebung" und im
Bußjäger-Papier vom 6.11.2003 als "Ziel- und Rahmengesetzgebung"
bezeichnet – zu verzichten. Er sollte vollständig durch das hier
skizzierte Modell einer geteilten Kompetenz ersetzt werden.
Ebenso sollte – entgegen dem Diskussionsvorschlag
der WKÖ – auch auf das Modell einer delegierten Gesetzgebung im Sinn des
Art 10 Abs 2 B-VG gänzlich verzichtet werden. Auch dieses Modell hat sich in
der Praxis bekanntlich nicht bewährt.
b. Grundsätzlich sollten alle Materien einem der drei Kompetenzverteilungstypen
– ausschließliche Bundeskompetenz, geteilte Kompetenzen, ausschließliche
Landeskompetenzen – zugeordnet werden. (Die Vollständigkeit der Zuordnung kann
durch eine Generalklausel – wohl zugunsten des geteilten Kompetenztypus
– erreicht werden.) Auf einzelne Ausnahmeregelungen wird man aber
dennoch nicht ganz verzichten können.
So sollte mE die Kompetenzverteilung auf dem
Gebiet des Verwaltungsverfahrensrechts – Bedarfskompetenz des Bundes;
abweichende Bundes- und Landesregelungen nur, soweit sie erforderlich sind (Art
11 Abs 2 B-VG) – beibehalten werden.
Es spricht auch einiges dafür, die
Kompetenzverteilung auf dem Gebiet des Zivilrechts – Bundeskompetenz
gemäß Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG, aber Kompetenz der Länder zu
"erforderlichen" Regelungen im Rahmen ihrer
Gesetzgebungszuständigkeiten (Art 15 Abs 9 B-VG) – im Prinzip beizubehalten.
Allerdings wäre eine gewisse Lockerung der Grenzen dieser Länderkompetenz im
Hinblick auf eine wohl allzu restriktive Judikatur des VfGH anzudenken. Dagegen
könnte das Strafrecht in einer Nachfolgeregelung des Art 15 Abs 9 B-VG
wohl überhaupt gestrichen werden, weil die Länder mit
verwaltungsstrafrechtlichen Regelungen das Auslangen finden können.
Solche "Sondertypen" sind vielleicht
auch noch in anderen Materien zu erwägen. Zu denken ist dabei etwa an das Arbeitsrecht
(im Hinblick auf das land- und forstwirtschaftliche Arbeitsrecht). Zu
diskutieren wäre auch, inwieweit die seit 1.1.2003 geltende Sonderregelung auf
dem Gebiet des Vergaberechts (Art 14b B-VG idF BGBl I 2002/99)
aufrechterhalten bleiben soll.
Sondertypen sollten aber wegen der angestrebten
Transparenz und Einfachheit der Kompetenzverteilung eine strikte Ausnahme
bleiben.
2. Kriterien der Inanspruchnahme der
geteilten Kompetenzen durch den Bund;
Mitwirkung der Länder
Was die Kriterien betrifft,
nach denen die Inanspruchnahme der Kompetenz des Bundesgesetzgebers im Rahmen
dieses Kompetenztypus erfolgen soll, so hängt ihre Formulierung von der
Vorfrage ab, in welchem Ausmaß diese Inanspruchnahme vom VfGH kontrollierbar
sein oder eine genuin politische Entscheidung bleiben soll.
Geht man von einem normativen
Begriff der (repräsentativen) Demokratie aus, so liegt es nahe, diese
Entscheidung den Vertretern des (Gesamt-)Volkes – also der Mehrheit des
Nationalrates – zu überlassen: Das Volk selbst (von dem das Recht ausgeht) bzw.
seine Vertreter sollen mehrheitlich darüber bestimmen können, ob und inwieweit
eine Angelegenheit bundeseinheitlich geregelt werden soll. Es liegt aber auf
der Hand, dass das normative Ideal der Demokratie in der Realität nicht
friktionsfrei funktioniert. Insofern ist es legitim, über einen verfassungsrechtlichen
Mechanismus nachzudenken, der es garantiert, dass der Bund von seiner
Gesetzgebungskompetenz – entgegen der diesem Modell zugrunde liegenden Idee
der Subsidiarität – keinen exzessiven Gebrauch macht.
Allerdings ist es denkbar, dass ein
solcher Mechanismus selbst wieder ein politischer ist. Ein solcher könnte
nämlich in einer Beteiligung der Länder am Gesetzgebungsprozess des Bundes
liegen.
Nach den bisherigen Erfahrungen mit
dem Bundesrat müsste diese Beteiligung allerdings anders erfolgen.
Denkbar wäre etwa ein Vermittlungsausschuss, der sich (paritätisch?) aus
Vertretern des Bundes und der Länder zusammensetzt. In der näheren Ausgestaltung
sollten die Erfahrungen mit dem Konsultationsmechanismus berücksichtigt werden.
Wichtig – das lehrt die Erfahrung in Deutschland – ist jedenfalls eine
Konstruktion, die verhindert, dass Gesetzesvorhaben des Bundes aus primär
parteipolitischen Gründen blockiert werden.
Eine Kontrolle des Bundes durch
den VfGH im hier gegebenen Zusammenhang sollte dagegen auf eher exzessive
Kompetenzüberschreitungen begrenzt werden. Daher sollten materielle
Kriterien der Inanspruchnahme dieser Kompetenz durch den Bund eher
flexibel gestaltet werden. Denkbar wäre etwa eine Formulierung, wonach der
Bund in diesem Bereich gesetzgeberisch tätig werden darf, "soferne und
soweit ein Bedürfnis nach Erlassung bundesweit einheitlicher Vorschriften
vorhanden ist" (vgl zu dieser Formulierung VfGH Slg 13.019/1992 [zu
Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG]).
Bei jedem Kontrollmodell wäre
jedenfalls zu bedenken, dass dieses – je dichter oder schärfer es gestaltet
wird – die mit einem Typus geteilter Kompetenzen angestrebte Flexibilität
der Kompetenzverteilung wieder in Frage stellen könnte. Es ist daher ein
Ausgleich zwischen einer sinnvollen Praktikabilität und dem berechtigten
Anliegen der Länder auf Wahrung einer gewissen gesetzlichen
Gestaltungsmöglichkeit in den diesem Kompetenztypus zugeordneten Materien zu
suchen.
Zu erwägen wäre andererseits auch
ein Mechanismus, der Überregulierungen auf Seiten der Länder verhindert.
3. Aufteilung der Materien auf die
drei Säulen
ME sollte der Typus der geteilten
Kompetenzen einen Großteil der bisherigen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes
umfassen. Das gilt jedenfalls für alle bisher den Art 11 und 12 B-VG
zugeordneten Materien. Aber auch ein großer Teil der derzeit im Art 10 B-VG
enthaltenen Materien könnte diesem Typus zugeordnet werden. Es bleibt ja bei
dieser kompetenzrechtlichen Einordnung Sache des Bundes zu entscheiden, ob er
seine Gesetzgebungskompetenz zur Gänze in Anspruch nehmen oder aber den Ländern
Raum für gesetzliche Detailregelungen überlassen will. Insofern gibt es keinen
reellen Verlust des Bundes an Gestaltungsmöglichkeiten in den betroffenen
Sachbereichen; der Bund ist nur nicht gezwungen, diese seine
Gestaltungskompetenzen in Anspruch zu nehmen.
In der Terminologie des
Bußjäger-Papiers vom 6.11.2003 könnten daher folgende (dort als exklusive
Bundeskompetenzen festgeschriebene Materien) dem Bereich der geteilten
Kompetenz zugeordnet werden (unvorgreiflich terminologischer Vereinfachungen im
Sinne des Vorschlags von Schnizer):
-
Aufenthaltsrecht
-
Personenrecht
-
Innere
Sicherheit
-
Wirtschaftsrecht
-
Maße,
Normen sowie bestehende Standards für das Inverkehrbringen von Waren,
Vermessung
-
Medien
und Nachrichtenübertragung
-
Verkehr
-
Schutz
vor erheblichen Umweltbeeinträchtigungen
-
Gesundheit
-
Tierschutz
und Veterinärwesen
-
Kirchen
und Religionsgesellschaften
-
Gemeinnütziges
Stiftungs- und Fondswesen
-
Schulwesen.
Damit würden als ausschließliche
Bundeskompetenzen verbleiben:
-
Bundesverfassung
-
Auswärtige
Angelegenheiten
-
Äußere
Sicherheit
-
Bundesfinanzen,
Familienlastenausgleich
-
Währungs-
und Geldwesen
-
Organisation
und Dienstrecht des Bundes.
Dies deckt sich weitgehend mit dem
Vorschlag von Schnizer (zu Zivilrecht und Arbeitsrecht siehe unten).
Es sollten aber auch einzelne
Materien aus dem Bußjäger-Katalog der ausschließlichen Landeskompetenzen zur
"dritten" Säule transferiert werden. Folgende Materien wären
unter diesem Gesichtspunkt zu diskutieren:
-
Katastrophenschutz
und Rettungswesen
-
Veranstaltungswesen
-
Jugend
-
Sozialdienstleistungen
-
Kulturgüterschutz
-
Raumordnung
-
Bau-
und Wohnrecht
-
Natur-
und Landschaftsschutz
-
Landwirtschaft.
In jeder dieser Materien ist
jedenfalls in der öffentlichen Diskussion schon der Ruf nach einer
bundeseinheitlichen Regelung laut geworden.
Es wird nicht verkannt, dass mit
einer derartigen Kompetenzverteilung die vertikale Struktur der
österreichischen Bundesstaatlichkeit akzentuiert würde. Dies entspricht jedoch
der gesellschaftlichen Realität in Österreich und letztlich auch der
europäischen Wirklichkeit, in der auch der Bund in eine größere
"Gebietskörperschaft" – die Europäische Union – eingeordnet und
dieser im Kompetenzbereich der EG gemäß dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts
nachgeordnet ist.
Das Überwiegen einer
"geteilten" Kompetenzverteilung auf dem Gebiet der Gesetzgebung
eröffnet zugleich die Möglichkeit, die Aufgabenverteilung zwischen Bund und
Ländern nach qualitativen Kriterien neu zu gestalten: Sache des Bundes
wäre es nach diesem Modell, dem gesellschaftlichen Prozess den erforderlichen
rechtlichen Rahmen zu setzen. Sache der Länder (und Gemeinden!) wäre es,
die konkrete Lebensqualität der Bürger zu gestalten und zu sichern. Das
setzt eine Kooperation der einzelnen Ebenen und eben deshalb eine
Aufgabenteilung voraus, die nicht nach Sachgebieten trennt, sondern innerhalb
der jeweiligen Sachgebiete nach flexiblen, den Bedürfnissen der Menschen
anzupassenden Kriterien erfolgt. Daher sollte dem Bund eine umfassende
"Rahmen"-Gesetzgebungskompetenz im skizzierten Sinne vorbehalten
bleiben (die aber nur im notwendigen Ausmaß genutzt werden sollte); die Länder
sollten aber ihrerseits nicht auf einen bloßen Gesetzes-"Vollzug"
reduziert werden, sondern im bundesgesetzlichen "Rahmen" selbständige
Gestaltungsbefugnisse behalten.
4. Zuständigkeit zur Umsetzung von
EU-Recht
Angemerkt sei, dass sich bei einer
solchen Kompetenzverteilung das Problem der Zuständigkeit zur Umsetzung von
EU-Recht weitgehend reduziert: Die meisten umzusetzenden Vorgaben der EU würden
nach dem hier skizzierten Vorschlag in die "Bedarfs"-Gesetzgebungskompetenz
und damit in die Verantwortung des Bundes fallen. Es würde bei großzügiger
Zuordnung zur "dritten" Säule geteilter Kompetenzen vor allem auch
die Problematik der Umsetzung von Maßnahmen, die nach geltender Verfassungslage
teils in die Bundeskompetenz, teils in die Länderkompetenz
fallen, weitgehend aufgelöst werden.
Eine spezielle Regelung bezüglich
der in die ausschließliche Landeskompetenz fallenden Umsetzungsmaßnahmen wäre
daher bei einer großzügigen Ausgestaltung der "dritten" Säule
entbehrlich. Dagegen könnte mE auf eine solche Regelung dann nicht verzichtet
werden, wenn EU-sensible Bereiche im bisherigen Umfang in der ausschließlichen
Landeskompetenz verbleiben würden.
Eingebracht im Ausschuss 5, 5.
Sitzung, 1.12.2003
Ö-Konvent - Ausschuß 8
z.Hd. Herrn
Univ.Doz. Dr. Bußjäger
Eisenstadt,
am 21. November 2003
Sehr geehrter Herr Univ. Doz. Dr. Bußjäger!
Wie in der vierten Sitzung des
Ausschusses 5 – Aufgabenverteilung zwischen Bund den Ländern und Gemeinden des
Österreich-Konvents vereinbart - darf ich zu den aufgeworfenen Fragen wie folgt
Stellung nehmen und dieser folgende grundsätzliche Überlegungen voranstellen:
Die Neuordnung der
Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Bereich der Gesetzgebung und
in weiterer Folge auch unter Einbeziehung der Gemeinden im Bereich der
Vollziehung sollte zunächst von folgenden Grundsätzen geprägt sein:
1)
Grundsatz der Subsidiarität
Nur in denjenigen Bereichen, die von den Ländern sinnvoller Weise nicht geregelt werden können, soll dem Bund die exklusive Gesetzgebungskompetenz zukommen; auf allen anderen Gebieten wäre entweder eine exklusive Gesetzgebungskompetenz der Länder aufgenommen werden oder wären sie in die dritte Säule einzuordnen, wobei auch hier der Grundsatz der Subsidiarität zu beachten ist.
2)
Grundsatz der räumlichen
Abgrenzbarkeit
Jene Bereiche die regional und räumlich abgegrenzt werden können, wie z.B. Raumordnung, Bauordnung, Verkehr mit Grundstücken, Forst-, Fischerei- und Jagdwesen, Denkmalschutz, Bodennutzung, Naturschutz und anderes mehr, sollte in die exklusive Gesetzgebungskompetenz den Länder aufgenommen werden.
Räumlich nicht abgrenzbare Bereiche wie zum Bespiel Luftreinhaltung oder Bereiche in denen zur Sicherung des Wirtschaftstandortes Österreichs bundesweite Regelungen geboten sind, wie z.B. technische Vorschriften, wären der exklusiven Bundeskompetenz zuzuordnen.
3)
Grundsatz des Partnerschaftlichen
Bundesstaates
und des bundesstaatlichen Rücksichtnahmegebotes
Vor allem im Bereich der dritten Säule sollte ein System gewählt werden, das dem bundesstaatlichen Rücksichtnahmegebot Rechnung trägt und gegenseitige Einflussnahmemöglichkeiten der gesetzgebenden Gebietskörperschaften absichert.
Dieser Grundüberlegung folgend sollte meiner Meinung nach, um österreichweit einheitliche Ziele vorgeben zu können und auch erreichbar zu machen, der Weg der Rahmen- und Zielgesetzgebung, der sich wesentlich von der derzeitigen zu engen Grundsatzgesetzgebung zu unterscheiden hätte, eingehend diskutiert werden.
Dabei wäre vorstellbar, dass ein Bundesrat Neu – in diesem Bereich ausgestattet mit einem absoluten Vetorecht – die Landesinteressen wirkungsvoll vertreten könnte.
Bei einer Verweigerung der Zustimmung des Bundesrates zu einem Ziel- und Rahmengesetzgebungsbeschluss des Nationalrates, könnte in Verhandlungen in einem zwischen Bund und Ländern partnerschaftlich besetzten Vermittlungsausschuss ein allen Interessen bestmöglich Rechnung tragendes Ergebnis angestrebt werden.
Auch das – dem Grundgedanken eines partnerschaftlichen Bundestaates Rechnung tragende – Instrument der Gliedstaatsverträge, sollte im Zusammenhang mit der 3. Säule nochmals andiskutiert werden. Insbesonders dann, wenn mit diesem Instrument auch Kompetenzverschiebungen zwischen dem Bund und den Ländern gemeinsam geregelt werden könnten und darüber hinaus diese Verträge auch unmittelbar anwendbar und self executing wären, könnten damit zukünftig auftauchende Kompetenzkonflikte einvernehmlich gelöst werden.
Auch der Weg der zwischen dem Bund und den Ländern paktierten Gesetzgebung wäre meiner Meinung nach zu diskutieren. Eine konkurrierende Gesetzgebung in der 3. Säule nach dem Grundsatz, dass der Bund befugt ist, Regelungen zu erlassen, soweit eine bundesweit einheitliche Regelung unerlässlich oder erforderlich ist, um gleichwertige Lebensverhältnisse im Bundesgebiet zu garantieren, leistet meiner Ansicht nach zukünftigen, intensiven und langwierigen Kompetenzstreitigkeiten Vorschub und wird über kurz oder lang wiederum zu einer unüberschaubaren Kompetenzzersplitterung führen.
Eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz der Gestalt, dass die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung solange und soweit haben sollen, solange der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz nicht Gebrauch macht (Windhundprinzip), wäre für die Rechtssicherheit nicht zuträglich und damit verbunden auch für den Wirtschaftsstandort Österreich von großem Nachteil.
Damit wäre aber auch noch eine auf jeden Fall zu vermeidende Unübersichtlichkeit verbunden, die noch durch Streitigkeiten darüber verstärkt würde, ob durch spätere Bundesvorschriften bestehende Landesgesetze zur Gänze oder zum Teil formell oder auch materiell derogiert werden.
Zusammenfassend bin ich der Ansicht, dass die von Ihnen, sehr geehrter Herr Dozent, vorgenommene Kompetenzaufteilung als Grundlage für die weiteren Diskussionen herangezogen werden sollte, wobei die Überlegungen von Dr. Schnizer über die Abrundung der Kompetenzbereiche bei voller Wahrung der Länderinteressen im Sinne einer wohlverstandenen Subsidiarität in die Betrachtung miteinbezogen werden könnten.
Auch die Überlegung der WiKO bieten zur Wahrung eines einheitlichen Wirtschaftsgebietes und hinsichtlich des Subsidiaritätsmechanismus Ansätze, die nochmals genau durchleuchtet werden sollten und allenfalls unter übergeordneten Begriffen subsumierbar wären; die durch den Vorschlag der WiKO im Effekt bewirkte Einschränkung der derzeit bestehenden Gesetzgebungskompetenzen der Länder und die Umgestaltung hin zu mehr Vollzugsföderalismus muss jedoch vehement abgelehnt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Landtagspräsident Walter Prior
Eingebracht im Ausschuss 5, 4.
Sitzung, 7.11.2003
Punktation für eine
aufgabenorientierte Verteilung der
Gesetzgebungskompetenzen
nach dem „Drei-Säulenmodell“
Die gegenwärtige Kompetenzverteilung ordnet bestehende Gesetzesmaterien, deren Umfang sich am Versteinerungszeitpunkt – meist 1925 – orientiert, nach Gesetzgebung und Vollziehung jeweils Bund und Ländern zu. So enthalten die Kompetenzartikel 177 (!) Einzeltatbestände, denen die einzelnen Angelegenheiten zuzuordnen sind und für die dem Bund bzw. den Ländern Gesetzgebungs- – und/oder Vollziehungszuständigkeiten zugeordnet werden. Alle nicht genannten Angelegenheiten fallen in Gesetzgebung und Vollziehung in die Zuständigkeit der Länder. So weit durch die wirtschaftliche Entwicklung und gesellschaftliche Veränderung neue Aufgaben an den Staat herangetragen werden – beispielhaft sei hier der Umweltschutz genannt – sind diese den bestehenden Tatbeständen zuzuordnen, wodurch es per se zu ihrer Zersplitterung kommt.
Diese Technik der Kompetenzverteilung geht von der Vorstellung aus, daß sich jede Gesetzesmaterie „fein säuberlich“ zwischen Bund und Ländern scheiden ließe. Angesichts der Komplexität heutiger Lebensverhältnisse ist eine solche Trennung der Kompetenzen nicht mehr möglich, es existiert fast kein Lebenssachverhalt, der nicht unter verschiedenen Gesichtspunkten zu regeln wäre. Für den Bundesstaat von besonderer Bedeutung ist, daß es hiebei stets Aspekte gibt, die besser bundesweit einheitlich, und andere, die besser länderweise verschieden geregelt werden.
Es bietet sich daher für den Großteil der bisherigen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes die Schaffung eines neuen Kompetenztypus an, und zwar in Gestalt einer „subsidiären Kompetenz“ des Bundes oder „konkurrierenden Kompetenz zwischen Bund und Ländern“ in folgender Form:
Die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes wird auf das unbedingt erforderliche Minimum beschränkt, wie etwa Militär oder Bundesfinanzen, Geld-, Kredit-, Börse- und Bankwesen. In allen übrigen Bereichen beschränkt sich der Bund auf jene Regelungen, deren bundesweite Regelung unerläßlich ist. Im übrigen sind die Länder frei, die betreffende Angelegenheit zu regeln, sie dürfen lediglich einer bundesweiten Regelung nicht widersprechen; wenn möglich, hat sich der Bund auf die Regelung der Grundsätze zu beschränken.
Im ausschließlichen Gesetzgebungsbereich der Länder, der so gut wie alle bisherigen Gesetzgebungskompetenzen der Länder umfaßt, angereichert um jene, die nicht in die Subsidiärkompetenz des Bundes fallen, sind die Länder alleine befugt, gesetzgeberisch tätig zu werden; dem Bund ist es verwehrt, hier einzugreifen.
Davon ausgehend zeigt eine Analyse der 177 Einzeltatbestände des Bundes, daß sich die Gesetzgebungszuständigkeiten auf 17 Großtatbestände reduzieren lassen, die nicht auf die einzelnen Gesetzesmaterien abstellen, sondern auf Aufgabenbereiche.
Diese Aufgaben könnten folgende sein:
1. Bundesverfassung
2. Äußere Angelegenheiten des Bundes
3. Angelegenheiten der Staatsgrenze und der Grenzüberschreitung
4. Rechtsstellung der Bundesbürger und der Fremden
5. Bundesfinanzen
6. Geldwirtschaft und Kapitalverkehr, Standardisierung (Maße, Gewichte, Normen usw.) und Güterverkehr
7. Justiz (Zivil- und Strafrecht, Gerichte)
8. Innere Sicherheit
9. Angelegenheiten der Wirtschaft
10. Angelegenheiten des Verkehrs
11. Schutz vor Beeinträchtigungen der Umwelt
12. Angelegenheiten der Arbeitswelt
13. Soziale Sicherheit
14. Angelegenheiten der Gesundheit
15. Angelegenheiten der Wissenschaft und Forschung
16. Bundesbehörden einschließlich Dienstrecht
17. Militärische Angelegenheiten
Die bestehenden Kompetenztatbestände lassen sich jeweils einem dieser Aufgabenbereiche zuordnen. Beispielsweise wäre Allgemeine Sicherheitspolizei, Waffen-, Munitions-, Schieß- und Sprengmittelwesen, Vereins- und Versammlungsangelegenheiten, Organisation der Bundespolizei und Bundesgendarmerie dem Aufgabenbereich „Sicherheitswesen“ zuzuordnen. Die Anknüpfung an Aufgabenbereiche bringt es mit sich, daß einzelne, bisher in einem Gesetz geregelte Angelegenheiten verschiedenen Aufgabenbereichen zugeordnet werden; gerade dies ermöglicht aber eine organische Weiterentwicklung und zukünftige aufgabenorientierte Gesetzgebung. Beispielsweise läßt sich der Denkmalschutz unter keine der hier aufgezählten Aufgabentatbestände einordnen und fällt daher künftig in die Zuständigkeit der Länder. Wohl hätte aber der Bund die Verbringung beweglichen Kulturguts ins Ausland zu regeln, weil es sich hiebei um eine Angelegenheit der Grenzüberschreitung handelt.
Von diesen 17 Aufgabenbereichen ist lediglich in sieben eine ausschließliche Bundeszuständigkeit erforderlich, und zwar in folgenden:
1.Bundesverfassung
2.Äußere Angelegenheiten (ausgenommen die Staatsvertragskompetenz der Länder)
3.Angelegenheiten der Staatsgrenze und der Grenzüberschreitung
4.Bundesfinanzen
5.Geldwirtschaft und Kapitalverkehr, Standardisierung und Güterverkehr
6.Bundesbehörden
7.Militärische Angelegenheiten
In allen übrigen Aufgabenbereichen gibt es Regelungen, die notwendigerweise bundesweit getroffen werden müssen, überwiegend aber auch länderweise verschieden sein können. In allen diesen Angelegenheiten ist der Bund befugt, Regelungen zu erlassen, soweit eine bundesweit einheitliche Regelung unerläßlich oder erforderlich ist, um gleichwertige Lebensverhältnisse im Bundesgebiet zu garantieren.
Die Beantwortung dieser Frage erfordert letztlich eine politische Bewertung, die nur im Einzelfall getroffen werden kann; es liegt nahe, hiefür Kooperationsverfahren zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, wenn letztere betroffen sind, vorzusehen.
Soweit es lediglich erforderlich ist, bundesweite Grundsätze zu erlassen, hat sich der Bund auf diese zu beschränken. Auch im Falle einer bindenden bundesweiten Regelung kann der Bund ausdrücklich zu abweichenden landesgesetzlichen Regelungen ermächtigen. Die Landesgesetzgeber könnten in sämtlichen Aufgabenbereichen ergänzende Regelungen erlassen, sie dürfen nur nicht einer bundesweiten Regelung widersprechen.
Dies erfordert die Aufnahme eines verfassungsrechtlichen "Harmoniegebotes", das besagt, daß in diesen Angelegenheiten gesetzliche Vorschriften der Länder nicht bundesgesetzlichen Vorschriften widersprechen dürfen und im Falle eines solchen Konfliktes die bundesgesetzlichen Vorschriften vorgehen (Bundesrecht bricht Landesrecht). Eine solche Vorrangregel ist bisher der österreichischen Verfassung fremd, doch existiert sie in sämtlichen anderen Bundesstaaten, von Deutschland über Belgien bis zu den USA. Die Schweizer Bundesstaatsdoktrin leitet sie geradezu aus dem Wesen des Bundesstaates ab, was jedenfalls dann gerechtfertigt ist, wenn - wie hier vorgeschlagen - die Kompetenz des Bundes auf bundesweit erforderliche Regelungen beschränkt wird.
Eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit zwischen Bund und Ländern in diesem Sinne gilt daher für folgende Aufgabenbereiche:
1. Justiz
2. Innere Sicherheit
3. Angelegenheiten der Wirtschaft
4. Angelegenheiten des Verkehrs
5. Schutz vor Beeinträchtigungen der Umwelt
6. Angelegenheiten der Arbeitswelt
7. Soziale Sicherheit
8. Angelegenheiten der Gesundheit
9. Angelegenheiten der Wissenschaft und Forschung
10. Bundesbehörden einschließlich Dienstrecht
Soweit eine Angelegenheit keinem Aufgabenbereich zuordenbar ist, in dem der Bund bundesweite Regelungen treffen darf, verbleibt sie bei der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit der Länder. Diese umfaßt daher zunächst so gut wie alle Gesetzgebungsmaterien, die den Ländern jetzt aufgrund des Artikel 15 B-VG zukommen. Andere Materien werden von der Bundeskompetenz in die Länderkompetenz übertragen.
Soferne dieser Kompetenzbereich ausdrücklich abgesichert werden soll, bietet sich an, die ausschließlichen Länderkompetenzen ebenfalls taxativ aufzuzählen (wodurch sich die Generalklausel zu den konkurrierenden Gesetzgebungskompetenzen verschiebt). Dieser könnte beispielsweise folgendermaßen lauten:
1. Landesverfassung
2. Auswärtige Angelegenheiten der Länder
3. Gemeinden
4. Landes- und Gemeindefinanzen
5. Landwirtschaft (einschließlich Jagd und Fischerei)
6. Allgemeine Raumordnung und bauliche Gestaltung
7. Kulturgüter
8. Sport
9. Landesbehörden
Bei dieser Technik der Kompetenzverteilung kommt es vor allem aber deswegen zu einer bedeutenden Ausweitung der Gesetzgebungskompetenzen der Länder, weil sie in allen Aufgabenbereichen, die nicht in die ausschließliche Bundeskompetenz fallen, gesetzgebend tätig werden können. Lediglich soweit der Bund in diesen Bereichen eine unerläßliche bundesweite Regelung trifft, darf dieser Regelung von den Ländern nicht widersprochen werden. Dies träfe beispielsweise auf den Tierschutz zu, dessen bundesweite Regelung unter dem Gesichtspunkt des Schutzes vor Beeinträchtigungen der Umwelt und der Gesundheit unbedingt erforderlich wäre.
Eine Konkretisierung des Umfanges der jeweiligen Gesetzgebungskompetenzen ergibt sich aus der Technik der Überleitung: In den Erläuterungen wird angeführt, welche bisherigen Tatbestände den neuen Aufgabenbereichen zuzuordnen sind und unter welchen Gesichtspunkten diese Zuordnung jeweils getroffen wird. Der Übergang von materienorientierter Kompetenzverteilung zur Anknüpfung an Aufgabenbereiche hat zur Folge, daß mitunter bisher in einem Gesetz geregelte Materien in Zukunft verschiedenen Aufgabenbereichen zuzuordnen sind, wobei für jeden Teil wiederum zu beurteilen ist, inwieweit er eine bundesweit erforderliche Regelung enthält. Aus der Angabe der Kriterien, unter denen diese Zuordnung erfolgt, ergibt sich der Zweck des jeweiligen Aufgabenbereiches, an dem sich die Interpretation zu orientieren hat.
Eingebracht im Ausschuss 5, 18.
Sitzung, 22.10.2004
Diskussionsvorschlag für die Verteilung der
Gesetzgebungskompetenzen
aufbauend auf die Vorschläge Wiederin,
WKÖ, Bußjäger und Schnizer
Version 14.10.2004
Artikel k1. (1) Ausschließliche Bundessache
ist die Gesetzgebung in folgenden Angelegenheiten:
1.
Bundesverfassung
2.
auswärtige Angelegenheiten und äußere Sicherheit
3.
Staatsgrenze, Grenzüberschreitung, Personen- und
Aufenthaltsrecht
4.
Innere Sicherheit
5.
Justiz
6.
Arbeit und Wirtschaft
7.
soziale Sicherheit
8.
Umweltschutz, Nutzung natürlicher Ressourcen und
Genehmigung von Anlagen
9.
Energie
10. Verkehr und Bundesstraßen
11. Medien und Telekommunikation
12. Wissenschaft und Kultus
13. Geldwirtschaft und Finanzdienstleistungen
14. Bundesfinanzen und Monopole
15. Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren, allgemeiner Teil des
Abgaben-[138] und
Verwaltungsstrafrechts
16. Organisation der Vollziehung des Bundes
(2) Der Bund kann die Länder ermächtigen, zu genau zu bezeichnenden
einzelnen Bestimmungen nähere oder abweichende Bestimmungen zu erlassen.
(3) In den Angelegenheiten der Z 15 dürfen abweichende Regelungen in
den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- und Landesgesetzen
dann getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich
sind.
Artikel k2. Ausschließliche Landessache ist
die Gesetzgebung in folgenden Angelegenheiten:
1.
Landesverfassung
2.
Gemeinden
3.
Natur-, Boden- und Landschaftsschutz
4.
Jagd und Fischerei
5.
Raumordnung, bauliche Gestaltung und Straßen
6.
Feuerschutz und Katastrophenhilfe
7.
örtliche Sicherheit
8.
Landesfinanzen
9.
Organisation der Vollziehung des Landes
Artikel k3. (1) Sache von Bund und Ländern ist
die Gesetzgebung in folgenden Angelegenheiten:
1.
Öffentliche Aufträge
2.
Dienstrecht
3.
Elektronischer Rechtsverkehr
4.
Statistik
(2) In diesen Angelegenheiten können Bund und Länder jeweils Gesetze
für ihren Bereich erlassen, wenn es kein für Bund und Länder geltendes Gesetz
gem. Abs. 3 gibt. Sie treten außer Kraft, wenn ein Gesetz gem. Abs. 3 erlassen
wird.
(3) Der Bund kann in diesen Angelegenheiten mit Zustimmung der Länder
für Bund und Länder geltende Gesetze erlassen. Die Vorbereitung solcher Gesetze
hat gemeinsam mit den Ländern zu erfolgen.
Artikel k4. (1) Gemeinschaftliche Sache von
Bund und Ländern sind alle übrigen Angelegenheiten. Dazu zählen insbesondere
1.
Gesundheit
2.
Kinder und Jugend
3.
Fürsorge und Pflege
4.
Wohnungen
5.
Landwirtschaft
6.
Tourismus
7.
Sport
8.
Kultur
(2) In diesen Angelegenheiten kommt die Gesetzgebung den Ländern zu.
Der Bund kann soweit Gesetze erlassen, als der Bundesrat feststellt, dass eine
bundesweite Regelung als erforderlich erachtet wird. Ein solcher Beschluß ist
nicht erforderlich, soweit dem Bund aufgrund der bis .... geltenden
Kompetenzverteilung die Gesetzgebung zugekommen ist.[139]
(3) Für einen Beschluß des Bundesrates gem. Abs. 2 ist eine Mehrheit
der Bundesräte und eine Mehrheit von Bundesländern erforderlich, in denen eine
Mehrheit der Bevölkerung wohnt. Die Zustimmung eines Bundeslandes ist gegeben,
wenn die Mehrheit der Bundesräte dieses Bundeslandes zustimmt.
Gegenüberstellung
Artikel k1: Ausschließliche
Bundeskompetenzen
Kompetenz neu |
Tatbestände B-VG |
Fundstelle |
||
1. Bundesverfassung |
Bundesverfassung, insbesondere Wahlen zum
Nationalrat, Volksabstimmungen auf Grund der Bundesverfassung; |
Art. 10 Abs. 1 Z 1 |
||
Verfassungsgerichtsbarkeit; |
Art. 10 Abs. 1 Z 1 |
|||
Wahlen zum Europäischen Parlament; |
Art. 10 Abs. 1 Z 18 |
|||
Nähere Regelungen über Bundessymbole |
Art. 8a Abs. 3 |
|||
Beschränkung für Funktionäre
(Unvereinbarkeiten); |
Art. 19 Abs. 2 |
|||
Wahlverfahren zum NR; |
Art. 26 Abs. 1 |
|||
Verfahren für Volksabstimmungen und
Volksbegehren; |
Art. 46 Abs. 1 |
|||
Stellvertretung des Präsidenten des
Rechnungshofes im NR durch das GOGNR; |
Art. 124 Abs. 1 |
|||
Bestimmungen über den RH; |
Art. 128 |
|||
Voraussetzungen für die Anfechtung von
Volksbegehren, Volksbefragungen und Volksabstimmungen vor dem VfGH; |
Art. 141 Abs. 3 |
|||
Regelung der Anfechtung von Verletzungen des
Völkerrechts vor dem VfGH; |
Art. 145 |
|||
Bestimmungen über den VfGH; |
Art. 148 |
|||
Bestimmungen über die VA; |
Art. 148j |
|||
2. Auswärtige Angelegenheiten und äußere
Sicherheit Fortsetzung Auswärtige Angelegenheiten und äußere
Sicherheit |
äußere Angelegenheiten mit Einschluss der
politischen und wirtschaftlichen Vertretung gegenüber dem Ausland,
insbesondere Abschluss von Staatsverträgen, unbeschadet der Zuständigkeit der
Länder nach Artikel 16 Abs. 1; |
Art. 10 Abs. 1 Z 2 |
||
militärische Angelegenheiten; |
Art. 10 Abs. 1 Z 15 |
|||
Kriegsschadenangelegenheiten und Fürsorge
für Kriegsteilnehmer und deren Hinterbliebene; |
Art. 10 Abs. 1 Z 15 |
|||
Fürsorge für Kriegsgräber; |
Art. 10 Abs. 1 Z 15 |
|||
aus Anlass eines Krieges oder im Gefolge
eines solchen zur Sicherung der einheitlichen Führung der Wirtschaft
notwendig erscheinende Maßnahmen, insbesondere auch hinsichtlich der
Versorgung der Bevölkerung mit Bedarfsgegenständen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 15 |
|||
Mitwirkung der Länder bei der Verpflegung
des Heeres; |
Art. 81 |
|||
3. Staatsgrenze, Grenzüberschreitung
Personen- und Aufenthaltsrecht |
Grenzvermarkung; |
Art. 10 Abs. 1 Z 2 |
||
Waren- und Viehverkehr mit dem Ausland; |
Art. 10 Abs. 1 Z 2 |
|||
Zollwesen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 2 |
|||
Regelung und Überwachung des Eintrittes in
das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm; |
Art. 10 Abs. 1 Z 3 |
|||
Ein- und Auswanderungswesen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 3 |
|||
Paßwesen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 3 |
|||
Abschiebung, Abschaffung, Ausweisung und
Auslieferung sowie Durchlieferung; |
Art. 10 Abs. 1 Z 3 |
|||
Personenstandsangelegenheiten einschließlich
des Matrikenwesens und der Namensänderung; |
Art. 10 Abs. 1 Z 7 |
|||
Fremdenpolizei und Meldewesen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 7 |
|||
Staatsbürgerschaft; |
Art. 11 Abs. 1 Z 1 |
|||
Datenschutz |
Art. 1 DSchG |
|||
4. Innere Sicherheit |
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe,
Ordnung und Sicherheit einschließlich der ersten allgemeinen Hilfeleistung,
jedoch mit Ausnahme der örtlichen Sicherheitspolizei; |
Art. 10 Abs. 1 Z 7 |
||
Vereins- und Versammlungsrecht; |
Art. 10 Abs. 1 Z 7 |
|||
Waffen-, Munitions- und Sprengmittelwesen,
Schießwesen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 7 |
|||
Regelung der Bewaffnung der Wachkörper und
des Rechtes zum Waffengebrauch; |
Art. 10 Abs. 1 Z 14 |
|||
5. Justiz Fortsetzung Justiz |
Zivilrechtswesen einschließlich des
wirtschaftlichen Assoziationswesens, jedoch mit Ausschluss von Regelungen,
die den Grundstücksverkehr für Ausländer und den Verkehr mit bebauten oder
zur Bebauung bestimmten Grundstücken verwaltungsbehördlichen Beschränkungen
unterwerfen, einschließlich des Rechtserwerbes von Todes wegen durch
Personen, die nicht zum Kreis der gesetzlichen Erben gehören; |
Art. 10 Abs. 1 Z 6 |
||
Privatstiftungswesen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 6 |
|||
Strafrechtswesen mit Ausschluss des
Verwaltungsstrafrechtes und des Verwaltungsstrafverfahrens in
Angelegenheiten, die in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 6 |
|||
Justizpflege; |
Art. 10 Abs. 1 Z 6 |
|||
Einrichtungen zum Schutz der Gesellschaft
gegen verbrecherische oder sonstige gefährliche Personen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 6 |
|||
Urheberrecht; |
Art. 10 Abs. 1 Z 6 |
|||
Enteignung, soweit sie nicht Angelegenheiten
betrifft, die in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 6 |
|||
Vertragsversicherungswesen |
Art. 10 Abs. 1 Z 11 |
|||
Stiftungs- und Fondswesen, soweit es sich um
Stiftungen und Fonds handelt, die nach ihren Zwecken über den
Interessenbereich eines Landes hinausgehen und nicht schon bisher von den
Ländern autonom verwaltet wurden; |
Art. 10 Abs. 1 Z 13 |
|||
Angelegenheiten der Notare, der
Rechtsanwälte und verwandter Berufe; |
Art. 10 Abs. 1 Z 6 |
|||
bäuerliches Anerbenrecht; |
Art. 10 Abs. 2 |
|||
Kompetenz für AHG und OrgHG; |
Art. 23 Abs. 4 u 5 |
|||
Verfassung und Zuständigkeit der Gerichte; |
Art. 83 Abs. 1 |
|||
6. Arbeit und Wirtschaft Fortsetzung Arbeit und Wirtschaft |
Angelegenheiten des Gewerbes und der
Industrie; |
Art. 10 Abs. 1 Z 8 |
||
öffentliche Agentien und
Privatgeschäftsvermittlungen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 8 |
|||
Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes; |
Art. 10 Abs. 1 Z 8 |
|||
Patentwesen sowie Schutz von Mustern, Marken
und anderen Warenbezeichnungen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 8 |
|||
Angelegenheiten der Patentanwälte; |
Art. 10 Abs. 1 Z 8 |
|||
Ingenieur- und Ziviltechnikerwesen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 8 |
|||
Kammern für Handel, Gewerbe und Industrie; |
Art. 10 Abs. 1 Z 8 |
|||
Einrichtung beruflicher Vertretungen, soweit
sie sich auf das ganze Bundesgebiet erstrecken, mit Ausnahme solcher auf
land- und forstwirtschaftlichem Gebiet; |
Art. 10 Abs. 1 Z 8 |
|||
Vermessungswesen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 10 |
|||
Arbeitsrecht, soweit es nicht unter Artikel
12 fällt; |
Art. 10 Abs. 1 Z 11 |
|||
Kammern für Arbeiter und Angestellte, mit
Ausnahme solcher auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet; |
Art. 10 Abs. 1 Z 11 |
|||
Regelung des geschäftlichen Verkehrs mit
Saat- und Pflanzgut, Futter-, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie mit
Pflanzenschutzgeräten, einschließlich der Zulassung und bei Saat- und
Pflanzgut auch der Anerkennung; |
Art. 10 Abs. 1 Z 12 |
|||
Maß- und Gewichts-, Normen- und Punzierungswesen;
|
Art. 10 Abs. 1 Z 5 |
|||
Postwesen |
Art. Abs. 1 Z 9 |
|||
berufliche Vertretungen, soweit sie nicht
unter Artikel 10 fallen, jedoch mit Ausnahme jener auf land- und
forstwirtschaftlichem Gebiet sowie auf dem Gebiet des Berg- und Schiführerwesens
und des in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallenden
Sportunterrichtswesens; |
Art. 11 Abs. 1 Z 2 |
|||
Berufliche Vertretungen auf land- und
forstwirtschaftlichem Gebiet sowie auf dem Gebiet des Berg- und
Schiführerwesens und des in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder
fallen Sportunterrichtswesens |
Art. 11 Abs. 1 Z 2 |
|||
Arbeiterrecht sowie Arbeiter- und
Angestelltenschutz, soweit es sich um land- und forstwirtschaftliche Arbeiter
und Angestellte handelt; |
Art. 12 Abs. 1 Z 6 |
|||
Tanzschulen; |
Art. 15 |
|||
Berg- und Schiführerwesen; |
Art. 15 |
|||
Angelegenheiten des Theater- und Kinowesens |
Art. 15 Abs. 3 |
|||
Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes der
Bediensteten der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände und der
Personalvertretung der Bediensteten der Länder, soweit die Bediensteten nicht
in Betrieben tätig sind |
Art. 21 Abs. 2 |
|||
Arbeitnehmerschutz und
Personalvertretungsrecht der Bediensteten der Länder, soweit diese in
Betrieben tätig sind; |
Art. 21 Abs. 2 |
|||
7. Soziale Sicherheit |
Sozialversicherungswesen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 11 |
||
Bevölkerungspolitik, soweit sie die
Gewährung von Kinderbeihilfen und die Schaffung eines Lastenausgleiches im
Interesse der Familie zum Gegenstand hat; |
Art. 10 Abs. 1 Z 17 |
|||
Armenwesen; |
Art. 12 Abs. 1 Z 1 |
|||
Bevölkerungspolitik, soweit sie nicht unter
Artikel 10 fällt; |
Art. 12 Abs. 1 Z 1 |
|||
8. Umweltschutz, Nutzung natürlicher
Ressourcen und Genehmigung von Anlagen Fortsetzung Umweltschutz |
Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben
in diesen Angelegenheiten, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die
Umwelt zu rechnen ist und für welche die Verwaltungsvorschriften eine
Trassenfestlegung durch Verordnung vorsehen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 9 |
||
Bergwesen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 10 |
|||
Forstwesen einschließlich des Triftwesens; |
Art. 10 Abs. 1 Z 10 |
|||
Wasserrecht; |
Art. 10 Abs. 1 Z 10 |
|||
Regulierung und Instandhaltung der Gewässer
zum Zwecke der unschädlichen Ableitung der Hochfluten oder zum Zwecke der
Schiffahrt und Flößerei; |
Art. 10 Abs. 1 Z 10 |
|||
Wildbachverbauung; |
Art. 10 Abs. 1 Z 10 |
|||
Dampfkessel- und Kraftmaschinenwesen |
Art. 10 Abs. 1 Z 10 |
|||
Maßnahmen zur Abwehr von gefährlichen Belastungen
der Umwelt, die durch Überschreitung von Immissionsgrenzwerten entstehen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 12 |
|||
Luftreinhaltung |
Art. 10 Abs. 1 Z 12 |
|||
Heizungsanlagen |
Art. 10 Abs. 1 Z 12 |
|||
Abfallwirtschaft hinsichtlich gefährlicher
Abfälle, |
Art. 10 Abs. 1 Z 12 |
|||
Abfallwirtschaft hinsichtlich
nicht-gefährlicher Abfälle soweit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher
Vorschriften vorhanden ist; |
Art. 10 Abs. 1 Z 12 |
|||
Genehmigung von Vorhaben, bei denen mit
erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist; |
Art. 11 Abs. 1 Z 7 |
|||
Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben,
bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist; |
Art. 11 Abs. 1 Z 7 |
|||
Tierschutz mit Ausnahme der Ausübung der
Jagd- oder der Fischerei |
Art. 11 Abs. 1 Z 8 |
|||
Festlegung einheitlicher Emissionsgrenzwerte
für Luftschadstoffe; |
Art. 11 Abs. 5 |
|||
Abfallwirtschaft hinsichtlich nicht
gefährlicher Abfälle, soweit nicht der Bund von seiner Kompetenz gemäß Art.
10 Abs. 1 Z 12 B-VG Gebrauch gemacht hat; |
Art. 10 Abs. 1 Z 12 |
|||
9. Energie |
Normalisierung und Typisierung elektrischer
Anlagen und Einrichtungen, Sicherheitsmaßnahmen auf diesem Gebiete; |
Art. 10 Abs. 1 Z 10 |
||
Starkstromwegerecht, soweit sich die
Leitungsanlage auf zwei oder mehrere Länder erstreckt; |
Art. 10 Abs. 1 Z 10 |
|||
Elektrizitätswesen, soweit es nicht unter
Artikel 10 fällt; |
Art. 12 Abs. 1 Z 5 |
|||
Gasleitungsrecht |
|
|||
10. Verkehr und Bundesstraßen |
Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen und
der Luftfahrt sowie der Schiffahrt, soweit diese nicht unter Artikel 11
fällt; |
Art. 10 Abs. 1 Z 9 |
||
Kraftfahrwesen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 9 |
|||
Angelegenheiten der wegen ihrer Bedeutung für
den Durchzugsverkehr durch Bundesgesetz als Bundesstraßen erklärten
Straßenzüge außer der Straßenpolizei; |
Art. 10 Abs. 1 Z 9 |
|||
Strom- und Schiffahrtspolizei, soweit sie
nicht unter Artikel 11 fällt; |
Art. 10 Abs. 1 Z 9 |
|||
Bau und Instandhaltung von Wasserstraßen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 10 |
|||
Straßenpolizei; |
Art. 11 Abs. 1 Z 4 |
|||
Binnenschiffahrt hinsichtlich der
Schiffahrtskonzessionen, Schiffahrtsanlagen und Zwangsrechte an solchen
Anlagen, soweit sie sich nicht auf die Donau, den Bodensee, den Neusiedlersee
und auf Grenzstrecken sonstiger Grenzgewässer bezieht; |
Art. 11 Abs. 1 Z 6 |
|||
Strom- und Schiffahrtspolizei auf
Binnengewässern mit Ausnahme der Donau, des Bodensees, des Neusiedlersees und
der Grenzstrecken sonstiger Grenzgewässer; |
Art. 11 Abs. 1 Z 6 |
|||
11. Medien und Telekommunikation |
Pressewesen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 6 |
|
|
Fernmeldewesen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 9 |
|
||
Nähere Bestimmungen über den Rundfunk und
seine Organisation |
Art. I Abs. 2 BVG über die Sicherung der
Unabhängigkeit des Rundfunks |
|
||
12. Wissenschaft und Kultus |
Angelegenheiten der künstlerischen und
wissenschaftlichen Sammlungen und Einrichtungen des Bundes; |
Art. 10 Abs. 1 Z 13 |
|
|
wissenschaftlicher und fachtechnischer
Archiv- und Bibliotheksdienst; |
Art. 10 Abs. 1 Z 13 |
|
||
Angelegenheiten des Kultus;Denkmalschutz; |
Art. 10 Abs. 1 Z 13 |
|
||
Hochschulen und
KunstakademienAngelegenheiten des Kultus; |
Art. 14 Abs. 1 |
|
||
13. Geldwirtschaft und Finanzdienstleistungen |
Geld-, Kredit-, Börse- und Bankwesen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 5 |
|
|
14. Bundesfinanzen und Monopole |
Bundesfinanzen, insbesondere öffentliche
Abgaben, die ausschließlich oder teilweise für den Bund einzuheben sind;
(Kompetenz-Kompetenz der einfachen Bundesgesetzgebung) |
Art. 10 Abs. 1 Z 4 i.V.m. §§ 3 und 7 F-VG |
|
|
Monopolwesen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 4 |
|
||
15. Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren,
allgemeiner Teil des Abgaben- und Verwaltungsstrafrechts |
Verwaltungsverfahren, die allgemeinen
Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechtes, das Verwaltungsstrafverfahren und
die Verwaltungsvollstreckung auch in den Angelegenheiten, in denen die
Gesetzgebung den Ländern zusteht, insbesondere auch in den Angelegenheiten
des Abgabenwesens; |
Art. 11 Abs. 2 |
|
|
Bürgerbeteiligungsverfahren für
bundesgesetzlich zu bestimmende Vorhaben, die Beteiligung an den einem Bürgerbeteiligungsverfahren
nachfolgenden Verwaltungsverfahren und die Berücksichtigung der Ergebnisse
des Bürgerbeteiligungsverfahrens bei der Erteilung der für die betroffenen
Vorhaben erforderlichen Genehmigungen; |
Art. 11 Abs. 6 |
|
||
16. Organisation der Vollziehung des Bundes |
Verwaltungsgerichtsbarkeit; |
Art. 10 Abs. 1 Z 6 |
|
|
Angelegenheiten der Bundestheater mit
Ausnahme der Bauangelegenheiten; |
Art. 10 Abs. 1 Z 13 |
|
||
Organisation und Führung der Bundespolizei
und der Bundesgendarmerie; |
Art. 10 Abs. 1 Z 14 |
|
||
Regelung der Errichtung und der
Organisierung sonstiger Wachkörper mit Ausnahme der Gemeindewachkörper; |
Art. 10 Abs. 1 Z 14 |
|
||
Einrichtung der Bundesbehörden und sonstigen
Bundesämter; |
Art. 10 Abs. 1 Z 16 |
|
||
Die Einrichtung, die Aufgaben und das
Verfahren des unabhängigen Umweltsenates; |
Art. 11 Abs. 7 |
|
||
Die Einrichtung, die Aufgaben und das
Verfahren der Senate in Angelegenheiten der Bodenreform sowie die Grundsätze
für die Einrichtung der mit den Angelegenheiten der Bodenreform sonst noch
befaßten Behörden; |
Art. 12 Abs. 2 |
|
||
Auskunftspflicht für Organe des Bundes sowie
der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung; |
Art. 20 Abs. 4 |
|
||
Aufsichtsrecht über Gemeinden für
Bundesvollziehung; |
Art. 119a Abs. 3 |
|
||
Bestimmungen über den VwGH; |
Art. 136 |
|
||
Einrichtung und Regelung des UBAS |
Art. 129c |
|
||
Artikel k2: Ausschließliche Länderkompetenzen
Kompetenz neu |
Tatbestand B-VG |
Fundstelle |
1. Landesverfassung |
Landesverfassung; Wahlen von Organen der Länder und
Gemeinden; Landes- und Gemeindesymbole; |
Art. 99, 15 |
Kompetenz des VfGH zur Entscheidung von
Meinungsverschiedenheiten mit LRH (Verfassungsgesetzgeber); |
Art. 127c |
|
Zuständigkeit der
Volksanwaltschaft für die Landesverwaltung (Verfassungsgesetzgeber); |
Art. 148i |
|
2. Gemeinden |
Gemeinderecht und Gemeindeaufsicht; |
|
Zusammensetzung von Wiener
Kollegialbehörden; |
Art. 111 |
|
Gemeindeorganisationsrecht; |
Art. 115 Abs. 2 |
|
Verleihung des Stadtrechts; |
Art. 116 Abs. 3 |
|
Organisation der Gemeindeverbände; |
Art. 116a Abs. 4 und 5 |
|
Aufsichtsrecht über Gemeinden außer
Bundesvollziehung; |
Art. 119a Abs. 3 |
|
3. Natur-, Boden- und Landschaftsschutz |
Natur- und Landschaftsschutz |
Art. 15 |
Bodenschutz |
|
|
4. Jagd und Fischerei |
Jagd und Fischereirecht; |
Art. 15 |
5. Raumordnung, Straßen und bauliche
Gestaltung |
Raumordnung; |
Art. 15 Abs. 1 |
Straßen, ausgenommen
Bundesstraßen; |
|
|
Baurecht mit Ausnahme des
technischen Baurechts; |
|
|
Ortsbildschutz; |
|
|
6. Feuerschutz und Katastrophenhilfe |
Feuerpolizei; Feuerwehrwesen; |
|
Katastrophenhilfe; |
|
|
7. Örtliche Sicherheit |
Angelegenheiten der
örtlichen Sicherheitspolizei (das ist des Teiles der Sicherheitspolizei, der
im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde
verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet ist, durch die
Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden, wie die
Wahrung des öffentlichen Anstandes und die Abwehr ungebührlicherweise
hervorgerufenen störenden Lärmes); |
Art. 15 Abs. 2 |
Veranstaltungswesen; öffentlichen
Schaustellungen, Darbietungen und Belustigungen |
Art. 15 Abs. 3 |
|
öffentliche Einrichtungen zur
außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten; |
Art. 12 Abs. 1 Z 2 |
|
8. Landesfinanzen |
Landesfinanzen |
F-VG |
9. Organisation der Vollziehung des Landes |
Organisation der Vollziehung in den Ländern;
Landesverwaltungsgerichte |
|
Organisation und Dienstrecht der UVS; |
Art. 129b Abs. 6 |
|
Stiftungen und Fonds, die nach ihren Zwecken nicht
über den Interessenbereich eines Landes hinausgehen oder schon bisher von den
Ländern autonom verwaltet wurden; |
Art. 10 Abs. 1 Z 13 |
|
Regelungen über die Auskunftspflicht der
Organe der Länder und Gemeinden sowie der durch die Landesgesetzgebung zu
regelnden Organe der Selbstverwaltung; |
Art. 20 Abs. 4 |
Artikel k 3: Zuständigkeit von Bund und Ländern
Kompetenz neu |
Tatbestand B-VG |
Fundstelle |
Öffentliche Aufträge |
Vergaberecht |
Art. 14b |
Dienstrecht |
Dienstrecht und Personalvertretungsrecht der
Bundesbediensteten; |
Art. 10 Abs. 1 Z 16 |
Angelegenheiten des Dienstrechtes
einschließlich des Dienstvertragsrechtes und des Personalvertretungsrechtes
der Bediensteten der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände, soweit
für alle diese Angelegenheiten in Abs. 2, in Art. 14 Abs. 2, Abs. 3 lit. d
und Abs. 5 lit. c und in Art. 14a Abs. 2 lit. e und Abs. 3 lit. b nicht
anders bestimmt ist; |
Art. 21 Abs. 1 |
|
Elektronischer Rechtsverkehr |
Teilweise Verwaltunsverfahren |
Art. 11 Abs. 2 |
Statistik |
Volkszählungswesen sowie - unter Wahrung des
Rechtes der Länder, im eigenen Land jegliche Statistik zu betreiben -
sonstige Statistik, soweit sie nicht nur den Interessen eines einzelnen
Landes dient; |
Art. 10 Abs. 1 Z 13 |
Artikel k4: Gemeinschaftliche Zuständigkeiten von Bund und Ländern
Kursiv: ohne Beschluß des Bundesrates vom Bund regelbar,
weil ursprünglich Bundeskompetenz (Artikel k4 Abs. 2)
Kompetenz neu |
Tatbestand B-VG |
Fundstelle |
1. Gesundheit |
Gesundheitswesen mit Ausnahme des
Leichen- und Bestattungswesens sowie des Gemeindesanitätsdienstes und
Rettungswesens, hinsichtlich der Heil- und Pflegeanstalten, des Kurortewesens
und der natürlichen Heilvorkommen jedoch nur die sanitäre Aufsicht; |
Art. 10 Abs. 1 Z 12 |
Veterinärwesen; |
Art. 10 Abs. 1 Z 12 |
|
Ernährungswesen einschließlich der
Nahrungsmittelkontrolle; |
Art. 10 Abs. 1 Z 12 |
|
Leichen- und Bestattungswesen; |
Art. 10 Abs. 1 Z. 12 |
|
Gemeindesanitätsdienst; |
Art. 10 Abs. 1 Z 12 |
|
Rettungswesen, |
Art. 10 Abs. 1 Z 12 |
|
Heil- und Pflegeanstalten; |
Art. 12 Abs. 1 Z 1 |
|
vom gesundheitlichen Standpunkt aus an
Kurorte sowie Kuranstalten und Kureinrichtungen zu stellende Anforderungen; |
Art. 12 Abs. 1 Z 1 |
|
Natürliche Heilvorkommen; |
Art. 12 Abs. 1 Z 1 |
|
2. Kinder und Jugend |
Mutterschafts-, Säuglings- und
Jugendfürsorge; |
Art. 12 Abs. 1 Z 1 |
Kindergartenwesen und Hortwesen; |
Art. 14 Abs. 4 |
|
Jugendschutz; |
Art. 15 |
|
3. Fürsorge und Pflege |
Volkspflegestätten; |
Art. 12 Abs. 1 Z 1 |
Sozial- und Behindertenhilfe
einschließlich Pflegewesen soweit es nicht unter Art. 12 Abs. 1 Z 1 fällt; |
|
|
4.
Wohnungen |
Wohnbauförderung |
|
Volkswohnungswesen mit Ausnahme der Förderung des
Wohnbaus und der Wohnhaussanierung; |
Art. 11 Abs. 1 Z 3 |
|
Assanierung; |
Art. 11 Abs. 1 Z 5 |
|
5.
Landwirtschaft |
Umsetzung der Gemeinsamen
Agrarpolitik |
MOG |
Bodenreform, insbesondere agrarische
Operationen und Wiederbesiedelung; |
Art. 12 Abs. 1 Z 3 |
|
Landwirtschaftliches
Grundverkehrsrecht; |
|
|
Tierzucht |
|
|
Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und
Schädlinge; |
Art. 12 Abs. 1 Z 4 |
|
6.
Tourismus |
Fremdenverkehr, einschließlich Privatzimmervermietung und
Campingwesen; |
Art. 15 |
7.
Sport |
Sportangelegenheiten |
|
8. Kultur |
Denkmalschutz |
Art. 10 Abs. Z 13 |
Volkstumspflege; |
Art. 15 |
Eingebracht im Ausschuss 5, 5.
Sitzung, 1.12.2003
Stellungnahme zu einer
Kompetenzverteilung
nach dem „Drei-Säulen-Modell
1. Zur Rechtssetzung im dritten Kompetenzbereich
Im Rahmen des dritten Kompetenzbereichs ist zunächst die Grundsatzentscheidung zu fällen, ob am Grundsatz der Exklusivität der Kompetenzbereiche festgehalten werden soll oder ob dieser Bereich „Gemeinschaftsaufgaben“ enthalten soll, in denen eine – wie immer ausgestaltete – Koordination zwischen Bund und Ländern stattfinden muss. In meinen Augen spricht alles dafür, nach dem Muster vieler anderer bundesstaatlicher Verfassungen eine Form der konkurrierenden Gesetzgebung zu schaffen, in welchem die Länder zur Gesetzgebung zuständig sind, soweit und solange der Bund keine Vorschriften erlassen hat. Denn dieser Kompetenztypus hat den entscheidenden Vorteil, Subsidiarität mit Flexibilität zu verbinden.
Da grundsätzlich beiden föderalen Partnern der Zugriff auf die Materien der dritten Säule eröffnet wird, tragen sowohl Bund als auch Länder Verantwortung. Die Länder sind in der Lage, Angelegenheiten auch dort umfassend aufzugreifen, wo sie nach derzeitigem Verfassungsrecht untätig bleiben müssen, weil die Kompetenz beim Bund liegt, dieser aber –mitunter infolge politischer Unfähigkeit – von ihr keinen Gebrauch macht. Umgekehrt kann der Bund dort, wo es den Ländern nicht gelingt, Aufgaben auf regionaler Ebene zufrieden stellend zu bewältigen, in die Bresche springen, ohne zuvor die Bundesverfassung ändern zu müssen. Das System wird insgesamt beweglicher und dadurch auch kompetitiver.
Außerdem wird es hiedurch wesentlich leichter, „Querschnittsmaterien“ in den Griff zu bekommen. Neue Politikansätze sind häufig Querschnittsansätze, die nicht in die tradierten Schubladen passen (UVP, Datenschutz, Umweltinformation, integrierte Unfallprävention uvam). Je starrer eine Kompetenzverteilung ist, desto schwieriger wird es, solche Ansätze überhaupt zu verfolgen, weil das, was der Querschnittsansatz fordert, von der Kompetenzverteilung als Querschnittsmaterie inhibiert wird.
Die Länder würden mit der starren Kompetenzgrenze zwischen Bund und Ländern zwar die Gewissheit verlieren, den Bund vor dem Verfassungsgerichtshof in die Schranken weisen zu können: Ihr Hausgut in der zweiten Säule wäre (ebenso wie das Hausgut des Bundes in der ersten) auf überschaubare Kernaufgaben geschrumpft. Sie würden aber die Möglichkeit gewinnen, die Lücken in den Bundesregelungen durch eigene Gesetze aufzufüllen und passgenaue Anschlussstücke zu den Vorschriften im Bereich der zweiten Säule (Hausgut der Länder) herzustellen.
Entgegen einer verbreiteten Meinung halten sich die strukturellen Einschnitte, die eine solche konkurrierende Gesetzgebung mit sich brächte, in Grenzen. Bei genauerem Hinsehen liegt nämlich keine konkurrierende Kompetenz vor, die mit dem Grundsatz der Exklusivität der Kompetenzbereiche bricht, weil es sich um alternativ-ausschließliche Kompetenzen handelt.
Aus diesem Grund ist auch keine Konfliktlösungsregel „Bundesrecht bricht Landesrecht“ erforderlich, wie sie von Schnizer vorgeschlagen wird. In Deutschland ist diese Regel zwar in Art 31 GG verankert, es ist dort aber völlig unklar, was sie bedeutet. In der Schweiz ist diese Regel ein Reflex des Umstands, dass Bundesgesetze vom Bundesgericht nicht auf ihre Kompetenzkonformität überprüft werden dürfen und dass deshalb selbst die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Kompetenzen durch den Bund die Nichtigkeit von kantonalem Recht zur Folge hat. In Österreich ist eine Vorrangregel entbehrlich, weil mit der Verfassungsgerichtsbarkeit und der lex-posterior-Regel das Auslagen zu finden ist. Wenn der Bund auf eine Angelegenheit der dritten Säule zugreift, haben insoweit die Länder ihre Kompetenz verloren, ihre Regelungen sind entweder außer Kraft getreten oder wegen Kompetenzwidrigkeit vom Verfassungsgerichtshof aufzuheben. (Die Sorge, ein Land könnte einem früheren Bundesgesetz derogieren und sich dadurch die fehlende Kompetenz zurückerobern, ist deshalb unbegründet, weil es aufgrund des kleineren räumlichen Geltungsbereiches nur zu einer Zurückdrängung des Bundesgesetzes kommen kann.) Eine Vorrangregel würde nur zu Konfusion führen, weil sie wohl bedeuten müsste, dass ein späteres Landesgesetz entweder als absolut nichtig oder zumindest als unanwendbar zu betrachten wäre – mit negativen Folgen für die Rechtssicherheit, weil jede Verwaltungsbehörde zunächst eine inzidente Prüfung von Landesrecht auf seine Kompetenzkonformität vornehmen müsste, bevor sie es anwendet.
Innerhalb der dritten Säule sollte der Bund die Möglichkeit haben, sich auf Grundsätze zu beschränken. Von einer Verpflichtung durch Übernahme des Typus des Art 12 B‑VG ist hingegen abzuraten. Gesetze durchgängig so zu formulieren, dass sie nicht im Sinne des Art 18 B‑VG hinreichend bestimmt sind (was die Lehrbücher fordern), ist unmöglich, wenn man inhaltlich etwas Sinnvolles erreichen will. Sowohl die Praxis der Richtlinien als auch der deutschen Rahmengesetzgebung zeigen deshalb, dass ein gewisses Maß an Vollregelungen unvermeidbar ist. (Und auch in Österreich ist es im Grund erst die Bezeichnungspflicht, die bewirkt, dass manche Grundsatzregelung, die eigentlich hinreichend bestimmt und anwendbar wäre, nicht unmittelbar anwendbar ist.)
Ebenso abzuraten ist von Delegationen. Die Erfahrung mit Art 10 Abs 2 B‑VG sind dermaßen trist, dass von einer Verallgemeinerung dieses Instruments nichts erwartet werden kann. (Das Beste, was man von diesem Instrument sagen kann, ist, dass es wenn schon keinen Nutzen hat, so doch auch keinen Schaden stiftet.) Wenn eine Angelegenheit wirklich den ausschließlichen Zuständigkeiten zugeordnet werden soll, verbieten sich Delegationen von selbst, weil sie mit der Ausschließlichkeit brechen. Im dritten Kompetenzbereich haben sie ebenfalls keinen Platz, weil es dort ohnedies Aufgriffsmöglichkeiten gibt. Ihr eigentlicher Sinn könnte in einem solchen Rahmen letztlich nur darin bestehen, dass eine Gebietskörperschaft durch „Verweigerung“ der Delegation die Angelegenheit für die andere Gebietskörperschaft sperrt, ohne dass sie selbst sich um diese Angelegenheit kümmert.
2. Zur Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung des Bundes im dritten
Kompetenzbereich
Auch die zweite Frage berührt einen grundsätzlichen Punkt. Wir müssen uns entscheiden, ob wir auf politische oder auf rechtliche Instrumente setzen wollen, um die Interessen der Länder zu sichern. Eine Kombination solcher Instrumente, wie sie von der WKÖ vorgeschlagen ist, halte ich für schädlich, weil sie letztlich dazu führt, dass die Gebietskörperschaften auf beide Karten setzen können und eine Lösung, die sie zunächst politisch mitgetragen haben, später vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfen können.
Erwägt man rechtliche Instrumente, so bietet es sich an, nach Bonner Muster „die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts‑ oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse“ zu einem objektivem Kriterium zu machen, das über die Zulässigkeit der Inanspruchnahme der Kompetenz entscheidet. Mit solchen Klauseln zu judizieren, ist extrem schwierig, weil es im Unterschied zur grundrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung an Bezugspunkten fehlt, die eine Abwägung strukturieren und sie rational nachvollziehbar machen. Verfassungsgerichte tendieren deshalb überwiegend dazu, entsprechende Vorbehalte als nicht justiziabel zu erklären: Die amerikanischen Kompetenzrechtsprechung ist hiefür ebenso ein Beispiel wie die ältere Praxis des Bundesverfassungsgerichts zur Stammfassung des Art 72. Es ist daher in meinen Augen kein Zufall, dass auch die Neufassung des Art 72, die dem Bundesverfassungsgericht das Anlegen objektiver Maßstäbe zur Pflicht macht, bis heute zu keiner grundlegenden Umorientierung der Rechtsprechung geführt hat.
Nach meinem Dafürhalten hat die Politik durch solche quasi-objektiven Kriterien nichts zu gewinnen und die Verfassungsgerichtsbarkeit nur zu verlieren. Mit rationalen Argumenten lässt sich die Frage, ob eine Angelegenheit besser auf gliedstaatlicher oder auf gesamtstaatlicher Ebene aufgehoben ist, nur schwer lösen. Aus diesem Grund bieten die Kompetenzverteilungskataloge der bundesstaatlichen Verfassungen ein erstaunlich vielfältiges Bild.
Ob es Bedarf nach einer einheitlichen Bundesregelung gibt, sollte daher politisch und nur politisch entschieden werden. Als entsprechende Instrumente sind zum einen die paktierte Gesetzgebung, zum anderen die Einbindung des Bundesrates oder der Länder erwogen worden.
Von paktierter Gesetzgebung ist ganz entschieden abzuraten. Wie sehr sie zu wechselseitiger Lähmung und zu Zersplitterungen führt, lässt sich im Bereich des Art 15 Abs 4 B‑VG anschaulich studieren: Allein um die geltende Rechtslage hinsichtlich der Zuständigkeiten der Bundespolizeidirektionen in der Straßenpolizei zu eruieren, braucht es Stunden, und alle aktuellen Kommentare der StVO helfen bei dieser Aufgabe nicht weiter. Diesen Typus zu verallgemeinern, hätte den sicheren Ruin der dritten Säule zur Folge.
Vor die Wahl gestellt, entweder den Bundesrat oder die Länder mit Ingerenzmöglichkeiten auszustatten, verdient eine Bundesratslösung den Vorzug. Die deutschen Erfahrungen zeigen aber, dass auch dieses Modell seine Tücken hat, weil es Blockademöglichkeiten eröffnet und weil es tendenziell Einigungen auf niedrigstem Niveau begünstigt. Zu meinen, dass es gelingen könnte, durch eine Reform des Bundesrats die Länderkammer auf die Vertretung von Länderinteressen zu beschränken und den Einfluss von Parteipolitik zurückzudrängen, ist naiv. Überall dort, wo es Länderkammern gibt, sind die Parteigrenzen wichtiger als die Länderinteressen, und ich halte das in einer Parteiendemokratie grundsätzlich auch für legitim.
3. Zu den Kriterien einer Zuordnung von Aufgabenfeldern zu den drei
Säulen
Der durch die dritte Frage berührte Punkt ist nicht weniger fundamental. Wir stehen vor der Grundsatzentscheidung, den dritten Kompetenzbereich entweder schlank zu halten oder sie mit einem breiten Aufgabenspektrum aufzufüllen, und die Antwort hängt wesentlich von den Kriterien ab, die über eine Zuordnung entscheiden sollen.
Meines Erachtens können es keine anderen Kriterien sein als jene, die über eine Zuordnung zur ersten und zur dritten Säule Auskunft geben, und ich schlage vor, neben der Frage, ob in der Angelegenheit ein Bundesgesetz grundsätzlich möglich sein soll, auch die Vollzugszuständigkeiten in die Betrachtung einzubeziehen. Dementsprechend wären der ersten und der zweiten Säule jene Angelegenheiten zuzuordnen, die ausschließlich durch Bundesorgane oder durch Landesorgane im organisatorischen Sinne zu vollziehen sind. In der dritten Säule sollten demgegenüber jene Angelegenheiten versammelt werden, in denen die Vollzugszuständigkeit nicht ein für allemal verfassungsrechtlich vorgegeben sind.
Dieser Vorschlag trägt dem Umstand Rechnung, dass sich in Österreich auf der Vollzugsebene ein Verbundföderalismus entwickelt hat: Durch die Omnipräsenz „mittelbarer Verwaltungen“ – einer Figur, die in anderen Bundesstaaten nicht existiert – haben die Ausnahmen die bundesstaatliche Regel (Vollzugszuständigkeit einer Gebietskörperschaft bedeutet, dass diese die betreffend Aufgabe ausschließlich durch eigene Organe besorgen darf) in den zweiten Rang verwiesen. An diesem Zustand lässt sich wenig ändern. Mir wäre ein traditionelles bundesstaatliches Modell, das Gesetzgebungs‑, Vollziehungs‑, Organisations‑ und Finanzverantwortung möglichst konzentriert, wesentlich lieber als der derzeitige Zustand. Das ändert nichts daran, dass der Zug 1925 in eine andere Richtung abgefahren ist und dass auch im Rahmen des Konvents alle Weichen in Richtung Vollzugsföderalismus gestellt sind.
Dem dritten Bereich sind deshalb in meinen Augen all jene Angelegenheiten zuzuordnen, in denen für eine Mitwirkung sowohl von Bundes‑ als auch von Landesorganen Raum bleiben soll. Als Regel sollte gelten, dass die Vollziehung von den Ländern zu besorgen ist, dass aber auch die Mitwirkung von Bundesexekutivorganen oder die Betrauung von Bundesbehörden mit Entscheidungszuständigkeiten vorgesehen werden kann. Diese höhere Flexibilität benötigen wir deshalb, weil es ansonsten nicht gelingen wird, jene zahlreichen Verfassungsbestimmungen aufzulösen, die eine nach allgemeinen Regeln verbotene Mitwirkung im fremden Vollzugsbereich vorsehen. Die Verfassungsbestimmungen im StaatsbürgerschaftsG seien als Beispiel erwähnt. Es zeigt, dass die Arbeiten dieses Ausschusses auch die Entscheidung darüber beeinflussen werden, ob man das Risiko in Kauf nehmen kann, in die neue Verfassung ein Inkorporationsgebot aufzunehmen.
4. Bedarfskompetenzen
Mit Öhlinger bin ich der Auffassung, dass es mit den „drei Säulen“ nicht das Bewenden haben kann. Daneben sollte auch für die klassischen Formen der Bedarfsgesetzgebung Raum bleiben, die es schon bisher gibt. Neben der Bedarfskompetenz für das Verwaltungsverfahren, die weiterhin existieren muss, wenn das Verfahren in den Angelegenheiten der dritten Säule (also zB im Baurecht) nach dem AVG ablaufen soll, halte ich insbesondere ein Äquivalent für die lex Starzyński (angelehnt an die Urkonzeption der Zivil‑ und Strafkompetenz im StGG 1867) sowie eine Bedarfskompetenz für die Umsetzung von Völkerrecht und Europarecht für notwendig. Gemeinsame Klammer dieser Kompetenzen könnte sein, dass sie zur Erlassung einheitlicher Vorschriften ermächtigen und dass daneben zur Regelung des Gegenstandes erforderliche abweichende Regelungen im Materiengesetz zulässig bleiben.
Meine Vorstellungen über die grundsätzliche die Zuordnung von Angelegenheiten zu den drei Säulen sind dem beigeschlossenen Textvorschlag zu entnehmen. Er mag verdeutlichen, dass ein Kompetenzkatalog auch schlank gehalten werden kann.
X. Abschnitt: Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern
Ausschließliche Kompetenzen des Bundes
Art. KV1. Bundessache ist die Gesetzgebung und die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten:
1.Bundesverfassung;
2.äußere Angelegenheiten; Grenzvermarkung;
3.Zollwesen;
4.Bundesfinanzen und Monopolwesen;
5.Geld‑ und Kapitalmarktrecht; Standardisierung;
6.Sicherheitswesen;
7.Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen und der Luftfahrt; Angelegenheiten der Bundesstraßen;
8.militärische Angelegenheiten;
9.höheres Schulwesen;
10. Einrichtung der Bundesbehörden und der sonstigen Bundesorgane.
Ausschließliche Kompetenzen der Länder
Art. KV2. Landessache ist die Gesetzgebung und die
Vollziehung in folgenden Angelegenheiten:
1. Landesverfassung;
2. Landwirtschaft
und Bodenreform;
3. Jagd
und Fischerei;
4. Naturschutzwesen;
5. Raumordnung,
soweit sie nicht unter Art. KV1 Z 7 und 8 fällt.
6. Hochbaurecht;
7. Feuerpolizei;
8. Kindergarten‑
und Volksschulwesen;
9. Einrichtung
der Landesbehörden und der sonstigen Landesorgane;
10. Gemeinderecht
und Gemeindeaufsicht.
Konkurrierende Kompetenzen
Art. KV3. In den übrigen Angelegenheiten ist die Gesetzgebung Landessache, soweit und solange der Bund keine Gesetze und Verordnungen erlassen hat.
Der Bund kann sich in diesen Angelegenheiten auf die Vorgabe von Grundsätzen beschränken, die ausdrücklich als Grundsatzgesetze oder Grundsatzbestimmungen zu bezeichnen sind.
Die Vollziehung der in diesen Angelegenheiten erlassenen Vorschriften ist Landessache, soweit die Bundesgesetze nicht Bundesbehörden die Vollziehung übertragen.
Bundesgesetze, die Bundesbehörden die Vollziehung übertragen oder deren Mitwirkung in der Landesvollziehung vorsehen, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Landesgesetze, die die Mitwirkung von Bundesorganen vorsehen, bedürfen der Zustimmung der Bundesregierung. Zustimmungen gelten als erteilt, wenn sie nicht innerhalb von acht Wochen verweigert werden.
Bedarfskompetenzen
Art. KV4. Ungeachtet des Art KV2 können vom Bund einheitlich geregelt werden:
1.das Zivilrecht und das Justizstrafrecht;
2.das Verwaltungsverfahren, die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechts, das Verwaltungsstrafverfahren, die Verwaltungsvollstreckung und der Schutz personenbezogener Daten;
3.Angelegenheiten, in denen Rechtsakte im Rahmen der europäischen Integration oder völkerrechtliche Verträge umzusetzen sind.
4.In den die einzelnen Gebiete der Vollziehung regelnden Bundes‑ und Landesgesetzen können hievon abweichende Regelungen nur getroffen werden, soweit sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind.
Die Vollziehung der in den Angelegenheiten Abs 1 Z 1 erlassenen Vorschriften ist Bundessache, die Vollziehung der in den Angelegenheiten gemäß Abs 1 Z 3 erlassenen Vorschriften Landessache. Die Handhabung der gemäß Abs 1 Z 2 erlassenen Vorschriften ist Bundes‑ oder Landessache je nach dem, ob die den Gegenstand des Verfahrens bildende Angelegenheit in die Bundes‑ oder in die Landesvollziehung fällt.
Eingebracht im Ausschuss 5, 10.
Sitzung, 23.2.2004
X. Abschnitt: Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern
Ausschließliche Kompetenzen des Bundes
Art. KV1. Bundessache ist die Gesetzgebung und die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten:
1.
Bundesverfassung;
2.
äußere Angelegenheiten; Grenzvermarkung;
3.
Zollwesen;
4.
Bundesfinanzen und Monopolwesen;
5.
Geld‑ und Kapitalmarktrecht; Standardisierung;
6.
Sicherheitswesen;
7.
Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen und der Luftfahrt;
Angelegenheiten der Bundesstraßen;
8.
militärische Angelegenheiten;
9.
höheres Schulwesen;
10. Einrichtung
der Bundesbehörden und der sonstigen Bundesorgane.
Ausschließliche Kompetenzen der Länder
Art. KV2. Landessache ist die Gesetzgebung und die
Vollziehung in folgenden Angelegenheiten:
1.
Landesverfassung;
2.
Landwirtschaft und Bodenreform;
3.
Jagd und Fischerei;
4.
Naturschutzwesen;
5.
Raumordnung, soweit sie nicht unter Art. KV1 Z 7 und 8 fällt;
6.
Hochbaurecht;
7.
Feuerpolizei;
8.
Kindergarten‑ und Volksschulwesen;
9.
Einrichtung der Landesbehörden und der sonstigen Landesorgane;
10.Gemeinderecht
und Gemeindeaufsicht.
Geteilte Kompetenzen
Art. KV3. (1) In den übrigen Angelegenheiten
ist die Gesetzgebung Landessache, soweit und solange der Bund keine Gesetze und
Verordnungen erlassen hat.
(2) Der Bund kann sich in diesen Angelegenheiten auf die Vorgabe von Grundsätzen beschränken, die ausdrücklich als Grundsatzgesetze oder Grundsatzbestimmungen zu bezeichnen sind.
(3) Die Vollziehung der in diesen Angelegenheiten erlassenen Vorschriften ist Landessache, soweit die Bundesgesetze nicht Bundesbehörden die Vollziehung übertragen.
(4) Bundesgesetze, die Bundesbehörden die Vollziehung übertragen oder deren Mitwirkung in der Landesvollziehung vorsehen, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Landesgesetze, die die Mitwirkung von Bundesorganen vorsehen, bedürfen der Zustimmung der Bundesregierung. Zustimmungen gelten als erteilt, wenn sie nicht innerhalb von acht Wochen verweigert werden.
Bedarfskompetenzen
Art. KV4. (1) Ungeachtet des Art. KV2 können vom Bund einheitlich geregelt werden:
1.das Zivilrecht und das Justizstrafrecht;
2.das Verwaltungsverfahren, die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechts, das Verwaltungsstrafverfahren, die Verwaltungsvollstreckung und der Schutz personenbezogener Daten;
3.Angelegenheiten, in denen Rechtsakte im Rahmen der europäischen Integration oder völkerrechtliche Verträge umzusetzen sind.
(2) In den die einzelnen Gebiete der Vollziehung regelnden Bundes‑ und Landesgesetzen können hievon abweichende Regelungen nur getroffen werden, soweit sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind.
(3) Die Vollziehung der die in Abs. 1 Z 1 genannten Angelegenheiten regelnden Vorschriften ist Bundessache, die Vollziehung der gemäß Abs. 1 Z 3 erlassenen Vorschriften ist Landessache. Die Handhabung der gemäß Abs. 1 Z 2 erlassenen Vorschriften ist Bundes‑ oder Landessache je nach dem, ob die den Gegenstand des Verfahrens bildende Angelegenheit in die Bundes‑ oder in die Landesvollziehung fällt.
Information und Aufsicht
Art. KV5. (1) Der Bund ist verpflichtet, die Länder über alle Vorhaben, die ihren selbständigen Wirkungsbereich berühren, unverzüglich zu unterrichten und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(2) Der Bund ist befugt, die Vollziehung der von ihm
erlassenen Vorschriften, der Rechtsakte im Rahmen der europäischen Integration
und der völkerrechtlichen Verträge durch die Länder zu überwachen und dem
Landeshauptmann [der Landesregierung] durch Weisung aufzutragen, wahrgenommene
Mängel innerhalb angemessener Frist abzustellen.
Eingebracht im Ausschuss 5, 12.
Sitzung, 5.7.2004
Vorschlag für neue Kompetenztatbestände
und ihre Zuordnung zu den drei Säulen
Vorbemerkungen
Der vorliegende Entwurf geht im Unterschied zu meinem in der ersten Phase der Beratungen des Ausschusses präsentierten Vorschlag einen pragmatischen Weg. Erstens verzichtet er weitgehend auf die Zusammenfassung von Materien, die zwar sachlich zusammengehören, die aber traditionell in einem Bundes‑ und einen Landesbereich segmentiert sind, weil es allen Beteuerungen des Willens zur Schaffung „runder“ Aufgabenfelder zum Trotz am politischen Willen zur Überwindung dieser Teilungen fehlen dürfte. Zweitens sieht er eine eher schlank gehaltene „Dritte Säule“ vor, in deren Zentrum Tatbestände aus den Art 11 und 12 B‑VG stehen. Drittens schließlich weist er die Zuordnungen explizit aus, weil die Bildung neuer Tatbestände mit einer gewissen Notwendigkeit vor dem Hintergrund einer Zuteilungsabsicht erfolgt und man den Vorschlägen die mit ihnen verbundenen Intentionen ohnehin ansieht.
Art X – Ausschließliche Bundeskompetenzen
Nr. |
vorgeschlagener Tatbestand |
erfasste
B-VG-Tatbestände
weitere Inhalte |
1. |
Bundesverfassung,
Verfassungsgerichtsbarkeit |
Bundesverfassung,
insbesondere Wahlen zum Nationalrat, Volksabstimmungen auf Grund der
Bundesverfassung, Verfassungsgerichtsbarkeit |
2. |
Angelegenheiten des Äußeren, der
Grenze und der Grenzüberschreitung |
äußere Angelegenheiten
mit Einschluß der politischen und wirtschaftlichen Vertretung gegenüber dem
Ausland, insbesondere Abschluß von Staatsverträgen, unbeschadet der
Zuständigkeit der Länder nach Art. 16 Abs. 1; Grenzvermarkung;
Waren‑ und Viehverkehr mit dem Ausland; Zollwesen; |
3. |
Bundesfinanzen und Monopolwesen |
Bundesfinanzen,
insbesondere öffentliche Abgaben, die ausschließlich oder teilweise für den
Bund einzuheben sind; Monopolwesen; |
4. |
Finanzwesen |
Geld‑, Kredit‑, Börse‑
und Bankwesen; |
5. |
Justiz |
Zivilrechtswesen
einschließlich des wirtschaftlichen Assoziationswesens, jedoch mit Ausschluß
von Regelungen, die den Grundstücksverkehr, einschließlich des Rechtserwerbes
von Todes wegen durch Personen, die nicht zum Kreis der gesetzlichen Erben
gehören, verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen;
Privatstiftungswesen; Strafrechtswesen mit Ausschluß des
Verwaltungsstrafrechtes und des Verwaltungsstrafverfahrens in
Angelegenheiten, die in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallen;
Justizpflege; Vertragsversicherungswesen; Verwaltungsgerichtsbarkeit;
Bundesstiftungen |
6. |
Verwaltungsverfahren, Datenschutz
und allgemeiner Teil des Verwaltungsstrafrechts |
Verwaltungsverfahren,
allgemeine Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechtes,
Verwaltungsstrafverfahren und Verwaltungsvollstreckung |
7. |
Personenwesen und Freizügigkeit |
Staatsbürgerschaft;
Personenstandsangelegenheiten einschließlich des Matrikenwesens und der
Namensänderung; |
8. |
innere Sicherheit, soweit sie
nicht unter Art. Y Z 9 fällt |
Aufrechterhaltung der
öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit einschließlich der ersten
allgemeinen Hilfeleistung, jedoch mit Ausnahme der örtlichen
Sicherheitspolizei; Vereins‑ und Versammlungsrecht; Waffen‑, Munitions‑ und
Sprengmittelwesen, Schießwesen; |
9. |
Normung, Standardisierung und
Typisierung |
Maß‑ und Gewichts‑,
Normen‑ und Punzierungswesen; |
10. |
Kartell‑ und Wettbewerbsrecht |
Kartellwesen,
Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes |
11. |
wirtschaftliche Schutzrechte |
Urheberrecht;
Patentwesen sowie Schutz von Mustern, Marken und anderen Warenbezeichnungen |
12. |
Ausübung selbständiger
wirtschaftlicher Tätigkeiten mit Ausnahme der Landwirtschaft |
Angelegenheiten der
Notare, der Rechtsanwälte und verwandter Berufe; |
13. |
Wirtschaftslenkung und
Krisenvorsorge, Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik |
einschließlich der
Angelegenheiten der Marktordnung, der Entwicklung des ländlichen Raumes,
der Versorgungssicherung, Lebensmittelbewirtschaftung und Energielenkung, der
Erdölbevorratung und ‑meldung, der Preisregelung und der Preistransparenz |
14. |
Bergwesen, Forstwesen, Wasserwesen |
Bergwesen; Forstwesen
einschließlich des Triftwesens; Wasserrecht; Regulierung und Instandhaltung
der Gewässer zum Zwecke der unschädlichen Ableitung der Hochfluten oder zum
Zwecke der Schifffahrt und Flößerei; Wildbachverbauung; |
15. |
Umweltschutz, soweit er nicht
unter Art Y Z 5 fällt |
Maßnahmen zur Abwehr
von gefährlichen Belastungen der Umwelt, die durch Überschreitung von
Immissionsgrenzwerten entstehen, Luftreinhaltung, |
16. |
Stoffstrom- und Risikomanagement |
Abfallwirtschaft,
Chemikalien- und Giftwesen |
17. |
integrierte Genehmigung von
Vorhaben |
Kompetenz für ein
einheitliches Anlagenrecht unter Mitanwendung des einschlägigen Landesrechts einschließlich
UVP-Vorhabensgenehmigung |
18. |
Verkehrswesen, soweit es nicht
unter Art. Y Z 8 fällt |
Verkehrswesen bezüglich
der Eisenbahnen, der Luftfahrt, der Schifffahrt; Kraftfahrwesen; Bau und
Instandhaltung von Wasserstraßen; Angelegenheiten der wegen ihrer Bedeutung
für den Durchzugsverkehr durch Bundesgesetz zu Bundesstraßen erklärten
Straßenzüge, Straßen- und Schifffahrtspolizei; |
19. |
Energiewesen |
leitungsgebundene Energie (Starkstromwegerecht,
Gasrecht, Elektrizitätswesen) |
20. |
Arbeits- und Sozialrecht |
Arbeitsrecht, Sozialversicherung, Arbeitnehmerschutz,
Behinderteneinstellung und Behindertenausweis |
21. |
Gesundheitswesen, soweit es nicht
unter Art. Y Z 12 fällt |
Gesundheitswesen,
Strahlenschutz, Veterinärwesen; Ernährungswesen einschließlich der
Nahrungsmittelkontrolle |
22. |
Medien und Nachrichtenübertragung |
Pressewesen; Post‑ und
Fernmeldewesen |
23. |
Wissenschaft und Kultus |
Angelegenheiten der
Universitäten und der Fachhochschulen; wissenschaftlicher und fachtechnischer
Archiv- und Bibliotheksdienst; Angelegenheiten der künstlerischen und
wissenschaftlichen Sammlungen und Einrichtungen des Bundes; Angelegenheiten
des Kultus; |
24. |
Heeres‑ und Kriegsangelegenheiten |
militärische
Angelegenheiten; Kriegsschadensangelegenheiten und Fürsorge für
Kriegsteilnehmer und deren Hinterbliebene; Fürsorge für Kriegsgräber;
Zivildienst |
25. |
Einrichtung der Bundesbehörden und
der sonstigen Bundesorgane |
Organisation und Führung
der Bundespolizei und der Bundesgendarmerie; Einrichtung der Bundesbehörden und sonstigen Bundesämter;
Dienstrecht der Bundesbediensteten |
26. |
öffentliches Auftragswesen |
öffentliches Auftragswesen |
Art Y – Ausschließliche Landeskompetenzen
1. |
Landesverfassung |
Landesverfassung;
Wahlen zum Landtag und zum Gemeinderat; |
2. |
Staatsverträge der Länder |
|
3. |
Landesfinanzen |
|
4. |
Landwirtschaft, Jagd und Fischerei
|
einschließlich Flurschutz und Tierzucht |
5. |
Natur-, Landschafts- und
Ortsbildschutz |
soweit speziellere Kompetenzen ihn nicht verdrängen; expliziter
Vorbehalt der Verkehrskompetenz? |
6. |
Bodennutzung und Bodenschutz |
einschließlich Raumordnung mit Ausnahme der Fachplanungen des Bundes
und Beschränkungen des Grundverkehrs einschließlich des Rechtserwerbs von
Todes wegen |
7. |
Baurecht |
soweit es nicht in spezielleren Kompetenzen enthalten ist; uU
explizite Beschränkung auf Hochbaurecht |
8. |
Landes- und Gemeindestraßen |
|
9. |
örtliche Sicherheit |
örtliche
Sicherheitspolizei; Verfolgung von Ehrenkränkungen; öffentliche Einrichtungen
zur außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten; |
10. |
Feuerpolizei und Feuerwehrwesen |
Feuerpolizei |
11. |
Fürsorge und Pflege |
Mutterschafts-,
Säuglings- und Jugendfürsorge; Pflegeheime, Volkspflegestätten |
12. |
örtliches Gesundheitswesen |
Gemeindesanitätsdienst,
Hilfs- und Rettungswesen, Kurwesen, natürliche Heilvorkommen |
13. |
Leichen- und Bestattungswesen |
Leichen- und
Bestattungswesen |
14. |
Kindergärten und Volksschulen |
einschließlich
Organisation, bis 10 Jahre |
15. |
Kultur, soweit sie nicht unter
Art. X Z 23 fällt |
Denkmalschutz; Volks-
und Brauchtumspflege |
16. |
Landesstiftungen |
Stiftungs‑ und
Fondswesen, soweit es sich um Stiftungen und Fonds handelt, die nach ihren
Zwecken über den Interessenbereich eines Landes nicht hinausgehen oder schon
bisher von den Ländern autonom verwaltet wurden; |
17. |
Einrichtung der Landesbehörden,
der sonstigen Landesorgane und der Landesverwaltungsgerichte |
einschließlich Dienstrecht |
18. |
Gemeinderecht und Gemeindeaufsicht |
einschließlich
Gemeindeverbände |
Art Z – Geteilte Kompetenzen
1. |
Krankenanstalten |
Heil- und
Pflegeanstalten |
2. |
Wohnwesen |
Volkswohnungswesen, Wohnbauförderung (samt Startwohnungen),
Wohnhaussanierung |
3. |
Bevölkerungspolitik |
einschließlich Kinderbeihilfen und Familienlastenausgleich |
4. |
Sozialhilfe |
Armenwesen |
5. |
Veranstaltungswesen |
Angelegenheiten der
Bundestheater mit Ausnahme der Bauangelegenheiten; Angelegenheiten des
Theater‑ und Kinowesens sowie der öffentlichen Schaustellungen, Darbietungen
und Belustigungen; Musik‑, Sport‑ und Tanzschulen |
6. |
Katastrophenhilfe und Zivilschutz |
|
7. |
Schulwesen, soweit es nicht unter
Art. Y Z. 14 fällt |
Hauptschulen, Gymnasien, land- und
forstwirtschaftliches Schulwesen, Schul‑ und Heimbeihilfen |
8. |
Bodenreform |
Bodenreform |
9. |
Tier- und Pflanzenschutz |
Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge, Tierschutz |
10. |
Generalklausel |
|
Adhäsionskompetenzen
– Enteignung
– Energiesparen
– Kammern und berufliche
Vertretungen
– Verwaltungspolizei
– Verwaltungsstrafrecht –
Besonderer Teil
– Statistik
Bedarfskompetenzen
– Lex
Starzynski
– zur
Regelung des Gegenstandes erforderliche Abweichungen von einheitlichem
Verwaltungsverfahrensrecht
Devolutionskompetenzen
– Säumnis in der Völkerrechts-
und Europarechtsumsetzung
Eingebracht im gemeinsamen Ausschuss 6 und 7
Textvorschlag von Salzburg zu den
Grenzen der Auslieferung
„Soweit es sich nicht um
Kernaufgaben des Staates, wie etwa die Wahrung der inneren und äußeren
Sicherheit, die Gestaltung der Außenpolitik oder die Ausübung der Strafgewalt
handelt, kann unter Bedachtnahme auf die Grundsätze der Sparsamkeit,
Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit gesetzlich vorgesehen werden, dass in
einzelnen Angelegenheiten auch außerhalb der staatlichen Verwaltung stehende
Rechtsträger zur Führung der Verwaltung herangezogen werden. Die der Eigenart
der übertragenen Aufgaben entsprechenden Aufsichts-, Leistungs- und
Steuerungsbefugnisse der obersten Verwaltungsorgane sind zu wahren.“
Dass die Besorgung von
Verwaltungsaufgaben durch Rechtsträger, die keine Gebietskörperschaften bzw.
Körperschaften öffentlichen Rechts sind, von der Verfassung zugelassen wird, soll
klar gestellt werden.
Da aber gerade bei in Formen des
Privatrechts organisierten Rechtsträgern eine Tendenz dazu bestehen könnte,
nicht das Legalitätsprinzip und die Wahrung öffentlicher Interessen als
oberstes Gebot der Vollziehung anzusehen, sondern erwerbswirtschaftliche
Aspekte demgegenüber in den Vordergrund zu stellen, soll die Verfasung
Beleihungen nur begrenzt zulassen. „Beleihung“ bezieht sich nur auf die
Hoheitsverwaltung; lediglich insoweit wird eine Beschränkung als wünschenswert
und nach der bisherigen Judikatur erforderlich angesehen; die Möglichkeit von
Ausgliederungen im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung soll unberührt
bleiben).
Ein sachgerechter Ansatzpunkt,
Beleihungen verfassungsrechtliche Schranken zu setzen, wird in der einschlägigen
Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gesehen. Die schon bisher
bestehenden Grenzen sollen daher positiviert werden.
Demnach (VfSlg 14.473/1996,
16.400/2001, G 121/03 vom 2.10.2003) dürfen folgende Staatsaufgaben keinesfalls
(auch nicht einzelne Angelegenheiten davon) Privaten zum hoheitlichen Vollzug
übertragen werden: Sicherheitspolizei, Militärwesen, Verwaltungsstrafverfahren,
Außenpolitik (etwa durch von einer GmbH verhängte Stromimportverbote). Es ist
aber nicht davon auszugehen, dass diese Aufzählung taxativ in dem Sinn ist,
dass der Gerichtshof damit die von ihm als „beleihungsresistent“ erkannten
Aufgaben abschließend herausgearbeitet hat. Er könnte vielmehr in Zukunft
weitere Bereiche als der Übertragung auf Private unzugänglich erachten (so wird
zur Zeit vom Gerichtshof geprüft, ob der Zivildienst „ausgliederbar“ ist; vgl G
36/04 vom 11.3.2004). Im Formulierungsvorschlag erfolgt daher auch nur eine
demonstrative Aufzählung („etwa“).
Weiters wird judiziert, dass auch
außerhalb dieser Kernaufgaben nur in „vereinzelten Aufgaben“ eine Beleihung
erfolgen kann. Auch dieses Kriterium wird als Tatbestandsmerkmal in den
Textvorschlag aufgenommen („einzelne Angelegenheit“). Ob es erfüllt ist, wird
eine qualitativ-quantitative Betrachtungsweise erfordern (Wie viele und welche
Hoheitsaufgaben von welchem Gewicht bleiben in einer Materie noch beim Staat?).
Damit ist der Judikaturlinie, dass der verwaltungspolizeiliche Kern einer
Materie nicht ausgliederbar ist, ebenso Rechnung getragen, weil bei dieser
Sichtweise schon zahlenmäßig wenige Aufgaben, soweit sie zum Materienkern
gehören, als nicht mehr „einzeln“ zu betrachten sein werden.
Der Gerichtshof fordert überdies,
dass die Beleihung sachlich sein bzw. den Effizienzgrundsätzen entsprechen
muss. Um auch dies zu positivieren, wird vorgeschlagen, die Passage „unter der
Beachtung der Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und
Zweckmäßigkeit“ in den Verfassungstext aufzunehmen. Dies sollte bedeuten, dass
der Gesetzgeber sich jedenfalls in den Erläuterungen damit auseinanderzusetzen
hat, weshalb die hoheitlche Vollziehung im jeweils relevanten Fall durch einen
Privaten effektiver ist als durch den Staat.
Um nicht mit dem rechtsstaatlich-demokratischen
Baugesetz der Bundesverfassung in Widerspruch zu geraten, ist außerdem ein
Weisungszusammenhang des beliehenen Rechtsträgern zu den obersten Organen der
Verwaltung, die der parlamentarischen Kontrolle und Verantwortung unterliegen,
sicherzustellen. Auch dabei handelt es sich um keine neue, sondern bereits
durch die Judikatur klargestellte Anforderung an Beleihungen.
Eingebracht im Ausschuss 6, 5.
Sitzung, 17.12.2003
Eingebracht im Ausschuss 6, 10. Sitzung, 16.3.2004
An den Vorsitzenden
des Ausschuss 6 des
Österreich-Konvents
Herrn Generalsekretär Mag. Werner Wutscher
per email
Sehr geehrter Herr Vorsitzender!
Ich erlaube mir, vor Beendigung der Beratungen im Ausschuss 6 neuerlich
zum Bereich Sicherheitsverwaltung Stellung zu nehmen:
Bei nochmaliger und näherer Auseinandersetzung mit dem Vorschlag der
Wiener Polizeivizepräsidentin Dr. Michaela Pfeifenberger kommt neben den
bereits in der entsprechenden Ausschusssitzung aufgeworfenen Fragen noch hinzu,
dass durch dieses Modell (Eingliederung der Bundespolizeidirektionen in den
Landeshauptstädten in die Sicherheitsdirektionen) Statutarstädte
unterschiedlichster Ausgestaltung entstehen.
Auffallend ist vor allem die
Tatsache, dass nach diesem Modell die Magistrate der Landeshauptstädte weniger
Aufgaben zu erfüllen hätten, als die Städte Villach, Wiener Neustadt, Wels und
Steyr.
Die Landeshauptstädte haben bereits
in der Vergangenheit verschiedene Aufgaben der Bundespolizeidirektionen
durchaus erfolgreich übernommen. Aus Gründen der gerade im Konvent geforderten
Bürgernähe und Transparenz der Verfassung bzw. des Verwaltungsaufbaues ist
diese Ungleichbehandlung nicht nachvollziehbar und wird von Seiten des
Österreichischen Städtebundes abgelehnt.
Es müsste daher angedacht werden,
dass, wenn bei einer etwaigen Auflösung der Bundespolizeidirektionen in den
Städten Villach, Wels, Steyr und Wiener Neustadt diese Aufgaben übertragen
werden, auch die Magistrate in den Landeshauptstädten weitere, bisher von den
Bundespolizeidirektionen getragene Aufgaben übernehmen.
Wobei auch für die Städte Villach,
Wels, Steyr, Wiener Neustadt zu hinterfragen ist, welche Aufgaben konkret zu
übernehmen sind (nur Aufgaben der Verwaltungspolizei oder auch allgemeine
Sicherheitspolizei)
Hinsichtlich der Frage, welche
Aufgaben das sein sollten, ist das
wesentliche sachliche Entscheidungskriterium jenes der
Bürgernähe und -orientierung. Zu denken wird dabei also an Aufgaben wie etwa
Kraftfahrwesen, Vereinswesen, Straßenpolizei, Verkehrspolizei, Medienwesen und
andere mehr. Wobei die Übernahme jeder einzelnen Aufgabe genau hinterfragt
werden muss.
Andere Aufgaben - also jene, die als
bezirksübergreifend zu werten sind (Schubhaft, Abschiebung, uä) - sollten von
der Sicherheitsdirektion wahrgenommen werden.
Aufgaben der Sicherheitspolizei und
das Einschreiten im Dienst der Strafjustiz sollten keinesfalls auf die
Stadtmagistrate übergehen.
Für alle Übertragungen von Aufgaben
der Bundespolizeidirektionen auf Stadtmagistrate muss gleichzeitig natürlich
sichergestellt werden, dass alle Bezirksverwaltungsbehörden
(Sicherheitsbehörden erster Instanz) dieselben Zugriffs- und
Weisungskompetenzen hinsichtlich des Wachekörpers haben; der Bürgermeister muss
also jedenfalls in sicherheitsbehördlichen Agenden dieselben Befugnisse
hinsichtlich des Wachkörpers haben wie die Bezirkshauptleute.
Darüber hinaus muss für die Übernahme
dieser Aufgaben ein voller und gerechter finanzieller Ausgleich vorgesehen
sein, was eigentlich selbstverständlich sein sollte.
Weiters muss angemerkt werden, dass
mit einer Übernahme der Agenden keinesfalls die Verpflichtung zur Übernahme von
Personal, Objekten und Inventar verbunden sein kann.
Ebenfalls zu diskutieren ist die
Frage, ob es sinnvoll ist, in den Städten Leoben und Schwechat die Agenden auf
die Bezirksverwaltungsbehörden zu übertragen. Dies vor allem deshalb, weil
beide Städte in der Vergangenheit mit Erfolg etwa auch das Passwesen übernommen
haben. Aus Gründen der Bürgernähe müsste hier überlegt werden, ob nicht
zumindest gewisse Agenden auf diese beiden Städte übergehen sollten.
Ferner muss festgehalten werden, dass
dieses Modell keine Aussagen darüber enthält, wie sich die angedachte
Umstrukturierung im Sicherheitsbereich auf die Stadt Rust (ebenfalls eine
Statutarstadt die von der Bundespolizeidirektion Eisenstadt mitbetreut wurde)
bzw. auf Bregenz (keine Bundespolizeidirektion)auswirkt.
Im Zusammenhang mit der Organisation
der polizeilichen Agenden in der Stadt Wien wird darauf hingewiesen, dass die
Einbindung der Bundespolizeidirektion in die Sicherheitsdirektion eine
gefestigte Struktur ist. Jedoch ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass
auch von Seiten Wiens einem Aufgabenübergang, etwa Vereins- und
Presseangelegenheiten, näher getreten werden könnte.
Zusammengefasst muss festgehalten
werden, dass dieses Modell zur Neugestaltung der Sicherheitsverwaltung noch
unzählige Fragen unbeantwortet lässt. Darüber hinaus ist es bei so
weitreichenden Umstrukturierungen unbedingt erforderlich, dass die betroffenen
Städte in die Diskussion eingebunden werden.
Von Seiten des Österreichischen
Städtebundes wird der Vorschlag in der vorgestellten Form abgelehnt.
Eingebracht im Ausschuss 6, 3.
Sitzung, 28.11.2003
Die Arbeitsunterlage
"Reformaspekte zur allgemeinen Verwaltungsorganisation" gibt mir
Anlass zu den folgenden - von der Zeitnot
gezeichneten vorläufigen und groben Bemerkungen. Ich habe den Eindruck,
dass das gegenständliche Papier so etwas wie ein "Schuss vor den Bug"
sein soll. Dass ich als Präsident des VwGH eine Auflösung der rechtsstaatlichen
Strukturen negativ beurteile, wird man mir nicht verübeln wollen.
1. Zur
Einleitung
Zu den
"Ausgangskriterien" im Einzelnen ist auf die folgenden Bemerkungen zu
verweisen. Der Satz "Im Zentrum jeden Verwaltungshandelns hat der Bürger
zu stehen (Primat der Zivilgesellschaft)" entbehrt - meines Erachtens -
jeden greifbaren Sinnes. Da wir ja wohl nicht mehr von der Philosophie
ausgehen, dass das gesamte Staatswesen der Verklärung des Monarchen oder der im
Staat personifizierten Entfaltung der Vernunft dient, halte ich solche
Erklärungen für trivial. Eine Orientierung an der "Zivilgesellschaft"
ist für mich auch etwas anderes als den "Menschen ins Zentrum"
stellen. Es ist auch nicht klar, wer die "Bürger" sind, das ist ja
kein Rechtsbegriff! Soll sich die Verwaltung an den "Normadressaten"
orientieren, so wäre von "Menschen" zu sprechen. "Bürger"
ist offenbar weiter als "Staatsbürger", aber enger als
"Menschen".
Zu I. Mittelbare
Bundesverwaltung
Die Vollziehung
der Bundesgesetze im Bundesstaat wirft jedenfalls ein Strukturproblem auf. Das
derzeitige Modell der "mittelbaren Bundesverwaltung" schließt - zwar
"nur" formal, aber das sollte nicht unterschätzt werden - den Kreis
von Demokratie, Bundesstaat und Rechtsstaat. Insoweit nämlich der
Landeshauptmann dem Bundesminister weisungsverpflichtet ist und dieser dem
Nationalrat verantwortlich, besteht ein lückenloser Legitimationszusammenhang.
Es sei
zugegeben, dass die mittelbare Bundesverwaltung, wie sie sich tatsächlich
präsentiert, Schwerfälligkeiten und Doppelgleisigkeiten aufweist, mögen diese
auch überschätzt werden. Insoweit lässt sich dem Ziel der
"Verelferung" etwas abgewinnen, zumal es diese ja bereits gibt.
Allerdings bedingt dies, dass das System der "Bundesaufsicht" (Art.
15 Abs. 8 B-VG) ausgebaut wird. Insbesondere müsste auch - wie schon im Entwurf
der letzten Bundesstaatsreform enthalten - eine Art kombinierte
Amts/Säumnisbeschwerde des Bundesministers gegen rechtswidrige Untätigkeit der
Landesbehörden vorbeugen. Letztlich hat die Notwendigkeit, ein solches
Instrumentarium aufzubauen - und der mit der Auflassung der mittelbaren
Bundesverwaltung verbundene Bedeutungsverlust der Landeshauptmänner - mit zum
Scheitern der letzten Bundesstaatsreform geführt. Es ist deshalb zu erwägen,
das System so zu belassen, wie es ist, solange nicht ein deutlich besseres
gefunden wird.
Zu II. Lockerung der
Weisungsbindung
Die Vorstellung, den
einfachen Gesetzgeber zu ermächtigen, Verwaltungsorgane im Grunde nach Belieben
weisungsfrei zu stellen, trifft den Rechtsstaat ins Mark. Die Tragweite dieser
Maßnahme wird auch erst im Zusammenhang mit der angestrebten Zertrümmerung des
Legalitätsprinzips deutlich. Grundsätzlich korreliert im konstitutionellen
Systemzusammenhang der Vollziehung die Weisungsfreiheit mit der
Gesetzesbindung, die Weisungsgebundenheit mit dem Ermessen. Das Ermessen hat den
Sinn, der - dem Parlament verantwortlichen - politischen Führung die
Möglichkeit der Gestaltung der Verwaltung zu geben. Wenn der Spielraum der
Verwaltung durch die strikte Determinierung des Gesetzes bereits sehr
eingeschränkt ist, verliert im selben Maß die Weisungsgebundenheit an
Bedeutung. Ein Abbau beider Elemente - Determinierung und
Weisungsgebundenheit - kommt überhaupt nicht in Betracht und wäre jedenfalls
eine Gesamtänderung der Bundesverfassung in Bezug auf Rechtsstaat und
Demokratie.
Im Einzelnen bestehen
aber Bedenken auch gegen isolierte Maßnahmen. Nach dem Textvorschlag wird es
entweder dem Gesetzgeber völlig freigestellt, Weisungsfreiheit vorzusehen -
"erforderlichenfalls" wäre bei diesem Verständnis nur ein
Durchlaufposten - oder man interpretiert das "erforderlichenfalls"
wie "unerlässlich" (vgl. derzeit Art. 15 Abs. 9 B-VG. Im
letzteren Fall hätte der VfGH - wohl nach gleichheitsrechtlichen Kriterien -
die Maßnahmen des Gesetzgebers zu überprüfen. Ob das einen Sinn gibt, wage ich
zu bezweifeln.
Es ist in diesem
Zusammenhang auch nachdrücklich darauf aufmerksam zu machen, dass sich aus der
verfassungsrechtlichen Stellung der obersten Organe gegenüber Parlament und
Justiz zwar deren Verantwortung ergibt, keineswegs aber die Verpflichtung, in
jedem Einzelfall auch tatsächlich Weisungen zu erteilen. D.h. bereits derzeit
könnte eine praktische Unabhängigkeit der Verwaltungsorgane erzielt werden,
ohne auch nur mit den gesetzlichen Grundlagen in Konflikt zu kommen. Und dass
das oberste Organ verantwortlich bleiben soll, daran wird ja wohl kein Zweifel
bestehen. Meiner Ansicht nach wäre es anzustreben, dass es nur mehr in einem
ganz eingeschränkten Bereich weisungsfreie Kollegialorgane gibt, die die
Verwaltung führen. Im Übrigen sollten unabhängige Landesverwaltungsgerichte die
Verwaltung kontrollieren.
Schließlich möchte ich
noch darauf hinweisen, dass die Weisungsgebundenheit letztlich auch für den
Beamten - genauso gut wie für den Vertragsbediensteten - einen Schutz bildet.
Anders als ein Richter ist ein Verwaltungsorgan - wenn es keine selbstständige
demokratische Legitimation, etwa durch Wahl - hat, vielfältigen
gesellschaftlichen und politischen Einflüssen ausgesetzt. Um es allen recht zu
tun, kann ein Beamter schon jetzt in Versuchung geraten, "vorauseilenden
Gehorsam" zu üben. Bei der Abschaffung der Weisungsgebundenheit wäre der
Beamte zwar scheinbar unabhängig, in Wahrheit fehlt es ihm aber an den
notwendigen Garantien, die dienstrechtlichen Garantien sollen ja gleichfalls
abgebaut werden. Auf diese Weise kommt der Beamte unter Umständen unter einen
unerträglichen Druck. Es ist in diesem Zusammenhang etwa auch auf die
Notwendigkeit der schriftlichen Erteilung von Weisungen (§ 44 Abs. 3 BDG
1979, § 15a Abs. 3 VBG) hinzuweisen.
Schließlich wird man die
Frage stellen dürfen, wem das Ganze nützen sollte. Ich habe den Eindruck, dass
damit Folgendes bewirkt werden könnte: Zum einen eine massive
Hinunterverlagerung von Entscheidungsressourcen zu lokalen Stellen bei
gleichzeitiger Öffnung der Entscheidungsprozesse gegenüber subkutanen, aber
eben deshalb besonders wirksamen machtpolitischen Einflüssen jedweder,
insbes.partei- und wirtschaftspolitischer, Art.
Zu III.
Flexibilisierung
Zu 1. Ebenso wie
etwa der Herr Präsident des VfGH bin ich der Auffassung, dass die Normierung
verfassungsrechtlicher Determinanten für Ausgliederungen und Privatisierugen
eine zentrale Aufgabe des Verfassungskonvents ist.
Zu 2. Schon
derzeit können etwa zwischen Bundesministerien gemeinsame Einrichtungen
betrieben werden, z.B. Präsidien. Mir ist nicht klar, in welche Richtung das
ausgeweitet werden soll. Bedenklich erschienen mir auch in diesem Zusammenhang
Entwicklungen, die zu einer Verwischung von Verantwortlichkeiten führen.
Zu 3. Zwar teile
ich prinzipiell die Auffassung, dass man Mitwirkungsrechte beschränken sollte.
Man sollte aber auch nicht übersehen, dass diese - namentlich zwischen den
Gebietskörperschaften - eben Rechtsinstrumente der Koordination sind. Wenn man
diese Mitwirkungen aus dem Rechtsbestand ausscheidet, findet der entsprechende
Vorgang eben im politischen Bereich statt. Der Unterschied besteht dann darin,
dass man mangels verfahrensrechtlicher Vorschriften zu keinen klaren und
abschließenden Ergebnissen gelangt.
Zu IV.
"Überdeterminierung"
Ich bin absolut
dagegen, dass Art. 18 Abs. 1 B-VG verändert wird. Alle Gründe, die für den
Abbau des Legalitätsprinzips ins Treffen geführt werden, vermögen mich nicht zu
überzeugen. Bereits jetzt - legt man das neuere Verständnis des VfGH aber auch
des VwGH zu Grunde - braucht der Gesetzgeber nicht so zu determinieren, wie man
das früher vielleicht geglaubt hat. In einem gewissen Sinn ist die
Determination durch die Vorgabe von Zielen im gegenwärtig hauptsächlich
vertretenen "differenzierten Legalitätsprinzip" bereits enthalten.
(Vgl. zum Ganzen nur VfSlg. 13785 und Rill, Art. 18 B-VG, in:
Rill/Schäffer (Hrsg.) BVR-Komm Rz 56ff.) Meines Erachtens bedeutet die
vorgeschlagene Änderung ein unheilvolles Signal an die Verwaltung, Willkür -
mag sie auch gut gemeint sein - , zu üben. Man muss sich von der Vorstellung
lösen, dass eine flexiblere Verwaltung grundsätzlich bürgerfreundlicher ist.
Vielmehr stehen im Prozess der Rechtskonkretisierung einander entweder
öffentliche Interessen - d.h. also die Interessen vieler Menschen - und
besonders qualifizierte subjektive Interessen einzelner Menschen gegenüber,
oder sogar in
Mehrparteienverfahren verschiedene gegenläufige subjektive Interesse. Es geht
nicht darum, dass der Bürger, "der im Zentrum" steht, immer gegen den
Staat Recht bekommt, weil es den Staat als solchen nicht gibt. Vielmehr sind
die im Gesetz zum Ausdruck kommenden "öffentlichen Interessen" eben
die Interessen vieler anonymer Menschen. Das spielt insbesondere für den
Bereich etwa des Umweltschutzes eine wichtige Rolle.
Unklar bleibt
auch, was mit der Privatwirtschaftsverwaltung (Art. 17 B-VG) geplant ist.
Dazu möge man
auch noch Folgendes bedenken:
Die Erfahrungen
der meisten Staaten zeigen, dass die Verwaltung nicht in der Lage ist, sich
selbst zu steuern. In vielen Ländern fungiert die Judikatur, insbesondere der
Verwaltungsgerichte, als Verwaltungssteuerung, etwa in Deutschland. Obwohl dort
das Legalitätsprinzip im förmlichen Sinn nicht so gilt wie in Österreich ist
die Kontrolldichte des Bundesverwaltungsgerichts dennoch keineswegs geringer.
Wenn es richtig ist, dass der rechtssoziologische Trend in die Richtung einer
stetigen Bedeutungssteigerung der Gerichte geht, dann ist die Eröffnung von
Ermessensräumen für die Verwaltung illusionär. Das was in Wirklichkeit erreicht
wird, ist ein Wechsel der Willensbildungsressourcen weg von der Gesetzgebung
hin zur Justiz. Das ist ein insbesondere unter demokratiepolitischen Aspekte
eher bedenklicher Vorgang.
Zu V.
Amtsverschwiegenheit und Auskunftspflicht
Hier könnte man
meines Erachtens mutiger in die Richtung einer größeren Öffnung der Verwaltung
gehen. Die derzeitigen Ausführungen sind ziemlich dunkel.
VI. Zum New Public Management
Meines Erachtens
haben die hier genannten mehr oder weniger sinnvollen Grundsätze und Ziele der
Verwaltung mit der Bundesverfassung, ja weitgehend auch mit der Frage der
gesetzlichen Grundlagen für das Verwaltungshandeln, wenig zu tun. Wir sollten
sie daher im Konvent auch nicht weiter diskutieren. Ich habe Lektüre des
Protokolls der ersten Ausschusssitzung auch nicht den Eindruck, die damals zu
Wort gekommenen Praktiker würden die Meinung vertreten, die eben genannten
verfassungsrechtlichen Bestimmungen stünden einer modernen Verwaltung entgegen.
Es ist meines Erachtens unmöglich, Fragen der Legalität, der
Weisungsgebundenheit oder der mittelbaren Bundesverwaltung allein aus dem
Gesichtspunkt der Verwaltungseffizienz heraus zu beurteilen.
Abschließend
möchte ich bemerken, dass sich der Ausschuss 6 sich Fragen der konkreten
Verwaltungsorganisation zuwenden sollte, also dem Behördenaufbau etc., soweit
dieser verfassungsrechtlich formiert ist. Dafür wäre allerdings entsprechendes
empirisches Material zu erarbeiten.
Eingebracht im Ausschuss 6, 4.
Sitzung, 4.12.2003
Herrn
Generalsekretär
Mag. Werner WUTSCHER
Bundesministerium für
Land- und Forstwirtschaft
Stubenring 1
1010 Wien Wien,
am 9. Dezember 2003
Sehr geehrter Herr
Generalsekretär!
Zu Ihrem Schreiben an den
Vorsitzenden des Ausschusses 3, Univ.Prof. Dr. Holzinger, erlaube ich mir
die folgenden Bemerkungen. Zwar wird im Brief soweit korrekt wiedergegeben,
dass unterschiedliche Positionen zur Frage des Legalitätsprinzips eingenommen
wurden. Die Diskussion dieser Standpunkte findet aber keinen Niederschlag, was
ich als Mangel empfinde. Mir ist Folgendes in Erinnerung:
- Gegen den Vorsitz
wurde eingewendet, dass bei Zugrundelegung der heutigen Judikatur des VfGH,
aber auch des VwGH, und bei Berücksichtigung der herrschenden Lehre
Art. 18 B-VG nicht so verstanden werden muss, dass es zu einer
Überdeterminierung des Verwaltungshandelns kommt. Dem wurde meines Erachtens
nichts Konkretes entgegengehalten. Insbesondere müsste man aus
verwaltungsreformatorischer Sicht - in seriöser wissenschaftlicher Ausarbeitung
- dann genau jene Felder des Verwaltungshandelns bezeichnen, in denen - von
einem bestimmten Standpunkt her gesehen - Änderungen notwendig sind, diese aber
im herrschenden Verfassungsrecht nicht gedeckt sind.
- In der Diskussion habe
ich darauf hingewiesen, dass ich mir - bei Wahrung des rechtsstaatlichen
Aspekts des Art. 18 B-VG - eine Änderung im Bereich der Verordnungsgebung nach
Abs. 2 vorstellen könnte (analog dem Text von 1920). Allenfalls könnte sogar
ein neuer Typus einer "selbstständigen Verordnung" in Betracht
gezogen werden. Dieser Vorschlag wurde auch von anderen Sitzungsteilnehmern
(Wielinger, auch Raschauer) mit Interesse aufgenommen.
- Ich habe ausdrücklich
darauf aufmerksam gemacht und zu erklären versucht, dass eine Abschwächung des
Legalitätsprinzips mit einer Verdichtung des gerichtlichen Kontrollmaßstabes
einhergehen könnte. Auch dieser Gedankengang sollte meines Erachtens nicht
verloren gehen.
- Über das
Gemeinschaftsrecht schließlich wurde kaum diskutiert, insbesondere auch nicht
darüber, ob ein verminderter Standard der Legalität in diesem Rechtsbereich
Änderungen des Art. 18 Abs. 1 B-VG nach sich ziehen sollte.
Ich möchte nicht lästig
fallen, aber beim Legalitätsprinzip handelt es sich um ein zentrales Element
der österreichischen Bundesverfassung. Für die weitere Arbeit des Ausschusses 3
kommt es meines Erachtens auch auf jede Nuancierung der Botschaft aus dem
Ausschuss 6 an. Insoweit werde ich mir, sehr geehrter Herr Generalsekretär, erlauben,
mit dem Vorsitzenden des Ausschusses 3 auch ein bilaterales Gespräch zu führen,
um ihm meine Einschätzung nahe zu bringen.
Mit den besten
Grüßen
Clemens Jabloner
e.h.
Eingebracht im Ausschuss 6, 6.
Sitzung, 7.1.2004
Kann eine
Ermächtigung des (einfachen) Gesetzgebers, Verwaltungsorgane weisungsfrei zu
stellen, formuliert werden?
I.
Problemstellung
Art. 20 Abs. 1 B-VG sieht die Weisungsgebundenheit und
Verantwortlichkeit nachgeordneter Verwaltungsorgane vor, enthält jedoch
zugleich einen formellen Verfassungsvorbehalt. Demgemäß finden sich bundes- und
landesverfassungsrechtliche Weisungsfreistellungen in etlichen
Rechtsquellen, was zur Zersplitterung des formellen Verfassungsrechts beiträgt.
Ich halte dies zwar - in Relation zur Bedeutung des Weisungsprinzips - nicht
für ein Problem erster Ordnung, räume aber ein, dass es in verfassungslegistischer
Hinsicht vorteilhaft wäre, im Wege einer Ermächtigung des einfachen Gesetzgebers
das Verfassungsrecht zu entlasten. Allerdings sind Weisungsgebundenheit und
Verantwortung wesentliche Strukturelemente des Verfassungsgefüges. Ihre
staatsrechtliche Funktion liegt darin, die demokratische Legitimation und
die demokratische Kontrolle der Verwaltung zu garantieren ("Keine
Kontrolle ohne Ingerenz" ist geradezu das Credo des VfGH bei
ausgegliederten Rechtsträgern). Eine Ermächtigung des einfachen Gesetzgebers
darf also nicht dazu führen, dass der einfache Gesetzgeber - um ein Extrembeispiel
zu nennen - etwa die Finanzämter weisungsfrei stellt. Würde das Weisungsprinzip
breitflächig aufgehoben werden, rsp. in die Disposition des einfachen
Gesetzgebers gestellt sein, so hätte dies die Diskussion um die dann
verbleibende demokratische Legitimation der Verwaltung zur Konsequenz. Damit
wären aber auch derzeit ganz unstrittige Elemente der österreichischen
Verwaltungsorganisation, wie die bürokratisch-monokratischen
Bezirkshauptmannschaften, in Frage gestellt. Es geht also darum, die Ermächtigung
des Gesetzgebers auf einige Typen der Verwaltung einzuschränken.
II. Zur
Vorgangsweise
Prof. Raschauer hat dem
Ausschuss eine - in dieses Papier ab S. 4 Mitte integrierte - Liste weisungsfreier Organe zur
Verfügung gestellt, auf der die folgenden Erwägungen aufbauen. Zur besseren
Übersicht habe ich die dort im ersten Absatz aufgezählten Einrichtungen mit Großbuchstaben
und die dann folgenden einzelnen Behörden und Organe mit arabischen Zahlen
bezeichnet.
In einem ersten Schritt können auf Grund der Kategorien A
bis D eine Reihe von Einrichtungen der folgenden Liste deshalb ausgeschieden
werden, weil sie in anderen Ausschüssen behandelt werden, d.h. inhaltlich
betrachtet, weil sie entweder in die Staatsfunktion der Gerichtsbarkeit
wechseln sollen oder ohnedies einem verfassungsrechtlichen Sonderregime
unterworfen werden müssen.
Meines Erachtens ist nun diese Liste noch durch vier weitere
Kategorien - E bis H - zu ergänzen, und zwar:
E. Besondere Behörden, über die derzeit noch keine Aussage
getroffen werden kann. Dazu zählen vor allem die Schulräte. Sollen sie weiter
bestehen, so können sie wohl nur von verfassungsrechtlich weisungsfrei
gestellt sein, diesfalls würden sie in die Kategorie F wechseln.
F. Es gibt Organe, deren Unabhängigkeit wegen ihrer
spezifischen rechtspolitischen Bedeutung verfassungsrechtlich garantiert
werden muss, sollen ihre Einrichtung nicht schlechthin den Sinn verlieren. (Das
ist ein Punkt, der bisher noch nicht diskutiert wurde: So wie es einerseits
eine verfassungsrechtliche Garantie weisungsgebundener Verwaltung geben muss,
so andererseits gewisse Garantien weisungsfreier Verwaltung). Man kann doch
wohl nicht davon geleitet sein, dass der (einfache) Gesetzgeber zuständig sein
sollte, die Unabhängigkeit der Nationalbank oder auch des ORF rückgängig zu machen. Unter diese
Kategorie fallen einige der in der Liste aufgezählten Einrichtungen, namentlich
auch im Bereich der Finanz- und Wirtschaftspolitik.
G. Einige der in der Liste angeführten Einrichtungen sind keine
Verwaltungsbehörden, wie etwa das Kuratorium des österreichischen
Nationalfonds. Dieser ist ein parlamentarisch-verwaltungsmäßiges Hybridorgan,
dessen Regelung ohnedies auf Verfassungsstufe erfolgen muss.
H. Unter Hinweis auf die Judikatur des VfGH geht das
vorgelegte Papier von der Prämisse aus, dass ausgegliederte Rechtsträger ohne
hoheitliche Befugnisse nur dann weisungsgebunden sind, wenn dies ausdrücklich
gesetzlich angeordnet wird. Dazu ist zu zunächst zu sagen, dass der VfGH diese
Aussage für ausgegliederte Rechtsträger mit hoheitlichen Befugnissen
trifft, die dem - allerdings nicht unmittelbar anwendbaren - Art. 20
Abs. 1 B-VG unterliegen. Der Gesetzgeber hat, soll die Konstruktion
nicht verfassungswidrig sein, daher eine entsprechende Weisungsbindung
vorzusehen. Von einer hier interessanten Wahlmöglichkeit des einfachen
Gesetzgebers kann soweit nicht die Rede sein. Für ausgegliederte Rechtsträger,
die nicht hoheitlich tätig
werden, ist aus dieser Judikatur unmittelbar nichts zu gewinnen. In diesem
Bereich bewegt man sich bereits jenseits der Grenze des staatlichen Bereichs,
es liegt nicht mehr Verwaltung vor. Die Grenzziehung ist freilich
insoweit nicht ganz scharf, als der Gesetzgeber bei einer gewissen Staatsnähe
der Aufgabenbesorgung allenfalls entsprechende Elemente normieren kann, wie
z.B. die Amtshaftung. Wenn in solchen Bereichen Weisungsbindungen angeordnet
werden, so sind sie Ausdruck einer allenfalls privatrechtlichen Beherrschung
einer Einrichtung durch den Staat. Insoweit liegen aber dann keine Weisungen im
Sinn des Art. 20 Abs. 1 B-VG vor, sondern "Weisungen"
gesellschafts- oder arbeitsrechtlicher Art (vgl. Kucsko- Stadlmayer,
Grenzen der Ausgliederung, 15. ÖJT 2003, I/1, 34, Fn. 119 und 43, m.w.H.) Auch
dieser Bereich fällt daher nicht in den Kontext der Aufgabenstellung.
III. Formulierung der
verfassungsrechtlichen Ermächtigung
Meines Erachtens könnte ein neuer Art. 20 Abs. 1 und 2
B-VG (im derzeitigen verfassungslegistischen System) etwa wie folgt lauten:
" (1) ... Sie sind an die Weisungen der ihnen
vorgesetzten Organe gebunden und diesen für ihre amtliche Tätigkeit
verantwortlich....
(2)
Abweichend von Abs.1 können die folgenden Organe gesetzlich weisungsfrei
gestellt werden:
1. Sachverständige Organe, soweit ihnen nicht über
unmittelbare behördliche Befehls- und Zwangsgewalt hinausgehende hoheitliche
Befugnisse zukommen,
2. Organe in Angelegenheiten des Dienst-, Wehr-, Gleichbehandlungs-
und Akkreditierungsrechts,
3. Zur Wahrung
der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung besonders eingerichtete Organe wie
Amtsparteien oder Rechtschutzbeauftragte,[140]
4. Kommissionen in Vollziehung von Verfassungsgesetzen gemäß
Art. 3
Abs. 2 B-VG. "
Diese vier Tatbestände werden mit den römischen Zahlen I.
bis IV. bezeichnet.
In der überarbeiteten Raschauer-Liste werden dann die
entsprechenden Qualifikationen vorgenommen, also entweder A. bis H. oder I. bis
IV. Wo Positionen erläuterungsbedürftig oder zweifelhaft bleiben, sind Fußnoten
angefügt.
"Raschauer - Papier"
Weisungsfreie
Behörden, die in den Ausschüssen 7 und 9 zu behandeln sind
A. Regulierungsbehörden -
mit zahlreichen fugitiven Verfassungsbestimmungen
B. Kollegiale "133 Z
4 - Behörden" mit richterl. Einschlag gem. Art. 20. Abs. 2 B-VG
inkl.
Agrarsenate, Oberster Patent- und Markensenat, Datenschutzkommission,
Umweltsenat,
Übernahmekommission, Börseberufungssenat, Bundeskommunika-
tionssenat,
Disziplinarsenate nach Kammerrecht, Schiedskommissionen nach
ASVG,
Krankenanstaltenrecht und Sozialhilferecht, regulierungsbehördliche Kom-
missionen,
Unabhängige Heilmittelkommission Landesvergabeämter u.v.a.m.
C. Unabh. Verwaltungssenate
(UVS), Unabh. Bundesasylsenat (UBAS), Bundesver-
gabeamt
D. Selbstverwaltung inkl.
Kammern, Sozialversicherungsträger, Jägerschaften,
Wassergenossenschaften
und -verbände, Agrargemeinschaften, Hochschüler-
schaft
sowie Universitäten
- ergänze Kategorien E bis H wie
oben erläutert -
Gesamtübersicht der
weisungsfreien Behörden und Organe
Es wird von der Prämisse
ausgegangen, dass ausgegliederte Rechtsträger außer-
halb der Hoheitsverwaltung nur
dann weisungsgebunden sind, wenn dies ausdrück-
lich gesetzlich angeordnet ist
(VfSlg. 15.946/2000; VfGH v. 10.10.2003, G 222/02).
1. Oesterreichische Nationalbank F
(1.
allgemein, z. Verfassungsbestimmung § 79 Abs. 5 BWG)
2. Finanzmarktaufsicht F
(Verfassungsbestimmung
§ 1 Abs. 1 FMABG)
3. Vorstandsvorsitzende der
Post-Nachfolge-Unternehmen
(Verfassungsbestimmung
§ 17a PoststrukturG)[141]
4. Schulräte (Art. 81a Abs. 4 B-VG) E
(oder F)
5. Mitglieder der Kollegialorgane der Universitäten
und Kunstuniversitäten D[142]
(Verf.bestimmungen
§ 13 Abs. 2 UOG und 14 Abs. 2 KUOG i.V.m. § 20 UniG)
6. Prüfungskommission (Verfassungsbestimmung § 29
Abs. 6 BDG) II
7. Berufungskommission (Verfassungsbestimmung § 41a
Abs. 6 BDG) II
8. Berufungskommission (Verfassungsbestimmung § 73a
HeeresdiszG) II
9. Leistungsfeststellungskommission
(Verfassungsbestimmung § 88 Abs. 4 BDG) II
10. Disziplinarkommission (Verfassungsbestimmung § 102 Abs. 2 BDG) II
11. Disziplinarkommission (Verfassungsbestimmung § 15 Abs. 5
HeeresdiszG) II
12. Disziplinarkommissionen II
(Verfassungsbestimmungen
§ 91 Abs. 2 Landeslehrer-DienstrechtsG
und
§ 99 Abs. 2 land- und forstwirtschaftliches Landeslehrer-DienstrechtsG
13. Gutachterkommission (Verfassungsbestimmung § 207j Abs. 7 BDG) II
14. Begutachtungskommission (Verfassungsbestimmung § 7 Abs. 6
AusschreibungsG) II
15. Weiterbestellungskommission (Verfassungsbestimmung § 18 Abs. 3
AusschreibG) II
16. Aufnahmekommission (Verfassungsbestimmung § 34 Abs. 1
AusschreibungsG) II
17. Auswahlkommission
(Verfassungsbestimmung
§ 14 Abs. 10 Statut auswärtiger Dienst) II
18. Viele ähnliche dienstrechtliche Kommissionen der Länder II
19. Gleichbehandlungskommission II
(Verfassungsbestimmung
§ 24 Abs. 5 BundesGleichbehG)
20. Gleichbehandlungskommission II
(Verfassungsbestimmung
§ 10 Abs. 1a GleichbehG)
21. Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen II
(Verfassungsbestimmung
§ 40 Abs. 7 UOG und § 39 Abs. 7 KUOG)
22. Viele ähnliche Kommissionen der Länder II
23. Beschwerdekommission (Verfassungsbestimmung § 4 WehrG) II
24. Menschenrechtsbeirat (Verfassungsbestimmung § 15a SPG III[143]
25. UVS (Art. 129b Abs. 2 B-VG) C
26. Bundesvergabeamt (Verfassungsbestimmung § 139 Abs. 1 BVergG) C
27. Bundes-Vergabekontrollkommission C
28. Unabhängiger Bundesasylsenat (Art 129c Abs. 3 B-VG, § 38
AsyIG) C
29. Unabhängiger Finanzsenat C
(Verfassungsbestimmungen
§ 1 UFSG, § 271 Abs. 1 BAO, § 66 Abs. 1 FinStrG;
§
85d ZoIIR-DG)
30. Berufungssenat (§ 48 Wr. Stadtverfassung ?) C
31. Disziplinarkommissionen (Verfassungsbestimmung des § 19 Abs. 7
ApothG)[144]
32. Schiedsstelle nach Art. III UrhGNov 1980
(Verfassungsbestimmung des § 4) B
33. Umweltanwaltschaften (z.T. Verfassungsbestimmungen der Länder III
34. Kinder- und Jugendanwaltschaften (?) III[145]
35. Patienten- und Pflegeanwaltschaften (?) III
36. Rechtsschutzbeauftragte III[146]
(§
149n StPO, § 62a SPG, § 57 MBG - nur einfachgesetzlich)
37. Sicherheitsvertrauenspersonen I
(Verfassungsbestimmung
§ 11 Abs. 2 BundesBedSchutzG)
38. Sicherheitsfachkräfte (bei Anwendung ihrer Fachkunde) I
(Verfassungsbestimmung
§ 73 Abs. 3 BundesBedSchutzG)
39. Gleichbehandlungsbeauftragte und Kontaktfrauen II
(Verfassungsbestimmung
§ 37 Abs. 1 BundesGleichbehG)
40. Einsatzstraforgane (Verfassungsbestimmung § 81 Abs. 3
HeeresdiszG) II
41. Fachhochschulrat (Verfassungsbestimmung § 7 Abs. 4 FHStG) II[147]
42. Akkreditierungsrat (Verfassungsbestimmung § 4 Abs. 2 UniAkkrG)
II
43. Flugunfalluntersuchungsstelle (Verfassungsbestimmung § 4 Abs.
4 FIUUG) I
44. Bundesmuseen im Rahmen ihrer Privatrechtsfähigkeit H
(§
31a Abs. 7 FOG, einfachgesetzlich)
45. Leiter der Statistik Österreich (in fachlichen Fragen) I
(§
38 Abs. 1 B-StatG, einfachgesetzlich)
46. Generaldirektor für Wettbewerb (Verfassungsbestimmung § 1 Abs.
3 WettbewG) F
47. Ethikkommissionen (z.T. einfachgesetzlich, sonst
vorausgesetzt) H
48. ORF (Art. I Abs. 2 Rundfunk-BVG i.V.m. ORF-G ?) F
Weisungsfreiheit vorausgesetzt
49. Organe des Entschädigungsfonds
G
50. Organe des NS-Opferfonds[148]
51. Organe des Nationalfonds G
52. Kuratorium des Versöhnungsfonds
G
53. Schiedsgericht nach § 5 BVG Landesgrenze Wien IV
54. Grenzkommission (§ 8 BVG Staatsgr. Ö-BRD iVm Art. 19
Grenzvertrag 1972) IV
55. Grenzkommission (§ 9 BVG Staatsgr. Ö-CH iVm Art. 16
Grenzvertrag 1970) IV
56. Grenzkommission (verfassungsändernder Vertrag mit
Liechtenstein aus 1960) IV
Grenzfälle
57. Bundesrechenzentrum GmbH (lt. Kucsko-Stadlmayer Weisung
nicht angeordnet) H[149]
58. Arsenal GmbH (lt. Kucsko-Stadlmayer Weisung nicht
angeordnet) H
59. Agrarmarkt Austria (lt. Raschauer Weisung nicht klar
geregelt)
H[150]
60. Arbeitsmarktservice (lt. Raschauer Weisung nicht klar
geregelt) H
61. Wr. Bauoberbehörde (Art. 111 B-VG i.V.m. § 138 Wr. BauO) B
62. Wr. Abgabenberufungskommission (Art. 111 i.V.m. § 203 Wr.
AbgO) B
63. Österreichische Bundesfinanzierungsagentur F
64. Österreichische Kontrollbank (Meldestelle nach BörseG,
Ausfuhrförderung) F
65. Kommunalkredit Austria (Abwicklungsstelle nach
UmweltförderungsG) F
66. Verrechnungsstellen (APCS u.a.) nach VerrechnungsstellenG
(insb. im Fall der
Aufhebung
durch VfGH) F
67. Gremium zur Überprüfung des Umtauschverhältnisses (§ 225g
AktG) F
68. Personalvertretungen[151]
69. Prüfer/Prüforgane I
70. Amtssachverständige I
71. Beiräte, Kommissionen I
Allenfalls rechtspolitisch
interessant[152]
72. Kommunikationskommission Austria (KommAustria)[153][14]
73. Hauptverband der österr. Sozialversicherungsträger (falls
künftig nicht als
Selbstverwaltung
eingerichtet)
74. Staatsanwaltschaften
75. Bundeskartellanwalt
76. Beitragsregime der gesetzlich anerkannten Kirchen
Ausgeklammert
sind zwischenstaatliche
Einrichtungen wie z.B. der Verwaltungsrat nach dem Int.
Energieprogramm oder die
Ministerkonferenz nach WTO-Abkommen u.v.a.m.
IV. Abschließende Bemerkung
Meines
Erachtens konnte somit die Aufgabe gelöst werden. Die "Vielfalt" ist
nicht gar so groß, dass eine Typisierung unmöglich wäre, die Formulierung
allerdings etwas schwieriger als ich zunächst gedacht habe. Jedenfalls würde es
zu einer beträchtlichen Einsparung von formellen Verfassungsbestimmungen
kommen. Deutlich wird aber auch der hohe Koordinationsbedarf mit anderen
Ausschüssen. Zum Teil ist die Weisungssache eine Querschnittsmaterie.
Abschließend
sei noch einmal betont, dass -
worauf besonders LAD Wielinger hingewiesen hat - , die
"Weisung" zwar in ihrem Kern zum ind.konkreten Befehl ermächtigt,
aber alle anderen Formen der "Steuerung" ermöglicht. Allerdings - und
darin liegt der Vorzug gegenüber Modellen, die die Weisung ausschließen wollen
- bei Wahrung von Transparenz und
Verantwortung der politischen Ebene
und bei Gewährleistung eines Schutzes für den Bediensteten (vgl. nur die
aus gutem Grund verfassungsrechtlich gewährleisteten Grenzen des Weisungsrechts
in Art. 20 Abs. 1 B-VG).
Eingebracht im Ausschuss 6, 6.
Sitzung, 7.1.2004
Sehr geehrter Herr
Vorsitzender!
Gerade habe ich das
Schreiben von Prof. Raschauer erhalten und ich möchte gerne sofort dazu
Stellung nehmen. Auch ich bin mit dem bisherigen Stand der Beratungen im
Ausschuss nicht glücklich. Meine Gründe sind allerdings denen von Prof.
Raschauer ziemlich diametral entgegengesetzt: Ich habe - besonders zu Anfang
der Arbeit - den Eindruck bekommen, man versuche gleichsam "mit der
Brechstange" das geltende verfassungsrechtliche System betreffend
Gesetzgebung und Verwaltung auszuhebeln. Dafür sollen einige nach meinem Dafürhalten Gemeinplätze
neuerer politischer Modelle dienen. Ich bin aber auf Grund auf meiner
methodischen Vorbildung nicht bereit, eine Auseinandersetzung zu führen, ohne
Positionen ideologiekritisch zu hinterfragen. So wie ich mich vor Jahrzehnten
der marxistischen Betrachtungsweise der Verwaltung entgegengestellt habe, so
werde ich das heute im Bezug auf neoliberale Denkweisen halten. (Wie Konrad
Paul Liessmann unlängst zutreffend festgestellt hat, gleichen beide Richtungen
einander vor allem darin, dass jedem, der sich widersetzt, die mangelnde
"Einsicht in die Notwendigkeit" in irgendwelche Gesetzmäßigkeiten
vorgeworfen wird.)
Wenn wir uns im
Ausschuss 6 weiterhin mit den entscheidenden Grundfragen von Staat und
Verwaltung befassen wollen - was eigentlich gar nicht nötig wäre -, dann müssen
die ideologische Positionen auch auf den Tisch gelegt und diskutiert
werden. Obzwar nun aber bei so
weit reichenden Änderungen die Beweislast eindeutig auf der angreifenden Seite
liegt, wurde noch kaum ein konkretes Papier vorgelegt.
Ich bin dennoch durchaus
zuversichtlich, was die weitere Arbeit im Ausschuss betrifft. So denke ich,
dass sich bei der Diskussion konkreter Punkte wichtige Fortschritte machen
werden. Das vorgelegte Papier zur Schulreform ist - wie immer man es im
Einzelnen beurteilt - genau das, was ich mir vom Ausschuss 6 erwarte. Ähnliche
Papiere sollten zu anderen Verwaltungsbereichen, soweit deren Organisation in
die Verfassungssphäre reicht, vorgelegt werden.
Zu den Punkten des
Papiers im Einzelnen:
Zum Abbau des
Weisungsrechts verweise ich auf meine bisher eingenommenen Positionen und auf
das von mir dem Ausschuss gleichzeitig vorgelegte Papier. Dieses zeigt halt,
dass die Sachen kompliziert sind und man sie seriös behandeln muss.
Zur Rechtsstaatlichkeit
denke ich, dass der Weg einer "Rechtswegegarantie" in eine falsche
Richtung führt. Ich habe schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die Ablehnung
des Legalitätsprinzips im Verfassungskonvent aus zwei ganz unterschiedlichen
Richtungen resultiert. Manche wollen die Spielräume der Verwaltung
vergrößern, andere ein viel
rigoroseres System der gerichtlichen Überprüfung erreichen. Rechtssoziologisch
glaube ich, dass mit der "Rechtswegegarantie" die verbleibenden
Ermessensräume der Verwaltung eher noch eingeschränkt werden. Ich halte jedenfalls
nichts davon, dem Ausschuss 9 einen "Auftrag" in diese Richtung zu
geben und im Ausschuss 6 zugleich munter das Legalitätsprinzip abzumontieren.
Den
"Aufgabenabbau" halte ich für eine gute Sache, aber - wie dies auch
Raschauer erkennt - handelt es sich primär um Fragen der praktischen
Rechtspolitik. Ich glaube nicht, dass die Verfassung darüber entsprechende
Aussagen enthalten sollte. Wenn ja, müsste man diese durch
"entgegenlaufende" Staatszielbestimmungen wieder ausbalancieren. Vor
allem glaube ich auch nicht, dass derlei vom VfGH judiziert werden kann. Will
man ihm das auch noch aufbürden, würde sich dann allerdings die Frage der
Zusammensetzung des VfGH - als eines dann ganz eindeutig politischen Organs -
mit aller Schärfe stellen.
Sehr geehrter Herr
Vorsitzender, ich bitte auch dieses Schreiben den Mitgliedern des Ausschusses
vorzulegen.
Mit besten Grüßen
Ihr Clemens Jabloner
Eingebracht im Ausschuss 6, 10.
Sitzung, 18.3.2004
Herrn
Generalsekretär
Mag. Werner
WUTSCHER
Bundesministerium für
Land- und
Forstwirtschaft,
Umwelt und
Wasserwirtschaft
Stubenring 1 u. 12
1012 Wien Wien,
am 3. März 2004
E-Mail:
manuela.sigl@lebensministerium.at
Sehr geehrter
Herr Generalsekretär!
In der
letzten Sitzung des Ausschusses 6 wurde angeregt, die Bestimmung über die
"Diensthoheit" in Art. 21 Abs. 3 B-VG aufzuheben: Die
Regelung auf verfassungsrechtlicher Ebene sei nicht zwingend erforderlich. Die
mit der Diensthoheit verbundene Behördenstellung (im Rahmen der
öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse) bedürfe keiner
verfassungsrechtlichen Absicherung und könnte - wie bereits derzeit durch das
DVG - bloß einfachgesetzlich statuiert werden (wie auch die sonstige
Behördenorganisation). Die Organisation der Personalverwaltung ließe sich
dadurch flexibler gestalten und würde insbesondere im Zusammenhang mit
Ausgliederungsmaßnahmen bessere Personalstrukturen ermöglichen, da die
zwingende dienstrechtliche Anbindung ausschließlich an ein oberstes
Verwaltungsorgan nicht mehr erforderlich wäre.
Nun trifft es zu, dass
die Regelung der Diensthoheit im B-VG primär eine Kompetenzbestimmung im
Verhältnis Bund/Länder ist. Es ist auch zuzugeben, dass die Bestimmung
schwierig zu verstehen ist. (Zu den einzelnen Facetten vgl. Kucsko-Stadlmayer,
Art. 21 B-VG, Rz 27-35, in Korinek/Holoubek, B-VG Komm.). Bevor wir eine
Verfassungsbestimmung abschaffen, sollten wir aber genauer wissen, was wir
damit bewirken (oder bewirken wollen). Auch ich halte es für sinnvoll, wenn man
die Personalverwaltung der Bundesbediensteten bei ausgegliederten Rechtsträgern
konzentriert (unter Voraussetzung, dass es ansonsten bei den bisherigen
Ausgliederungsschranken bleibt). Allerdings müsste eine solche Stelle dann
selbst wiederum in einen Ressortverband eingegliedert werden. Ob einer solchen
Maßnahme die Regelung über die "Diensthoheit" des Art. 21 Abs. 3 B-VG
tatsächlich entgegensteht, vermag ich im Augenblick nicht zu sagen.
Aus
verfassungsrechtlicher Sicht wäre meiner Ansicht nach im Einzelnen die folgenden
Probleme zu prüfen:
Bedeutet die Aufhebung
des Art. 20 Abs. 3 nicht, dass der Instanzenzug in
Dienstrechtsangelegenheiten dann nicht mehr zwingend bis zum "obersten
Organ", also in der Regel bis zum Bundesminister, zu gehen hat? So könnte
ein Rechtsschutzdefizit entstehen oder der VwGH zusätzlich belastet werden.
Zwar ist die Berufungskommission in Versetzungsangelegenheiten
verfassungsrechtlich garantiert, doch könnte der Aufhebung des Art. 21
Abs. 3 B-VG nur unter der Bedingung der Einrichtung einer
Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Stufe näher getreten werden.
3. Art. 21
Abs. 3 B-VG hat noch einen weiteren Gehalt, der in der Literatur nur
vereinzelt erörtert wird (z.B. bei Thienel, Öffentlicher Dienst und
Kompetenzverteilung/1990/326). Mit der republikanischen Verfassung ist die
"Regierungsgewalt" vom Kaiser auf die obersten Organe, also
insbesondere die Bundesminister, übergegangen. Da das B-VG nun vom Grundsatz
der monokratischen Verwaltung beherrscht wird, bedeutet die Regelung der Diensthoheit
eine Art "Annexzuständigkeit": jenem obersten Organ, dem nach
Art. 20 Abs. 1 B-VG die Leitungsbefugnis obliegt, kommt auch -
unbeschadet gesetzlicher Delegationsmöglichkeit innerhalb seines Ressorts - die
personelle Kompetenz zu (auch die Sonderbestimmungen weisen in diese Richtung).
Dies würde bedeuten, dass zum einen nicht etwa die gesamte Personalführung bei
einem Bundesminister konzentriert werden könnte. Weiters hätten wir es auch mit
einer besonderen Ausgliederungsschranke zu tun. Es wäre dann etwa unzulässig,
dass eine "Bundespersonalagentur" - analog zur BIG in
Gebäudeangelegenheiten - mit der Verwaltung und Bereitstellung des
Bundespersonals betraut würde. Bisher hat man es offenbar für
selbstverständlich erachtet, dass ein Bundesminister eigenes Personal braucht,
auf das er auch dienstrechtlich zugreifen kann. Teilt man meine Vermutung
- "Diensthoheit als besondere Ausgliederungsschranke" - nicht, so
würden sich aus der allgemeinen Ausgliederungsjudikatur des VfGH Schranken dort
ergeben, wo einer solchen Stelle nicht nur "vereinzelte" Kompetenzen
der Diensthoheit übertragen werden. Das dürfte sich freilich allein schon aus
Art. 20 Abs. 1 B-VG ableiten lassen.
Ich habe auf diese
schwierigen Fragen keine abschließenden Antworten. Wenn es nur um die "Ausgegliederten"
geht - vgl. oben - dann würde eine spezielle Verfassungsvorschrift vielleicht
genügen. Man sieht aber, dass entgegen dem Eindruck, den das Arbeitspapier
vermittelt, die Aufhebung des Art. 21 Abs. 3 B-VG eine Reihe von
kniffligen Interpretationsfragen aufwirft. Ich würde daher einraten, vor einem
Konsens über eine Aufhebung eine ausgearbeitete Fachmeinung über die
Konsequenzen einzuholen, etwa durch den Verfassungsdienst.
Ich bitte, dieses Papier
auch den anderen Mitgliedern des Ausschusses zur Kenntnis zu bringen.
Mit den besten
Grüßen
Ihr Clemens Jabloner
Eingebracht im Ausschuss 6, 10.
Sitzung, 16.3.2004
Herrn
Generalsekretär
Mag. Werner
WUTSCHER
Bundesministerium für
Land- und Forstwirtschaft,
Umwelt und
Wasserwirtschaft
Stubenring 1 u. 12
1012 Wien Wien,
am 11. März 2004
E-Mail:
manuela.sigl@lebensministerium.at
Sehr geehrter Herr
Generalsekretär!
Zu dem am 4. März 2004
gemailten überarbeiteten Entwurf des Ausschussberichtes darf ich wie folgt
Stellung nehmen:
Zu S. 8: Im ersten
Absatz findet sich die nicht recht verständliche Formulierung
"Insbesondere wurden ideologische Unterschiede der Funktion des Staates
vermutet, die mit den Vorschlägen des Vorsitzenden nicht identisch waren".
Transparenter wäre m.A. nach folgende Ausführung: "Im Zuge der Diskussion
wurde deutlich, dass eine Diskussion über Verwaltungsreform nicht völlig von
den differenten Vorstellungen über die Funktion des Staates abgelöst werden
kann. Der Ausschuss konnte sich indessen auf die nachfolgend angeführten
Kriterien verständigen."
Im nächsten Absatz fehlt
mir - auch wenn ich die Perspektive der Modernisierer einnehme - eine
methodische Klammer: Vielleicht könnte man den zweiten Absatz wie folgt
einleiten: "In Österreich wird die staatliche Verwaltung traditionell
primär als Rechtsfunktion gedeutet. Damit stehen andere Deutungen im Rahmen der
Verwaltungslehre oder der Verwaltungspolitik nicht im Widerspruch, da es um die
Anwendung verschiedener Methoden geht. Im Ausschuss wurde verschiedentlich
vertreten, dass der juristische "Deutungsprimat" der Verwaltung durch
eine verstärkte Einbringung verwaltungspolitischer Gesichtspunkte ausgeglichen
werden sollte".
Zu den Ausführungen ab
Mitte dieser Seite ist festzuhalten, dass sie mit dem verfassungslegistischen
Projekt des Österreich-Konvents nur wenig zu tun haben. Allenfalls könnte man
diese Erwägungen in einen Annex verschieben.
In inhaltlicher Hinsicht
bin ich mit dem Inhalt des vorletzten Absatzes nicht einverstanden: Hier wird
zum Ausdruck gebracht, dass "eine konsequente Rückführung der staatlichen
Tätigkeiten auf die Kernaufgaben sichergestellt" werden soll. M.A. ist zu
unterscheiden zwischen der verfassungsrechtlichen Fragestellung, welche
"Kernaufgaben" nicht ausgegliedert werden dürfen und der allgemein
politischen Festlegung, dass alles außer den "Kernaufgaben"
ausgegliedert werden soll. Ich bin jedenfalls nicht der Auffassung, dass sich
der Staat auf die Kernaufgaben zurückziehen soll. Der Satz steht auch in einem
gewissen Spannungsverhältnis zum Folgenden, in dem die "Erbringung der
demokratisch legitimierten öffentlichen Leistungen" angesprochen wird. Das
können wohl auch andere Aufgaben als die Kernfunktionen sein.
In stilistischer
Hinsicht sollte man am normativen Stil der Rechtssprache festhalten und nicht
in die betriebswirtschaftliche "Leitbildsprache" abgleiten. Gemeint
ist doch, dass etwa eine klare Trennung der strategischen Führung von der
operativen Führung die Ablösung ermöglichen s o l l .
Zu S. 11: Das Beispiel
der "gesamten Justiz" im ersten Absatz ist nicht passend. Bei der
Justiz handelt es sich primär um Gerichtsbarkeit, also von vornherein nicht um
mittelbare Bundes"verwaltung". In Art. 102 Abs. 2 B-VG ist auch von
"Justizwesen" die Rede, was einen etwas anderen Gehalt hat. Das
Beispiel könnte einfach gestrichen werden.
Wie schon zum Ausdruck
gebracht, sollte im Folgenden ein Zusammenhang zur gescheiterten Bundesstaatsreform
der 90er Jahre hergestellt werden. Damals hatte sich gezeigt, dass mit einer
"Verländerung" der Vollziehung von Bundesgesetzen wegen Herstellung
des demokratischen Legitimationszusammenhangs sehr aufwändige
Ersatzkonstruktionen notwendig wären, die gerade aus verwaltungsökonomischer
Sicht den Wert des Systemwechsels wieder in Frage stellen. Dieses Element
übersieht auch Prof. Raschauer bei seinem Vorschlag der Textergänzung.
Auch müsste man - wenn man ihm folgt -, deutlich machen, dass diese Parallelitäten
bereits weitestgehend "abgeschöpft" sind, etwa durch Reformmaßnahmen
im Landwirtschaftsministerium. Das Modell Raschauer mit seiner gänzlichen
Auflassung einer Koordination auf der Ebene der Bundesverwaltung könnte nur
dann realisiert werden, wenn man die Landesregierung in einen unmittelbaren
Verantwortungszusammenhang zum Nationalrat brächte, was ich aus anderen Gründen
nicht für zweckmäßig hielte.
Eine Begutachtung des
schließlich überarbeiteten Teils über die mittelbare Bundesverwaltung darf ich
mir noch vorbehalten.
Zu S. 13: Der
Berichtsteil über das Thema "Weisung" ist noch immer etwas
undeutlich. Im neuen Entwurf findet sich unter 2. (S. 14) jetzt ein Hinweis auf
die bisherige Durchbrechungsmöglichkeit des Weisungsprinzips nach Art. 133 Z. 4
B-VG. Ich glaube aber, dass daraus nichts zu gewinnen ist. Hier ging es ja um
die Verwaltungsrechtsprechung durch Kollegialbehörden mit richterlichem
Einschlag und daher um kein verallgemeinerungsfähiges Modell der
Verwaltungsführung, wie dies auch vom VfGH bestätigt wurde. Legt man den neuen
Textvorschlag von Raschauer zu Grunde, dann müsste man - im Gegenzug - auch die
Gegenposition unter 4. etwas vertiefen. Insbesondere müsste darauf hingewiesen
werden, dass die allgemeine Geltung des Weisungsprinzips als Grundsatz von der
österreichischen Verfassungsrechtslehre besonders hoch angesetzt wird. So sagt
z.B. Raschauer, Art. 20 Abs. 1 B-VG, Rz 12, in: Korinek/Holoubek
(Hrsg.) B-VG Kommentar: "In größter Allgemeinheit ist der Grundsatz der leitungs-
und verantwortungsgebundenen Verwaltungsorganisation sogar
Verfassungsänderungen entzogen, bestehen also in den Grundprinzipien der
Verfassung Grenzen einer Abänderbarkeit ....." Diese Stelle hätte ich
schon sehr gerne im Ausschussbericht zitiert. Man kann auch nicht geltend
machen, dass der Gesetzgeber von einer generellen Ermächtigung quasi
"verfassungskonform" Gebrauch machen sollte, weil man diesfalls die
Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze von der Ebene des
Verfassungstextes unmittelbar in die Grundprinzipien verschöbe, was eine
ausgesprochen schlechte Verfassungstechnik wäre. Ich bin auch zu diesem Kapitel
davon geleitet, dass noch eine Gesprächsrunde stattfindet.
Zu S 16: Im Zusammenhang
des "Ausgliederungskapitels" herrschen nach meinem Eindruck nach noch
wesentliche Auffassungsunterschiede: Meiner Ansicht nach ist die
Ausgliederungsjudikatur des VfGH nicht so unklar (vgl. etwa das Gutachten von
Kucsko-Stadlmayer beim letzten ÖJT). Es wäre die Aufgabe des Ausschusses 6 oder
jedenfalls des Verfassungskonvents allenfalls diese Judikatur in den
Verfassungstext zu übernehmen. Verfassungspolitisch bin ich der Meinung, dass
der Judikatur des VfGH keinesfalls "gegengesteuert" werden sollte. In
der Determination "erforderlichenfalls" sehe ich keinen Ausdruck
eines "Subsidiaritätsprinzips", es sei denn, man würde dessen Geltung
unabhängig vom Verfassungsrecht annehmen. Den Textvorschlag lehne ich somit ab.
Zu S. 17: Zum letzten
Absatz meine ich, dass es hier nicht um Art. 98 B-VG geht
- diese Bestimmung betrifft das Gesetzgebungsverfahren der Länder -
sondern um Art. 97 Abs. 2 B-VG, d.h. die Vorsehung der Mitwirkung von
Bundesorganen an der Landesvollziehung. Diesfalls gibt es aber ein massives
Bundesinteresse, insbesondere die Mitwirkung von Exekutivorganen unter
Kontrolle zu behalten.
Zu S. 20: Die
Richtigkeit der Ausführungen im ersten Absatz erscheint mir zweifelhaft:
Zutreffend ist, dass es keine Auflösung der Dienstverhältnisse
öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse wegen Auflassung des Arbeitsplatzes
gibt. Es ist aber zu fragen, in welchen Grenzen eine derartige
Kündigungsmöglichkeit bei Vertragsbediensteten besteht. Oder will man massiv
auch unter dieses Niveau?
Zu S. 21: Hier verweise
ich zunächst auf mein bereits eingebrachtes Papier zu Art. 21 Abs. 3 B-VG.
Es wäre wie ausgeführt verfassungsdogmatisch zu prüfen, inwieweit das Vorhaben,
die Personalgestion der Bundesbediensteten bei ausgegliederten Rechtsträgern zu
vereinheitlichen, unter der Geltung des Art. 21 Abs. 3 B-VG
verwirklicht werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein, dann wäre
Art. 21 Abs. 3 entsprechend zu ergänzen. Die derzeit vorgeschlagene
Auflassung geht mir zu weit.
Zu S. 26: Im
Textvorschlag sollte es - im Sinn einer normativen Stilistik - nicht lauten
"handeln" sondern "sind verpflichtet ... zu handeln".
Aufrecht bleiben meine Zweifel am Sinn der "Wirksamkeitsnorm": Wenn
man - wie NPM - gerade der Steuerungskraft von Rechtsnormen misstraut, sondern
auf die "Wirklichkeit" setzt, so ist es doch ein Widerspruch, dies
dann "anzuordnen" oder?
Die oben angestellten
Erwägungen gelten auch für die vorgelegten Normtexte.
Mit der Bitte um
Information der Mitglieder verbleibe ich
mit den besten Grüßen
Ihr Clemens Jabloner
Eingebracht im Ausschuss 6, 11. Sitzung,
23.3.2004
Eingebracht im Ausschuss 6, 11.
Sitzung, 23.3.2004
Herrn
Generalsekretär
Mag. Werner
WUTSCHER
Bundesministerium für
Land- und Forstwirtschaft,
Umwelt und
Wasserwirtschaft
Stubenring 1 u. 12
1012 Wien Wien,
am 17. März 2004
E-Mail:
manuela.sigl@lebensministerium.at
Sehr geehrter Herr
Generalsekretär!
Im Folgenden darf ich
zwei Nachträge zur gestrigen Sitzung und einen Kommentar zu den Vorschlägen der
WKÖ deponieren:
I. Zur Weisungsfrage:
Wenn man die Ergänzung
von Prof. Raschauer berücksichtigt - wogegen ich keinen grundsätzlichen Einwand
habe - dann würde ich bitten "im Gegenzug" die Passage unter
"4. Verfassungsrechtliche Festlegung weisungsfreier Bereiche als
Lösungsansatz" wie folgt zu formulieren:
"Als Gegenvorschlag
wurde in die Ausschussberatungen eingebracht, vom Verfassungsvorbehalt bei der
Weisungsfreistellung nicht abzugehen, da die staatsrechtliche Funktion der
Weisung darin liegt, die demokratische Legitimation und die demokratische
Kontrolle der Verwaltung zu garantieren. Die Notwendigkeit einer Entlastung des
formellen Verfassungsrechts wie auch die Zweckmäßigkeit, in einzelnen Bereichen
der Verwaltung von der Weisungsbildung abzugehen, wird dabei nicht verkannt.
Die vorgeschlagene allgemeine "Lockerungsregel" enthält aber keine
sachhaltige Determinante. Dies würde bedeuten, dass der Gesetzgeber in Zukunft
beliebige Bereiche der Verwaltung aus der Hierarchie und damit Verantwortung
herausnehmen könnte, was an sich ja von niemandem angestrebt wird. Eine
nachprüfende Kontrolle des Gesetzgebers durch den VfGH wäre dann nur mehr
denkbar, wenn man in die Ermächtigung des Art. 20 B-VG, weisungsfreie Organe
einzurichten, die genannten - eben unscharfen - Strukturüberlegungen
miteinbezieht. Damit würde die Bundesverfassung aber für diesen Bereich ihre
regulatorische Funktion verlieren. Deshalb wird vorgeschlagen, ......"
Den ersten Absatz auf
Seite 15 bitte wie folgt zu ergänzen:
"...
Es ist weiters auch zu
erwarten, dass - im Lichte der jüngsten Judikatur des VfGH - die
Rechtsschutzbeauftragten im Siebenten Hauptstück der Bundesverfassung speziell
geregelt werden. Dazu wird auf den Ausschuss 9 verwiesen. Die Frage der
weisungsfreien Grenzkommissionen wird derzeit im allgemeineren Rahmen vom
Ausschuss 2 diskutiert, allenfalls könnte auch die hier vorgesehene
Ermächtigung entfallen. Hinzuweisen ist schließlich auf den alternativen
Textvorschlag im Bericht des Ausschusses 7."
II. Zur Frage der
obersten Organe:
Grundsätzlich teile ich
die Auffassung, dass eine derartige Bestimmung zweckmäßig ist. Es gibt ja dazu
Judikatur des VfGH und andere Verfassungsbestimmungen knüpfen an Art. 19
Abs. 1 B-VG an. Die Formulierung von Prof. Raschauer ist besser als die
vorgeschlagene. Allerdings sollte meiner Ansicht nach Art. 19 Abs. 1
auf die bisher genannten obersten Organe des Bundes und der Länder beschränkt
bleiben. Der Grund dafür liegt darin, dass nur diese Organe im eigentlichen
Sinn "die" Verwaltung führen, wohingegen die anderen Organe -
Bundespräsident, Vorsitzender der Volksanwaltschaft, Präsident des
Rechnungshofes, Präsidenten der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts - nur
"ihre" Verwaltung führen. Auch würde dann das Regime des
Unvereinbarkeitsgesetzes nicht richtig greifen, da es sich jedenfalls beim
Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes nicht um einen politischen Funktionär,
sondern um einen Berufsrichter handelt, für den das RDG gilt. Ich trete daher
eher dafür ein, die Stellung dieser Organe - und zwar soweit möglich nach einem
einheitlichen Standard - an den jeweiligen Stellen der Bundesverfassung zu
regeln.
III. Zu den gemeinsamen
Organen:
Das folgende Kapitel
"Oberste Organe übergreifende Behördenstruktur" ist in der
gegenwärtigen Textierung etwas inhomogen. "Gemeinsame
Verwaltungsstrukturen" und zwar sowohl zwischen Bundesministerien, als
auch zwischen Bund und Ländern, gibt es schon bisher. Wenn man zugleich
vorsehen will, dass die Verantwortung für die Wahrnehmung der übertragenen
Aufgaben unberührt bleibt, dann handelt es sich ohnedies nur um Formen der
mittelbaren Verwaltung. Ich habe gegen dieser Ermächtigung gar keine
grundsätzlichen verfassungspolitischen Bedenken, sehe aber noch nicht ganz
durch, was eigentlich gewollt wird.
IV. Zu den Vorschlägen
der WKÖ:
Zu 1.: Damit bin
ich einverstanden.
Zu 2.: Der erste
Punkt ist meines Erachtens etwas ungenau. Das Amt der Landesregierung ist
gelegentlich eine eigenständige Landesbehörde, grundsätzlich aber der
Geschäftsapparat der obersten Organe der Landesverwaltung resp. des
Landeshauptmannes in der mittelbaren Bundesverwaltung. Auf sozusagen gleicher
Stufe stehen die Bundesministerien in Relation zu den Bundesministern. Auf
Bundesebene ist es noch deutlicher, dass das monokratische Organ
"Bundesminister" und sein Geschäftsapparat
"Bundesministerium" zu einer untrennbaren Einheit verschmelzen. Das
ist auch der hauptsächliche Gehalt des Art. 77 Abs. 1 B-VG. Ich würde deshalb
in der beispielhaften Aufzählung neben dem Amt der Landesregierung auch das
Bundesministerium erwähnen. Auf dieser Ebene hat die Sache meines Erachtens mit
"Ausgliederungen" noch nichts zu tun. Vielmehr geht es darum, dass
immer dann, wenn der Bundesminister irgendwelche Zuständigkeiten hat, er sich
dazu seines Geschäftsapparates "Bundesministerium" zu bedienen hat.
D.h. nicht, dass er nicht im Wege des Bundesministeriums etwa einen
Rechtsanwalt konsultieren kann. Es sollte aber nicht der Fall eintreten, dass
Amtsgeschäfte des Bundesministers "selbst" unter Umgehung des
Geschäftsapparates, und daher auch der Grundsätze der Aktenführung etc.,
ausgelagert werden.
Der Vorschlag,
nicht Bundesbehörden in den Ländern verfassungsrechtlich zu zementieren,
überzeugt mich völlig und ich habe ihn ja auch in der letzten Sitzung spontan
unterstützt. Hier gibt es meines Erachtens auch bedeutende
Einsparungspotentiale.
Zu 3.: Die Formulierung
stellt zweifellos einen Fortschrift gegenüber bisherigen Vorstellungen dar,
wirft aber noch immer mehrere schwierige Probleme auf. Zunächst möchte ich auf
die oben stehenden Ausführungen verweisen. Eine Ausgliederung oder Beleihung
kommt - so lange ein Bundesminister noch irgendwelche Zuständigkeiten hat - nur
auf der Ebene darunter, also auf jener der "unterstellten
Bundesämter" in Frage. Hier liegt glaube ich ein Missverständnis vor.
Im Übrigen ist
die Bestimmung einerseits zu undifferenziert: Man muss zunächst davon ausgehen,
dass nach überwiegender Anschauung bei einer Ausgliederung
privatwirtschaftlicher Agenden auch ein Ausscheiden aus dem Verwaltungsbegriff
des B-VG und daher nach verfassungsrechtlichen Kriterien eine Verlagerung in
den nicht staatlichen Bereich bewirkt wird. (Näher Kucsko-Stadlmayer, Grenzen
der Ausgliederung, 15. ÖJT I/1/2003/S. 68). Für diesen
Bereich gilt Art. 20 B-VG nicht, es kann aber notwendig sein, im Hinblick auf
sonstige verfassungsrechtliche Erwägungen - Rechnungshofkontrolle,
Gleichheitssatz - "Ingerenzbeziehungen", etwa
gesellschaftsrechtlicher Art zu
normieren. Insoweit ist der Vorschlag positiv zu sehen. Auf der anderen Seite
gilt aber Art. 20 B-VG, insoweit ausgegliederte Rechtsträger
"beliehen" werden. Und in diesem Rahmen kommt eine Lockerung der
Weisungsgebundenheit nicht in Betracht. Das Problem der vorgestellten
Formulierung liegt darin, dass sie dem Wortlaut nach auch in den hoheitlichen
Bereich hinüber ragt. Nur bei systematischer Auslegung - eben wenn man Art. 20
B-VG "hineinliest" - ergibt sich die notwendige Zweiteilung. Das
erscheint mir aber verfassungstechnisch sehr problematisch zu sein. Man könnte
die vorgeschlagene Formulierung insoweit absichern, als man setzt:
"Unbeschadet Art. 20 B-VG können dafür erforderlichenfalls unter der
Voraussetzung der Wahrung ......". Eine besonders elegante
Verfassungslegistik wäre das allerdings nicht.
Ein weiteres
Problem liegt in den Grenzen der Ausgliederung im Sinne der Judikatur des VfGH.
Das Aufrechterhalten des Weisungszusammenhangs ist ja nur eines von mehreren
Kriterien. Dazu kommt die Unausgliederbarkeit von "Kernaufgaben", die
bloß vereinzelte Übertragung von Hoheitsrechten etc. Wie man sich hier
entscheidet, ist eine Frage der Verfassungspolitik. Aus meiner Sicht wäre
allerdings der einschränkenden Judikatur des VfGH zu folgen, wobei ich
einräume, dass eine Formulierung dafür nicht schon auf der Hand liegt. Mir
kommt es zunächst vor allem auf die Relation
Hoheitsverwaltung/Weisung/parlamentarische Verantwortung an.
Mit den besten Grüßen,
Ihr Clemens Jabloner
Eingebracht im Ausschuss 6, 4.
Sitzung, 4.12.2003
Diskussionsbeitrag zum Thema
„Bereich öffentlicher Dienst“
1.
Jeder Staat braucht einen starken und leistungsfähigen öffentlichen Dienst. Dies aus flogenden Gründen:
· Die Bevölkerung benötigt eine Vielzahl öffentlicher Dienstleistungen
wie z.B. Gesundheit, Bildung, Infrastruktur, soziale und persönliche Sicherheit
– der öffentliche Dienst stellt sie zur Verfügung.
· Die Bevölkerung muss sich auf die Korrektheit und Sachlichkeit des
öffentlichen Dienstes verlassen können: Rechtssicherheit, Unparteilichkeit,
Verlässlichkeit – nach diesen Grundsätzen werden öffentliche Dienstleistungen
erbracht.
· Der Wirtschaftsstandort Österreich braucht einen effizienten
öffentlichen Dienst: gut ausgebildete Mitarbeiterinnen, verlässliche Rahmenbedingungen
für die Betriebe, effiziente Abwicklung der Abgabenverwaltung – der öffentliche
Dienst orientiert sich an diesen Zielen.
· Die Steuerzahler/innen erwarten hochwertige öffentliche
Dienstleistungen für ihr Steuergeld. Der öffentliche Dienst fühlt sich dem
Leistungsniveau und nicht einem Billigstpreisprinzip verpflichtet.
· In vielen Bereichen ist der Staat der privaten Wirtschaft überlegen,
weil er bessere Qualitätssicherungen, ein besseres Arbeitsethos und
spezialisierte Qualifikationen in der nötigen Breite zu vergleichsweise
geringen Kosten anbieten kann (Beispiele: Krankenpflege, Unterricht,
Sicherheit)
2.
Die österreichische
Verwaltung und der österreichische öffentliche Dienst zählen im internationalen
Vergleich - auch beim EU-internen Benchmark - zu den besten Systemen. Es ist
wesentlich, diesen Qualitätsstandard aufrechtzuerhalten. Dafür ist es unter
anderem notwendig,
·
den öffentlichen Dienst im Allgemeinen rechtlich gut
abzusichern,
·
dass alle staatlichen Funktionäre sich bemühen, das Image
des öffentlichen Dienstes zu verbessern
·
die Spitzenfunktionäre der Verwaltung mit den Befugnissen
auszustatten, die Manager der obersten Ebene brauchen
·
das Management gegen sachfremde Eingriffe in sein Handeln
abzusichern
·
funktionierende Subsysteme und Handlungsinstrumente nicht
zu zerstören, bevor nicht klar besser bewertete Alternativen funktionieren
·
ein möglichst einheitliches System des öffentlichen
Dienstrechts für alle öffentlichen Dienstgeber zu entwickeln.
3.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst müssen sich
von der Rechtsordnung faire Arbeitsbedingungen erwarten können:
· Die rechtliche Sicherung des erforderlichen Status (der nicht ein pragmatisiert
sein muss, aber jedem Versuch entgegenwirkt, den gesetzeskonformen Vollzug zu
beeinflussen)
· Mehr Möglichkeiten, Verantwortung zu übernehmen, durch
ergebnisorientierte Spielregeln und mehr Freiheit für die einzelnen
Dienststellen bei der Umsetzung vorgegebener Leistungsziele.
· Rechtliche Anerkennung der im öffentlichen Dienst erbrachten
Leistungen. Der öffentliche Dienst ist mehr als ein Ausgabenblock im Budget.
· Gute Weiterentwicklungsmöglichkeiten durch Fortbildung,
Personalentwicklung und leistungsorientierte Vergabe von Funktionen.
· Leistungsorientierte Bezahlung.
4.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst haben auch
einen Anspruch auf Unterstützung durch die Politik:
· Ein leistungsfähiger öffentlicher Dienst hat eine eminente politische
Dimension, die von der Politik so kommuniziert werden soll. Der Gegensatz
zwischen Politik und Verwaltung ist nicht in der Verfassung angelegt und soll
daher auch in der Verfassungsrealität nicht aufgebaut werden.
· Die Qualifikation der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst ist gut, die
Mitarbeiter/ Innen erwarten sich auch politische Aussagen und Aktivitäten
hiezu, um sie permanent zu verbessern. Die dafür erforderlichen Institutionen
sind abzusichern.
5.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im österreichischen öffentlichen
Dienst wissen schon heute, dass sich ihr Berufsbild laufend verändert:
· Die Leistungs- und Kundenorientierung tritt immer mehr in den
Vordergrund.
· Die Abläufe in der Verwaltung werden immer stärker auf Effizienz
überprüft.
· Als Ergebnis steigt die Produktivität im öffentlichen Dienst.
· Die Personalvertretung verschließt sich nicht grundsätzlich den künftigen
Herausforderungen.
Diese Veränderungen sollen auch im Dienstrecht widergespiegelt werden.
Dies könnte zB bedeuten
-
Schaffung des „politischern Beamten“ ähnlich den deutschen
Regelungen
-
Bestellung
der Spitzenfunktionäre nicht auf 5 Jahre, sondern System von
Zielvereinbarungen
-
klare Besoldungshierarchie entsprechend der Position
-
Prämiensysteme in der Entlohnung von Verantwortungsträgern
-
Delegation von Verantwortung
-
Abbau der unqualifizierten und daher besonders schlecht
bezahlten Hilfstätigkeiten, Anhebung des Qualifikationsniveaus
Betr:
Österreich-Konvent; Ausschuss 6
Vorschlages zum Mandatspunkt "Gesundheitsverwaltung"
Eine aktuelle Analyse der OECD nennt drei
"Goldene Regeln" für die Weiterentwicklung
des Gesundheitswesens: Kundenorientierung verstärken, Qualität verbessern,
Preis- Leistungsverhältnis optimieren. Der Weg dorthin führt über drei
Schritte:
Auf dieser Basis wird ein konkretes Modell
zur Weiterentwicklung des österreichischen Gesundheitswesens vorgeschlagen, das
auf folgenden Grundsätzen aufbaut:
·
Stärkung des
sozialen Zusammenhalts in der Gesellschaft.
·
Festlegung
von qualitativ und quantitativ messbaren Gesundheitszielen, die sicherstellen,
dass alle Akteure im Gesundheitswesen zielgerichtet und koordiniert vorgehen.
·
Gleicher
Zugang zur Gesundheitsversorgung für alle.
·
Stärkung der
Patientenrechte und des Service im Gesundheitswesen.
·
Effizienter
Einsatz der Geldmittel im Gesundheitswesen und Stärkung der Qualität.
Für die operative Umsetzung einer solchen
Gesundheitsreform wird konkret ein kooperatives Modell zur Steuerung im
Gesundheitswesen vorgeschlagen, das ein österreichweit abgestimmtes Vorgehen in
der Gesundheitspolitik, an einheitlichen Zielen orientiert, sicherstellt. Seine
Merkmale sind
·
Ein
österreichischweites Gesundheitssystem (nicht 9 unterschiedliche
Ländersysteme/mit unterschiedlichen Krankenversicherungsbeiträgen)
·
Koordinierte
Vorgehensweise von Bund und Ländern
·
Transparenz
und demokratische Legitimation
·
Maßgebliche
Verantwortung von öffentlicher Hand und Sozialversicherung
·
Sicherstellung
der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung
·
Partnerschaft
unter Einbeziehung der Leistungserbringer
·
Effizientes
Management
·
Zielorientierung
(-vereinbarung), Transparenz, Evaluierung
In institutioneller Hinsicht kommen den
Akteuren der "Gesundheitspartnerschaft" folgende Rolle zu:
·
Österreichweite
Vorgabe der Ziele durch den Gesetzgeber und
·
Erstellung
des Österreichischen Gesundheitsplans durch eine Vereinbarung gem.Art.15a B-VG
oder ein vergleichbares Instrument.
·
Einrichtung
einer Bundesgesundheitskonferenz bzw. 9 Landesgesundheitskonferenzen unter
Beteiligung von Sozialversicherungen, Gemeinden, Städte, Länder, Bund,
Patientenselbsthilfe, Patientenanwalt, Leistungserbringer (Ärzte, Apotheken,
Krankenhäuser etc.. ). Darin soll auch sichergestellt werden, dass nicht
Beschlüsse gefasst werden, die unfinanzierbar sind, daher Sicherstellung, dass
die "Zahler" nicht überstimmt werden können.
·
Einrichtung
einer unabhängigen Schlichtungsstelle, die mittels 15a-Vereinbarung
implementiert werden soll. Wenn in den Landeskonferenz keine Einigung erzielt
wird, kann diese von allen Akteuren angerufen werden.
·
Institutionen
zu Evaluierung, Qualitätskontrolle und Wissenstransfer, Institut für
Gesundheitsplanung, Institut für Qualitätssicherung
· Streitigkeiten zwischen Akteuren des Gesundheitswesens, insbesondere Gebietskörperschaften, sind nicht durch Zivilprozesse, sondern durch Schiedsgerichte oder im Verwaltungsweg in rascher kostengünstiger Form ohne Anwaltszwang zu entscheiden.
Für
den Bereich des Mandates des Ausschusses 6 ergeben sich daraus die folgenden
Vorschläge für Änderungen in der Bundesverfassung und damit unmittelbar
zusammenhängende Rechtsänderungen:
Festlegung österreichweit einheitlicher PatientInnenrechte auf der Basis einer
ausreichenden Grundrechtsnorm. Sicherung der Durchsetzbarkeit von
Patientenrechten auch gegenüber privatrechtlichen Entitäten und in
kostengünstiger Weise; Betreiber
von Krankenanstalten sollen sich nicht durch eine "Flucht ins
Privatrecht" dem Rechtsschutz entziehen können.
1.
Sicherung des Bestandes der Sozialversicherungen als
Selbstverwaltungskörper.
2.
Kompetenz
für die Festlegung der Gesundheitsziele und die Erstellung des
Österreichischen Gesundheitsplans durch den Bund. Sicherung der Möglichkeit,
verbindliche Ziele in einer 15a-Vereinbarung festzulegen.
3.
Schaffung einer Grundlage für die Erstellung des
Österreichischen Gesundheitsplans
4.
Einrichtung von Schlichtungsstellen, die bei
Nichteinigung im Umsetzungsprozess von jedem Beteiligten angerufen werden
können und die durchsetzbare
Entscheidungen zu treffen haben.
5.
Einbeziehung des Finanzausgleiches in Finanzierungsfragen
des Gesundheitswesens zwischen Bund, Ländern,Gemeinden und
Sozialversicherung, in den
allgemeinen Finanzausgleich.
6.
Festlegung, dass Datenschutzinteressen eines
Behandlers hinsichtlich der Behandlungs- und Abrechnungsdaten gegenüber dem Patienten
und dem öffentlichen Gesundheitswesen (wenn die Leistung daraus finanziert
wurde) zurückzutreten haben. Das Interesse des Patienten an seinen eigenen
Gesundheitsdaten muss Vorrang haben vor allfälligen
betriebswirtschaftlich-privaten Interessen eines Krankenanstaltenbetreibers.
7.
Information der Patienten über Behandlungen (ärztliche
Aufklärung determinieren, Auskunftspflicht von Versicherungen, Aufbau eines
Informationsnetzwerkes, in welchem der Patient seine Daten mit
e-card/Bürgerkarte abfragen kann).
8.
Klare Definition der Verantwortlichkeit der
behandelnden Fachkräfte, es müssen klare Verantwortungsregeln auch im
Medizinbereich sichtbar werden.
Eingebracht im Ausschuss 6, 6.
Sitzung, 7.1.2004
Diskussionsvorschlag
Bildungsreform-Schulverfassung
Prinzipielle Neuordnung des
Schulwesens in einem „bottom up-Prozess“, unter Neuschaffung gänzlich neuer
verfassungsrechtlicher Strukturen zur Verwirklichung der Schule der Zukunft;
der Finanzausgleich muss diesem Konzept folgen und nicht umgekehrt. Prinzipien
des Schulwesens: Chancengleichheit, Partizipation, öffentliches Schulwesen
·
Erste
Ebene: autonome Schule
o Schulgröße mindestens 300 bis 1.000
Schüler, aufgeteilt auf mehrere Standorte (Mindestgröße für sinnvolle
Verwaltung)
o Mittelzuteilung mit Sockelbetrag,
Schülerzahl und anderen objektiven Kriterien
o Freiheit in der Schul- und
Unterrichtsorganisation
o Schultyp von Bildungsregion
vorgegeben, aber nur hinsichtlich Altersgruppe und Ausbildungszielen
o Lehreranstellung durch den
Schulleiter auf Grund einer Beratung in einem „Personalkomitee“
o Ressourcenverwaltung durch
Schulleiter nach Beratung in einem Beirat aus den Schulpartnern
o Lehrer grundsätzlich ganztags an der
Schule tätig, in welcher Angebotsform (ganztägiger Unterricht, nachmittags
Sprechstunden und Unterstützungsgruppen usw.) entscheidet Schule unter
Koordination der Bildungsregion
o Schulleiter wird befristet auf fünf
Jahre auf Grund eines von der Schule ausgearbeiteten Dreier-Vorschlages
bestellt
·
Zweite
Ebene: Bildungsregion
o In der Größe mehrer Bezirke,
funktionelle Größe so, dass innerhalb der Region ein gesamtes Bildungsspektrum
(mit Ausnahme von Spezialschulen) gewährleistet werden kann.
o Aufgabe: Koordination und
Qualitätssicherung; ist hauptverantwortlich, dass die Schulen die festgelegten
Bildungsziele auch erreichen.
o Servicefunktionen für die autonomen
Schulen (Durchführung von Ausschreibungen, Vertragsabschlüsse, Rechtsberatung,
usw.)
o Organe der Bildungsregion sind der
Bildungsrat (bestellt auf Grund direkter Wahl gemeinsam mit den Landtagswahlen
und ergänzt um Repräsentanten der Bildungseinrichtungen) und der regionale
Bildungsmanager (auf Grund eines Anforderungsprofils durch den Landesausschuss
bestellt durch den Bildungsrat)
·
Dritte
Ebene: Land
o Gemeinsamer Schulausschuss von
Landtag und Landesregierung
o Vorgaben für die Bildungsregionen
o Kontrolle der Mittelverwendung
o Festlegung der Schultypen
o Evaluation der Ergebnisse
·
Vierte
Ebene: Bund:
o Gesetzgebung: Schulverfassung,
Schüler-, Lehrer- und Elternrechte, Ziele, Evaluationsmethoden, bundesweite
Standards
o Bundesministerium: Evaluation und
Forschung, Koordination zwischen Ländern
Eingebracht im Ausschuss 6, 10.
Sitzung, 16.3.2004
Auskunftspflicht/Amtsverschwiegenheit
Artikel 49. Jede Person hat das
Recht, über Angelegenheiten öffentlicher Einrichtungen Auskunft zu erhalten und
in deren Dokumente Einsicht zu nehmen. Die Auskunft und der Zugang können im
öffentlichen Interesse oder zum Schutz von Rechten und Freiheiten anderer
gesetzlich beschränkt werden.
Eingebracht im Ausschuss 6
Vorschlag zur Neuregelung der Vollziehung des Landes
bei Ersetzung der mittelbaren Bundesverwaltung durch
eine generelle Steuerungsbefugnis des Bundes
Die Art.
101 bis 107 B-VG werden durch folgende Art. 101 bis 105 ersetzt:
„Artikel 101. (1) Die Vollziehung jedes Landes übt eine vom Landtag zu wählende Landesregierung aus.
[(2) Die Mitglieder der Landesregierung müssen nicht dem Landtag angehören. Jedoch kann in die Landesregierung nur gewählt werden, wer zum Landtag wählbar ist.][154]
(3) Die Landesregierung besteht aus dem Landeshauptmann, der erforderlichen Zahl von Stellvertretern und weiteren Mitgliedern.
(4) Der Landeshauptmann wird vom Bundespräsidenten, die anderen Mitglieder der Landesregierung werden vom Landeshauptmann vor Antritt des Amtes auf die Bundesverfassung angelobt. Die Beifügung einer religiösen Beteuerung ist zulässig.
[(5) Der
Landeshauptmann vertritt das Land.][155]
Artikel 102.[156] (1) Landesgesetze werden vom Land vollzogen.
(2) Insoweit ein Landesgesetz bei der Vollziehung die Mitwirkung von Bundesorganen vorsieht, muß hiezu die Zustimmung der Bundesregierung eingeholt werden. Die Zustimmung gilt als gegeben, wenn die Bundesregierung nicht binnen acht Wochen von dem Tage, an dem der Gesetzesbeschluß beim Bundeskanzleramt eingelangt ist, dem Landeshauptmann mitgeteilt hat, daß die Mitwirkung der Bundesorgane verweigert wird. Vor Ablauf dieser Frist darf die Kundmachung des Gesetzesbeschlusses nur erfolgen, wenn die Bundesregierung ausdrücklich zugestimmt hat.
Artikel 103. (1) Bundesgesetze werden vom Land vollzogen, soweit nicht der Bund eigene Bundesbehörden errichtet. Die Errichtung von eigenen Bundesbehörden für andere als im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bundesverfassung[157] von Bundesbehörden vollzogene Angelegenheiten kann nur mit Zustimmung der beteiligten Länder erfolgen.
(2) Der Bund kann in Vollziehung der Bundesgesetze generelle Weisungen erteilen. Diese sind zu veröffentlichen, soweit ihre Geheimhaltung nicht im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder der umfassenden Landesverteidigung geboten ist.[158]
(3) Das Land
ist verpflichtet, dem Bund alle Informationen über die Vollziehung von
Bundesgesetzen, auch im Einzelfall, zu erteilen und auf Verlangen die darauf
Bezug habenden Akten vorzulegen. Verletzt ein Land diese Pflicht, kann der Bund
durch eigene Organe Einschau nehmen. Art. 142 Abs. 2 lit. e gilt.[159]
Artikel 104. (1) Landesbehörden, die Bundesgesetze vollziehen, sind das Amt der Landesregierung und die diesem unterstellten Bezirksverwaltungsbehörden.
(2) Vorstand des Amtes der Landesregierung ist der Landeshauptmann. Unter seiner unmittelbaren Aufsicht obliegt die Leitung des inneren Dienstes dem Landesamtsdirektor.
(3) Das Nähere über die Stellvertretung und die Organisation der Landesbehörden wird durch Landesgesetz geregelt.
Artikel 105. Soweit Bundesgesetze nach Art. 17 nichts anderes bestimmen, ist Art. 103 auf die Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes nur insoweit anzuwenden, als der zuständige Bundsminister die Besorgung solcher Geschäfte dem Land überträgt. Die Übertragung kann jederzeit ganz oder teilweise widerrufen werden. Soweit keine andere Vereinbarung getroffen wird, hat der Bund die Kosten zu tragen.“
Synopse
Neue Fassung |
Alte Fassung |
Artikel 101. (1) Die Vollziehung jedes Landes übt eine
vom Landtag zu wählende Landesregierung aus. (2) Die Landesregierung besteht aus dem
Landeshauptmann, der erforderlichen Zahl von Stellvertretern und weiteren
Mitgliedern. (3) Der Landeshauptmann wird vom Bundespräsidenten,
die anderen Mitglieder der Landesregierung werden vom Landeshauptmann vor
Antritt des Amtes auf die Bundesverfassung angelobt. Die Beifügung einer
religiösen Beteuerung ist zulässig. |
Artikel 101. (1) Die Vollziehung jedes Landes übt eine
vom Landtag zu wählende Landesregierung aus. [(2) Die Mitglieder der Landesregierung müssen nicht
dem Landtag angehören. Jedoch kann in die Landesregierung nur gewählt werden,
wer zum Landtag wählbar ist.][160] (3) Die Landesregierung besteht aus dem
Landeshauptmann, der erforderlichen Zahl von Stellvertretern und weiteren
Mitgliedern. (4) Der Landeshauptmann wird vom Bundespräsidenten,
die anderen Mitglieder der Landesregierung werden vom Landeshauptmann vor
Antritt des Amtes auf die Bundesverfassung angelobt. Die Beifügung einer
religiösen Beteuerung ist zulässig. |
[(4) Der Landeshauptmann vertritt das Land.][161] |
Artikel 105. (1) Der Landeshauptmann vertritt das Land.
Er trägt in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung die
Verantwortung gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 142. Der
Landeshauptmann wird durch das von der Landesregierung bestimmte Mitglied der
Landesregierung (Landeshauptmann-Stellvertreter) vertreten. Diese Bestellung
ist dem Bundeskanzler zur Kenntnis zu bringen. Tritt der Fall der Vertretung
ein, so ist das zur Vertretung bestellte Mitglied der Landesregierung
bezüglich der Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung gleichfalls
der Bundesregierung gemäß Artikel 142 verantwortlich. Der Geltendmachung
einer solchen Verantwortung des Landeshauptmannes oder des ihn vertretenden
Mitgliedes der Landesregierung steht die Immunität nicht im Weg. Ebenso steht
die Immunität auch nicht der Geltendmachung der Verantwortung eines
Mitgliedes der Landesregierung im Falle des Artikels 103, Absatz 3,
im Weg. (2) Die Mitglieder der Landesregierung sind dem
Landtag gemäß Artikel 142 verantwortlich.[162] (3) Zu einem Beschluß, mit dem eine Anklage im Sinne
des Artikels 142 erhoben wird, bedarf es der Anwesenheit der Hälfte der
Mitglieder.[163] |
Artikel 102. (1) Landesgesetze werden vom Land
vollzogen. |
|
(2) Insoweit ein Landesgesetz bei der Vollziehung die
Mitwirkung von Bundesorganen vorsieht, muß hiezu die Zustimmung der
Bundesregierung eingeholt werden. Die Zustimmung gilt als gegeben, wenn die
Bundesregierung nicht binnen acht Wochen von dem Tage, an dem der
Gesetzesbeschluß beim Bundeskanzleramt eingelangt ist, dem Landeshauptmann
mitgeteilt hat, daß die Mitwirkung der Bundesorgane verweigert wird. Vor
Ablauf dieser Frist darf die Kundmachung des Gesetzesbeschlusses nur
erfolgen, wenn die Bundesregierung ausdrücklich zugestimmt hat. |
Artikel 97 (2) Insoweit ein Landesgesetz bei der Vollziehung
die Mitwirkung von Bundesorganen vorsieht, muß hiezu die Zustimmung der
Bundesregierung eingeholt werden. Die Zustimmung gilt als gegeben, wenn die
Bundesregierung nicht binnen acht Wochen von dem Tage, an dem der
Gesetzesbeschluß beim Bundeskanzleramt eingelangt ist, dem Landeshauptmann
mitgeteilt hat, daß die Mitwirkung der Bundesorgane verweigert wird. Vor
Ablauf dieser Frist darf die Kundmachung des Gesetzesbeschlusses nur
erfolgen, wenn die Bundesregierung ausdrücklich zugestimmt hat.“ |
Artikel 103. (2)
Bundesgesetze werden vom Land vollzogen, soweit nicht der Bund eigene
Bundesbehörden errichtet. Die
Errichtung von eigenen Bundesbehörden für andere als im Zeitpunkt des
Inkrafttretens dieser Bundesverfassung[164]
von Bundesbehörden vollzogene Angelegenheiten kann nur mit Zustimmung der
beteiligten Länder erfolgen. (2) Der Bund kann in Vollziehung der Bundesgesetze
generelle Weisungen erteilen. Diese sind zu veröffentlichen, soweit ihre
Geheimhaltung nicht im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe,
Ordnung und Sicherheit oder der umfassenden Landesverteidigung geboten ist.[165] (3) Das Land ist verpflichtet, dem Bund alle
Informationen über die Vollziehung von Bundesgesetzen, auch im Einzelfall, zu
erteilen und auf Verlangen die darauf Bezug habenden Akten vorzulegen.
Verletzt ein Land diese Pflicht, kann der Bund durch eigene Organe Einschau
nehmen. Art. 142. Abs. 2 lit. e gilt.[166] |
Artikel 102. ,,(1) Im Bereich der Länder üben die
Vollziehung des Bundes, soweit nicht eigene Bundesbehörden bestehen
(unmittelbare Bundesverwaltung), der Landeshauptmann und die ihm
unterstellten Landesbehörden aus (mittelbare Bundesverwaltung). Soweit in
Angelegenheiten, die in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt werden,
Bundesbehörden, insbesondere ,,Bundespolizeidirektionen, mit der Vollziehung
betraut sind, unterstehen diese Bundesbehörden in den betreffenden
Angelegenheiten dem Landeshauptmann und sind an dessen Weisungen
(Artikel 20 Absatz 1) gebunden; ob und inwieweit solche
Bundesbehörden mit Akten der Vollziehung betraut werden, bestimmen die Bundesgesetze;
sie dürfen, soweit es sich nicht um die Betrauung mit der Vollziehung von im
Absatz 2 angeführten Angelegenheiten handelt, nur mit Zustimmung der
beteiligten Länder kundgemacht werden. (2) Folgende Angelegenheiten können im Rahmen des
verfassungsmäßig festgestellten Wirkungsbereiches unmittelbar von
Bundesbehörden versehen werden: Grenzvermarkung, Waren- und Viehverkehr mit dem
Ausland, Zollwesen, Regelung und Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet
und des Austrittes aus ihm, Bundesfinanzen, Monopolwesen, Geld-, Kredit-,
Börse-, Bank- und Vertragsversicherungswesen, Maß-, Gewichts-, Normen- und
Punzierungswesen, technisches Versuchswesen, Justizwesen, Paßwesen,
Meldewesen, Waffen-, Munitions- und Sprengmittelwesen sowie Schießwesen, Patentwesen,
Schutz von Mustern, Marken und anderen Warenbezeichnungen, Verkehrswesen, Strom- und
Schiffahrtspolizei, Post- und Fernmeldewesen, Bergwesen, Regulierung und
Instandhaltung der Donau, Wildbachverbauung, Bau und Instandhaltung von
Wasserstraßen, Vermessungswesen, Arbeitsrecht, Sozialversicherungswesen,
Denkmalschutz, Organisation und Führung der Bundespolizei und der Bundesgendarmerie,
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit
einschließlich der ersten allgemeinen Hilfeleistung, jedoch mit Ausnahme der
örtlichen Sicherheitspolizei, Pressewesen, Vereins- und
Versammlungsangelegenheiten und Fremdenpolizei; ,,geschäftlicher Verkehr mit
Saat- und Pflanzgut, Futter-, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie mit
Pflanzenschutzgeräten, einschließlich der Zulassung und bei Saat- und
Pflanzgut auch der Anerkennung; militärische Angelegenheiten, Fürsorge für
Kriegsteilnehmer und deren Hinterbliebene, Bevölkerungspolitik, soweit sie
die Gewährung von Kinderbeihilfen und die Schaffung eines Lastenausgleiches
im Interesse der Familie zum Gegenstand hat; Schulwesen sowie Erziehungswesen
in den Angelegenheiten der Schüler- und Studentenheime, ausgenommen das land-
und forstwirtschaftliche Schulwesen und das land- und forstwirtschaftliche
Erziehungswesen in den Angelegenheiten der Schülerheime. (3) Dem Bund bleibt es vorbehalten, auch in den im
Absatz 2 aufgezählten Angelegenheiten den Landeshauptmann mit der
Vollziehung des Bundes zu beauftragen. (4) Die Errichtung von eigenen Bundesbehörden für
andere als die im Absatz 2 bezeichneten Angelegenheiten kann nur mit
Zustimmung der beteiligten Länder erfolgen.
(5) Wenn in einem Land in Angelegenheiten der unmittelbaren
Bundesverwaltung die sofortige Erlassung von Maßnahmen zur Abwehr eines
offenkundigen, nicht wieder gutzumachenden Schadens für die Allgemeinheit zu
einer Zeit notwendig wird, zu der die obersten Organe der Verwaltung des
Bundes wegen höherer Gewalt dazu nicht in der Lage sind, hat der
Landeshauptmann an deren Stelle die Maßnahmen zu treffen. |
Artikel 104. (1) Landesbehörden, die Bundesgesetze
vollziehen, sind das Amt der Landesregierung und die diesem unterstellten
Bezirksverwaltungsbehörden. (2) Vorstand des Amtes der Landesregierung ist der
Landeshauptmann. Unter seiner unmittelbaren Aufsicht obliegt die Leitung des
inneren Dienstes dem Landesamtsdirektor. (3) Das Nähere über die Stellvertretung und die
Organisation der Landesbehörden wird durch Landesgesetz geregelt. |
Artikel 103. (1) In den Angelegenheiten der mittelbaren
Bundesverwaltung ist der Landeshauptmann an die Weisungen der Bundesregierung
sowie der einzelnen Bundesminister gebunden (Artikel 20) und
verpflichtet, um die Durchführung solcher Weisungen zu bewirken, auch die ihm
in seiner Eigenschaft als Organ des selbständigen Wirkungsbereiches des
Landes zu Gebote stehenden Mittel anzuwenden. (2) Die Landesregierung kann bei Aufstellung ihrer
Geschäftsordnung beschließen, daß einzelne Gruppen von Angelegenheiten der
mittelbaren Bundesverwaltung wegen ihres sachlichen Zusammenhanges mit
Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes im Namen des
Landeshauptmannes von Mitgliedern der Landesregierung zu führen sind. In
diesen Angelegenheiten sind die betreffenden Mitglieder der Landesregierung
an die Weisungen des Landeshauptmannes ebenso gebunden (Artikel 20) wie
dieser an die Weisungen der Bundesregierung oder der einzelnen
Bundesminister. (3) Nach Absatz 1 ergehende Weisungen der
Bundesregierung oder der einzelnen Bundesminister sind auch in Fällen des
Absatzes 2 an den Landeshauptmann zu richten. Dieser ist, wenn er die
bezügliche Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung nicht selbst führt,
unter seiner Verantwortlichkeit (Art. 142 Abs. 2 lit. e)
verpflichtet, die Weisung an das in Betracht kommende Mitglied der
Landesregierung unverzüglich und unverändert auf schriftlichem Wege
weiterzugeben und ihre Durchführung zu überwachen. Wird die Weisung nicht
befolgt, trotzdem der Landeshauptmann die erforderlichen Vorkehrungen
getroffen hat, so ist auch das betreffende Mitglied der Landesregierung gemäß
Artikel 142 der Bundesregierung verantwortlich. (4) In den Angelegenheiten der mittelbaren
Bundesverwaltung endet der administrative Instanzenzug, sofern der
Landeshauptmann als Rechtsmittelbehörde zu entscheiden hat und nicht durch
Bundesgesetz ausnahmsweise auf Grund der Bedeutung der Angelegenheit
ausdrücklich anderes bestimmt ist, beim Landeshauptmann; steht die
Entscheidung in erster Instanz dem Landeshauptmann zu, so geht der
Instanzenzug in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung, wenn
nicht bundesgesetzlich anderes bestimmt ist, bis zum zuständigen
Bundesminister. |
Artikel 105. Soweit Bundesgesetze nach Art. 17 nichts
anderes bestimmen, ist Art. 103 auf die Privatwirtschaftsverwaltung des
Bundes nur insoweit anzuwenden, als der zuständige Bundsminister die
Besorgung solcher Geschäfte dem Land überträgt. Die Übertragung kann
jederzeit ganz oder teilweise widerrufen werden. Soweit keine andere
Vereinbarung getroffen wird, hat der Bund die Kosten zu tragen. |
Artikel 104. (1) Die Bestimmungen des Artikels 102
sind auf Einrichtungen zur Besorgung der im Artikel 17 bezeichneten
Geschäfte des Bundes nicht anzuwenden. (2) Die mit der Verwaltung des
Bundesvermögens betrauten Bundesminister können jedoch die Besorgung solcher
Geschäfte dem Landeshauptmann und den ihm unterstellten Behörden im Land
übertragen. Eine solche Übertragung kann jederzeit ganz oder teilweise
widerrufen werden. Inwieweit in besonderen Ausnahmefällen für die bei
Besorgung solcher Geschäfte aufgelaufenen Kosten vom Bund ein Ersatz
geleistet wird, wird durch Bundesgesetz bestimmt. Art. 103 Abs. 2
und 3 gilt sinngemäß. |
Siehe Art. !01 Abs. 5 |
Artikel 105. (1) Der Landeshauptmann vertritt das Land.
Er trägt in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung die
Verantwortung gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 142. Der
Landeshauptmann wird durch das von der Landesregierung bestimmte Mitglied der
Landesregierung (Landeshauptmann-Stellvertreter) vertreten. Diese Bestellung
ist dem Bundeskanzler zur Kenntnis zu bringen. Tritt der Fall der Vertretung
ein, so ist das zur Vertretung bestellte Mitglied der Landesregierung
bezüglich der Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung gleichfalls
der Bundesregierung gemäß Artikel 142 verantwortlich. Der Geltendmachung
einer solchen Verantwortung des Landeshauptmannes oder des ihn vertretenden
Mitgliedes der Landesregierung steht die Immunität nicht im Weg. Ebenso steht
die Immunität auch nicht der Geltendmachung der Verantwortung eines
Mitgliedes der Landesregierung im Falle des Artikels 103, Absatz 3,
im Weg. (2) Die Mitglieder der Landesregierung sind dem
Landtag gemäß Artikel 142 verantwortlich. (3) Zu einem Beschluß, mit dem eine Anklage im Sinne
des Artikels 142 erhoben wird, bedarf es der Anwesenheit der Hälfte der
Mitglieder. |
Siehe Art. 104 Abs. 2 |
Artikel 106. Zur Leitung des inneren Dienstes des Amtes
der Landesregierung wird ein rechtskundiger Verwaltungsbeamter als
Landesamtsdirektor bestellt. Er ist auch in den Angelegenheiten der
mittelbaren Bundesverwaltung das Hilfsorgan des Landeshauptmannes. |
Eingebracht im Ausschuss 6, 7.
Sitzung, 30.1.2004
Vorschlag
Sicherheitsregionen
·
Ziel:
Bürgernahe und effiziente Behörden- und Wachkörperstruktur mit flachen
Hierarchien für ganz Österreich
·
Vorschlag:
Schaffung von 25 bis 35 regionalen Sicherheitsbehörden (Sicherheitsregionen),
denen Aufgaben zukommen, wie sie die Bundespolizeidirektionen haben; diesen ist
der einheitliche Wachkörper in ihrer Region unterstellt; Sicherheitsregionen
unterstehen direkt dem BMI (Abschaffung der Sicherheitsdirektionen)
·
Soweit
Sicherheitspolizei im engeren Sinn (allgemeine Sicherheitspolizei,
Kriminalpolizei, Versammlungspolizei, Teile Fremdenpolizei) betroffen sind,
gehen diese Befugnisse von Bezirkshauptmannschaften auf Sicherheitsregionen
über; wo bisher Bundespolizeidirektion bestand, geht die restliche
Polizeiverwaltung (von Vereinsrecht bis Pyrotechnikgesetz) auf Magistrat über.
·
Die
Errichtung von Gemeindewachkörpern werden den Gemeinden oder Gemeindeverbänden
freigestellt
·
Starke
Vernetzung der Sicherheitsregionen mit Einrichtungen der Zivilgesellschaft zur
Prävention
·
Einrichtung
von Gerichten 1. Instanz analog den Sicherheitsregionen, in denen
Bezirksgerichte und Landesgerichte kompetenzmäßig zusammengelegt werden, aber
Außenstellen an den bisherigen Standorten der Bezirksgerichte erhalten bleiben
(„nicht er Bürger reist, sondern der Richter“)
Eingebracht im Ausschuss 6, 19.
Sitzung, 27.10.2004
Vorschlag zur Neuregelung der
Sicherheitsverwaltung
1. Die Artikel 78a bis 78d B-VG lauten:
„Sicherheitsbehörden
Artikel 78a. (1) Sicherheitsbehörden sind die Generalpolizeidirektion und, dieser unterstellt, die Polizeidirektionen. An der Spitze der Generalpolizeidirektion steht der Generalpolizeidirektor, an der Spitze der Polizeidirektionen stehen Polizeidirektoren.
(2) Der Generalpolizeidirektor ist an Weisungen des Bundesministers für Inneres gebunden.
(3) Örtlicher Wirkungsbereich der Generalpolizeidirektion ist das Bundesgebiet. Die Einrichtung von Polizeidirektionen und die Bestimmung ihres örtlichen Wirkungsbereichs erfolgen mit Bundesgesetz. Die Grenzen der Sprengel der Polizeidirektionen dürfen nicht Grenzen der Sprengel der Gerichtshöfe erster Instanz schneiden. Die Zahl der Polizeidirekionen soll die Zahl 20 nicht unterschreiten und die Zahl 35 nicht übersteigen.
Sachliche Zuständigkeit
Artikel 78b. (1) Die Sicherheitsbehörden des Bundes sind zur Wahrnehmung folgender Angelegenheiten zuständig:
(2) In den in Abs. 1 genannten Angelegenheiten kann der Gesetzgeber die Zuständigkeit der Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung vorsehen, wenn dies der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Verwaltung dient. Andere als die in Abs. 1 genannten Angelegenheiten dürfen den Sicherheitsbehörden nicht zur Wahrnehmung zugewiesen werden.
Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes
Artikel 78c. (1) Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind jene Organe der Sicherheitsbehörden, die zur Ausübung von Zwangsgewalt und insbesondere zum Waffengebrauch befugt sind.
(2) Die die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetze können die Mitwirkung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes vorsehen, wenn dies wegen deren Befugnisse erforderlich ist. In diesen Fällen unterstehen sie der zuständigen Behörde. Art. 97 Abs. 2 gilt.
(3) Die Ernennung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes obliegt dem Generalpolizeidirektor.
Wachkörper
Artikel 78c. (1) Wachkörper sind bewaffnete oder uniformierte oder sonst nach militärischem Muster eingerichtete Formationen, denen Aufgaben polizeilichen Charakters übertragen sind. Zu den Wachkörpern sind insbesondere nicht zu zählen: Das zum Schutz einzelner Zweige der Landeskultur, wie der Land- und Forstwirtschaft (Feld-, Flur- und Forstschutz), des Bergbaues, der Jagd, der Fischerei oder anderer Wasserberechtigungen aufgestellte Wachpersonal, die Organe der Marktaufsicht, der Feuerwehr.
(2) Im örtlichen Wirkungsbereich einer Polizeidirektion darf von einer anderen Gebietskörperschaft ein Wachkörper nicht aufgestellt werden. Ausgenommen sind Wachkörper von Gemeinden, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundes-Verfassungsgesetzes bestehen.
Menschenrechtsbeirat
Artikel 78d. (1) Der Generalpolizeidirektor wird in Fragen der Wahrung der Menschenrechte vom Menschenrechtsbeirat beraten. Diesem obliegt es, die Tätigkeit der Sicherheitsbehörden unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Menschenrechte zu beobachten und begleitend zu überprüfen. Der Menschenrechtsbeirat wird hiezu aus eigenem oder über Ersuchen des Bundesministers für Inneres oder des Generalpolizeidirektors tätig.
(2) Dem Menschenrechtsbeirat gehören elf Mitglieder und ebenso viele Ersatzmitglieder an, die bei Besorgung ihrer Aufgaben an keine Weisungen gebunden sind. Sie üben ihre Funktion ehrenamtlich aus.
(3) Die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Menschenrechtsbeirates werden mit deren Zustimmung vom Bundespräsidenten für eine Funktionsperiode von fünf Jahren bestellt. Diese endet durch Ablauf der Funktionsperiode, durch eine schriftlich begründete Abberufung seitens des Bundespräsidenten oder durch Verzicht oder Tod des Mitglieds.“
Allgemeine Erläuterungen
Der vorliegende Entwurf ist von folgenden Grundsätzen geleitet:
1. Beseitigung des Nebeneinanders von Bundespolizeidirektionen und Bezirksverwaltungsbehörden:
Bislang ist Sicherheitsbehörde erster Instanz entweder die Bundespolizeidirektion, oder aber, nämlich an Orten, an denen keine Bundespolizeidirektion besteht, die Bezirksverwaltungsbehörde. In der Praxis haben jedoch die Bezirksverwaltungsbehörden ihre Aufgaben als Sicherheitsbehörden nie mit einer den Polizeibehörden vergleichbaren Intensität wahrgenommen. Deshalb soll nunmehr die Divergenz zwischen Bundespolizeidirektionen einerseits und Bezirksverwaltungsbehörden andererseits zugunsten eines einheitlichen Systems von Polizeidirektionen aufgegeben werden. Damit soll ein homogenes Niveau der Sicherheitsvorsorge in Österreich gewährleistet und zudem ein unnötig komplizierter Behördenaufbau vermieden werden.
2. Sicherheitsregionen, zwei Ebenen der Sicherheitsbehörden:
Bislang ist die Sicherheitsverwaltung im Wesentlichen auf drei Ebenen organisiert. Zwischen die Bundespolizeidirektionen/Bezirksverwaltungsbehörden einerseits als der eigentlich operativen Ebene und dem Bundesminister für Inneres als der obersten Sicherheitsbehörde schieben sich die Sicherheitsdirektionen in den Ländern. Diese auf drei Ebenen organisierte Hierarchie ist jedoch, wie auch ein Vergleich mit anderen europäischen Ländern ähnlicher Größe zeigt, zu aufwändig und erschwert zudem eine dezentralisierte Wahrnehmung der Aufgaben- und Ressourcenverantwortung, wie sie einer modernen Polizeiarbeit entsprechen würde. Daher verfolgt der vorliegende Entwurf das Ziel einer entschiedenen Dezentralisierung und Regionalisierung der Sicherheitsbehörden. Dies soll die Orientierung der operativen Polizeiarbeit an den sich wandelnden Sicherheitsbedürfnissen der Bevölkerung fördern und die Berücksichtigung lokal unterschiedlicher Gegebenheiten erleichtern. Die Bestimmung der Anzahl und des örtlichen Wirkungsbereichs der Polizeidirektionen wird dem einfachen Bundesgesetzgeber überlassen, auch um die erforderliche Flexibilität zu wahren. Jedoch wird durch die Normierung einer Mindestanzahl von 20 und einer maximalen Anzahl von 35 Direktionen sichergestellt, dass ein Sicherheitsregionen-Modell erhalten bleibt, dass mithin eine Ebene geschaffen wird, die deutlich zwischen den Ländern einerseits und den Bezirksverwaltungsbehörden andererseits liegt.
Allerdings ist es nicht erforderlich, dass flächendeckend Polizeidirektionen eingerichtet werden, auch wenn dies wünschenswert wäre. Im Interesse der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit können auch die Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung mit Agenden der Sicherheitsverwaltung betraut werden.
3. Trennung von Politik und Polizei
Bislang ist der Bundesminister für Inneres oberste Sicherheitsbehörde. Diese Verbindung eines politischen Amtes mit der Aufgabe, die Polizei zu führen, führt zu einer sachlich nicht befriedigenden Vermischung von politischen und polizeilichen Funktionen. Künftig soll die Polizei politisch neutral positioniert werden. Zwar bleibt der Bundesminister für Inneres weisungsbefugt, doch kann er Weisungen nur direkt an den Generalpolizeidirektor erteilen, womit ein Maximum an Transparenz gewährleistet wird, auch kann der Bundesminister in Zukunft nicht selbst Aufgaben einer Sicherheitsbehörde wahrnehmen. Während bislang das Bundesministerium für Inneres polizeiliche Funktionen vielfach in den Handlungsformen eines Ministeriums erfüllt, bleiben künftig die Sicherheitsbehörden organisatorisch vom Bundesministerium für Inneres als dem organisatorischen Hilfsapparat des Bundesministers klar getrennt.
Zu den einzelnen Bestimmungen:
Zu Artikel 78a B-VG:
Die Absätze 1 und 2 bilden den Kern des Regionalbehörden-Konzepts. Es werden Sicherheitsbehörden auf zwei Ebenen geschaffen. Der Bundesminister für Inneres ist nicht selbst Sicherheitsbehörde, wohl jedoch, schon im Hinblick auf seine politische Verantwortung gegenüber dem Parlament, weiterhin weisungsbefugt.
Abs. 3 trägt dem Umstand Rechnung, dass die Kriminalpolizei in Koordination mit der Staatsanwaltschaft und dem Gerichtshof erster Instanz ausgeübt wird. Deshalb soll auf eine Harmonisierung der Sprengel der Polizeidirektionen mit jenen der Gerichtshöfe erster Instanz geachtet werden.
Zu Artikel 78b B-VG:
Eine wesentliche Schwäche des geltenden Rechts liegt darin, dass die bestehenden Artikel 78a ff B-VG zwar die Sicherheitsbehörden normieren, dabei jedoch offen lassen, welche Angelegenheiten diesen Behörden zur Wahrnehmung zukommen. Der vorgeschlagene Katalog des Art. 78b Abs. 1 ist insoferne klar, zugleich jedoch restriktiv. Insbesondere bleibt er hinter dem Umfang der Sicherheitsverwaltung gemäß der geltenden Bestimmung des § 2 Abs. 2 SPG insoferne zurück, als das Passwesen, das Meldewesen, das Munitions-, Schieß- und Sprengmittelwesen, das Pressewesen und die Vereinsangelegenheiten nicht in den Wirkungsbereich der Sicherheitsbehörden einbezogen und somit künftig den Bezirksverwaltungsbehörden zur Besorgung überlassen bleiben.
Zu Artikel 78c B-VG:
Auf die innerorganisatorische Aufteilung in Wachkörper einerseits und Sicherheitsbehörden andererseits, die im Bereich der Bundespolizeidirektionen ohnehin nie befriedigend gelungen ist, wird künftig verzichtet. Eine Sonderstellung kommt nur jenen Beamten zu, die als Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Anwendung von unmittelbarer Zwangsgewalt befugt sind, wozu insbesondere der Waffengebrauch zählt. Solche Organe müssen selbstverständlich besonders geschult sein. Die näheren Voraussetzungen zu normieren, unter denen ein Beamter zum Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes ernannt werden kann, wird dem Bundesgesetzgeber überantwortet.
Zu Artikel 78d B-VG:
Im Sinne einer Zusammenführung jener Bestimmungen zur Sicherheitsverwaltung, die im Verfassungsrang stehen, wird vorgeschlagen, auch die Regelung des Menschenrechtsbeirates in den Kontext dieser Bestimmungen einzubeziehen. Dabei sollte jedoch auf eine Stärkung der Unabhängigkeit dieses Organs geachtet werden. Zu diesem Zweck wird vorgeschlagen, die Ernennung vom Bundesminister für Inneres auf den Bundespräsidenten zu übertragen, und zwar ohne Bindung an einen Vorschlag.
Eingebracht im gemeinsamen Ausschuss 6 und 7 (siehe 6.1.1.)
Eingebracht im Ausschuss 7,. 6.
Sitzung, 17.12.2003
Reformaspekte zur Privatwirtschaftsverwaltung
Diskussionsgrundlage für die 6. Ausschusssitzung
am 17. Dezember 2003
1. Einleitung
2. Probleme
und Grundsatzfragen
Legalitätsprinzip
Staatliche
Verantwortlichkeit und Rechtsform
Kontrollfragen
3. Verfassungsrechtliche
Rechtsquellen
Art.
17 B-VG
Art.
116 Abs. 2 B-VG
Sonstiges
4. Kompetenzverteilung
5. Grundrechtsfragen
Leistungsverpflichtung
und Kontrahierungszwang
Gleichheitsfragen
und andere Grundrechte
6. Förderungen
Konzentration,
Doppelförderungen, Grundsatz der Koordinierung
Kontrolle
und Rechtsschutz
7. Rechtsschutz
1. Einleitung
Zur
Zeit des In-Kraft-Tretens des B-VG war staatliches Handeln in
Privatrechtsformen und die Führung von Unternehmungen durch den Staat eine
derartige Selbstverständlichkeit, dass man die ursprünglich vorgesehene
Ermächtigung in Art. 17 Abs. 2 B-VG einfach wegließ. Im Laufe der Entwicklung
hat sich diese Betrachtungsweise verändert: Heute geht die Diskussion
vereinzelt darum, ob der Staat berechtigt sein soll, jegliche
Wirtschaftstätigkeit zu führen. In Österreich wurde diese Diskussion vereinzelt
im Zusammenhang mit kommunalen Aufgaben geführt, die Positionen sind allerdings
bei weitem nicht so exponiert, wie etwa in der Europäischen Union. Man kann
davon ausgehen und wird dies auch weiter können, dass der Staat private
Rechtsgeschäfte abschließen kann, dass er Förderungen in privatrechtlichen
Formen vergeben kann und dass er Einrichtungen schaffen und führen kann, die
auf privatrechtlicher Basis bestehen. Einschränkungen grundsätzlicher Natur -
etwa eine Bindung an einen allgemeinen öffentlichen Zweck oder an bestimmte
Kernaufgaben des Staates - scheinen hiefür nicht angezeigt.
In der
Entstehungsphase des B-VG war offenbar auch die Legalitätsbindung der Privatwirtschaftsverwaltung
kein Problem. Eine intensive verfassungsrechtliche Diskussion dazu konzentrierte
sich dann aber in den 60er Jahren darauf, wie eng die sogenannten Selbstbindungsgesetze
das Handeln der Organe determinieren sollen. Diese Diskussion hat sich als
verfassungsrechtlich weitgehend fruchtlos erwiesen und es scheint nicht
sinnvoll, sie durch Überlegungen zur Neuformulierung von Verfassungsnormen
wieder aufzugreifen.
Ein
weiterer Diskussionsstrang beschäftigte sich mit der Frage der
Grundrechtsgeltung in der Privatwirtschaftsverwaltung. Die Fragen der
Drittwirkung und Fiskalgeltung sind mittlerweile durch die zivilrechtliche
Judikatur einer sehr praktikablen Lösung zugeführt: Eine Bindung des Staates
wird angenommen und sie ist - sei es auch über den Umweg privatrechtlicher
Topoi und zivilgerichtlicher Verfahren - auch durchsetzbar.
Eine
dritte Ebene der Diskussion konzentriert sich auf die Frage, ob und inwieweit
sich der Staat durch die Wahl der Handlungsform seiner Verpflichtungen
entziehen kann; auch hier liefert die Judikatur der letzten Jahre wichtige
Ansatzpunkte zur Beantwortung im Sinn einer Bindung des Staates.
In
formaler Hinsicht muss man feststellen, dass das positive Verfassungsrecht
keine geschlossene Systematik zur Regelung der Privatwirtschaftsverwaltung
vorsieht. Die darauf bezug habenden Regelungen sind durchaus fragmentarisch und
verstreut. Eine verfassungs-legistische Neufassung ist überlegenswert.
2. Probleme und Grundsatzfragen
Legalitätsprinzip
Die
Diskussion um die Reichweite der Geltung des Legalitätsprinzips für die
Privatwirtschaftsverwaltung führte vielleicht deshalb zu keinem klaren
Ergebnis, weil sie am falschen Ende des Problems ansetzte: In Wahrheit geht es
nicht darum, dogmatisch festzustellen, ob der historische Verfassungsgeber den
Art. 18 B-VG in gleicher Weise auf alle Handlungsformen angewendet haben
wollte, sondern vielmehr darum, dem Staat die im Interesse der Bürger
notwendigen Bindungen überall dort aufzuerlegen, wo sie aus demokratischer und
rechtsstaatlicher Sicht unverzichtbar sind; dabei soll es auf die Form der
gebundenen Handlungen nicht ankommen.
Aus
dieser allgemeinen Überlegung folgert, dass eine Bindung an das Gesetz im
Hinblick auf die damit verbundenen Kontrollmöglichkeiten und den
Grundrechtsschutz für das privatrechtliche Handeln für Zwecke der öffentlichen
Verwaltung so wie im hoheitlichen Bereich aufrecht bleiben soll. Wie immer das
Legalitätsprinzip neu formuliert werden möge, es sollte auf jeden Fall nicht
zwischen hoheitlichen und privatrechtlichen Vollzugsformen differenzieren.
Dies
bedeutet wohl im Ergebnis eine sondergesetzliche Fundamentierung für
Förderungen und Ausgliederungen, die keine abschließende Regelung im
allgemeinen Privatrecht erfahren. Eine ähnlich strenge Bindung ist in Hinblick
auf die Geltung des allgemeinen Privatrechts dort nicht erforderlich, wo der
Staat im Rahmen der Privatautonomie im „normalen“ Wirtschaftsleben auftritt.
Staatliche Verantwortlichkeit und Rechtsform
Wissenschaft
und Rechtsprechung sind sich einig: Der Staat soll sich durch die Flucht ins
Privatrecht seinen gesellschaftlichen Verantwortungen nicht entziehen können.
Dieser Grundsatz lässt sich aus der Judikatur des OGH - etwa zur
Bundesbetreuung - ableiten, er hat aber in der Rechtsetzung noch keinen
generellen Niederschlag gefunden.
Auf
Ebene des Verfassungsrechts braucht der Grundsatz keine Positivierung. Es
könnte aber sinnvoll sein, auf einfachgesetzlicher Ebene manche strenge
Trennungen zwischen hoheitlichen und privatrechtlichen Handlungsformen dort zu
überwinden, wo öffentliche Aufgaben in privatrechtlichen Formen wahrgenommen
werden. Selbstbindungsgesetze und Selbstbindungsverordnungen, im Interesse
der Betroffenen sinnvolle Konstruktionen wie Kontrahierungszwang und
Verbandsklage, neue Vertragstypen insbesondere von generell-abstrakter
Bedeutung können hier hilfreich sein.
Diese Konstruktionen reichen nicht
in die verfassungsrechtliche Sphäre, sondern werden auf der Ebene des einfachen
Gesetzes anzusiedeln sein.
Kontrollfragen
Eine
parlamentarische Kontrolle muss voll funktionsfähig sein, auch wenn der Staat
in Formen der Ausgliederung oder in privatrechtlichen Formen handelt.
Dies
erfordert es, zu vermeiden, dass sich staatliche Organe gegenüber dem Parlament
auf die im Privatrechtsverkehr durchaus üblichen Geheimhaltungspflichten
berufen können. Allerdings ist dann, wenn eine vollständige Kontrolle
vorgesehen wird, unter Umständen durch andere geeignete Maßnahmen dafür Sorge
zu tragen, dass privatrechtlich geführte Einrichtungen des Staates und deren
Privatrechtspartner durch diese Kontrolle keine wirtschaftlichen Nachteile
erleiden.
Ähnliche
Überlegungen werden zur Subventionsverwaltung zu gelten haben: Die Parlamente
haben ein Recht auf volle Information und volle Transparenz bis zum Einzelfall.
Unter gewissen Voraussetzungen sind aber Förderungsnehmer auch vor einer zu
weit gehenden Veröffentlichung ihrer finanziellen Situation zu schützen. Der
Gesetzgeber wird hier eine grundrechtskonforme Interessensabwägung vornehmen
müssen.
Was
die parlamentarische Kontrolle staatlicher Funktionäre im Rahmen von
Ausgliederungen anlangt, so wird diese jedenfalls schrankenlos alle jene
Funktionen erfassen müssen, die öffentliche Funktionäre als Eigentümer
wahrnehmen. Werden von den obersten Verwaltungsorganen Personen in
Aufsichtsgremien entsandt, so wird die Kontrolle so weit gehen können, als den
Entsendenden ein Informationsrecht gegenüber diesen Aufsichtsräten zukommt.
Seine Grenze wird das Kontrollrecht dort finden, wo die Geschäftsführung dem
Eigentümer und den Aufsichtsorganen keine bzw. nur eine nicht für die
Öffentlichkeit bestimmte Rechenschaft schuldig ist.
3.
Verfassungsrechtliche Rechtsquellen
(Vgl.
zu den Kommentierungen Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, und Mayer,
Bundes-Verfassungsrecht, Kurzkommentar 3. Auflage, 2002)
Art. 17 B-VG (Privatwirtschaftsverwaltung -
Bund und Länder)
„Durch
die Bestimmungen der Artikel 10 bis 15 über die Zuständigkeit in Gesetzgebung
und Vollziehung wird die Stellung des Bundes und der Länder als Träger von
Privatrechten in keiner Weise berührt.“
Diese
Bestimmung konstituiert Bund und Länder als Träger von Privatrechten und
ermächtigt sie, auch als Rechtsunterworfene tätig zu werden; dabei sind sie
nicht durch die allgemeine Kompetenzverteilung beschränkt. Es wird angenommen,
dass Bund und Länder ihre eigene Privatwirtschaftsverwaltung durch sog.
„Selbstbindungsgesetze“ regeln dürfen; diese Gesetze dürfen aber nur das
Verhalten der Organe des Rechtsträgers regeln und keine subjektiven Rechte
Dritter begründen. Für die Qualifikation eines Aktes als Akt der
Privatwirtschafts- oder Hoheitsverwaltung ist die Rechtsform entscheidend.
Art. 116 Abs. 2 B-VG (Privatwirtschaftsverwaltung
- Gemeinden)
„(2)
Die Gemeinde ist selbständiger Wirtschaftskörper. Sie hat das Recht, innerhalb
der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze Vermögen aller Art zu
besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, wirtschaftliche Unternehmungen
zu betreiben sowie im Rahmen der Finanzverfassung ihren Haushalt selbständig zu
führen und Abgaben auszuschreiben.“
Diese
Bestimmung konstituiert die Gemeinde als Träger von Privatrechten. Die Angelegenheiten
der Privatwirtschaftsverwaltung zählt gemäß Art. 118 Abs. 2 B-VG ausdrücklich
zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde. Der Ausdruck „innerhalb der Schranken
der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze“ bedeutet, dass besondere
Beschränkungen für die Gemeinde unzulässig sind.
Sonstiges
- Art.
104 Abs. 1 und 2 B-VG
(Grundsatz der unmittelbaren
Privatwirtschaftsverwaltung; Auftragsverwaltung)
„(1) Die Bestimmungen des
Artikels 102 sind auf Einrichtungen zur Besorgung der im Artikel 17
bezeichneten Geschäfte des Bundes nicht anzuwenden.
(2)
Die mit der Verwaltung des Bundesvermögens betrauten Bundesminister können
jedoch die Besorgung solcher Geschäfte dem Landeshauptmann und den ihm
unterstellten Behörden im Land übertragen. Eine solche Übertragung kann
jederzeit ganz oder teilweise widerrufen werden. Inwieweit in besonderen
Ausnahmefällen für die bei Besorgung solcher Geschäfte aufgelaufenen Kosten vom
Bund ein Ersatz geleistet wird, wird durch Bundesgesetz bestimmt. Art. 103
Abs. 2 und 3 gilt sinngemäß.“
In der Privatwirtschaftsverwaltung gilt - abweichend von
Art. 102 - der Grundsatz der unmittelbaren Bundesverwaltung. Der zuständige
Bundesminister kann gemäß Abs. 2 seinen Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung
auch in Form der mittelbaren Bundesverwaltung besorgen (sog.
„Auftragsverwaltung“).
- Art. 52 Abs. 1 und 2 (parlamentarische
Kontrolle)
„(1) Der Nationalrat und der
Bundesrat sind befugt, die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen,
deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle
einschlägigen Auskünfte zu verlangen sowie ihren Wünschen über die Ausübung der
Vollziehung in Entschließungen Ausdruck zu geben.
(2)
Kontrollrechte gemäß Abs. 1 bestehen gegenüber der Bundesregierung und ihren Mitgliedern
auch in bezug auf Unternehmungen, an denen der Bund mit mindestens 50 vH des
Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals beteiligt ist und die der Kontrolle des
Rechnungshofes unterliegen. Einer solchen finanziellen Beteiligung ist die
Beherrschung von Unternehmungen durch andere finanzielle oder sonstige
wirtschaftliche oder organisatorische Maßnahmen gleichzuhalten. Dies gilt auch
für Unternehmungen jeder weiteren Stufe, bei denen die Voraussetzungen gemäß
diesem Absatz vorliegen.“
Das sog. „Interpellationsrecht“ bezieht sich auf „die
Geschäftsführung der Bundesregierung“, also auf die gesamte hoheitliche und
privatwirtschaftliche Tätigkeit. Dazu zählt allerdings nur jenes
Verwaltungshandeln, das dem Bund zuzurechnen ist. Abs. 2 stellt klar, dass dies
jedenfalls auf die vom Bund beherrschten Unternehmen zutrifft.
- Art. 126b, 127 und 127a
(Kontrolle durch den Rechnungshof)
(Anm:
Text nicht abgedruckt; Überarbeitung und Zusammenfassung dieser Bestimmungen
wird gesondert diskutiert)
- Art. 148a Abs. 1 und 2
(Kontrolle durch die
Volksanwaltschaft)
„(1)
Jedermann kann sich bei der Volksanwaltschaft wegen behaupteter Mißstände in
der Verwaltung des Bundes einschließlich dessen Tätigkeit als Träger von
Privatrechten beschweren, sofern er von diesen Mißständen betroffen ist und
soweit ihm ein Rechtsmittel nicht oder nicht mehr zur Verfügung steht. Jede
solche Beschwerde ist von der Volksanwaltschaft zu prüfen. Dem Beschwerdeführer
sind das Ergebnis der Prüfung sowie die allenfalls getroffenen Veranlassungen
mitzuteilen.
(2)
Die Volksanwaltschaft ist berechtigt, von ihr vermutete Mißstände in der
Verwaltung des Bundes einschließlich dessen Tätigkeit als Träger von
Privatrechten von Amts wegen zu prüfen.“
Diese
Bestimmung unterwirft die gesamte Verwaltungstätigkeit des Bundes der Kontrolle
durch die Volksanwaltschaft; erfasst ist sowohl die Hoheits- als auch die
Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes. Gemäß Art. 148i B-VG kann die Volksanwaltschaft durch Landesverfassungsgesetz
auch für den Bereich der Verwaltung des betreffenden Landes für zuständig
erklärt werden.
Zur
Privatwirtschaftsverwaltung zählen nur die Maßnahmen, die dem Bund zuzurechnen
sind, nicht jedoch Angelegenheiten, die von ausgegliederten Unternehmen zu
besorgen sind. Vgl. dazu auszugsweise die Ausführungen des VfGH in VfSlg.
13.323/1992:
„Fraglich
kann vom Wortlaut her jedoch sein, ob zu den der Prüfung durch die
Volksanwaltschaft unterworfenen Akten des Bundes als Träger von Privatrechten
auch jene zählen, die nicht der Bund selbst, sondern ein von ihm bestimmter
anderer (sog. Ausgegliederter) Rechtsträger setzt. Vom Wortlaut her ist sowohl
eine auf einen organisatorischen Bundesbegriff abstellende als auch eine funktionelle
Deutung möglich.
2.3.2. Der
Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, daß die gewichtigeren Gründe für die
organisatorische Deutung sprechen. Denn in den - zur Ermittlung des Willens des
Verfassungsgesetzgebers heranzuziehenden - Materialien zur Regierungsvorlage
eines Bundesverfassungsgesetzes über die Einrichtung der Volksanwaltschaft und
eines Bundesgesetzes über die Organisation und das Verfahren der
Volksanwaltschaft (94, 95 BlgNR 14. GP), und zwar im Bericht des
Verfassungsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes über die
Volksanwaltschaft, zu dem der Verfassungsunterausschuß diese beiden
Regierungsvorlagen zusammengefaßt hatte (421 BlgNR 14. GP, S 2), heißt es
ausdrücklich, daß unter den Begriff der "Verwaltung des Bundes einschließlich
seiner Tätigkeit als Träger von Privatrechten" (diese Wendung wird synonym
für die Wortfolge "Verwaltung des Bundes einschließlich dessen Tätigkeit
als Träger von Privatrechten" in § 1 Abs 2 des Gesetzesentwurfes
gebraucht) nicht ua. "die (privatwirtschaftliche) Tätigkeit vom Bund
verschiedener Rechtsträger" fällt (so etwa "der verstaatlichten
Industrie oder der verstaatlichten Banken"), die somit auch nicht der
Kontrolle der Volksanwaltschaft unterliegen. Diese im Ausschußbericht
vertretene Rechtsansicht fand die Zustimmung der überwiegenden Lehre.“
-
Art. II B-VG-Novelle 1974, BGBl. Nr. 444/1974 (Monopole)
„Durch
Artikel I Z. 18 (Anm: Neufassung des Art. 17 B-VG) wird die Einrichtung von
Monopolen durch die Bundesgesetzgebung nicht berührt.“
Vgl.
dazu Bernhard Raschauer, Monopolunternehmen - Zugleich ein Beitrag zum
Recht der öffentlichen Unternehmung, ZfV 1987, 1:
„Eine
vermeidbare systematische Auslegungsproblematik hat der Verfassungsgesetzgeber
in der B-VG-Novelle BGBl 1974/444 aufgetan. In der - "zu Art 17 B-VG"
erlassenen - Übergangsbestimmung des Art II wird angeordnet, daß durch die
Neufassung des Art 17 B‑VG "die Einrichtung von Monopolen durch die
Bundesgesetzgebung nicht berührt wird". Es könnte der Schluß gezogen
werden, daß die Monopole dadurch systematisch in den Kontext des Art 17 B-VG
und damit in die Nähe der "Stellung des Bundes als Träger von
Privatrechten" gerückt worden seien. Inhalt der Neufassung des Art 17 B-VG
war allerdings die Streichung des Art 17 Abs 2 B-VG, demzufolge der Bund in
diesen Rechtsbeziehungen durch die Landesgesetzgebung niemals ungünstiger
gestellt werden durfte als das betreffende Land selbst. Dies spricht dafür, daß
durch die zitierte Übergangsbestimmung lediglich klargestellt werden sollte,
daß eine Diskriminierung der Bundesmonopole durch die Landesgesetzgebung
weiterhin unzulässig sein soll - freilich bleibt der Umstand, daß sich
Art 17 Abs 2 B-VG lediglich auf die Stellung des Bundes als Träger
von Privatrechten bezog.“
4. Kompetenzverteilung
Nach
der derzeitigen Verfassungslage gibt es für den Bund, die Länder und die
Gemeinden eine uneingeschränkte Zuständigkeit zur Vollziehung in
privatrechtlichen Handlungsformen. Die Alternative dazu - die man etwa in der
deutschen Verfassungsordnung findet - wäre, Kompetenzen analog zur
Hoheitsverwaltung auf die Gebietskörperschaften aufzuteilen. Diese Alternative
wurde bisher weder in der wissenschaftlichen noch in der politischen Diskussion
angeregt und sie scheint auch sachlich nicht sinnvoll. Es soll also bei dieser
verfassungsrechtlichen Kompetenzlage bleiben.
Man
muss aber die Frage stellen, ob die Formulierung des Art. 17 B-VG wirklich
ausreichend klar zum Ausdruck bringt, was gewollt ist. Hier läge eine
Umformulierung nahe, die einfach anordnet: „Durch die Kompetenzverteilung wird
die Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes, der Länder und der Gemeinden nicht
berührt.“
Anders
als bei der Verwaltung stellt sich die Situation bei der Zuständigkeit zur
Gesetzgebung für Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung dar: Hier hat
der Bund eine uneingeschränkte
Zuständigkeit als Zivilrechts-Gesetzgeber. Er kann diese auch dahingehend
nutzen, Sonderprivatrecht für sich selbst zu schaffen. Den Ländern ist diese
Möglichkeit verwehrt, was angesichts paralleler Entwicklungen im Förderungs-
und Ausgliederungswesen nicht recht zu begründen ist. Es liegt daher nahe, eine
verfassungsrechtliche Kompetenzerweiterung der Länder ähnlich der Konstruktion
des Art. 11 Abs. 2 oder des Art. 15 Abs. 9 B-VG anzuregen, die sinnvoller Weise
in unmittelbarer Verbindung zur Grundsatznorm angelagert sein sollte. Sie
könnte klarstellen: „Soweit dies im Interesse der Einheitlichkeit in der
Privatwirtschaftsverwaltung erforderlich ist, können für Ausgliederungen von
Landeseinrichtungen in Landesgesetzen Regelungen getroffen werden, die vom
allgemeinen Gesellschaftsrecht abweichen.“
Inwieweit
eine ähnliche Vorgangsweise auch für das Förderungswesen angezeigt ist, wäre zu
überlegen.
5. Grundrechtsfragen
Grundrechtsgeltung, Leistungsverpflichtung und Kontrahierungszwang
Allgemein
soll wohl in einem modernen Staat, der sich nicht auf die traditionellen
hoheitlichen Verwaltungsformen Bescheid und Verordnung beschränkt, gelten, dass
die Grundrechte auch in die Privatwirtschaftsverwaltung hineinwirken, dass in
existenziell wichtigen Bereichen Leistungspflicht besteht, dass Gewährleistung
den Staat bindet, dass Gleichheitssatz und Willkürverbot gelten und dass der
Rechtsschutz des Einzelnen einfach zu handhaben ist. Hier ergeben sich auf
verfassungsrechtlicher Ebene insbesondere Anforderungen an die Formulierung
der Grundrechte und an die Formulierung der Zuständigkeiten der ordentlichen
Gerichte sowie der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts.
Auch
hier sollte eher nicht der Ansatz gewählt werden, sich in endlose Diskussionen
darüber einzulassen, welche Positionen die Verfassungsdogmatik anbietet.
Vielmehr ginge es bei der Gestaltung eines neuen Konzepts darum, die
Interessenslage der Normadressaten - also der Leistungs- und
Förderungsempfänger sowie der Steuerzahler - im Auge zu haben. Dieser Ansatz wird im wesentlichen dazu
führen, dass dem Gesetzgeber jede Unsachlichkeit und der Vollziehung jegliche
Willkür in der Entscheidung über die (Abschaffung einer) Leistung verboten ist.
Weiters sind Zuständigkeiten und Instanzenzüge so zu gestalten, dass sie für den einzelnen Betroffenen den optimalen Schutz gewähren. Umwegkonstruktionen wie etwa sukzessive Zuständigkeiten sind zu beseitigen. Es spricht nichts dagegen, für die Kontrolle privatrechtlichen Handelns des Staates die Gerichte zuständig zu machen; in diesem Fall ist aber sicherzustellen, dass sie die relevanten Grundrechtsnormen ebenso anwenden, wie die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts. Im Prozessrecht ist an Elemente zu denken, die dem öffentlich-rechtlichen Rechtsschutz nahe kommen: Verringerung des Kostenrisikos, Elemente des außerstreitigen Verfahrens, Verbandsklage
Gleichheitsfragen und andere Grundrechte
Der
Gleichheitssatz bzw. das Willkürverbot, wie es sich aus der ständigen
Rechtsprechung herleitet, wird in der Privatwirtschaftsverwaltung im
wesentlichen dazu führen, dass dem Gesetzgeber jede Unsachlichkeit bei den
Parametern und dem Vollzugsorgan jegliche Willkür bei der Zuerkennung einer
Leistung verboten ist. Inwieweit dies eine entsprechende legistische
Umgestaltung des Gleichheitssatzes erfordert, ist im Kontext des Ausschusses 4
zu beurteilen.
Was
die Wirkung anderer Grundrechte im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung
anlangt, so werden in der Literatur Grenzen der Privatautonomie etwa infolge
der Erwerbsfreiheit, der Vereinigungsfreiheit, des Rechts auf freie
Meinungsäußerung, etc. diskutiert. Die aufgeworfenen Probleme scheinen sich
mit den Mitteln der Rechtsdogmatik lösen zu lassen.
6. Förderungen
Konzentration, Doppelförderungen, Grundsatz der Koordinierung
Aus
der konkurrierenden Zuständigkeit der Gebietskörperschaften ergibt sich
logischer Weise, dass privatrechtliche Förderungen für dasselbe Fördersubjekt
bzw. für dieselbe Aufgabe von jeder Gebietskörperschaft vorgenommen werden
können. Damit ist es im Prinzip möglich - wenngleich in der Praxis eher selten
- dass Einzelprojekte in unkoordinierter Weise doppelt gefördert werden.
Grundsätzlich
wäre dieses Problem nur dann vollständig zu beseitigen, wenn man an eine klare
Kompetenzaufteilung im Förderwesen denkt. Dieser Weg soll aber aus den bereits
dargestellten Überlegungen heraus nicht eingeschlagen werden.
Es
empfiehlt sich vielmehr eine möglichst weitgehende Koordinierung der Gebietskörperschaften
im Förderwesen. Hiefür steht eine ganze Palette von Möglichkeiten zur
Verfügung:
- paktierte
Gesetzgebung;
- paktierte
Förderprogramme;
- gemeinsame
Schwerpunktsetzung;
- gegenseitige
Information vor Fördervergabe;
- gegenseitige
Information nach Fördervergabe;
- gegenseitig
generell-abstrakte Information.
Diese
Möglichkeiten werden derzeit nur ansatzweise genutzt; weder innerhalb der
Gebietskörperschaften noch über Gebietskörperschaftsgrenzen hinweg existiert
ein vollständig ausgebautes Koordinationsinstrumentarium. Im Interesse der
Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit, aber auch zur Steigerung der politischen
Effizienz ist jedenfalls anzuregen, dass
- die
Vorarbeiten für eine bundesweite Förderdatenbank im Wirtschaftsressort konzentriert
werden, wobei auch Arbeitsmarktförderungen und Agrarförderungen neben allen
Bereichen der Wirtschaftsförderung im engeren Sinn einzubeziehen sind,
- die
zuständigen Bundesminister und Landesräte koordinierend insbesondere in den
Feldern der Kulturförderung und der Sportförderung tätig werden und
- entsprechende
Instrumente geschaffen werden, um die Wirkung von Förderungen statistisch,
wirtschaftlich und politisch zu messen.
Kontrolle und Rechtsschutz
Die
parlamentarische Kontrolle der Subventionsverwaltung setzt einen umfassenden
und detaillierten Informationsfluss voraus. Die derzeit vorgesehenen zahllosen
Berichte sollten zu diesem Zweck in der Systematik vereinheitlicht und in ihrem
Inhalt in einen generellen analytischen Teil sowie eine Förderungsliste geteilt
werden. Das Schwergewicht wäre auf den ersten Teil zu legen, der Rechenschaft
zu geben hätte, ob die politischen Ziele mit den Förderungen erreicht wurden,
ob das gewählte Instrumentarium den besten Kosten-Nutzen-Effekt hatte und
welche Konsequenzen für die Zukunft aus den Erfahrungen in der Vergangenheit
gezogen werden.
Zur
Erleichterung der politischen und der Rechnungshofkontrolle wären alle Lücken
zu schließen, in denen es noch keine Förderrichtlinien gibt. Die Richtlinien
sollten möglichst einheitlich gestaltet sein und den Fördernehmern wie auch der
Verwaltung die notwendige Abrechnung der sachgerechten Mittelverwendung möglichst
erleichtern. Sie sollen den Fördernehmern Klarheit darüber geben, wofür die
Mittel einzusetzen sind und sie sollen der Verwaltung ein Recht auf
vollständige Information über die geförderte Tätigkeit des Subventionsnehmers
einräumen.
Eine
Reihe von allgemeinen Überlegungen spricht dafür, die Kontrollrechte der Volksanwaltschaft
auch in diesem Bereich so effektiv zu gestalten wie in der Hoheitsverwaltung.
Es wird angeregt, ihre Ausdehnung auf ausgegliederte Rechtsträger zu überlegen.
7. Rechtsschutz
Die
rechtsstaatliche Kontrolle im privatwirtschaftlichen Förderungswesen ist bei
den ordentlichen Gerichten durchaus gut aufgehoben. Im Lichte der
vorangegangenen Ausführungen zu den Grundrechten ist hier keine gesonderte
verfassungsrechtliche Normierung erforderlich, es wird vielmehr darauf
ankommen, wie der Grundrechtsschutz insgesamt ausgestaltet wird.
Die
derzeit in Einzelbereichen vorgesehenen sogenannten sukzessiven Instanzenzüge
wären zu beseitigen. Sie sind aufwändig und kompliziert in der Konstruktion und
erschweren damit die Position des einzelnen Leistungsempfängers eher, als dass
sie zu seinem Schutz beitragen. Mit der Ausbildung eines umfassenden verwaltungsgerichtlichen
Systems sollte es auch leicht sein, diese Anomalie im Verfassungsgefüge zu
beseitigen.
Handlungsbedarf besteht insbesondere
in der Stärkung der Schutzbedürfnisse des einzelnen gegenüber ausgegliederten
und privatrechtlich agierenden Einrichtungen des Staates. Hier wird es
notwendig sein, auf einfachgesetzlicher Ebene in der jeweiligen Rechtsgrundlage
einerseits Leistungsansprüche zu verankern, die umso intensiver sein müssen, je
essentieller die Produkte des Ausgegliederten für die Lebenssituation der
Menschen sind; andererseits wird man bewährte Instrumente einsetzen müssen, die
etwa aus dem Konsumentenschutz oder aus der kollektiven Rechtsgestaltung
kommen: Es ist durchaus sinnvoll, die Tarifgestaltung eines ausgegliederten
staatlichen Museums, die Höhe universitärer Studiengebühren oder die Entgelte
für kommunale Versorgungsleistungen an eine übergeordnete Kontrolle zu binden.
Träger dieser Kontrolle könnten sowohl anwaltschaftliche Einrichtungen und
Nutzergruppen als auch parlamentarische Einrichtungen sein.
Artikel 19 Absatz 1 bis 7
(1) Die obersten Organe der
Vollziehung sind der Bundespräsident, die Bundesminister und Staatssekretäre
soei die Mitglieder der Landesregierungen.
(2) Durch Bundesgesetz kann die
Zulässigkeit der Betätigung der obersten Organe der Vollziehung des Bundes,
der Länder und Gemeinden, der Mitglieder ihrer allgemeinen Verwaltungskörper
und von sonstigen öffentlichen Funktionären in der Privatwirtschaft oder
einem anderen Beruf untersagt oder beschränkt werden. Solche Gesetze
können auch die Rechte der freien Ausübung jedes Erwerbszweiges sowie auf
Achtung des Privat- und Familienlebens und des Datenschutzes einschränken.
(3) Ist die entgeltliche Ausübung
einer solchen Betätigung einem Organ gemäß Abs. 2 nicht durch Gesetz untersagt,
darf sie so lange ausgeübt werden, als dies vom hiezu berufenen Ausschuss des
zuständigen Vertretungskörpers nicht ausdrücklich wegen der Gefährdung der
objektiven und unbeeinflussten Amtsführung untersagt wird. Die unentgeltliche
Ausübung einer solchen Betätigung ist jedoch jedenfalls zulässig.
(4) Ist eien solche Betätigung einem
Organ gemäß Abs. 2 durch Gesetz untersagt, so darf sie ausnahmsweise nur dann
ausgeübt werden, wenn dies unentgeltlich erfolgt und nachdem dies vom hiezu
berufenen Ausschuss des zuständigen Vertretungskörpers ausdrücklich genehmigt
wurde, weil die Ausübung dieser Betätigung im Interesse einer
Gebietskörperschaft liegt. Die Verwaltung des eigenen Vermögens ist in jedem
Fall zulässig, sofern damit kein unmittelbarer oder mittelbarer Einfluss auf
die Geschäftsführung von Unternehmungen, Stiftungen und Fonds verbunden ist.
(5) Entscheidungen gemäß Abs. 3 und
4 hat der hiezu berufene Ausschuss des Nationalrates, bei Mitgliedern des
Bundesrates dessen zuständiger Ausschuss [jeweils mit zwei Dritteln der
abgegebenen Stimmen] zu fällen. Bei Organen der Länder und Gemeinden gemäß Abs.
2 obliegen diese Entscheidungen dem hiezu berufenen Ausschuss des jeweiligen
Landtages. Diesen Ausschüssen haben Organe gemäß Abs. 2 auch solche
Betätigungen sowie ihr Vermögen auf Grund besonderer gesetzlicher Bestimmungen
mitzuteilen [der Inhalt dieser Mitteilungen ist zu veröffentlichen].
(6) Näheres regelt das
Unvereinbarkeitsgesetz. Es darf vom Nationalrat nur in Anwesenheit von
mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln
der abgegebenen Stimmen beschlossen werden. Durch Landesverfassungsgesetz
können weitere Einschränkungen solcher Betätigungen verfügt werden.
(7) Wenn Organe gemäß Abs. 2
entgegen der Entscheidung eines Ausschusses gemäß Abs. 5 eine derartige
Betätigung ausüben, kann der zuständige Vertretungskörper beim
Verfassungsgerichtshof einen Antrag wegen Verletzung seines Beschlusses
stellen. Im Falle einer untersagten Betätigung kann auch der Betroffene die
Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Ausschusses beim
Verfassungsgerichtshof beantragen. Das Gesetz über die Geschäftsordnung des
zuständigen Vertretungskörpers kann dessen Rechte auch einem seiner Ausschüsse
übertragen. Der Verfassungsgerichtshof kann auf Aberkennung der Funktion
erkennen oder sich bei geringfügigen Rechtsverletzungen auf die Feststellung
beschränken, dass eine Rechtsverletzung vorliegt.
Herrn
Volksanwalt
Dr. Peter Kostelka
Volksanwaltschaft
Singerstraße 17
1015 Wien
Sehr geehrter Herr Vorsitzender!
Ich beziehe mich auf dein Schreiben vom 19. November 2003 und
übermittle dir gerne, auf Grundlage deiner Fragestellung, eine Punktation der Vorstellungen
und Forderungen des Österreichischen Städtebundes über die
bundesverfassungsgesetzlich zu regelnde Kontrolle in den Gemeinden:
1. Bundeseinheitliches Kontrollniveau für die Gemeinden
·
Die Gebarungskontrolle der Gemeinden
unter 20.000 Einwohnern soll, um Doppelprüfungen zu vermeiden, auch in Zukunft
nicht dem Rechnungshof unterliegen, sondern weiterhin durch die
Gemeindeaufsichtsbehörden wahrgenommen werden.
2. Neugestaltung der Kontrollrechte auf Bundesverfassungsebene
·
Gemäß Art 118 Abs. 5 B-VG sind der
Bürgermeister, die Mitglieder des Gemeindevorstandes, des Stadtrates, des
Stadtsenates und allenfalls bestellte andere Organe der Gemeinde bei der
Erfüllung ihrer dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zugehörigen Aufgaben dem
Gemeinderat verantwortlich. Welche Kontrollrechte bzw. Sanktionen dabei
Anwendung finden wird durch Landesgesetze (Gemeindeordnungen, Stadtstatute)
genauer geregelt. Vor dem Hintergrund, dass es Ziel des Verfassungskonvents
ist, eine schlanke Bundesverfassung zu erarbeiten, erachtet es der
Österreichische Städtebund für nicht erforderlich, in der Bundesverfassung die
Kontrollrechte im Detail, wie dies etwa für die Bundesregierung in Art 52
geregelt ist, neu zu gestalten.
·
Sollten die Beratungen im Ausschuss 8
aber zu dem Ergebnis kommen, dass eine Homogenisierung der Bestimmungen über
die Kontrollrechte erstrebenswert ist, dann könnte nach Meinung des
Österreichischen Städtebundes der Anwendungsbereich des Art 52 B-VG sowohl auf
Länder als auch auf Gemeinden ausgedehnt werden.
3. Umfang der Kontrolle der Gemeinden durch die Aufsichtsbehörden
·
Aufgrund der Tatsache, dass im Rahmen der
Verfassungsreform Landesverwaltungsgerichtshöfe eingerichtet werden erscheint
es aus Sicht des Österreichischen Städtebundes erstrebenswert, wenn in Zukunft
die Kontrolle von Bescheiden bzw. Verordnungen nicht mehr durch die
Gemeindeaufsichtsbehörde erfolgt, sondern ebenfalls durch die
Landesverwaltungsgerichtshöfe (Entfall der Vorstellung gem. Art 119a B-VG).
·
Damit verbunden müsste aber den Gemeinden
das Recht eingeräumt werden, gegen die Entscheidung der
Landesverwaltungsgerichtshöfe Beschwerde an die Gerichtshöfe öffentlichen
Rechts erheben zu können, ferner müsste, bei Entfall der zweiten
innergemeindlichen Instanz, das Recht zur Berufungsvorentscheidung nach AVG so
ausgestaltet werden, wie dies derzeit schon im Abgabenverfahren gegeben ist.
·
Gemäß dem Ziel des Verfassungskonvents,
wesentliche Grundlagen für eine moderne Verwaltung zu schaffen, sollte in Art
119a Abs. 6 B-VG normiert werden, dass durch Landesgesetze Ausnahmen von der
Mitteilungspflicht von im eigenen Wirkungsbereich erlassenen Verordnungen
zulässig sind. Hintergrund dieser Forderung ist es, dass derzeit Gemeinden alle
im eigenen Wirkungsbereich erlassenen Verordnungen, zB auch jede Verordnung
nach § 43 Abs. 2 StVO "Hupen verboten" oder "Halten
verboten", der Gemeindeaufsichtbehörde mitteilen müssen, was einen enormen
Verwaltungsaufwand darstellt.
·
Die darüber hinaus bestehenden
gemeindeaufsichtsbehördlichen Kontrollrechte, wie allgemeine
Rechtmäßigkeitskontrolle (Stichwort amtswegige Aufhebung und Nichtigerklärung
von Bescheiden), Auskunfts- und Inspektionsrechte, Gebarungskontrolle für
Gemeinden unter 20.000 Einwohnern, Auflösung des Gemeinderates, Ersatzvornahmen
und Genehmigungsvorbehalte sollen Aufrecht bleiben, jedoch die derzeit
demonstrative Aufzählung im B-VG in eine taxative umgestaltet werden.
Mit der Bitte um entsprechende Berücksichtigung verbleibe ich
mit
vorzüglicher Hochachtung
Dr. Michael Häupl e.h.
Artikel 52 Abs. 1 bis 4
Variante 1:
(1) Der Nationalrat und der
Bundesrat sind befugt, die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen,
deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle
einschlägigen Auskünfte zu verlangen sowie ihren Wünschen über die Ausübung der
Vollziehung in Entschließungen Ausdruck zu geben. Dieses Recht erstreckt
sich auch auf Unternehmungen, an denen der Bund beteiligt ist oder die er in
vergleichbarer Weise beherrscht.
(2) Jedes Mitglied des Nationalrates
und des Bundesrates ist befugt, in den Sitzungen des Nationalrates oder des
Bundesrates kurze mündliche Anfragen an die Mitglieder der Bundesregierung zu
richten.
(3) Fragerechte gemäß Abs. 1 und 2
bestehen hinsichtlich aller Gegenstände der Vollziehung des Bundes. Dazu
gehören alle Regierungsakte, alle Angelegenheiten der behördlichen Verwaltung,
der Verwaltung als Träger von Privatrechten, die Tätigkeit weisungsfreier
Organe sowie der in Abs. 1 genannten Unternehmungen. Widerspricht die Erteilung
eienr gewünschten Auskunft dem Recht auf Datenschutz oder auf Achtung des
Privat- und Familienlebens wegen der gegebenen Öffentlichkeit der Auskunft oder
ist die Beantwortung unmöglich, so hat der Befragte die unterlassen
Beantwortung zu begründen.
(4) Die nähere Regelung hinsichtlich
der Rechte gemäß Abs. 1 bis 3 wird durch das Bundesgesetz betreffend die
Geschäftsordnung des Nationalrates sowie die Geschäftsordnung des Bundesrates
getroffen.
Artikel 20 Absatz 3 und 4
(3) Jede Person hat ein Recht auf
Auskunft gegenüber den Organen der Gesetzgebung, Verwaltung und
Gerichtsbarkeit. Dieses Recht schließt den Zugang zu Dokumenten mit ein. Es
erstreckt sich auf den jeweiligen Wirkungsbereich der Organe.
(4) Dieses Recht kann durch Gesetz
Einschränkungen unterworfen werden, wie sie in einer demokratischen
Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen
Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der
öffentlichen Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit
und Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer untentbehrlich
sind, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das
Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtssprechung zu gewährleisten.
(5) Seine Ausübung wird durch
Bundesgesetz geregelt. Abweichende Regelungen können in den die einzelnen
Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen nur dann getroffen
werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind.
Artikel 44 Abs. 4
(4) Auf Antrag der Bundesregierung
hat der Verfassungsgerichtshof zu entscheiden, ob ein Gesetzesentwurf eine
Gesamtänderung der Bundesverfassung darstellen würde und daher eine Abstimmugn
gemäß Abs. 1 zu unterziehen wäre. Einen solchen Antrag kann auch der
Bundespräsident vor der Beurkundung eines beschlossenen Bundesgesetzes (Artikel
47 Abs. 1) stellen.
Artikel 57a Absatz 1 und 2
(1) Die Mitglieder des Nationalrates
dürfen wegen der in Ausübung ihres Mandates geschehenen Abstimmungen niemals
verantwortlich gemacht werden.
(Wegen der in Ausübung ihres
Mandates gemachten mündlichen oder schriftlichen Äußerungen können die Mitglieder
des Nationalrates nur vom Nationalrat zur Verantwortung gezogen werden.
Artikel 57b Abs. 1 bis 7
(1) Die Mitglieder des Nationalrates
dürfen wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung – den Fall der
Ergreifung auf frischer Tat bei Ausübung eines Verbrechens ausgenommen – nur
mit Zustimmung des Nationalrates verhaftet werden. Desgleichen bedürfen
Hausdurchsuchungen bei Mitgliedern des Nationalrates der Zustimmung des
Nationalrates.
(2) Darüber hinaus dürfen
Mitglieder des Nationalrates ohne Zustimmung des Nationalrates wegen des
Verdachtes einer strafbaren Handlung nur dann behördlich verfolgt werden,
wenn diese offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit
des betreffenden Abgeordneten steht. Der politischen Tätigkeit ist eine
Handlung jedenfalls dann zuzuordnen, wenn sie unmittelbar der Mitwirkung an der
politischen Willensbildung dient.
(3) Die Behörde kann eine
Entscheidung des Nationalrates über das Vorliegen eines solchen Zusammenhanges
einholen, sie hat dies zu tun, wenn dies der betreffende Abgeordnete
oder ein Drittel der Mitglieder des mit diesen Angelegenheiten betrauten
ständigen Ausschusses verlangt. Im Falle eines solchen Verlangens hat jede
behördliche Verfolgenshandlung sofort zu unterbleiben oder ist eine solche
abzubrechen.
(4) Die Zustimmung des Nationalrates
gilt in allen Fällen als erteilt, wenn der Nationalrat über ein entsprechendes
Ersuchen der zur Verfolgung berufenen Behörde nicht innerhalb von acht Wochen
entschieden hat; zum Zweck der rechtzeitigen Beschlussfassung des Nationalrates
hat der Präsident ein solches Ersuchen spätestens am vorletzten Tag dieser
Frist zur Abstimmung zu stellen. Die tagungsfreie Zeit wird in diese Frist
nicht eingerechnet.
(5) Im Fall der Ergreifung auf
frischer Tat bei Verübung eines Verbrechens hat die Behörde dem Präsidenten des
Nationalrates sogleich die geschehene Verhaftung bekannt zu geben. Wenn es der
Nationalrat oder in der tagungsfreien Zeit der mit diesen Angelegenheiten
betraute ständige Ausschuss verlangt, muss die Haft aufgehoben oder die
Verfolgung überhaupt unterlassen werden.
(6) Die Immunität der Abgeordneten
endigt mit dem Tag des Zusammentrittes des neugewählten Nationalrates, bei
Organen des Nationalrates, deren Funktion über diesen Zeitpunkt hinausgeht, mit
dem Erlöschen dieser Funktion.
(7) Die näheren Bestimmungen trifft
das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates.
Artikel 98 Absatz 5
Variante 1:
(5) Die Landtage sind befugt, die
Geschäftsführung der von ihnen gewählten Landesregierungen zu überprüfen, deren
Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung, insbesondere auch über solche
der mittelbaren Bundesverwaltung, zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte
zu verlangen. Die Landesverfassung bestimmt, welche dieser Rechte auch einem
oder einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern des Landtages zukommen
(Minderheitsrechte). Die Landesverfassung hat auch Bestimmungen zu enthalten,
in welcher Weise die Landtage befugt sind, ihre Wünsche über die Ausübung der
Landesvollziehung in Entschließungen Ausdruck zu geben.
Artikel 148e
Auf Antrag der Volksanwaltschaft in
einem anhängigen Prüfungsverfahren erkennt der Verfassungsgerichtshof über
Verfassungswidrigkeit von Bundesgesetzen, sowie über Gesetzwidrigkeit von
Verordnungen einer Bundesbehörde.
Eingebracht im Ausschuss 9, 12.
Sitzung, 8.9.2004
Die Gesetzesbeschwerde[167] als systematische Fortentwicklung
der Verfassungsgerichtsbarkeit
I.
Textvorschlag
In Art. 139 wird folgender Abs. 1a eingefügt:
„(1a) Der Verfassungsgerichtshof erkennt ferner
über [die] Gesetzwidrigkeit von Verordnungen nach Fällung einer rechtskräftigen
Entscheidung durch ein in Art. 89 Abs. 2 genanntes Gericht; dies aufgrund eines
Antrags einer Person, die Partei dieses Verfahrens war und die Anwendung einer
gesetzwidrigen Verordnung behauptet. Art. 89 Abs. 3 gilt sinngemäß. Mit
der Aufhebung der Verordnung oder dem Ausspruch ihrer Gesetzwidrigkeit gilt das
gerichtliche Verfahren als wieder aufgenommen. In
Strafrechtssachen können dem Generalprokurator Antragsrechte eingeräumt werden.“
Art.
139a letzter Satz lautet wie
folgt:
„Art. 89 Abs. 2, 3 und 5 sowie Art. 139 Abs. 1a bis
6 sind sinngemäß anzuwenden.“
In Art. 140 wird folgender Abs. 1a eingefügt:
„(1a)
Der Verfassungsgerichtshof erkennt ferner über [die] Verfassungswidrigkeit von
Gesetzen nach Fällung einer rechtskräftigen Entscheidung durch ein in Art. 89
Abs. 2 genanntes Gericht; dies aufgrund eines Antrags einer Person, die Partei
dieses Verfahrens war und die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes
behauptet. Art. 89 Abs. 3 gilt
sinngemäß. Mit der Aufhebung des Gesetzes oder dem Ausspruch seiner
Verfassungswidrigkeit gilt das gerichtliche Verfahren als wieder aufgenommen. In
Strafrechtssachen können dem Generalprokurator Antragsrechte eingeräumt
werden.“
II.
Erläuterungen
I.
Allgemeiner Teil
I.
1. Derzeitiger Rechtszustand
In
der ordentlichen Gerichtsbarkeit endet der Rechtszug beim OGH,
allenfalls auch bereits davor. Die letztinstanzlichen Gerichte sind auch zur
Entscheidung in der Sache selbst berufen. Hat der OGH oder das zur Entscheidung
in zweiter Instanz zuständige Gericht Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit
des Gesetzes, hat es einen Prüfungsantrag an den VfGH zu stellen (Art. 89
Abs. 2 und 140 Abs. 1 B-VG). Erzwingen kann dies die Partei des
gerichtlichen Verfahrens allerdings nicht.
Anders
ist die Situation bezüglich des Rechtsschutzes gegen Verwaltungsakte bzw.
in Hinkunft Entscheidungen der Verwaltungsgerichte: Bescheide einer
obersten Verwaltungsinstanz bzw. Entscheidungen der Verwaltungsgerichte können
im Regelfall sowohl beim VwGH als auch beim VfGH angefochten werden
(Art. 131 Abs. 1 und 144 Abs. 1 B-VG). Wird die Verletzung eines
Grundrechts behauptet, führt der Rechtszug zum VfGH, bei sonstigen subjektiv
öffentlichen Rechten zum VwGH. Der Beschwerdeführer kann beide Beschwerden
miteinander kombinieren und im Weg einer „Sukzessivbeschwerde“ zuerst den VfGH,
dann den VwGH in Anspruch nehmen (Art. 144 Abs. 3 B-VG).
Rechtstechnisch ist dies möglich, weil beide Gerichtshöfe grundsätzlich nicht
in der Sache selbst entscheiden und – etwas vereinfacht ausgedrückt – der VfGH
die Entscheidung am relativ „gröberen“ Maßstab der Bundesverfassung, der VwGH
aber am „feineren“ Maßstab des einfachen Gesetzes prüft. Gröbere –
grundrechtsrelevante – Rechtsverletzungen können vorweg und schneller vom VfGH
behoben werden. Im Rahmen der Beschwerde kann der Beschwerdeführer eine
behauptete Verfassungswidrigkeit des Gesetzes selbst an den VfGH herantragen
(Art. 144 Abs. 1 B-VG).
I.
2. Erzwingbarkeit der Gesetzesprüfung
Ein Reformbedarf
– namentlich im Verhältnis zwischen ordentlicher Gerichtsbarkeit und VfGH –
könnte darin gesehen werden, dass mangels Erzwingbarkeit der gerichtlichen
Antragstellung Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen lange Zeit
in Schwebe bleiben können.[168]
Die
„Gesetzesbeschwerde“ soll eine Brücke zwischen dem Verfassungsgerichtshof und
den anderen Gerichten schlagen. Sie gibt der Partei eines
(verwaltungs)gerichtlichen Verfahrens den Rechtsbehelf in die Hand, eine
Prüfung der angewendeten Vorschriften auf ihre Verfassungsmäßigkeit durch den VfGH
auch verfahrensrechtlich durchzusetzen. Die Gesetzesbeschwerde ist dabei für
zwei Verfahrenskonstellationen gedacht: Es kann sein, dass die Partei des
gerichtlichen Verfahrens – in verwaltungsgerichtlichen Verfahren allerdings
nicht die belangte Behörde – bereits vor dem Abschluss des gerichtlichen
Verfahrens Normbedenken hat, diese aber vom Gericht nicht aufgegriffen werden.
Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass die Partei des gerichtlichen
Verfahrens erst nach dessen rechtskräftigen Abschluss zur Auffassung gelangt,
die der Entscheidung zugrunde liegenden generellen Normen seien rechtswidrig.
Es
ist zu unterstreichen, dass diese Form der Erweiterung der Gesetzesprüfung eine
systematische Weiterentwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit darstellt. Zur
Zeit der Erlassung des B-VG stand nämlich die Normenkontrolle, insbesondere die
Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen, noch deutlich im Zeichen der
„abstrakten“ Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern über Kompetenzfragen.
Die „konkrete“ Normenkontrolle – und hier wieder als engerer Bereich: die
verfahrensmäßige Position des Einzelnen, die Normenkontrolle durch den VfGH
auch erwirken zu können – erfolgte erst schrittweise. Nach der Stammfassung des
B-VG blieb nämlich der Beschwerdeführer des verfassungsgerichtlichen
Bescheidprüfungsverfahrens (Art. 144 Abs. 1) darauf angewiesen, dass
der VfGH selbst allfällige Normbedenken aufgriff. Eine Anfechtungsbefugnis des
OGH und des VwGH wurde mit der B-VG-Novelle 1929 eingeführt und hinsichtlich
der in zweiter Instanz entscheidenden ordentlichen Gerichte mit der
B-VG-Novelle 1975 erweitert. Damit wurden zwar immerhin die Verfahrenswege zur
Gesetzesprüfung verbreitet, die Stellung des Einzelnen wurde allerdings erst
mit der B-VG-Novelle 1975
aufgewertet. Seitdem kann der Adressat eines letztinstanzlichen
Bescheids behaupten, durch die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in
seinen Rechten verletzt zu sein. Ergänzt wurde diese Anfechtungsmöglichkeit
durch den „Individualantrag“ (Art. 140 Abs. 1) für den Fall durch
Urteil oder Bescheid nicht näher konkretisierter, aber verfassungswidrig in die
Rechtsstellung des Einzelnen eingreifender Gesetze.
Die
Einführung der „Gesetzesbeschwerde“ – in Verbindung mit der neu geschaffenen
Antragslegitimation sämtlicher Gerichte, Bedenken gegen die
Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen an den VfGH heranzutragen – schlüge eine
Brücke hin zur ordentlichen Gerichtsbarkeit. Für die Verwaltungsgerichtsbarkeit
wäre sie insoweit relevant, als – vgl. oben – der Beschwerdeführer eben erst
nach Rechtskraft der Entscheidung des VwGH Normbedenken hat oder wenn – wie
dies im Bericht des Rechtsschutzausschusses angeschnitten wird – zu einem
späteren Zeitpunkt allenfalls die Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit des VfGH zur
Gänze aufgelassen würde.
Im
Ausschuss 9 herrschte Einigkeit darüber, dass die Einführung der
Gesetzesbeschwerde (dort noch: „des Subsidiarantrags“) jedenfalls einen
Fortschritt darstelle. Die Gesetzesbeschwerde hält die Aufgabenteilung[169]
bei der Einzelfallbeurteilung aufrecht, schafft aber einen umfassenden Zugang
zum VfGH auch gegen Entscheidungen der beiden anderen Höchstgerichte, soweit
diese die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes nicht beachtet haben sollten.
Sie fügt sich im Bereich des Verwaltungsrechts in das bewährte Zusammenspiel
zwischen den beiden Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts ein. Die Verfasser
dieses Entwurfs betonen den Aspekt der systematischen Fortentwicklung auch
deshalb, weil das parallel diskutierte Modell der „Urteilsbeschwerde“ einen
wesentlich gravierenderen Schritt darstellen würde, der in das Rechtsschutzsystem
für lange Zeit ein Element der Unsicherheit hineintrüge und etwa im Zivil- und
Strafrecht vom VfGH viele bisher geklärte Auslegungsfragen neu „durchjudiziert“
werden müssten.[170]
Die
neue Gesetzesbeschwerde verlässt auch sowohl hinsichtlich der
Verwaltungsgerichtsbarkeit als auch der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht den
nach allgemeiner Einschätzung oberen Rahmen von höchstens drei[171]
im Einzelfall entscheidenden
innerstaatlichen – hinzu kommen noch etwaige Verfahrensverzögerungen
aus Vorabentscheidungsverfahren etc. – Gerichtsinstanzen, weil es eben klar
um ein anderes Thema – die generelle Norm – geht. Wegen dieser trennbaren
Aufgabenstellung kann der Gesetzesbeschwerde – anders als einer allgemeinen
„Urteilsbeschwerde“ – nicht entgegengehalten werden, dass sich in
Zivilrechtssachen diejenige Partei, die bei den ordentlichen Gerichten in drei
Instanzen gewonnen hat, erneut damit konfrontiert sähe, dass die Auslegung der
ordentlichen Gerichte beim VfGH gleichsam als 4. Instanz unter bereits von den
anderen Gerichten zu berücksichtigenden und klärenden Aspekten in Frage
gestellt werden kann und damit vermeidbare weitere Verfahrenskosten und
Verzögerungen entstehen. Durch die unterschiedliche Aufgabenstellung der
Gesetzesbeschwerde wird auch der Eindruck vermieden, dass hier bloß Instanz an
Instanz gereiht werde, was tendenziell immer zu einer Verdünnung der für jede
Instanz zur Verfügung stehenden Mittel und zu Verzögerungen führen muss.
Im
Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit sollte der
Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz Gelegenheit zur Entwicklung und
Entfaltung gegeben werden, bevor tiefer greifende Systemänderungen ins Auge zu
fassen sind. Die Ersteller dieses Entwurfs halten auch in diesem Sinn an ihrer
Grundposition einer behutsamen systemkonformen Weiterentwicklung des
Rechtsschutzsystems fest. Sollte zu einem späteren Zeitpunkt die Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit
des VfGH aufgelassen werden, stellt sich die Frage nach der Anfechtbarkeit
verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen erster Instanz wiederum neu.
Abschließend
sei betont, dass nach einer weit verbreiteten Einschätzung mit der Einführung
der „Gesetzesbeschwerde“ der derzeit behauptete Mangel hinsichtlich der
Durchsetzung einer verfassungskonformen Rechtsordnung weitestgehend beseitigt
wird. Auch ist zu sehen, dass die Einführung der Gesetzesbeschwerde dem VfGH –
zumal anfänglich – einen nicht zu vernachlässigenden Aufgabenzuwachs im Bereich
der Normenkontrollverfahren erbrächte und in systemkonformer Weise seine
Stellung stärkte.
II. Besonderer Teil
1.
Der Textvorschlag setzt die Umwandlung der derzeit bestehenden Unabhängigen Verwaltungssenate
in Landesverwaltungsgerichte voraus. Auch geht er von einer umfassenden
Anfechtungsbefugnis aller Gerichte aus. Im Hinblick darauf kann allgemein von
den „Gerichten“ im Sinne
des Art. 89 Abs. 2 B-VG gesprochen werden.[172]
Ansonsten wird vom status quo ausgegangen.
2.
Für die legistische Einordnung in die Art. 139 und 140 B-VG wurde der Weg
gewählt, neue Absätze „1a“ einzurichten. Dies deshalb, weil die jeweiligen
Absätze 1 der Art. 139 f B-VG schon lang sind und man eine Neutextierung dieser
Bestimmungen überhaupt überlegen sollte. In Art. 139a B-VG soll durch einen
entsprechenden Verweis das Auslangen gefunden werden. Die Konsequenzen für das
Verfahren zur Prüfung von
Staatsverträgen ergeben sich schon aus dem in Art. 140a Abs. 1 B-VG enthaltenen
Verweis auf die geänderten Bestimmungen.
3.
Die Gesetzesbeschwerde soll unabhängig davon zulässig sein, ob der
Beschwerdeführer zuvor im Verfahren vor den antragsberechtigten Gerichten die
Normbedenken geltend gemacht und eine Antragstellung an den VfGH angeregt hat.
Denn dem Beschwerdeführer kann ja erst nach der Entscheidung des Gerichts die
mögliche Verfassungswidrigkeit der Norm deutlich werden.
4.
Nach dem Entwurf soll eine Gesetzesbeschwerde dann zulässig sein, wenn ein
antragsberechtigtes „Gericht“ befasst war. Es ist also – schon aus
prozessökonomischen Gründen – nicht vorgesehen, dass vor Erhebung der
Gesetzesbeschwerde ein Instanzenzug an den VwGH oder OGH ausgeschöpft oder
gesetzlich eingerichtet werden muss.
5.
Im Verfassungstext sollte auch zum Ausdruck kommen, dass die „Person“,
die als Beschwerdeführer vor dem VfGH auftritt, Verfahrenspartei des zugrunde
liegenden gerichtlichen Verfahrens gewesen ist. Dies erscheint auch zweckmäßig
im Hinblick auf eine Abgrenzung zum „benachbarten“ Individualantrag. Die
Wendung „in ihren Rechten“, die beim Individualantrag nach Art. 140 Abs.
1 B-VG verwendet wird, wird nicht übernommen. Für die Nichtverwendung dieser
Formel ist maßgebend, dass die Gesetzesbeschwerde der gerichtlichen
Antragstellung an den VfGH nachgebildet ist und dort ja auch nicht darauf
abgestellt wird, ob eine Verfahrenspartei „in ihren Rechten“ verletzt ist. Es
soll schon reichen, dass die verfassungswidrige Norm anzuwenden ist. Der Umfang
der Auswirkungen auf den konkreten
Einzelfall muss nicht vom VfGH geprüft werden.
Durch
die notwendige Voraussetzung eines vorgehenden gerichtlichen Verfahrens und der
Anwendung der bekämpften Norm kann die „Gesetzesbeschwerde“ auch nicht als
„Popularbeschwerde“ jeder Person gegen jedes irgendwie verfassungswidrige
Gesetz aufgefasst werden. Die Rechtsverletzungsmöglichkeit, also die notwendige
„Betroffenheit“ des Beschwerdeführers von der bedenklichen generellen Norm
ergibt sich aus der Geltendmachung subjektiver Rechte im
(verwaltungs)gerichtlichen Verfahren.
6.
Die Formulierung sollte es ausschließen, dass auch Amtsparteien im Sinn des
Art. 131 Abs. 1 Z 2 und 3 und Abs. 2 B-VG von der Gesetzesbeschwerde
Gebrauch machen können (arg: „Person“). Dies ist deshalb wichtig, weil
die Grenze zwischen konkreter und abstrakter Normprüfung nicht verwischt werden
soll. Sonst könnte etwa ein Bundesminister über die Anfechtung eines Bescheids
der Landesregierung die Verfassungsmäßigkeit des Bundesgesetzes bekämpfen, eine
Möglichkeit, die nach
Art. 140 Abs. 1 B-VG ansonsten nicht gegeben wäre (vgl. VfGH 16. 6.
2004, G 4-6/04). In diesem Zusammenhang soll aber auch die
verfassungsrechtliche Grundlage für eine mögliche Erweiterung der Kompetenzen
der Generalprokuratur geschaffen werden, die in Zukunft eine ähnliche
„Filterfunktion“ wie bei der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes
nach § 33 Abs. 2 StPO haben könnte. Weitere „grundrechtsspezifische“ Maßnahmen
im Strafrechtsbereich, wie etwa die Einholung von Stellungnahmen
(Menschenrechtsbeirat etc.) oder formelle Erleichterungen bei der Erhebung der
Grundrechtsbeschwerde an den OGH bzw. deren Ausdehnung auf weitere Grundrechte,
müssen hier nicht erörtert werden, weil sie keiner weiteren
verfassungsrechtlichen Grundlage bedürfen.
7.
Durch die Anordnung, dass die Gesetzesbeschwerde erst nach einer
rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zulässig ist, soll ausgeschlossen
werden, dass der Beschwerdeführer (die Verfahrenspartei des gerichtlichen
Verfahrens) parallel zur gerichtlichen Anfechtung einer generellen Norm eine
Gesetzesbeschwerde einbringt. Es bleibt der nicht ausdrücklich geregelte Fall,
dass das Gericht einen entsprechenden Antrag gestellt hat, der VfGH sein
Verfahren durchgeführt hat und das Gericht dann zu seiner Entscheidung findet.
Für diesen Fall schließt es der Entwurf nicht aus, dass der Beschwerdeführer
(die Verfahrenspartei) nunmehr verfassungsrechtliche Bedenken äußert, die noch
nicht Gegenstand des verfassungsgerichtlichen Verfahrens waren.
8.
Aus Gründen der Rechtssicherheit und in Anlehnung an die Bestimmung des § 82 VerfGG
wird der Gesetzgeber für die Einbringung der Gesetzesbeschwerde eine Frist
vorzusehen haben.
9.
Zur Straffung des – ohnedies bereits bedenklich langen – Verfahrens erscheint
es zweckmäßig, schon im Verfassungstext festzulegen, dass mit der Aufhebung des
Gesetzes (dem Ausspruch seiner Verfassungswidrigkeit) das gerichtliche
Verfahren wieder aufgenommen ist. Die jeweiligen Verfahrensgesetze können noch
detaillierter festlegen, in welchem Stadium das Verfahren als wiederaufgenommen
gilt.
Präs.
Univ.-Prof. Dr. Jabloner Univ.-Prof. DDr.
Grabenwarter Präs. Dr. Rzeszut
Eingebracht im Ausschuss 9, 12.
Sitzung, 15.9.2004
Textvorschläge zur Einführung einer „Verfassungsbeschwerde“ und zur
Erweiterung der Anfechtungslegitimation
Vorbemerkung: Der Textvorschlag geht von der
Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz in der Form aus, wie
sie derzeit im Ausschuss 9 akkordiert ist.
Art. 89 B-VG lautet:
Art. 89. (1) Die Prüfung der Gültigkeit gehörig
kundgemachter Verordnungen, Wiederverlautbarungen, Gesetze und Staatsverträge
steht den Gerichten nicht zu, soweit in diesem Artikel nicht anderes bestimmt
ist.
(2) Hat ein Gericht aus dem Grund
der Gesetzwidrigkeit Bedenken gegen die Anwendung einer Verordnung, so hat es
beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung der betroffenen
Rechtsvorschrift zu stellen. Gleiches gilt, wenn ein Gericht Bedenken gegen die
Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit hat.
(3) Ist die vom Gericht
anzuwendende Rechtsvorschrift bereits außer Kraft getreten, so hat der Antrag
des Gerichts an den Verfassungsgerichtshof die Feststellung zu begehren, dass
die Rechtsvorschrift gesetz- oder verfassungswidrig war.
(4) Abs. 2 erster Satz und Abs. 3
gelten für Kundmachungen über die Wiederverlautbarung, Abs. 2 und Abs. 3 nach
Maßgabe des Art. 140a für Staatsverträge sinngemäß.
(5) Durch Bundesgesetz wird
geregelt, welche Wirkungen der Antrag des Gerichts für das bei ihm anhängige
Verfahren hat.
Anmerkungen:
Die vorgeschlagene Neufassung des
Art. 89 B-VG verfolgt den Zweck, im Interesse einer Steigerung der faktischen
Effizienz des Rechtsschutzes die Befugnis zur Anfechtung von Gesetzen auf alle
Gerichte (auch erstinstanzliche Gerichte sowie Verwaltungsgerichte des Bundes und
der Länder) auszudehnen. Ansonsten werden im Interesse einer besseren
Lesbarkeit des Verfassungstextes kleinere sprachliche Änderungen vorgeschlagen,
die jedoch keine Änderung des normativen Gehalts der Bestimmung bewirken.
In Art. 139 Abs. 1 B-VG wird wird folgender dritter Satz eingefügt:
Durch Bundes- oder Landesgesetz können weitere Fälle vorgesehen
werden, in denen der
Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag
von Amtsorganen und Organisationen erkennt.
Anmerkung:
Mit diesem Text wird eine verfassungsrechtliche Ermächtigung des jeweils zuständigen Bundes- bzw Landesgesetzgebers geschaffen, den Kreis der Anfechtungsberechtigten in Art. 139 Abs. 1 B-VG zu erweitern. Seine systematische Einordnung in Art. 139 Abs 1. B‑VG (vor dem Individualantrag) soll klarstellen, dass es sich dabei um einen Fall der abstrakten Normenkontrolle handelt. Der Begriff der Amtsorgane umfasst insbesondere jene auf Gesetz beruhenden Einrichtungen, denen spezifische Rechtsschutzaufgaben übertragen sind (zB Umweltanwaltschaften, Gleichbehandlungskommissionen, etc). Mit dem Begriff der Organisationen sollen außerhalb der Verwaltung stehende Personengruppen und Institutionen erfasst werden, die öffentliche Interessen oder stellvertretend für Andere subjektive Interessen wahrnehmen.
In Art. 140 Abs. 1 B-VG wird folgender vierter Satz eingefügt:
(1a) Durch Bundes- oder Landesgesetz können weitere Fälle vorgesehen
werden,, in denen der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von
Gesetzen auf Antrag von Amtsorganen und Organisationen erkennt.
Anmerkung:
Mit diesem Text wird eine verfassungsrechtliche Ermächtigung des jeweils zuständigen Bundes- bzw Landesgesetzgebers geschaffen, den Kreis der Anfechtungsberechtigten in Art. 140 Abs. 1 B-VG zu erweitern. Seine systematische Einordnung in Art. 140 Abs 1. B‑VG (vor dem Individualantrag) soll klarstellen, dass es sich dabei um einen Fall der abstrakten Normenkontrolle handelt. Der Begriff der Amtsorgane umfasst insbesondere jene auf Gesetz beruhenden Einrichtungen, denen spezifische Rechtsschutzaufgaben übertragen sind (zB Umweltanwaltschaften, Gleichbehandlungskommissionen, etc). Mit dem Begriff der Organisationen sollen außerhalb der Verwaltung stehende Personengruppen und Institutionen erfasst werden, die öffentliche Interessen oder stellvertretend für Andere subjektive Interessen wahrnehmen.
Art. 144 B-VG lautet:
Art. 144 Abs. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Beschwerden
gegen Entscheidungen von Gerichten, soweit der Beschwerdeführer durch die
Entscheidung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen
Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, einer gesetzwidrigen Kundmachung
über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrages), eines
verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages in
seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Die Beschwerde kann erst nach
Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden, wobei die Ergreifung
außerordentlicher Rechtsbehelfe nicht erforderlich ist. Der
Verfassungsgerichtshof hat bei seiner Entscheidung den Inhalt der
Rechtsvorschriften zu Grunde zu legen, den das Gericht angenommen hat.
(2) Zur Beschwerdeführung vor dem Verfassungsgerichtshof nach Abs. 1
sind auch Amtsorgane und Organisationen berechtigt, soferne ihnen im
Verwaltungs- bzw. Gerichtsverfahren Parteistellung zugekommen ist.
(3) Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde bis
zur Verhandlung durch Beschluss ablehnen, wenn sie im Lichte der bisherigen
Rechtsprechung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die Ablehnung der
Behandlung ist jedoch unzulässig, wenn die erhobenen Bedenken betreffend die
Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, einer gesetzwidrigen Kundmachung
über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrages), eines
verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen
Staatsvertrages vom Beschwerdeführer spätestens im Verfahren vor den
Gerichten zweiter Instanz bzw. vor
den Verwaltungsgerichten des Bundes oder der Länder geltend gemacht wurden.
Anmerkungen:
Der vorgeschlagene Text geht davon aus, dass es zur Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz kommt, in der sämtliche „Art 133 Z 4 B‑VG“-Behörden aufgehen.
Abs. 1 sieht vor, dass gegen die Entscheidung von Gerichten (einschließlich des Obersten Gerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes) eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und wegen der Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm möglich sein soll. Im Sinne einer Stärkung der Effektivität des Grundrechtsschutzes wird dem Verfassungsgerichtshof damit die Zuständigkeit eingeräumt, über behauptete Grundrechtsverletzungen durch gerichtliche Entscheidungen zu urteilen. Zudem wird den Parteien eines gerichtlichen Verfahrens die Möglichkeit gegeben, ihre Bedenken ob der Rechtmäßigkeit von die Gerichtsentscheidung tragenden generellen Normen auch dann an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, wenn das Gericht von seinem Anfechtungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Der Textvorschlag beinhaltet somit Elemente der in Diskussion stehenden „Gesetzesbeschwerde“, geht aber hinsichtlich des Rechtsschutzes in Bezug auf verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte darüber hinaus.
Hinsichtlich der Beschwerdelegitimation ist festzuhalten, dass die Verfassungsbeschwerde gegen jede Entscheidung der im ordentlichen Instanzenzug erreichbaren obersten Instanz zulässig ist. Eines außerordentlichen Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof bedarf es daher ebenso wenig wie einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
Mit der vorgeschlagenen Verpflichtung des Verfassungsgerichtshofes, seiner Entscheidung jenen Inhalt der angewendeten Rechtsvorschriften zu Grunde zu legen, den das Gericht angenommen hat, soll bundesverfassungsgesetzlich klargestellt werden, dass in aller Regel dem Obersten Gerichtshof bzw. dem Verwaltungsgerichtshof – und nicht dem Verfassungsgerichtshof – die Befugnis zukommt, letzt verbindlich über den normativen Gehalt der vom Verfassungsgerichtshof zu prüfenden unterverfassungsgesetzlichen Rechtsvorschriften zu entscheiden.
Abs. 2 erweitert den Kreis der Beschwerdelegitimierten auf Amtsorganeund Organisationen, soferne ihnen in dem der Verfassungsgerichtshofbeschwerde vorausgegangenen Verwaltungs- bzw. Gerichtsverfahren Parteistellung zugekommen ist. Diese Ergänzung ist deshalb notwendig, weil ein Beschwerderecht verfassungspolitisch unabhängig davon wünschenswert erscheint, ob sie im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs in ihren Rechten verletzt sein können.
Abs. 3 räumt dem Verfassungsgerichtshof zur Vermeidung seiner Überlastung ein Ablehnungsrecht ein. Dieses soll jedoch dann nicht greifen, wenn der Beschwerdeführer seine Bedenken ob der Rechtmäßigkeit der generellen Norm spätestens im Verfahren vor dem Gericht zweiter Instanz bzw. vor dem Landesverwaltungsgericht geltend gemacht hat. Damit soll ein Anreiz zur raschen Rüge allfälliger Normbedenken gegeben und gleichzeitig ein bewusstes Hintanhalten von Normbedenken zum Zwecke der Prozessverschleppung unattraktiv gemacht werden.
Im Textvorschlag nicht enthalten ist die nach der derzeit in Geltung stehenden Verfassungsrechtslage bestehende Möglichkeit des Verfassungsgerichtshofes, die Behandlung einer Beschwerde auch dann abzulehnen, wenn „von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist“. Dieses Ablehnungsrecht stellte auf die unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe in den Verfahren vor dem Verfassungs- bzw. dem Verwaltungsgerichtshof ab, die mit der Abschaffung der Art. 144 B‑VG-Beschwerde in ihrer derzeitigen Form hinfällig ist. Nunmehr sind vom Verfassungsgerichtshof auch jene Grundrechtsverletzungen aufzugreifen, die auch eine Verletzung einfachgesetzlich gewährleisteter Rechte in sich schließen.
Eingebracht im Ausschuss 9, 14. Sitzung, 11.10.2004
Textvorschläge zur Einführung einer „Verfassungsbeschwerde“ und zur
Erweiterung der Anfechtungslegitimation
Aufgrund der Diskussion am 15. September überarbeitete Version
Vorbemerkung: Der Textvorschlag geht von der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz in der Form aus, wie sie derzeit im Ausschuss 9 akkordiert ist.
Art. 89 B-VG lautet:
„Artikel. 89. (1) Die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter
Verordnungen, Wiederverlautbarungen, Gesetze und Staatsverträge steht den
Gerichten nicht zu, soweit in diesem Artikel nicht anderes bestimmt ist.
(2) Hat ein Gericht aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken gegen die Anwendung einer Verordnung, so hat es beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung der betroffenen Rechtsvorschrift zu stellen. Gleiches gilt, wenn ein Gericht Bedenken gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit hat.
(3) Ist die vom Gericht anzuwendende Rechtsvorschrift bereits außer Kraft getreten, so hat der Antrag des Gerichts an den Verfassungsgerichtshof die Feststellung zu begehren, dass die Rechtsvorschrift gesetz- oder verfassungswidrig war.
(4) Abs. 2 erster Satz und Abs. 3 gelten für Kundmachungen über die Wiederverlautbarung, Abs. 2 und Abs. 3 nach Maßgabe des Art. 140a für Staatsverträge sinngemäß.
(5) Durch Bundesgesetz wird geregelt, welche Wirkungen der Antrag des Gerichts für das bei ihm anhängige Verfahren hat.“
Anmerkungen:
Die vorgeschlagene Neufassung des Art. 89 B-VG verfolgt den Zweck, im Interesse einer Steigerung der faktischen Effizienz des Rechtsschutzes die Befugnis zur Anfechtung von Gesetzen auf alle Gerichte (auch erstinstanzliche Gerichte sowie Verwaltungsgerichte des Bundes und der Länder) auszudehnen. Ansonsten werden im Interesse einer besseren Lesbarkeit des Verfassungstextes kleinere sprachliche Änderungen vorgeschlagen, die jedoch keine Änderung des normativen Gehalts der Bestimmung bewirken.
Art. 144 B-VG lautet:
„Artikel 144. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Beschwerden gegen Entscheidungen von Gerichten, soweit der Beschwerdeführer durch die Entscheidung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, einer gesetzwidrigen Kundmachung über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrages), eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Die Beschwerde kann erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden.
(2) Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde bis zur Verhandlung durch Beschluss ablehnen, wenn sie im Lichte der bisherigen Rechtsprechung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.“
Anmerkungen:
Der vorgeschlagene Text geht davon aus, dass es zur Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz kommt, in der – nach einer Übergangszeit - sämtliche „Art 133 Z 4 B‑VG“-Behörden aufgehen; erforderliche Ergänzungen für den Übergangszeitraum sollten in das „Begleitgesetz“ aufgenommen werden.
Abs. 1 sieht vor, dass gegen die Entscheidung von Gerichten (einschließlich des Obersten Gerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes) eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und wegen der Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm möglich sein soll. Im Sinne einer Stärkung der Effektivität des Grundrechtsschutzes und einer Vereinfachung und Beschleunigung des Rechtsschutzsystems insgesamt wird dem Verfassungsgerichtshof damit die Zuständigkeit eingeräumt, über behauptete Grundrechtsverletzungen durch gerichtliche Entscheidungen zu urteilen.
Durch die Einführung der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit mit einem Rechtszug an den Verwaltungsgerichtshof ergibt sich damit ein klares und einfaches Rechtsschutzsystem: Die Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit des VfGH kann entfallen, die Rechtskontrolle der Verwaltung übernimmt zur Gänze die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Damit entfällt die Parallelbefassung der beiden Höchstgerichte und es gibt nur mehr einen Typ von individuellen Rechtsakt, der vom Verfassungsgerichtshof zu überprüfen ist, nämlich gerichtliche Entscheidungen, sei es der ordentlichen Gerichtsbarkeit oder der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Damit ist ein gleicher Grundrechtsschutz in allen Bereichen der Rechtsordnung gesichert. Durch den Entfall der Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit (mehrere tausend Verfahren pro Jahr) werden beim VfGH Kapazitäten für die Grundrechtskontrolle im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit frei, sodass insgesamt bei gleichem Aufwand ein besserer und schnellerer Rechtsschutz erreicht wird.
Der erste Entwurf enthielt eine ausdrückliche Vorschrift, wonach der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung den Inhalt der Rechtsvorschriften zu Grunde zu legen hat, den das Gericht angenommen hat. Die Diskussion hat gezeigt, dass diese Vorschrift hinsichtlich der Reichweite der Bindung missverständlich ist. Tatsächlich ergibt sich das Anliegen einer solchen Vorschrift ohnedies aus der Aufgabenverteilung der drei Höchstgerichte: Oberster Gerichtshof und Verwaltungsgerichtshof haben jeweils für ihren Bereich für einen einheitlichen Rechtsschutz in der Auslegung von Gesetzen und Verordnungen zu sorgen. Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes ist es die Verfassungsmäßigkeit der gesamten Rechtsordnung auf Grundlage der Interpretationen der beiden anderen Höchstgerichte zu garantieren.
Auch bei diesem Vorschlag wird – so wie bei der Gesetzesbeschwerde - den Parteien eines gerichtlichen Verfahrens die Möglichkeit gegeben, ihre Bedenken ob der Rechtmäßigkeit von die Gerichtsentscheidung tragenden generellen Normen auch dann an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, wenn das Gericht von seinem Anfechtungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Der Textvorschlag beinhaltet somit Elemente der in Diskussion stehenden „Gesetzesbeschwerde“, geht aber hinsichtlich des Rechtsschutzes in Bezug auf verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte darüber hinaus.
Hinsichtlich der Beschwerdelegitimation ist festzuhalten, dass die
Verfassungsbeschwerde gegen jede Entscheidung der im ordentlichen Instanzenzug
erreichbaren obersten Instanz zulässig ist. Die erste Version dieses
Vorschlages beinhaltete eine ausdrückliche Bestimmung, dass die Ergreifung
außerordentlicher Rechtsbehelfe nicht erforderlich ist. Die Diskussion hat
gezeigt, dass die Termonologie insofern unklar ist. Tatsächlich auch in der
geltenden Version des Art. 144 der Begriff Instanzenzug
interpretationsbedürftig und wurde dahingehend auch interpretiert, dass –
vereinfach ausgedrückt – alle Rechtsmittel ergriffen werden müssen die im
Normalfall zur Verteidigung der Rechtsansicht der Partei zur Verfügung stehen
(z.B. auch die Vorstellung im Gemeindebereich). In diesem Sinne wird die
Judikatur zur klären haben, welche Rechtsmittel vor Anrufung des VfGH
ausgeschöpft werden müssen.
Abs. 2 (im ersten Entwurf Abs. 3) räumt dem Verfassungsgerichtshof zur Vermeidung seiner Überlastung ein Ablehnungsrecht ein. Nach dem ersten Entwurf sollte dieses jedoch dann nicht greifen, wenn der Beschwerdeführer seine Bedenken ob der Rechtmäßigkeit der generellen Norm spätestens im Verfahren vor dem Gericht zweiter Instanz bzw. vor dem Landesverwaltungsgericht geltend gemacht hat. Damit soll ein Anreiz zur raschen Rüge allfälliger Normbedenken gegeben und gleichzeitig ein bewusstes Hintanhalten von Normbedenken zum Zwecke der Prozessverschleppung unattraktiv gemacht werden. Die Diskussion dazu hat ergeben, dass eine derartige Einschränkung negative Effekte dadurch haben würde, dass sich der Verfassungsgerichtshof mit völlig aussichtslosen Normbedenken nur deswegen auseinandersetzen muss, weil sie bereits im gerichtlichen Verfahren vorgebracht wurden und das Gericht völlig zu recht keinen Normprüfungsantrag gestellt hat. Diese Ausnahme wurde daher wieder fallen gelassen.
Im Textvorschlag nicht enthalten ist die nach der derzeit in Geltung stehenden Verfassungsrechtslage bestehende Möglichkeit des Verfassungsgerichtshofes, die Behandlung einer Beschwerde auch dann abzulehnen, wenn „von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist“. Dieses Ablehnungsrecht stellte auf die unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe in den Verfahren vor dem Verfassungs- bzw. dem Verwaltungsgerichtshof ab, die mit der Abschaffung der Art. 144 B‑VG-Beschwerde in ihrer derzeitigen Form hinfällig ist. Nunmehr sind vom Verfassungsgerichtshof auch jene Grundrechtsverletzungen aufzugreifen, die auch eine Verletzung einfachgesetzlich gewährleisteter Rechte in sich schließen.
Zum Beschwerderecht von Amtsorganen und Organisationen
Der erste Entwurf hat in Art. 139 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1a und Art. 144 Abs. 2 jeweils eine ausdrückliche Ermächtigung des einfachen Gesetzgebers enthalten Amtsorganen und Organisationen ein Anfechtungs- bzw. Beschwerderecht einzuräumen. Die Intension ist von dem Hintergrund der derzeitigen Verfassungslage zu sehen: Derzeit kann der einfache Gesetzgeber sogenannte Legalparteien (Amtsparteien, Bürgerparteien) im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof vorsehen, ihnen also ein Recht der Bescheidbeschwerde einräumen, weil Art. 131 Abs. 2 B-VG ausdrücklich dazu ermächtigt wird. Im Bereich des Art. 144 B-VG fehlt eine derartige Ermächtigung, sodass im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof Legalparteien nur durch Verfassungsbestimmungen eingerichtet werden können (wie z.B. im UVP-Verfahren geschehen). Da Legalparteien keine eigene subjektive Rechtssphäre haben, muss der Gesetzgeber auch regeln, welche Rechtsverletzungen sie geltend machen können.
Die Diskussion hat gezeigt, dass durch die Einrichtung einer Verfassungsbeschwerde entsprechend diesen Vorschlag in Zukunft der einfache Gesetzgeber Legalparteien (also auch Amtsorgane und Organisationen) in der Weise einrichten kann, dass diese auch beschwerdeberechtigt vor dem Verfassungsgerichtshof sind:
Der einfache Gesetzgeber kann wie bisher solche Legalparteien im verwaltungsgerichtlichen Verfahren und im Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit vorsehen. Parteien des neuen verfassungsgerichtlichen Verfahrens gemäß Art. 144 B-VG sind jeweils die Parteien des zu Grunde liegenden gerichtlichen Verfahrens. Hat in diesem eine Legalpartei Parteistellung, hat sie auch das Beschwerderecht an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 B-VG und kann jede Rechtswidrigkeit einer generellen Norm (auch aus dem Grund, weil sie gegen verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte verstößt) an den Verfassungsgerichtshof herantragen.
Damit ist die primäre Intention des Vorschlages erfüllt. Hinsichtlich einer Kompetenz des einfachen Gesetzgebers, ohne nähere Schranken abstrakte Normenkontrollbefugnisse einzuräumen (wie dies der erste Vorschlag in Art. 139 und 140 B-VG vorgesehen hat), wurden im Ausschuss gravierende Bedenken geäußert, weswegen er fallen gelassen wurde. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass über eine solche eingeschränkte Befugnis in Gestalt eines Verbandsklagerechtes auch im Ausschuss 4 diskutiert wird.
Eingebracht im Ausschuss 9, 15. Sitzung, 27.10.2004
Vorschlag für einen
weisungsfreien Bundesstaatsanwalt
Artikel 94a lautet:
„Artikel
94a. (1) Die öffentliche Anklage wird von den bei den
staatsanwaltschaftlichen Behörden ernannten und ständig tätigen Staatsanwälten
wahrgenommen. Sie sind Organe der Rechtspflege.
(2)
Die staatsanwaltschaftlichen Behörden unterstehen dem Bundesstaatsanwalt.
Dieser ist unabhängig und weisungsfrei.
(3)
Der Bundesstaatsanwalt wird aufgrund eines Vorschlages des Hauptausschusses vom
Nationalrat in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit
einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen gewählt. Seine
Amtsdauer beträgt sechs Jahre. Eine einmalige Wiederwahl ist zulässig.
(4)
Dem Vorschlag des Hauptausschusses des Nationalrates hat eine öffentliche
Ausschreibung voranzugehen. Der Hauptausschuss hat eine öffentliche Anhörung
durchzuführen, an der Vertreter der Richter und Staatsanwälte zu beteiligen
sind. Näheres wird in der Geschäftsordnung des Nationalrates bestimmt.
(5)
Dem Nationalrat und dem Bundesrat stehen gegenüber dem Bundesstaatsanwalt die
Befugnisse nach Art. 52 mit Ausnahme der Befugnis, in Entschließungen Wünschen
über die Ausübung der Vollziehung Ausdruck zu geben, und Art. 53 zu.
(6)
Der Bundesstaatsanwalt ist hinsichtlich der Verantwortlichkeit den Mitgliedern
der Bundesregierung gleichgestellt.“
Eingebracht im Ausschuss 9, 15.
Sitzung, 27.10.2004
Vorschlag zu einem
Kollegialorgan der Richter
zur Führung der
Justizverwaltung
Artikel 94 lautet:
„Artikel
94. (1) Die Justiz ist von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt.[173]
(2)
Die Angelegenheiten der Justizverwaltung werden von einem Senat[174]
geführt[175], dem unter
dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes die Präsidenten der
Oberlandesgerichte und vier weitere Richter angehören, die auf Vorschlag der
Richtervereinigung vom Nationalrat mit einer Mehrheit von zwei Dritteln für die
Dauer von vier Jahren gewählt werden. Eine Wiederwahl ist zulässig.
(3)
Dem Nationalrat und dem Bundesrat stehen gegenüber dem Senat die Befugnisse
gemäß Art. 52 und 53 zu. Der Vorsitzende des Senats hat in allen
Angelegenheiten der Justizverwaltung die den Mitgliedern der Bundesregierung
gemäß Art. 75 zustehenden Rechte. Der Vorsitzende und die Mitglieder des Senats
sind hinsichtlich der Verantwortlichkeit Mitgliedern der Bundesregierung
gleichgestellt.
(4)
Die die ordentliche Gerichtsbarkeit betreffenden Kapitel des Entwurfes des
Bundesfinanzgesetzes sind im Einvernehmen mit dem Senat zu erstellen. Kommt es
zu keinem Einvernehmen, ist der Senat berechtigt, einen eigenen Vorschlag dem
Nationalrat vorzulegen.“
Eingebracht im Ausschuss 9, 15.
Sitzung, 27.10.2004
Formulierungsvorschlag
Staatshaftung
Folgender Art. 144a wird
eingefügt:
„Artikel 144a. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über rechtswidrige
Untätigkeit des Gesetzgebers bei der Erfüllung verfassungsrechtlicher
Pflichten.1 Antragsberechtigt ist jede Person, die dadurch in
ihren Rechten verletzt zu sein behauptet und eine Feststellung der Untätigkeit
nicht in einem Verfahren nach Art. 137 bis 144 erwirken kann.2
Zur Antragstellung kann der zuständige Gesetzgeber auch Amtsorgane und
Organisationen berufen.3 Im Erkenntnis, mit dem der
Verfassungsgerichtshof rechtswidrige Untätigkeit feststellt, kann auch
Schadenersatz nach Abs. 2 erster Satz zugesprochen werden. Abs. 3 letzter Satz gilt dann sinngemäß.4
(2) Bund und Länder haften für den durch rechtswidrige
Untätigkeit des Gesetzgebers zugefügten Schaden nach den Bestimmungen des bürgerlichen
Rechts.4a Zur Entscheidung sind die ordentlichen Gerichte
unter Bindung an die Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes zuständig.
Liegt noch kein Erkenntnis nach Abs. 1 vor und hält ein Gericht die Frage der
rechtswidrigen Untätigkeit des Gesetzgebers für entscheidungserheblich, so hat
es sein Verfahren zu unterbrechen und beim Verfassungsgerichtshof eine
Entscheidung zu beantragen.5
(3) Soweit für den Schaden
gehaftet wird,6 den der Gesetzgeber durch eine Verletzung
Europäischen Gemeinschaftsrechts zugefügt hat, haften Bund und Länder7
im Rahmen ihrer Zuständigkeit. Zur Entscheidung ist
der Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 137 zuständig.8 Er kann
sich auf die Feststellung der Rechtsverletzung oder auf die Feststellung des Schadenersatzanspruches
dem Grunde nach beschränken und aussprechen, dass die Durchsetzung vor den
Zivilgerichten zu erfolgen hat.9
(4) Soweit der Bund für
den Schaden aus einem gegen Europäisches
Gemeinschaftsrecht verstoßenden Erkenntnis des
Verwaltungsgerichtshofes oder des Obersten Gerichtshofes haftet, ist zur Entscheidung der Verfassungsgerichtshof nach
Art. 137 zuständig. Abs. 3 letzter Satz gilt
sinngemäß. Zur Entscheidung
über die Haftung aus einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ist der Oberste
Gerichtshof zuständig.10
(5) Die näheren Bestimmungen zu den Abs. 1 bis 4 werden bundesgesetzlich getroffen.11“
1 Die Zuständigkeit des VfGH nach Abs. 1
erfasst nicht eine bloß mangelhafte Umsetzung verfassungsrechtlicher Pflichten,
sondern nur die gänzliche Untätigkeit des Gesetzgebers. Eine bloß mangelhafte
Umsetzung verfassungsrechtlicher Verpflichtungen kann im Wege der
Verfassungsbeschwerde oder im Wege eines Individualantrages auf Normprüfung an
den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden. Die Grenzziehung ergibt sich
also daraus, ob ein Gesetzgebungsakt vorliegt, indem eine behauptete
Verfassungswidrigkeit ihren Sitz hat. Gibt es keine solche Gesetzesvorschrift,
obwohl eine solche zur Umsetzung einer verfassungsrechtlichen Pflicht
existieren müsste, soll die Zuständigkeit nach Abs. 1 greifen. Solche Pflichten
können sich einerseits aus Grundrechten ergeben, insbesondere auch aus sozialen
Grundrechten, andererseits aber auch aus qualifizierten Verstößen in der
Umsetzung von Aufträgen, die sich aus Staatszielen ergeben, wie etwa im
Umweltschutz. Weiters kommt eine Untätigkeit des Gesetzgebers nach Aufhebung
eines Gesetzes durch den Verfassungsgerichtshof in Betracht. Der Nachweis eines
Schadens, wie er im System des Amtshaftungsrechts notwendig ist, ist für dieses
Feststellungsverfahren keine Voraussetzung; ein Schadenersatzanspruch kann aber
auch in einem solchen Verfahren geltend gemacht werden. Ein Verschulden des
Gesetzgebers bzw. der Mitglieder der gesetzgebenden Organe ist für eine Haftung
nicht erforderlich („ . . . rechtswidrige Untätigkeit“).
2 Die Subsidiarität der
Feststellungskompetenz des VfGH wird vorgeschlagen, weil der Antragsteller oft
im Weg der Anrufung des Verfassungsgerichtshofs in einem anderen Verfahren die
Möglichkeit haben wird, die Säumnis des Gesetzgebers geltend zu machen. Ob dies
der Fall ist, soll der VfGH als Zulässigkeitsvoraussetzung – ähnlich wie
derzeit beim Individualantrag auf Gesetzes- und Verordnungsprüfung – prüfen.
3 Dem österreichischen Recht ist das
Institut der „Verbandsklage“ etwa schon aus dem Konsumentenschutzrecht bekannt.
Die konkrete Nennung der antragsberechtigten Organisationen obliegt dem
einfachen Gesetzgeber. Der Begriff der Amtsorgane umfasst insbesondere jene auf
Gesetz beruhenden Einrichtungen, denen spezifische Rechtsschutzaufgaben
übertragen sind (zB Umweltanwaltschaften, Gleichbehandlungskommissionen, etc).
Mit dem Begriff der Organisationen sollen außerhalb der Verwaltung stehende
Personengruppen und Institutionen erfasst werden, die öffentliche Interessen
oder stellvertretend für Andere subjektive Interessen wahrnehmen.
4 Schadenersatzansprüche aus rechtswidriger
Untätigkeit des Gesetzgebers sollen nach Abs. 2 grundsätzlich vor den
Zivilgerichten geltend gemacht werden. Richtet sich eine Person aber in einem
Verfahren nach Abs 1 direkt an den Verfassungsgerichtshof und macht dort einen
Schaden geltend, so soll dieser ermächtigt sein, in diesem „Anlassfall“ selbst
über den Ersatzanspruch zu entscheiden. Wenn es verfahrensökonomisch zweckmäßig
ist, kann er den Antragsteller aber auch auf den Zivilrechtsweg verweisen.
Schadenersatzansprüche aus einer Untätigkeit des Gesetzgebers, über die vom
VfGH schon entschieden wurde, sollen dagegen nicht mehr bei diesem eingeklagt
werden können (Abs. 2).
6 Die Formulierung „soweit ... gehaftet
wird“ wurde hier gewählt, um die materiellrechtlichen Voraussetzungen der
gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung für den Gesetzgeber unberührt zu lassen.
Die vorliegende Formulierung in Abs 3 regelt nur die verantwortlichen Rechtsträger
(Bund, Länder) und die Zuständigkeit zur Entscheidung über
Staatshaftungsansprüche. Beides entspricht der bisherigen Judikatur des
Verfassungsgerichtshofes.
7 Dass sowohl Bund als auch Länder für ihre
Gesetzgeber haften sollen, entspricht der bundesstaatlichen
Kompetenzverteilung. Dies ist gemeinschaftsrechtlich nicht determiniert und
soll daher ausdrücklich normiert werden.
8 Die Frage, ob der Gesetzgeber – auch nur
durch qualifizierte Untätigkeit – gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht verstoßen
hat, soll vom Verfassungsgerichtshof entschieden werden. Dies entspricht auch
dem derzeit bestehenden Monopol des Verfassungsgerichtshofes auf dem Gebiet der
Gesetzesprüfung (vgl Art 140 iVm Art 89 B-VG). Es geht bei der Prüfung dieses
Rechtsverstoßes auch nicht um zivilrechtliche Fragestellungen, wie sie von den
ordentlichen Gerichten entschieden werden. Diese sollen aber grundsätzlich zur
Entscheidung über die Bemessung des Schadenersatzanspruchs selbst zuständig
sein.
9 Bei der Schadensberechnung können
sich Detailfragen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ergeben, deren
Befassung die Kapazitäten des Verfassungsgerichtshofes unangemessen in Anspruch
nehmen könnte. Für diesen Fall soll dem Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit
offen stehen, sich auf die Feststellung der Rechtsverletzung dem Grunde nach zu
beschränken und die Kläger zur Durchsetzung auf den Rechtsweg zu verweisen.
Dies orientiert sich an den – auch im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof
anzuwendenden – Bestimmungen der ZPO (§ 393 Abs 1 und Abs 2). Durch die
Möglichkeit, die Rechtsverletzung nur festzustellen, soll dem VfGH ermöglicht
werden, auch allfällige mit dem Grund des Anspruchs zusammenhängenden Fragen,
wie etwa die Kausalität für den behaupteten Schaden an die Zivilgerichte zu
verweisen.
10 Die Bestimmung könnte vor dem
Hintergrund einer Verfassungsbeschwerde insb dann Probleme aufwerfen, wenn in
ein- und demselben Verfahren sowohl der OGH als auch der – gegen dessen
Entscheidung angerufene – VfGH die Pflicht zur Vorlage einer bestimmten
Gemein-schaftsrechtsfrage an den EuGH verneint haben. Die hier möglichen
Konstellationen sind nicht völlig absehbar. In solchen Fällen wäre aber insb.
fraglich, ob ein diesbezüglich vom VfGH nicht beanstandetes Urteil des OGH für
den Schaden noch kausal sein kann.
11 Um eine Zersplitterung der
Regelungen auf Bundes- und Landesrecht zu vermeiden, sollte die Zuständigkeit
für Ausführungsregelungen beim Bundesgesetzgeber konzentriert werden. Dies
entspricht auch der geltenden Rechtslage, sowohl beim Amtshaftungsrecht (Art 23
Abs 4 B-VG) als auch beim Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (Art 148
B-VG). In Bezug auf die Staatshaftung nach Gemeinschaftsrecht können die
bundesgesetzlichen Ausführungs-regelungen nur die notwendigen Verfahrensbestimmungen
treffen. Dagegen lässt die vorge-schlagene Fassung von Abs. 3 und 4 die
materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Haftung unberührt, sodass auch der
einfache Gesetzgeber diese nicht näher regeln kann.
Forderungen des
Österreichischen Städtebundes
an den Ausschuss 10 des Österreich-Konvent
20.2.2004
1. Vorbemerkungen
Eine neue Finanzverfassung muss
einen Rahmen schaffen, der sicherstellt, dass die Städte und Gemeinden in der
Lage sind, auch in einem größeren Europa ihren Beitrag zur Lebensqualität der
Bevölkerung und der Entwicklung der örtlichen Wirtschaft zu leisten und damit
wichtige Voraussetzungen für Wohlstand und Vollbeschäftigung in Österreich zu
schaffen. Die Betonung der Rolle der Städte als wichtige Akteure (insbesondere
im Hinblick auf ihre zentralörtlichen und ballungsraumspezifischen Aufgaben) in
einem größeren europäischen Wirtschaftsraum schließt Solidaritätsmaßnahmen – zu
denen sich der Städtebund durchaus bekennt – mit wirtschaftlich benachteiligten
Gebieten keineswegs aus.
Die
nachfolgenden Vorschläge zielen darauf ab, die Leistungskraft der Städte in
einem partnerschaftlichen System, das in einem hohen Maße die effiziente
Verwendung der Mittel fördert, sicherzustellen.
2.
Die Kernbereiche des Finanzverfassungsgesetzes
2.1.
Finanzverfassung und Föderalismus
a) Die
Finanzverfassung hat die Kompetenz-Kompetenz in Abgabenangelegenheiten an den
einfachen Bundesgesetzgeber übertragen, ohne den anderen Finanzausgleichspartnern
ein entsprechendes Gegengewicht in Form z. B. erhöhter Mitspracherechte zu verschaffen.
Die Gesetzgebungshoheit in Abgabensachen ist weitgehend beim Bund konzentriert,
und die Landesgesetzgebung ist selbst dort, wo sie autonom tätig werden kann
bzw. könnte, mit einer Reihe von Einschränkungen und Barrieren konfrontiert.
Die Gemeinden treten in der Finanzverfassung völlig in den Hintergrund, wofür
allein schon kennzeichnend ist, dass sie an vielen Stellen nur in einem
Klammerausdruck genannt werden. Sie sind dem Bund und den Ländern in einer
Weise untergeordnet, sodass „nicht wirklich“ von einer Partnerschaft gesprochen
werden kann. Dass den Gemeinden in der Vollziehung wichtige Aufgaben übertragen
sind und gerade bei ihnen die privatwirtschaftliche Tätigkeit zum Wohle der
Bürger, die primäre Daseinsvorsorge und die Zurverfügungstellung der für den
Bestand eines modernen Gemeinwesens unabdingbaren Infrastruktur eine
überragende Rolle spielt, was aber auf der anderen Seite eine entsprechende
Mittelausstattung bedingt, bleibt in der Finanzverfassung weitgehend
unberücksichtigt, damit aber auch der Grundsatz der Gemeindeautonomie bzw. das
damit eng verbundene Prinzip der Finanzautonomie und der Gleichrangigkeit der
Gemeinden als Teilhaber am Finanzausgleich.
Die vereinzelt erhobene Forderung, die Gemeinden aus dem gesamtösterreichischen
Finanzausgleich überhaupt auszuklammern und die Regelung der Finanzausstattung
der Gemeinden den Ländern zu überlassen (Schaffung eines "zweistufigen
Finanzausgleichs") wird von Seiten des Österreichischen Städtebundes
strikt abgelehnt
Die Neuordnung der Finanzverfassung hat daher - ohne allerdings die Vorteile
bundeseinheitlicher Entscheidungen gänzlich zu ignorieren - von einer Betonung
der Gleichrangigkeit und Autonomie aller Finanzausgleichspartner auszugehen:
Die Deckungsbedürfnisse der drei Ebenen sind qualitativ als grundsätzlich
gleichwertig anzusehen. An der durch die Bundesverfassung gewährleisteten
Unabhängigkeit der Haushaltsführung ist festzuhalten. Damit diese
Unabhängigkeit garantiert werden kann müssen die Gemeinden über ihre Einnahmen
weitgehend autonom verfügen können, sie also entsprechend mit eigenen
Abgabenrechten im Rahmen der Abgabenhoheit und dem Recht zur freien Entscheidung
über die Verwendung von Abgabenerträgen im Rahmen der Ertragshoheit
ausgestattet werden.
b) Als
Mangel der Finanzverfassung könnte auch empfunden werden, dass sie nur
Aufteilungs-, jedoch keine Koordinationsnormen enthält, der Harmonisierung und
Koordinierung der Finanzpolitik der verschiedenen Gebietskörperschaften also
kein Gewicht beilegt. Jedoch bestehen außerhalb der Finanzverfassung Regelungen,
die die Gebietskörperschaften zur Koordinierung ihrer Haushalte auffordern.
Dazu gehört Art 13 Abs 2 B-VG und die aufgrund der sogenannten
„Maastricht-Kriterien“ erlassenen Innerösterreichischen Stabilitätspakte.
Wie sich in der Praxis zeigt, führen der Stabilitätspakt 2001 und die übrigen
Budgetrestriktionen zu einem Verlust an politischem Gestaltungsspielraum für
alle Gebietskörperschaftsebenen, speziell auch für die Gemeinden. Die
bestehenden Meldeverpflichtungen über Haushaltsdaten etc. an die Statistik
Austria und weiter an EUROSTAT bedingen einen beträchtlichen administrativen
Aufwand und führen zu mehr oder weniger gläsernen Gebietskörperschaften, ohne
dass für das Staatsganze wesentliche Erkenntnisse gewonnen werden.
Der Österreichischen Städtebund lehnt daher jegliche (noch) detailliertere
Spezifizierung von Haushaltskoordinations- und Meldeerfordernissen, wie dies
etwa im Ausschuss 1 von einigen Mitgliedern gefordert wurde, auf Ebene des
(Finanz-)Verfassungsrechts ab.
c) Ein
Problem besonderer Art ergibt sich im Zusammenhang mit den Gemeindeverbänden,
die in der Finanzverfassung zwar an einzelnen Stellen genannt werden, in die
generellen Finanzausgleichsregelungen jedoch nicht einbezogen sind. Da es sich
bei ihnen nicht um Gebietskörperschaften handelt, kann ihnen nach der geltenden
Rechtslage keine Abgabenhoheit zugestanden werden. Dem Bundes- oder
Landesgesetzgeber ist es verwehrt. Gemeindeverbände zur Ausschreibung von
Abgaben (in erster Linie kämen Leistungsgebühren in Frage) zu ermächtigen, und
auch eine Ertragshoheit kann ihnen nicht zugestanden werden. Zur Stärkung einer
bürgernahen und effizienten Verwaltung fordert der Städtebund die
Flexibilisierung der Möglichkeiten zur interkommunalen Zusammenarbeit in Rahmen
von Gemeindeverbänden und sonstigen Kooperationsformen. Der Städtebund vertritt
daher die Auffassung, dass auch die Finanzverfassung dieser Forderung gerecht
werden muss und in ihr Finanzierungsinstrumente für Gemeindeverbände und andere
Kooperationsformen vorgesehen werden müssen.
2.2
Kostentragung
§ 2 F-VG bestimmt,
dass der Bund und die übrigen Gebietskörperschaften, sofern die zuständige
Gesetzgebung nichts anderes bestimmt, den Aufwand tragen, der sich aus der
Besorgung ihrer Aufgaben (Anknüpfung an die Vollzugskompetenz) ergibt.
Dieser Konnexitätsgrundsatz,
die Koppelung von Aufgabenverantwortung und Finanzierungsverantwortung, kann
fast zwingend schon aus dem Autonomieprinzip abgeleitet werden, die eigentliche
Bedeutung des § 2 F-VG wird daher eher darin gesehen, dass vom Prinzip der
eigenen Kostentragung abweichende Regelungen getroffen werden können.
Der Kostenbegriff
umfasst bei der Besorgung von Aufgaben einer anderen Gebietskörperschaft
allerdings nur den Personal- und den sogenannten Amtssachaufwand. Den
sogenannten Zweckaufwand hat jene Gebietskörperschaft zu finanzieren, deren
Aufgabe besorgt wird.
Die Bindung der
Kostentragung an die Vollziehungskompetenz schafft naturgemäß einen besonderen
Anreiz für rationelle Aufgabenerfüllung und ökonomisches Vorgehen und ist daher
positiv zu beurteilen. Der Österreichische Städtebund vertritt daher die
Auffassung, dass von diesem Grundsatz auch nicht abgegangen werden sollte. Auch
entfällt bei der Vollziehung im Rahmen der mittelbaren Verwaltung bzw. des
übertragenen Wirkungsbereiches der administrative Aufwand für die
Kostenüberrechnung.
Dem steht allerdings gegenüber, dass im
übertragenen Wirkungsbereich die Aufgaben- und die Ausgabenverantwortung
auseinander klaffen, der Materiengesetzgeber daher durch Aufgabenausweitung
oder durch Bestimmungen über eine Intensivierung der Aufgabenerfüllung
einseitig eine Mehrbelastung der vollziehenden Gebietskörperschaft bewirken
kann. Auf solche Mehrbelastungen wäre zwar in weiterer Folge im Finanzausgleich
Bedacht zu nehmen. Jedoch hat die Praxis der letzten Jahre insbesondere für die
Städte und Gemeinden gezeigt, dass sie im Einzelfall oft von untergeordnetem
Ausmaß oder kostenmäßig nur schwer erfassbar sind und erst ihre Summierung
finanziell ins Gewicht fällt, ohne dass jedoch eine genauere Quantifizierung
möglich wäre.
Die Finanzverfassung
selbst lässt, wie bereits erwähnt, Ausnahmen vom Prinzip der eigenen
Kostentragung zu, nämlich Kostenüberwälzungen (etwa in Form der Überbürdung
auch des Zweckaufwandes) oder Kostenübernahmen, die beim Finanzausgleich eine
bedeutende Rolle spielen.
Kostenüberwälzungen
sind negativ zu beurteilen, da sich der Materiengesetzgeber damit jeglicher
finanzieller Verantwortung entledigen kann. Sie werden daher von Seiten des
Österreichischen Städtebundes strikt abgelehnt. Eine entsprechende Änderung in
der neuen Finanzverfassung ist daher unbedingt erforderlich.
Kostenübernahmen
dagegen haben den gegenteiligen Effekt und sind vor allem dort sinnvoll, wo es
sich um klar umrissene Aufgaben größeren Umfangs mit eindeutig abgrenzbarer
Kostenbelastung handelt und wo eine Abgeltung im Rahmen der generellen
finanzausgleichsgesetzlichen Mittelzuteilung zu unscharf wäre.
Der Österreichische
Städtebund fordert daher, dass am Grundsatz der eigenen Kostentragung und die
Möglichkeit von Kostenübernahmen beibehalten wird, jedoch ergänzt durch eine
stärkere Mitsprachemöglichkeit, etwa in Form eines Einspruchs- bzw.
Zustimmungsrechts der Gemeinden bei Gesetzgebungsakten, die ihnen im
Vollziehungsbereich Mehrkosten verursachen.
Ein weiteres
Instrument dafür ist das BVG über den Konsultationsmechanismus. Als ersten
Schritt fordert daher der Österreichische Städtebund den
Konsultationsmechanismus in die Finanzverfassung zu integrieren. Jedoch hat
sich in der Vergangenheit gezeigt, dass die Hoffnungen, die in den
Konsultationsmechanismus gesetzt worden sind, größtenteils enttäuscht wurden.
Der Österreichische Städtebund behält sich vor, im Laufe der Beratungen im
Ausschuss 10 detaillierte Änderungsvorschläge für den Konsultationsmechanismus
einzubringen.
2.3
Finanzausgleich
Der österreichische
Gemeindefinanzausgleich ist sehr stark am Ausgleichsziel zur Erreichung
einheitlicher Lebensbedingungen orientiert. Es zeigt sich u.a. eine anhaltende
Rücknahme der Infrastrukturinvestitionen der großen Städte. Der Österreichische
Städtebund fordert daher, die Finanzausstattung der Gebietskörperschaften unter
Beachtung von sorgfältig abgestimmten finanzpolitischen Zielen
(Autonomiepolitische, wachstumspolitische, stabilitätspolitische und
umverteilungspolitische Ziele) zu konkretisieren. Die Verteilung der eigenen
Steuerquellen, des Steuerverbundes und der ergänzenden Transfers hat in einem
der Zielbestimmung entsprechenden Verhältnis von „Aufkommensprinzip“,
„Bedarfsprinzip“ und „Ausgleichsprinzip“ zu erfolgen.
Darüber hinaus
unterbleibt im Finanzausgleich die Berücksichtigung wichtiger Strategien, wie
z.B. Erhöhen der Effizienz und Effektivität , Überprüfen des jeweils erreichten
Standes (z.B. Ausbaugrad) und Evaluieren des erfolgten Mitteleinsatzes
unterbleiben.
Der Finanzausgleich
muss daher Anreize für verstärkte interkommunale Kooperationen und die
Förderung von Best Practices bzw. von Benchmarking bieten.
2.3.1
Grundsätze, Zustandekommen des Finanzausgleichs
Das im Zusammenhang
mit dem Kostentragungsprinzip nach § 2 F-VG zu sehende und in der
Bundesverfassung verankerte Gleichheitsgebot wird in § 4 F-VG zum Ausdruck
gebracht: Die durch die Bundesgesetzgebung vorzunehmende Regelung der
Verteilung der Besteuerungsrechte und Abgabenerträge und die Gewährung von Finanzzuweisungen
und Zuschüssen hat in Übereinstimmung mit der Verteilung der Lasten der
öffentlichen Verwaltung zu erfolgen und darauf Bedacht zu nehmen, dass die
Grenzen der Leistungsfähigkeit der beteiligten Gebietskörperschaften nicht
überschritten werden.
Der Finanzbedarf einer Gebietskörperschaft wird nicht nur von den sogenannten
Pflichtaufgaben bestimmt, sondern auch von den ohne ausdrücklichen
gesetzlichen Auftrag übernommenen Agenden, insbesondere im Rahmen der
Privatwirtschaftsverwaltung (Daseinsvorsorge). Zum anderen sind auch die der
Gebietskörperschaft zufließenden Einnahmen relevant, die so wie auch die Lasten
teils autonom von ihr selbst, teils fremdbestimmt sind.
Da weder die allgemeine Staatsverfassung noch die tatsächliche Situation der
Aufgabenerfüllung und Ausgabenbelastung eine geeignete Basis sind, um den
Finanzbedarf der einzelnen Finanzausgleichspartner in objektiver, justiziabler
Weise festzusetzen, bedarf es letztlich stets einer politischen Entscheidung
über den Finanzausgleich und über die Mittelverteilung in vertikaler und
horizontaler Richtung.
Dem Finanzausgleichsgesetzgeber ist bei der Auswahl sowohl der mit dem
Finanzausgleich anzustrebenden Ziele als auch beim dazu eingesetzten
Instrumentarium ein weiter rechtspolitischer Freiraum eingeräumt, allerdings
mit der Schranke, dass die vorgesehenen Mittel nicht von vornherein zur
Zielerreichung und zur Herstellung eines angemessenen Ausgleichs zwischen den
divergierenden Interessen ungeeignet sein oder sonst dem Gleichheitsgrundsatz
widersprechen dürfen. Weiters setzt ein sachgerechtes System des
Finanzausgleichs schon im Vorfeld der Gesetzgebung eine Kooperation der
Gebietskörperschaften voraus, sodass also Beratungen zwischen den
Finanzausgleichspartnern - mit ausdrücklicher Erwähnung auch der Gemeinden, im
Sinne des Art. 115 Abs. 3 B-VG durch den Österreichischen Gemeindebund und den
Österreichischen Städtebund vertreten - unabdingbar sind. Führen diese
Gespräche dann zumindest in den wesentlichen, grundsätzlichen Belangen zu einem
Einvernehmen, kann davon ausgegangen werden, dass eine dem Gleichheitsgebot des
§ 4 F-VG entsprechende Gesamtregelung getroffen wurde.
Diesem Gedankengang muss auch bei der Neuformulierung des
Finanzverfassungsgesetzes Rechnung getragen werden, weshalb der Österreichische
Städtebund die Forderung erhebt, ein ausdrückliches Verhandlungsgebot zu
normieren und an die erste Stelle zu setzen. Der derzeitige Inhalt des § 4
F-VG soll sinngemäß beibehalten werden, jedoch nur als generelle Richtschnur,
an welcher sich die Verhandlungen zu orientieren haben.
Ebenfalls wichtig erachtet es der
Österreichische Städtebund, dass die Verhandlungen auf einheitlicher Datenbasis
aller Finanzausgleichspartner geführt werden. Bezüglich der Datenbasis ist
festzustellen, dass die öffentliche Gebarungsstatistik wegen der Um- und
Ausgliederungen immer lückenhafter wird und – auch aus Kostengründen - nur mehr wenige Aspekte behandelt.
Insbesondere unterbleibt eine für jede einzelne Gebietskörperschaft
ausgewiesene und zeitnahe Darstellung der Entwicklung der finanziellen Lage
über die zuletzt vergangenen Jahre und sonstiger wichtiger finanzpolitischer
Parameter (z.B. öffentliche Investitionstätigkeit; Anschlussgrade,
Versorgungsgrade mit Infrastrukturleistungen, sonstige Qualitätsaspekte).
Der Österreichische
Städtebund fordert daher, dass vor Beginn neuer Finanzausgleichsverhandlungen
über die zuletzt vergangenen Jahre eine klare, einvernehmlich akzeptierte
Datenbasis öffentlich aufzulegen ist.
Darüber hinaus
fordert der Österreichische Städtebund, dass ein aufgrund des zwingenden
Verhandlungsgebots geschlossenes Paktum der Finanzausgleichspartner nach
entsprechender Kundmachung im Bundesgesetzblatt als unmittelbar anwendbares
Bundesverfassungsrecht (Rechtsquelle sui generis) zu gelten hat. An dieser
neuen Rechtsgrundlage ist in der Folge, die detaillierte Umsetzung des Paktums,
die nicht zwingend einfachgesetzlich erfolgen muss, sondern auch eine
selbständige Verordnung sein könnte zu messen
2.3.2.
Regelung der Abgabenhoheit
a) Die
Bestimmung des § 3 Abs. 1 F-VG, dass die Verteilung der Besteuerungsrechte dem
einfachen Bundesgesetzgeber obliegt, kann als Verstoß gegen das
bundesstaatliche Prinzip gesehen werden.
Zur Lösung dieser Problematik können folgende Möglichkeiten in Betracht gezogen
werden:
1.
taxative Aufzählung sämtlicher (derzeit erhobener) Steuern unter Angabe der
Gesetzgebungs- und Vollziehungszuständigkeit,
2.
Aufteilung der Kompetenzen für verschiedene Abgabengruppen,
3.
Lösung analog dem Bonner Grundgesetz (ausschließliche Bundesgesetzgebung bei
Zöllen und Finanzmonopolen, konkurrierende Gesetzgebung bei den übrigen
Steuern, wenn ihm das Aufkommen ganz oder teilweise zusteht oder ein Bedürfnis
nach bundesgesetzlicher Regelung besteht),
4.
taxative Aufzählung der der Bundesgesetzgebung überlassenen Abgaben mit
Restkompetenz der Länder für die übrigen Abgaben,
5.
Verankerung eines Kernbereiches der Abgabengesetzgebungszuständigkeit von Bund
und Ländern im Verfassungsrang, mit Erweiterungsmöglichkeit für beide Seiten
nach dem Modell konkurrierender Gesetzgebung,
wobei
aus Sicht des Österreichischen Städtebundes vor allem Variante 5 weiter
verfolgt werden sollte.
b) Den
Gemeinden ist aufgrund der bestehenden Verfassungsrechtslage kein
Abgabenfindungsrecht eingeräumt. In der Vergangenheit hat sich jedoch gezeigt,
dass gerade die Städte mit den vorhandenen Mittel im Hinblick auf die ständige
Aufgabenvermehrung nicht mehr das Auslangen finden und es daher zweckmäßig wäre,
ihnen das Recht zur Erhebung neuer Gemeindesteuern (z. B. Shoppingcenterabgabe)
einzuräumen, soweit nicht dadurch gleichartige Gemeindeabgaben zu bestehenden
Bundes- oder Landessteuern geschaffen werden. Der Österreichische Städtebund
fordert daher zur Stärkung der Gemeindefinanzen und –autonomie für Städte und
Gemeinden in der Finanzverfassung ein Abgabenfindungsrecht einzurichten.
2.3.3
Regelung der Ertragshoheit
a) Auch
die uneingeschränkte Zuständigkeit des einfachen Bundesgesetzgebers zur
Verteilung der Ertragshoheit ist als dem bundesstaatlichen Prinzip
widersprechend angesehen. Es bieten sich drei Alternativen an:
1.
Fixierung der Ertragsverteilung für
sämtliche Verbundsteuern auf Verfassungsebene, was jedoch zu einer besonderen
Rigidität des Systems führen würde,
2.
verfassungsrechtliche
Fixierung der Ertragsverteilung nur für die zentralen Verbundsteuern,
3.
einfachgesetzliche Regelung der
Ertragsverteilung unter Partizipation der Finanzausgleichspartner.
Der Österreichische
Städtebund vertritt die Auffassung, dass die Partizipation der
Finanzausgleichspartner gemäß der dritten Alternative mit einem
Verhandlungsgebot für den Finanzausgleich weitgehend abgedeckt wäre. Weiters
wird die Forderung erhoben, dass zumindest gewisse Steuern (in erster Linie die
Umsatzsteuer) als gemeinschaftliche Bundesabgaben bzw. zwischen Bund und
Ländern/Gemeinden geteilte Abgaben in der Finanzverfassung ausdrücklich genannt
werden.
b) Der
Österreichische Städtebund vertritt die Auffassung, dass am Steuerverbund,
durch welchen die österreichische Finanzaugleichsrealität geprägt ist,
prinzipiell festzuhalten ist.
Für ein Verbundsystem sprechen vor allem
- die einheitliche Rechtsgrundlage und die einheitliche Vollziehung,
- die Möglichkeit zu zentraler Steuerpolitik und
- die Möglichkeit, durch Wahl entsprechender Aufteilungsschlüssel
Umverteilungswirkungen herbeizuführen.
Ein ungebundenes Trennsystem mit autonomer Abgabenhoheit aller Gebietskörperschaften,
damit aber auch voller Verantwortung für die Sicherung der eigenen finanziellen
Basis, würde die Gefahr unkoordinierter und unkontrollierter
Belastungskumulierungen in sich tragen, vor allem aber den Zielsetzungen eines
finanziellen Ausgleichs zugunsten von Gebieten mit schwacher Steuerbasis entgegenwirken
und tendenziell sogar zu einer Verstärkung ökonomischer Diskrepanzen zwischen
den hebeberechtigten Gebietskörperschaften führen.
Ein hoher Anteil von Verbundsteuern bzw. Zuschlagsrechten bedeutet für die
Länder und Gemeinden allerdings gleichzeitig eine nach wie vor hohe
Abhängigkeit von steuerpolitischen Entscheidungen des Bundes.
Um dieser hohen Abhängigkeit einen Ausgleich zu geben, gibt es derzeit
lediglich die als außerordentlich unbefriedigend empfundene Verhandlungsklausel
des § 7 FAG 2001, die weder ein Verhandlungsziel nennt noch eine Sanktion für
eine Verletzung der Verhandlungspflicht enthält und darüber hinaus von
vornherein nicht zur Anwendung kommt, wenn gesetzliche Neuregelungen auf
parlamentarische Initiativanträge zurückgehen.
Der Österreichische Städtebund fordert daher ein verstärktes Mitspracherecht
(Zustimmungs- bzw. Einspruchsrecht) bei der Gesetzgebung über Verbundsteuern.
Für den Fall, dass die Verhandlungen nach § 7 FAG 2001 zu keinem befriedigenden
Ergebnis führen, soll ein verfassungsgesetzlich einzuräumendes Einspruchsrecht
der Finanzausgleichspartner im Rahmen des adaptierten Konsultationsmechanismus
eingerichtet werden.
2.3.4.
Landesumlage
Ein kleiner Aspekt
des sogenannten "Grauen Finanzausgleichs", sind die im § 3 F-VG
vorgesehene, ursprünglich nur für den durch sonstige Einnahmen nicht gedeckten
Bedarf gedachte Landesumlage stellt für die Länder einen Ersatz für das ihnen
1938 zugunsten der Gemeinden entzogene Recht der Besteuerung von Grundbesitz
und Gewerbe dar, wird jedoch schon seit langem als nicht mehr zeitgemäß
kritisiert und als Fremdkörper im System der Finanzverfassung bezeichnet.
Mit einer Ausweitung
der Besteuerungsrechte der Länder, wie sie von verschiedenen Seiten gefordert
wird, wäre der Landesumlage schließlich jede Basis für ein Weiterbestehen
entzogen.
Der Österreichische
Städtebund fordert die Beseitigung der Landesumlagen aus dem Rechtsbestand der
Finanzverfassung und darüber hinaus sollten auch "indirekte Umlagen"
in den einzelnen Materiengesetzen wie Bezirksumlagen, Krankenanstaltengesetz,
Sozialhilfegesetze, nur nach Herstellen des Einvernehmens mit den betroffenen
Städten und Gemeinden bzw.
unter
Berücksichtigung des Prinzips der Kostentragung und des Gleichheitsgebotes nach
§ 4 F-VG 1948 (Belastungsgrenze), rechtlich zulässig sein.
2.3.5.
Auslaufen des Finanzausgleichsgesetzes
Für den Fall, dass
ein zeitlich befristetes Finanzausgleichsgesetz außer Kraft tritt und nicht
rechtzeitig ein neues beschlossen wird, ist in der Finanzverfassung derzeit
nicht vorgesorgt. Im FAG 2001 sind zwar entsprechende Regelungen vorgesehen,
doch nur für die ersten vier Monate.
Die Folgen eines
Finanzausgleichs-Interregnums wären für die Gemeinden fatal, da ihnen
unmittelbar keine Ertragsanteile mehr zustehen würden.
Der Österreichische
Städtebund fordert daher, in der Finanzverfassung zeitlich unbefristete
Regelungen für den Fall vorzusehen, dass nicht rechtzeitig ein neues
Finanzausgleichsgesetz beschlossen wird. Diese Regelung soll vor allem
sicherstellen, dass die den Gemeinden zustehenden Ertragsanteile und
Besteuerungsrechte bis zum Wirksamwerden eines neuen Finanzausgleichsgesetzes
in Kraft bleiben (z.B. Weiterbestand des bisherigen Finanzausgleichsgesetzes).
2.
4 Abgabenwesen
2.4.1
Abgabentypologie
§ 6 Abs. 1 F-VG
enthält eine nach der Ertragshoheit gegliederte Abgabentypologie in taxativer
Aufzählung, was für den Verfassungsgerichtshof schon mehrmals Anlass war,
Abgabengesetze mit der Begründung für verfassungswidrig zu erklären, weil sie
in der Abgabentypologie des § 6 keinen Platz finden. Konkret ging es, wie etwa
bei der Aufsichtsratsabgabe und bei der Zinsertragsteuer, in erster Linie um
Abgaben des Bundes, die zu einer anderen Bundesabgabe gleichartig waren,
während der Katalog der Abgabentypen nur zuließ, dass Bund und Länder
gleichartige Abgaben von demselben Besteuerungsgegenstand erheben.
Da die Feststellung,
ob Gleichartigkeit vorliegt, weitgehend in das Ermessen des
Verfassungsgerichtshofes gelegt ist, bedeutet die starre Bindung an die
vorgegebene Abgabentypisierung ein gravierendes Moment der Rechtsunsicherheit,
vor allem wenn man bedenkt, dass bei einer Reihe von Bundesabgaben wegen der
Festlegung des Entgelts als Bemessungsgrundlage Gleichartigkeit zur
Umsatzsteuer vermutet werden könnte.
Man wusste
kurzfristig keinen anderen Ausweg aus dieser für die Staatsfinanzen äußerst
gefährlichen Situation als die Notlösung, den § 6 durch einen zweiten Absatz zu
ergänzen, nach welchem die Erhebung gleichartiger Abgaben unabhängig von den
Haupt- und Unterformen des Abs.1 zulässig ist.
Die Zuordnung zu den
einzelnen Abgabentypen ist daher nicht trennscharf, es gibt große
Abgrenzungsschwierigkeiten, und letztlich ist die Finanzverfassung selbst in
ihren Formulierungen nicht immer ganz konsequent.
Auch darf nicht
übersehen werden, dass die Zuordnung einer konkreten Abgabe zu einem Abgabentyp
keineswegs etwas Endgültiges ist. Beispielsweise verliert eine ausschließliche
Bundesabgabe diesen Charakter, wenn von einem Land - mit bundesgesetzlicher
Ermächtigung - eine dazu gleichartige Landesabgabe oder eine Zuschlagsabgabe
beschlossen wird; sie wird zu einer geteilten Abgabe.
Der
Österreichische Städtebund vertritt daher die Auffassung, dass auf die
Typologie des § 6 F-VG verzichtet werden könnte, ohne dass die rechtstechnische
Seite der Kompetenzverteilung deswegen komplizierter zu lösen wäre.
2
.4 .2__Ermächtigung
an die Gemeinden zur Ausschreibung von Abgaben
a)
Eine der wenigen
Bestimmungen, in denen die Finanzverfassung die Gemeinden anders sieht
als bloße Untereinheiten der Länder und ihnen wenigstens ein Mindestmaß an
finanzieller Autonomie gewährleistet, enthält der § 5: "Öffentliche
Abgaben können vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 7 Abs. 5 und 8 Abs. 5 nur
aufgrund von Gesetzen erhoben werden." Wesentlich ist dabei der Vorbehalt,
denn durch ihn wird zugunsten der Gemeinden eine Ausnahme vom Legalitätsprinzip
des Art. 18 Abs. 1 B-VG statuiert. Sie werden in den beiden genannten
Bestimmungen ermächtigt, bestimmte Abgaben aufgrund eines Beschlusses der
Gemeindevertretung auszuschreiben; an die Stelle eines sonst notwendigen
Gesetzes, dessen Erlassung nach der österreichischen Rechtsordnung nur dem
Bundes- oder Landesgesetzgeber zustehen würde, tritt eine vom Gemeinderat
erlassene Verordnung. Allerdings kann von den Gemeinden von diesem freien
Beschlussrecht in Abgabensachen nur sehr eingeschränkt Gebrauch gemacht werden,
da es dazu in jedem Fall einer Ermächtigung durch die Bundesgesetzgebung oder
die Landesgesetzgebung bedarf.
Die bundesgesetzliche Ermächtigung findet sich in der Regel im jeweiligen
Finanzausgleichsgesetz, was schon wegen dessen zeitlicher Befristung auf eine
besondere Problematik hinweist. Aus Gründen der Rechtssicherheit fordert daher
der Österreichische Städtebund schon in der Finanzverfassung zu verankern, dass
eine den Gemeinden durch die Bundesgesetzgebung erteilte Ermächtigung zur
Ausschreibung von Abgaben grundsätzlich keiner Befristung unterliegt, wie dies
derzeit bei landesgesetzlichen Ermächtigungen bereits der Fall ist.
b)
Der Umfang der
Ermächtigung an die Gemeinden ist unterschiedlich. Dem Bundesgesetzgeber
steht es frei, lediglich bestimmte Abgaben und Objekte zu bezeichnen, ohne
Näheres über die wesentlichen Merkmale dieser Abgaben zu bestimmen. Der Landesgesetzgeber
ist dagegen verhalten, genaue Vorgaben zu formulieren und insbesondere auch das
zulässige Höchstausmaß der Abgabe festzulegen. Die Ausschöpfung der bundesgesetzlichen
Ermächtigung könnte daher zumindest theoretisch zu einer von Gemeinde zu
Gemeinde extrem divergierenden Ausgestaltung des materiellen Steuerrechts
führen, doch gebietet es auf der anderen Seite die Respektierung der Gemeindeautonomie,
den Gemeinden eine entsprechende eigene Abgabenhoheit einzuräumen, da ihre
Ertragshoheit durch die Beteiligung an Verbundsteuern nicht mit hinreichender
Flexibilität gesichert ist. Außerdem bleibt es auch dem Bundesgesetzgeber
unbenommen, nähere Festlegungen zu treffen und beispielsweise - wie dies in der
Regel auch geschieht - die Abgabensätze nach oben zu begrenzen.
Dem folgend fordert der Österreichische Städtebund daher, dass auch dem Landesgesetzgeber
die Möglichkeit eingeräumt wird, sich bei der Ermächtigung an die Gemeinden
auf Grundsätze zu beschränken und die Konkretisierung der betreffenden Abgabe
dem freien Beschlussrecht zu überlassen.
An der derzeit bestehenden Doppelgleisigkeit, dass sowohl der Bundesgesetzgeber
als auch der Landesgesetzgeber die Gemeinden zur Abgabeneinhebung ermächtigen
kann, darf aus der Sicht des Österreichischen Städtebundes dagegen nichts
geändert werden, denn einerseits stellt die bundesgesetzliche Ermächtigung für
die Gemeinden einen der Kernpunkte des Finanzausgleichs dar, andererseits
sollte auch weiterhin die Möglichkeit bestehen, länderspezifische Regelungen zu
treffen.
2.5
Finanzzuweisungen und Zuschüsse
§ 12 F-VG enthält
nähere Bestimmungen zu den schon in § 3 als ein die Verteilung der
Besteuerungsrechte und Abgabenerträge ergänzendes Instrumentarium erwähnten
Finanzzuweisungen und zweckgebundenen Zuschüsse des Bundes und der Länder.
Finanzzuweisungen
können entweder als Schlüsselzuweisungen bei welchen die durchschnittliche
Belastung der Empfänger durch Pflichtaufgaben und ihre Steuerkraft zu
berücksichtigen ist, oder als Bedarfszuweisungen
-
zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Haushaltsgleichgewichtes,
-
zur Deckung außergewöhnlicher Erfordernisse oder
-
zum Ausgleich von Härten bei der Verteilung der Abgabenerträge
gewährt
werden.
Die Notwendigkeit des Instruments der
Bedarfszuweisungen, aber auch der Zweckzuschüsse muss aus der Sicht des
Österreichischen Städtebundes unbestritten bleiben.
Weiters wird
festgehalten, dass Transferzahlungen zwischen den Gebietskörperschaften ein
unverzichtbarer Bestandteil der Feinabstimmung der finanziellen Beziehungen
zwischen den Gebietskörperschaften sind.
Zusammenfassend
werden vom Österreichischen Städtebund folgende Forderungen in die Beratungen
des Ausschuss 10 eingebracht:
· Die Finanzverfassung muss
sicherstellen, dass den Städten und Gemeinden jene Mittel zur Verfügung stehen,
die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Bei der Verteilung der Mittel
an die Städte und Gemeinden muss auch berücksichtigt werden, dass Städte
zentralörtliche und ballungsraumspezifische Aufgaben erfüllen, die besonders
kostenintensiv sind und daher einer besonderen Berücksichtigung bei der
Aufteilung der Mittel, insbesondere auch durch die Länder finden müssen.
· Am Grundsatz der eigenen
Kostentragung, am System des Steuerverbundes, jedoch mit stärkerer
Zusammenführung von politischer Verantwortung für die Abgabengesetzgebung bzw.
die Ertragshoheit und an der Möglichkeit von Transferzahlungen zwischen
Gebietskörperschaften muss festgehalten werden.
· Betonung der Gleichrangigkeit und
Autonomie aller Finanzausgleichspartner (Ablehnung eines zweistufigen
Finanzausgleiches) - die Deckungsbedürfnisse von Bund, Ländern und Gemeinden
sind als qualitativ gleichwertig anzusehen.
· Den Städten und Gemeinden müssen
entsprechende Mittel zur Verfügung stehen, über welche sie zur Gewährleistung
der Unabhängigkeit in der Haushaltsführung autonom verfügen können.
· Zur Stärkung der Gemeindefinanzen
und –autonomie für Städte und Gemeinden ist in der Finanzverfassung ein
Abgabenfindungsrecht einzurichten (Shoppingcenterabgabe,
Nahverkehrsanschlussabgabe).
· Zusätzliche
Haushaltskoordinations- und Meldeerfordernisse, die sich etwa über den derzeit
gültigen Österreichischen Stabilitätspakt hinaus ergeben oder im Rahmen des
Ausschuss 1, im Zusammenhang mit Art 13 Abs 2 B-VG von einigen Mitgliedern
gefordert wurden sind abzulehnen.
· Der Grundsatz der eigenen
Kostentragung und die Möglichkeit von Kostenübernahmen muss beibehalten werden,
jedoch ergänzt durch eine stärkere Mitsprachemöglichkeit (vertreten durch den
Österreichischen Städtebund), in Form eines Einspruchs- bzw. Zustimmungsrecht
der Gemeinden bei Gesetzgebungsakten, die ihnen im Vollziehungsbereich
Mehrkosten verursachen.
· Für den Finanzausgleich ist ein
Verhandlungsgebot zu normieren.
· Ein aufgrund des zwingenden
Verhandlungsgebots geschlossenes Paktum der Finanzausgleichspartner hat nach
entsprechender Kundmachung im Bundesgesetzblatt als unmittelbar anwendbares
Bundesverfassungsrecht (Rechtsquelle sui generis) zu gelten, an dem dann die
entsprechende Umsetzungsregelung (z.B. selbständige Verordung) zu messen ist.
· Bei der Gesetzgebung über
Verbundsteuern ist den Gemeinden ein verstärktes
Mitspracherecht/Einspruchsrecht bei der Gesetzgebung einzuräumen. Für den Fall,
dass die Verhandlungen nach § 7 FAG 2001 zu keinem befriedigenden Ergebnis
führen, soll ein verfassungsgesetzlich einzuräumendes Einspruchsrecht für jeden
der Finanzausgleichspartner im Rahmen des adaptierten Konsultationsmechanismus
eingerichtet werden.
· Die Landesumlage ist zur Gänze zu
beseitigen.
· Für den Fall, dass nach dem
Außerkrafttreten eines Finanzausgleichsgesetzes rechtzeitig kein neues
beschlossen wurde müssen geeignete Regelungen, wie etwa die Anordnung, dass das
auslaufende FAG weiter in Geltung ist, in der Finanzverfassung vorgesehen
werden.
· Der Kernbereich der Abgaben- und
Ertragshoheit ist schon in der Finanzverfassung festzulegen; mit
expliziter Nennung vor allem der Einkommensteuern und der Umsatzsteuer als
geteilte Abgaben.
· Für den Landesgesetzgeber sollte
die Möglichkeit geschaffen werden, sich bei der Erteilung einer Ermächtigung an
die Gemeinden zur Abgabenausschreibung sowie der Bundesgesetzgeber auf wenige
Grundsätze zu beschränken.
· Die Bestimmungen über den
Konsultationsmechanismus (z. B. verpflichtende Kostenkalkulationen der gesetzgebenden
Gebietskörperschaft für die vollziehenden Gebietskörperschaften, bei sonstiger
Kostentragung durch Erstere) sind nach entsprechender Beseitigung der
bestehenden Mängel in die Finanzverfassung zu integrieren.
· Die Finanzausstattung der Gebietskörperschaften
ist unter Beachtung von sorgfältig abgestimmten finanzpolitischen Zielen
(Autonomiepolitische, wachstumspolitische, stabilitäts- und
umverteilungspolitische Ziele) zu konkretisieren.
Eingebracht im Ausschuss 10, 3.
Sitzung, 31.3.2004
Definition bzw. Auslegung des Begriffes
Daseinsvorsorge
Österreichischer
Städtebund
Wien, 25.3.2004
1. Allgemeines
In den Beratungen des Ausschuss 1 des
Österreich-Konvents wurde unten angeführter Textvorschlag von Seiten des
Österreichischen Städtebundes eingebracht. Im Laufe der Beratungen einigte man
sich darauf, dass, wenn der Konvent zu dem Ergebnis kommt, dass neue
Staatsziele in der neuen Bundesverfassung verankert werden, die Daseinsvorsorge
jedenfalls zu verankern ist. Über den konkreten Textvorschlag bestand
hinsichtlich der Abs. 1 und 2 Konsens, Abs.3 wurde nur von einem Teil der
Mitglieder unterstützt.
Auch in den Beratungen im Ausschuss 10
wurde die Daseinsvorsorge, hier vor allem die damit verbunden Kosten der
Leistungserbringung, von mehreren Seiten als ein Thema eingebracht. Der
Themenbereich Daseinsvorsorge ist u.a. dadurch geprägt, dass es sehr
unterschiedliche Erklärungen des Begriffes Daseinsvorsorge gibt. Das
vorliegende Papier stellt den Versuch dar, unter Einbeziehung des Grünbuchs der
EU zu den Leistungen im allgemeinen Interesse und den dazu ergangenen
Stellungnahmen eine Begriffsdefinition bzw. –abgrenzung zu versuchen.
2. Textvorschlag aus dem
Ausschuss 1
a. Bund, Länder und Gemeinden
gewährleisten die Erbringung von Leistungen im allgemeinen Interesse
(Daseinsvorsorge).
b. Derartige Leistungen stellen
einen anerkannten, nicht diskriminierenden Mindeststandard der Teilhabe an
jenen Lebensbereichen sicher, die gesellschaftlich regelmäßig vorkommen.
c. Es sind dies sowohl marktbezogene
als auch nicht marktbezogene Leistungen, die so zu erbringen sind, dass dabei
insbesondere die Versorgungssicherheit, die soziale Erreichbarkeit, der Verbraucherschutz,
der Gesundheitsschutz und die Nachhaltigkeit sicher gestellt sind.
3. Erläuterungen zum vorgelegten Textvorschlag im Ausschuss 1, einschließlich Begriffserklärung und -abgrenzung
Die Verankerung der
Verantwortlichkeit von Bund, Ländern und Gemeinden für die Erbringung von
Leistungen der Daseinsvorsorge in der Österreichischen Bundesverfassung soll
zum Ausdruck bringen, dass die Gebietskörperschaften bestrebt sind, die von
ihnen eingeführten und erbrachten Leistungen der Daseinsvorsorge auch in
Zukunft aufrecht zu erhalten. Mit der Erbringung dieser Leistungen werden
grundlegende Bedürfnisse der Bevölkerung erfüllt. Leistungen der
Daseinsvorsorge stehen der gesamten Gesellschaft, also allen Bürgern zu
gleichen Bedingungen zur Verfügung und werden aufgrund gemeinwohlbezogener
Überlegungen erbracht. Gemeinwohlorientierte Leistungen sollen einerseits die
Grundversorgung der Bevölkerung sichern, anderseits sind sie feste Bezugspunkte
des Gemeinwesens und begründen die Zugehörigkeit der Bürgerinnen und Bürger zu
diesem. Die Erbringung von Leistungen im allgemeinen Interesse und/oder deren
Qualitätssicherung durch die öffentliche Hand bringen darüber hinaus auch die
Verantwortlichkeit des Staates für die Ziele des Gemeinwohls zum Ausdruck.
Seit einigen Jahren wird
insbesondere von der Europäischen Union (siehe etwa das Grünbuch zu
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse) und im Rahmen der
GATS-Verhandlungen der Trend zur Privatisierung und Liberalisierung
("Weniger Staat, mehr Markt") mit der Begründung prolongiert, dass
einerseits die Öffentliche Hand einsparen kann und anderseits das Preisniveau
für die Verbraucher gesenkt werden könnte.
Beispiele aus Europa zeigen aber,
dass Liberalisierungen nur dann zu Einsparungen bzw. Preissenkungen geführt
haben, wenn die Definition hoher Qualitätskriterien vernachlässigt wurde.
Gerade die Leistungen der
Daseinsvorsorge gehorchen jedoch hinsichtlich ihrer Aufgabenerfüllung anderen
Gesetzen als den Mechanismen des Freien Marktes. Im Gegenteil, sie sind in
erhöhtem Maß, Kriterien wie der Versorgungssicherheit, der Kontinuität, der
sozialen Erschwinglichkeit, der Gesundheit, der Nachhaltigkeit etc
verpflichtet.
Leistungen der Daseinsvorsorge,
wie etwa Wasser, Strom, Gas, Telekommunikation, Rundfunk und Postdienste, aber
auch Sozial- Gesundheits- oder Bildungsleistungen sind Dienstleistungen, die
als wesentlich für das Funktionieren einer modernen Gesellschaft angesehen
werden. Obwohl sie als wesentlich gelten, können diese Dienstleistungen sowohl
von privaten als auch von öffentlichen Unternehmen oder von Bund, Ländern und
Gemeinden selbst, teilweise hoheitlich, erbracht werden. Die Verfügbarkeit, der
Preis und die Qualität der Leistungen der Daseinsvorsorge sind per definitionem
von größter Bedeutung für die Verbraucher.
Dienstleistungen von allgemeinem
(wirtschaftlichen) Interesse unterscheiden sich insofern von normalen
Dienstleistungen, als sie in den Augen des Staates auch dann erbracht werden
müssen, wenn der Markt unter Umständen nicht genügend Anreize dafür bietet. Der
Begriff der Leistungen der Daseinsvorsorge beruht auf dem Anliegen, überall
gute und für alle erschwingliche Dienstleistungen zu gewähren. Diese Dienste
tragen zur Verwirklichung der Ziele der Solidarität und Gleichbehandlung bei, die
dem europäischen Gesellschaftsmodell zu Grunde liegen.
Gerade deshalb hat auch die
Europäische Union die Bedeutung der Leistungen der Daseinsvorsorge anerkannt
und haben sie Eingang in den Entwurf der Europäischen Verfassung gefunden.
Zum Textvorschlag im Detail:
Die Aufzählung der einzelnen
Gebietskörperschaften soll zum Ausdruck bringen, dass Leistungen der
Daseinsvorsorge von Bund, Ländern und Gemeinden erbracht werden und soll die
entsprechenden Kompetenzen auch unterstreichen.
Der Begriff
"gewährleisten" ist so zu verstehen, dass die zuständige
Gebietskörperschaft die Leistung selbst oder durch Dritte erbringen lassen
kann. Darüber hinaus ist die Öffentliche Hand aufgrund der Bedeutung dieser
Leistungen dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass im Fall des Versagens
der Leistungserbringung durch Dritte, der Staat die Leistungen auf jeden Fall
in einer Art Reservefunktion bzw. Auffangverantwortung zu erbringen hat.
Die zuständige
Gebietskörperschaft kann und muss bei jeder Leistung andere Kriterien
heranziehen, um beurteilen zu können, in welcher Form sie die
Leistungserbringung gewährleistet. Die Erbringung der Wasserversorgung ist
anders zu beurteilen als die Telekommunikation oder der Postdienst. Im Bereich
der Telekommunikation oder der Postdienste kann tatsächlich gänzlich
privatisiert werden, wie dies auch bereits erfolgt ist (auch an ausländische Unternehmen). Es
reicht hier, um die Versorgung der Bevölkerung gewährleisten zu können, z.B.
eine Universaldienstverordnung aus, die festschreibt, dass der Anbieter eine
flächendeckende Versorgung anbieten muss und der Staat evt. die Kosten durch
Subventionen trägt. Im Bereich der Wasserversorgung ist nach anderen Kriterien
vorzugehen, da es sich dabei um natürliche Ressourcen handelt, bzw. ein
europäisches, großflächiges Netz aufgrund geographischer Hürden nicht
funktionieren kann. (Trink-)Wasserversorgung bedeutet nicht nur die
Leitungen/Infrastruktur zu errichten, sondern heißt im erhöhten Maße vor allem
Qualitätssicherung, sprich die Versorgung mit einwandfreiem Trinkwasser und
auch die soziale Erreichbarkeit zu gewährleisten. Im Bereich der
Wasserversorgung ist auch der Gedanke der Nachhaltigkeit von großer Bedeutung.
Im Sinne der Gewährleistungspflicht ist die Grundsicherung in diesem Bereich im
Gegensatz etwa zur Versorgung mit Strom nicht durch die Errichtung und Wartung
des Netzes/Leitungen erbracht.
Gewährleisten bedeutet, die
Leistungen auch in entsprechender Qualität zu erbringen. Was bedeutet, dass
Bund, Länder und Gemeinden sich bei der Erbringung der Leistungen - vor allem
durch Dritte - einen Einfluss in der Form sichern müssen, dass, wenn die
Qualität der Leistungen nachlässt, sie eine sogenannte Rückholmöglichkeit
haben. Sprich, sie können die Leistungserbringung wieder an sich ziehen und
selbst oder durch ein anderen, besser geeigneten Dritten besorgen. Diese Qualitätssicherung ist gerade im
Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich, ferner auch in der Wasserver- und
-entsorgung unerlässlich.
Abs 2 soll dem Begriff
"Leistungen im allgemeinen Interesse" einen Interpretationsrahmen
geben.
"Leistungen im allgemeinen
Interesse" ist ein unbestimmter Gesetzesbegriff, der sich aufgrund
gesellschaftlicher Gegebenheiten ergibt und sich durch die fortschreitende
gesellschaftliche Entwicklung verändert, vom öffentlichen Diskurs bestimmt, vom
einfachen Gesetzgeber beeinflusst und schließlich von Entscheidungen der
Höchstgerichte ausgelegt wird.
Leistungen im allgemeinen
Interesse sind Leistungen, die aus Gründen des Gemeinwohls erbracht werden.
Gemeinwohl ist ein Begriff, der in der österreichischen Verfassung nicht
vorkommt, der aber unter Berücksichtigung der Judikatur zum öffentlichen
Interesse ausgelegt werden kann bzw. kann Gemeinwohl auch als Gegenbegriff zum
Privatinteresse verstanden werden. Leistungen im allgemeinen Interesse werden
insbesondere deshalb erbracht, um für die Gesellschaft eine
diskriminierungsfreie Grundsicherung zu gewährleisten.
Die Erbringung von Leistungen im
allgemeinen Interesse ist von dem Grundgedanken getragen, dass in jeder
Gesellschaft unterschiedliche Lebensbereiche vorherrschen. Davon gibt es
Lebensbereiche die so regelmäßig vorkommen, dass die Gesellschaft erwartet,
dass daran jedes Mitglied der Gesellschaft auch teilnehmen darf. Derartige
Lebensbereiche sind etwa die Bereiche Sozial-, Gesundheitswesen oder Kultur-
und Bildungswesen oder der Zugang zu natürlichen Ressourcen wie Wasser, damit
verbunden aber die Entsorgung von Abwasser oder Abfällen. Ob ein Lebensbereich
als anerkannt bzw. als regelmäßig vorkommend betrachtet wird ist ein
dynamischer Prozess. War es vor einem Jahrhundert nicht vorstellbar, dass die
ganze Bevölkerung mit Telefon, Radio oder Fernsehen ausgestattet sein wird, ist
es heute anerkannt, dass jedem und jeder Telekommunikation zur Verfügung
gestellt werden muss und die Benutzung dieser Medien auch eine regelmäßige
Erscheinung in der Gesellschaft ist.
Abs 3 legt fest, welche Kriterien
die einzelnen Gebietskörperschaften bei der Erbringung von Leistungen im
allgemeinen Interessen zu beachten haben. Leistungen im allgemeinen Interesse
sind gemäß Abs.3 so zu erbringen, dass insbesondere die Kriterien
Versorgungssicherheit, soziale Erreichbarkeit, Gesundheitsschutz und die
Nachhaltigkeit erfüllt sind.
Versorgungssicherheit bedeutet,
dass die Bevölkerung darauf vertrauen kann, dass die zuständige
Gebietskörperschaft nach Maßgabe unterschiedlicher Kriterien dafür Sorge trägt,
dass ihr etwa Sozial-, Gesundheits-, Bildungsleistungen, Trinkwasser,
Telekommunikation, Postdienste, Strom, Gas und Rundfunk zur Verfügung stehen
bzw. die Abwasser- und Abfallentsorgung sichergestellt sind.
Soziale Erreichbarkeit, im
Grünbuch zu den Leistungen von allgemeinem Interesse als Erschwinglichkeit
bezeichnet, stellt klar, dass Leistungen der Daseinsvorsorge für die
Bevölkerung entweder zu angemessenen und vor allem erschwinglichen Preisen
(insb. bei netzgebundenen Einrichtungen) zur Verfügung stehen oder vom Staat
unter Umständen unentgeltlich geleistet werden (Gesundheits- und Sozialbereich),
damit sie für jedermann zugänglich sind. Besonderes Augenmerk sollte dabei den
Bedürfnissen und Möglichkeiten von einkommensschwachen Personen und Randgruppen
gelten. Die Anwendung des Grundsatzes der sozialen Erreichbarkeit trägt zum
wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft bei.
Die Leistungen im allgemeinen
Interesse sind auch unter Bedachtnahme auf den Gesundheitsschutz zu erbringen.
Gesundheitsschutz ist ein umfassender Begriff. Bei jeder einzelnen Leistung ist
nach unterschiedlichen Kriterien vorzugehen. Im Bereich der
Trinkwasserversorgung etwa ist dafür Sorge zu tragen, dass im Rahmen der
Gewährleistungspflicht die Versorgung der Bevölkerung mit einwandfreiem (frei
von gesundheitsgefährdenden Stoffen) Trinkwasser erfolgt.
Der Begriff der Nachhaltigkeit
kommt vor allem aus dem Bereich des Umweltrechts. Das Prinzip der
Nachhaltigkeit beruht auf der Erwägung, dass die den Menschen zur Verfügung
stehenden Ressourcen begrenzt sind, dass aber deren Nutzung auch künftigen
Generationen ermöglicht werden soll. Die Leitidee, dass eine Befriedigung der
Bedürfnisse der Gegenwart möglich sein muss, ohne zu riskieren, dass zukünftige
Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können, schlägt sich
auch in einer Vielzahl politischer Programme nieder: z.B. Agenda 21, Fünftes
Aktionsprogramm der EU, Österreichischer Nationaler Umweltplan und Amsterdamer
Vertrag. Seit Abschluss des Amsterdamer Vertrags sind Aktivitäten sowohl der
öffentlichen Hand, als auch jene von Privaten auf ihre Nachhaltigkeit zu prüfen
(Art 2 und 6 EGV, Art 2 EUV).
Die Unterscheidung zwischen
marktbezogenen und nicht marktbezogenen Leistungen stellt einen Hinweis darauf
dar, dass Leistungen im allgemeinen Interesse teilweise den Regeln des Marktes
gehorchen und diesen auch weitgehend unterworfen werden können (z.b.
Telekommunikation, Strom, Gas) und andere Leistungen, wie Sozial- und
Gesundheitsleistungen aber anderen Regeln als denen des Marktes unterliegen. Je
nach Art der Leistung muss daher die zuständige Gebietskörperschaft abwägen, ob
sie die Leistung selbst erbringen muss oder ob ein Dritter diese erbringen
kann.
Eingebracht im Ausschuss 10, 6.
Sitzung, 2.6.2004
Textvorschlag für einen Grundsatz der Parität im Österreichischen
Finanzausgleich
§ 4 F-VG Neu (mit einer
Integration von § 7 FAG Neu)
„(1) Die Verteilung der Einnahmen sowie die Verteilung der
Abgaben- und Ertragshoheit auf Bund, Länder und Gemeinden hat in Übereinstimmung
mit der Verteilung der tatsächlichen Lasten der öffentlichen und
Privatwirtschaftsverwaltung zu erfolgen. Dieser Verteilung haben Verhandlungen
aller Gebietskörperschaftsebenen voranzugehen, wobei die finanziellen
Deckungsbedürfnisse von Bund, Ländern und Gemeinden dabei gleichwertig sind.
(2) Der Bund hat mit den am
Finanzausgleich beteiligten Gebietskörperschaften vor der Inangriffnahme
steuer- sowie verteilungspolitischer Maßnahmen, die für die Gebietskörperschaften
mit einem Ausfall an Steuern, an deren Ertrag sie beteiligt sind, verknüpft
sein können, Verhandlungen zu führen. Das Gleiche gilt für Mehrbelastungen, die
als Folge von Maßnahmen des Bundes z.B. am Zweckaufwand der
Gebietskörperschaften zu erwarten sind.
(3) Führen die Verhandlungen
gemäß Abs. 1 und 2 zu keinem einvernehmlichen Ergebnis und setzt der Bund die
steuerpolitischen Maßnahmen mit nicht vernachlässigbaren finanziellen
Auswirkungen für Länder und Gemeinden um, so steht diesen ein Einspruchsrecht
gegen einen entsprechenden Gesetzesbeschluss des Nationalrates zu. Ob dieser
Einspruch aufrecht zu bleiben hat, bestimmt ein ständiger Ausschuss, der sich
zu gleichen Teilen (je ein Drittel) aus Vertretern des Bundes, der Länder und
Gemeinden zusammensetzt. Der Ausschuss fasst seine Beschlüsse mit
Stimmenmehrheit. Der Gesetzesbeschluss kann kundgemacht werden, wenn der
Ausschuss entscheidet, dass der Einspruch nicht aufrecht zu bleiben hat.
(4) Die Abs. 1 bis 3 gelten sinngemäß auch vor der Inangriffnahme
steuer- sowie verteilungspolitischer Maßnahmen der Länder im Verhältnis zu den
jeweils landeseigenen Gemeinden.
(5) Das einvernehmlich erzielte Ergebnis der
Finanzausgleichs-Verhandlungen aller Gebietskörperschaftsebenen gemäß Abs. 1
ist in einem Paktum festzuschreiben und im Bundesgesetzblatt kundzumachen. Die
Umsetzung dieses verfassungsunmittelbaren Rechtsaktes durch den einfachen
Gesetzgeber unterliegt der Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes.
Art. 140 B-VG findet Anwendung.“
Anmerkungen:
„nicht vernachlässigbar“ müsste
in den Erläuterungen näher quantifiziert werden
Die Ausübung des Einspruchsrechts
sowie die Beibehaltung des Einspruchs sind in Abhängigkeit von den zukünftigen
Organen (Bundesrat-Neu) auszugestalten.
Eingebracht im Ausschuss 10, 7.
Sitzung, 28.6.2004
Textvorschläge zur Neuregelung der
Kostenüberwälzung (§ 2) und Umlagenerhebungskompetenz (§ 3)
· § 2 F-VG Neu
„Der Bund und die übrigen
Gebietskörperschaften tragen, sofern die zuständige Gesetzgebung aus
wichtigen Gründen und nach Verhandlungen mit den betroffenen
Gebietskörperschaften nichts anderes bestimmt, den Aufwand, der sich aus
der Besorgung ihrer Aufgaben ergibt.“
Erläuterungen:
§ 2 F-VG bestimmt, dass
der Bund und die übrigen Gebietskörperschaften, sofern die zuständige
Gesetzgebung nichts anderes bestimmt, den Aufwand tragen, der sich aus der
Besorgung ihrer Aufgaben (Anknüpfung an die Vollzugskompetenz) ergibt.
Dieser Konnexitätsgrundsatz,
die Koppelung von Aufgabenverantwortung und Finanzierungsverantwortung, kann
fast zwingend schon aus dem Autonomieprinzip abgeleitet werden, die eigentliche
Bedeutung des § 2 F-VG wird daher eher darin gesehen, dass vom Prinzip der
eigenen Kostentragung abweichende Regelungen getroffen werden können.
Der Kostenbegriff
umfasst bei der Besorgung von Aufgaben einer anderen Gebietskörperschaft
allerdings nur den Personal- und den sogenannten Amtssachaufwand. Den
sogenannten Zweckaufwand hat jene Gebietskörperschaft zu finanzieren, deren
Aufgabe besorgt wird.
§ 2 F-VG lässt
Ausnahmen vom Prinzip der eigenen Kostentragung zu, nämlich Kostenüberwälzungen
(etwa in Form der Überbürdung auch des Zweckaufwandes) oder Kostenübernahmen,
die beim Finanzausgleich eine bedeutende Rolle spielen.
Bisher konnte der zuständige Gesetzgeber
Kostenüberwälzungen ohne weiteres an eine andere Gebietskörperschaft (Bund an
Länder und/oder Gemeinden bzw. Länder an die Gemeinden) vornehmen und sich
damit jeglicher finanzieller Verantwortung entledigen.
Diese praktizierte Vorgehensweise erfuhr einerseits durch
den Konsultationsmechanismus eine gewisse Entschärfung, jedoch ist dieses
Instrument unzureichend. Die neue Finanzverfassung ist vom Gedanken der Parität
der drei Gebietskörperschaften geleitet. Diesem Grundsatz folgend wird der
bisherige § 2 durch die Wendung "aus wichtigen Gründen und nach
Verhandlungen mit den betroffenen Gebietskörperschaften" ergänzt.
In diesen Verhandlungen muss die "überwälzende" Gebietskörperschaft darlegen,
aus welchen Gründen diese Kostenüberwälzung vorgenommen wird, wobei darauf
Bedacht zu nehmen ist, dass Kostenüberwälzungen nur aus wichtigen Gründen
vorgenommen werden dürfen.
·
§ 3 F-VG Neu (Regelung hinsichtlich sogenannter
"indirekter Umlagen")
Vorbemerkung: Neben den Landesumlagen legen die Länder in
den Materiengesetzen Kostenbeteiligungen der Städte und Gemeinden für bestimmte
Bereiche (Sozialhilfe, Spitäler, Kindergärten etc.) fest. Diese Kostenbeteiligungen
sind für die Gemeinden unberechenbar und stellen zumeist eine Abweichung vom
Paktum dar. Aus der Sicht der Gemeinden gehört dieses Verhältnis verrechtlicht,
um eine Vorhersehbarkeit dieser Kosten, gerade im Hinblick auf eine
mittelfristige Finanzplanung für die Gemeinden sicherstellen zu können.
§ 3 F-VG
(1) Die Länder sind
berechtigt, für besondere Zwecke nach vorherigen Verhandlungen und im
Einvernehmen mit den Gemeinden (vertreten durch den Österreichischen Städtebund
und Österreichischen Gemeindebund) Kostenbeteilungen der Gemeinden bis zu einer
im Finanzausgleichsgesetz bestimmten Höchstgrenze festzulegen.
(2) Eine Erhöhung der
Kostenbeteiligung darf ebenfalls nur nach Verhandlungen mit den Gemeinden
erfolgen.“
Eingebracht im Ausschuss 10
Art. XX
Bund, Länder und Gemeinden haben bei
der Erstelung und beim Vollzug der Haushalte die tatsächliche Gleichstellung
von Frauen und Männern anzustreben.
Eingebracht im Ausschuss 10
Artikel 1
(1) Bund, Länder und Gemeinden, diese
vertreten durch den Österreichischen Gemeindebund und den Österreichischen
Städtebund, schließen miteinander Vereinbarungen über einen
Konsultationsmechanismus ab.
Subvariante 1 zu Abs. 1 (Länder):
Bund, Länder und Gemeinden . . .
sind ermächtigt, miteinander Vereinbarungen über einen Konsultationsmechanismus
abzuschließen.
(2) Die Vereinbarung über den
Konsultationsmechanismus regelt:
1. die wechselseitige Information
der Gebietskörperschaften über rechtsetzende Maßnahmen einschließlich der
Gelegenheit zur Stellungnahme. In diesem Zusammenhang besteht die
Verpflichtung, dass im Begutachtungsentwurf für alle rechtsetzenden Maßnahmen,
die in den Anwendungsbereich des Konsultationsmechanismus fallen, eine
Darstellung der finanziellen Auswirkungen aufzunehmen ist, die den von den
Vertragsparteien einvernehmlich zu erarbeitenden und vom Bundesminister für
Finanzen zu erlassenden Richtlinien gemäß § 14 Abs. 5 Bundeshaushaltsgesetz
entspricht;
2. die Einrichtung von
Konsultationsgremien aus Vertretern von Organen des Bundes, der Länder, des
Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes, die ihre
Beschlüsse einvernehmlich fassen, insbesondere zur Beratung über die Kosten
solcher rechtsetzender Maßnahmen un ddie Voraussetzungen für eine
Verhandlungspflicht;
3. Regelungen über die Kostentragung
und Kostenersatzpflicht, insbesondere besteht die Verpflichtung, abzugeltende
zusätzliche finanzielle Ausgaben bei den Verhandlungen über die nächste
Finanzausgleichsperiode als bestehende Verpflichtung einvernehmlich
einzubinden.
Artikel 2
Diese Vereinbarung gilt nicht für
rechtsetzende Maßnahmen, die die Gebietskörperschaften in ihrer Eigenschaft als
Träger von Privatrechten so wie jeden anderen Rechtsträger treffen.
Artikel 3
(1) Auf die Vereinbarungen gemäß Art.
15a Abs. 1 B-VG geltenden bundes- und landesrechtlichen Vorschriften mit
folgenden Abweichungen anzuwenden:
1.
Die
Vereinbarungen können von § 2 Finanz-Verfassungsgesetz abweichende Regeln über
die Tragung des Aufwandes der Gebietskörperschaften vorsehen.
2.
Die
Genehmigung der Vereinbarungen kann in den Landtagen mit einfacher Mehrheit
erfolgen.
(2) Der Österreichische Gemeindebund
und der Österreichische Städtebund sind berechtigt, Anträge gemäß Art. 138a
Abs. 1 B-VG zu stellen.
Artikel 4
Den Gemeinden aus Vereinbarungen
gemäß Art. 1 zustehende vermögensrechtliche Ansprüche können von diesen sowie
in ihrem Namen vom Österreichischen Gemeindebund oder vom Österreichischen
Städtebund nach Art. 137 B-VG geltend gemacht werden.
Artikel 5
Mit der Vollziehung dieses
Bundesverfassungsgesetzes ist die Bundesregierung betraut.
Ruppe/Schnizer
Eingebracht im Ausschuss 10, 6.
Sitzung, 2.6.2004
Abweichende Kostentragung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag
(Ruppe/Schnizer)
Problem:
§ 2 F-VG 1948 sieht in der geltenden Fassung vor, dass die
Kostentragung sich
grundsätzlich nach der Vollziehungszuständigkeit richtet. Der
“zuständige” Gesetzgeber kann
davon Abweichendes verfügen. Nach hA sind daher sowohl
Kostenüberwälzungen als auch
Kostenübernahmen zulässig, wenn ihnen ein Akt des zuständigen
Gesetzgebers zugrunde
liegt. Daneben war es gängige Praxis, abweichende
Kostentragungen im Wege
privatrechtlicher Vereinbarungen zwischen den
Gebietskörperschaften vorzusehen. Dieser
Praxis ist die Rechtsprechung des OGH entgegengetreten, die
unter Hinweis auf den Wortlaut
des § 2 F-VG (Abweichungen nur durch Gesetz) derartige
Vereinbarungen für nichtig erklärt
hat. Da in der Praxis ein Bedürfnis bestehen dürfte, abweichende
Kostentragungen
(Kostenübernahmen, Mitfinanzierungen und dgl.) auch unterhalb
der Gesetzgebungsebene zu
vereinbaren, sollte erwogen werden, die Möglichkeit abweichender
Kostentragungsvereinbarungen ausdrücklich zuzulassen.
Lösung:
Zu erwägen wäre hiefür die Rechtsform eines
öffentlich-rechtlichen Vertrages. Nach
der Judikatur des VfGH kann der einfache Gesetzgeber
Verwaltungsbehörden zum Abschluss
öffentlich-rechtlicher Verträge ermächtigen, wenn dies mit dem
in der Bundesverfassung
vorgezeichneten Rechtsschutzsystem vereinbar ist (zuletzt VfGH
23. 1. 2004, G 359/02 unter
Verweis auf VfSlg 9886/1983 und 9226/1981). Im gegebenen
Zusammenhang ist jedoch an
eine verfassungsrechtliche Ermächtigung zu denken, da es um
Ausnahmen vom
verfassungsrechtlichen Grundsatz der eigenen Kostentragung in §
2 F-VG geht.
Vereinbarungen dieser Art sollten einerseits zwischen den
Partnern des
Finanzausgleichspaktums möglich sein, das heißt zwischen dem
Bund, der Gesamtheit der
Länder und der Gesamtheit der Gemeinden. Eine solche Regelung
könnte rechtstechnisch an
die Regelungen des BVG Gemeindebund (BGBl I 61/1998)
anschließen. Dort werden
einerseits Bund, Länder und Gemeinden (diese vertreten durch den
Österreichischen
Gemeindebund und den Österreichischen Städtebund) ermächtigt,
miteinander
Vereinbarungen über einen Konsultationsmechanismus und einen
Stabilitätspakt
abzuschließen. Nach Art. 2 können diese Vereinbarungen von § 2
F-VG abweichende Regeln
über die Tragung des Aufwandes der Gebietskörperschaften
vorsehen. Auf diese
Vereinbarungen sind allerdings – wenn auch modifiziert – die für
Vereinbarungen nach Art.
15a Abs. 1 B-VG geltenden Vorschriften anzuwenden. Die hier
vorgeschlagene Lösung
würde derartige, von § 2 F-VG abweichende
Kostentragungsvereinbarungen unabhängig vom
Konsultationsmechanismus und Stabilitätspakt und ohne Anwendung
der Regeln des Art 15a
B-VG zulassen.
Zum anderen sollten solche Vereinbarungen aber auch zwischen
einzelnen
Gebietskörperschaften verschiedener Ebenen oder derselben Ebene
geschlossen werden
können.
Soweit derartige Vereinbarungen zu Kostenübernahmen führen, ist
eine
budgetmäßige Abdeckung erforderlich. Darüber hinausgehende
einfachgesetzliche
Grundlagen sind zwar nicht schädlich (die Vereinbarung wäre in
diesem Fall eine
Durchführung dieser gesetzlichen Ermächtigung), im übrigen aber
nicht erforderlich, soweit
die Vereinbarung nicht gegen zwingende einfachgesetzliche Normen
verstößt.
Ob ein Bedürfnis besteht, derartige Vereinbarungen der Kontrolle
des VfGH nach Art.
138a B-VG zu unterwerfen, ist eine rechtspolitische Frage, die
mE eher zu verneinen ist.
Eine andere Frage ist, wer für die Entscheidung von
Streitigkeiten über die Erfüllung
der aus der Vereinbarung resultierenden finanziellen
Verpflichtungen zuständig sein soll. An
sich wäre dies nach Art. 137 B-VG der Verfassungsgerichtshof,
der jedoch zur Bewältigung
solcher vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn sie häufiger
vorkommen, von seiner
Struktur her nicht unbedingt geeignet erscheint; zumindest eine
Vorinstanz wäre
wünschenswert. Denkbar wäre auch eine Regelung, die die
Zuständigkeit des VfGH gemäß
Art. 137 B-VG vorsieht, sofern nicht in der Vereinbarung die
Zuständigkeit der ordentlichen
Gerichte vorgesehen ist.
Eingebracht im Präsidium, 32.
Sitzung, 27.10.2004
Positionen zum Thema Sicherheitspolititk
für das Präsidium des Österreich-Konvents
1. Wir treten für die Beibehaltung
des Neutralitäts-BVG als Verfassungstrabant ein, wie sie auch die
übrigen Mitglieder des Präsidiums befürwortet haben. Darüber hinaus ist es aber
nicht notwendig, (Kern)Inhalte dieses Verfassungsgesetzes in der Stammurkunde
neuerlich zu benennen. Wir teilen diesbezüglich die vom Ausschuss 2 in
seiner 15. Sitzung geäußerte Auffassung, dass eine solche kumulative Festschreibung
„überschießend und verfassungslegistisch problematisch“ wäre.
2. Der Bestimmungen über die umfassende
Landesverteidigung und die allgemeine Wehrpflicht in Art. 9a B‑VG
sollen unverändert beibehalten werden. Legistisch könnte das Recht auf Leistung
von Zivildienst im Sinne des § 2 Abs 1 ZDG bei der Bestimmung
über die allgemeine Wehrpflicht integriert werden. Die Dauer des Zivildienstes
ist jener des Wehrdienstes anzugleichen.
3. Weiters sprechen wir uns für die
Aufnahme des von Abg. Wittmann im Ausschuss 1 vorgeschlagenen Staatsziel
Friedenspolitik aus, das – textlich leicht modifiziert und unter der
Annahme, dass Art 23 f B‑VG erhalten bleibt – wie folgt lauten
sollte:
„Die Republik Österreich bekennt sich zu einer aktiven
Friedenpolitik und zum solidarischen Zusammenwirken in der Europäischen Union
auf der Grundlage der Neutralität. Österreich nimmt an friedenserhaltenden
Aufgaben sowie Kampfeinsätzen bei der Krisenbewältigung einschließlich
friedensschaffender Maßnahmen nur auf Grund von Beschlüssen des
Sicherheitsrates der Vereinten Nationen teil, die zu solchen ausdrücklich
ermächtigen."
4. Wir unterstützen weiters den von
Dr. Specht im Ausschuss 1 vorgelegten Vorschlag für eine Ergänzung des
Art. 23 f B‑VG, wonach sich Österreich an Aktionen im Rahmen der
GASP nur bei einem entsprechenden Beschluss des UN-Sicherheitsrates beteiligen
kann.
Art 23 f. (1) (.....) Dies
schließt die Mitwirkung an Aufgaben gemäß Art 17 Abs. 2 dieses Vertrages sowie
an Maßnahmen ein, mit denen die Wirtschaftsbeziehungen zu einem oder mehreren
dritten Ländern ausgesetzt, eingeschränkt oder vollständig eingestellt werden,
soweit diese Maßnahmen in Erfüllung eines Mandates der Vereinten
Nationen erfolgen. (.....).
(2) (.....)
(3) An Beschlüssen betreffend
friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung
einschließlich friedensschaffender Maßnahmen kann Österreich mitwirken,
soweit derartige Beschlüsse in Erfüllung eines Mandates der Vereinten Nationen
gefasst werden.
5. Das KSE-BVG ist in den
Text der Verfassungsurkunde zu integrieren und – ohne dass dabei eine
inhaltliche Änderung erfolgt – mit den Aufgaben des Bundesheeres in Art 79
B‑VG legistisch abzustimmen.
Eingebracht im Präsidium, 37. Sitzung, 23.11.2004
Überlegungen zum Endbericht des
Österreich-Konvents
I. Wir gehen davon aus, dass der Entwurf des Endberichts so zeitgerecht fertiggestellt sein sollte, dass eine Diskussion im Plenum des Konvents jedenfalls sichergestellt ist. Zudem sind wir überzeugt, dass eine geeignete strukturierte Darstellung des Diskussionsprozesses und der vom Konvent erarbeiteten Inhalte und Vorschläge eine notwendige Grundlage für Konsensfindungen – und damit eine inhaltliche Frage der Beratungen – darstellt. Deshalb wird vorsorglich – nunmehr auch schriftlich – die folgende Berichtsstruktur vorgeschlagen.
Das Gründungskomitee hat dem Konvent im wesentlichen zwei Aufgaben übertragen, nämlich „Vorschläge für eine grundlegende Staats- und Verfassungsreform“ sowie „zuletzt auch Textvorschläge für einen straffen Verfassungstext auszuarbeiten“.
Diesem Auftrag entsprechend hat der Konvent mit großem Erfolg in einem ersten Schritt alle Bereiche des geltenden Verfassungsrechts auf ihre Notwendigkeit und Reformbedarf beraten sowie sodann Vorschläge für Neuregelungen diskutiert. In einem zweiten Schritt wurden – nach ersten Richtungsentscheidungen durch das Präsidium – auf Basis der Ergänzungsmandate konkrete Textvorschläge erarbeitet. Diese Arbeit ist im wesentlichen in den Ausschüssen erfolgt; sie gilt es im Endbericht zu sichern und darzustellen. Aufbauend auf den Ausschussarbeiten wurden im Präsidium weitere Positionen und Textvorschläge eingebracht, bestimmte Fragen und Texte konsentiert, andere wieder verworfen; dies ist ebenfalls im Endbericht darzustellen.
II. Basierend auf die unter I. dargestellt Ausgangslage sowie dem Konventsprozeß sollte der Endbericht des Österreich-Konvents wie folgt aufgebaut sein: einleitend ein allgemeiner Teil (Einsetzung, Zusammensetzung, Ablauf der Beratungen, hearings etc.; Teil 1); anschliessend ein inhaltlich-erläuternder Teil, der auch eine Darstellung von Textvorschlägen enthält (Teil 2).
Teil 2 sollte nach Themenbereichen gegliedert sein; damit liegt eine Gliederung nach den Ausschussmandaten nahe (Ausschuss 1 bis Ausschuss 10). Insoweit es zu thematischen Überschneidungen zwischen mehreren Ausschüssen kommt, sollte nach dem Prinzip, in welchem der thematische Schwerpunkt überwiegt, vorzugehen (zB wurde das Gemeinderecht im Ausschuss 3 beraten, Kontrollrechte in den Gemeinden aber im Ausschuss 8; die gemeinsame Darstellung sollte im Rahmen des Ausschusses 3 – Gemeinderecht – erfolgen).
Ein Aufbau des Endberichts nach dem sog „Inhaltsverzeichnis“ des Ausschusses 2 kann schon deshalb nicht erfolgen, weil dieses sowohl vom Ausschuss 2 als auch vom Präsidium nur als eine „Zusammenstellung von Themen“ gedacht und konsentiert war, „die dem Präsidium die Überprüfung der Ausschussmandate auf ihre Vollständigkeit erleichten soll“, nicht aber als Gliederung einer künftigen Verfassung. Eine Darstellung von Textvorschlägen anhand des Inhaltsverzeichnisses würde dieses aber de facto zur Gliederung einer neuen Verfassung machen. Der Ausschuss 2 hat ausdrücklich zwischen Inhaltsverzeichnis und Gliederung einer neuen Verfassung unterschieden. Er hat die Notwendigkeit einer ausführlichen Diskussion über eine allfällige Gliederung betont, ihre Behandlung aber vertagt und nicht wieder aufgenommen. Im Ausschuss wurden drei Gliederungsvorschläge von Wiederin sowie Vorstellungen von Öhlinger und Poier eingebracht.
Auch ein Aufbau des Endberichts anhand der geltenden B‑VG-Artikel (von Art. 1 bis 152) erscheint nicht sinnvoll, weil es bei neuen Textvorschlägen häufig zu einem Streichen oder Hinzufügen von Artikeln sowie zu einer Änderung der bestehenden Systematik kommen wird. Bei einer synoptischen Darstellung mehrerer Textvorschläge hat das zwangsläufig ein „Zerreissen“ der jeweiligen Vorschläge zur Folge, wie die Synopse zum Gemeinderecht zeigt. Eine solche Darstellung ist zwar als Arbeitsbehelf für Beratungen, nicht aber für eine Darstellung im Endbericht geeignet.ö
III. Innerhalb des groben thematischen Rasters der Ausschussberichte („Grobgliederung“) sollte der Aufbau des Endberichts jeweils nach folgendem Schema erfolgen („Feingliederung“):
1. Darstellung, ob Änderungsbedarf zu einem bestimmten Thema (bzw dem jeweiligen Artikel der Bundesverfassung) gesehen wird.
2. Darstellung, worin und aus welchen Gründen Änderungsbedarf gesehen bzw. nicht gesehen wird (rechtspolitischer und/oder legistischer Natur) und wie die Meinungsbildung diesbezüglich in den Ausschüssen bzw im Präsidium ist (Konsens, kein Konsens).
3. Darstellung vorhandener Textvorschläge zu diesem Thema. Dafür sollten folgende Prinzipien gelten:
· Es sind all diejenigen Textvorschläge aufzunehmen, die von einem Präsidiumsmitglied „adoptiert“ werden.
· Alle Textvorschläge sind formal gleichwertig darzustellen (zB in Form von Synopsen).
· Der jeweilige Proponent eines Textvorschlages ist auszuweisen. Im Präsidium konsentierte Texte gelten als solche des Präsidiums.
· Wenn von einem Mitglied des Präsidiums kein Änderungsbedarf gesehen wird, gilt automatisch der alte Text.
Eingebracht im Präsidium, 34.
Sitzung, 8.11.2004
Zu der
Auflistung von Themen, zu denen neue Texte fehlen
nehmen ich wie folgt Stellung:
Ich begrüße die akribische Durchsicht des geltenden Verfassungsrechts auf so genannte „blinde Flecken“ der bisherigen Konventstätigkeit. Angesichts des fortgeschrittenen Zeithorizonts erscheint es uns jedoch weit dringlicher, die Konventstätigkeit und im besonderen die politische Entscheidungskapazität des Präsidiums endlich auf die großen und für ein politisches Gelingen des Konvents entscheidenden Fragen, wie Grundrechtskatalog (und hier insbesondere die sozialen Grundrechte), Kompetenzverteilung oder Finanzverfassung zu fokusieren.
Angesichts dessen sehe ich hinsichtlich der konkreten Auflistung noch bei folgenden Themen einen Bedarf für (neue) Textierungen:
I.7. Sozialstaat
„Österreich ist ein Sozialstaat.“
IV.8. Kompetenzverteilung Privatwirtschaftsverwaltung
In Zusammenhang mit Art 17 B‑VG oder einer allfälligen Neuregelung:
„Unbeschadet der allgemeinen Kompetenzverteilung können Bundes- und Landesgesetzgeber Rechte und Pflichten aus verwaltungsrechtlichen Verträgen begründen, die von ihrer Zuständigkeit unterliegenden Verwaltungsorganen abgeschlossen werden.“ (Vorschlag Holoubek, Bericht der Expertengruppe).
Weiters wird jedenfalls noch ein Textvorschlag zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen als Minderheitenrecht samt Organstreitverfahren nachgereicht.
Angemerkt sei auch, dass eine Reihe der in der Liste genannten Themen duchaus eine Behandlung bzw Neutextierung, wenn vielleicht auch in einem anderen als dem angegebenen Ausschuss oder unter einer anderen als der aus dem Inhaltsverzeichnis übernommenen Überschrift, erfahren haben (zB Gemeinderecht: Textvorschläge in Ausschuss 3; Immunität: Beratung in Ausschuss 8; Staatssprache: Recht zur Verwendung der Gebärdensprache oder lautsprachbegleitender Gebhärden in Ausschuss 4).
Eingebracht im Präsidium, 36.
Sitzung, 22.11.2004
Weisungsfreie Verwaltung und
Ausgliederung von Aufgaben der Verwaltung
Im Anschluss an die Diskussion des Themas „Weisungsbindung und weisungsfreie Verwaltung“ in der 33. Sitzung lege ich einen – auf einem Vorschlag von Prof. Holoubek basierenden – überarbeiteten Textvorschlag vor.
Im Zuge der Überarbeitung hat sich gezeigt, dass eine Regelung der Themen Weisungsfreistellung und Ausgliederung in einem Artikel nicht nur sinnvoll, sondern aufgrund des Zusammenspiels von Weisungsfreistellung einerseits und Weisungsbindung bei der Ausgliederung hoheitlicher Aufgaben andererseits unbedingt notwendig ist:
Nach der derzeitigen Fassung des Präsidiumstextes (Abs 2 Satz 1: „Für die Besorgung einzelner hoheitlicher Aufgaben durch ausgegliederte Rechtsträger gilt jedenfalls Art. 20 Abs. 1.“) ist nämlich die Weisungsfreistellung eines Ausgegliederten in Angelegenheiten der Hoheitsverwaltung selbst dann nicht möglich, wenn es sich um einen Bereich handelt, in dem weisungsfrei gestellt werden soll (es würde also zu einer „Rückverstaatlichung“ weiter bereits jetzt weisungsfrei vollzogener Bereiche kommen, insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge).
Der vorgeschlagene Artikel baut auf den im Präsidium beratenen Texten auf. Er hat folgende Struktur:
· Abs. 1 regelt die obersten Verwaltungsorgane
· Abs. 2 die Weisungsbindung der Verwaltung (geltender Art. 20 Abs. 1)
· Abs. 3 die (teilweise) Weisungsfreistellung bestimmter Organe der Verwaltung
· Abs. 4 die Grenzen der Ausgliederung hoheitlicher Vollzugsaufgaben
· Abs. 5 die Ausgliederung nicht hoheitlicher Vollzugsaufgaben regelt.
Gegenüber den im Präsidium besprochenen Texten kommt es zu folgenden Änderungen:
· eine adaptierte Umschreibung der weisungsfreien Bereiche (Abs. 3)
· eine differenzierte Regelung über die parlamentarische Kontrolle (Abs. 3)
· eine Klarstellung, dass die Möglichkeit zur Weisungsfreistellung nach Abs. 3 auch bei der Besorgung von Hoheitsaufgaben durch ausgegliederte Rechtsträger möglich ist (Abs. 4)
Textvorschlag:
(1) Zur Besorgung der Verwaltungsgeschäfte sind die obersten Verwaltungsorgane und die ihnen unterstellten Ämter und Rechtsträger berufen.
(2) Unter der Leitung der obersten Organe des Bundes und der Länder führen nach den Bestimmungen der Gesetze auf Zeit gewählte Organe oder ernannte berufsmäßige Organe die Verwaltung. Sie sind, soweit nicht verfassungsgesetzlich anderes bestimmt wird, an die Weisungen der ihnen vorgesetzten Organe gebunden und diesen für ihre amtliche Tätigkeit verantwortlich. Das nachgeordnete Organ kann die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt wurde oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.
(3) Durch Gesetz können
1. Organe zur sachverständigen technischen und wirtschaftlichen Prüfung,
2. Organe mit Rechtsschutz- und Kontrollfunktion zur Wahrung und Durchsetzung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung,
3. Organe mit Schieds-, Mediations- und Interessenvertretungsfunktion,
4. Organe zur Durchsetzung und Sicherung des Wettbewerbs und von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse,
5. sonstige Organe, soweit dies auf Grund europarechtlicher Vorschriften geboten ist,
vom Leitungs- und Weisungszusammenhang gemäß Absatz 2 ausgenommen werden, wenn dies nach der Eigenart der ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben erforderlich ist. In diesem Fall hat das Gesetz die Voraussetzungen der Unabhängigkeit dieser Organe zu regeln und ihre angemessene demokratische und rechtsstaatliche Kontrolle sicherzustellen. Zu diesem Zweck kann das Gesetz dem zuständigen allgemeinen Vertretungskörper direkte Auskunfts- und Informationsrechte einräumen. Für Organe der Ziffern 4 und 5 kann das Gesetz eine, der Eigenart der diesen Organen gesetzlich übertragenen Aufgaben angemessene demokratische Steuerung und zu diesem Zweck begrenzte schriftliche Weisungsbefugnisse der zuständigen obersten Verwaltungsorgane vorsehen.
(4) Durch Gesetz können einzelne Aufgaben der hoheitlichen Vollziehung der Gesetze im Rahmen des Absatz 2 und des Absatz 3 auf physische oder juristische Personen übertragen werden.
(5) Bei der sonstigen Übertragung von Aufgaben der Vollziehung auf physische oder juristische Personen muss eine der Eigenart der übertragenen Aufgabe entsprechende staatliche Aufsicht, Leitung oder Steuerung gewahrt bleiben.“
Kurze Erläuterung:
Grundgedanke ist, dass der Gesetzgeber im Fall des Absatz 3 regeln muss, inwieweit der Leitungszusammenhang (zB im Hinblick auf Budget- und Personalhoheit) für „unabhängige Verwaltungsorgane“ beschränkt bzw beseitigt wird, er gleichzeitig aber auch regeln muss, wie – beispielsweise über Bestelldauer und begrenzte vorzeitige Abberufungsmöglichkeiten – diese Unabhängigkeit ausgestaltet und – zB über Aufsichtsrechte oder Berichts- und Informationspflichten gegenüber einem Parlament oder dem Gemeinderat – eine ausreichende demokratische Verantwortung des „unabhängigen Verwaltungsorgans“ gesichert ist. Organe der Ziffern 1 bis 3 sind wenn, dann vollständig weisungsfrei zu stellen, für Organe gemäß Ziffer 4 und 5 besteht die Möglichkeit, je nach Eigenart der ihnen übertragenen Aufgaben beschränkte und jedenfalls zwingend schriftliche Weisungsbefugnisse vorzusehen (beispielsweise strategische Ziel- oder Planungsvorgaben).
Die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine gesetzliche Einrichtung einer unabhängigen Verwaltungsbehörde sind dabei im Absatz 3 differenziert geregelt: Die Organe der Ziffern 1-3 (Organe zur sachverständigen technischen und wirtschaftlichen Prüfung, Organe zur Wahrung und Durchsetzung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und Organe mit Schieds-, Mediations- und Interessenvertretungsfunktion) müssen, werden sie als unabhängige Organe eingerichtet, einer angemessenen demokratischen und rechtsstaatlichen Kontrolle unterworfen werden. Eine demokratische Steuerung ist für diese Organe nicht erforderlich bzw würde, wie insbesondere bei Rechtsschutzorganen, der Zielsetzung der Unabhängigkeit dieser Organe geradezu zuwiderlaufen. Organe zur Durchsetzung und Sicherung des Wettbewerbs und von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (Ziffer 4 und allenfalls Z 5) übernehmen demgegenüber auch Aufgaben der Verwaltungsführung. Hier ist über die Kontrolle hinaus auch eine angemessene demokratische Steuerung, also etwa sicherzustellen, dass die grundlegenden strategischen Entscheidungen weiterhin den obersten Verwaltungsorganen vorbehalten bleiben. Absatz 3 konstituiert damit insofern ein bewegliches System zwischen Eigenart der zu besorgenden Aufgaben des unabhängig gestellten Verwaltungsorgans gemäß Ziffer 4 (und allenfalls Ziffer 5) und der Art und Intensität, wie der Gesetzgeber eine angemessene demokratische und rechtsstaatliche Kontrolle und Steuerung sicherstellt.
Die Umschreibung der Organe, die weisungsfrei gestellt werden können, erfasst alle bisher durch Verfassungsbestimmung weisungsfrei gestellte Organe (siehe die Zusammenstellung der Ausschüsse 7 bzw. 9). In Hinblick auf die Organe mit Rechtsschutz- und Kontrollfunktion (Ziffer 2) ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtsschutzbeauftragten nach dem Sicherheitspolizeigesetz und dem Militärbefugnisgesetz eine gesonderte Regelung (Anbindung an das Parlament) in der Verfassung erhalten sollen. Organe mit Interessensvertretungsfunktion (Ziffer 3) können auch Einzelpersonen sein, die zum stellvertretenden Schutz subjektiver Rechte eingerichtet sind (zB die „Kontaktfrau“ nach dem Gleichbehandlungsgesetz).
Eingebracht im Präsidium, 37. Sitzung, 23.11.2004
Einsetzung
von Untersuchungsausschüssen
als
Minderheitenrecht mit „Organstreitverfahren“
Textvorschlag für Art. 53 Abs. 1
und 4 B-VG:
Artikel 53. (1) Der Nationalrat
kann durch Beschluss Untersuchungsausschüsse einsetzen. Der Nationalrat hat
einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, wenn ein Drittel seiner Mitglieder
dies verlangt.
(2) ...
(3) ...
(4) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet auf Antrag des Nationalrates oder eines Drittels der Mitglieder des Nationalrates bei Meinungsverschiedenheiten über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und über die ordnungsgemäße Erfüllung des Untersuchungsauftrages. Der Nationalrat oder der Untersuchungsausschuss ist verpflichtet, der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes zu folgen.
Erläuterungen
1. Allgemeine Erläuterungen
Mit der vorgeschlagenen
Bestimmung wird eine verfassungsrechtliche Grundlage geschaffen, wonach ein
Untersuchungsausschuss nicht wie bisher nur durch Beschluss der Mehrheit
eingesetzt werden kann, sondern auch über ein Verlangen eines Drittels der
Abgeordneten einzusetzen ist (Abs. 1).
Gleichzeitig wird ein Verfahren
vor dem Verfassungsgerichtshof eingeführt, um allfällige Streitigkeiten
zwischen der Minderheit und der Mehrheit über die Einsetzung und Durchführung
eines Untersuchungsausschusses einer Klärung durch den Verfassungsgerichtshof
zuzuführen. Ein solches Verfahren soll sowohl die Mehrheit davor schützen, dass
die Minderheit in verfassungswidriger Weise von ihren Rechten Gebrauch macht
(zB Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu einem Gegenstand, der nicht in
die Vollziehung des Bundes fällt), als auch die Minderheit vor missbräuchlichem
Verhalten der Mehrheit schützen (zB Blockierung der Tätigkeit eines auf
Verlangen der Minderheit eingesetzten Untersuchungsausschusses).
Weil es sich dabei um einen
Streit innerhalb des Organs Nationalrat (Innerorganstreit) handelt, wird diese
Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes bei den entsprechenden Bestimmung
über die Untersuchungsausschüsse angefügt (Abs. 4). Sie ist der
Zuständigkeit zur Entscheidung über Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem
Rechnungshof oder der Volksanwaltschaft und einer zu prüfenden Einrichtung
(Art 126a und 148f B-VG) nachgebildet.
2. Prüfungsgegenstand
Prüfungsgegenstand sind
„Meinungsverschiedenheiten über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
und über die ordnungsgemäße Erfüllung des Untersuchungsauftrages“. Der
Verfassungsgerichtshof hat damit zum einen zu prüfen, ob die Kompetenz des
Nationalrates hinsichtlich des Gegenstandes der Untersuchung überhaupt gegeben
ist, das heißt, ob der Untersuchungsgegenstand in den Bereich der
„Geschäftsführung der Bundesregierung“ iSd Art. 52 Abs. 1 B-VG fällt.
Der Begriff des
„Untersuchungsauftrages“ entspricht § 33 GOG-NR und umschreibt die Zuständigkeit
des Untersuchungsausschusses. Gegenstand der verfassungsgerichtlichen
Überprüfung können alle Handlungen oder Unterlassungen des Ausschusses sein,
die die Erfüllung des Untersuchungsauftrages betreffen.
Da es sich um ein
Innerorganstreitverfahren zwischen der Minderheit und der Mehrheit des
Nationalrates handelt, erstreckt sich die Zuständigkeit des
Verfassungsgerichtshofes nicht auf Streitigkeiten zwischen dem
Untersuchungsausschuss und den Gerichten oder Behörden in Zusammenhang mit der
Unterstützungs- und Auskunftsverpflichtung des Art. 53 Abs. 3 B-VG;
dies entspricht der Rechtslage hinsichtlich der vergleichbaren Reglung zur
Volksanwaltschaft in Art 148f B-VG.
3. Prüfungsmaßstab
Prüfungsmaßstab sind sowohl die
relevanten Vorschriften auf Verfassungsebene (im Besonderen die Art. 52f
B-VG) wie auch die in Ausführung des Art. 53 Abs. 2 B-VG ergangenen
Vorschriften des GOG-NR und der Verfahrensordnung für Parlamentarische
Untersuchungsausschüsse.
4. Antragsrecht
Das Antragsrecht kommt sowohl dem
Nationalrat als auch einem Drittel seiner Mitglieder zu. Das Antragsrecht des
Nationalrates steht der Nationalratsmehrheit offen, die ohne Weiteres auch über
ein Drittel der Mitglieder verfügt. Die gesonderte Anführung des Nationalrates
dient der Verdeutlichung des Innerorganstreits und widerspiegelt die politische
Realität betreffend die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen.
Ein Antragsrecht der
Bundesregierung ist nicht vorgesehen. Zwar handelt es sich bei der Durchführung
eines Untersuchungsausschusses um ein parlamentarisches Kontrollrecht gegenüber
der Regierung. Die Durchführung eines Untersuchungsausschusses ist aber ein
parlamentarisches Verfahren. Meinungsverschiedenheiten über die Einsetzung und
Durchführung bestehen daher innerhalb des Organs Nationalrat, sodass auch nur
diesem bzw einem Teil desselben die Antragsberechtigung zukommt. Politisch
werden die Interessen der Bundesregierung ohnedies durch die
Nationalratsmehrheit wahrgenommen.
5. Rechtsfolgen
Mit seinem Erkenntnis stellt der
Verfassungsgerichtshof fest, ob oder wieweit ein Einsetzungsbeschluss (oder
allenfalls auch das Unterlassen eines Einsetzungsbeschlusses) dem
verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmen für die Einsetzung von
Untersuchungsausschüssen widerspricht. Wird der Gerichtshof in Zusammenhang mit
der Durchführung eines Untersuchungsausschusses angerufen, so spricht er
darüber ab, ob eine bestimmte Vorgangsweise im Ausschuss den relevanten
Bestimmungen entspricht.
Der vorgeschlagene Abs. 4
enthält die Verpflichtung des Nationalrats bzw. des Untersuchungsausschusses,
dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Folge zu leisten. Dies entspricht
der Anordnung des Art. 126a B-VG. Eine Exekution eines Erkenntnisses des
Verfassungsgerichtshofes ist hingegen nicht vorgesehen.
6. Dringlichkeit des Verfahrens
Der Entscheidung des
Verfassungsgerichtshofes über Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf
Untersuchungsausschüsse kommt eine besondere Dringlichkeit zu. Daher sollte im
Verfassungsgerichtshofgesetz vorgesehen werden, dass der Gerichtshof sein
Erkenntnis tunlichst binnen sechs Monaten nach Einlagen des Antrages zu fällen
und den Parteien des Verfahrens zuzustellen hat. Diese Regelung besteht derzeit
bereits für Verfahren über Kompetenzstreitigkeiten des Rechnungshofes oder der
Volksanwaltschaft und einer zu prüfenden Einrichtung (§ 36e VfGG).
Im Präsidium eingebracht, 41. Sitzung, 13.12.2004
Der Vorschlag des Ausschusses 2 zum Universitätsrecht (Ergänzungsbericht S. 22) enthält lediglich eine Bereinigung bzw Kodifíkation der über verschiedene Gesetze verstreuten Verfassungsbestimmungen. Darüber hinausgehend sollten folgende Bestimmungen aufgenommen werden:
[1] Dieser im geltenden Art 9 Abs 2 B-VG enthaltene Verweis wäre selbstverständlich in einer künftigen Neufassung des gesamten B-VG entsprechend zu adaptieren.
[2] Der Hinweis auf die Organe solcher Einrichtungen im geltenden Art 9 Abs 2 B-VG kann als überflüssig entfallen. Ein Hoheitsrecht ist immer der juristischen Person zuzurechnen.
[3] Zur Klammer siehe die Erläuterungen (2.c.).
[4] Diese Nummerierung ist selbstverständlich nur als vorläufig anzusehen und soll die Ergänzung des geltenden Art 50 B-VG hervorheben.
[5] Der Hinweis auf die Organe solcher Einrichtungen im geltenden Art 9 Abs 2 B-VG kann als überflüssig entfallen. Ein Hoheitsrecht ist immer der juristischen Person zuzurechnen.
[6] Zur Klammer siehe die Erläuterungen (2.c.).
[7] Diese Nummerierung ist selbstverständlich nur als vorläufig anzusehen und soll die Ergänzung des geltenden Art 50 B-VG hervorheben.
[8] Robert von Mohl, Die Abfassung der Rechtsgesetze, in: ders, Staatsrecht, Völkerrecht und Politik, Bd 2,, 1862, 375 (457).
[9] Horst Dreier, Kommentierung von Art 79, in: ders (Hg), Grundgesetz. Kommentar, Bd II, 1998, Rz 8.
[10] So Fritz Fleiner/Zaccaria Giacometti, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 1949, 29 f; Luzius Wildhaber, Kommentierung von Art 118, in: Jean-François Aubert ua (Hg), Kommentar zur Bundesverfassung der Schweizerischen Bundesverfassung, LoBlAusg, 1988, Rz 3; wesentlich differenzierter Ivo Hangartner, Grundzüge des schweizerischen Staatsrechts, Bd I: Organisation, 1980, 29, mit Nachweisen von Abweichungen in der Staatspraxis.
[11] Vgl zB das dänische Thronfolgegesetz 1953 und die Verfassung des Königreiches Dänemark 1953, die in § 2 auf das Thronfolgegesetz Bezug nimmt.
[12] Vgl Art 1 und 112 Abs 1. Diese Regelung, die schon in der Verfassung 1920 begegnet, dürfte übrigens die Entstehung des Art 44 Abs 1 B‑VG maßgeblich beeinflusst haben. Dieser ist nämlich erst in einer sehr späten Phase der Verfassungsberatungen vorgeschlagen worden (vgl Felix Ermacora, Quellen zum österreichischen Verfassungsrecht [1920], 1967, 483); in allen Vorentwürfen wurde lediglich auf eine „Abänderung der Bundesverfassung“ Bezug genommen.
[13] Vgl Art 138. Ausdrücklich vorgesehen ist die Form eines Verfassungsgesetzes zB für die Zuständigkeiten des Verfassungsgerichts (Art 137) sowie für die Sonderstatuten betreffend die Autonomie Siziliens, Sardiniens, Südtirol-Trients, Friaul-Julisch-Venetiens und des Aosta-Tales (Art 116).
[14] Vgl Kap VIII § 15 der schwedischen Verfassung und § 73 des finnischen Grundgesetzes, in dem nicht nur Vorlagen zur Verabschiedung, Änderung oder Aufhebung des Grundgesetzes, sondern auch zeitlich begrenzte Aussetzungen des Grundgesetzes ausdrücklich angeführt werden.
[15] Beispiele bilden das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland, dessen Verfassung (entgegen einem verbreiteten Vorurteil) zu einem guten Teil in Texten niedergelegt ist (Magna Charta Libertatum 1215, Petition of Rights 1627, Habeas-Corpus-Act 1679, Bill of Rights 1689, Human Rights Act 1998, Act of Settlement 1701, Acts of Parliament 1911 und 1949, Wales Act 1998, Scotland Act 1998, Northern Ireland Act 1998), die Republik Indonesien, deren Konstitution aus 1945 nur einen (den geschriebenen) Teil der Verfassung bildet, und der australische Bundesstaat Queensland bis zur Erlassung der konsolidierten Verfassung 2002, welche die zerstreuten, selbst Briefe umfassenden Quellen in einer Urkunde zusammengefasst hat.
[16] Zum politischen Hintergrund Winfried Halder, Innenpolitik im Kaiserreich 1871-1914, 2003, 13, 54.
[18] So Lasker, 77. Sitzung des Reichtags vom 9. 7. 1879, StenBer 2203, zitiert nach Hufeld (FN 10), 40 FN 7.
[19] Hänel, 78. Sitzung des Reichtags vom 10. 7. 1879, StenBer 2246, zitiert nach Hufeld (FN 10), 40 FN 9.
[21] Vgl Heinrich Triepel, Mitbericht, in: Verhandlungen des 33. Deutschen Juristentages, 1925, 45 (48), der von einem Willen der Konstituante zur Beibehaltung der eingelebten Praxis ausgeht.
[23] Als Kritiker der impliziten Verfassungsänderung sind Loewenstein, Jacobi, Schmitt und Thoma zu nennen, die jedoch nicht die Zulässigkeit von Verfassungsänderungen außerhalb der Urkunde an sich in Zweifel zogen, sondern je und je verschiedene Aspekte dieser Technik, insbesondere die Beschränkung der Geltung von Durchbrechungen auf einen Einzelfall, als problematisch erachteten. Näher zum Ganzen Hufeld (FN 10), 51 ff.
[24] Vgl § 1 Abs 1 RGBl 1929 I 943: „Die Reichsregierung wird ermächtigt, Maßnahmen zu treffen, welche sie auf finanziellem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiete für erforderlich und dringend erachtet. Dabei kann von den Grundrechten der Reichsverfassung abgewichen werden.“ In Art 68 Abs 2 WRV hieß es: „Die Reichsgesetze werden vom Reichstag beschlossen.“
[26] Die Schreiben sind im Wortlaut wiedergegeben bei Fritz Poetzsch-Heffter, Vom Staatsleben unter der Weimarer Verfassung, JböR 21 (1933/34), 1 (102 ff, 108 ff).
[27] Zur Beurteilung des Ermächtigungsgesetzes sub specie Verfassungsdurchbrechung eingehend Hufeld (FN 10), 84.
[28] Vgl Art 67 Abs 4 des Bayerischen Entwurfs eines Grundgesetzes, abgedruckt bei Peter Bucher (Bearb), Der Parlamentarische Rat 1948-1949. Akten und Protokolle Bd 2: Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, 1981, 1 (27): „Änderungen des Grundgesetzes sind im Text des Grundgesetzes oder in einen Anhang aufzunehmen.“
[29] Keine Rolle gespielt zu haben scheint demgegenüber die Lübeckischen Landesverfassung, in der es schon 1920 hieß: „Gesetze, die nicht die Abänderung des Wortlautes der Verfassung unmittelbar zum Gegenstand haben, sind, soweit sie mit der Verfassung in Widerspruch stehen, unwirksam.“
[31] Angela Bauer/Matthias Jestaedt, Das Grundgesetz im Spiegel seiner Änderungen – Eine Einführung, in: dieselben, Das Grundgesetz im Wortlaut, 1997, 7.
[32] Hans Schneider, Die Liquidation deutschen Auslandvermögens und ihre vertragliche Hinnahme durch die Bundesrepublik, 1964, 78 ff.
[33] Horst Ehmke, Verfassungsänderung und Verfassungsdurchbrechung, AöR 79 (1953/54), 385 (401 ff); Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl 1995, Rz 698.
[35] Horst Ehmke, Noch einmal: Die Verfassungsnovelle vom 26. März 1954, DÖV 1956, 449 (452); derselbe, AöR 79 (1953/54), 396 ff.
[36] Karl Loewenstein, Kritische Betrachtungen zur Verfassungsänderung vom 26. März 1954, DÖV 1954, 385 (385); weitere Nachweise bei Hufeld (FN 10), 102 FN 38.
[37] Gerhard Hoffmann, Kommentierung von Art 79 Abs 1 und 2, in: Rudolf Dolzer (Hg), Bonner Kommentar, Zweitbearbeitung 1986, Rz 44.
[38] BVerfGE 9, 334 (336), wo das BVerfG nicht etwa einen „Grundsatz der Urkundlichkeit und Einsichtbarkeit jeder Verfassungsänderung“ postuliert, sondern diesem Grundsatz eine implizite Absage erteilt hat; Schneider (FN 25), 78; Rüdiger Rubel, Kommentierung von Art 79, in: Dieter C. Umbach/Thomas Clemens (Hrsg), Grundgesetz. Mitarbeiterkommentar und Handbuch, Bd II, 2002, Rz 13.
[40] Brun-Otto Bryde, Kommentierung von Art 79, in: von Münch (Hg), Grundgesetz-Kommentar, Bd 3, 2. Aufl 1983, Rz 14; Dreier (FN 2), Rz 36; Bodo Pieroth, Kommentierung von Art 79, in: Hans D. Jarass/Bodo Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kommentar, 4. Aufl 1997, Rz 2.
[41] Jörg Lücke, Kommentierung von Art 79, in: Michael Sachs (Hg), Grundgesetz. Kommentar, 3. Aufl 2003, Rz 4; Karl-E. Hain, Kommentierung von Art 79, in: v Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz. Kommentar Bd 3, 4. Aufl 2001, Rz 9.
[42] Bauer/Jestaedt (FN 24), 11; Theodor Maunz, Kommentierung von Art 79 Abs 1 und 2, in: derselbe/Günter Dürig ua (Hg), Grundgesetz. Kommentar, LoBlAusg 1960, Rz 4; vgl auch Rubel (FN 31), Rz 14, der Grenzen für dynamische Verweisungen zwar nicht aus Art 79 Abs 1, wohl aber aus Art 79 Abs 2 und 3 ableitet, und die Grenze dort zieht, wo ansonsten Verfassungsrecht für die einfache Mehrheit abänderbar wäre.
[43] Ehmke, AöR 79, 394 f, 397, 416 ff; Hesse (FN 26), Rz 699; differenzierend Hoffmann (FN 30), Rz 35, 101 ff, mwN.
[44] Bauer/Jestaedt (FN 24), 12 ff; Dreier (FN 2), Rz 26; Rubel (FN 31), Rz 16; Theodor Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, 1994, 225 f.
[47] Dreier (FN 2), Rz 15, 25; Hoffmann (FN 30), Rz 8; Lücke (FN 34), Rz 15 f; Hermann Mosler, Die Übertragung von Hoheitsgewalt, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hg), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd VII, 1992, § 175 Rz 54.
[50] Peter Badura, Artikel Verfassung, in: Herrmann Kunst/Roman Herzog/Wilhelm Schneemelcher (Hg), Evangelisches Staatslexikon, 2. Aufl 1975, Sp 2707 (2721).
[51] Treffend Brun-Otto Bryde, Verfassungsentwicklung, 1982, 356: „Art. 79 I GG verlangt nur die ausdrückliche Sichtbarmachung von Verfassungsänderungen im Verfassungstext; ‚Verfassungsdurchbrechungen’ im Schmittschen Sinne verbietet er nicht.“
[52] Das gilt auch für die kluge Untersuchung von Hufeld (FN 10), 229: „Der Gesetzgeber ist an die Verfassung in jeder einzelnen Konstellation gebunden: Vorrang der Verfassung heißt Vorrang der abstrakt richtigen Grundnorm im konkreten Anwendungsfall.“
[53] Umfassende Kritik bei Ehmke, AöR 79 (1953/54), 415 ff, und Loewenstein, DÖV 1954, 385 ff; im jüngeren Schrifttum Bedenken äußernd Dreier (FN 2), Rz 36.
[54] Bauer/Jestaedt (FN 24), 14 f mwN; Dreier (FN 2), Rz 28 (vgl aber auch Rz 34 ff); Hain (FN 34), Rz 19; Hufeld (FN 10), 102 f.
[55] Vgl Hesse (FN 26), Rz 699: entweder überflüssig oder verfassungswidrig; zustimmend Jörn Ipsen, Staatsrecht I, 14. Aufl 2002, Rz 1022; Rubel (FN 31), Rz 21.
[59] Hans Heinrich Rupp, Grundgesetzänderungen durch völkerrechtlichen Vertrag -- ein vernachlässigtes Problem des Maastrichter Unionsvertrages, in: Jörn Ipsen ua (Hg), Verfassungsrecht im Wandel, 1995, 499 (506 ff).
[60] Für viele Dreier (FN 2), Rz 24, der betont, dass die durch Verweisungen erzielbare Entlastung sowohl dem Ziel der Verfassungsklarheit als auch der Übersichtlichkeit der Urkunde dienlich sein können.
[62] Zu den Implikationen eingehend Andreas Voßkuhle, Verfassungsstil und Verfassungsfunktion, AöR 119 (1994), 35 (insb 43 ff).
[64] Keine Regel ohne Ausnahme: Art 125a GG ist auf die Änderungen der Kompetenzverteilung des Jahres 1994 zugeschnitten und regelt einen Anlassfall, nicht das dahinter stehende allgemeine Problem (Schicksal alten Rechts nach Kompetenzverschiebungen).
[66] Parallelen zur österreichischen Entwicklung sind unübersehbar: vgl Art 24septies (Umweltschutz), Art 24novies (Fortpflanzungs- und Gentechnologie), Art 25bis (Tierschutz) sowie die Bestimmungen über den Militärdienst (Art 18 ff).
[67] Vgl den 1972 aufgehobenen Art 51 (Jesuitenverbot) sowie die „Schnapsartikel“ Art 32bis (umfassende Regelungskompetenz und ‑pflicht des Bundes, die bis zu den Enzianwurzeln heruntergebrochen war), Art 32ter (das berühmte Absinthverbot), Art 32quater (Regelungskompetenzen und ‑pflichten der Kantone für Mengen bis zwei Liter bzw zwischen zwei und zehn Litern sowie Verbot des Feilbietens im Umherziehen).
[68] Vgl zB den Maut‑ und Vignettenartikel 36quinqies, der nicht nur den Vignettenpreis fixiert, sondern auch ein Spezialverfahren für seine Abänderung bereithält, sowie den Art 41ter über die Mehrwertsteuer.
[69] Hingewiesen sei darauf, dass die Praxis auch Hybride kennt. Das (nicht als Bundesverfassungsgesetz bezeichnete) Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl 201, trägt zB neben Bundesgesetzen auch zwei Bundesverfassungsgesetze in sich, was zwar im sperrigen Volltitel, nicht aber im Kurztitel zum Ausdruck kommt.
[70] So geschehen im Strafrechtsänderungsgesetz, BGBl 1951 I 739, sowie im Gesetz zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertragsgesetz – und zu der Vereinbarung vom 18. September 1990, BGBl 1990 I 1254. Ebenfalls vom Titel her nicht eindeutig ist das Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung (Finanzverfassungsgesetz), BGBl 1955 I 817.
[71] Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, oJ, 144. Schmid fügte sogleich hinzu: „Ich bitte Sie, das nicht wörtlich zu nehmen. Aber der Sinn dessen, was gemeint ist, kommt in diesem Beispiel wohl besonders plastisch zum Ausdruck.“
[75] Vgl Art 196 der belgischen Verfassung (Krieg, Unmöglichkeit des Zusammentretens der Kammern auf belgischem Staatsgebiet); Art 89 Abs 4 der französischen Verfassung (Verletzung der Unversehrtheit des Staatsgebiets); Art 289 der Verfassung Portugals (Belagerungs‑ und Ausnahmezustand); Art 169 der Verfassung Spaniens (Kriegszeiten, Alarm‑, Ausnahme‑ und Belagerungszustand); Art 60 Abs 1 der Verfassung Brasiliens 1988 (Bundesintervention, Verteidigungsfall, Belagerungszustand); Art 160 der Verfassung der Republik Angola 1992 (Ausnahme‑ und Belagerungszustand), Art 87 (a) der Verfassung der Republik Liberia 1986 (Ausnahmezustand).
[77] „Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“
[78] „Die republikanische Staatsform kann nicht zum Gegenstand einer Verfassungsänderung gemacht werden.“ Inhaltsgleich Art 139 der Verfassung Italiens und Art 142 der Verfassung von Madagaskar 1992.
[79] Andere Beispiele finden sich in Art 60 Abs 4 der Verfassung Brasiliens, Art 155 der Verfassung Aserbeidschans 1995, Art 110 Abs 1 der Verfassung Griechenlands, Art 97 der Verfassung Japans von 1946, Art 178 der Verfassung der Demokratischen Republik Algerien 1996, Art 17 der Verfassung von Kambodscha, Art 131 der Verfassung von Namibia 1990, Art 106 der Verfassung von Marokko 1996, Art 127 der Verfassung der Republik Somalia 2001 und jüngst in Art 112 Abs 3 der Verfassung Tschetscheniens 2003.
[80] Vgl neben Art 44 Abs 3 B‑VG vor allem die schweizerische Bundesverfassung 1999, die in Art 193 und 194 Totalrevision und Teilrevision einander gegenüberstellt; ebenso Kap I Sect 30 der Verfassung Argentiniens 1853, Art 137 der Verfassung von Kuba 1976 und Art 168 der spanischen Verfassung.
[81] Dazu mwN Ewald Wiederin, Die Verfassunggebung im wiedervereinigten Deutschland, AöR 117 (1992), 410 (413 ff).
[83] Vgl Art VIII § 16, der für Änderungen der Geschäftsordnung des Reichstages das Verfahren über die Änderung von Grundgesetzen für anwendbar erklärt.
[89] Vgl Art 8 der Verfassung der Bundesrepublik Nigeria 1999; vgl auch Art 116 der Verfassung Italiens, die ein verfassungsgesetzliches Sonderstatut verlangt.
[91] Vgl Art 81 Abs 2 der Verfassung Spaniens; Art 168 Abs 6 der Verfassung Portugals; Art 104 Abs 2 der Verfassung Estlands; Art 66 Abs 2 der Verfassung Georgiens 1999 und Art 82 Abs 2 der Verfassung der Republik Kroatien. Vergleichbar auch Art 46 der Verfassung Frankreichs, der die absolute Mehrheit der Mitglieder der Nationalversammlung verlangt, wenn kein übereinstimmender Beschluss des Senates vorliegt.
[93] Vgl zB einerseits Art 166 Abs 2, andererseits Art 168 Abs 6 der Verfassung Portugals. In beiden Bestimmungen wird auf Angelegenheiten des Art 164 Bezug genommen.
[94] Verfassungsausführende Gesetze sind vorgesehen für die Präsidentenwahl (Art 6 Abs 2), für die Besetzung von Posten durch den Ministerrat (Art 13 Abs 4), für den Ersatz von Amtsträgern im Inkompatibilitätsfall (Art 23 Abs 2), für Wahl und Amtsdauer der Nationalversammlung, für die Übertragung des Stimmrechts zwischen Parlamentsmitgliedern (Art 27 Abs 2), für den Rechtsrahmen in Bezug auf Budget, Sozialversicherung sowie Sozial‑ und Wirtschaftspolitik (Art 24 Abs 2 und 5, Art 47-I), für die Inkompatibilitäten der Mitglieder des Conseil d’ Etat (Art 57), für Organisation, Arbeitsweise und Verfahren des Conseil constitutionnel (Art 63), für die Rechtsstellung von Richtern und Staatsanwälten (Art 64 Abs 3), für die Zusammensetzung, Arbeitsweise und Verfahren des Obersten Gerichtshofs (Art 67 Abs 3), für den als Staatsgericht fungierenden Gerichtshof der Republik (Art 68-2 Abs 5), für den Wirtschafts‑ und Sozialrat (Art 71) und für die DOM-TOMs (Art 74 Abs 2, 77).
[95] Vgl Art V der Verfassung der Vereinigten Staaten 1789, wonach Verfassungsänderungen von drei Vierteln der Bundesstaaten entweder durch ihre gesetzgebenden Körperschaften oder durch Konvente ratifiziert werden müssen; Art 135 der Verfassung von Mexiko 1917; Art 74 der Verfassung der Republik Südafrika 1996.
[97] Vgl Art 46 Abs 2 der Verfassung Irlands; vgl auch Art 89 der Verfassung Frankreichs, wo jedoch der Präsident statt dem Volk auch dem als Kongress einberufenen Parlament vorlegen kann.
[99] Vgl Art 128 der Verfassung Australiens und Art 195 der schweizerischen Bundesverfassung, wonach sowohl die Mehrheit der Bürger im Gesamtstaat als auch in der Mehrheit der Staaten die Bürger den Vorschlag gutheißen müssen.
[100] Vgl Art VIII § 15 der Verfassung Schwedens; § 88 der Verfassung Dänemarks, die außerdem die Annahme in einer verpflichtenden Volksabstimmung verlangt; § 73 Abs 1 des finnischen Grundgesetzes, nach dem aber die Vorlage nach Abs 2 für dringlich erklärt werden kann; Art 195 der Verfassung Belgiens; Art 137 der Verfassung der Niederlande; Art 114 der Verfassung Luxemburgs von 1868. Ein Bestätigungsbeschluss des nächsten Parlament ist auch in Art 110 der Verfassung Griechenlands, vorgesehen.
[103] Zu diesen Zwei-Drittel-Gesetzen Richard Novak/Bernd Wieser, Zur Neukodifikation des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 1994, 78.
[105] Es erstaunt deshalb, dass just Personen, die Formzwängen und Formstrenge ansonsten ambivalent bis kritisch gegenüberstehen, sich von Inkorporationsgeboten so viel versprechen.
[106] Vgl dazu Roland Winkler, Integrationsverfassungsrecht, 2003, 58 f, 144 ff, mit Vorschlägen de constitutione ferenda, ibid 189 f.
[107] Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)
[108] Unter dem "Wahlrechtsgrundsatzgesetz" ist ein 2/3-Mehrheitsgesetz zu verstehen (siehe auch Bemerkung zu Artikel 26 Abs 6)
1 Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)
[109] Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)
[110] Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)
[111] Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)
[112][ Das "Wahlrechtsgrundsatzgesetz" müsste auch die grundlegenden Bestimmungen für die übrigen Wahlrechtsmaterien des Bundes (Bundespräsidentenwahlen, Volksabstimmungen und Volksbegehren) aufnehmen. Entsprechende Hinweise wären in die Artikel 46 und 60 vorzuziehen.
[113] Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)
[114] Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)
[115][ Es stellt sich die Frage, ob die Rechte des Bundespräsidenten, den Nationalrat einzuberufen, noch zeitgemäß sind; politisch sind sie jedenfalls funktionslos. Ihre Streichung ist daher zu erwägen. In diesem Falle müssten diese Rechte dem Präsidenten des NR zuwachsen.
1 Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)
2 Es stellt sich die Frage, ob die Rechte des Bundespräsidenten, den Nationalrat einzuberufen, noch zeitgemäß sind; politisch sind sie jedenfalls funktionslos. Ihre Streichung ist daher zu erwägen. In diesem Falle müssten diese Rechte dem Präsidenten des NR zuwachsen.
1 Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)
2 Es stellt sich die Frage, ob die Rechte des Bundespräsidenten, den Nationalrat einzuberufen, noch zeitgemäß sind; politisch sind sie jedenfalls funktionslos. Ihre Streichung ist daher zu erwägen. In diesem Falle müssten diese Rechte dem Präsidenten des NR zuwachsen.
[116] Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)
[117] Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)
[118][ Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)
[119] Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)
[120] Diese Bestimmung würde aus systematischen Gründen jedoch besser dem Art 42 als Abs 6 angefügt werden.
1 Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)
[121] Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)
[122] Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)
[123] Die Organisationskompetenz des Landes sollte sich aus der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen ergeben. Der zweite Satz ist meines Erachtens entbehrlich, ist aber der Sache nach in der Variante berücksichtigt. Diese hat den Vorteil, dass die Hauptfunktion der Gemeinden, nämlich Gesetze zu vollziehen, klar zum Ausdruck kommt.
[124] Ist entbehrlich, ergibt sich aus den Vorschriften der Finanzverfassung.
[125] Könnte im Zusammenhang der Stadt mit eigenem Statut geregelt werden (Art. ).
[126] Die Vorschrift geht davon aus, dass die Vorschriften über allgemeine Vertretungskörper das Wahlrecht nicht an die Staatsbürgerschaft binden, sonst wäre dies hier zu regeln.
[127] Könnte im Zusammenhang mit der Stadt mit eigenem Statut geregelt werden.
[128] Der Rechtszug sollte in Zukunft unmittelbar an das Landesverwalutngsgericht gehen, sodaß sich
[129] Ist meines Erachtens entbehrlich, da jede Behörde derartige Befugnisse nur im öffentlichen Interesse ausüben darf.
[130] Ist meines Erachtens entbehrlich, weil sich ohnedies Grenzen aus de gerichtlichen Stafbefugnis und dem Sachlichkeitsgebot ergeben. Zulässigkeit einer allgemeinen Obergrenze ergibt sich aus der Organisationskompentenz des Landesgesetzgebers.
[131] Ist meines Erachtens entbehrlich, weil Gemeinde ohnedies an Gesetze gebunden ist.
[132] Die Vorschrift geht davon aus, dass Bundesgesetze nur soweit in die Bundesvollziehung fallen, als sie von eigenen Bundesbehörden vollzogen werden. Sie scheint aber auch für den Fall der Beibehaltung der mittelbaren Bundesverwaltung geeignet.
[133] Darunter sind einerseits die die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- und Landesgesetze, andrerseits die Verwaltungsverfahrensgesetze gem. Art. 11 Abs. 2 zu verstehen.
[134] Könnte entfallen, da sich dies aus der allgemeinen Organisationskompetenz des Landes ergibt.
* Diese Bestimmung geht davon aus, dass das Verbotsgesetz in seiner derzeitigen Form Bestandteil der Verfassung bleibt.
** Übergangsbestimmung: „Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bundesverfassung gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften gelten als solche im Sinne des Artikels 26.“
* Variante: (3) Wer nicht in der Lage ist, für sich und die ihm gegenüber Unterhaltsberechtigten zu sorgen, hat Anspruch auf persönliche Hilfe sowie die zur sozialen Mindestsicherung erforderlichen Leistungen für Nahrung, Kleidung, Unterkunft, notwendige medizinische Versorgung und soziale Teilhabe.
[135] Hinsichtlich der "ausschließlichen Bundeskompetenzen" gilt dies allerdings nur mit der Einschränkung, dass noch Klarheit über eine Differenzierung zwischen Kompetenzen des Bundes zur (bloßen) Gesetzgebung und Kompetenzen des Bundes zur Gesetzgebung und Vollziehung gewonnen werden muss.
[136] Nach Art 72 Bonner Grundgesetz haben im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung "die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat" (Abs 1). "Der Bund hat in diesem Bereich das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht" (Abs 2).
[137] Nach Art I-11
Abs 2 des Verfassungsvertrages haben im Bereich der geteilten Zuständigkeit
"die Union und die Mitgliedstaaten die Befugnis, in diesem Bereich
gesetzgeberisch tätig zu werden und rechtlich bindende Rechtsakte zu erlassen.
Die Mitgliedstaaten nehmen ihre Zuständigkeit wahr, sofern und soweit
die Union ihre Zuständigkeit nicht ausgeübt hat oder entschieden hat, diese
nicht mehr auszuüben". Art I-9 Abs 3 und 4 binden die Inanspruchnahme
einer geteilten Kompetenz durch die Union an die Grundsätze der
Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit.
[138] Übergangsbestimmung: „Bis zur Erlassung eines Bundesgesetzes auf dem Gebiet des Abgabenverfahrens und des allgemeinen Teils eines Abgabenstrafrechts gelten die auf diesem Gebiet erlassenen Landesgesetze.“
[139] Gehört systematisch ins Übergangsrecht.
[140] Vgl. aber auch Fn. 4.
[141] Durch diese Verfassungsbestimmung wurde ein "oberstes Organ" im Sinn des Art. 19 B-VG geschaffen. Das kann so nicht beibehalten werden. Im Übrigen haben wir im Ausschuss 6 das vernünftige Vorhaben andiskutiert, die Personalgestion bei ausgegliederten Rechtsträgern zentral zu besorgen und einem Bundesministerium zuzuordnen. Auf diesem Weg könnte man dieses Problem erledigen.
[142] M. A. nach sollten unabhängige Kollegialbehörden in Bereichen der Selbstverwaltung oder der Universitäten dort geregelt werde. Das würde Kat. D bedeuten. Sollte man diese Bereiche nicht in Angriff nehmen, wäre freilich in Art. 20 Abs. 2 (neu) entsprechend vorzusorgen.
[143] Im Ausschuss 9 besteht die Absicht, Formen des praeventiven oder begleitenden Rechtsschutzes nunmehr im Sechsten Hauptstück zu behandeln - diesfalls also ähnlich Kat. B.
[144] Vgl. Fn. 2 oben.
[145] Nähere Untersuchung - auch zur folgenden Position - vorbehalten, allenfalls Erweiterung des Tatbestandes III in Richtung "Amtsanwaltschaften".
[146] Vgl. Fn. 3 oben. Die derzeitige Regelung ist, weil einfachgesetzlich, verfassungswidrig.
[147] Die rechtspolitische Entwicklung wird wahrscheinlich zu einer Vermehrung derartiger Kollegialorgane führen. Es erscheint deshalb zweckmäßig, den Tatbestand "Akkreditierung" besonders anzuführen.
[148] Das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 182/1998 enthält keine selbstständige Verfassungsbestimmung und verweist nur auf den Nationalfonds. Es wäre aus der Liste zu streichen.
[149] Nur im "Vorfeld" hoheitlicher Aufgabenbesorgung tätig - vgl. Kucsko- Stadlmayer, a.a.O. 37, Fn. 133.
[150] Da diese Einrichtung- ebenso wie das folgende AMS - hoheitlich tätig ist (vgl. K - St., a.a.O.), hat der Gesetzgeber die Weisungsgebundenheit zu normieren.
[151] Nach lang diskutierter bisheriger Auffassung führen die Personalvertretungen nicht die Verwaltung im Sinn des Art. 20 Abs. 1 B-VG. Sofern man in einer neuen Bundesverfassung die Personalvertretungen besonders hervorheben will, wäre dort auch die Frage der Unabhängigkeit zu klären. Ich sehe hier keine Notwendigkeit, eine Regelung in die eine oder andere Richtung zu treffen.
[152] Die allenfalls "rechtspolitisch interessanten" Positionen 72ff sollte man in diesem Zusammenhang eher nicht diskutieren. Insbesondere die Fragen der Staatsanwaltschaften oder der gesetzlich anerkannten Kirchen oder Religionsgesellschaften führen weit ab. Jedenfalls sehe ich in diesen Bereichen keinen Spielraum des einfachen Gesetzgebers.
[153][14] Die "Kommunikationsbehörde Austria" ist keine Kommission. Von ihr gibt es derzeit einen Instanzenzug an den Bundeskommunikationssenat (133 Z 4-Behörde). Es fragt sich, ob man da wirklich eine Sonderregelung braucht. Es geht eher um das Problem, ob 133 Z 4-Behörden nicht auch schon als erstinstanzliche Behörden eingerichtet werden können, was der Gesetzgeber hier wegen des einschlägigen VfGH-Erk. nicht machen konnte.
[154] Meines Erachtens entbehrlich, dies könnte der Landesverfassung überlassen werden.
[155] Meines Erachtens als überflüssige Einschränkung des Landesverfassungsgesetzgebers entbehrlich, derzeit aber Inhalt des Art. 105. Eine historische und systematische Interpretation ergibt, dass sich diese Bestimmung nur auf die mittelbare Bundesverwaltung bezieht, sie wird jetzt aber zum Teil anders verstanden.
[156] Diese Formulierung geht davon aus, dass die Art. 10 bis 15 in ihrer neuen Systematik nur mehr die Gesetzgebungszuständigkeit regeln, nicht aber die Vollziehung. Bei einer Beibehaltung der Systematik der Kompetenzartikel wären Art. 10 und 11 entsprechend anzupassen.
[157] Sollte in die Übergangsbestimmungen zur neuen Verfassung aufgenommen werden. Alternativ könnte auch der bestehende Art. 102 Abs. 2 in folgender Fassung als Abs. 3 aufgenommen werden:
„(3) Die Errichtung von eigenen Bundesbehörden für andere als die folgenden Angelegenheiten kann nur mit Zustimmung der beteiligten Länder erfolgen:
Grenzvermarkung, Waren- und Viehverkehr mit dem Ausland, Zollwesen, Regelung und Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm, Bundesfinanzen, Monopolwesen, ,,Geld-, Kredit-, Börse-, Bank- und Vertragsversicherungswesen,“ Maß-, Gewichts-, Normen- und Punzierungswesen, technisches Versuchswesen, Justizwesen, Paßwesen, Meldewesen, Waffen-, Munitions- und Sprengmittelwesen sowie Schießwesen, Patentwesen, Schutz von Mustern, Marken und anderen Warenbezeichnungen, Verkehrswesen, Strom- und Schiffahrtspolizei, Post- und Fernmeldewesen, Bergwesen, Regulierung und Instandhaltung der Donau, Wildbachverbauung, BauI und Instandhaltung von Wasserstraßen, Vermessungswesen, Arbeitsrecht, Sozialversicherungswesen, Denkmalschutz, Organisation und Führung der Bundespolizei und der Bundesgendarmerie, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit ,,einschließlich der ersten allgemeinen Hilfeleistung, jedoch mit Ausnahme der örtlichen Sicherheitspolizei, Pressewesen, Vereins- und Versammlungsangelegenheiten und Fremdenpolizei; geschäftlicher Verkehr mit Saat- und Pflanzgut, Futter-, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie mit Pflanzenschutzgeräten, einschließlich der Zulassung und bei Saat- und Pflanzgut auch der Anerkennung; militärische Angelegenheiten, Fürsorge für Kriegsteilnehmer und deren Hinterbliebene, Bevölkerungspolitik, soweit sie die Gewährung von Kinderbeihilfen und die Schaffung eines Lastenausgleiches im Interesse der Familie zum Gegenstand hat; Schulwesen sowie Erziehungswesen in den Angelegenheiten der Schüler- und Studentenheime, ausgenommen das land- und forstwirtschaftliche Schulwesen und das land- und forstwirtschaftliche Erziehungswesen in den Angelegenheiten der Schülerheime.
[158] Art. 142 B-VG betreffend die staatsrechtliche Verantwortung ist entsprechend anzupassen; Art. 142 Abs. 2 lit. e hat zu lauten:
„e) gegen das Mitglied einer Landesregierung wegen Verletzung von Weisungen des Bundes gem. Art. 103. Abs. 2 und 3: durch Beschluss der Bundesregierung;“
[159] Die Informationspflichten des Landes können allgemein gem. Abs. 2 auch durch generelle Weisungen geregelt werden.
[160] Meines Erachtens entbehrlich, dies könnte der Landesverfassung überlassen werden.
[161] Meines Erachtens als überflüssige Einschränkung des Landesverfassungsgesetzgebers entbehrlich, derzeit aber Inhalt des Art. 105. Eine historische und systematische Interpretation ergibt, dass sich diese Bestimmung nur auf die mittelbare Bundesverwaltung bezieht, sie wird jetzt aber zum Teil anders verstanden.
[162] Ist in den Art. 142 einzubauen.
[163] Ist meines Erachtens entbehrlich.
[164] Sollte in die Übergangsbestimmungen zur neuen Verfassung aufgenommen werden. Alternativ könnte auch der bestehende Art. 102 Abs. 2 mit folgender Einleitung als Abs. 3 aufgenommen werden:
„(3) Die Errichtung von eigenen Bundesbehörden für andere als die folgenden Angelegenheiten kann nur mit Zustimmung der beteiligten Länder erfolgen: . . .“
[165] Art. 142 B-VG betreffend die staatsrechtliche Verantwortung ist entsprechend anzupassen; Art. 142 Abs. 2 lit. e hat zu lauten:
„e) gegen das Mitglied einer Landesregierung wegen Verletzung von Weisungen des Bundes gem. Art. 103. Abs. 2 und 3: durch Beschluss der Bundesregierung;“
[166] Die Informationspflichten des Landes können allgemein gem. Abs. 2 auch durch generelle Weisungen geregelt werden.
[167] Vormals – und im Sinn des Auftrags des Konventspräsidiums – „Subsidiarantrag“.
[168] Zur Vereinfachung wird die folgende Darlegung auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen konzentriert. Für die anderen Fälle von Normbedenken – Verordnungen, Staatsverträge – gilt das Entsprechende.
[169] Die Gewaltenteilung in der neueren Staatslehre wird schlicht als Verteilung der Verantwortung auf verschiedene Organkomplexe diskutiert (vgl. Koja, Allgemeine Staatslehre, 1998, 142).
[170] Das ginge von der Beurteilung von Zuständigkeitsentscheidungen unter dem Aspekt des gesetzlichen Richters nach Art. 83 Abs. 2 B-VG bis etwa zu Abwägungen zwischen Grundrechten, wie beispielsweise dem Eigentumsrecht oder sozialen Grundrechten im Zusammenhang mit Kündigungsanfechtungen.
[171] Den grundsätzlich drei Instanzen in der ordentlichen (Zivil)Gerichtsbarkeit stehen im Bereich des Verwaltungsrechts die Verwaltungsgerichte und die beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts gegenüber. Die andere Stellung des VfGH für den Verwaltungsbereich erklärt sich unter anderen aus der gewachsenen Aufgabenteilung zwischen der ordentlichen Gerichtsbarkeit und den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts, aber auch aus der Bindung der Verwaltungsgerichte an die Verwaltung im Ermessensbereich. Weiters wäre es sinnvoll abzuwarten, wie sich das System der gestuften Verwaltungsgerichtsbarkeit mittelfristig bewährt.
[172] Vgl. dazu Art. 140 Abs. 1 B-VG idF des gemeinsamen Textentwurfs Grabenwarter/Jabloner für die verfassungsrechtliche Verankerung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, abgedruckt im Ausschussbericht, S. 49 ff [57].
[173] Geltender Art. 94
[174] Die Vorschrift geht von einer Weitergeltung des Art. 87 Abs. 2 aus, sodass sich aus dieser Vorschrift ergibt, dass die Mitglieder des Senates weisungsfrei und unabhängig sind.
[175] Daraus ergibt sich, dass der Justizverwaltungssenat in allen Angelegenheiten der Justizverwaltung gegenüber allen anderen Richtern und nichtrichterlichen Organen der Justizverwaltung entsprechend deren hierarchischem Aufbau weisungsbefugt ist (Art. 20 B-VG) mit Ausnahme jener Angelegenheiten, die gemäß Art. 87 Abs. 2 B-VG von Kollegialorganen geführt werden.