Entwurf der Ausschussbetreuung

für die Einrichtung eines eigenen parlamentarischen Ausschusses

zur Verbesserung der Kontrolle und Transparenz

des ministeriellen Weisungsrechts

 

 

I. Grundsätzliche Erwägungen – Beratungen im Ausschuss 9

1. Im Laufe der Beratungen des Ausschusses 9 wurden zum Problembereich „Weisungsrecht des Bundesministers für Justiz gegenüber der Staatsanwaltschaft“ folgende Modelle diskutiert: [1]

          a) Beibehaltung des gegebenen Zustands bei verbesserter Transparenz, etwa durch Einrichtung eines parlamentarischen Ausschusses;

          b) Inhaltliche Änderungen des Weisungsrechts, durch

                                       ba) Ausschluss von Negativ-Weisungen und/oder

                                   bb) Beschränkung auf „fachliche“ (auf die rechtliche Beurteilung

                                      abzielende) Weisungen;

          c) Generalprokurator als Spitze einer Weisungshierarchie ohne Durchgriff des Bundesministers für Justiz;

          d) Einrichtung eines Bundesstaatsanwalts; dieser Bundesstaatsanwalt soll die oberste staatsanwaltschaftliche Behörde sein, gegenüber den anderen staatsanwaltschaftlichen Behörden weisungsbefugt, jedoch selbst weisungsfrei sein; er soll vom Nationalrat in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen – auf Grund eines Vorschlags des Hauptausschusses und nach vorheriger öffentlicher Ausschreibung und Anhörung (unter Beteiligung von Vertretern der Richter und Staatsanwälte) – für die Dauer von sechs Jahren gewählt werden (einmalige Wiederwahl möglich); er unterliegt dem parlamentarischen Interpellationsrecht; im Einzelnen wird hiezu auf Initiativanträge der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion verwiesen;[2]

            e) Sonstige Vorschläge: Verschiedentlich wurde die Auffassung vertreten, dass die staatsanwaltschaftliche Tätigkeit ex post von einem parlamentarischen Kontrollausschuss überprüft werden sollte.

          Als weitere „Unter-Varianten“ wurden diskutiert, dass bestimmte, vom Weisungsrecht ausgenommene Bereiche einer nachprüfenden Kontrolle unterzogen werden sollen oder dass das Weisungsrecht des Justizministers nur dann bestehen solle, wenn der Staatsanwalt und der Oberstaatsanwalt unterschiedliche Meinungen vertreten. Jede dieser Varianten stieß aber letztlich auf mehr oder weniger große Skepsis.

          Von einigen Ausschussmitgliedern wurde die Beibehaltung des derzeitigen Systems des Weisungsrechts und auch der derzeitigen Weisungshierarchie verlangt.

          Einigkeit bestand im Ausschuss jedenfalls darüber, dass aufgrund des – gerade in den letzten Jahren eingetretenen – Wandels der Rolle und des Rollenverständnisses der Staatsanwaltschaften sowie insbesondere der vor kurzem beschlossenen großen Strafprozessreform eine Verschärfung der Problematik des Weisungsrechts des Justizministers eingetreten ist und dass die Ausübung des Weisungsrechts durch den Justizminister – etwa durch Einrichtung eines eigenen parlamentarischen Kontrollausschusses (der die Ausübung des Weisungsrechts ex post kontrollieren sollte) – noch transparenter gestaltet werden sollte.

          Schließlich gab es – der einschlägigen Empfehlung des Europarats folgend – auch den Vorschlag, die staatsanwaltsinternen Weisungen im Gerichtsakt einsehbar zu machen.

 

2. Die unter den Punkten a) und e) zitierten Modelle zielen also – bei grundsätzlicher Beibehaltung des gegebenen Zustands (Weisungsrecht des Bundesministers für Justiz gegenüber den Staatsanwaltschaften) – im Wesentlichen auf eine Verbesserung der Transparenz und Kontrolle des ministeriellen Weisungsrechts ab. Die Ausübung des ministeriellen Weisungsrechts sollte durch einen eigenen parlamentarischen Ausschuss ex post – das heißt nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens durch das Gericht (Strafurteil) oder durch die Staatsanwaltschaft (z.B. Einstellung, diversionelle Maßnahme) oder auch nach Zurücklegung der Anzeige – kontrolliert werden. Dabei könnten die schon bestehenden ständigen Unterausschüsse gemäß Art. 52a B-VG[3] iVm §§ 32b ff GOG-NR[4] - wie sie für die Staatspolizei und für die militärischen Nachrichtendienste bereits eingerichtet wurden – als Vorbild dienen.[5] So wie für diese beiden Unterausschüsse schon jetzt in Art. 52a Abs. 2 B-VG normiert, sollte der einzurichtende ständige Unterausschuss befugt sein, sowohl vom zuständigen Bundesminister für Justiz als auch von den jeweils betroffenen (Ober-) Staatsanwaltschaften alle einschlägigen Auskünfte und Einsicht in alle einschlägigen Unterlagen und Akten zu verlangen, sofern dadurch nicht die nationale Sicherheit oder die Sicherheit von Menschen gefährdet werden würde. Das Einsichtsrecht sollte insbesondere die Berichte und Berichtsaufträge (§ 8 Staatsanwaltschaftsgesetz[6] [im Folgenden kurz: StAG]), die schriftlich erteilten Weisungen vorgesetzter Behörden (§ 29 StAG) und innerhalb staatsanwaltschaftlicher Behörden (§ 30 StAG) und die staatsanwaltschaftlichen „Tagebücher“ (§ 34 StAG) umfassen.

 

 

II. Textvorschlag

Vor dem eben geschilderten Hintergrund könnte ein – laut ergänzendem Mandat des Präsidiums vom 9. Juni 2004 auszuarbeitender – Textvorschlag für eine Neufassung (Ergänzung) des Art. 52a B-VG etwa wie folgt lauten:

 

1. In Art. 52a Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz wird

a)      das Wort „sowie“ durch einen Beistrich ersetzt und

a)b)           nach dem Wort „Landesverteidigung“ die Wortfolge „sowie der Ausübung des Aufsichts- und Weisungsrechts im Bereich der Staatsanwaltschaften“ eingefügt.

2. In Art. 52a Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz wird nach dem ersten Satz folgender neuer Satz eingefügt:

„Der Unterausschuss zur Überprüfung der Ausübung des Aufsichts- und Weisungsrechts im Bereich der Staatsanwaltschaften ist darüber hinaus befugt, von den zuständigen Staatsanwaltschaften alle einschlägigen Auskünfte und Einsicht in die einschlägigen Unterlagen zu verlangen.“[7]

 

[Ebenso müssten auch die §§ 32b bis 32d GOG-NR entsprechend adaptiert werden.]

 

 

 

Dr. Gert Schernthanner                                                                                         28. Juli 2004



[1] Vgl. dazu näher den Bericht des Ausschusses 9 vom 26. März 2004, S. 11 ff; dieser Ausschussbericht ist unter www.konvent.gv.at zugänglich.

[2] Vgl. die Initiativanträge der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion, 329/A XXI. GP, und 126/A XXII. GP

[3] Bundes-Verfassungsgesetz vom 1. Oktober 1920, StGBl 1920/450 idF BGBl I 2003/100

[4] Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrats 1975, BGBl 1975/410 idF BGBl I 1999/194

[5] Vgl. dazu auch die ständigen Unterausschüsse des Hauptausschusses (Art. 55 Abs. 3 B-VG iVm §§ 31 ff GO-NR), den ständigen Unterausschuss des Budgetausschusses (Art. 51c B-VG iVm § 32a GOG-NR) und den ständigen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses (Art. 52b, 126d Abs. 2 B-VG iVm § 32e GOG-NR)

[6] Bundesgesetz vom 5.3.1986 über die staatsanwaltschaftlichen Behörden, BGBl 1986/164 idF BGBl I 2001/130

[7] Der Vorschlag, in Art. 52a Abs. 2 B-VG einen neuen Satz einzufügen, wird ausdrücklich zur Diskussion gestellt. Die Notwendigkeit dieser Einfügung könnte insofern fraglich sein, als es schon nach geltender Rechtslage so sein dürfte, dass etwa der Bundesminister für Inneres auch Unterlagen „nachgeordneter Dienststellen“, wie etwa des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, auf Verlangen des zuständigen Unterausschusses vorzulegen hat (und zwar im Wege des BMI). Dasselbe könnte in Zukunft auch für den Bundesminister für Justiz gelten, wobei die Aktenvorlage wohl auch nicht unmittelbar durch die Staatsanwaltschaft, sondern „im Dienstweg“ stattfinden sollte, um damit die notwendige Information des Ministeriums jederzeit zu gewährleisten.

Ergänzend sollte im Ausschuss ebenfalls noch darüber diskutiert werden, ob die im geltenden Text enthaltenen Ausnahmen (Gefährdung der nationalen Sicherheit oder der Sicherheit von Menschen) einerseits auch für die Justiz erforderlich sind, andererseits aber vielleicht sogar zu kurz greifen, weil sie gewisse geheimhaltungsbedürftige Fälle nicht abdecken würden (z.B. die Möglichkeit der Verwendung von Ergebnissen eines Lauschangriffs in einem von der Staatsanwaltschaft eingestellten Verfahren in einem späteren – noch anhängigen – Strafverfahren).