Die Diskussion über das Verhältnis der drei Höchstgerichte zueinander im österreichischen Verfassungssystem beschäftigt auch die Richter des OGH und des VwGH. Zum einen steht das für den österreichischen Rechtsbereich nicht geregelte, auf der Judikatur des EUGH basierende Problem der Staatshaftung auch im Fall der Entscheidung von Höchstgerichten zur Lösung an. Zum zweiten werden Fragen der Verfassungskonformität der von OGH und VwGH angewendeten Rechtsvorschriften sowie der Wirksamkeit des Grundrechtsschutzes releviert. Dem Grundgedanken folgend, dass Bewährtes nicht verändert werden soll, wenn nicht Besseres an seine Stelle gesetzt werden kann, ist vor allem im Hinblick auf die unter­schiedlichen Aufgabenstellungen der einzelnen Höchstgerichte, dem auch die jeweiligen Systeme der Berufung der Entscheidungsorgane in ihr Amt Rechnung tragen, an dem sowohl rechtlich als auch politisch ausgewogenen System grundsätzlicher Gleichrangigkeit[1] der drei verschiedenen Höchstgerichte festzuhalten.

 

 

 

 

Die Sektion Höchstgerichte der Vereinigung der österreichischen Richter hat

zum Verhältnis VfGH – VwGH – OGH am 9. Februar 2004 einstimmig nachstehenden Beschluss gefasst:

 

 

 

 Der Österreich-Konvent wird ersucht folgende Anregungen zu berücksichtigen:

 

 

 

 

I.  Zur Staatshaftung wäre eine verfassungsrechtliche Festlegung erforderlich, die Folgendes umfassen sollte:

 

1.      Ausgehend davon, dass auch der VfGH selbst von Staatshaftungsansprüchen betroffen sein kann, ist schon aus der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung heraus und um die praktischen Erfahrungen aus allen Bereichen einzubringen, ein besonderes, von allen drei  Höchstgerichten verschiedenes Entscheidungsorgan zu schaffen („Gemeinsamer Staatshaftungssenat“)[2]. Als Alternative könnte auch vorgesehen werden, dass jedes der Höchstgerichte für sich - bei Ausschluss der vorbefassten Richter - entsprechende „Staatshaftungssenate“ einrichtet; dazu müsste die Struktur des VfGH adaptiert werden.

2.      Im Hinblick auf die eigenständige Kompetenz jedes der betroffenen Höchstgerichte hat eine die Staatshaftung bejahende Entscheidung nur nach Einholung einer Vorabentscheidung zu erfolgen.

3.      Die Höhe des Schadens ist dann, wenn die Partei im anspruchsbegründenden Verfahren keine konkrete Anregung auf Einholung einer Vorabentscheidung gestellt hat, mit dem Schaden zu begrenzen, der allenfalls trotz Einholung einer Vorabentscheidung und einer anderen Entscheidung im Vorverfahren entstanden wäre.[3]

4.      Ein Regress wäre von einer vorangehenden strafrechtlichen Verurteilung abhängig zu machen.[4]

5.      Zur Schadensvermeidung für den Bund und zur effektiven Rechtsverwirklichung für die Geschädigten ist für das Einbringen einer allfälligen Staatshaftungsklage eine möglichst kurze Klagefrist zu setzen. Diese Klage sollte auch die Funktion eines „Subsidiarantrages“ an den Staatshaftungssenat auf Einholung einer Vorabentscheidung haben. Ergibt dieses Vorabentscheidung eine von jener des Höchstgerichtes im Vorverfahren abweichende Rechtsansicht, so müsste der Geschädigte binnen gesetzlicher Frist einen Wiederaufnahmeantrag im Vorverfahren stellen.

 

II.  Zur Frage der Verfassungskonformität der von diesen beiden Höchstgerichten angewendeten Rechtsvorschriften sowie zur Frage der Wirksamkeit des Grundrechtsschutzes könnten folgende Systemänderungen überlegt werden:

 

1.      Das bewährte Konzept der bereits im Bereich des Grundrechtes auf persönliche Freiheit wirksamen Grundrechtsbeschwerde an den OGH könnte im Sinne einer umfassenden Grundrechtsbeschwerde ausgebaut werden. Davon könnte auch der Schutz Dritter vor Grundrechtseingriffen in der Hauptverhandlung erfasst sein.[5]

2.      Die derzeit nur Rechtsmittelgerichten zustehende Berechtigung, ein Gesetzprüfungsverfahren vor dem VfGH anzustrengen, sollte auf alle Gerichte ausgedehnt werden.

3.      Für den Fall der Ablehnung einer konkreten Anregung eines solchen Verfahrens im Rechtsmittel könnte den betroffenen Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit eines subsidiären Anfechtung des Gesetzes beim VfGH eingeräumt werden (Subsidiarantrag). Im Falle einer Aufhebung des Gesetzes wäre den Parteien ein Antrag auf Wiederaufnahme bzw Erneuerung des Verfahrens (vgl § 363a StPO) binnen gesetzlicher Frist einzuräumen. Bei bürgerlichen Rechtssachen hätte das Gericht im Hinblick auf den stets damit verbundenen Nachteil für den Antragsgegner bei der Entscheidung über die Wiederaufnahme auch die Grundsätze des Vertrauensschutzes zu beachten. Die Einführung eines solchen Subsidiarantrages setzte aber die dargestellte klare Festlegung zu den Staatshaftungsansprüchen voraus (vgl I.1 bis I.5).[6]

 

III.  Die Anlassfallwirkung (Art 140 Abs 7 B-VG etc) sollte zumindest auf all jene im Zeitpunkt der Entscheidung des VfGH schon bei Gericht anhängigen Rechtssachen erstreckt werden, in denen eine Partei die Verfassungswidrigkeit bereits geltend gemacht hat.

 

 

 

Unter Berücksichtigung des unverrück­baren Grundsatzes der Unabhängigkeit der Richter lässt sich im übrigen eine optimale Gerichtsorganisation und ein optimales Richterbild nicht abstrakt, sondern nur bezogen auf die jeweiligen ‑ unterschiedlichen ‑ Aufgaben bestimmen.

 

Die ordentliche Gerichtsbarkeit hat die konkrete Anwendung der Produkte des politischen Prozesses (Gesetze, Verordnungen)[7] gegenüber dem einzelnen Staatsbürger zum Ziel. Hier liegt der wesentlichere Ausgangspunkt beim einzelnen Staatsbürger[8]. Es muss den Kri­terien der Objektivität und Interessenneutralität besonderes Gewicht zugemessen werden. Die Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit sind hauptberufliche Berufsrichter, unterliegen strengen Nebenbeschäftigungsverboten und einer ausgeprägten Disziplinargerichtsbarkeit. Dem entsprechen auch die sogenannten „Salzburger Beschlüsse“ der Richtervereinigung, die es den Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit zur Aufgabe machen, sich jedem An­schein einer politischen Vereinnahmung zu entziehen[9]. Der Besetzungsvorgang ist un­politisch.

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Beim Verfassungsgerichtshof geht es hingegen im wesentlichen um die Kontrolle der Gestaltungsbefugnisse der politischen Kräfte ‑ auch in Abgrenzung zum einzelnen Bürger ‑ anhand der Meta-Ebene Verfassung. Die allgemein[10] als “politisch” besetzt[11] eingestuften Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes sind als solche keine Berufsrichter und können diese Tätigkeit als Nebenamt[12] ausüben. Bei der Bewertung und Kontrolle der generellen Normsetzung sind Informationen, welche durch eine stärkere Kenntnis des politischen Willensbildungsprozesses politisch klar integrierten aber unabhängigen Entscheidungs­trägern zukommen, höher zu bewerten.[13] Die ausgewogene Repräsentanz der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen ist für die Lösung ihrer Aufgabenstellung nicht nachteilig. Probleme hinsichtlich des gleichen Zugangs zum Recht könnten jedoch dort auftreten, wo auch gegen Individualinteressen zu entscheiden wäre (Ehescheidung eines Bundes­ministers).

 

Die Unterschiede in der Auswahl und der Berufsstellung zwischen Richtern der ordent­lichen Gerichtsbarkeit und Mitgliedern von Verfassungsgerichten sind kein öster­reichi­sches Phänomen, sondern sind auch als Ergebnisse einer weltweiten Studie der Internatio­nalen Richtervereinigung[14] dokumentiert.

 

Ein weiterer wesentlicher Aspekt jeder Staatsorganisation ist die Gewaltenteilung, deren gelungener Ausgleich sich nicht dort zeigt, wo gerade „ideale“ Organwalter tätig sind, son­dern die auch für den schlechtesten Organwalter noch erhebliche Anreize enthält, seine Machtbefugnisse weder zu überschreiten noch zu missbrauchen. Vereinfacht dargestellt obliegt bisher die konkrete Gesetzesanwendung und –auslegung ausschließlich den Berufsrichtern des OGH und VwGH, während die Kontrolle des politischen Prozesses und dessen allfälliges Eingreifen in die Grundrechte des einzelnen Staatsbürgers zu­gunsten dieser einzelnen Staatsbürger den nebenberuflichen[15] Mitgliedern des Ver­fassungsgerichtshofes zukommt. Dem Verfassungsgerichthof sind aber grundsätzlich keine Kompetenzen eingeräumt, zu Lasten einzelner Staatsbürger Entscheidungen zu fällen, wie dies etwa im Zivilprozess zwangsläufig zu erfolgen hat.

 

Anzustreben sind weiters klare Kompetenzabgrenzungen. Die Prüfung konkreter Einzelfälle im Zivil- und Strafrechtsbereich ist den ordentlichen Gerichten vorzubehalten. Die Prüfungskapazitäten des Verfassungsgerichtshofes bei der generellen Abwägung von allgemeinen – typischerweise gegenläufigen ‑ generellen Interessen sind im Bereich Normenprüfung optimal einzusetzen. Eine differenzierte Gerichtsorganisation bringt eine unter den Aspekten der gewaltenteilenden und rechtsstaatlichen Grundprinzipien über­zeugendere Aufgabenerfüllung. Jeder Eindruck einer Vermengung der Staatsgewalten soll vermieden werden. Generelle und individuelle Normsetzung sollen auch dem An­schein nach nicht in einer Hand vereint sein[16].

 

 

STAATSHAFTUNG

 

Bei der Haftung für legislatives Unrecht ist die vom Verfassungsgerichtshof und OGH entwickelte Kompetenzabgrenzung dahin, dass die Zuständigkeit des VfGH dort gegeben ist, wo die Rechtswidrigkeit unmittelbar dem Gesetz zuzurechnen ist[17], in ihrer Linie über­zeugend.[18] Allenfalls könnten hier noch geringfügige Klarstellungen überlegt werden.

 

Problematisch ist jedoch der vom EuGH postulierte Staatshaftungsanspruch für die Ent­scheidung von Höchstgerichten aus Verletzungen des Gemeinschaftsrechts.[19] Für diese ist grundsätzlich in § 2 Abs 3 AHG ein Haftungsausschluss vorgesehen, weil jede Prozess­kette einmal ein Ende haben muss[20]. Deshalb ist ein „Grenzorgan“ zu bestimmen ‑ dies ist nach Art 92 B-VG in Zivil- und Strafsachen der OGH.[21] Ein wesentliches Argument in diesem Zusammenhang ist es, dass ja auch ein allfälliger Amtshaftungsanspruch aus einer höchstgerichtlichen Entscheidung letztlich wieder von einem Höchstgericht überprüft werden müsste und so zu einem „Zirkel“ führe, was die Balance der Höchstgerichte empfindlich stören würde.[22]

 

Der EuGH lässt grundsätzliche Unterschiede zwischen der Gerichtsbarkeit und den anderen Staatsgewalten unbeachtet:

 

1.      Die Gerichtsbarkeit hat keine Interessen zu verfolgen, vielmehr wird für ihre Tätigkeit “archetypisch“ vorausgesetzt, dass sie keinerlei eigenen Interessen bei ihrer Ent­scheidungspraxis hat und durch die Art der Entscheidungssituation auch nicht dazu ge­bracht werden soll, eigene Interessen zu verfolgen.

2        Die Verurteilung zu Schadenersatz setzt aber die Beurteilung eines Verhaltens als rechtswidrig voraus. Dies ist der Gerichtsbarkeit vorbehalten. Die anderen Staatsgewalten können die Beurteilung nicht übernehmen, so wie die Gerichtsbarkeit etwa nicht die Gesetzgebung übernehmen kann. Die Gerichtsbar­keit kennt vielmehr interne Kontrollmechanismen - den Instanzenzug. Dieser hat aber, schon nach alter Tradition (Roma locuta causa finita), ein Ende. Eine interne Kon­trolle der obersten Instanzen ist strukturell nicht möglich, weil sie ihnen den Charakter als oberste Instanz nehmen würde und schon zur Orientierung der Rechtssuchenden eine Instanz vorhanden sein muss, die klare Leitlinien vorgibt. Es ist dieser Struktur wesensfremd, strukturell – also nicht nur bei geringfügigen Streitigkeiten ‑ statt Rechtmittelmöglichkeiten Schaden­ersatzansprüche einzuführen (Schadenersatz statt Ehe oder Obsorge­recht).

3        Sobald gegen die Entscheidungen der obersten Instanz eine weitere „Beschwerde­möglichkeit“ gerade in Form von Schadenersatzansprüchen vorgesehen wird, muss diese weitere „Instanz“ die Richtlinienfunktion in befriedigender Form übernehmen können, was aber gerade durch Haftungsentscheidungen schwer möglich ist. Die Ein­führung von „Grobprüfungs­kalkülen“ (Denkunmöglichkeit, Willkür etc) ist nicht ge­eignet, der vorgeschalteten Instanz eine Richtlinienfunktion zu ermöglichen, da sie nicht weiß, wie diese Kalküle von der nachgeschalteten Instanz ausgefüllt werden.[23]

4        Die Entscheidung des EuGH stellt einen unzulässigen Eingriff in die innerstattliche Organisationsbefugnis dar. Es gibt keinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz, der es einem Staat verbieten würde, nur ein Höchstgericht mit einem einzigen Spruch­körper vorzusehen. Dieses könnte aber hinsichtlich eines Verfahrens über einen Schadenersatzanspruch aus seiner eigenen (behauptetermaßen) gemeinschaftswidrigen Entscheidungen den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an ein „Gericht“ nie entsprechen. Damit zwingt der EuGH im Ergebnis die Mitgliedstaaten, die Gerichtsbarkeit so zu organisieren, dass sich zumindest 2 Spruchkörper hinsichtlich der Gemeinschafts­rechtskonformität ihrer Entscheidungen kontrollieren.

 

Das Dilemma liegt schlichtweg darin, dass der EuGH von der einzelnen Partei nicht ange­rufen werden kann, also keine Rechtsmittelmöglichkeit besteht. Das Gemeinschaftsrecht hat hier also bewusst eine Grenze der subjektiven Rechtdurchsetzung gezogen. Grund­sätzlich zutreffend ist es aber, dass letztlich der EuGH zur Entscheidung von strittigen Aus­legungs- oder Gültigkeitsfragen hinsichtlich des Gemeinschaftsrechts „objektiv“ zuständig ist, das Vorabendscheidungsverfahren also der objektiven Rechtsfortbildung[24] im Wesent­lichen aus dem objektiven Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsentwicklung dient. Die letzte objektiv zur Auslegung zuständige Rechtsinstanz ist hier mit der letzten subjektiv vom einzelnen Bürger anrufbaren Instanz nicht ident. Die Judikatur des EuGH, die dieses Bau­element der Gerichtorganisation der Gemeinschaft „umgeht“ und über die Schaffung sub­jektiver „materieller“ Rechte bewusste formelle Durchsetzungsschranken überspielt, schafft tiefgreifende Strukturprobleme.

 

Es ist auf die Erfahrungen aus dem angloamerikanischen Recht zu verweisen. Im Fall Bradley v. Fisher wurde die Immunität der Richter wie folgt begründet: „Judges should be permitted to administer the law under protection of the law, independently and freely, with­out favour and without fear. This provision of the law is not for the protection or benefit of a malicious or corrupt judge, but for the benefit of the public, whose interest it is that judges should be at liberty to exercise their function with independence, and without fear of conse­quences.”[25]

 

Die Argumentation des VfGH, dass es sich bei den Staatshaftungsansprüchen aus Ent­scheidungen um keine nach dem AHG zu entscheidenden Ansprüche handelt, weil § 2 Abs 3 AHG Ersatzansprüche aus Entscheidungen der Höchstgerichte ausschließe und eine Nicht­anwendung von § 2 Abs 3 AHG nur dann in Frage komme, wenn das Ziel nicht anders, hier also über die Zuständigkeit des VfGH nach Art 137 B-VG, erzielt werden könne[26], lässt sich wohl am leichtesten aus dem Ergebnis erklären. Im Folgenden wendet der VfGH das AHG auch wieder analog an. Die überwiegende Literatur geht davon aus, dass die Geltend­machung auf Grundlage der bestehenden Aufgabenteilung vor den ordentlichen Gerichten zu erfolgen hätte.[27] Schadenersatzansprüche Privater aus rechtswidrigem Verhalten – um die es sich hier zweifelsfrei handelt - gehören wohl zum Kernbereich der bürgerlichen Rechtssachen, die nach § 1 JN mangels anderer Regelung den ordentlichen Gerichten zugewiesen sind.[28] Das Gemeinschaftsrecht ist aber so wie das nationale Recht Maßstab für die Beurteilung einer allfälligen Rechts­widrigkeit (Schadenersatz). Soweit das – vorrangige ‑ Gemeinschaftsrecht einem materiel­len Haftungsausschluss entgegensteht, greift eben die Haftung für rechtwidriges Ver­halten, ohne dass sich an der formellen Kompetenz zur Entscheidung über diese Schadenersatzansprüche etwas ändern würde.[29] [30] Im Rahmen der gebotenen verfassungs­konformen Interpretation wäre im Hinblick auf den zivilrechtlichen Charakter[31] der Staats­haftungsansprüche auch Art 92 B-VG zu beachten, wonach der Oberste Gerichtshof in Zivil- und Strafrechtssachen die oberste Instanz ist.[32] Die Judikatur des VfGH widerspricht im Er­gebnis auch dem Grundsatz, dass es einen Rechtszug vom OGH an eine andere Behörde nicht geben darf.[33] Den sonstigen Verfahrensabgrenzungen widerspricht auch das Ergebnis, dass für die gleichen Ansprüche je nach der Streitwerthöhe einmal für die Beurteilung der Staatshaftung die Zivilgerichte zuständig sind, das andere Mal, wenn wegen des höheren Streitwertes schon im Vorverfahren der OGH angerufen werden konnte, der VfGH als erste und letzte Instanz. Praktisch gesehen sind die Schwierigkeiten bei der Feststellung kon­kreter Schadenersatzansprüche zu beachten. Es ist auf die Literaturmeinungen zu ver­weisen, wonach es eine Diskriminierung darstellen könnte, keinen Instanzenzug vorzu­sehen.[34] Der Verweis des VfGH auf die Kompetenzkompetenz nach Art 138 B-VG könnte insoweit einer Relativierung unterliegen, als sich die Frage stellen könnte, ob der VfGH bei Schadenersatzklagen betreffend sein eigenes Verhalten der konkreten Mitglieder über­haupt als Gericht im Sinne des vorrangigen Gemeinschafts­rechts anzusehen wäre.[35] Gerade der VfGH, der in wesentlichen Fragen als ein Spruchkörper zu entscheiden hat, erfüllt den Gerichtsbegriff insoweit am wenigsten, da wohl kein durch die gleichen Richter besetztes Gericht über Schadenersatzansprüche aus deren eigenem Fehlverhalten ent­scheiden kann. Wenngleich die Bewertung der Entscheidung des VfGH durch die Literatur als „verblüffende und extreme Arrogation [36]“ wohl zu drastisch formuliert ist, muss die An­nahme des VfGH hinsichtlich seiner Zuständigkeit zur Entscheidung über Staatshaftungs­ansprüche aus Entscheidungen von Höchstgerichten auf Grund der bestehenden Gesetzes­lage abgelehnt werden.

 

Wesentlich scheinen vor allem die praktischen Probleme:

 

1.  Die Amtshaftungsverfahren haben sich in den letzten 15 Jahren mehr als verdoppelt. Zuerkannt wurden ca 195 Mio EUR. Die wichtigsten Entscheidungen konnten aber bisher gar nicht zum Gegenstand einer Amtshaftung gemacht werden, weil wegen ihrer Be­deutung regelmäßig ein Rechtszug an ein Höchstgericht offen stand.[37] Es konnten Amts­haftungsansprüche aus Entscheidungen der Berufungsgerichte in Verfahren, deren Streit­wert über den Untergrenzen der Revision (4000 EUR bzw 20.000 EUR) lagen, nie ent­stehen.[38] In Hinkunft wird gerade im Zivilrechtsbereich in finanziell besonders schwer­gewichtigen Angelegenheiten die Staatshaftung releviert werden können. Irgendein gemeinschaftsrechtlicher „Aufhänger“ wird sich gerade in einem immer dichter werdenden Gemeinschaftsrecht immer finden. Die Entwicklung der Judikatur des EuGH ist nicht prognostizierbar. Auch Entscheidungen des VfGH können schwer vorhergesagt werden. Dabei kann nicht auf die momentan eher „großzügige“ Entscheidungslinie des VfGH abge­stellt werden, da der VfGH dann, wenn er diese Kompetenz einige Zeit innehat, gedrängt werden wird, diese mit zunehmenden Inhalt aufzufüllen, obwohl er geradezu systembedingt in diesen Bereichen kaum über praktische Erfahrungen verfügt.

 

2.  Es wird durch diese neuen Staatshaftungsansprüche für OGH/VwGH eine eindeutig inkonsistente Entscheidungssituation geschaffen. Jenes Gericht, das durch seine jahre­lange praktische Erfahrung und besondere Zusammensetzung – etwa die Laienrichter­beteiligung in Arbeits- und Sozialrechtssachen ‑ qualifiziert in letzter Instanz bestimmte Rechtsfragen zu entscheiden hat, muss damit rechnen, dass ein nach völlig anderen Kriterien für völlig andere Aufgaben und Arbeitsmechanismen besetztes anderes Gericht, das dazu sonst keine praktischen Erfahrungen sammeln kann, unvorhersehbar darüber entscheidet, ob das eigentlich zuständige Höchstgericht eine „vertretbare Rechtsansicht“ hatte. Dies alles noch dazu in vom OGH/VwGH typischerweise zu entscheidenden schwer­gewichtigen Fragen, bei denen zwar zutreffender Weise verschiedene Rechtsansichten ver­treten werden können, aber die Ausfüllung des schadenersatzrechtlichen Kalküls der „Ver­tretbarkeit“ völlig in der Hand dessen liegt, der über den Schadenersatzanspruch zu ent­scheiden hat. Das Ergebnis kann daher vom OGH nie vorausgesehen werden. Das bedeutet praktisch:

 

a.       Das eigentlich zuständige Gericht wird in einer völlig unklaren Entscheidungs­situation gelassen, weil weder eine Judikatur des Staatshaftungsgerichts vorliegt noch diese nach der innerstaatlichen Kompetenzverteilung maßgeblich wäre;

b.      Das Gericht wird in seiner Entscheidungsfindung mit „eigenen Interessen“ be­frachtet, weil es auch danach trachten könnte, in seiner Begründung die Möglichkeit der Ableitung allfälliger Staatshaftungsansprüche gering zu halten; es wird also genau der „offene“ Zugang zerstört, der für richterliche Entscheidungen essentiell ist;

c.       Verzerrungen könnten auch insoweit eintreten, als das Gemeinschaftsrecht regel­mäßig „partiellen“ Charakter hat, also nur Zielrichtungen in eine bestimmte Richtung vorgibt („Warenverkehrsfreiheit“; „Arbeitnehmerschutz“), aber Rechtsgebiete nicht ab­schließend im Sinne einer umfassenden Abwägung aller Interessen regelt; das Gericht, das dann zugunsten dieser Zielrichtung entscheidet, ist „auf der sicheren Seite“; es könnte damit aber ein Anreiz für eine sachlich inadäquate und andere – vielleicht auch gerade nationale ‑ Interessen benachteiligende Entscheidungen geschaffen werden.

d.      Die Einengung der Entscheidungsmöglichkeiten des OGH wird die Ausfüllung der Richtlinienkompetenz beeinträchtigen und damit aber insgesamt die Unsicherheit in den Verfahren erhöhen.

 

3.  Gerade die „Unsicherheitssituation“ durch ein nachgeschaltetes Gericht mit völlig anderem Charakter könnte auch zu einem überproportionalen Ansteigen der Vorab­entscheidungsverfahren und damit zu erheblichen Verfahrensverzögerungen führen.

 

4.  Erpressbarkeit von Höchstrichtern: Auch durch die unberechtigte Androhung von Regressansprüchen oder deren „Thesaurierung“ könnte versucht werden die Entscheidungs­findung zu beeinflussen, da die Höhe möglicher Schäden unbegrenzt ist, es sich nicht um nach gleichen Kriterien für die gleichen Aufgaben geschaffene Gerichte handelt und eine Orientierungsmöglichkeit an der Judikatur des VfGH schon praktisch mangels Existenz und theoretisch im Hinblick auf die eigene Verantwortung des OGH/VwGH als Höchstgericht ausgeschlossen ist.

 

5.  Letztlich könnte eine Neuregelung der Rechtsstellung der Mitglieder des VfGH zu er­örtern sein. Es könnte unter den Verfahrensgarantien des Art 6 EMRK, aber auch dem Gerichtsbegriff des Gemeinschaftsrechts problematisch scheinen, wenn etwa Mitglieder großer Anwaltskanzleien oder an diesen wirtschaftlich Beteiligte als Mitglieder des Ver­fassungsgerichthofes über die Richter zu Gericht sitzen, die sonst über ihre Anträge zu ent­scheiden haben. Die Ablehnungen von VfGH-Mitgliedern ist nicht möglich.[39]

 

 

 

VERFASSUNSKONFORMITÄT ‑ WIRKSAMKEIT DES GRUNDRECHTSSCHUTZES

 

 

Zum in den letzten Jahren wiederholt relevierten Thema der Einführung einer sogenannten „Grundrechtsbeschwerde[40] – die offensichtlich alle letztinstanzlichen Gerichtsentscheidungen (auch LG und OLG) erfassen soll - ist darauf zu verweisen, dass dies im Hinblick auf den allein vom VfGH dann aufzufüllenden „Grobprüfungsraster“ der Grundrechte („Sachlichkeit“; „Denkunmöglichkeit“ etc) auf eine völlige Unterstellung der gesamten Gerichtsbarkeit unter den VfGH hinaus liefe.[41] Dies könnte als eine Schwächung des gewaltentrennenden[42] Prinzips und auch des rechtsstaatlichen Prinzips gesehen werden. Die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes sind einerseits wegen der geringeren Determinierung seines Prüfungsmaßstabes (Verfassung), aber andererseits auch wegen des anderen Grund­verständnisses schwerer vorhersehbar.[43] Bereits bisher sind alle Gerichte zum Grundrechtsschutz berufen und verpflichtet, sodass nur eine weitere Instanz hinzukommen würde.

 

Der überwiegende Bezug auf das individuelle Rechtsverhältnis spricht insbesondere in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten dagegen, in letzter Instanz den von seiner Besetzung und seinem Selbstverständnis auf die Kontrolle der politischen Willensbildung der Gemeinschaft ausgerichteten Verfassungsgerichtshof einzusetzen, wenn es nicht darum geht, die Gesetze als solche in Frage zu stellen. Es stellen sich auch die Fragen der Machtkonzentration und der Stabilität. Bisher erfolgt nicht nur eine fachorientierte Verteilung auf drei Höchstgerichte, sondern auch auf verschiedene Senate. Mit einer sehr schmalen Spitze könnten im Rahmen eines kaum festgelegten Entscheidungsermessens (Sachlichkeitsgebot; Denkmöglichkeit etc) alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens kontrolliert und die Schwergewichte durch eine einzige Neubesetzung geändert werden.[44] Plakativ könnte das Problem damit umschrieben werden, dass der gleiche Gerichtshof nicht über den Gesetzesbeschluss für ein neues Scheidungs­recht und die Ehescheidung des Bundesministers entscheiden soll. Während bisher dem VfGH nur die Möglichkeit offen steht, gesetzgeberische Akte aufzuheben, sodass dann wieder der Gesetzgeber am Zuge ist, könnte er dann in einer sehr weiten „verfassungskonformen“ Interpretation auch den Inhalt ändern.[45] Die Bedeutung der politischen Gestaltungsbefugnisse des Parlaments und die Möglichkeit der Bürger, sich am Gesetzeswortlaut zu orientieren, würde abnehmen.

 

Zum immer wieder von den Befürwortern gebrachten Beispiel der Verfassungsbeschwerde nach Art 93 des deutschen Grundgesetzes ist vorweg darauf zu verweisen, dass die Voraussetzungen in Deutschland und Österreich unterschiedlich sind. Aber selbst in Deutschland, in dem naturgemäß das eigene System hochgehalten wird, werden Probleme deutlich, etwa wenn die Zugangsjudikatur als unüberschaubar bezeichnet wird.[46] Teilweise sind die Verfahren mehr als ein halbes Jahrzehnt allein beim BVerfG anhängig. Zum Vergleich mit Deutschland ist auch auf die höheren Verfahrenskosten, die geringe Erfolgsquote (ca 2,5 %)[47], die strukturellen Unterschiede, sowie die auch in den anderen Höchstgerichten zumeist bestehende klare politische Ausrichtung hinzuweisen.[48]

 

In der Organisation sind folgende Unterschiede relevant:

 

Deutsches Bundesverfassungsgericht:                 VfGH

Hauptberuflich                 Nebenberuflich

2 Senate (Intraorgankontrolle)                 1 Senat

6 Richter aus den Richtern der anderen Höchstgerichte                 Kaum Berufsrichter

Amtszeit höchstens 12 Jahre                 Bis zum 70 Lebensjahr

 

Ein vergleichbares System wie in der BRD findet sich noch in Spanien.[49]

 

In den meisten anderen Staaten[50] gibt es jedoch keine Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen der ordentlichen Gerichte (so offensichtlich in Frankreich Schweiz, Irland Griechenland, Belgien[51], Luxemburg, Italien). In Portugal scheint ebenfalls keine generelle Zuständigkeit des dort bestehenden Verfassungsgerichts zur Überprüfung von Gerichtsentscheidungen zu bestehen. Art 280 lässt einen Rechtsbehelf gegen Gerichtsentscheidung im Wesentlichen nur insoweit zu, als es um die Beurteilung der Verfassungswidrigkeit einer Norm geht. Der Hinweis auf jeweils das eine oder andere System beruht bloß auf dem persönlichen Geschmack, der meist von der fachlichen Herkunft bestimmt ist.[52]

 

Praktische Probleme:

 

1. Mit der Einführung einer Verfassungsbeschwerde gegen letztinstanzliche Entscheidungen der ordentlichen Gerichte wäre eine enorme Mehrbelastung des Verfassungsgerichtshofes mit ca 3000 zusätzliche Verfahren verbunden.[53] Es geht im zivil- und im strafrechtlichen Bereich um die Kernbereiche der Existenz der einzelnen Staatsbürger, weshalb die „Kampf­bereitschaft“ sehr hoch ist. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem Verfassungs­gerichtshof sind im Verhältnis zu den Kosten eines durchschnittlichen Zivilverfahrens, das schon bis zum Obersten Gerichtshof geführt wurde[54], relativ gering. Die Erfolgsaussichten sind schwer einschätzbar. Bei Fragen der „Sachlichkeit“ und „Denkmöglichkeit“ handelt es sich häufig in Wahrheit um Bewertungsfragen, die von Richtern mit völlig anderer „Provenienz“ und anderem „Selbstverständnis“ als in der ordentlichen Gerichtsbarkeit auch anders gesehen werden können. Daher kann auch die Prämisse nicht geteilt werden[55], dass allein die gründliche Befassung der ordentlichen Gerichte mit diesen Fragen die Parteien schon abhalten werde. Hinzu kommt, dass der VfGH in Materien, in denen er bisher mit Fragen des Gesetzesvollzuges nicht befasst war, anrufbar wäre. Gerade zu Beginn wären daher, dann ja noch zu den zahllosen Fragen in diesen Bereichen eine Judikatur des VfGH fehlt - noch mehr Verfahren und Belastungen zu erwarten.[56] Es ist anzunehmen, dass diese Mehrbelastung mit zahlreichen neuen Verfahren aus neuen Materien auch zu einer völligen Neuordnung und Aufstockung des VfGH führen muss, wenn nicht wesentliche Entscheidungen auf die Ebene der häufig erst am Anfang ihrer Berufslaufbahn stehenden wissenschaftlichen Mitarbeiter verlegt werden sollen.

 

2. Da unter den Kriterien „Denkunmöglichkeit“, „Willkürverbot“ „Sachlichkeit“ regelmäßig vom VfGH sämtliche Fragen der Gesetzesauslegung aufgegriffen werden, ist damit zu rechnen, dass dadurch in die durch die Judikatur des Obersten Gerichtshofes über Jahrzehnte entwickelten Systeme der verschiedene Zivil- und Strafrechtsbereiche eingegriffen werden wird. Dies wird ‑ wie sich etwa zuletzt im Zusammenhang mit der Judikatur des VfGH zum Familienlastenausgleichsgesetz und der Unterhaltsberechnung zeigt ‑ einerseits zu schwierigen Anpassungsfragen führen. Andererseits werden die Rechtsmittel insgesamt steigen, weil ja nunmehr sämtliche Fragen neu ausgetestet werden können[57], was zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen wird.

 

3. Es wäre zwangsläufig eine Verzögerung im Ausmaß von zumindest ein[58] bis zwei Jahren verbunden. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der VfGH selbst ja keine Sachentscheidung fällt, sondern selbst in jenen Fällen, in denen er eine Grundrechtsverletzung bejahte, die Sache nur wieder an die Gerichte zurückzuverweisen hätte.  Unabhängig davon, ob aber nun der Verfassungsgerichtshof tatsächlich zu einer Aufhebung der letztinstanzlichen Entscheidung der ordentlichen Gerichte kommt, bleibt für den Staatsbürger, der vor den ordentlichen Gerichten gewonnen hat, für einen sehr erheblichen Zeitraum die Ungewissheit, ob er sich dieses Ergebnisses tatsächlich erfreuen darf. Die Einrichtung einer solchen zusätzlichen Instanz ist also auch immer eine Entscheidung gegen den, der im Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit gewonnen hat.

 

4. Der Entlastungseffekt, der für den OGH mit den Begründungserleichterungen des § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO[59] geschaffen wurde, wäre wohl in Frage gestellt, da nicht klar ist, wie dann der – mit solchen Fragen ja auch nicht so häufig befasste ‑ Verfassungsgerichtshof die Begründung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, die nach außen nicht existiert, etwa auf ihre „Denkmöglichkeit“ überprüfen sollte. Eine Mehrbelastung ist zu erwarten.

 

5.  Schwer vermittelbar wird auch sein, warum in vielen Fällen zwar der Instanzenzug an den OGH ausgeschlossen ist (Kostengründe, Beschleunigungseffekte), aber trotzdem die „Urteilsbeschwerde“ an den VfGH möglich sein sollte.

 

6. Letztlich wäre der VfGH bei Einführung der Urteilsbeschwerde dann in den von ihm beanspruchten „Staatshaftungsklagen“ aus höchstgerichtlichen Entscheidungen regelmäßig „Richter in eigener Sache“. Könnte, doch in der Urteilsbeschwerde entsprechend der Judikatur des VfGH[60] die Unterlassung der Einholung eines Vorabentscheidungsersuchens als Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrechtes auf den „gesetzlichen Richter“[61] nach Art 83 Abs 2 B-VG geltend gemacht werden. Verneint der VfGH im Hauptverfahren aus Anlass einer Urteilsbeschwerde die Vorlagepflicht, so müsste er im nachfolgenden „Staathaftungsverfahren“ auch über die Richtigkeit seiner eigenen Entscheidung befinden.

 

Im Bereich der Gesetzeskonkretisierung kann auch unter Beachtung der Entscheidungen des EGMR[62] wohl keinesfalls ein Bedarf gesehen werden, den (neben dem EGMR und dem EuGH) zumeist drei Instanzen an Zivilgerichten bzw zwei Instanzen im Strafverfahren noch eine weitere Instanz hinzuzufügen[63]. Durch die Vorabentscheidungsverfahren werden ohnehin schon erhebliche Verfahrensverzögerungen bewirkt. Dies sollte nicht durch eine weitere „Instanz“ noch verstärkt werden. In den weiten Bereichen des auch europarechtlich gesicherten Grundrechtsschutzes wäre die Einführung der Urteilsbeschwerde an den VfGH auch nur die Einführung einer weiteren Zwischeninstanz vor dem letztlich zuständigen EGMR, wobei die bisherige Erfolgsbilanz des VfGH sich nicht als signifikant besser erweist als jene der ordentlichen Gerichte. Es geht wohl über die Grenzen eines „erlebbaren“ Rechtsschutzsystems hinaus, wenn sich schließlich mit der gleichen Frage sechs, allenfalls sogar sieben (Sozialrechtssachen) „Instanzen“ zu befassen haben (SV-Träger, drei Instanzen ordentliche Gerichtsbarkeit, VfGH, EuGH, EGMR – „Turmbau zu Babel”). Sieht man von den Fragen der generellen Normenkontrolle ab, so müsste im Standardfall davon ausgegangen werden, dass die ordentlichen Gerichte die Grundrechte, zu deren Schutz sie ja besonders berufen sind, nicht beachten und Gesetze „denkunmöglich“ oder „willkürlich“ anwenden. Dazu ist darauf zu verweisen, dass die ordentlichen Gerichte, die tagtäglich mit den Rechtsproblemen in den entsprechenden Materien betraut sind, wohl regelmäßig über ausreichend Erfahrung verfügen, um die Gesetze „sachlich“ adäquat zur Wahrung der Grundrechte  anzuwenden.



[1]   Dabei geht es nicht um „Rangfragen“,  sondern um den Ausdruck einer Gewaltenteilung und einer     entsprechend der jeweils überwiegenden Bedeutung der zu entscheidenden Fragen  vorgenommenen aufgabenspezifische Organisation, die zwar allenfalls Verfahren zu trennbaren Verfahrensgegenständen (Gesetzesprüfungsverfahren, Vorabentscheidungsverfahren) zwischenschaltet, sonst aber nach“Rechtsstreitigkeiten“ die Verantwortungsbereiche klar zuordnet.

[2]    vgl den „Gemeinsamen Senat“ entsprechend Art 95 Abs 3 des deutschen Grundgesetzes; vgl ferner zum „Austrägalsenat“ RGBl 37/1875 - je vier Richter; Vorsitz Präsident des OGH.

[3]       EuGH 5.3.1996, Rs. C-46/93 und C-48/93, Brasserie du Pêcheur, Slg 1996 I-1029 Rz 90: Die Rechtschutzmöglichkeit wird bei der Schadensermittlung berücksichtigt.

[4]       Es empfiehlt sich eine dem § 839 Abs 2 des deutschen BGB vergleichbare Regelung, wonach eine Haftung des Richters nur dann besteht, wenn die Pflichtverletzung eine Straftat darstellt.

[5]       Die Einführung des Grundrechtsbeschwerdegesetzes und des Strafprozessänderungsgesetzes 1993 erfolgte mit den Stimmen aller Parteien. Der OGH wurde mit Zustimmung der Vertreter des VfGH unter Hinweis auf die „Balance der drei Höchstgerichte“ „zu einem Verfassungsgericht ausgebaut“ - JAB zum Grundrechtsbeschwerdegesetz, 852 BlgNr 18. GP 1 f.

[6]       Allenfalls könnte überlegt werden, den Parteien diesen Antrag über einen entsprechenden Beschluss des Gerichts schon während des Verfahrens zu ermöglichen. Die Balance der Höchstgerichte wäre dadurch nur dann beeinträchtigt, wenn für die Staatshaftung keine adäquate Lösung gefunden werden kann. Im Wesentlichen stellt sich gerade für den Zivilrechtsbereich die Frage, inwieweit die Politik in diesem Bereich unmittelbar dem Beurteilungsprimat des VfGH begegnen möchte (vgl zur Vielfalt der Fragestellungen etwa die von Firlei aufgeworfene Frage der Verfassungskonformität bestimmter Betriebsvereinbarungen im Hinblick auf die Koalitionsfreiheit: Firlei, Flucht aus dem Kollektivvertrag, DRdA 2001, 221 ff.

[7]       Vgl zum Recht als Kompromiss der gesellschaftlichen Kräfte etwa Reissner, Richterliche Unabhängigkeit, Tendenzen in Österreich und in Europa, RZ 2003, 41 ff.

[8]       Vgl zur „ewigen“ Diskussion um die Abgrenzung zwischen Öffentlichem Recht und Privatrecht schon Kelsen, Allgemeine Staatslehre 81 ff.

[9]       Vgl zum überparteilichen Standesbewusstsein etwa Birgitt Haller, RichterInnen in Österreich, Juridikum 2002, 177.

[10]     Vgl etwa profil 2.12.2002, 20.

[11]     In einem politisch vernetzten System muss nun die starke Zuordnung von politischen Aufgaben immer dazu führen, dass die Besetzung neben der fachlichen Qualifikation auch nach politischen Kriterien erfolgt Vgl dazu etwa Schernthanner, Der Verfassungsgerichtshof und seine Unabhängigkeit, ÖJZ 2003/35.

[12]     Vgl etwa Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht9 442; Die Arbeitstechnik ist auf die Lösung allgemeiner Abwägungsfragen und nicht auf eine Detailarbeit des Referenten selbst am Akt zugeschnitten („Nebenamt“, drei wissenschaftliche Mitarbeiter pro Referenten).

[13]     Die adäquate Lösung der aufgeworfenen Fragen anhand der “groben” Kalküle der Verfassung ist auch erschwert allein im Akteninhalt zu finden.

[14]     Vgl Abravanel in A TREATISE ON COMPARED JUDICIAL ORGANIZATION, IAJ 1999, 373.

[15]     Vgl zur Problematik etwa Art 7 der Universal Charter of Judges.

[16]     Koja, Allgemeine Staatslehre 126, 139.

[17]     Vgl VfGH 6.3.2001, A 23-27/00, VfSlg 16.017; VfGH 7.10.2003, A 11/01-24 (Privatfernsehen) ‑ VfGH zuständig, wenn mangels Umsetzung Ermächtigung für Vollzugsorgan fehlt; vgl OGH 1 Ob 146/00b; dazu auch Korinek, Zur Zuständigkeit zur Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen aus Gemeinschaftsrecht, in FS Weißmann (2003) 427); ähnlich auch P. Burgstaller, Staatshaftung ‑ Zuständigkeit der Zivilgerichte oder des VfGH, ecolex 2001, 878; EuGH 5.3.1996, Rs. C-46/93 und C-48/93, Brasserie du Pêcheur, Slg 1996 I-1029 Rz 20: unmittelbare Wirksamkeit reicht nicht aus, um Haftung zu vermeiden.

[18]     Kritisch allerdings Schwarzenegger, Ausgewählte Probleme der Staatshaftung nach Gemeinschaftsrecht, JBl 2001, 164, der meint, es müsste ebenfalls einen Instanzenzug geben, um keine „Diskriminierung gegenüber sonstigen AHG-Ansprüchen zu bewirken“. Dem kann aber entgegengesetzt werden, dass Tatfragen weitgehend nur zur Frage der Höhe des Schadens zu klären sind. Insoweit könnte vielleicht eine Übertragung an die AHG-Gerichte erfolgen.

[19]     Vgl EuGH 30. 9. 2003, Rs C- 224/01, Köbler.

[20]     Vgl etwa Vrba/Zechner, Kommentar zum Amtshaftungsrecht 189.

[21]     SZ 70/260 uva.

[22]     Vgl etwa Schragel, Kommentar zum Amtshaftungsgesetz3 266.

[23]     Sowohl der Generalanwalt des EuGH Léger in seinem Schlussantrag in der Rs Köbler Rz 133 ff als auch etwa der Präsident des VfGH Univ.-Prof Dr. Korinek am Juristentag (30.9.2003) haben dies betont.

[24]     Vgl etwa Schwarzenegger, Ausgewählte Probleme der Staatshaftung nach Gemeinschaftsrecht, JBl 2001, 164 – aus der Unterlassung einer Vorlage kann keine Haftung entstehen.

[25]     Ähnlich auch die Immunität in vielen anderen Ländern, etwa Canada RS Prefontaine v. Gosman [2000] A.J. No. 307, Justice Jones, at para. 39; Orland Garnett-v-Ferrand (1827) 6 B & C 611, 266.

[26]     Vgl VfGH 10.10.2003, A 36/00; ähnlich Korinek, Zur Zuständigkeit zur Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen aus Gemeinschaftsrecht, in FS Weißmann (2003) 429.

[27]     Vgl Kucsko-Stadlmayer in Korinek/Holoubek[Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht Art 23 Rz 46 mwN.

[28]     Vgl etwa zur ständigen Judikatur des VfGH, wonach die ordentlichen Gerichte für Schadenersatzansprüche zuständig sind MGA ZPO/JN15 § 1 JN E 43; VfSlg 3459, VfSlg 6512, VfSlg 10.045, VfSlg 11.263.

[29]     Etwa in der Entscheidung betreffend die Telekom-Control Kommission haben sowohl EuGH als auch VfGH selbst bei dem gemeinschaftswidrigen formalrechtlichen Ausschluss einer Zuständigkeit die Kompetenz der sonst zuständigen Behörde bejaht - EuGH 22.5.2003, Rs C-462/99, Connect Austria; VfSlg 15.427. Umso mehr muss dies gelten, wenn ein Anspruch nur materiellrechtlich eingeengt wird.

[30]     Auch widerspricht die Ansicht, dass diese Eratzansprüche nicht zivilrechtliche Schadenersatzansprüche wären, die von den Zivilgerichten zu entscheiden sind, etwa der Judikatur zu den Ersatzansprüchen nach der EMRK, vgl SZ 58/142 mwN.

[31]     Vgl Kucsko-Stadlmayer aaO (FN 21) Art 23 Rz 7, insbes unter Verweis auf VfSlg 5519/1967 und VfSlg 3062/1956; Wilhelm, Staatshaftung: Gerichtszuständigkeit nach Verletzungs-Dignität, ecolex 2003, 809.

[32]     Art 23 B-VG über die Amtshaftungsansprüche kann dem schon deshalb nicht entgegenstehen, weil ja auch im AHG die Kompetenz der ordentlichen Gerichte festgelegt ist.

[33]     Vgl Korinek in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht Art 92 B-VG Rz 14.

[34]     Vgl Schwarzenegger aaO (FN 12) FN 11.

[35]     Vgl zum Erfordernis der Entscheidung durch ein „Gericht“ im Sinne des Art 6 EMRK etwa EuGH 25. 7. 2002 Rs C-50/00, Agricultores Rz 38 und 41; vgl dazu, dass selbst ein Untersuchungsrichter von der Entscheidung im Strafverfahren ausgeschlossen war, etwa EGMR 26.10.1984, A/86, Rs De Cubber = EuGRZ 1985, 407. Hier kämen nur die 6 Ersatzmitglieder zur Entscheidung in Betracht (vgl zum verminderten Präsenzquorum bei Art 137 B-VG: statt 8 nur 4, § 7 Abs 2 lit a VerfGG). Die Kompetenzfeststellung nach Art 138 Abs 1 lit b B-VG benötigt überhaupt ein Präsenzquorum von 8 Stimmführern (vgl § 7 VerfGG).

[36]     Vgl Wilhelm, Staatshaftung: Gerichtszuständigkeit nach Verletzungs-Dignität, ecolex 2003, 809.

[37]     Die gemäß § 2 Abs 3 AHG haftungsbefreite Entscheidung des OGH deckt die Entscheidungen der Vorinstanzen weitgehend ab – vgl etwa Vrba/Zechner aaO 189.

[38]     Vgl etwa OGH 25. 6. 2002 1 Ob 147/02b, JBl 2003, 46.

[39]     Vgl § 12 VerfGG.

[40]     Vgl etwa Korinek, Grundrechte und Verfassungsgerichtsbarkeit, 333; Korinek, Für eine umfassende Reform der Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts, in FS Koja (1998) 298 f.

[41]     Es entspricht die Einschätzung Korineks, dass die Spruchpraxis des VfGH in Beschwerdeverfahren am Einzelfall orientiert ist (FS Koja) – was dazu führt, dass nur ca 50% der Beschwerden abgelehnt werden (BRD 98%) ‑ aber auch den Erfahrungen der Mitglieder von Art 133 Z 4 B-VG‑Behörden.

[42]     Die Gewaltenteilung in der neueren Staatslehre wird nicht bloß anhand der Unterscheidung der Funktionen von Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung diskutiert, sondern auch schlicht als Aufteilung der Macht auf verschiedene Organkomplexe (vgl Koja, Allgemeine Staatslehre 142) .

[43]     Vgl Korinek in seinem Antrittsinterview im Mittagsjournal am 14.12.2002; ebenso die Lehre: Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht9 560; Walter, Die Funktion der Höchstinstanzen im Rechtsstaat Österreich, RZ 1998, 58 ff.

[44]         E. Loebenstein hat unter Hinweis auf den Bestand von drei Höchstgerichten die Überordnung des VfGH sogar als gefährlich bezeichnet – 1. ÖJT 1961 Bd II/2, 35.

[45]    Zu § 12a FLAG vgl VfSlg 16562,  das Wort „nicht“ wurde vorweg „weginterpretiert“.  Der Nachteil      

       gegenüber einer Aufhebung des Gesetzes liegt bei der verfassungskonformen Interpretation nicht nur darin,

       dass der „Ball“ vorweg nicht beim politische verantwortlichen Parlament („Einigungsdruck“; umfassende

       Neuregelung)  liegt, sondern auch dass nicht klar ersichtlich ist, ab welchem Zeitpunkt  nun die

      „Neuregelung“ gelten soll. 

[46]     Vgl Sturm in Sachs, Grundgesetz2 Art 93 Rz 70.

[47]     Von ca 110.000 Verfassungsbeschwerden waren nach dem Bericht der Kommission zur Entlastung des Bundesverfassungsgerichtes (S 148) rund 2500 erfolgreich.

[48]     Vgl im Übrigen zum deutschen Richterbild auch Wassermann, Die richterliche Gewalt 11.

[49]     Vgl Art 53 Abs 2 und Art 161 Abs 1 lit b der Spanischen Verfassung.

[50]    Teilweise kennen diese nicht einmal die Einrichtung eines eigenen Verfassungsgerichtshofes.

[51]     Allerdings scheint hier für den strafrechtlichen Bereich nach der Aufhebung eines Gesetzes, auf das sich ein Urteil stützte, eine Aufhebungsmöglichkeit zu bestehen - vgl allg Starck/Weber, Verfassungsgerichtsbarkeit in Westeuropa.

[52]     Dass es kein allgemein Rechtswirklichkeit gewordenes Bezugssystem gibt, hat Walter auch wissenschaftlich belegt - vgl Walter, Die Funktion der Höchstinstanzen im Rechtsstaat Österreich, RZ 1999, 58 ff.

[53]     In der BRD machen die von den Zivil-, Straf-, Arbeits- und Sozialgerichten kommenden Verfasssungsbeschwerden 80 %, jene von den Zivilgerichten aber allein schon über 60 % der Verfassungsbeschwerden aus. Derzeit hat der VfGH aus den Verwaltungsbereichen (BRD: Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit – ca 20%) schon ca 2.500 Verfahren, sodass rein rechnerisch ca 10.000 Verfahren anzunehmen wären. Dies berücksichtigt aber nicht den Umstand, dass die Anfechtung im Verwaltungsbereich in der BRD durch die Verwaltungsgerichte gemindert wird. Auszugehen ist von ca 15 ‑ 20.000 letztinstanzlichen Entscheidungen (LG,OLG OGH). Es scheint eine Anfechtungsquote von 10 bis 20 % realistisch.

[54]     Bei einem Streitwert von 50.000 €, der bis zum OGH ausgefochten wird, wohl auf beiden Seiten zusammen in der Regel mindestens ebenfalls 50.000 € ‑ VfGH TP 3C doppelt + Gebühren, jedenfalls weniger als 5.000 €.

[55]     Korinek in FS Koja (1998) 298.

[56]     Gerade für den zivilrechtlichen Bereich ist auch darauf hinzuweisen, dass etwa bei der Beurteilung von „gemischten“ Vertragsverhältnissen nur im Rahmen einer umfassenden Erörterung überhaupt festgestellt werden kann, ob und inwieweit die gesetzlichen Regelungen eines bestimmten Vertragstypus oder eines anderen Vertragstypus zur Anwendung gelangen. Es lässt sich also auch die Präjudizialität von gesetzlichen Bestimmungen, gerade wenn diese vom Gericht anders als vom Beschwerdeführer beurteilt werden, vom Verfassungsgerichtshof nur schwer einschätzen, ohne schon wieder in einfachgesetzliche Auslegungsfragen einzugreifen.

[57]     Irgendein Anknüpfungspunkt zu einem Grundrecht (selbst wenn man die Frage der Drittwirkung der Grundrechte ausklammert) wird dabei zumeist behauptet werden können.

[58]     Vgl den Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes für 2001: 10 Monate + 6 Wochen Beschwerdefrist.

[59]     Danach bedürfen die Verneinung einer Mangelhaftigkeit oder Nichtigkeit des Berufungsurteils ebenso wie die Zurückweisung einer außerordentlichen Revision keiner Begründung.

[60]    Vgl etwa grundlegend VfSlg 14.390; ferner VfSlg 16.174 uva.

[61]   Unter dem Aspekt des „gesetzlichen Richters“ , der hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit  ein    

       „Feinprüfungskalkül“ hat  (vgl etwa VfSlg 11.033 uva), wären im Übrigen etwa sämtlich gerichtliche

         Zuständigkeitsfragen (BG-LG; ASG-LG etc) vom VfGH neue durchzujudizieren. 

[62]     Auch bei einer statistischen Betrachtung der Verurteilungen durch den EGMR bietet sich kein Anlass, den VfGH zur Wahrung der Grundrechte aus der EMRK dem OGH vorzuziehen. Finden sich nach den vorliegenden Statistiken doch bei Verfahren nach Entscheidungen des OGH nicht mehr Verurteilungen als nach jenen des VfGH. Verfahren, die als solche aus dem Bereich des VfGH ausgewiesen werden: Bei 41 Verfahren 23 Verurteilungen, somit ca 56%; Verfahren, die als solche aus dem Bereich des OGH ausgewiesen werden: bei 57 Verfahren 25 Verurteilungen, daher ca 44%. Der tatsächliche „Anteil“ des jeweiligen Höchstgerichts an der Verurteilung (etwa wegen langer Verfahrensdauer) ist aber viel schwieriger   zu beurteilen. Es kann aber bei der Häufigkeit der Verurteilungen  kein Vorteil zugunsten des VfGH festgestellt werden. Hinzu kommt, dass die Verfahren vor den ordentlichen Gerichten wegen ihrer massiven Bedeutung für den einzelnen Betroffenen wohl tendenziell auch anfechtungsgefährdeter sind.

[63]     Vgl zum Nachweis: Steininger, Empfiehlt es sich, die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes durch Einführung einer umfassenden, auch die Akte der Gerichtsbarkeit erfassenden Individualbeschwerde zu erweitern? Verfassungstag 1994, 14 ff.