Konvent-Workshop
3. Oktober 2003
Inhalt der Workshopmappe:
Programm
Verzeichnis der TeilnehmerInnen
Unterlagen zu den Referaten
Ausschussmandate (siehe unter http://www.konvent.gv.at)
Grüne Materialen
Auszug Grundsatzprogramm
Bestandsaufnahme grüner Verfassungsinitiativen im Parlament
Pressekonferenzunterlage vom Juni 2003
Artikel Glawischnig/Meyer
Positionierung Ausschuss 3
Positionierung Ausschuss 1
Kurzprotokolle zur Veranstaltung
Am 30. Juni d.J. hat sich der Österreich-Konvent konstituiert. Die 70 Mitglieder des Konvents sollen bis Ende 2004 eine neue Verfassung ausarbeiten. Im Juli hat der Konvent bereits zehn Ausschüsse zur Vorberatung einzelner Themenkomplexe beschlossen und neun Ausschüsse eingesetzt.
Für den ersten grünen Workshop zum Österreich-Konvent konnten vier Ausschussvorsitzende gewonnen werden. Sie werden in den Themenkomplex ihres Ausschusses einführen und mögliche Neuerungen vorstellen. Co-Referate bzw Statements werden diese Sichtweisen ergänzen oder Detailaspekte vertiefen. Viel Zeit wurde für die Diskussion vorgesehen, um eine gute Verständigung von Wissenschaft und Politik einerseits und die intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung andererseits zu ermöglichen.
Programm:
9.00 Uhr Begrüßung
Abg.z.NR Dr. Eva Glawischnig
Stv. Klubvorsitzende und Mitglied des Konventpräsidiums
Daniela Graf
Obfrau der Grünen Bildungswerkstatt
9.15 Uhr Demokratische Kontrollen
„Einrichtungen einer effizienten und effektiven Kontrolle im Bereich von Bund, Ländern und Gemeinden:
· Rechte der Parlamente einschließlich der Minderheitsrechte (zB Untersuchungs-ausschüsse),
· Rechnungshöfe und Volksanwaltschaften,
· Frage der Amtsverschwiegenheit,
· Instrumente der direkten Demokratie“*
Dr. Peter Kostelka
Ass.-Prof. Mag. Dr. Karim Giese
Direktdemokratische Instrumente auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene – Rechtsschutzdefizite und Ausbaumöglichkeiten in Hinblick auf eine neue Bundesverfassung
Univ.-Ass. Mag. Dr. Rudolf Feik
Frage der Amtsverschwiegenheit
Diskussion
11.00 Uhr Grundrechtskatalog
„Erarbeitung eines Grundrechtekatalogs (Grundrechte, Bürgerinnen- und Bürgerrechte, Persönlichkeitsschutz) unter Bedachtnahme aller einschlägigen nationalen, inter-nationalen und europäischen Regelungen“*
Univ.-Prof.
Dr. Bernd-Christian Funk
Vorsitzender
des Konventausschusses Nr. 4
Univ.-Prof.
DDr. Christoph Grabenwarter
Mitglied
des Konventausschusses Nr. 4
Diskussion
12.45 Uhr Mittagspause mit Buffet und Getränken
14.00 Uhr Staatsaufgaben und Staatsziele
„Umfassende Analyse der Staatsaufgaben und der Frage staatlicher Kernaufgaben. Frage eines umfassenden Kataloges von Staatszielen in der Bundesverfassung.“*
Univ.-Prof. DDr. Heinz Mayer
Vorsitzender des Konventausschusses Nr. 1
Diskussion
15.30 Uhr Staatliche Institutionen
„Aufbau des
Staates (Bund, Länder, Gemeinden, Selbstverwaltung), Wahlen,
Verfassungsautonomie, Verhältnis zwischen Gesetzgebung und Vollziehung unter
dem Gesichtspunkt des Legalitätsprinzips sowie der EU-Rechtssetzung“*
SC Univ.-Prof. Dr. Gerhart Holzinger
Mitglied des Verfassungsgerichtshofes und Vorsitzender des Konventausschusses Nr. 3
Univ.-Prof. Dr. Karl Weber
Verfassungsautonomie der Länder und Bindung an bundesverfassungsrechtliche Prinzipien am Beispiel Demokratie und Legalitätsprinzip
Diskussion
17.30 Voraussichtliches Ende
* Nähere Aufgabenbeschreibung der Ausschüsse laut Konventbeschluss
Österreich-Konvent-Workshop
03.10.2003 / TeilnehmerInnen: |
||
Titel,
Vorname |
Name |
Organisation/Funktion |
Christian |
Burtscher |
Grüne
Bildungswerkstatt Tirol |
Mag. Birgit |
Caesar |
Büro Österreich
Konvent |
Dr. Renate |
Casetti |
Büro Österreich
Konvent |
Univ.Ass. Dr. Harald |
Eberhard |
Institut für
Staats- und Verwaltungsrecht, Juridicum |
Mag. Felix |
Ehrnhöfer |
Grüner Klub,
Klubdirektor |
Dr. Daniel |
Ennöckl |
Rechtsanwaltskanzlei
Dr Prader |
Mag. Ronald |
Faber |
SPÖ-Nationalratsklub,
Betreuung Ö-Konvent |
Univ.-Ass.
Mag. Dr. Rudolf |
Feik |
Institut für
Verfassungs- und Verwaltungsrecht, Universität Salzburg |
Mag. Stefan |
Freytag |
Grüne Wien |
Mag. Gerhard |
Fritz |
Stadtrat, Grüne
Innsbruck |
Univ.-Prof. Dr. Bernd-Christian |
Funk |
Institut für
Staats- und Verwaltungsrecht, Juridicum, Universität Wien |
Ass.-Prof.
Mag. Dr. Karim |
Giese |
Institut für
Verfassungs- und Verwaltungsrecht, Universität Salzburg |
Dr. Eva |
Glawischnig |
Abg. z.
Nationalrat, Präsidium Konvent |
Mag. Iris |
Golden |
Institut für
Staats- und Verwaltungsrecht, Juridicum, Universität Wien |
Univ.-Prof. DDr. Christoph |
Grabenwarter |
Institut f
Österreichisches, Europäisches und Öffentliches Recht, Politikwissenschaft
und Verwaltungslehre, Universität Graz |
Daniela |
Graf |
Obfrau der
Grünen Bildungswerkstatt |
Lätitia |
Gratzer |
Obfrau der
Grünen Bildungswerkstatt OÖ |
Univ.-Ass. Dr. Patricia |
Heindl |
Institut für
Verfassungs- und Verwaltungsrecht, WU Wien |
Mag. Dieter |
Hernegger |
IÖGV |
Univ.-Prof.
Dr. Gerhart |
Holzinger |
Mitglied des
Verfassungsgerichtshofes |
Dr. Brigitte |
Hornyik |
Verein österr.
Juristinnen, Expertenpool Konvent |
Mag. Werner |
Kogler |
Abg. z.
Nationalrat |
ao Univ.-Prof.
Dr. Dieter |
Kolonovits |
Institut für
Staats- und Verwaltungsrecht, Juridicum, Universität Wien |
Mag. Alev |
Korun |
Grüner Klub,
Referentin für Migrations-, Menschenrechts- und Minderheitenpolitik |
Dr. Peter |
Kostelka |
Volksanwalt |
Dr. Fritz |
Kroiss |
Öko-Büro |
Mag. Grete |
Krojer |
LAbg.
Burgenland |
Dr. Claudia |
Kroneder-Partisch |
Büro Österreich
Konvent |
ao Univ.Prof.
Gabriele |
Kucsko |
Institut für
Staats- und Verwaltungsrecht, Juridicum, Universität Wien |
Ingrid |
Lechner-Sonnek |
LAbg. Stmk |
Lichtenberger |
Abg. z.
Nationalrat, Konventmitglied |
|
Titel,
Vorname |
Name |
Organisation/Funktion |
Mag. Robert |
Luschnik |
Grüner
Landtagsklub NÖ |
Sabine |
Mandak |
Abg. z.
Nationalrat |
Mag. Gerda |
Marx |
Institut für
Staats- und Verwaltungsrecht, Juridicum |
Univ.-Prof.
DDr. Heinz |
Mayer |
Institut für
Staats- und Verwaltungsrecht, Juridicum, Universität Wien |
Dr. Clemens |
Mayr |
Büro Österreich
Konvent |
Dr. Wolfgang |
Meixner |
Grüne Tirol,
Landessprecher |
Dr. Karl |
Megner |
Büro Österreich
Konvent |
Dr. Carlos |
Mendez |
Grüner
Bezirksrat Wien |
Dr. Marlies |
Meyer |
Grüner Klub,
Betreuung des Österreich-Konvents, Referentin für Umweltrecht |
Dr. Cornelia |
Mittendorfer |
Bundesarbeitskammer,
Umwelt & Verkehr |
Dr. Ingrid |
Moser |
Büro Österreich Konvent |
Mag. Martina |
Neuwirth |
Grüner Klub,
Referentin für Außenpolitik, Entwicklungspolitik und Globalisierung |
Univ.-Prof. Dr. Manfred |
Nowak |
Ludwig-Boltzmann-Institut
für Menschenrechte |
Karl |
Öllinger |
Abg. z.
Nationalrat |
MMag. Dr.
Madeleine |
Petrovic |
Klubobfrau
Grüne NÖ, Konventmitglied |
Roman |
Pfefferle |
k.A. |
Mag. Joachim |
Preiss |
AK Wien / Abt.
Sozialpolitik |
Heidi |
Rest-Hinterseer |
Abg. z.
Nationalrat |
Mag. Bruno |
Rossmann |
Ak Wien,
Öffentlicher Sektor, Budgetpolitik, etc |
Dr. Anton |
Schäfer |
Universität
Innsbruck |
Mag. Birgit |
Schatz |
LAbg. Salzburg |
Stefan |
Schennach |
Grüner
Bundesrat |
Dr. Gert |
Schernthanner |
Büro Österreich
Konvent |
Claudia |
Sommer-Smolik |
LAbg. Wien |
Mag. Thomas |
Sperlich |
Grüner
Klub, Justizreferent, Klubjurist
|
Michaela |
Sburny |
Abg. z.
Nationalrat |
Dr. Karl |
Staudinger |
Politiktrainer |
Dr. Peter |
Steyrer |
Grüner Klub,
Europakoordinator |
Mag Terezija |
Stoisits |
Abg. z.
Nationalrat, Konventmitglied |
Univ.-Prof. Dr.
Hannes |
Trettner |
Ludwig-Boltzmann-Institut
für Menschenrechte |
Gerd |
Valchars |
k.A. |
Dr. Monika |
Vana |
LAbg. Wien |
Johannes |
Voggenhuber |
MdE Mitglied
des Europaparlaments |
Univ.-Prof.
Dr. Karl |
Weber |
Inst f
Öffentiches Recht, Finanzrecht u Politikwissenschaft, Uni Innsbruck |
Dr. Barbara |
Weichselbaum |
Institut für
Staats- und Verwaltungsrecht, Juridicum, Universität Wien |
Mag. Karl |
Wollrab |
Geschäftsführer
Büro Österreich Konvent |
Unterlagen zu den Referaten
Volksanwalt
Dr Peter Kostelka
Wien, 2. Oktober 2003
Demokratische Kontrolle
Schwerpunkte der Arbeit des
Konvents-Ausschusses Nr. 8
Die Österreichische Bundesverfassung war zwar ein solides Fundament für die Politik in der 2. Republik, ihre "Generalrenovierung" ist jedoch ein Gebot der Zeit:
· Das Verfassungsrecht ist nur mehr für Experten überblickbar.
· Die Verfassung aus 1920 berücksichtigt die in der Zwischenzeit eingetretenen sozialen, politischen, wirtschaftlichen und technischen Veränderungen in unzureichendem Maße.
· Die "Große Koalition" hat sich selbst durch eine Unzahl von Verfassungsbestimmungen mit 2/3-Mehrheit abgesichert und dadurch eine "Politik-Blockade" bewirkt. Der europäischen Normalität folgend ist Österreich aber dabei, vom System der "Große Koalition" umzusteigen auf eines des Wechsels unterschiedlicher Regierungen mit knappen parlamentarischen Mehrheiten. Auch diesen Regierungen soll gestaltende Politik ermöglicht werden. Die Reduktion der erforderlichen 2/3 Mehrheiten soll dies sicherstellen.
Demokratische Kontrolle
· Parlamentarische Interpellationen (Fragerecht)
Reichweite des Fragerechtes;
Korrektur des "Redaktionsversehens" in Art. 20 B-VG im Jahr 1929;
Antwortentschlagungsrecht der Regierungsmitglieder
·
Neue Formen der Kontrolle von
Verwaltungsentscheidungen
Ausbau des "kleinen Untersuchungsausschusses" (RH UA);
Prüfungsaufträge an die Volksanwaltschaft u.ä.
·
Untersuchungsausschüsse
Minderheitsrecht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses;
Organstreitverfahren, insbesondere bei Minderheitsrechten
·
Ministeranklage
Wird in der derzeitigen Form praktisch nicht gehandhabt – es ist aber die Frage, ob Politik von Gerichten entschieden werden soll.
·
Kontrolle von Ministerentscheidungen
in "eigener Sache"
·
Unvereinbarkeitsrecht
Das derzeitige geltende Gesetz stammt aus 1925 und wurde nur vereinzelt durch Ablassgesetze weiterentwickelt.
·
Immunität
Schützt vor allem Abgeordnete der Opposition, dies aber in immer unzureichenderem Maße (zivilgerichtliche Verfahren).
·
Einheitliches
"Kontrollniveau" in den Landtagen
Vor allem im Falle einer Verländerung der mittelbaren Bundesverwaltung ist deren Kontrolle sicherzustellen.
·
Kontrolle in den Gemeinden
Auch hier wäre ein bundesweites "Mindestkontrollniveau" zu erwägen
·
Rechnungshof
Insbesondere Wahl und Abwahl des Präsidenten; Erweiterung der Prüfrechte vor allem bei ausgegliederten Rechtsträgern
·
Volksanwaltschaft
Gleichstellung mit dem RH (Abwahl und Prüfzuständigkeiten); Billigkeitsprüfung bei gelockertem Legalitätsprinzip; Sonderberichte an den NR
·
Beseitigung der Amtsverschwiegenheit
Orientiert am amerikanischen freedom of information act
·
Transparenz der Verwaltung für den
Bürger
Insbesondere im Bereich des e-government
·
Direkte Demokratie
Ausbau und Vertiefung in der EU möglich; verfassungsgesetzliche Verankerung von Bürgerinitiativen.
·
Wahlrecht und Bürgerpartizipation
Ass.-Prof. Mag. Dr. Karim Giese
Direktdemokratische Instrumente auf Bundes-,
Landes- und Gemeindeebene – Rechts(schutz)defizite und Ausbaumöglichkeiten in
Hinblick auf eine neue Bundesverfassung
I.
1. Der aktuelle Bestand an direkter Demokratie hat – gemessen an
den bestehenden Vorgaben und Grenzen eines bundesverfassungsrechtlichen
Leitbildes der mittelbaren, parlamentarisch-repräsentativen (Parteien-)
Demokratie mit bloß ausnahmshaft vorgesehenen direkt-demokratischen Elementen
(VfSlg 16241/2001) – quantitativ und qualitativ ein beachtliches
Ausmaß erreicht:
a) Auf Gemeindebene
(hier: ohne Wahlen; am Beispiel der sbg GdO 1994) kann in regelmäßig
abzuhaltenden öffentlichen Gemeindeversammlungen, in denen über die
wichtigsten Angelegenheiten der Gemeinde zu berichten ist, Stellung zur
Gemeindeverwaltung bezogen werden. Vorgebrachte Einwendungen und Anregungen
sind von den Gemeindeorganen bei der weiteren Behandlung der einschlägigen
Angelegenheiten in Erwägung zu ziehen.
Es kann an Bürgerabstimmungen
und Bürgerbefragungen über Beschlüsse und politischen Erwägungen
teilgenommen werden, wenn sie von den zuständigen Gemeindeorganen angeordnet
werden. Die in einer Volksabstimmung abgelehnten Beschlüsse
dürfen nicht mehr vollzogen werden. Im Fall einer Bürgerbefragung hat
sich die Gemeindevertretung mit dem Ergebnis innerhalb von drei Monaten in
einer öffentlichen Sitzung auseinanderzusetzen.
Auf
Initiative der Gemeindemitglieder kann mit einem (kollektiven) Bürgerbegehren
eine Beschlussfassung der Gemeindeorgane in einer bestimmten Angelegenheit
(außer Abgaben, Wahlen, Personalangelegenheiten, individuelle Entscheidungen)
verlangt werden. Wird das Bürgerbegehren von mindestens 10% der
Wahlberechtigten unterzeichnet, ist eine Bürgerabstimmung durchzuführen, die bei
entsprechender Unterstützung zur Beratung des Begehrens durch das zuständige
Gemeindeorgan führen.
b) Auch auf
der Landesebene (hier: ohne Wahlen; am Beispiel des sbg L-VG) besteht die
Möglichkeit zur Mitwirkung und Mitbestimmung in Gesetzgebung und Landesverwaltung.
Eine obligatorische Volksabstimmung ist im Fall einer
Gesamtänderung der Landesverfassung durchzuführen, bei Teiländerungen der
Landesverfassung im Fall, dass es wenigstens ein Drittel der Mitglieder des
Landtages verlangt. Ansonsten ist eine Volksabstimmung durchzuführen, wenn es
die Mehrheit seiner Mitglieder verlangt oder ein Volksbegehren vorliegt. Wird
bei einer Volksabstimmung ein Gesetzesbeschluss überwiegend bejaht, ist seine
Kundmachung im Landesgesetzblatt zu veranlassen; andernfalls hat die
Kundmachung zu unterbleiben. Wird bei einer Volksabstimmung über ein
Volksbegehren die Frage, ob der Gesetzesantrag dem Landtag zur Behandlung
vorgelegt werden soll, überwiegend bejaht, hat die Landesregierung das
Bürgerbegehren in der Form einer Gesetzesvorlage zur Behandlung zuzuleiten;
andernfalls ist dem Landtag über das Volksbegehren und die Volksabstimmung zu
berichten.
Eine Volksbefragung
hat die Landesregierung auszuschreiben, wenn dies die Landesregierung
beschließt; wenn die Volksbefragung von wenigstens einem Drittel der Mitglieder
des Landtages oder von wenigstens 10.000 Antragsberechtigten oder von
wenigstens 10% der Einwohner jener Gemeinde(n), in der (denen) die
Volksbefragung stattfinden soll, beantragt wird. Das Ergebnis der Volksbefragung
ist ohne rechtliche Bindung an das Ergebnis zum Gegenstand der Beratung und
Beschlussfassung der Landesregierung zu machen.
c) Auf
Bundesebene (hier: ohne Wahlen) ist nur im Bereich der Gesetzgebung
eine vergleichbare Mitwirkung und Mitbestimmung durch Volksabstimmung,
Volksbegehren und Volksbefragung vorgesehen. Das Volksbegehren ist eine
Gesetzesinitiative von 100.000 Stimmberechtigten, die den Nationalrat zur
unverbindlichen Beratung über den vorgelegten Gesetzesantrag verpflichtet. Ein
obligatorisches Verfassungsreferendum ist nur bei einer Gesamtänderung
der Bundesverfassung vorgesehen; ansonsten kann eine Volksabstimmung bei
einfachen Gesetzen und Teiländerungen der Bundesverfassung fakultativ auf
Beschluss des Parlaments (NR oder BR) herbeigeführt werden. Während bei
Volksabstimmungen das Ergebnis der Abstimmung das Parlament bindet, sind bei Volksbefragungen,
deren Durchführung in Angelegenheiten von grundsätzlicher und
gesamtösterreichischer Bedeutung von der Mehrheit im Nationalrat beschlossen
werden kann, die Ergebnisse dem Nationalrat und der Bundesregierung lediglich
vorzulegen.
2. Wenn Österreich in einer vergleichenden Bewertung von 32
europäischen Staaten (IRI, Volksgesetzgebung in Europa, 2002)
dennoch nur im oberen Mittelfeld (Korb 3 – „Die Vorsichtigen“)
gereiht wird, ist dies vor allem der bisherigen Staatspraxis
anzurechnen. Die Initiative für die direkte Demokratie liegt überwiegend
in staatlichen Händen, die jedoch selten davon Gebrauch macht („Zwentendorf“-Effekt).
II.
Jeder weitere qualitative Ausbau der direkten Demokratie
(„Stärkung der initiativen und kontrollierenden Funktionen“; zB Volksbegehren
mit obligatorischer Volksabstimmung; Vetoreferendum) erfordert einen gesamtändernden
Eingriff in das geltende demokratische Grundprinzip der
Bundesverfassung (Art 1 B-VG) und muss sich hinsichtlich neu zu schaffender
bundesverfassungsrechtlicher Rahmenbedingungen folgender Grundfragen (mit
Blick auf Recht und Rechtswirklichkeit) stellen, nämlich:
-
in
welchen Bereichen der Staatsorganisation (Gesetzgebung und/oder
Vollziehung), auf welchen Staatsebenen (Bund, Länder, Gemeinden), zu
welchen Sachthemen die initiative oder kontrollierende Funktion
im Verhältnis zur legitimierenden Funktion der direkten Demokratie zu stärken
ist;
-
ob in
diesen Bereichen die direktdemokratische Mitwirkung und Mitbestimmung regelmäßig
oder nur in Ausnahmefällen zur Anwendung gelangen sollen;
-
in
welchem Verhältnis „Vertreter“ und „Vertretene“ letztendlich stehen
sollen (Gleichrangigkeit/Vorrang), was sich vor allem danach bestimmen wird,
-
welche
direktdemokratischen Mehrheiten (zB durch Bestimmung von
Teilnahmequoren, Abstimmungsquoren) überhaupt als repräsentativ erachtet
und
-
mit
welchen Bestandsicherheiten direktdemokratische Meinungskundgaben und
Entscheidungen ausgestattet werden.
Institut für Verfassungs- und Verwaltungsrecht, Universität Salzburg
1. Art 20 Abs 3 B-VG ist nach wie vor die zentrale Norm für den Geheimnisschutz der staatlichen Verwaltungstätigkeit.
2. Ein moderner demokratischer Rechtsstaat: die staatliche Verwaltung ist gegenüber der Bevölkerung möglichst offen.
3. Weltweit geht die Entwicklung hin zu einer Öffnung der Verwaltung gegenüber den Informationsbedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger (Freedom of Information Acts[1], und auf EU-Ebene: Art 42 EU-Grundrechtecharta, Art 255 EG, VO 1049/2001).
4. Die alles entscheidende Frage: Wo sind die Schranken der Offenlegungsmöglichkeiten? Die Antwort auf diese Frage hängt nicht nur, aber auch vom Selbstverständnis des Staates als geheimniskrämerndes oder transparentes Gemeinwesen ab.
5. Eine generelle Amtsverschwiegenheitspflicht, die durch gesetzliche Regelungen durchbrochen werden muss, verwirklicht nicht den Grundsatz „so offen wie möglich und nur so wenig geheim wie nötig“. In Österreich haben wir eine Auskunftspflicht nach Art 20 Abs 4 B-VG, die ganz wesentlich durch eine „partiell durchlöcherte“ Geheimhaltungsverpflichtung (Art 20 Abs 3 B-VG) und andere Verschwiegenheitsverpflichtungen und Auskunftsverweigerungsberechtigungen eingeschränkt ist. Einerseits eine Amtsverschwiegenheit soweit gesetzlich nichts anderes normiert ist, andererseits eine Auskunftspflicht soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht nicht entgegensteht.
6. In einer modernen Demokratie sollte das Amtsgeheimnis vor allem dem Schutz öffentlicher und privater Geheimhaltungsinteressen dienen, nicht jedoch dem generellen Schutz des Verwaltungswissens.
7. Andere Länder, andere Regeln: zum Teil verfassungsgesetzlich, zum Teil einfachgesetzlich gewährte Dokumentenzugangsrechte
1766 Schweden, 1951 Finnland, 1970 Dänemark und Norwegen, 1978 Frankreich, 1993 Kanton Bern,[2] 1994 Belgien, 1998 Land Brandenburg,[3] 1999 Land Belin,[4] 2000 Land Schleswig-Holstein,[5] 2002 Kanton Solothurn, 2002 Kanton Genf, 2002 Kanton Jura.
„In Arbeit“ ist ein „Informationsfreiheitsgesetz des Bundes“ in Deutschland[6] und ein „Bundesgesetz über die Öffentlichkeit der Verwaltung“ in der Schweiz.[7]
Jeder hat das Recht, jegliches Verwaltungsdokument einzusehen und eine Abschrift davon zu bekommen, außer in den Fällen und unter den Bedingungen, die durch Gesetz, Dekret oder die in Art 134 erwähnte Regel festgelegt sind.[8]
Akten und Aufzeichnungen, die im Besitz von Behörden sind, sind öffentlich zugänglich, wenn der öffentliche Zugang nicht aus zwingenden Gründen ausdrücklich durch Gesetz eingeschränkt wurde. Jeder hat das Recht, Einsicht in öffentliche Akten und Aufzeichnungen zu nehmen.[9]
Ein Antrag auf Auskunftserteilung verpflichtet die zuständige Behörde zur Antwort, wenn dies durch die Gesetze vorgesehen ist.[10]
Die Behörden stellen bei der Durchführung ihrer Aufgaben Öffentlichkeit gemäß durch Gesetz zu erlassende Vorschriften her.[11]
(1) Die Bürger haben das Recht, auf ihr Verlangen von der Verwaltung über den Fortgang aller Vorgänge informiert zu werden, an denen sie ein unmittelbares Interesse haben sowie von denjenigen endgültigen Entscheidungen in Kenntnis gesetzt zu werden, die sie betreffen.
(2) Die Bürger haben ebenfalls das Recht auf Zugang zu den Verwaltungsarchiven und -registern in der gesetzlich vorgesehenen Form, unbeschadet der Gesetzesbestimmungen in den Bereichen innere und äußere Sicherheit, strafrechtliche Ermittlung und Persönlichkeitsrecht.
(6) Zur Sicherstellung der Rechte aus den Abs 1 und 2 wird durch Gesetz eine maximale Frist für die Antwort durch die Verwaltung bestimmt.[12]
Kapitel 1 § 3: Die Verfassung, das Thronfolgegesetz, das Pressegesetz und das Grundgesetz über die Freiheit der Meinungsäußerung sind die Grundgesetzes des Königreiches.
Kapitel 2 § 1 Z 2: Jedem Staatsbürger ist dem Gemeinwesen gegenüber zugesichert: Informationsfreiheit: die Freiheit, Auskünfte zu beschaffen und entgegenzunehmen sowie sonst von den Äußerungen anderer Kenntnis zu nehmen. … Das Pressegesetz enthält auch Bestimmungen über das Recht auf Einsichtnahme in offizielle Akten.[13]
Kapitel 1 § 13: (1) Die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit können mit Rücksicht auf die Sicherheit des Königreiches, die Versorgung des Volkes, die öffentliche Ordnung und Sicherheit, das Ansehendes einzelnen, die Unverletzlichkeit des Privatlebens oder die Vorbeugung und gerichtliche Verfolgung von Straftaten eingeschränkt werden. Ferner kann die Freiheit der Meinungsäußerung im gewerblichen Bereich eingeschränkt werden. Im Übrigen sind Einschränkungen der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit nur zulässig, wenn besonders wichtige Gründe vorliegen. (2) Bei der Beurteilung der Frage, welche Einschränkungen gemäß Abs 1 zulässig sind, ist die Bedeutung einer möglichst weitgehenden Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit in politischen, religiösen, gewerkschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Belangen besonders zu beachten.
Das Gesetz regelt den Zugang der Bürger zu den Verwaltungsarchiven und -registern, außer in Fällen, die die Sicherheit und Verteidigung des Staates, die Ermittlung strafbarer Handlungen und die Intimsphäre von Personen betreffen.[14]
(3) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist (Amtsverschwiegenheit). Die Amtsverschwiegenheit besteht für die von einem allgemeinen Vertretungskörper bestellten Funktionäre nicht gegenüber diesem Vertretungskörper, wenn er derartige Auskünfte ausdrücklich verlangt.
(4) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereichs Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Die näheren Regelungen sind hinsichtlich der Organe des Bundes sowie der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache, hinsichtlich der Organe der Länder und Gemeinden sowie der durch Landesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in der Grundsatzgesetzgebung Bundessache, in der Ausführungsgesetzgebung und Vollziehung Landesache.
Generalsekretariat der Europäischen Kommission: Vergleichende Analyse der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten über den Zugang zu Dokumenten[20]
Ergebnis (Stand: August 2000): Elf der 15 Mitgliedstaaten verfügten bereits damals über eine Gesetzgebung über den Dokumentenzugang, Großbritannien hatte einen beschlussreifen Gesetzesentwurf im Parlament; lediglich Luxemburg, Deutschland (auf Bundesebene) und Österreich hatten diesbezüglich nichts.
8. Österreich, das einzige Land in der EU, in dem die Amtsverschwiegenheit Verfassungsrang hat!
9. Voraussetzung jeglicher Amtsverschwiegenheit nach Art 20 Abs 3 B-VG ist das Vorliegen eines dort aufgezählten öffentlichen Interesses oder eines überwiegenden Interesses einer Partei. Bei einfachgesetzlichen Regelungen zur Verschwiegenheit von Verwaltungsorganen ist das Vorliegen eines zwingenden sozialen Bedürfnisses einer demokratischen Gesellschaft an diesem Eingriff und dessen Verhältnismäßigkeit zu prüfen.
10. Insgesamt sieht Art 20 Abs 3 B-VG sechs Geheimhaltungsgründe vor. Fraglich ist, ob es all dieser tatsächlich bedarf.
11. Einfachgesetzliche Geheimhaltungspflichten der Verwaltungsorgane dürfen sich nur auf Tatsachen erstrecken, die in den in Art 20 Abs 3 B-VG genannten Interessen dienen.
a)
Verfassungswidrig wäre eine Regelung, die
eine Verschwiegenheitspflicht für „ausdrücklich als vertraulich bezeichnete
Informationen“ vorsehen würde, welche in den Geheimhaltungstatbeständen des
Art 20 Abs 3
B-VG keine Deckung finden oder die jegliches Amtswissen in die Amtsverschwiegenheit
einbeziehen.[21]
b)
Verfassungswidrig wäre eine Regelung,
die dem Wortlaut der Amtsverschwiegenheitsbestimmung vor der
B-VG-Novelle 1987 entspricht.[22]
c) Verfassungsrechtlich zulässig wäre eine einfachgesetzliche Konkretisierung der in Art 20 Abs 3 B-VG angesprochenen Interessen, um damit den Organwaltern die Abwägungsprobleme zwischen Öffentlichkeits- und Verschwiegenheitsinteressen abzunehmen.[23]
d) Zulässig ist die Beschränkung der Amtsverschwiegenheit in eine bestimmte Richtung; sofern diese mit den Geheimhaltungsinteressen des Art 20 Abs 3 B-VG übereinstimmen, bestehen dagegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.[24]
e) Zulässig ist der Ausschluss der Amtsverschwiegenheitspflicht über bestimmte Tatsachen und/oder gegenüber bestimmten Organen.[25]
f) Einzelne Vorschriften orientieren sich bei ihrer Formulierung überhaupt nicht an Art 20 Abs 3 B-VG und stellen für bestimmte Sachverhalte besondere Verschwiegenheitspflichten auf.[26]
g) Und schließlich übernehmen einige Bestimmungen einfach den Katalog von Geheimhaltungsgründen[27] oder verweisen auf diesen.[28]
h) Art 20 Abs 3 B-VG gilt darüber hinaus – im Wege einer extensiven Interpretation – auch für die den Verwaltungsorgane beigegebenen Beiräte.[29]
(Berufsrechtliche) Regelungen für Personen, denen keine funktionelle Organstellung zukommt, unterliegen hingegen keinen aus Art 20 Abs 3 B-VG ableitbaren Grenzen.[30] Dass vereinzelt „strengste“ Verschwiegenheit angeordnet ist, ist angesichts der dies normierenden Bestimmungen wohl eher zufällig und nicht aus einem besonderen Schutzbedürfnis heraus geschehen.[31]
12. Amtsverschwiegenheit nach Art 20 Abs 3 B-VG: eine Dienstpflicht des einzelnen „amtlichen Geheimnisträgers“ der Verwaltung. Mögliche Sanktionen: strafrechtliche und disziplinarrechtliche Verfolgung, Amtshaftung, politische Verantwortlichkeit oberster Organe, usw.
Strafbestimmungen: § 301 StGB (Verbotene Veröffentlichung), § 310 StGB (Amtsgeheimnisverrat), § 121 StGB (Verletzung von Berufsgeheimnissen), § 122 StGB (Verletzung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen), §§ 251 und 252 FinStrG (Verletzung der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht), § 51 DatenschutzG 2000 (in Gewinn- oder Schädigungsabsicht erfolgende Verwendung personenbezogener Daten), § 9 InformationssicherheitsG (Veröffentlichung oder Verwertung klassifizierter ausländischer Informationen)
13. Schlussfolgerungen:
a) Die österreichische Rechtsordnung lässt eine bestimmte Systematik bei den Vorschriften über die Auskunftspflicht und die Verschwiegenheitspflicht vermissen.
b) Ein „Informationsfreiheitsgesetz“ bedingt eine Kulturrevolution, die vor allem in den Köpfen der Politikerinnen und Politiker und der Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter stattfinden muss – und natürlich darüber hinaus auch dem Volk bekannt gemacht werden muss.
c) Ein Auskunftsrecht ist lediglich eine abgeschwächte und nicht mehr zeitadäquate Variante eines Informationsrechts.
14. Einige im Zusammenhang mit dem Tagesordnungspunkt „Amtsverschwiegenheit“ vom Verfassungskonvent zu lösende Fragestellungen:
a) Will man den Anschluss an Europa, dh die EU und die meisten Mitgliedstaaten, halten und sich zur Dokumentenzugänglichkeit bekennen?
b) Wenn nein: Braucht man überhaupt eine verfassungsgesetzliche Verschwiegenheitsverpflichtung, wenn zahllose einfachgesetzliche Verschwiegenheitspflichten normiert sind?
c) Wenn ja: Kann man zumindest eine klare Vorrangregelung zugunsten der Auskunftspflicht – welcher primär durch Dokumentenübermittlung nachgekommen werden sollte – gegenüber der Amtsverschwiegenheit festlegen?
d) Ist eine Klarstellung möglich, um die Organe der öffentlich-rechtlichen Anstalten und Fonds nicht „unter Verbiegung des Wortlauts“ zu den Amtsgeheimnisverpflichteten machen zu müssen?
e) Ist eine Klarstellung hinsichtlich des Verhältnisses von Art 20 Abs 3 B-VG (Amtsverschwiegenheit) zu Art 22 B-VG (Amtshilfe) möglich, um den verwaltungsinternen Datentransfer in klare Bahnen zu lenken?
f) Kann man – wenn man sich zur Beibehaltung von Art 20 Abs 3 und 4 B-VG entschließen sollte – zumindest dem einfachgesetzlichen Wildwuchs begegnen? Braucht wirklich jeder Beirat seine eigene Verschwiegenheitsbestimmung?
g) Warum sollen nicht auch für Verwaltungsorgane – wie auch für die Gerichtsorgane jetzt schon – einfachgesetzliche Bestimmungen ausreichen?
h) Findet man ein eindeutige Lösung eines „Dauerbrenners der verfassungsrechtlichen Diskussion“, nämlich der Frage der Amtsverschwiegenheit zwischen Regierungsmitgliedern und Parlament?
Bernd-Christian Funk
1. Grundrechte und verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte
In der staatsrechtlichen Terminologie werden Grundrechte und verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte vielfach gleichgesetzt. In der Reformdiskussion sollte zwischen Grundrechten als elementaren Gewährleistungen zugunsten des Einzelnen oder gesellschaftlicher Gruppen einerseits und verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten andererseits unterschieden werden. Die Unterscheidung ist nicht ausschließend.
Es gibt grundrechtliche Gewährleistungen außerhalb des formellen Verfassungsrechts (Beispiele: UN-Pakte über bürgerliche und politische Rechte und über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte; Europäische Sozialcharta, Kinderrechtskonvention) und es gibt verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte außerhalb der Sphäre der Grundrechte (Beispiele: Rechte aus Verfassungsbestimmungen im Bezügerecht).
Die Reformarbeit im Grundrechtsausschuss sollte sich auf die Grundrechte beziehen. Verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte außerhalb der Grundrechte sollten hauptsächlich der Aufmerksamkeit des legistischen Ausschusses (2) überlassen werden.
In systematischer Nachbarschaft zu den Grundrechten stehen institutionelle Garantien (zB Wehrsystem), Staatsziel- und –aufgabenbestimmungen (zB Gewährleistung der Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen; Rundfunk als „öffentliche Aufgabe“). Hier besteht Informations- und Koordinierungsbedarf im Verhältnis zum Ausschuss betreffend Staatsziele und Staatsaufgaben (1).
Im Sinne eines entwickelten Grundrechtsverständnisses können – der Terminologie und Systematik der EU-Grundrechtscharta entsprechend – folgende Unterscheidungen getroffen werden:
– Grundlagen (Würde des Menschen, Recht auf Leben, Recht auf Unversehrtheit, Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung, Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit)
– Freiheiten („klassische Grundrechte“, wie persönliche Freiheit, Privatsphäre, Meinungsfreiheit, Eigentumsfreiheit, Erwerbsfreiheit etc)
– Gleichheit (Diskriminierungsverbote, Schutz und Förderung gesellschaftlicher Gruppen – Volksgruppen, Minderheiten, Benachteiligte)
– Solidarität (Garantiepflichten und Gewährleistungsansprüche, sog „soziale Grundrechte“)
– Bürgerrechte (Wahlrecht, Recht auf eine gute Verwaltung, Informationsrechte, Schutz durch Institutionen)
– Justizielle Rechte (Rechte in Zivil- und Strafsachen)
2. Grundrechtstexte und Grundrechtsquellen
Grundrechtliche Gewährleistungen auf Verfassungsstufe finden sich verstreut in zahlreichen Texten und Quellen, aus verschiedenen Abschnitten der Rechtsentwicklung stammend, innerhalb und außerhalb des B-VG, teils staatlicher, teils völkerrechtlicher Herkunft. Zwei relativ geschlossene Kataloge enthalten das StGG 1867 und die EMRK mit ihren Zusatzprotokollen. Ansonsten gibt es eine Fülle sporadischer, größerer und kleinerer Texte und Quellen, manche davon als Reste angefangener Kodifikationen (zB Schutz der persönlichen Freiheit).
Dazu kommen Grundrechtstexte und -quellen völkerrechtlicher Herkunft, die nicht im Verfassungsrang transformiert wurden und/oder nicht unmittelbar anwendbar sind.
Die MRK und ihre Zusatzprotokolle schaffen insgesamt einen weitgehend kompletten Katalog der „klassischen“ Menschenrechte und Grundfreiheiten. Gäbe es nur die MRK und ihre Zusatzprotokolle, so bestünde bei diesen Rechten und Freiheiten nur wenig Ergänzungsbedarf an zusätzlichen verfassungsgesetzlichen Garantien.
Die MRK und ihre Zusatzprotokolle haben überdies wegen ihrer Einbindung in die europäische Grundrechtsordnung und wegen der permanenten richterrechtlichen Fortentwicklung sowohl durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als auch durch den österreichischen VfGH unter allen grundrechtlichen Rechtsquellen ein großes Gewicht an Legitimität und Implementierung.
Es erscheint nicht sinnvoll, den Versuch zu unternehmen, den vorhandenen Grundrechtsbestand textlich zu kompilieren und/oder in einem weiteren Katalog neu zu kodifizieren.
Andererseits sollten die Grundrechte an prominenter Stelle – allenfalls am Beginn – einer neuen geschlossenen Verfassungsurkunde verankert sein (wenn auch nicht unbedingt als detailliert ausgearbeiteter Grundrechtskatalog).
Zu beachten ist auch die Entwicklung der Grundrechte im Bereich der EU. Das Gemeinschaftsrecht kennt eine Reihe von Gemeinschaftsgrundrechten auf der Grundlage des Art 6 EUV, der Rechtsprechung des EuGH und der (noch unverbindlichen) Grundrechtscharta. Der Verfassungsvorschlag des Konvents sieht eine Konstitutionalisierung der Grundrechtscharta in Verbindung mit einem erweiterten Zugang zum EuGH vor.
Der alte, zum Teil entwicklungshemmende Gegensatz von „liberalen“ und „sozialen“ Grundrechten verliert an Bedeutung. Das hängt wesentlich damit zusammen, dass Freiheitsrechte heute durchwegs auch als staatliche Schutz- und Garantiepflichten verstanden werden.
Ebenfalls im Wandel bzw im Abbau begriffen ist die traditionelle Fixierung der Grundrechte auf den obrigkeitlich auftretenden Staat, im Besonderen in Form der hoheitlich eingreifenden Verwaltung. Im Vordringen begriffen ist die Vorstellung von einer allgemeinen Grundrechtspflichtigkeit jeder Form von „öffentlicher Gewalt“, auch wenn sie durch formell private Institutionen und/oder mit den Mitteln des Privatrechts wahrgenommen wird. Privatrechtliche Garantien, wie der allgemeine Persönlichkeitsschutz, gute-Sitten-Klauseln, Kontrahierungspflichten, Diskriminierungs- und Missbrauchsverbote, gelten in zunehmendem Maße als Transportmittel grundrechtlicher Wertvorstellungen.
Im Ausschuss sollte zunächst eine Sichtung der vorhandenen Bestände an grundrechtlichen Texten und Rechtsquellen vorgenommen werden. Die Bestandsaufnahme sollte von einem erweiterten Grundrechtsverständnis ausgehen, welches auch Quellen außerhalb des formellen Verfassungsrechts (insbesondere solche völkerrechtlicher Herkunft) einbezieht.
Auf der Grundlage dieser Bestandsaufnahme könnte eine Systematisierung der Texte und Quellen vorgenommen werden, die dem – derzeit am weitesten entwickelten – System (nicht auch den Einzelheiten!) der EU-Grundrechtscharta folgt.
Eine Kodifikation herkömmlicher Art, bei der auch Ergebnisse der Rechtsprechung in Rechtstexte transformiert werden, erscheint nicht sinnvoll. Die Dynamik der Rechtsprechung und Praxis, die sich weit über den Wortlaut der Grundrechtsgewährleistungen hinaus entwickelt, sollte nicht durch kodifikatorische „Momentaufnahmen“ beeinträchtigt werden, sondern für die weitere Zukunft erhalten bleiben.
Ein neuer Grundrechtskatalog könnte in einer kombinierten Strategie von inhaltlichen Deklarationen, Erwähnungen und Verweisungen geschaffen werden. Es geht dabei nicht darum, einen Katalog von neu zu beschließenden Grundrechtstexten herzustellen, sondern im Wesentlichen um eine Kompilation, Arrondierung und einen Weiterbau des vorhandenen Bestandes. Mehrfache Garantien sollten abgebaut werden.
Dem System der Grundrechtscharta der EU folgend können bestehende Gewährleistungen zugeordnet und neue Garantien geschaffen und eingebaut werden. Letzteres wird von der Konsensfindung im Ausschuss abhängen.
Materielle Grundrechtsbestände sollten im neuen System Platz finden, auch wenn sie bisher nicht Teil des formellen Verfassungsrechts und/oder nicht unmittelbar anwendbar gewesen sind (zB Europäische Sozialcharta, UN-Pakte, KRK). Manche Gewährleistungen, namentlich im Bereich der „Solidarität“, werden möglicherweise nicht auf dem Weg des Art 144 B-VG „einklagbar“ sein, sondern der Um- und Durchsetzung im Wege über die ordentlichen Gerichte (einschließlich Arbeits- und Sozialgerichte) anzuvertrauen sein. Auch solche Garantien sollten in den Grundrechtskatalog Aufnahme finden. Über die Technik, allenfalls in Form von Verweisungen und/oder institutionellen Garantien wird im Ausschuss zu sprechen sein.
In diesem Zusammenhang werden auch strukturelle Fragen des Rechtsschutzes zu erörtern und allenfalls neue Instrumentarien (zB Verbandsklagen) zu suchen sein.
Der Ausschuss sollte sich auch mit bestehenden Einrichtungen des kommissarischen Rechtsschutzes durch Rechtsschutzbeauftragte, Verfahrensanwälte uä befassen.
Christoph Grabenwarter
Universität Graz
Gliederung zum Referat am
Konvent-Workshop
von Grünem Klub und Grüner Bildungswerkstatt
3. Oktober 2003
(Ausschuss 4)
- as Spezifische der österreichischen Verfassungsrechtslage
- echtsvergleichende Überlegungen
- Das Mandat des Ausschusses 4
- „Grundrechtsverfassung für die BürgerInnen“
- Völker- und Europarechtskonformität
- Aufbau auf dem gewachsenen Grundrechtsbestand (Rechtssicherheit)
- Anpassungen an gegenwärtige Erfordernisse, neue Gefährdungslagen etc.
Gerhart
HOLZINGER
1. Zum
Thema
-
Aufbau
des Staates, Wahlen
-
Verfassungsautonomie
-
Verhältnis
zwischen Gesetzgebung und Vollziehung
-
unter
dem Gesichtpunkt des Legalitätsprinzips sowie der EU-Rechtsetzung
-
Sonstiges
2. Zur
Arbeitsweise
-
Das -
vorgegebene - Ziel
-
Diskussion
ohne Tabus - Orientierung am möglichen Konsens
-
Die
interne und externe Koordination
-
Die
Rolle des Vorsitzenden und der Mitglieder
-
Die
Arbeitsgrundlagen (geltender Text, Rechtsvergleich [einschließlich des
Entwurfes des Vertrages über die Verfassung der EU], einschlägige
Reformvorschläge)
-
Das
Bemühen um Textvorschläge
3. Zum
weiteren Vorgehen
-
Die
Stellungnahmen der Mitglieder
-
Die
Basisinformation
-
Die
Struktur der Ausschussberatungen und des Ausschussberichtes
-
Der
Zeitplan
Verfassungsautonomie der Länder und Bindung an
bundesverfassungsrechtliche Prinzipien am Beispiel Demokratie und
Legalitätsprinzip
(Abstract)
Karl Weber
1. Begriff und Reichweite der Verfassungsautonomie der Länder
a) Innerhalb der Schranken des Bundesverfassungsrechts können die Länder ihre Landesverfassung (die rechtliche Grundordnung der Landesstaatsgewalt) frei gestalten. Art 99 Abs 1 B-VG bestimmt diese Schranken nicht als bloße Widerspruchsfreiheit, sondern ordnet an, dass die Landesverfassung die Bundesverfassung nicht berühren darf.
Einigkeit herrscht darüber, dass das Landesverfassungsrecht an die allgemeinen Grundsätze der Bundesverfassung bzw an institutionelle Grundtypen der Verfassung gebunden ist. Unterschiedliche Auffassungen gibt es hinsichtlich der Reichweite dieser Bindungen. Nach der Judikatur des VfGH kann die Landesverfassung alle vom Bundesverfassungsrecht nicht geregelten institutionellen Bereiche regeln. Ein Teil der Theorie nimmt an, dass die Verfassungsautonomie nur durch positivrechtliche Schranken begrenzt wird. Ein anderer Teil der Lehre und zum Teil auch der VfGH nimmt an, dass auch nicht explizit positivierte, gleichwohl der Bundesverfassung immanente Systementscheidungen der Bundesverfassung den Landesverfassungsgesetzgeber binden.
2. Die Verfassungsautonomie der Länder im Lichte des demokratischen Prinzips
Die österreichische Bundesverfassung ordnet einen gewissen demokratischen Homogenitätsstandard in Bund, Ländern und Gemeinden an. Dies bezieht sich auf das Wahlrecht, die Rechtstellung der Abgeordneten, parlamentarische Kontrolleinrichtungen uam. Auch das Gesetzgebungsverfahren der Landtage ist durch die Bundesverfassung in den Grundzügen determiniert. Die Frage, ob der Landesverfassungsgesetzgeber den Gesetzgebungsprozess mit direktdemokratischen Elementen anreichern kann, dass das Wählervolk auch gegen den Willen eines Landtages einen Gesetzesbeschluss erzwingen kann, wurde vom VfGH abgelehnt. Dieser sieht das Entscheidungsmonopol des Parlaments als einen Grundzug des österreichischen Parlamentarismus, der auch den Landesverfassungsgesetzgeber bindet.
Hier stellt sich freilich die Frage nach der Reichweite der Verfassungsautonomie. Darf in einem Bundesstaat nur der Bund den Umfang an Demokratie für Bund und Länder festlegen oder muss nicht vielmehr auch den Ländern Gelegenheit gegeben werden, in einem föderalen Wettbewerb demokratische Modelle weiterzuentwickeln und in Bezug auf demokratische Standards unter Umständen den Bund überholen zu dürfen? Hier ist die Verfassung in hohem Maße interpretationsbedürftig und es hängt vielfach vom verfassungsrechtlichen Vorverständnis des Verhältnisses von Bundesstaat und Demokratie ab, wie weit man hier die Grenzen der Verfassungsautonomie ziehen will.
3. Die Verfassungsautonomie der Länder und das Legalitätsprinzip
Dass auch die Landesverfassungsgesetzgebung und die darauf aufbauende Landesrechtsordnung an die Grundsätze des Rechtsstaates der Bundesverfassung gebunden ist, ist selbstverständlich. Gerade beim Legalitätsprinzip stellt sich aber die Frage, inwieweit hier ungeschriebene verfassungsrechtliche Regeln die Verfassungsautonomie beschränken.
Die Judikatur des VfGH zum Rechtsstaat (Determinierungsgebot des Gesetzgebers, Ausschluss des Schrankenvorbehaltes in der Hoheitsverwaltung, effektiver Rechtsschutz, Bindung an die Grund- und Freiheitsrechte, etc) gilt selbstverständlich auch für das Landesrecht.
Wie der VfGH zutreffend erkannt hat, steht es den Ländern auch nicht zu, neue Rechtssatzformen zu schaffen. Auch eine zu weit gehende Aufweichung des Art 18 Abs 1 B-VG durch einen ausufernden Einsatz von finaler Programmierung und die Ersetzung gesetzlicher Determinierungen durch die Einführung von „rules and principles“ könnte sich nicht auf die Verfassungsautonomie der Länder berufen. Auch die Ausschaltung der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch einen exzessiven Einsatz von Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag sprengt den Rahmen der Verfassungsautonomie.
4. Wie sollte die Verfassungsautonomie in Zukunft positioniert sein?
Eine wohl verstandene Verfassungsautonomie muss einen Mittelweg zwischen notwendiger demokratischer und rechtsstaatlicher Homogenität, notwendiger bundesstaatlicher Homogenität und einer ausreichenden Gestaltungsfreiheit des Landesverfassungsgesetzgebers gehen. Ein solcher Balanceakt gelingt am besten, wenn der Bundesverfassungsgesetzgeber die Schranken der Verfassungsautonomie durch klare und eindeutige verfassungsrechtliche Schranken begrenzt und damit der Bindung der Landesverfassung an ungeschriebene Grundsätze der Bundesverfassung eine Absage erteilt. Die Freiheit der Landesverfassung sollte im Bereich des demokratischen Systems wohl großzügiger bemessen sein als im Bereich von Rechtsstaat und Grundrechtsverbürgungen. Die Bundesverfassung sollte ihre Funktion als Schrankenziehung der Verfassungsautonomie der Länder am besten als Sicherung von Minimalstandards wahrnehmen, den Ländern sollte es jedoch möglich sein Verbesserungen im demokratischen System, im Grundrechtsschutz und in der Verbürgung sozialer Standards einzuführen. Dies käme einer Idee eines föderalen Systems: Dem politischen Wettbewerb, am besten entgegen.
Grüne
Materialien
Für die Grünen ist das Wohlergehen der/des Einzelnen als Grundlage des Gemeinwohls der Maßstab politischen Handelns. Die Grünen gehen vom Volk als Souverän und von der Freiheit und Gleichheit aller BürgerInnen aus.
Der Staat hat im Verständnis der Grünen die Aufgabe, humane gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu garantieren. Zugleich muss sich der Staat an das Prinzip der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung halten und darf niemanden auf Grund des Geschlechtes, der ethnischen Zugehörigkeit, des Religionsbekenntnisses, von Behinderung oder der sexuellen Orientierung benachteiligen.
Der neoliberalen Forderung nach dem Rückzug des Staates aus seinen sozialen und kulturellen Aufgaben erteilen die Grünen eine klare und deutliche Absage. Dem gleichzeitig erschallenden Ruf nach einem starken Staat, wenn es um polizeiliche Befugnisse, militärische Aufrüstung oder Perfektionierung von Überwachung und Kontrolle der BürgerInnen geht, treten die Grünen entschieden entgegen.
Ein moderner demokratischer Staat baut konstitutiv auf dem Prinzip der Gewaltenteilung auf. In der österreichischen und europäischen Politik ist aber eine deutliche Verschiebung in der Gewichtung von der Legislativezur Exekutivefeststellbar: Die Parlamente verlieren an Einfluss und Unabhängigkeit gegenüber den Regierungen und der Staatsbürokratie. Verstärkt gilt dies noch auf europäischer Ebene: Kommission und Ministerrat fällen alle wesentlichen Entscheidungen, das Europäische Parlament spielt eine stark untergeordnete Rolle.
Diese Entwicklung ist auf Einflussverschiebungen im Dreieck Staat-Ökonomie-Zivilgesellschaft und in den Wechselbeziehungen dieser drei Pole zurückzuführen.
Eine zunehmende Verselbstständigung der Staatsbürokratie, die oft im eigenen Interesse handelt, ein wachsender Einfluss der dominierenden Bereiche der Ökonomie, die verstärkt direkt über den Vollzug und unter Umgehung der Parlamente operieren und ein beständiges Zurückdrängen der Zivilgesellschaft sind offensichtlich.
Wir Grünen fühlen uns als Partei der Zivilgesellschaft verpflichtet und wollen eine Stärkung der Parlamente als verfassungs- und gesetzgebende Instanz, die Zurückdrängung der Exekutive aus der Entscheidungsgewalt und die Sicherung der Unabhängigkeit der Justiz.
Der Staat hat im Sinne der Durchsetzung der beschlossenen Gesetze, der sozialen Rechte, der Menschenrechte und der Grundrechte aktiv werden und entsprechend zu handeln. Darüber hinaus hat der Staat Raum für demokratische Prozesse zu schaffen, die nicht nur auf der Ebene der Stellvertretung (Parlament), sondern unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft stattfinden sollen.
Eine zentrale Aufgabe des Staates ist es, für einen Interessen- und Machtausgleich zwischen verschiedenen Bereichen zu sorgen
· innerhalb der Gesellschaft zwischen Mehrheiten und Minderheiten
· zwischen verschiedenen Interessen oder Interessensgruppen innerhalb der Wirtschaft
· zwischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen
Das richtige Ausmaß staatlicher Regulierung im Wirtschafts- und Sozialbereich ist Gegenstand permanenter politischer Auseinandersetzung. Geht es den einen um die Sicherung des Rechts auf freie Entfaltung auch im wirtschaftlichen Bereich, so geht es den anderen um soziale Sicherheit, ökologische Intaktheit und Zukunftssicherung.
Aus derzeitiger Sicht ergeben sich Schlüsselbereiche wie Energie, Wasser und öffentlicher Verkehr, Gesundheit und Sicherheit, Bildung und Kultur, in denen es notwendig ist , dass die öffentliche Hand wesentliche Aufgaben übernimmt. Privatisierungen schmälern in solchen zentralen Bereichen tendenziell die Einflussmöglichkeiten des Staates.
Grüne Politik verlangt daher nach einem aktiven Staat, der seinen Regulierungsaufgaben nachkommt, setzt aber einen gemeinnützigen, unter demokratischer Kontrolle stehenden Staat voraus.
Wien, 1. 10. 2003
Initiativen und
Positionen des grünen Parlamentsklubs zur Verfassung seit 1988[32]
Weitergehende Anregungen in Kursiv
Grundrechte
Antrag Pollet-Kammerlander vom 13. 12. 1996, 370 (A), bearbeitet Meyer
Antrag Pollet-Kammerlander vom 20. 3. 1996, 148
(A), bearbeitet Meyer
· Gesetzgebung und Vollziehung haben auf die beschleunigte Herbeiführung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern hinzuwirken und insbesondere diese Gleichstellung zu fördern (Art 7 Abs 4). Dzt heißt es „können“.
Antrag Madeleine Petrovic .... vom 7. April 1994, 717/A, bearbeitet Meyer
· Grundrecht auf Gesundheit – Schutz vor umweltvermittelten Gefahren, Säumnisantrag gegen untätigen Verordnungserlasser, Parteistellung Betroffener in allen umweltrelevanten Verfahren
Antrag Wabl, Smolle vom 7. 7. 1998, 826 (A), bearbeitet ?
· Volksgruppenschutz in Art 19 StGG
Antrag Haidlmayr vom 28. 2. 1996, 120 A(E), bearbeitet ?
Diskriminierungsschutz für behinderte Menschen
Staatsziele
Antrag Stoisits vom 29. 10. 1999, 13 (A), bearbeitet ?
Gesetzgebungskompetenzen des Bundes (Art
10, Art 11, Art 12)
Antrag Madeleine Petrovic, XVIII. GP, nicht eingebracht, bearbeitet Meyer
· Grundsatzgesetzgebungskompetenz für Kinderbetreuungseinrichtungen in Art 12 B-VG, damit Bund Anzahl, Öffnungszeiten, Gruppengröße usw festsetzen kann.
Antrag Monika Langthaler vom 26. Feber 1993, 493/A, bearbeitet Meyer
· Bundeskompetenz für „Energiewesen“ nach Art 10 B-VG (Grundlage für Energieeffizienz-Bestimmungen, Wärmeplanung, Ökologische Prioritätenreihung der Energieträger)
Grüne Positionen Voggenhuber, Langthaler bei Bundesstaatsreform 1994, bearbeitet Meyer/Ehrnhöfer
· Energiewesen (Art 10)
· Planung, Genehmigung und Kontrolle umwelterheblicher Anlagen (Grundlage für einheitliches Umweltanlagenrecht) (Art 10), würde Probleme mit IPPC-Umsetzung lösen.
· Luftreinhaltung (also ohne derzeitige Ausnahme für Hausbrand)
· Lärmschutz (Art 11)
· Tierschutz (Art 12)
· Kinderbetreuungseinrichtungen
Antrag Öllinger vom 21. 11. 2001, 542/A (E), bearbeitet Ertl, Wurz
· Schaffung einer bundeseinheitlichen Rahmengesetzgebung für Sozialhilfe
Antrag Petrovic vom 20. 12. 2002, 12/A, bearbeitet Fatzi
· Tierschutz in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache
Umweltprogramm Glawischnig & Co vom Herbst 2002, bearbeitet ÖKO-Team
· Naturschutz (Art 12)
· Tierschutz (Verfassungsbestimmung für Bundestierschutzgesetz)
· Bodenschutz (Verfassungsbestimmung für ein Bundes-BodenschutzG)
Österreich und die Europäische Union (Art
23 a bis f)
Antrag Petrovic, Voggenhuber vom 14. 7. 1994, 752/A, bearbeitet Ehrnhöfer
·
EU-Begleitgesetz, Antrag durch Art 23 a
B-VG ff erledigt, doch wäre er hinsichtlich seither neu geschaffenen
Institutionen zu ergänzen – Mitwirkung des NR bei Besetzung der Europäischen
Zentralbank.
Antrag Lichtenberger/Lunacek vom 16.10.2001 zu 622 dB/XXI.GP, bearbeitet Steyrer
·
In Art. 23 f sollte mit dieser Abänderung
i.Z. der Ratifikation des Nizza-Vertrages die Mitwirkung an Kampfeinsätze der
EU an ein Mandat der UN gebunden werden.
Nationalrat (Art 24-33)
Antrag Brosz vom 14. 3. 2000, 116/A, bearbeitet Wagner/Luschnik
· Senkung des aktiven Wahlalters bei Nationalrats- und Europawahlen auf 16 Jahre (Art 23 a und 26), einfachgesetzlich bei BP-Wahlen, für Volksbefragung, Volksbegehren und Volksabstimmung
Weg der Bundesgesetzgebung (Art 41 – 49 b)
Volksbegehren etc
Antrag Petrovic vom 22. 12. 2002, 22 (A), bearbeitet Luschnik
· Weiterbehandlung eines Volksbegehrens trotz Beendigung der Legislaturperiode
Antrag Petrovic vom 27. 4. 2000, 141 (A), bearbeitet Wagner
· Gesetzesinitiativrecht für Volksanwaltschaft
Mitwirkung des NR und des BR an der
Vollziehung des Bundes (Art 50 bis 55)
Antrag Kogler vom 20. 12. 2002, 15(A), bearbeitet von Luschnik, früher schon Ehrnhöfer
· Art 53 – Einsetzung von Untersuchungsauschüssen auf Verlangen (von 20 Abg. lt GOGNR-Novelle)
Antrag Petrovic vom 26.4.1995, 236/A, bearbeitet Meyer (schon 147/A, XX. GP)
· Vereinbarkeit von Politik und Familie – Möglichkeit zur zeitweiligen Zurücklegung eines NR-Mandats aus Anlass der Geburt eines Kindes (Art 56 Abs 5)
Bundesrat (Art 34-37)
Grüne Positionen Voggenhuber, Langthaler bei Bundesstaatsreform 1994, bearbeitet Meyer/Ehrnhöfer
·
Direktwahl der Bundesräte aufgrund einer
Persönlichkeitswahl und nicht einer Listenwahl
·
Verringerung der Zahl der Bundesräte in
den großen Bundesländern
·
Innerhalb des Bundesrates Abgehen von der
Gliederung nach Fraktionen
·
Vorschlagsrecht des Bundesrates für die
österr. Mitglieder des Ausschusses der Regionen (dzt haben die Länder sowie
Städte- und Gemeindebund Vorschlagsrecht an Bundesregierung, welche ernennt,
siehe Art 23c)
Mittelbare Bundesverwaltung (Art 102)
Grüne Positionen Voggenhuber, Langthaler bei Bundesstaatsreform 1994, bearbeitet Meyer/Ehrnhöfer
·
Grundsätzlich für Beibehaltung der
mittelbaren Bundesverwaltung, da dies bundeseinheitlichen Vollzug gewährleistet
und dem Gesetzgeber die Kontrolle der Vollzugsorgane zustehen sollte.
·
Falls Abschaffung, dann aber
kompensatorisch:
o
Landesverwaltungsgerichtshöfe
o
Bundesumweltanwaltschaft als Hilfsorgan
des Parlaments mit Parteistellung in allen umweltrelevanten Verfahren,
Antragsrecht auf nachträgliche Auflagen und Missstandsbehebung, Rechtszug zu
öff. Gerichtshöfen (Gesetzestext vorhanden)
o
Kompetenztatbestand „Umweltkontrolle“ um
dem Bund zumindest Informationen über Vollzug zu sichern
o
Ersatzvornahme des Bundes bei
Umweltgefährdung
o
Anfragrecht des NR auch bezüglich Art
11-Materien
o
Akteneinsicht der NR-Mitgl. Gegenüber
Land in Art 11-Materie
o
Untersuchungsausschüsse des NR auch in
Art 11-Materien
o
Berichterstattung des RH und der VA an
den NR auch in Art 11-Materien
o
Vorrang der Ökologie bei
konkurrenzierendem VO-Recht von B und L
Gemeinden (Art 115 bis 120)
Grüne Positionen Voggenhuber, Langthaler bei Bundesstaatsreform 1994, bearbeitet Meyer/Ehrnhöfer
· Beschränkung der Aufsichtsrechte des Landes insbesondere gegenüber Statutarstädten
· Anfechtung von VO einer Bundes- oder Landesbehörde beim VfGH durch die Gemeinde
· Parteistellung der Gemeinde zur Wahrung des öffentlichen Interesses in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs
Antrag Stoisits, Glawischnig vom 29. 4. 03, 112 (A), bearbeitet von Wagner/Korun
· Kommunales Wahlrecht für MigrantInnen aller Staatsangehörigkeiten
Finanzielle Kontrolle (5. Hauptstück, Art
121 – 128)
Antrag der Abg. Wabl, Geyer und Freunde vom 10. Mai 1988 (167/A), bearbeitet von Meyer
Angelehnt am Amtsentwurf des Rechnungshofes, Inhalt soweit noch aktuell:
· Erweiterung des Prüfungsbereichs des RH auf
o
Rechtsträger, die Aufgaben der
Gebietskörperschaften inkl. Gemeindeverbände,
Stiftungen und Anstalten, Kranken- und Unfallversicherungen (die der
RH-Kontrolle unterliegen) durchführen, wenn ihnen zu diesem Zweck von
diesen Institutionen Geldmittel zur Verfügung gestellt werden,
o Rechtsträger, die unmittelbar oder mittelbar von dem RH unterliegenden Gebietskörperschaften gefördert werden,
· Begleitende Kontrolle bei Bauvorhaben der öffentlichen Hand (iS der RH-Zuständigkeit), wenn die Gesamtherstellungskosten 3,5 Mio resp. 7 Mio Euro betragen wird.
· Recht zur Anfechtung von Verordnungen, die Gegenstand der Kontrolle waren, beim VfGH.
· Vereinheitlichung der Berichterstattungspflichten an Bund und Ländern.
Anregungen anlässlich der Parl. Enquete zur finanziellen Kontrolle am 17. 11. 1992, III-105dBeil
Referat Univ.-Prof. Dr. Funk über das
„System der parl. Finanzkontrolle unter besonderer Berücksichtigung der
Minderheiten- und Individualrechte“:
o
Wahl des RH-Präsidenten: Präsentationsrecht
der parlamentarischen Minderheit, Dreiervorschlag der Opposition anstatt des
Hauptausschusses
Volksanwaltschaft (Art 148a-148j)
Antrag Stoisits vom 11.7. 1996, 273/A, bearbeitet ?
· Entfall des Nominierungsrechtes der „drei mandatsstärksten Parteien im Nationalrat“ für den Gesamtvorschlag der Wahl zur VA (148g Abs 2).
Antrag Stoisits vom 11. 7. 1996, bearbeitet ?
· Einbindung der Volksanwaltschaft in den Gesetzgebungsprozess
Andere BVG
BVG für ein atomfreies Österreich: Ergänzung für Bindung der österr. Regierungsmitglieder in Brüssel – Auflösung des Euratomvertrages, Verbot von AKW inkl. Stilllegung bestehender AKW) siehe Grünes Umweltprogramm Herbst 2002 und Atomvolksbegehren (206dBeil, 22. GP)
Finanzverfassung: Finanz- und Steuerhoheit für die Länder und Statuarstädte, siehe Grünes Positionspapier Bundesstaatsreform 1994
Neutralität: In einigen Entschließungsanträgen wurde die Einhaltung des Neutralitätsgesetzes auch unter den neuen Bedingungen der EU-Mitgliedschaft eingefordert (s.a.: G: Anträge/entschl/selbst/neutral2.doc; G: Anträge/entschl/sea 14.doc; + G:Anträge/entschl/sea 12.doc, bearbeitet Steyrer)
Verfassungsbestimmungen im Zivildienstgesetz: Im Zuge verschiedener ZDG-Novellen haben die Grünen auch die Änderung verschiedener Verfassungsbestimmungen (Zivildienstverkürzung, Antragsfristen etc.) vorgeschlagen (s.a. G:Abaenderung/ZDG965; G:Abaenderung/ZDG963; P:T.Walter/public/ZD/abänderungen/abänd.97.doc; P:T.Walter/public/ZD/abänderungsantragzdgnovelle2001.doc; bearbeitet Steyrer/Walter)
Erstellt von Marlies
Meyer
Ergänzt von Peter
Steyrer
Weitere Inputs von
Rita Ertl und Sabine Wagner
Grüne Positionen zum Österreichkonvent
aus Anlass der bevorstehenden konstituierenden Sitzung am 30. Juni 2003
(Pressekonferenzunterlage vom Juni 2003)
Die
Konventkonstruktion: Auslagerung der Aufgabe Verfassungsreform
Die Grünen begrüßen grundsätzlich die Einsetzung eines Österreich-Konvents, hätten jedoch einem Organ auf der Grundlage der parlamentarischen Geschäftsordnung (Enquete-Kommission) den Vorzug gegeben gegenüber der jetzt gewählten Konstruktion eines Organs sui generis. Nach Ansicht der Grünen hätte primär das Parlament als Verfassungsgesetzgeber eine Verfassungsreform auszuarbeiten. Die sich aus der Sonderkonstruktion ergebende Gestaltungsfreiheit in der Zusammensetzung wurde viel zu wenig zugunsten der Zivilgesellschaft genutzt, vielmehr widerspiegelt sie althergebrachte politische Machtverhältnisse: eine starke Vertretung der Regierung, der Länder und der Sozialpartner, keine VertreterInnen von NGO (der andernorts viel gelobten Bürgergesellschaft), der tatsächliche Anteil an MandatarInnen der Bundesgesetzgebung (NR und BR) liegt bei 15 Prozent. Der große Anteil an ExpertInnen ist positiv zu werten (siehe näher im Anhang).
Die Grünen sind mit einem Sitz und somit mit einer Stimme im Präsidium vertreten und mit drei weiteren Mitgliedern im Konvent. Wir verstehen uns einerseits als Aufpasserinnen in diesem Prozess, andererseits werden wir gewisse Themen (siehe nächste Seite) aktiv einbringen.
Gefahren des
Konvents: Der schnelle und billige Staat
Unsere demokratischen Spielregeln dürfen nicht dem Sparstift zum Opfer fallen.
Aufgrund des Gründungspapiers, des Koalitionsübereinkommens und sonstiger Äußerungen wird besondere Achtsamkeit hinsichtlich folgender Entwicklungen angebracht sein:
Wenn das vereinbarte Konsensprinzip beachtet wird, hat jedes Mitglied des Konvents, die Möglichkeit, ihm nicht einsichtige Lösungen abzulehnen und damit zu verhindern, dass sie in den Endbericht, den neuen Verfassungstext, aufgenommen werden. Das „verordnete“ Eilzugstempo und die unterschiedliche infrastrukturelle Ausstattung der Konventsmitglieder schaffen jedoch eine Schieflage zuungunsten der Oppositionsparteien.
Chancen im
Konvent
Die Grünen werden sich vor allem um eine Verbesserung
einsetzen.
Beitrag Politikum, erstellt 15. 9. 2003
Grüne Gedanken zum Österreich-Konvent
(Arbeitstitel)
Eva Glawischnig und Marlies Meyer
Braucht Österreich eine neue Verfassung?
Durch die Ratifikation des Beitritts-Vertrages wurden unter anderem formal die Weichen gestellt, dass europäische Normen in Österreich gelten bzw von den innerstaatlichen Gesetzgebern umgesetzt werden müssen[33]. Im neunten Jahr danach haben sich eine Menge von Problemfällen der Umsetzung angehäuft. Nicht selten ist zur Umsetzung einer Richtlinie das Tätigwerden von elf Gesetzgebungsorganen notwendig (Nationalrat, Bundesrat und neun Landtage), da der umfassende Lösungsansatz der europäischen Richtlinien auf eine veraltete – und mit viel Liebe zur Versteinerung gehätschelte - Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern stößt. Vier Jahre nach der Umsetzungsfrist sind so zB noch immer Regelungen aus der Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung offen (IPPC-RL)[34]. Politischer Umsetzungsunwille multipliziert mit dem Faktor 11 lässt schnell die Jahre ins Land ziehen, aber auch die Vertragsverletzungsverfahren, die die Kommission gegen Österreich anstrengen muss[35]. Dabei ist nicht nur der einfache Gesetzgeber gefordert, sondern auch der Verfassungsgesetzgeber. Denn das Prinzip der Energieeffizienz einer Betriebsanlage zB kann nach geltender Kompetenzlage als Weder-Noch-Materie gelten. Dh weder der Bund noch das Land haben die einfachgesetzliche Kompetenz zur Erlassung dieses Gebots und damit zur vollständigen Umsetzung der IPPC-Richtlinie.[36] Will man diesen Zustand ändern, so sind die Kompetenztatbestände neu zu formulieren, die Kompetenzen neu zuzuordnen und ein neues Gleichgewicht zwischen Bund und Ländern zu schaffen. Dies allein ist daher schon ein recht umfassender Themenkomplex und verdient den Namen einer Verfassungsreform, will man nicht den sehr engen Ansatz der Bundesstaatsreform 1994[37], welche letztlich scheiterte, wiederholen. Objektiv einsichtig sind auch die Bemühungen um eine möglichst einheitliche Verfassungsurkunde. Verfassungsdurchbrechungen durch Verfassungsgesetz sind schon zu sehr in Mode gekommen. Eine künftiges Gebot zur Zurückhaltung setzt jedoch eine Bereinigung der um die tausend Verfassungsbestimmungen voraus. Beide Projekte gemeinsam, also die Aufgabenneuverteilung zwischen Bund und Ländern sowie die Rückbesinnung auf grundlegende Regelungen in möglichst einer Urkunde, rechtfertigen das Projekt Verfassungskonvent. Freilich sei hervorgehoben, dass die Bundesverfassung von 1920 nun schon Jahrzehnte ihre Qualität unter Beweis gestellt hat und daher an einen neuen Text ein sehr hoher Maßstab zu legen ist.
Staatsaufgaben und Legalitätsprinzip
Anders als im Regierungsprogramm 2003 – 2006[38] wird im Gründungsdokument zum Konvent[39] die umfassende Analyse der Staatsaufgaben besonders erwähnt und findet sich diese nun auch in der Aufgabenbeschreibung des Ausschusses Nr. 1. Die Debatte um die Kernaufgaben des Staates impliziert einen Rückzug des Staates aus angestammten Verantwortungsbereichen. In Zeiten globalisierter und damit erstarkter Wirtschaftsmacht ist dieses Signal nicht nachvollziehbar. Soweit damit ein liberalistischer Umbau des Staates gemeint ist, wird man bei den Grünen auf Granit beißen. Soweit es darum geht, die soziale und ökologische Verantwortlichkeit des Staates zu bekräftigen und bloß die Handlungsformen zu bereichern, wird jedoch eine konstruktive Auseinandersetzung möglich sein. Am System der Verfassung, dass der Staat Aufgaben entsprechend den aktuellen Bedürfnissen einfachgesetzlich nachkommen kann und dass Ausgliederungen besonders rechtfertigungspflichtig sind[40], sollte nicht gerüttelt werden. Vielmehr sollten die Voraussetzungen für Ausgliederungen präzisiert werden und verfassungsrechtlich gewährleistet werden, dass der Staat Qualitätsnormen aufstellen muss, dem Einzelnen bzw Verbänden auch auf dem Privatrechtsweg rascher und günstiger Rechtsschutz zusteht und die politische Kontrolle nach wie vor umfassend möglich ist.
Von einer Lockerung des Legalitätsprinzips halten die Grünen nicht viel, da es Ausdruck des demokratischen und des rechtsstaatlichen Prinzips ist. Staatliches Handeln muss für die Betroffenen vorhersehbar und notfalls auch einklagbar sein, dies ist bei bloßen Zielbestimmungen nur schwer möglich. Die generellen Normsetzungen des Staates sollen einer öffentlichen Diskussion unterliegen, was nur durch eine Beschlussfassung in den Parlamenten gewährleistet ist. Völlig inakzeptabel ist zB der Vorschlag, dass EU-Richtlinien im Verordnungswege durch die Verwaltung umgesetzt werden. Schon allein aus dem Grund, da sich immer die Frage stellt, ob bloß der europäische Minimalkonsens für Österreich maßgeblich sein soll oder vielmehr die nationalen Spielräume (zB zugunsten eines hohen Umweltschutzniveaus) genützt werden sollten.
Grundrechte und direktdemokratische
Instrumente
Von den besonderen grünen Anliegen seien hier nur zwei erwähnt, und zwar der Ausbau der Grundrechte und der direktdemokratischen Instrumente. Wiederholt haben die Grünen im Parlament einen Gesetzesentwurf für ein Grundrecht auf Gesundheit eingebracht[41]. Es soll Schutz vor umweltvermittelten Gefahren bieten und quasi ein Gegenstück zum Grundrecht auf Erwerbsfreiheit bzw auf Eigentum bilden. Bei allen raumbezogenen Entscheidungen des Staates, die in die Gesundheitssphäre eingreifen, soll den Betroffenen Parteistellung zukommen. Wenn auch die Europäische Grundrechtscharta ein solches Umweltgrundrecht vermissen lässt[42], so beweist doch die Studie über ein Recht auf eine gesunde Umwelt im Auftrag der Europäischen Kommission, dass ein solches Grundrecht auch in Europa in Diskussion steht[43]. Ähnlich beispielhaft wie das Grundrechtsthema können hier in diesem Rahmen die direktdemokratischen Instrumente angesprochen werden. Zum einen hat sich gezeigt, dass die Innovationsfreude der Bundesländer an bundesverfassungsrechtliche Grenzen stößt[44], zum anderen lässt der Rechtsschutz der Initiator/innen von Volksbegehren noch zu wünschen übrig[45]. Drittens schließlich ist auch ein Ausbau der direkten Demokratie auf Bundesebene denkbar, etwa der Art, dass Volksbegehren auf die Bindung der österreichischen Regierungsmitglieder in EU-Angelegenheiten im Sinne von Art 23 e B-VG abzielen können[46].
Was ist vom Konvent zu erwarten?
Die Offenheit in der Zusammensetzung, die der Konvent als Organ sui generis im Unterschied zu einer parlamentarischen Enquetekommission bietet, wurde leider nicht ausreichend genützt. Der Konvent ist dominiert von Vertretern und Vertreterinnen der Parteien und Sozialpartner, zivile Organisationen sind so gut wie nicht vertreten[47]. So findet die Debatte in einem relativ kleinen Insiderkreis statt und besteht die Gefahr, in althergebrachten gegensätzlichen Positionen stecken zu bleiben. Am ehesten könnten noch die nominierten Verfassungsrechtswissenschafter ein kreatives Potential fördern. Dieses wird sich jedoch nur entfalten können, wenn sich die Partei- und Machtpolitik zurücknimmt. Nur so wird es möglich sein, die aufgrund des geltenden Konsensprinzips[48] notwendigen Kompromisse in sachlich gute Lösungen münden zu lassen. Auf derartige Wunder darf noch gehofft werden.
Abg.z.NR Dr. Eva Glawischnig, Stv. Klubobfrau und Stv. Bundesprecherin, Umwelt- und Kultursprecherin der Grünen
Dr. Marlies Meyer, Referentin für Umweltrecht und den Österreich-Konvent
Grüner Parlamentsklub, 1017 Wien-Parlament.
Mag. Dr. Madeleine Petrovic
Klubobfrau der Grünen im NÖ Landtag
Wien, am 26. September 2003
Grüne Arbeitsunterlage für den
Konventausschuss Nr.3
Für die weitere Arbeit im Ausschuss werden die grünen Positionen anhand des Mandats fürs Erste wie folgt umrissen:
I) Bund
1) Legislative
a) Nationalrat
bb) Wahlen zum Nationalrat
Ziel der Grünen ist es, durch das Wahlrecht
Demokratisierungsprozesse voranzutreiben und eine möglichst umfassende
Partizipation der in Österreich lebenden und daher von politischen
Entscheidungen betroffenen Personen an der politischen Willensbildung zu
erreichen. In diesem Zusammenhang ist auf die Gesetzesinitiative zur Senkung
des Wahlalters auf 16 Jahre zu verweisen (Antrag 116/A, XXI. GP).
Stärkung des Prinzips des
Verhältniswahlrechts durch verfassungsrechtliche Absicherung einer (max)
4%-Klausel in Bund und Ländern.
Grüne Position zur Briefwahl: Zustimmung
zur Briefwahl nur nach einer ausführlichen Diskussion über notwendige
begleitende Maßnahmen sowie der bestmöglichen Verhinderung von Missbrauch und
Schutz der verfassungsmäßigen Prinzipien der geheimen und persönlichen Wahl.
cc) Organisation
Zur Hebung des Frauenanteils im Nationalrat
soll die Möglichkeit der Zurücklegung eines Mandats aus Anlass der Geburt eines
Kindes bis zu einem Zeitraum von 6 Monaten geschaffen werden. Die Regelung soll
auch für Väter gelten. Näheres siehe im Initiativantrag Petrovic et al zur
Änderung von Art 56 B-VG vom 26. 4. 1995, Nr. 236/A.
b) Bundesrat
Der Bundesrat sollte die Länderinteressen
bei der Bundesgesetzgebung wahrnehmen. Sollte es nicht gelingen, eine
Konstruktion zu finden, die den Bundesrat zu einem eigenständigen politischen
Faktor macht – ohne die Unregierbarkeit der Republik herbeizuführen –, so wäre
eine Abschaffung der Institution die einzig sinnvolle und ehrliche Option. Eine
bloße Aufwertung via generelles absolutes Vetorecht ohne grundlegende Reform
lehnen die Grünen jedenfalls ab. Bei jeder Reform ist auf eine strikte Trennung
von Exekutive und Legislative zu achten.
Die Grünen erstatten hiefür folgenden
Vorschlag:
Der Bundesrat (neu) setzt sich aus
Landtagsabgeordneten zusammen. Die Aufteilung der Bundesratssitze auf Länder
und Parteien erfolgt wie bisher nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Um
die politische Repräsentativität des Organs zu erhöhen soll die Anzahl der
Bundesratssitze erhöht werden (Erhöhung der Bürgerzahl gemäß Art 34 B-VG). Es
gilt das freie Mandat. Der Bundesrat (neu) tagt nur zu Grundsatzthemen
(Verfassungsgesetze, die Länderinteressen wesentlich berühren) und hat hier –
wie bisher – das absolute Vetorecht. Die Mitwirkung an einfachen Bundesgesetzen
erfolgt durch ein Gesetzesinitiativ- und Stellungnahmerecht der Landtage.
Zusätzlich dient der Bundesrat (neu) der (unverbindlichen) länderübergreifenden
Akkordierung von Landtagsangelegenheiten (Landesgesetzgebung etc).
Eine Alternative wäre auch:
Direktwahl der Bundesräte aufgrund einer
Persönlichkeitswahl, innere Gliederung nach Ländern. Ergänzung der bisher
nachgeschalteten Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung durch vorgeschaltete
Stellungnahmerechte zu Grundsatzthemen.
c) Weg der Bundesgesetzgebung
Die Positionen zu den direktdemokratischen
Instrumenten werden in Ausschuss 8, Demokratische Kontrollen, eingebracht.
2) Exekutive
a) Bundespräsident
Stärkung der Stellung des gewählten
Kollegialorgans Nationalrat gegenüber dem monokratischen Organ Bundespräsident:
zu hinterfragen wäre insbesondere „totes Verfassungsrecht“ wie zB das Recht zur
Auflösung des Nationalrates, die Ernennung des Bundeskanzlers, die Einberufung
des Nationalrates zu Tagungen und die Privilegierung des Bundespräsidenten
hinsichtlich seiner rechtlichen Verantwortung.
b) Bundesregierung –
II) Länder
1) Legislative/Landtage
Zu untersuchen wäre das unterschiedliche
Verhältnis von Mandaten zur Bevölkerungszahl (Wahlzahl) in den Bundesländern.
Allfällige Schlussfolgerungen wären nach der Erhebung zu ziehen.
2) Exekutive/Landesregierung
Übergang zum Majorzprinzip bei
gleichzeitigem Ausbau der Minderheitenrechte im Landtag.
III) Gemeinden
1) bundesverfassungsgesetzliche Regelungen über die kommunale Selbstverwaltung
Die Stellung der Gemeinden als
bürgernächste Gebietskörperschaft sollte ausgebaut werden.
Wahlrecht (auf kommunaler Ebene) für
MigrantInnen aller Staatsangehörigkeiten, siehe Antrag 112/A, XXII. GP.
2) Gemeindeverbände
insbesondere
a) „Aktivierung“ des Art 120 B-VG (Gebietsgemeinden)?
Die Ebene der
Bezirksverwaltungsbehörden ist die einzige Ebene staatlicher Verwaltung, die über
keine "parlamentarische" Legitimation verfügt! Schon der
Verfassungsgesetzgeber der ersten Republik hat eine Lösung dieses Problems
versprochen.
Eine Aufarbeitung entsprechender
historischer Initiativen und Prüfung auf ihre Umsetzbarkeit wäre erforderlich.
IV) Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam betreffende Fragen
3) Neue Formen der Kooperation zwischen Bund, Ländern und Gemeinden
a) Art 15a B-VG – Vereinbarung – self
executing?
Die
spezielle Transformation von Gliedstaatsverträgen gewährleistet den Einfluss
des Gesetzgebers auf die Norm sowie bietet den betroffenen BürgerInnen
Publizität und Rechtsschutz (indirekte Bekämpfbarkeit der Norm). Aus diesem
Blickwinkel sollten Gliedstaatsverträge nicht self executing sein. Würde man
Gliedstaatsverträge als eigene Rechtsquelle im Sinne von Staatsverträgen nach Art 50 B-VG
geschaffen, so bliebe noch immer das Problem, dass bei Ratifikation von
innerstaatlichen Verträgen keine inhaltlichen Änderungen durch die Parlamente
vorgenommen werden könnten. Dieser weiteren Schwächung der Parlamente kann
nichts abgewonnen werden.
Vielmehr
sollte die Notwendigkeit zum Abschluss von Verträgen zur Lösung von Problemen
durch Neuordnung der Kompetenztatbestände und neue Instrumente für das Zusammenwirken der Gesetzgebungsorgane
von Bund und Ländern gemildert werden.
V)
Verfassungsautonomie
Insbesondere
a) bundesverfassungsgesetzliche
Vorgaben für die Länder
Wahlen:
Wie schon unter Punkt Wahlen zum Nationalrat erwähnt, sollte
verfassungsrechtlich sichergestellt werden, dass Wahlparteien, die 4% der
Stimmen erhalten, jedenfalls im Gesetzgebungsorgan vertreten sind. Dem
einfachen Gesetzgeber sollte natürlich die Festlegung eines geringeren
Prozentsatzes unbenommen bleiben. Diese Regelung sollte auch für die Länder
gelten.
Eine
allfällige Änderung der bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben wird auch in
Zusammenhang mit den Antrags- und Interpellationsrechten von parlamentarischen
Minderheiten bzw den direktdemokratischen Instrumenten zu überlegen sein.
Diesbezügliche Vorstellungen werden im Ausschuss 8 eingebracht werden.
VI)
Verhältnis zwischen Gesetzgebung und Vollziehung (Legalitätsprinzip,
EU-Rechtssetzung)
Insbesondere
a)
Neuformulierung des Artikel 18 B-VG?
b) Erfordernis der gesetzlichen
Umsetzung von EU-Richtlinien?
Von einer Lockerung des Legalitätsprinzips
halten die Grünen nichts, da es Ausdruck des demokratischen und des
rechtsstaatlichen Prinzips ist. Staatliches Handeln muss für die Betroffenen
vorhersehbar und notfalls auch einklagbar sein, dies ist bei bloßen
Zielbestimmungen nur schwer möglich. Die generellen Normsetzungen des Staates
sollen einer öffentlichen Diskussion unterliegen, was nur durch eine
Beschlussfassung in den Parlamenten gewährleistet ist. Statt einer Lockerung
des Legalitätsprinzips wäre über eine quasi Verschärfung des Legalitätsprinzips
in der Art zu diskutieren, dass die Untätigkeit der Behörde eher als jetzt
Haftungskonsequenzen nach sich zieht. Völlig inakzeptabel ist auch der Vorschlag,
dass EU-Richtlinien im Verordnungswege durch die Verwaltung umgesetzt werden.
Schon allein aus dem Grund, da sich immer die Frage stellt, ob bloß der
europäische Minimalkonsens für Österreich maßgeblich sein soll oder vielmehr
die nationalen Spielräume (zB zugunsten eines hohen Umweltschutzniveaus)
genützt werden sollten.
VII) Mitwirkung österreichischer Organe an der Ernennung von Mitgliedern von Organen der Europäischen Union (Art 23 c B-VG)
Die Mitwirkung des Nationalrates an Akten
Österreichs im Rahmen der europäischen Union sollte an die geänderte
EU-Rechtslage angepasst werden. Mitwirkungsrechte nach diesem Vorbild sollten
auch in anderen Bereichen der Außenpolitik und internationaler Organisationen
geschaffen werden.
Abg.z.NR Dr. Eva Lichtenberger
Wien, am 3. Oktober 2003
Grüne Arbeitsunterlage für den
Konventausschuss Nr. 1
Für die weitere Arbeit im Ausschuss werden die grünen Positionen fürs Erste wie folgt umrissen:
Staatsaufgaben
Einen Staatsaufgabenkatalog gibt es in der Verfassung derzeit nicht, sondern ergibt sich ein solcher allenfalls indirekt aus den Grundrechten, den Staatszielen, den Kompetenzbestimmungen und sonstigen Bestimmungen der Verfassung (zB Gerichtsbarkeit). Es gibt einen faktischen Status quo an Staatsaufgabenerfüllung, der sich in konkreten gesetzlichen Regelungen, der staatlichen Eigentümerschaft und Leistungserbringung ausdrückt. Ein definitiver Staatsaufgabenkatalog in Verfassungsrang wäre ein Korsett und würde schnelles Reagieren der Politik auf neue Problemlagen verhindern. Außerdem dürften für die Aufgabenabgrenzung zu unterschiedliche Vorstellungen unter den Parteien gegeben sein, sodass hier kein Konsens zu finden ist. Auch die Bestimmung von Kernaufgaben (ds solche, die der Staat jedenfalls selbst erbringen muss) birgt die Gefahr in sich, dass folglich alle übrigen Aufgaben ohne große Überlegungen ausgegliedert oder aufgegeben werden können. Diese strikte Hierarchisierung der Staatsaufgaben durch die Bestimmung von Kern- und Randaufgaben ist wenig zielführend. Es ist die Kunst der Politik, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Freiheit, Gleichheit und Solidarität der Bürger/innen zu schaffen. Im Verhältnis zum geltenden Verfassungstext wäre die soziale und ökologische Dimension insbesondere im Grundrechtsbereich aufzuwerten.
Aus grüner Sicht macht die Staatsaufgabendebatte im Konvent nur Sinn, wenn die Kriterien (Sachlichkeit und Effizienz) für ausnahmsweise Ausgliederungen verschärft werden, sodass Allerweltsbegründungen[49] bei einer verfassungsmäßigen Prüfung nicht durchgehen. Garantien für ausgegliederte Bereiche: Wird die Aufgabe, deren Erbringung im öffentlichen Interesse ist, privat erbracht, so müssen die Verbraucherrechte (auf Information etc.) gestärkt werden, was deren effiziente und günstige Rechtsdurchsetzung mitein schließen muss. Es wird zu prüfen sein, welche verfassungsrechtlichen Vorsorgen für eine hohe Qualität der Leistungserbringung und des Verbraucherschutzes getroffen werden können. In diesem Punkt ist eine Zusammenarbeit mit Ausschuss 7 (siehe dessen Mandat) naheliegend. Eine besondere Betrachtung verdienen Non Profit-Organisationen in diesem Zusammenhang, insbesondere die Themen Basisfinanzierung, Rechtsanspruch auf Förderung und Gleichbehandlung der Organisationen. Ausgliederungen und parlamentarische Kontrolle: Die Reichweite der parlamentarischen Kontrollrechte (Anfragerecht) muss zumindest der Reichweite der RH-Kontrolle entsprechen, wenn nicht völlig neue Grenzen zu ziehen sind.
Staatsziele
Die bestehenden Staatsziele sind anlassbezogen und unvollständig. Eine Ausweitung der Staatsziele macht nur Sinn, wenn die Staatsziele so formuliert sind, dass ihnen Garantiefunktion zukommt bzw wenn ihnen entsprechende Grundrechte und Institutionsbestimmungen korrespondieren (Zusammenarbeit mit Ausschuss 4 notwendig). Auf schöne Worte in der Verfassung, denen kein Mindestmaß an normativer Wirkung zukommt, ist zu verzichten. Sollte einem wirkungsvollen Staatszielkatalog näher getreten werden, so ist auf dessen Ausgewogenheit zu achten.
Präambel
Ein Grundrechtskatalog ist auch Spiegel der Grundwerte eines Staates. Insofern erübrigt sich eine eigene Präambel zur Verfassung. Sofern sie die Identifikation des/der Bürger/in mit dem Staatswesen und der Verfassung verstärken soll, ist zu bedenken, dass jener Mehrwert, den eine Präambel gegenüber dem übrigen Verfassungstext für die Mehrheit zu bringen vermag, für Minderheiten allenfalls ausschließende Signale beinhaltet. Die Grünen stehen daher einer Präambel skeptisch gegenüber.
Kurzprotokolle zur Veranstaltung
Felix Ehrnhöfer
Wien, am 3.10.2003
Kurzprotokoll zu Demokratische Kontrollen
Konventworkshop vom 3.10.2003
Zentrale Punkte der Diskussion
Kostelka vertritt die Auffassung, dass die verbreitete Kasuistik in Gesetzestexten auch seinen Grund im strengen Legalitätsprinzip findet. Beamte (denen de facto wesentlicher Einfluß auf die Gesetzgebung zukommt)versuchen möglichst viele Anwebdungsfälle einer Regelung bereits im Gesetz vorwegzunehmen und zu regeln. Auch verfüge kein Land über ein derart strenges Legalitätsprinzip. Schließlich bestehe seit dem EU Beitritt ein Spannungsverhältnis zwischen strengem österreichischen und weniger strengem EU Legalitätsprinzip.
Petrovic hält dem entgegen, dass sie sich sogar noch einen Ausbau dieses Prinzips vorstellen könne. So sei etwa der Rechtsschutz gegen Untätigkeit bzw Säumnis der Behörden unzureichend
Amtsverschwiegenheit
Kostelka befürwortet den Ausbau der österreichischen Auskunftspflicht in Richtung freedom of information acts nach amerikanischen bzw skandinavischen Vorbild. Er sehe keine rechtspolitische Gefahr bei einem Mehr an Transparenz und zB einer Offenlegung von Steuerakten.
Freytag verweist demgegenüber darauf, dass neben der Transparenz auch der Schutz des/r einzelnen BürgerIn ein Ziel Grüner Politik sein müsse.
Die Amtsverschwiegenheit sei auch ein Instrument zur Disziplinierung unliebsamer BeamtInnen,so Hornyk.
Staudinger sieht im Kriterium des „zwingenden sozialen Bedürfnisses“ ein taugliches Abgrenzungskriterium zur Absteckung jenes Bereiches, der der Öffentlichkeit nicht zugänglich sein soll.
Einigkeit herrscht darüber, dass die Entbindung von der Amtsverschwiegenheit ein Relikt eines vordemokratischen Verwaltungsverständnisses sei. Es sei eine Interessensabwägung vorzunehmen zwischen dem Interesse der Öffentlichkeit an Transparenz einerseits und zwingenden Geheimhaltungsinteressen des Staates oder Privater andererseits. Das Ergebnis dieser Abwägung dürfe nicht im Einzelfall durch die schlichte „Entbindung“ durchbrochen werden. (Staudinger, Feik)
Rechnungshof
Rossmann kritisiert die starke Konzentration der Rechnungshofprüfungen auf den Aspekt der Rechtmäßigkeit und den geringeren Stellenwert der Wirtschaftlichkeit und va der Zweckmäßigkeit. Prüfungen des Rechnungshofes seien oft ein zahnloses Instrument, das folgenlos bleibe.
Kostelka gibt zu bedenken, dass ein Ausbau des „Sanktionspotentials“ des Rechnungshofes über das politische Mittel der Berichtsvorlage hinaus, aus diesem eine „Superbehörde“ machen könnte und der Rechnungshof dann kein bloßes nachprüfendes Kontrollorgan mehr sei, sondern Mitverantwortung trage.
Alev Korun
Kurzprotokoll zum Bereich Grundrechtskatalog
Konventworkshop
vom 3.10.2003
(Das Protokoll versteht sich als Bericht aus dem Workshop und als Ergänzung zur Workshopmappe, daher wurden die Inhalte der schriftlich vorliegenden Texte der beiden Referenten nicht wiederholt)
1)
Referat von Prof. Bernd-Christian Funk, Vorsitzender des Konventausschusses 4
(Grundrechtskatalog)
Seine
Ausführungen sind nicht als bloße Informationen oder Ansichten zu Grundrechten
(im folgenden als GR abgekürzt) zu verstehen, sondern auch wie er die
zukünftige Arbeit des Ausschusses 4 sieht und anlegen will, daher von
besonderer Bedeutung!
In Österreich herrscht ein enges, fokussiertes Grundrechtsverständnis. GR sind in der Verfassung und in einfachgesetzlichen Bestimmungen zersplittert. Dabei binden GR alle Staatsgewalt (auch die Gerichtsbarkeit). Die Situation der GR in Österreich ist mit dem Bild einer durchgeschüttelten Lasagne vergleichbar. Daraus resultierende Frage: Was kann man aus dieser Lasagne heraus- und übernehmen? Vorhandene Gesetzestexte bereinigen? GR-Quellen zusammenführen? Inhalte neu schaffen? Seit Jahrzehnten wird in Österreich die Diskussion um einen einheitlichen GR-Katalog geführt. Ausschuss darf nicht in die Kodifikationsfalle der bisherigen Reformbemühungen gehen.
Als Ergebnis der Arbeit des Ausschusses 4 sollte ein möglichst geschlossener Grundrechtskatalog herauskommen. Von Abwehr der Grundrechtsverletzungen Richtung Gewährleistung von Grundfreiheiten gehen.
Seine Vorstellungen: Textbereinigung, Kompilation, Kodifikation: Durchsicht der bisher vorhandenen Texte, sich an Sprache und Inhalt der internationalen GR-Dokumente beispielsweise an der EU-Grundrechtscharta orientieren (keine detailverliebte Kasuistik).
Bei den Grundlagen der GR und Grundfreiheiten (siehe Workshopmappe Funk-Beitrag) kann man sich an der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) als Kristallisationspunkt orientieren und Ergänzungen hinzufügen. Bei den Gleichheitsrechten (Diskriminierungsverbote usw.) sollten zentrale Kerngarantien in Verfassungsrang erhoben und materielle Rechte importiert, aber diese nicht in Verfassungsrang gehoben werden. Frage, soziale Rechte wie gewährleisten (Arbeitsrecht, Privatrecht)? > Echte soziale Grundrechte in der Verfassung verankern.
Bürgerrechte
Justizielle Rechte: Orientierung an EMRK
Der Ausschuss hat auch Rechtsschutz in seinem Mandat und dieser beinhaltet sowohl die Fragen des kommissarischen Rechtsschutzes (Rechtsschutzbeauftragte usw) als auch materielle Gewährleistungen.
Kommentare zu Funk-Ausführungen:
Honrnyik:
Anliegen des Frauenrings: gendergerechte Sprache bei der Formulierung der Verfassung.
Nowak:
International sind die Menschenrechte ausjudiziert. Wirtschaftliche, kulturelle, soziale GR fehlen. Diskussionsfragen werden Behinderte, Homosexuelle, Frauen, AusländerInnen und die Verankerung der Grundrechte in diesen Bereichen sein. Systematik der EU-Grundrechtscharta nicht gut, man sollte sich nicht daran halten. UN-Aufteilung der GR in wirtschaftliche, kulturelle, soziale Rechte hingegen sehr gut. Das Judizieren von sozialen Rechten über das Eigentumsrecht in EMRK möglich und findet durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auch schon statt.
Tretter:
Kerngarantien aus internationalen GR- und Menschenrechtsabkommen herausschälen und justiziabel machen. Verbandsklagemöglichkeiten schaffen.
Mangel des GR-Bewußtseins bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Österreich.
Der Menschenrechtsbeirat (derzeit nur Beratungsorgan des Innenministers) vorm Verfassungsgerichtshof antragsberechtigt machen.
Kolonovits:
Prinzipielle Frage zum Mandat des Konvents: Sollen die Grundprinzipien der Verfassung angetastet werden oder nicht?
Kucsko:
Enthoheitlichung der Verwaltung
Kostelka:
Es hat in Österreich keinen Konsens zu GR gegeben. Auch daher spielen GR in der Verwaltung kaum eine Rolle.
Funk:
Haftungsansprüche gegenüber dem Staat auf dem Weg der ordentlichen Gerichtsbarkeit durchsetzen.
2) Referat von Prof. Christoph Grabenwarter, Mitglied des Ausschusses 4
Grundrechte als unbestreitbarer Bestandteil des Verfassungsrechts. GR in der österreichischen Verfassung an zwei Hauptpunkten konzentriert: Staatsgrundgesetz 1867 und EMRK.
Die BRD hat sich vor 50 Jahren einen modernen GR-Katalog gegeben: knapp 20 Artikel am Beginn der Verfassung. Das deutsche Grundgesetz sieht sogar einen Teil vor, der auch durch eine 2/3-Mehrheit nicht veränderbar ist.
GB hat vor 5 Jahren einen human rights act beschlossen.
Die EMRK gewinnt immer mehr an Bedeutung, da andere Länder in der EU sie auch in ihre Verfassungen aufnehmen.
Zur Arbeit des Ausschusses: Zuerst zusammenführen, was von der jetzigen Verfassung bleiben soll. Dann beschließen, was als Neues hinzukommt.
Neuer GR-Katalog soll ein kurzer, prägnanter Text sein, der am Anfang der Verfassung steht. Kurzer, verständlicher Text fürs Entstehen eines Verfassungsbewusstseins wichtig.
Um die Rechtssicherheit zu erhalten, ist es wichtig, den gewachsenen Grundrechtsbestand zu belassen und nicht krampfhaft umzuformulieren.
Zu GR gibt es eine große judikative Leistung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Auf dieser aufbauen.
Probleme: Durch Abweisungspraxis des VfGH fallen Menschenrechte bei der Judikatur unter den Tisch. Keine Kontrollmöglichkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit durch den VfGH.
Erweiterung der GR angesichts gegenwärtiger Erfordernisse notwendig:
Z.b. bei Gesundheit aus dem Schutz der Privatsphäre GR auf Gesundheit ableiten.
Marlies Meyer
Wien, am 7. 10. 2003
Kurzprotokoll zu Staatsaufgaben und
Staatsziele
Konventworkshop am 3.102003
Univ.-Prof. DDr. Heinz Mayer berichtet von einem ersten Zwischenergebnis des Ausschusses: Die Mitglieder haben sich darauf geeinigt, die Frage rein verfassungsrechtlich anzugehen und von einer „umfassenden Aufgabenanalyse“ abzusehen. Derzeit enthält die Verfassung keinen expliziten Aufgabenkatalog. Will man einen solchen festschreiben, so verringert dies die Flexibilät des politischen Handelns. Was Staatsaufgabe ist, unterliegt einem Wandel. Bestes Beispiel dafür ist der Umweltschutz. Er persönlich will nur möglichst durchsetzbare Formulierungen in der Verfassung. Staatsziele sind allzu oft reine Alibiformulierungen, um die Öffentlichkeit zu beruhigen. Niemand weiß, was die Judikatur aus solchen Formulierungen dann macht. Man sollte daher in erster Linie schauen, die Grundrechte auszubauen. Dies gilt sowohl für die ökologische Sicherheit (Ausbau Art 8 MRK) als auch für die soziale Sicherheit.
Dem tritt Univ.-Prof. Dr. Bernd-Christian Funk entgegen. Es wäre sinnvoll, „Verantwortungsbereiche des Staates“ zu definieren, offen bliebe dabei, wer die Aufgaben tatsächlich erfüllt. Außerdem habe ein System von Staatszielen sehr wohl eine Steuerungskraft, da unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips dann im Einzelfall zu entscheiden sei.
Die DiskussionsteilnehmerInnen sind in dieser Frage gespalten (Mandak, Sburny, Petrovic, Hornyik, Burtscher eher für Staatsziele, Fritz, Meyer, Hartmann gegen Staatsziele). Konsens dürfte aber sein, dass die soziale Sicherheit zum Thema der Verfassung gemacht werden muss. Die einen setzen hier mehr auf Grundrechte, die anderen mehr auf Staatsziele.
Ennöckl meint, dass wenn, dann nur jene Staatsaufgaben aufgezählt werden sollten, die der Staat hoheitlich zu erledigen hat.
Aufgeworfen wird die Frage von Kriterien für Ausgliederungen (Meyer). Nach Mayer ist dies in erster Linie ein Thema für den Ausschuss 7. Dem VfGH ist positiv anzurechnen, dass er nach den Grenzen von Ausgliederungen sucht, auch wenn im Einzelfall dann die Kriterien recht überraschend sind.
Marlies Meyer
Wien, am 7. 10. 2003
Kurzprotokoll zu Staatliche Institutionen
Konventworkshop 3.10.2003
Univ.-Prof. Dr. Gerhart Holzinger erläutert die Themen des Ausschussmandats. Man wird im Ausschuss wohl darauf Bedacht nehmen, was politisch konsensfähig ist, wiewohl das nicht allein Richtschnur sein kann. Es geht darum, den goldenen Mittelweg zwischen Pragmatik und Utopie einzuschlagen.
Univ.-Prof. Weber spricht sich dafür aus, dass die Bundesverfassung den Bundesländern Mindeststandards vorgeben soll, die von den BL aber durchaus überschritten werden können. Eine wohlausgewogene Verfassungsautonomie der BL ist wichtig, will man nicht gleichgeschaltete Provinzen haben.
In der Diskussion werden insbesondere folgende Themen behandelt:
Wahlrecht und Verfassungsautonomie der BL: Der VfGH hat das Kärntner Wahlrecht als mit den Wahlgrundsätzen der Verfassung für vereinbar gehalten. Es könnte aber die Wahlgrundsätze derart präzisiert werden, dass auch für Kärnten die Einstiegshürde von 10% nicht mehr haltbar ist (Holzinger, Weber unter Verweis auf demokratische Mindeststandards).
Heindl verweist auf Studien, wonach die Auslandsösterreicherwahl eine hohe Fehlerquote hat. Sie unterstützt evoting. Mayer lehnt evoting ab, weil ihm nicht wohl ist beim Gedanken, dass die Leute zwischen Krone und News-Lesen schnell einmal ein Mausklick machen.
Bundesrat: Ennöckl verweist auf die deutsche Debatte, wo der Bundesrat als lähmend empfunden wird und über ein Zurückstutzen dessen Rechte nachgedacht wird. Nach Holzinger liegt das Hauptproblem des BR darin, dass er seine Rolle, die Länderinteressen an der Bundesgesetzgebung zu vertreten, nicht spielt. Man kann sich nun die Frage stellen, will man diese Mitwirkung überhaupt. Bejaht man dies, so wäre auch die Direktmitwirkung der Länder, wie sie in anderen Staaten gepflogen wird, ein gangbarer Weg. Zunächst ist die Frage der Kompetenzverteilung zu klären, dann die Organisation des BR und dann die Aufgaben des BR. Nach Mayer könnte man das suspensive Vetorecht des Bundesrats (das bringt bloß Verzögerung, aber nicht mehr) streichen und dafür das absolute Vetorecht wohlüberlegt etwas ausweiten. Rossmann: Wieviel Föderalismus verträgt der Kleinstaat Österreich?
Zur Verankerung der Landeshauptleutekonferenz in der Verfassung meint Holzinger, dass sich hier die LH selbst nicht einig sind, weil es natürlich auch durchaus komfortabel sei, nicht reglementiert zu sein.
Heindl fragt, ob nicht auch die Regelungen für Parteien zu reformieren seien. Sowohl Funk und als auch Mayer halten die geltenden Regelungen für ausreichend und warnen davor, Vorgaben für innere Struktur von Parteien zu schaffen.
Fritz und Mayer unterstreichen die Bedeutung der Finanzverfassung für das staatliche Gefüge.
Legalitätsprinzip: Holzinger ist da Traditionalist. Mayer und Holzinger verweisen darauf, dass VfGH ohnehin den Prüfungsmaßstab für Gesetze schon gelockert hat. Wenn die Gesetze weniger präzise sind, führt dies nur zu mehr Erlässen und Verordnungen und mehr Beschwerden bei den öffentlichen Gerichtshöfen, weil jeder etwas anderes aus dem Gesetz ableitet. Weber betont, dass die österreichische Mentalität immer nach Gesetzen ruft.
EU-Umsetzung: Petrovic wirft Problem der 10 Gesetzgeber auf. Nach Weber wäre Umsetzung durch Gliedstaatsverträge ohne spezielle Transformation eine Lösung. Holzinger gibt bei Umsetzung durch Verordnungen zu bedenken, dass derart die Parlamente ausgeschaltet werden. Meyer verweist darauf, dass dem Vorschlag zur Umsetzung von EU-Richtlinien direkt durch die Verwaltung das Verbot des Golden Platings (siehe DeregulierungsG und Konsultationsmechanismus) zugrunde liegt. So aber der nationale Spielraum bei EU-Umsetzung negiert wird. EU-RL stellen eben zumeist nur den Mindeststandard dar und der Gesetzgeber sollte entscheiden, in welcher Weise bloß der Mindeststandard oder doch mehr für Österreich gelten sollten.
[1] Vgl insb http://www.freedominfo.org .
[2] Gesetz über die Information der Bevölkerung (Informationsgesetz) vom 2.11.1993, BSG 107.1.
[3] Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz des Landes Brandenburg vom 10.3.1998, GVBl I Nr 4 vom 19.3.1998.
[4] Informationsfreiheitsgesetz des Landes Berlin, GVBl Nr 45 vom 15.10.1999.
[5] Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Schleswig-Holstein vom 9.2.2000, GVOBl 2000, 166.
[6] Vgl dazu sowie zu einem alternativen Professorenentwurf Schoch/Kloepfer, Informationsfreiheitsgesetz (2002).
[7] Vgl http://www.ofj.admin.ch/themen/oeffprinzip/intro-d.htm . In mehreren Kantonen steht die Beschlussfassung bevor bzw wurde das Dokumentenzugangsrecht in die Kantonsverfassung aufgenommen.
[8] Gesetz Nr 94-1724 vom 11.4.1994 über die Offenlegung von Informationen durch die Verwaltung.
[9] Gesetz Nr 621/99 über die Transparenz staatlichen Handelns.
[10] Gesetz 2690/1999 (Verwaltungsverfahrensgesetz), dessen § 5 den Zugang zu Dokumenten des Staates, der Kommunen und öffentlich-rechtlicher Einrichtungen regelt.
[11] Gesetz vom 31.10.1991 über den öffentlichen Zugang zu staatlichen Informationen.
[12] Gesetz 65/93 vom 26.8.1993.
[13] Kapitel 2 Pressefreiheitsgesetz von 1766 iVm Geheimhaltungsgesetz 1980, Nr 100.
[14] Gesetz Nr 30 vom 26.11.1992 über die Vorschriften für die öffentliche Verwaltung und die Verwaltungsverfahren.
[15] Gesetz Nr 572 vom 19.12.1985 über den Zugang zu Akten der öffentlichen Verwaltung.
[16] Gesetz Nr 78-753 vom 17.7.1978 über die Verbesserung der Beziehungen zwischen Verwaltung und Öffentlichkeit (Transparenz im Verwaltungsbereich) idF Gesetz 2000-321 vom 12.4.2000. Vgl außerdem Gesetz 2002-303 vom 4.3.2002 über den Zugang zu Krankenakten; sowie Gesetz Nr 78-17 vom 6.1.1978 über Datenverarbeitung, Akten und Freiheiten (betreffend den Zugang zu elektronisch gespeicherten Akten) sowie Gesetz Nr 79-18 vom 3.1.1979 über die Einsichtnahme in Archive.
[17] Freedom of Information Bill.
[18] Freedom of Information Act, Nr 13/1997.
[19] Gesetz Nr 241 von 7.8.1990 über den Zugang zu Verwaltungsdokumenten.
[21] Vgl etwa § 5 BundesberufungskommissionsG („die in Ausübung der Tätigkeit bekannt gewordenen Umstände“).
[22] Vgl etwa § 82 ArzneimittelG; § 30 Abs 5 DatenschutzG 2000; § 12 Land- und forstwirtschaftliches BetriebsinformationssystemG; § 29 UmweltverträglichkeitsprüfungsG 2000.
[23] Vgl etwa § 14 AusschreibungsG („Inhalt und Auswertung der Bewerbung“); § 51 GlücksspielG („Spieler und deren Gewinn/ Verlust“).
[24] So zB § 8 Europa-WählerevidenzG oder § 5 WählerevidenzG („Namen der Einspruchswerber“). Vgl auch § 19 Flugunfall-UntersuchungsG („im Interesse der Untersuchung“ statt „zur Vorbereitung der Entscheidung“).
[25] Wichtigstes Beispiel dafür ist die „Entbindung“ von Organwaltern von der Verschwiegenheitspflicht im Einzelfall. Vgl außerdem § 13 Abs 1 AmtshaftungsG; § 11 Abs 1 OrganhaftpflichtG; § 46 Abs 3 und 5 Beamten-DienstrechtsG; § 33 Abs 3 und 5 Landeslehrer-DienstrechtsG; § 38 Abs 2 BankwesenG; § 14 FinanzmarktaufsichtsbehördenG; § 30 Abs 5 DatenschutzG 2000; § 33 Abs 3 GehaltskassenG; § 59 Abs 7 ArbeiterkammerG; § 46 TierärzteG; § 74 Abs 3 VerfassungsgerichtshofsG; § 23 Abs 7 VersicherungsaufsichtsG; § 69 WirtschaftskammerG; § 47 ZiviltechnikerG.
[26] So zB § 8 Europa-WählerevidenzG oder § 5 WählerevidenzG; § 107 Abs 5 Beamten-DienstrechtsG (Verschwiegenheitspflicht des Disziplinaranwalts).
[27] So zB §§ 46 Abs 1 und 66 Abs 1 Beamten-DienstrechtsG, §§ 33 Abs 1 und 42 Abs 1 Landeslehrer-DienstrechtsG, §§ 33 Abs 1 und 42 Abs 1 Land- und forstwirtschaftliches Landeslehrer-DienstrechtsG, § 5 Abs 1 VertragsbedienstetenG, §§ 13 und 14 FinanzmarktaufsichtsbehördenG; § 4 VolkszählungsG; § 69 WirtschaftskammerG.
[28] Vgl etwa §§ 77 Abs 6 und 82 Abs 5 EisenbahnG („entsprechend Art 20 Abs 3 B-VG zur Verschwiegenheit verpflichtet“).
[29] Vgl zB § 33 AbfallwirtschaftsG; § 5 AusfuhrförderungsG; § 15 AußenhandelsG; § 14 Austro Control GesmbH-G; §§ 31 und 31a BerufsausbildungsG; § 41 BewertungsG; § 28 BewährungshilfeG; § 4 BodenschätzungsG; § 17a BundeshaushaltsG; § 9 Chemiewaffenkonvention-DurchführungsG; § 44 DatenschutzG 2000; § 7 ElektrizitätsförderungsG; § 26 EnergielenkungsG; § 21 FernwärmeförderungsG; § 61 GaswirtschaftsG; § 8 GewerbestrukturverbesserungsG; § 130 KraftfahrG; § 9 PublizistikförderungsG; § 7 RichtwertG; § 29 UmweltverträglichkeitsprüfungsG 2000.
[30] Vgl etwa § 22 Agrarmarkt Austria-G; § 225m AktienG; § 3 Allgemeine Dienstvorschrift für das Bundesheer; § 16 AltlastensanierungsG; § 5 ArbeitsinspektionsG; § 115 ArbeitsverfassungsG; § 54 ÄrzteG; § 14 Austro Control GesmbH-G; § 38 BankwesenG; §§ 6 und 8 BetriebspensionsG; §§ 7a, 28 und 29 BewährungshilfeG; § 13 BlutsicherungsG; § 4 BörsesensaleG; § 17 Bundesrechenzentrum GmbH-G; § 17 BundesstatistikG; § 28 Energie-RegulierungsbehördenG; § 14 EntwicklungszusammenarbeitsG; § 12 Europäisches Patentübereinkommen; § 2 FamilienberatungsförderungsG; § 14 FinanzmarktaufsichtbehördenG; § 10 GenossenschaftsrevisionsG; § 71 GentechnikG; § 9 Gesundheits- und ErnährungssicherheitsG; §§ 119 und 130 Gewerbeordnung; § 6 Gesundheits- und KrankenpflegeG; § 51 GlücksspielG; § 275 Handelsgesetzbuch; § 6 HausbesorgerG; § 2 Hausgehilfen- und HausangestelltenG; § 7 HebammenG; § 9 JugendwohlfahrtsG; § 8 KardiotechnikerG; § 37 NationalbankG; § 37 Notariatsordnung; § 17 PatentanwaltsG; § 13 PreisG; § 14 PsychologenG; § 15 PsychotherpieG; § 9 Rechtsanwaltsordnung; § 9 RechtspraktikantenG; § 8 SanitäterG; § 11 SektenfragenG; § 6 StärkeförderungsG; § 22 TabakmonopolG; § 42 UniversitätsG 2002; § 91 WirtschaftstreuhandberufsG.
[31] Vgl etwa § 7 ElektrizitätsförderungsG; § 61 HeimarbeitsG; § 118 LandarbeitsG.
[32] Soweit ihnen nicht durch entsprechende Gesetzesbeschlüsse bereits Rechnung getragen wurde. Wurde ein Antrag mehrmals eingebracht, wird er nur einmal erwähnt.
[33] BGBl 1995/45.
[34] Die Umsetzung der RL 96/61/EG sollte bis 30. 10. 1999 erfolgen. Schon allein der Bund überzog diese Frist. So wurde zB die entsprechende Gewerbeordnungsnovelle erst am 20. 8. 2000 verlautbart (BGBl I 2000/88). Die Kommission rügte mit Schreiben vom 2.3.2002 (C(2002)993), dass die bis zu diesem Zeitpunkt erlassenen IPPC-Gesetze der Länder nicht ausreichend seien bzw in einigen Ländern überhaupt Umsetzungsakte von offen seien. Das Vertragsverletzungsverfahren ist noch anhängig.
[35] Gemäß dem Vierten Jahresbericht über die Durchführung und Durchsetzung des Umweltrechts der Gemeinschaft 2002 (SEK (2003) 804), veröffentlicht am 7. 7. 2003, ist Österreich beim Ranking der fehlerhaften oder unvollständigen RL-Umsetzung mit 14 offenen Verfahren Schlusslicht (siehe Tabelle Fälle von Nichtübereinstimmung nach Mitgliedstaaten auf S 48).
[36] Mit Erkenntnis vom 15. 3. 1986 hob der VfGH Vorschriften „zur sinnvollen Nutzung von Energie“ in der Gewerbeordnung auf (VfSlg. 10.831/1986). Das Gebot, „Energie effizient zu nutzen“ im aktuellen § 71 a Abs 1 Zif 2 GewO hätte nur als Verfassungsbestimmung Bestand. Die einfachgesetzliche Regelung wurde von Abgeordneten zum Nationalrat nach Art 140 B-VG im Juni 2002 beim VfGH angefochten. Andererseits machte die Bundesregierung gegen die umfassenden Regelungen in IPPC-Gesetzesvorschlägen der Länder Wien und Stmk. wegen Eingriff in die Bundeskompetenz Luftreinhaltung und Wasserrecht verfassungsrechtliche Bedenken geltend (siehe zuletzt 18. Ministerratssitzung im August 2003).
[37] Siehe Regierungsvorlage zur B-VG-Novelle 1994, 1706dBeil, 18.GP.
[38] Regierungsprogramm der Österreichischen Bundesregierung für die XXII. GP, Kapitel 1.
[39] Siehe www.konvent.gv.at.
[40] Siehe dazu grundsätzlich Heinz Peter Rill, Staatsaufgaben aus rechtlicher und rechtspolitischer Sicht, in Michael Potacs/Paolo Rondo-Brovetto, Beiträge zur Reform der Kärntner Landesverwaltung (2001) 9 ff und Karl Korinek, Staatsrechtliche Bedingungen und Grenzen der Ausgliederung und Beleihung, ÖZW 2000, 46.
[41] Zuletzt am 8. 2. 2000, Initiativantrag Nr. 83(A), 21. GP.
[42] Art 37 der Grundrechtscharta ist nicht als Grundrecht formuliert: „Ein hohes Umweltschutzniveau und die Verbesserung der Umweltqualität müssen in die Politik der Union einbezogen und nach dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung sichergestellt werden.“
[43] The Right to a Healthy Environment in the European Union, Report of a Working Group established by the European Environmental Law Association (Chair and Project Coordinator: Michael Bothe).
[44] Siehe zB VfGH vom 28. 6. 2001, VfSlg. 16.241/2001: Nach Auffasung des VfGH ist es dem Landesverfassungsgesetzgeber verwehrt, neben dem regulär repräsentativen Gesetzgebungsverfahren die Möglichkeit einer „Volksgesetzgebung“ vorzusehen, da dies dem repräsentativ-demokratischen Baugesetz der Bundesverfassung widerspreche. Siehe dazu kritisch Anna Gamper, Direkte Demokratie und bundesstaatliches Homogenitätsprinzip, ÖJZ 2003, 24.
[45] Siehe die Anregung zur Neufassung von Art 141 Abs 3 B-VG bei Franz Merli, Rechtsprobleme des Volksbegehrens in Bundes- und Landesgesetzgebung, JBl 1988, 85, damit der Landesgesetzgeber den VFGH zur Prüfung des Ergebnisses und des Verfahrens von Volksbegehren berufen könnte und allenfalls auch anderen Stimmberechtigten als der/dem Bevollmächtigten des Volksbegehrens die Anfechtung der Ergebnisfeststellung eingeräumt werden könnte.
[46] Gemäß Art 23 e B-VG kann der Nationalrat dem zuständigen Mitglied der Bundesregierung für sein Abstimmungsverhalten im Rat quasi einen Auftrag erteilen, wenn es sich um eine Angelegenheit handelt, die durch Bundesgesetz umzusetzen sein wird oder unmittelbar wirksam sein wird.
[47] Auf Vorschlag der Grünen sieht die Geschäftsordnung in §11 zumindest die Möglichkeit vor, dass mit Vertreter/inne/n von gesellschaftlichen Organisationen und Interessensvertretungen ein Hearing veranstaltet wird.
[48] Siehe § 3 Abs 1, § 10, § 19 und § 21 Abs 3 der Geschäftsordnung des Konvents.
[49] Siehe Begründung zur Auslagerung der Wertpapieraufsicht, RV zum WertpapieraufsichtG 369dBeil, 20.GP): Die Wertpapieraufsicht sei erforderlich, weil eine funktionsfähige Bundesdienststelle nicht errichtet werden könne, da ausreichend qualifiziertes Personal durch den Bund oder das Land nicht rekrutiert werden könnte und die nötige EDV-Ausrüstung in der Staatsverwaltung nicht rechtzeitig eingerichtet werden könnte.