Grüner Klub
im Parlament
Wien, 17. Juni 2004
Arbeitspapier zur
„Reform der Verwaltung“ – Partizipation der
Bürgerinnen und Bürger
im Rahmen des Österreichkonvents
Das dem Ausschuss 6 zugewiesene Mandat umfasst auch den Themenbereich der Partizipation im Bereich der Verwaltung:
Auszug aus dem Mandat des Ausschusses 6:
„Vollzugskompetenzen und Strukturen der Organe der
Verwaltung in Bund, Ländern und Gemeinden, insbesondere auch unter dem
Gesichtspunkt (...) der Bürgerinnen- und Bürgernähe (insbesondere
Partizipation).“
„II. Instrumente der Verwaltungsführung insbesondere
durch integratives Gesamtkonzept (Methoden des New Public Managements)
Folgende Themen sind zu beraten:
...
5. Partizipation der Bürgerinnen und Bürger“.
In Ergänzung des Mandats soll der Ausschuss unter anderem einen
Vorschlag zur Frage ausarbeiten, ob ein Effizienz- bzw Effektivitätsgebot
verfassungsrechtlich verankert werden soll. Dieser Vorschlag soll auf den
bereits vorgelegtem Textvorschlag für ein erweitertes verfassungsrechtliches
Effizienzgebot aufbauen und unter anderem den Punkt Partizipation
berücksichtigen.
Inhaltsverzeichnis:
Individuelle
Interessen – Allgemeininteressen
Direkte
Beteiligung und Beteiligung durch Verbände
II. Entwicklungen
international und insbesondere auf EU-Ebene
III. Verfassungsrechtliche
Reformaspekte
1. Verankerung
einer „Partizipationsbestimmung“ in der Verfassung
Einordnung
in den Verfassungstext
Legalitätsprinzip
und Partizipation
2. Transparenz
der Verwaltung als essentielle Voraussetzung für Partizipation
Zu
den bisher vorgelegten Vorschlägen
Aktueller
Bedarf nach Schaffung von Verbandsklagebefugnissen
Reformbedarf
auf Verfassungsebene
Als Mitglied der Europäischen Union steht Österreich aktuell inmitten eines internationalen und europaweiten Trends zu einem intensiveren Einsatz von Instrumenten der Öffentlichkeitsbeteiligung. (Vgl Überblick unter Pkt II)
Diese Entwicklung ist aktiv mitzuvollziehen und umzusetzen. An den Verwaltungsreformprozess wird - auch auf Grund dieser europäischen Entwicklungen - die Forderung nach stärkerer Bürgerbeteiligung (Partizipation) und Transparenz des Verwaltungshandelns gerichtet.
Partizipation in Bezug auf die Verwaltung soll vielfältige Funktionen erfüllen. Die rechtspolitische Diskussion darüber kann mit den folgenden Schlagworten umrissen werden:
- Stärkung der demokratischen Legitimation der Verwaltung,
- Rückbindung des Verwaltungshandelns an Wertungen und Präferenzen der Gesellschaft;
- Sicherung von Transparenz und Akzeptanz verwaltungsbehördlicher Maßnahmen,
- Verringerung von Informationsdefiziten staatlicher Entscheidungsträger,
- Ermöglichung von effektiver Kontrolle und (vorverlagertem) Grundrechtsschutz.
In der rechtswissenschaftlichen Diskussion werden - wegen ihrer unterschiedlichen demokratietheoretischen und verfassungsdogmatischen Bedeutung - prinzipiell drei Formen der Bürgermitwirkung an der Ausübung der Staatsgewalt unterschieden, wenngleich die Übergänge als fließend anerkannt werden:
[Vgl Pernthaler, Raumordnung und Verfassung,
341ff; in Bezug auf die Parteistellung Mayer, Bürgerbeteiligung zwischen
Rechtstaat und Demokratie 44f; die beide die Unterscheidung zwischen
Rechtsschutz und demokratischer Mitwirkung (politischer Teilhabe) betonen]
§ Plebiszitäre Rechte
§ Rechtstaatliche Parteirechte
§ Informations-, Mitwirkungs- und Kontrollbefugnisse wie insbesondere:
- Anhörungs- und Begutachtungsrechte
- Auskunftsrechte,
-
Einbindung der Bürger in
Verwaltungsverfahren betreffend umweltrelevante Vorhaben („Bürgerbeteiligungsverfahren)
insbesondere durch Öffnung der Parteistellung für Initiativgruppen und
nichtstaatliche Organisationen Verbandsklagebefugnisse zur Durchsetzung („halb-
“) öffentlicher Interessen.
Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Aufgabenfelder und Handlungsformen der Verwaltung weisen Intensität und Ausgestaltung der Bürgerbeteiligung demnach ein breites Spektrum auf, das wie folgt illustriert werden kann:
- Einräumung von Parteistellung und Klagebefugnissen an Einzelne und Verbände
- Gewährleistung von Informationsrechten
- Einbindung der Öffentlichkeit in die Vorbereitung von Politikprogrammen, Verordnungsentwürfen, Regierungsvorlagen
- Erarbeitung von Standards der Konsultation und Information der Öffentlichkeit
- Nutzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien
(zB Internetkonsultation)
- Anerkennung und Förderung von Verbänden
- Kapazitätsbildung durch Schulung der für Partizipationsprozesse erforderlichen Management- und Kommunikationsqualitäten in der Verwaltung
Die rechtspolitische Diskussion um Partizipation umfasst nicht allein Maßnahmen zur Geltendmachung konkreter individueller Rechte. Den Bürgerinnen und Bürgern sollen insbesondere auch Informations- und Beteiligungsrechte eröffnet werden, die weniger einem spezifisch individuellem Interesse, sondern stärker der Geltendmachung von Allgemeininteressen dienen. Die bürgerschaftliche Beteiligung im Dienst überindividueller Interessen wird besonders in jenen Bereichen diskutiert und verwirklicht, in denen individuelle und öffentliche Interessen verschwimmen, wie zB im Verbraucherschutz oder in der präventiven Umweltvorsorge.
Die verschiedenen Formen der Partizipation beziehen sich in vielfältiger Weise auf „den Bürger“:
Die bürgerschaftliche Beteiligung kann sich unmittelbar auf Einzelne beziehen (Rechtsunterworfene, Staats- oder Unionsbürger).
Bürgerinnen und Bürger werden aber auch als Mitglieder der organisierten Zivilgesellschaft adressiert.
Mit dem Begriff Zivilgesellschaft werden in der
EU-Terminologie insbesondere „Sozialpartner“, Berufsverbände,
Nichtregierungsorganisationen, Kirchen, sonstige Organisationen über die sich
Bürger am öffentlichen Leben beteiligen, erfasst.
Ø
Partizipation und Transparenz sind als
Leitmotiv der Verwaltung („good governance“) auf EU Ebene etabliert.
Ø Die EU wirkt mit zahlreichen Rechtsakten als „Motor“ für:
-
Informationsfreiheit
-
transparente
Konsultationsprozesse
-
Beteiligung der Öffentlichkeit bei
Genehmigungsverfahren
-
Beteiligung der Öffentlichkeit an der
Erstellung von Plänen und Programmen
-
Erweiterung der Klagemöglichkeiten
Einzelner
-
Verankerung von
Verbandsklagebefugnissen
Überblick:
§ Der Vertrag von Maastricht hat Transparenz und Bürgernähe gleichsam als Verfassungsprinzip der EU verankert: Art 1 EU-V („Entscheidungen möglichst offen und möglichst bürgernah“).
§ Der Entwurf für die Verfassung Europas (Art 46) etabliert den „Grundsatz der partizipativen Demokratie“ der die Organe der Union ua zum offenen und regelmäßigen Dialog mit den repräsentativen Verbänden und mit der Zivilgesellschaft verpflichtet. Der „Grundsatz der Transparenz der Arbeit der Organe der EU“ (Art 49) soll eine verantwortungsvolle Verwaltung fördern und die Beteiligung der Zivilgesellschaft sicherstellen.
§ Das Recht auf eine gute Verwaltung (Art 41 der EU-Grundrechtscharta) umfasst Anhörungs-, Informations- und Amtshaftungsansprüche Einzelner gegenüber den Organen der Gemeinschaft.
§ Ein allgemeines Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe der EU etabliert Art 42 der EU-Grundrechtscharta, sowie 255 EG-Vertrag iVm der VO 1049/2001.
§ Offenheit und Partizipation als Grundsätze guten Regierens: Mit dem Weißbuch „Europäisches Regieren“ (COM(2001) 428 vom Juli 2001 hat die Kommission Vorschläge für die Reform des „Europäischen Regierens“ vorgelegt. Das Weißbuch fordert eine bessere Einbindung der Bürger und größere Transparenz bei der Gestaltung der EU-Politik um die demokratische Legitimität der EU zu stärken. Die Einbindung der Zivilgesellschaft wird besonders hervorgehoben.
Ein Bericht über die Umsetzung des Weißbuchs (COM (2002)715, der von mehreren Mitteilungen begleitet wird, zeigt den Stand des Reformprozesses. Zu den Ergebnissen zählt ua die Festlegung von Mindeststandards für die Konsultation betroffener Parteien durch die Kommission (COM (2002) 704). Diese Standards gelten (Selbstverpflichtung) ab 2003 für alle wichtigen Rechtsetzungsinitiativen auf EU-Ebene.
Zahlreiche weitere Rechtsakte der EU – insbesondere im Bereich der Umweltpolitik – sind durch den Einsatz von umfangreichen Planungspflichten und Geboten der Öffentlichkeitsbeteiligung gekennzeichnet. So zB: die Wasserrahmenrichtlinie; die RL über die Strategische Umweltprüfung oder die Emissionshandelsrichtlinie. Solche Ziel- und prozessorientierte Vorgaben und Partizipationsgebote müssen (auch) von der österreichischen Verwaltung effektiv umgesetzt werden können.
Ø Auf internationaler Ebene hat die Aarhus-Konvention der UN-ECE die Informations- und Mitwirkungsrechte der Öffentlichkeit für den Bereich der Umweltpolitik deutlich gestärkt.
Überblick:
§ Die Aarhus-Konvention wurde im Juni 1998 ua von Österreich sowie von der EU unterzeichnet und ist im Oktober 2001 in Kraft getreten.
Mit der Aarhus Konvention verpflichten sich die Vertragsstaaten ihren Bürgern sowie NGOs und Bürgerinitiativen in folgenden Bereichen Rechte einzuräumen:
- Zugang zu Umweltinformationen/„Acces to Information
- Öffentlichkeitsbeteiligung bei bestimmten Genehmigungsverfahren und bei der Ausarbeitung von Plänen, Programmen und Politiken/„Public Participation in Environmental Decision-Making“
- „Access to Justice“/Klagerechte zur wirksamen Durchsetzung der Informations- und Beteiligungsrechte und bei Umweltrechtsverstößen von Behörden oder Privaten .
§ Die EU hat mit der Umsetzung der Konvention durch Richtlinien und Verordnungen begonnen. Damit ist auch Österreich zu einem Ausbau der Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung und nicht zuletzt auch zur Einführung von Verbandsklagebefugnissen verpflichtet:
- Umweltinformationsrichtlinie 2003/4/EG:
Informationszugang und antragsunabhängige aktive Informationspolitik
- Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung 2003/35/EG:
Konsultation und (Verbands-)Klagebefugnisse in Genehmigungsverfahren (UVP- und IPPC-Anlagen) und bei der Erstellung bestimmter Pläne und Programme.
- Vorschlag für eine Richtlinie über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (KOM (2003) 624):
-
Auch für die
EU-Organe wurden Rechtsakte zur
Umsetzung der Aarhus-Konvention erlassen: VO 1040/2001; VO-Entwurf (KOM 2003)
622.
Ø
Auf EU-Ebene werden neue
Steuerungsformen gefördert, deren Anforderungen an die Partizipation zu prüfen
sind
§ Vgl für die Umweltpolitik die Mitteilungen der EU-Kommission über Umweltvereinbarungen. [ KOM (1996) 561 und KOM (2002) 412 ]. Die Kommission spricht sich insbesondere auch für eine stärkere Verrechtlichung dieses Instrumentariums aus. Wenn im Zuge dieser Entwicklung in Österreich die Einführung des „öffentlich-rechtlichen Vertrags“ überlegt werden soll, müssen in diesem Zusammenhang auch daraus resultierende Anforderungen in Bezug auf Öffentlichkeitsbeteiligung und Transparenz geprüft werden.
Betonung des Stellenwerts der Partizipation
In Anbetracht des hohen Stellenwerts der Bürgerbeteiligung für eine „gute Verwaltung“ sollte über eine ausdrückliche Verankerung der Partizipation in einer Bestimmung der Verfassung diskutiert werden. Eine partizipative Verwaltungskultur kann gewiss nicht allein durch die Verfassung sichergestellt werden, sondern bedarf einfachgesetzlicher Maßnahmen sowie informeller Standards. Eine Bestimmung in der Verfassung, die den Stellenwert der Partizipation in der Verwaltung hervorhebt, könnte jedoch ein Bekenntnis des Staates darstellen, die Bereitschaft der Bürger zu Eigenverantwortung und zum Einsatz für Allgemeinbelange - als Einzelne und als Mitglieder der „organisierten Zivilgesellschaft - grundsätzlich nutzen zu wollen und als Grundsatz des Staatshandelns zu beachten.
Ergänzung des Effizienzgebots
Diskussionsbedarf nach einer „Partizipationsbestimmung“ in der Verfassung ist insbesondere auch im Zusammenhang mit dem Vorschlag entstanden, ein erweitertes Effizienzgebot in der Verfassung festzuschreiben. Durch die Verankerung einer „Partizipationsbestimmung“ in der Verfassung könnte der Stellenwert der Öffentlichkeitsbeteiligung als Ziel des Staatshandelns betont werden und so der Gefahr entgegengetreten werden, dass Effizienz der Verwaltung einerseits und Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger andererseits gegeneinander „ausgespielt“ werden. Eine „Partizipationsbestimmung“ könnte daher auch als Ergänzung eines erweiterten verfassungsgesetzlichen Effizienzgebots zweckmäßig sein.
Zum Vorschlag für ein Effizienzgebot wurde festgehalten, dass damit
keine Ausrichtung der Zielvorgaben (Effektivität, Sparsamkeit,
Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit) auf ein bestimmtes Ziel vorgegeben sei (vgl
Punkt X des Berichts des Ausschuss 6). Selbst wenn man dem grundsätzlich
zustimmt, so ist doch andererseits nicht zu übersehen, dass Bürgerbeteiligung
häufig primär als effizienzmindernder Faktor wahrgenommen wird und nicht als
ein – möglichst effizient zu verfolgendes - Ziel bei der Verfolgung materieller
Zielvorgaben durch Gesetzgeber und Verwaltung.
Die Einordnung einer „Partizipatonsbestimmung“ im Verfassungstext könnte an folgenden Stellen geprüft werden:
§ Im Zusammenhang mit der Positivierung eines neu formulierten Effizienzgebots
§ Im Zusammenhang mit den Bestimmungen über die Auskunftspflicht
dh jeweils im Bereich des Art 20 B-VG im Rahmen der allgemeinen Bestimmungen des B-VG
§ Als Element eines Staatszielkatalogs in der Verfassung
§ Sektoriell beschränkt auf den Umweltbereich als Teil eines erweiterten Staatsziels Umweltschutz (vgl Textvorschläge Variante 2 und 3 zum Staatsziel Umweltschutz im Bericht des Ausschusses 1)
für die Verankerung der Partizipation im
Zusammenhang mit dem Vorschlag für ein erweitertes Effizienzprinzip
Ausgangspunkt -
Textvorschlag des Ausschusses 6 zum Effizienzprinzip:
„Alle Organe des Bundes, der Länder und Gemeinden haben ein hohes Maß an Wirksamkeit anzustreben und sind verpflichtet, im Interesse der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu handeln. Sie sind weiters im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches zur wechselseitigen Hilfeleistung verpflichtet (Amtshilfe).“
Variante 1
„Alle Organe des Bundes, der Länder und Gemeinden haben ein hohes Maß an Wirksamkeit, Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung anzustreben. Sie sind verpflichtet, im Interesse der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu handeln. Sie sind weiters im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches zur wechselseitigen Hilfeleistung verpflichtet (Amtshilfe).“
Variante 2:
„Alle Organe des Bundes, der Länder und Gemeinden haben ein hohes Maß an Wirksamkeit anzustreben. Sie sind verpflichtet, im Interesse der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu handeln und die Grundsätze der Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung zu beachten. Sie sind weiters im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches zur wechselseitigen Hilfeleistung verpflichtet (Amtshilfe).“
Variante 3:
„Alle Organe des Bundes, der Länder und Gemeinden haben ein hohes Maß an Wirksamkeit anzustreben und sind verpflichtet, im Interesse der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu handeln. Sie sind weiters im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches zur wechselseitigen Hilfeleistung verpflichtet (Amtshilfe).
Der Staat bezieht die Öffentlichkeit in geeigneter Weise in die Tätigkeit der Verwaltung ein, indem er ihr Informations- und Beteiligungsrechte und das Recht auf gerichtliche Durchsetzung von Rechtsvorschriften einräumt.“
Die Verankerung einer „Partizipationsbestimmung“ wirft grundsätzlich die Fragen auf,
wer Adressat einer solchen Bestimmung ist, welche Form und Intensität der Mitwirkung erfasst sein soll, und wie es um die Justiziabilität einer solchen Bestimmung bestellt ist.
Dazu einige Anmerkungen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Vorschlag, Partizipation in Verbindung mit dem Effizienzprinzip zu verankern:
Adressatenkreis des Effizienzprinzips sind nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Gesetzgeber und Verwaltung. Auch eine „Partizipationsbestimmung“ sollte sich jedenfalls zunächst an den Gesetzgeber wenden.
Der Vorschlag für ein erweitertes Effizienzprinzip im Bericht des Ausschusses 6 bedient sich der Wendung „Organe des Bundes, der Länder und der Gemeinden“. Damit werden nach dem Wortlaut offenbar auch Gesetzgebungsorgane erfasst. Die Bezugnahme auf die Amtshilfe könnte andererseits darauf hindeuten, dass nur die Vollziehung gebunden werden soll. Klarzustellen wäre auch, inwieweit dem Vorschlag zum Effizienzprinzip ein funktioneller Organbegriff zu Grunde liegt, der auch Selbstverwaltungskörper, Beliehene und Ausgegliederte erfasst.
Die Justiziabilität des Effizienzgebots beschränkt sich nach herrschender Ansicht auf eine bloße „Vertretbarkeitskontrolle“ durch den Verfassungsgerichtshof. Letztlich wird dem Gesetzgeber auch mit einer „Partizipationsbestimmung“ lediglich ein weiter, konkretisierungsbedürftiger Rahmen gezogen werden.
Es sollte jedenfalls durch eine möglichst weite Formulierung („Öffentlichkeitsbeteiligung“) dem Umstand Rechnung getragen werden, dass verschiedene Bereiche der Verwaltung unterschiedlich intensive Partizipationserfordernisse aufweisen, denen jeweils durch den Gesetzgeber bzw durch die Verwaltung sachgerecht zu begegnen ist. Auch die Erfassung sowohl direkter als auch mittelbarer Partizipationsformen (zB Beteiligung von Initiativgruppen), sollte durch eine möglichst weite Formulierung sichergestellt werden.
Partizipation in der Verwaltung ist auf dem Boden der geltenden Verfassung im übrigen in mehrfacher Hinsicht ein Verfassungsthema. Die Funktion und der Stellenwert einer „Partizipationsbestimmung“ müssten insbesondere auch in Bezug auf das Legalitätsprinzip erörtert werden und mit Blick auf die Grundrechte betrachtet werden.
Subjektive Rechte
Das Legalitätsprinzip gebietet, dass es subjektive, einklagbare Rechte geben muß. Der Einzelne soll nicht bloß Objekt der Verwaltung sein, sondern seine wesentlichen Interessen in einem geregelten Verfahren als durchsetzbare Rechtspositionen verteidigen können. Rechtsstaatliche Parteistellung - als eine Form der Partizipation am Verwaltungshandeln - hat insoweit die Funktion des Schutzes subjektiver Rechte. Zum Schutz welcher Interessen zwingend subjektive Rechte einzuräumen sind, ergibt sich vor allem aus der Grundrechtsordnung.
[Vgl dazu zB Rill, B-VG-Kommentar, Art 18; Korinek/Holoubek,
Privatwirtschaftsverwaltung, 63f]. Zur Stärkung der Partizipationsbefugnisse
durch die Grundrechte siehe unten.
Eine „Partizipationsbestimmung“ in der Verfassung soll rechtstaatliche Mindesterfordernisse jedenfalls nicht zurückdrängen. Zu überlegen ist, ob eine „Partizipationsbestimmung“ darüber hinaus auch - im Sinn einer ausdrücklichen „Zweifelsregelung“ - als Verpflichtung des Gesetzgebers zur „großzügigen“ Einräumung subjektiver Rechte wirken könnte.
Breitere Öffentlichkeitsbeteiligung
Die Forderung nach Partizipation in der Verwaltung erschöpft sich nicht in der Einräumung von Parteienrechten zum Schutz subjektiver Rechte. Unter dem Stichwort Bürgerbeteiligung wird vor allem eine breitere Beteiligung der Öffentlichkeit am Verwaltungshandeln gefordert, die dazu beitragen soll :
- die demokratische Legitimation von Verwaltungsentscheidungen zu erhöhen und
- den Schutz sogenannter diffuser Interessen und die Sicherung der Einhaltung des objektiven Rechts zu stärken.
Zur Diskussion stehen hier vor allem:
- die Erweiterung des Modells des individuellen Rechtsschutzes durch eine „Öffnung“ der Parteistellung, insbesondere durch die Einräumung von Parteienrechten und Beschwerdebefugnissen für Initiativgruppen und Verbände sowie
- die Schaffung von Anhörungs- und Begutachtungsrechten.
Vor allem die Frage der „Öffnung“ der Parteistellung hat in der Staatsrechtslehre zu Diskussionen geführt, ob und inwieweit damit notwendig eine Beeinträchtigung der Legalität des Verwaltungshandelns zu befürchten ist.
Das Spannungsverhältnis zwischen Legalitätsprinzip und
Demokratisierung der Verwaltung wurde in Österreich - „Kelsen/Merkl´schen
Demokratiemodell - zunächst im
Zusammenhang mit der Forderung nach einer Demokratisierung der
Verwaltungsorganisation im Bereich der Bezirksverwaltungsbehörden diskutiert.
[kritisch zur herrschenden Einschätzung der Kelsen-Merkl´schen
Konzeption Öhlinger/Matzka, Demokratie und Verwaltung als
verfassungsrechtliches Problem, ÖZPW 1975, 445].
Mit Blick auf das Legalitätsprinzip wird aber schon derzeit jedenfalls anerkannt:
- dass Partizipation als Kompensation für eine schwache gesetzliche Determinierung des Verwaltungshandelns in verschiedenen Regelungsbereichen erhöhte Bedeutung haben kann.
Dies gilt insbesondere für den Bereich der Planung, aber auch im Bereich von Ermessen und unbestimmten Gesetzesbegriffen.
[vgl zB Pernthaler, Raumplanung und Verfassung (1990), 468ff; Mayer, Bürgerbeteiligung zwischen Rechtsstaat und Demokratie (1988) 46; Walter, Partizipation an Verwaltungsentscheidungen (1973) 157f].
- dass dem B-VG nicht zu entnehmen ist, dass es nur einen Rechtsschutz für subjektive Rechte geben darf, sondern dass es Rechtsschutzeinrichtungen auch für die Sicherung der Wahrung des objektiven Rechts geben darf. [vgl dazu zB Mayer, Bürgerbeteiligung zwischen Rechtsstaat und Demokratie (1988) 42ff]
Für die
Beschwerdelegitimation vor dem Verfassungsgerichtshof hat der VfGH jüngst in
einem Prüfbeschluss allerdings verfassungsrechtliche Grenzen des Schutzes der
objektiven Rechtmäßigkeit aufgezeigt. Dazu unten.
Im Zusammenhang mit der Verankerung einer „Partizipationsbestimmung“ wäre vor allem die Wirkung einer solchen Bestimmung für die Interdependenz von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu diskutieren. Eine „Partizipationsbestimmung“ darf weder die Gesetzmäßigkeit in der Verwaltung noch den individuellen Rechtsschutz beeinträchtigen. Sie könnte aber möglicherweise als ausdrückliche Verpflichtung wirken, die demokratische Legitimation der Verwaltung in Bereichen „verdünnter“ Legalität durch adäquate Maßnahmen der Partizipation zu stärken. Sie könnte weiters als Verpflichtung verstanden werden, die Parteistellung im Verwaltungsverfahren in sachgerechter Weise zur Sicherung der Einhaltung des objektiven Rechts zu öffnen. Zu fragen ist schließlich, ob und inwieweit eine „Partizipationsbestimmung“ Wirkungen auf die Umgestaltung des Organisationsrechts (organisatorische Demokratisierung der Verwaltung) erzeugt und inwieweit dies wünschenswert ist.
Eine „Partizipationsbestimmung“ und ihr Stellenwert ist weiters auch im Zusammenhang mit den Grundrechten zu sehen. Partizipation ist in mehrfacher Hinsicht grundrechtsrelevant. Insbesondere folgende Aspekte können hervorgehoben werden:
- Grundrechtliche Verbürgungen (zB ein Recht auf Informationszugang) können die Möglichkeiten aktiver Bürgerbeteiligung stärken.
- Der Gesetzgeber kann weiters in Erfüllung grundrechtlicher Gewährleistungspflichten gehalten sein, Bürgern subjektive Rechte einzuräumen und sie zum Schutz ihrer Rechte an Verfahren zu beteiligen.
- In besonderen Konstellationen können aus grundrechtlichen Schutzpflichten auch Anforderungen an die Ausgestaltung verfahrensrechtlicher Regelungen - „Grundrechtssicherung durch Verfahren“ – resultieren. [vgl Holoubek, Gewährleistungspflichten (1996) 328ff)].
- Im Zusammenhang mit sozialen Grundrechten gewinnen schließlich kollektive Rechtschutzmechanismen besondere Bedeutung.
Es bedürfte jeweils gesonderter Untersuchung, inwieweit die im Konvent diskutierten Vorschläge für einen Grundrechtskatalog eine Stärkung der Informations- und Mitwirkungsrechte der Öffentlichkeit bewirken.
Transparenz des Verwaltungshandelns und der Zugang zu Informationen sind essentielle Voraussetzungen für eine aktive Rolle der Bürgerinnen und Bürger in einem demokratischen Gemeinwesen.
In der EU besteht eine starke Tendenz zu Transparenz und Informationsfreiheit.
Moderne Technologien ermöglichen es der Verwaltung, Auskunft und Informationszugang ressourcenschonend zu gewähren.
Aus dem Blickwinkel der Transparenz und Partizipation sind vor allem folgende Anliegen für die verfassungsrechtliche Reformdiskussion hervorzuheben:
§ Unterordnung der Amtsverschwiegenheit unter Informationszugang und Auskunftspflicht
§ Subjektiv einklagbare Rechte auf Auskunft und Informationszugang
§ Auskunftspflicht- und Recht auf Zugang zu Dokumenten
§ Aktive Informationspflichten der Verwaltung
§ Möglichste Reduktion der Amtsverschwiegenheit. Verpflichtung des Gesetzgebers, die Bereiche, in denen Erfordernisse zur Einschränkungen der Informationsfreiheit bestehen möglichst eng zu umschreiben.
§ Möglichkeit der Erfassung ausgegliederter Rechtsträger bzw Erbringer von Dienstleistungen im allgemeinen öffentlichen Interesse
Die Neugestaltung der Bestimmungen zu Amtsverschwiegenheit und Auskunftspflicht und die Unzulänglichkeiten der geltenden Verfassungslage wurde im Ausschuss 8 auf der Grundlage umfassender Thesenpapiere diskutiert. Das Ergebnis der Beratungen des Ausschusses 8 hält in vielen der oben angesprochenen Aspekte einen Konsens zur Gestaltung der B-VG-Bestimmungen fest.
Ausschuss 6
Auch der Bericht des Ausschusses 6 bringt zum Ausdruck, dass die Unterordnung der Amtsverschwiegenheit unter die Auskunftspflicht in der Verfassung derzeit nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt.
Die im Bericht abgebildeten Textvorschläge umfassen auch ein einklagbares Recht auf Erteilung von Auskunft und Zugang zu Dokumenten (Textvorschlag C).
Einige weitere zentrale Reformaspekte werden in den abgebildeten Textvorschlägen (A und B) noch nicht aufgegriffen. Das betrifft insbesondere folgende Fragen:
§ Auskunftspflicht- und Recht auf Zugang zu Dokumenten
Textvorschlag A und B sehen jeweils nur Auskunftspflicht vor
§ Möglichste Reduktion der Amtsverschwiegenheit
Textvorschlag A sieht weitgehende Pflicht zur Verschwiegenheit vor und verpflichtet den Gesetzgeber nicht zur möglichst engen Umschreibung der Ausnahmen
§ Möglichkeit der Erfassung ausgegliederter Rechtsträger bzw Erbringer von Dienstleistungen im allgemeinen öffentlichen Interesse
Textvorschläge A und B treffen jedenfalls keine Klarstellung in Bezug auf nicht hoheitliche Aufgaben
Die UN-ECE Konvention von Aarhus und die Rechtsakte der EU zur Umsetzung der Aarhus-Konvention erfordern, dass Nichtregierungsorganisationen im Umweltbereich Parteistellung und Beschwerdebefugnis vor Gerichten eingeräumt wird.
Mit der Pflicht zur Umsetzung der Richtlinie über Öffentlichkeitsbeteiligung besteht für Österreich bereits aktueller Bedarf nach Einführung einer Verbandsklagebefugnis für NGOs in bestimmten Anlagengenehmigungsverfahren.
(RL 2003/35/EG.
Frist: 25.6.2005; UVP-pflichtige
Anlagen, IPPC-Anlagen).
Auch für den Schutz sozialer Grundrechte deren Schutzbereich kollektive Rechtsgüter umfasst, sind Rechtschutzinstrumente wie die Verbandsklage besonders bedeutsam.
Das österreichische Rechtsschutzsystem ist zentral auf den Schutz individueller subjektiver Rechte zugeschnitten. „Kollektiver Rechtsschutz“, zB durch die Einräumung von Parteistellung und Klagebefugnisse an Verbände, ist die Ausnahme (zB im Verbraucherschutz- oder Wettbewerbsrecht). Vorschriften, die der präventiven Gefahrenvorsorge dienen, wie zB Emissionsgrenzwerte, werden von der Rechtsprechung nicht als individuell einklagbare subjektive Rechte angesehen.
Die österreichische Rechtsordnung ähnelt hier insgesamt dem deutschen Rechtssystem. In zahlreichen Mitgliedstaaten der EU aber auch in Rechtsordnungen außerhalb Europas ist die Situation demgegenüber weniger restriktiv.
Vielfach wird in anderen Rechtsordnungen ein weit
gefasstes Interesse des Einzelnen als ausreichend für den Zugang zu
gerichtlichem Rechtschutz angesehen. Vereinzelt ist sogar die Popularklage
vorgesehen (vgl für den Umweltbereich Portugal). Zudem wird - allgemein bzw
speziell im Umweltbereich – Verbänden ein Klagerecht eingeräumt (Vgl dazu die
Ergebnisse der „Acces-Studie“ der Kommission; für die neuen Mitgliedstaaten zB
Polen).
Die Entwicklungen zur Verbandsklage auf EU-Ebene erfordern jedenfalls ein Tätigwerden des Gesetzgebers. Die Verankerung von Verbandsklagebefugnissen könnte zudem auch Reformen auf Verfassungsebene (insbesondere in Bezug auf Art 131, Art 139, Art 140, Art 144 B-VG) erforderlich machen:
Es wäre zu prüfen, inwieweit sichergestellt ist, dass der einfache Gesetzgeber Verbänden höchstgerichtlich durchsetzbare Rechtsansprüche und Anfechtungsbefugnisse einräumen kann und welche Änderungen der Verfassung gegebenenfalls erforderlich sind, um dies im erforderlichen Umfang zu gewährleisten.
Vor allem die Anforderungen an die Beschwerdelegitimation vor dem VfGH nach Art 144 B-VG könnten hier Grenzen setzen. Anlass zur Diskussion darüber gibt ein Prüfbeschluss des VfGH zum Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz.
Prüfbeschluss B 456, 457/03; B 462/03 vom 27. November
2003: Der VfGH geht darin vorläufig davon aus, dass es dem einfachen
Gesetzgeber verwehrt ist, staatlichen Organen zur Wahrung der objektiven
Gesetzmäßigkeit oder zur Durchsetzung der von ihnen wahrzunehmenden
öffentlichen Interessen die Befugnis zur VfGH-Beschwerde zu verleihen. Dies
auch dann, wenn diese Befugnisse vom einfachen Gesetzgeber als subjektives
Recht bezeichnet werden. Die Bedenken des VfGH gründen wesentlich darauf, dass
nach seiner Ansicht Organe eines Rechtsträgers (wie im Beschwerdefall zB der
Umweltanwalt) mangels eigener Interessenssphäre nicht in ihren Rechten verletzt
werden können. Die Bedenken des VfGH sind daher nicht ohne weiteres auf
Beschwerdebefugnisse für Verbände übertragbar. Aber: Auch die Interessen
von Verbänden an der Einhaltung von Rechtsvorschriften könnten vom VfGH -
ähnlich wie die Interessen des Umweltanwalts - als bloß objektive und nicht
„echte“ subjektive Interessen qualifiziert werden.