Johannes Schnizer
Vorschlag zur Neuregelung des Gemeinderechts
auf Basis der Vorschläge des Städtebundes
unter Schaffung einer Region mit eigenem Statut
Artikel 115. (1). Jedes Land gliedert sich in Gemeinden. Die Gemeinde ist Gebietskörperschaft mit dem Recht auf Selbstverwaltung und zugleich Verwaltungssprengel. Jedes Grundstück muss zu einer Gemeinde gehören. Veränderungen im Bestand von Gemeinden bedürfen Volksabstimmungen in jeder der betroffenen Gemeinde.
(2) Der Wirkungsbereich der Gemeinde ist ein eigener (Art. 116) und ein vom Bund oder vom Land übertragener (Art. 117). [Die Zuständigkeit zur Regelung der gemäß den Art. . . . von den Gemeinden zu besorgenden Angelegenheiten bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften dieses Bundesverfassungsgesetzes.][1]
<Variante:
(2) Die Gemeinde vollzieht innerhalb ihres Wirkungsbereiches Bundes- oder Landesgesetze. Ihr Wirkungsbereich ist ein eigener (Art. 117) und ein vom zuständigen Gesetzgeber übertragener (Art. 118).>
(3) Die Gemeinde ist selbständiger Wirtschaftskörper. Sie hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben sowie [im Rahmen der Finanzverfassung][2] ihren Haushalt selbständig zu führen und Abgaben auszuschreiben.
(4) Der Österreichische Gemeindebund und der Österreichische
Städtebund sind berufen, die Interessen der Gemeinden zu vertreten.
Artikel 116. (1) Als Organe der Gemeinde sind jedenfalls vorzusehen:
a) der Gemeinderat als oberstes Organ, dem die anderen Organe verantwortlich sind,
b) der Gemeindevorstand [(Stadtrat), bei Städten mit eigenem Statut der Stadtsenat][3];
c) der Bürgermeister.
(2) Volksabstimmungen sind in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches zulässig.
(3) Der Gemeinderat ist von den Gemeindebürgern nach den für allgemeine Vertretungskörper geltenden Vorschriften zu wählen.[4] Die Bedingungen des Wahlrechtes dürfen nicht enger gezogen werden als die zum Landtag. Bürger der Europäischen Union sind wahlberechtigt.
(4) Die Sitzungen des Gemeinderates sind grundsätzlich öffentlich. Wenn der Gemeindevoranschlag oder der Gemeinderechnungsabschluss behandelt wird, darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden. Zu einem Beschluss des Gemeinderates ist - sofern Beschlussfähigkeit gegeben und für bestimmte Angelegenheiten nichts anderes vorgesehen ist - die einfache Mehrheit der anwesenden Mitglieder erforderlich.
(5) Im Gemeinderat vertretene Wahlparteien haben nach Maßgabe ihrer Stärke Anspruch auf Vertretung im Gemeindevorstand.
(6) Der Bürgermeister wird vom Gemeinderat gewählt. Die Landesverfassung kann die Wahl des Bürgermeisters durch die zum Gemeinderat Wahlberechtigten vorsehen.
(7) Die Geschäfte der Gemeinden werden durch das Gemeindeamt (Stadtamt), [jene der Städte mit eigenem Statut durch den Magistrat] besorgt. [Zum Leiter des inneren Dienstes des Magistrates ist ein rechtskundiger Verwaltungsbeamter als Magistratsdirektor zu bestellen.][5]
Artikel 117. (1) Der eigene Wirkungsbereich umfasst die Privatwirtschaftsverwaltung (Art. 17, Art. 115 Abs. 3) und alle sonstigen Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Die Gesetze haben derartige Angelegenheiten ausdrücklich als solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zu bezeichnen.
(2) Die Gemeinde vollzieht im eigenen Wirkungsbereich jedenfalls folgende Angelegenheiten:
1. Bestellung der Gemeindeorgane unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Wahlbehörden; Regelung der inneren Einrichtungen zur Besorgung der Gemeindeaufgaben;
2. Bestellung der Gemeindebediensteten und Ausübung der Diensthoheit unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Disziplinar-, Qualifikations- und Prüfungskommissionen;
3. örtliche Sicherheitspolizei (Art. 15 Abs. 2), örtliche Veranstaltungspolizei;
4. Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde, örtliche Straßenpolizei;
5. Flurschutzpolizei;
6. örtliche Marktpolizei;
7. örtliche Gesundheitspolizei, insbesondere auch auf dem Gebiet des Hilfs- und Rettungswesens sowie des Leichen- und Bestattungswesens;
8. Sittlichkeitspolizei;
9. örtliche Baupolizei, soweit sie nicht bundeseigene Gebäude, die öffentlichen Zwecken dienen (Art. 15 Abs. 5) zum Gegenstand hat; örtliche Feuerpolizei; örtliche Raumplanung;
10. öffentliche Einrichtungen zur außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten;
11. freiwillige Feilbietungen beweglicher Sachen.
(3) Die Gemeinde hat die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes in eigener Verantwortung frei von Weisungen zu besorgen.[6] Dem Bund und dem Land kommt gegenüber der Gemeinde bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches ein Aufsichtsrecht (Art. ..) zu.
(4) In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches hat die Gemeinde das Recht, Verordnungen nach freier Selbstbestimmung zur Abwehr und Beseitigung von Gefahren und Missständen, [soweit dies im öffentlichen Interesse gelegen ist,][7] zu erlassen. Die Gemeinde kann die Übertretung solcher Verordnungen zu Verwaltungsübertretungen erklären und Strafbestimmungen [bis zu einer gesetzlich festzulegenden Strafhöhe][8] erlassen. Die Gemeinde ist berechtigt, auch Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt anzuordnen und Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der öffentlichen Aufsicht zur Mitwirkung an der Vollziehung zu ermächtigen. [Solche Verordnungen dürfen nicht gegen bestehende Gesetze des Bundes und des Landes verstoßen.][9]
(5) Die Gemeinde kann die Besorgung einzelner Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches auf eine andere Behörde übertragen. Die Übertragung erfolgt durch Verordnung der Gemeinde, die der Zustimmung des obersten Organs bedarf, das für die Behörde zuständig ist, auf die die Angelegenheit übertragen wird.[10] Eine solche Verordnung kann die Gemeinde jederzeit wieder aufheben. Die Übertragung erstreckt sich nicht auf das Verordnungsrecht nach Abs. 6.
(6) Die Errichtung und Organisation eines Gemeindewachkörpers erfolgt durch Verordnung der Gemeinde. Durch Gesetz[11] wird bestimmt, welche Befugnisse über die Mitwirkung an der Vollziehung von Verordnungen gem. Abs. 4 hinaus die zuständige Behörde auf Gemeindewachkörper mit Zustimmung der Gemeinde übertragen kann.
Artikel 119. (1) Der übertragene Wirkungsbereich umfasst die Angelegenheiten, die die Gemeinde nach Maßgabe der Bundesgesetze im Auftrag und nach den Weisungen des Bundes oder nach Maßgabe der Landesgesetze im Auftrag und nach den Weisungen des Landes zu besorgen hat.
(2) Die Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches werden vom Bürgermeister besorgt. Er ist hiebei in den Angelegenheiten der Bundesvollziehung an die Weisungen der zuständigen Organe des Bundes, in den Angelegenheiten der Landesvollziehung an die Weisungen der zuständigen Organe des Landes gebunden und nach Abs. 4 verantwortlich.
(3) Der Bürgermeister kann einzelne Gruppen von Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches - unbeschadet seiner Verantwortlichkeit - wegen ihres sachlichen Zusammenhanges mit den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches Mitgliedern des Gemeindevorstandes (Stadtrates, Stadtsenates), anderen nach Art. 117 Abs. 1 geschaffenen Organen oder bei Kollegialorganen deren Mitgliedern zur Besorgung in seinem Namen übertragen. In diesen Angelegenheiten sind die betreffenden Organe oder deren Mitglieder an die Weisungen des Bürgermeisters gebunden und nach Abs. 4 verantwortlich.
(4) Wegen einer schuldhaften Rechtsverletzung oder Nichtbefolgung einer Weisung können die in Abs. 2 und 3 genannten Organe auf Antrag des zuständigen obersten Organs vom Verfassungsgerichtshof ihres Amtes enthoben werden. Die allfällige Mitgliedschaft einer solchen Person zum Gemeinderat wird hiedurch nicht berührt.
Artikel 119. (1) Der Bund und das Land üben das Aufsichtsrecht über die Gemeinde dahin aus, dass diese bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches die Gesetze und Verordnungen nicht verletzt, insbesondere ihren Wirkungsbereich nicht überschreitet und die ihr gesetzlich obliegenden Aufgaben erfüllt.
(2) Das Land hat das Recht, die Gebarung von Gemeinden, die nicht der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen, auf ihre Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Das Ergebnis der Überprüfung ist dem Bürgermeister zur Vorlage an den Gemeinderat zu übermitteln. Der Bürgermeister hat die auf Grund des Überprüfungsergebnisses getroffenen Maßnahmen innerhalb von drei Monaten dem Land mitzuteilen.
(3) Das Aufsichtsrecht und dessen gesetzliche Regelung stehen, insoweit als der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde Angelegenheiten aus dem Bereich der Bundesvollziehung umfasst, dem Bund, im Übrigen den Ländern zu.
(4) Die Aufsichtsbehörde ist berechtigt, sich über jedwede Angelegenheit der Gemeinde zu unterrichten. Die Gemeinde ist verpflichtet, die von der Aufsichtsbehörde im einzelnen Fall verlangten Auskünfte zu erteilen und Prüfungen an Ort und Stelle vornehmen zu lassen.
(7) Sofern die zuständige Gesetzgebung (Abs. 3) als Aufsichtsmittel die Auflösung des Gemeinderates vorsieht, kommt diese Maßnahme dem zuständigen obersten Organ zu. Die Zulässigkeit der Ersatzvornahme als Aufsichtsmittel ist auf die Fälle unbedingter Notwendigkeit zu beschränken. Die Aufsichtsmittel sind unter möglichster Schonung erworbener Rechte Dritter zu handhaben.
(8) Einzelne von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu treffende Maßnahmen, durch die auch überörtliche Interessen in besonderem Maß berührt werden, insbesondere solche von besonderer finanzieller Bedeutung, können durch die zuständige Gesetzgebung (Abs. 3) an eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde gebunden werden. Als Grund für die Versagung der Genehmigung darf nur ein Tatbestand vorgesehen werden, der die Bevorzugung überörtlicher Interessen eindeutig rechtfertigt.
(9) Die Gemeinde hat im aufsichtsbehördlichen Verfahren Parteistellung; sie ist berechtigt, gegen die Aufsichtsbehörde vor dem Verwaltungsgerichtshof (Art. 131 und 132) und vor dem Verfassungsgerichtshof (Art. 144) Beschwerde zu führen.
Artikel 120. (1) Einer Gemeinde mit mindestens 10 000 Einwohnern kann, einer solchen mit mindestens 20 000 Einwohnern muß auf ihren Antrag durch Landesgesetz ein eigenes Statut (Stadtrecht) verliehen werden. Eine Stadt mit eigenem Statut hat neben den Aufgaben der Gemeindeverwaltung auch die der Bezirksverwaltung zu besorgen
(2)
Gemeinden können sich zur Besorgung der Angelegenheiten der Bezirksverwaltung
und zur gemeinsamen Besorgung von Angelegenheiten des eigenen oder des
übertragenen Wirkungsbereiches durch Vereinbarung zu Regionen mit eigenem
Statut zusammenschließen. Abs. 1 und 5 gelten sinngemäß. Durch Landesgesetz
können mit Zustimmung der Regione weitere Gemeinden einbezogen werden, wenn
dies der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung
dient. Das Statut hat als oberstes Organ ein von den Gemeindebürgern der
beteiligten Gemeinden zu wählenden Regionalrat und als ausführendes Organ
eine/n von den Gemeindebürgern oder dem Regionalrat zu wählende/n Vorsitzende/n
der Region vorzusehen, der/die die Angelegenheiten der Bezirksverwaltung führt.
Art. 118 Abs. 2 und 4 sind auf ihn anzuwenden.
(3)
Zur gemeinsamen Besorgung von Angelegenheiten gleichartiger Aufgabengebiete des
eigenen oder des übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinde können sich
Gemeinden, durch Vereinbarung zu Gemeindeverbänden zusammenschließen, deren
örtlicher Wirkungsbereich auch Bezirks- und Landesgrenzen überschreiten darf.
(4)
Im Interesse der Zweckmäßigkeit kann durch Bundes- oder Landesgesetz die
Bildung von Gemeindeverbänden zur gemeinsamen Besorgung von Angelegenheiten
gleichartiger Aufgabengebiete des eigenen oder des übertragenen
Wirkungsbereiches der Gemeinde vorgesehen werden. Dabei darf die Funktion der
Gemeinden als Selbstverwaltungskörper und Verwaltungssprengel nicht gefährdet
werden. Werden Gemeindeverbände unmittelbar durch die Gesetzgebung oder durch
die Vollziehung eingerichtet, sind die beteiligten Gemeinden vor Kundmachung
des Gesetzes oder vor Erlassung des Verwaltungsaktes zu hören.
(5)
[Die Organisation der Gemeindeverbände wird durch Landesgesetz geregelt.][12]
Den verbandsangehörigen Gemeinden ist ein maßgebender Einfluss auf die
Besorgung der Aufgaben der Gemeindeverbände einzuräumen. Für Gemeindeverbände,
die durch Vereinbarung geschaffen werden, sind Bestimmungen über den Beitritt
und den Austritt von Gemeinden sowie über die Auflösung des Gemeindeverbandes
zu treffen. Als Organe sind jedenfalls eine Verbandsversammlung, die aus
gewählten Vertretern aller verbandsangehörigen Gemeinden zu bestehen hat, und
ein/e Vorsitzende/r der Verbandsversammlung vorzusehen. Länderübergreifende
Gemeindeverbände bedürfen einer Vereinbarung gem. Art. 15a zwischen den betreffenden
Ländern, in der auch die Vorgangsweise bei Weisungskonflikten zu regeln ist.
(6) Die Gemeinden haben das Recht, im Interesse der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei der Besorgung von Angelegenheiten des eigenen und übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinde sich auch anderer Formen der Zusammenarbeit zwischen Gemeinden, wie der Bildung von Verwaltungsgemeinschaften, zu bedienen
(10) Art. 119 ist auf die Aufsicht über Regionen und Gemeindeverbände sinngemäß anzuwenden.
[1] Die Organisationskompetenz des Landes sollte sich aus der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen ergeben. Der zweite Satz ist meines Erachtens entbehrlich, ist aber der Sache nach in der Variante berücksichtigt. Diese hat den Vorteil, dass die Hauptfunktion der Gemeinden, nämlich Gesetze zu vollziehen, klar zum Ausdruck kommt.
[2] Ist entbehrlich, ergibt sich aus den Vorschriften der Finanzverfassung.
[3] Könnte im Zusammenhang der Stadt mit eigenem Statut geregelt werden (Art. ).
[4] Die Vorschrift geht davon aus, dass die Vorschriften über allgemeine Vertretungskörper das Wahlrecht nicht an die Staatsbürgerschaft binden, sonst wäre dies hier zu regeln.
[5] Könnte im Zusammenhang mit der Stadt mit eigenem Statut geregelt werden.
[6] Der Rechtszug sollte in Zukunft unmittelbar an das Landesverwalutngsgericht gehen, sodaß sich
[7] Ist meines Erachtens entbehrlich, da jede Behörde derartige Befugnisse nur im öffentlichen Interesse ausüben darf.
[8] Ist meines Erachtens entbehrlich, weil sich ohnedies Grenzen aus de gerichtlichen Stafbefugnis und dem Sachlichkeitsgebot ergeben. Zulässigkeit einer allgemeinen Obergrenze ergibt sich aus der Organisationskompentenz des Landesgesetzgebers.
[9] Ist meines Erachtens entbehrlich, weil Gemeinde ohnedies an Gesetze gebunden ist.
[10] Die Vorschrift geht davon aus, dass Bundesgesetze nur soweit in die Bundesvollziehung fallen, als sie von eigenen Bundesbehörden vollzogen werden. Sie scheint aber auch für den Fall der Beibehaltung der mittelbaren Bundesverwaltung geeignet.
[11] Darunter sind einerseits die die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- und Landesgesetze, andrerseits die Verwaltungsverfahrensgesetze gem. Art. 11 Abs. 2 zu verstehen.
[12] Könnte entfallen, da sich dies aus der allgemeinen Organisationskompetenz des Landes ergibt.