Arbeitsunterlage
für die gemeinsamen Beratungen
des Ausschusses 6 und des Ausschusses 7
im Bereich der Weisungsbindung und im Bereich der Ausgliederung
Ausschuss 6
INHALTSVERZEICHNIS
§
Auszug aus dem Bericht
des Ausschusses 6:
Punkt
II. Zur einfachgesetzlichen Weisungsfreistellung
Punkt
IV. Ausgliederung aus der staatlichen Verwaltungsorganisation
§
Auszug aus dem Bericht
des Ausschusses 6:
Verfassungstexte und
Textgegenüberstellung
§
Arbeitsunterlage von
Prof. Dr. Raschauer:
„Die große Vielfalt
weisungsfreier Organe“
§
Arbeitsunterlage von
Präs. Dr. Jabloner:
„Kann eine Ermächtigung
des (einfachen) Gesetzgebers, Verwaltungorgane weisungsfrei zu stellen,
formuliert werden?“ vom 7. Jänner 2004
§
Arbeitsunterlage von
Präs. Dr. Jaloner:
„Nachtrag zur Sitzung vom
16. März 2004“ vom 17. März 2004
(Auszug aus dem Bericht des Ausschusses 6 vom 23.3.2004)
II. Zur einfachgesetzlichen Weisungsfreistellung
1. Ausgangslage
Die österreichische Verwaltung unterliegt einer strikten Weisungsbindung an die jeweils zuständigen obersten Organe (insb. Art. 20 Abs. 1 B-VG). Diese Weisungsbindung kann nach dem geltenden Verfassungsrecht
·
entweder durch eine ausdrückliche verfassungsrechtliche
Weisungsfreistellung
(in Form einer Vielzahl von
Verfassungsbestimmungen in den
jeweiligen Materiengesetzen)
·
oder durch die einfachgesetzliche Einrichtung
einer weisungsfreien Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag gem. Art. 20
Abs. 2 B-VG (sog. „133 Z 4 – Behörden“)
(Derzeit gibt es über 140 solcher Behörden;
davon rund 30 auf Bundesebene.)
durchbrochen werden, um eine „unabhängige“ Verwaltungsführung zu ermöglichen. Beide Modelle stehen unter Kritik. So tragen die fugitiven Verfassungsbestimmungen zur viel beklagten Zersplitterung des Verfassungsrechts bei. Aber auch der verstärkten Heranziehung des Behördentyps der „133 Z 4-Behörden“ wurde seitens des VfGH Einhalt geboten, der ihnen einen bloßen Ausnahmecharakter zubilligt und eine besondere Rechtfertigung einfordert.
2.
Möglichkeiten der Weisungsfreistellung
Unter der Annahme, dass die Weisungsfreiheit der derzeit weisungsfrei gestellten Organe auch weiterhin bestehen bleiben soll, stellt sich die Frage nach einer gesamthaften verfassungsrechtlichen Lösung. Nahe liegender Weise ist zunächst an eine inhaltlich determinierte Weisungsfreistellung auf Verfassungsebene zu denken. Damit steht man allerdings vor dem – nicht geringen – Problem, die gewünschten „weisungsfreien Zonen“ abstrakt definieren zu müssen, will man nicht zu der legistisch fragwürdigen Methode einer endlosen Aufzählung aller relevanten Tatbestände im Verfassungstext greifen (ohne dadurch aber auch zukünftige Fälle zu erfassen). Partielle Lösungen lassen sich zweifellos finden, wenn z.B. ein möglichst großer Teil der rund 140 „133 Z 4 – Behörden“ in die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz und damit in die Weisungsfreiheit übergeführt werden. Neben den weisungsfreien Behörden gibt es jedoch noch eine deutlich höhere Anzahl von weisungsfrei gestellten Organen in der Verwaltung, die keine unmittelbar behördliche Funktion ausüben (vgl. die lange Liste in der Anl. 8).
Im Rahmen der Ausschussberatung fand eine sehr pointierte, über mehrere Sitzungen hinweg geführte Diskussion zu diesem Thema statt. Der als Diskussionsgrundlage eingebrachte Vorschlag einer nicht nach inhaltlichen Kriterien bestimmten Möglichkeit der „Lockerung des Weisungsprinzips“ stieß bei einem Teil der Ausschussmitglieder auf starke Ablehnung. Es wurde argumentiert, dass der derzeitige Verfassungsvorbehalt in der Weisungsbindung integraler Bestandteil des demokratischen Verantwortlichkeitszusammenhanges der obersten Organe ist und eine generelle Weisungsfreistellung nicht in Frage komme, da damit die Grundprinzipien der Verfassung berührt würden.
Es konnte Übereinstimmung im Ausschuss erzielt werden, dass eine verfassungsrechtliche Lösung gefunden werden soll, die eine verfassungsrechtliche Weisungsfreistellung im Einzelfall tunlichst vermeidet. Die nachfolgenden, in die Punkte 3 und 4 aufgenommenen Lösungsansätze wurden in den Ausschuss eingebracht und beraten.
3. Ersetzung
der Weisungsbindung durch ein Ingerenz- und Verantwortungsprinzip
Die mittlerweile beträchtliche Zahl von weisungsfreien Organen bzw. von weisungsfrei zu führenden Angelegenheiten ist nicht von ungefähr entstanden. Sie ist Ausdruck des verschiedentlich schon im Fachschrifttum angesprochenen Umstands, dass Art. 20 Abs. 1 B-VG im Hinblick auf einen klassischen Bereich bürokratischer Einrichtungen der Bundes- und der Landesverwaltung konzipiert ist (vgl. im Anschluss an Ringhofer VfSlg. 8136/1977). Demgegenüber nimmt die Zahl der nicht nach dem Modell der „obersten Organe und ihrer nachgeordneten Ämter“ konzipierten Verwaltungseinrichtungen zu. Vorschriften des Gemeinschaftsrechts gebieten verschiedentlich die Einrichtung „unabhängiger“ Behörden (z.B. Regulierungsbehörden, Streitschlichtungsstellen, Flugunfalluntersuchungskommission). Aber auch unabhängig von gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben kann es sich – wie das Beispiel der Finanzmarktaufsicht belegt – als nach internationalen Standards oder aber – wie das Beispiel der Rechtsschutzbeauftragten belegt – als rechtspolitisch unabdingbar erweisen, Verwaltungseinrichtungen Unabhängigkeit zuzuerkennen. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht zu erkennen, vielmehr scheint sich der Trend zur Schaffung von „weisungsfreien“ Einrichtungen bzw. Funktionen (z.B. für Museumsdirektoren oder aber auch für Tierschutzbeauftragte) zu beschleunigen.
Die da und dort angestrebten Behelfslösungen durch Inanspruchnahme des Art. 20 Abs. 2 bzw. Art. 133 Z 4 B-VG können nicht überzeugen. Wie immer die zuletzt sehr einschränkende Judikatur des VfGH zu den „Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag“ in rechtsdogmatischer Sicht zu beurteilen ist, ist ihr jedenfalls rechtspolitisch beizutreten: Der verstärkte Einsatz solcher Einrichtungen eröffnet gleichzeitig Defizite im Hinblick auf das Demokratieprinzip und im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip.
Die Grundprinzipien der Bundesverfassung gebieten adäquate Steuerungsmöglichkeiten der obersten Organe, die sie instand setzen, das Verwaltungshandeln gegenüber den parlamentarischen Vertretungskörpern zu verantworten. Diese „Steuerung“ muss nicht in jener „Weisung“ bestehen, die in bürokratisch organisierten Bereichen sinnvoll ist, da ihr dort in aller Regel eine disziplinarrechtliche Verantwortlichkeit korrespondiert. Gerade im Zusammenhang mit Ausgliederungen ist heute der Begriff „Ingerenzprinzip“ gebräuchlich geworden. Als Beispiel für einen solchen Kompromiss von relativer Unabhängigkeit bei grundsätzlicher Steuerungsbefugnis des zuständigen obersten Organs sei hier auf § 3 des Energie-RegulierungsbehördenG hingewiesen.
In diesem Sinn kann man die Position vertreten, dass es dem demokratisch legitimierten parlamentarischen Gesetzgeber überantwortet werden kann, das nach den Besonderheiten des jeweiligen Vollzugsbereichs sachgerechte Ingerenz- und Verantwortlichkeitsmodell zu regeln. Unzulässig soll jedoch ein Abstreifen von Steuerungmöglichkeiten sein. Unter diesen Voraussetzungen kann ein Verfassungsvorbehalt für Ausnahmen vom Weisungsprinzip aufgegeben werden.
Gegen eine verfassungsrechtliche Festlegung weisungsfreier Bereiche (unten Pkt. 4.) wird von dieser Position eingewandt, dass sie das zu lösende Problem fugitiver verfassungsrechtlicher Weisungsfreistellungen nicht vollständig zu lösen vermag und dass sie einen bestimmten historischen Zustand festschreibt und damit nicht für zukünftige Entwicklungen offen ist.
Textvorschlag A (kein
Konsens): Artikel
x. (1) [Statuierung des
Weisungszusammenhanges auf Basis des Art. 20 Abs. 1 B-VG. Der 3. Satz dieser
Bestimmung (betr. die Weisung eines unzuständigen Organs …) könnte bei diesem
Lösungsansatz entfallen und einfachgesetzlich – etwa im Dienstrecht –
vorgesehen werden.] (2) Durch Gesetz können
erforderlichenfalls [oder: ausnahmsweise] weisungsfreie Organe
geschaffen werden. Den zuständigen obersten Organen verbleibt eine der Art
der jeweiligen Verwaltungsgeschäfte entsprechende allgemeine Leitungs- und
Aufsichtsbefugnis wie insbesondere Ernennungs- und Abberufungsbefugnisse
sowie eine Richtlinienkompetenz. |
4.
Verfassungsrechtliche Festlegung weisungsfreier Bereiche als Lösungsansatz
Als Gegenvorschlag wurde
in die Ausschussberatungen eingebracht, vom Verfassungsvorbehalt bei der
Weisungsfreistellung nicht abzugehen, da die staatsrechtliche Funktion
der Weisung darin liegt, die demokratische Legitimation und die demokratische
Kontrolle der Verwaltung zu garantieren. Die Notwendigkeit einer Entlastung
des formellen Verfassungsrechts wie auch die Zweckmäßigkeit, in einzelnen
Bereichen der Verwaltung von der Weisungsbindung abzugehen, wird dabei nicht
verkannt. Die vorgeschlagene allgemeine „Lockerungsregel“ enthält aber keine
sachhaltige Determinante. Dies würde bedeuten, dass der Gesetzgeber in Zukunft
beliebige Bereiche der Verwaltung aus der Hierarchie und damit Verantwortung
herausnehmen könnte, was an sich ja von niemandem angestrebt wird. Eine
nachprüfende Kontrolle des Gesetzgebers durch den VfGH wäre dann nur mehr
denkbar, wenn man in die Ermächtigung des Art. 20 B-VG, weisungsfreie Organe
einzurichten, die genannten – eben unscharfen – Strukturüberlegungen
miteinbezieht. Damit würde die Bundesverfassung aber für diesen Bereich ihre
regulatorische Funktion verlieren.
Deshalb wird
vorgeschlagen, für genau definierte Verwaltungsbereiche eine ausdrückliche
Ermächtigung in der Verfassung vorzusehen, eine einfachgesetzliche
Weisungsfreistellung vornehmen zu können. Diese „weisungsfreien Zonen“
orientieren sich an den im Rahmen der Ausschussarbeit erhobenen weisungsfreien
Behörden und sonstigen Organen (vgl. Anl. 8).
Textvorschlag B (kein
Konsens): Artikel
x. (1) [Statuierung des
Weisungszusammenhanges auf Basis des Art. 20 Abs. 1 B-VG.] […] Sie sind an die Weisungen der ihnen vorgesetzten Organe gebunden und diesen für ihre amtliche Tätigkeit verantwortlich. […] (2) Abweichend von Abs. 1
können folgende Organe gesetzlich weisungsfrei gestellt werden: 1.
Sachverständige Organe, soweit ihnen
nicht über unmittelbare behördliche Befehls- und Zwangsgewalt hinausgehende
hoheitliche Befugnisse zukommen, 2.
Organe in Angelegenheiten des Dienst-, Wehr-, Gleichbehandlungs- und
Akkreditierungsrechts, 3.
zur Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung besonders eingerichtete Organe
wie Amtsparteien oder Rechtschutzbeauftragte, 4.
Kommissionen in Vollziehung von Verfassungsgesetzen gemäß Art. 3
Abs. 2 B-VG. |
Dieser Textvorschlag geht davon aus, dass eine
Reihe von derzeit weisungsfrei gestellten Einrichtungen, wie insbesondere die
Regulierungsbehörden (siehe dazu auch die Ergebnisse im Ausschuss 7), die „133
Z 4 – Behörden“, die Unabhängigen Verwaltungssenate und die Organe der
Selbstverwaltung eine im Hinblick auf ihre Weisungsfreiheit spezielle Regelung
erfahren. Wo eine solche nicht erfolgt, wäre eine Erweiterung des
Textvorschlages erforderlich. Es ist weiters auch zu erwarten, dass – im Lichte
der jüngsten Judikatur des VfGH – die Rechtsschutzbeauftragten im Siebenten
Hauptstück der Bundesverfassung speziell geregelt werden. Dazu wird auf den
Ausschuss 9 verwiesen. Die Frage der weisungsfreien Grenzkommissionen wird
derzeit im allgemeineren Rahmen vom Ausschuss 2 diskutiert, allenfalls könnte
auch die hier vorgesehene Ermächtigung entfallen. Hinzuweisen ist schließlich
auf den alternativen Textvorschlag im Bericht des Ausschusses 7.
IV. Ausgliederung aus der staatlichen
Verwaltungsorganisation
1. Die
VfGH-Judikatur
In der Verfassung ist derzeit bloß zum Ausdruck gebracht, dass die Verwaltungsgeschäfte im Rahmen des Bundes in den Bundesministerien und den nachgeordneten Dienststellen geführt werden (Art. 77 Abs. 1 B-VG) Die Wahrnehmung von Verwaltungsgeschäften auch außerhalb der allgemeinen staatlichen Verwaltungsorganisation (Ausgliederung) ist zwar im Verfassungstext nicht vorgesehen, hat sich aber in vielen Fällen bewährt. Sie stößt allerdings auf verschiedene Hindernisse, insbesondere wenn hoheitliche Aufgaben ausgegliedert werden. Eine strenge Judikatur des VfGH zieht den Ausgliederungsbestrebungen nämlich eher enge im Einzelfall nicht immer ganz klare Grenzen. Nach dem so genannten Austro-Control-Erkenntnis (VfSlg. 14.473/1996) und dem Erkenntnis zur Bundes-Wertpapieraufsicht (VfSlg. 16.400/2001)
· dürfen an ausgegliederte Rechtsträger nur „vereinzelte“ Aufgaben übertragen werden,
§
· dürfen „Kernbereiche“ der hoheitlichen Staatstätigkeit überhaupt nicht ausgegliedert werden (wobei der VfGH keine Definition dieses Bereiches lieferte, sondern sich auf exemplarische Beispiele – innere und äußere Sicherheit, Ausübung der Strafgewalt sowie Außenpolitik – beschränkte),
· unterliegt die Ausgliederung von Hoheitsbefugnissen den verfassungsrechtlichen Sachlichkeits- und Effizienzgeboten,
· muss das verfassungsrechtliche System der Leitungsgewalt und Verantwortlichkeit der obersten Organe gewahrt bleiben.
2. Neue
Ausgliederungsgrenzen
Ein Versuch, diese Judikaturlinie verfassungsrechtlich zu verankern, erscheint einem Teil der Ausschussmitglieder wenig zweckmäßig, da damit bloß eine unklare Grenzziehung positiviert würde. Ebenso würde die verfassungsrechtliche Definition eines ausgliederungsfesten Bereiches viele Abgrenzungsprobleme hervorrufen und sollte deshalb eher unterbleiben. Vielmehr erscheint überlegenswert, die Verwaltungsorganisation insofern zu flexibilisieren, als neben der grundsätzlichen Wahrnehmung der Verwaltungsführung durch Organe der staatlichen Verwaltung auch die Betrauung von Rechtsträgern außerhalb dieser ermöglicht wird. Der Gefahr einer schrankenlosen Ausgliederung könnte dahingehend begegnet werden, als die Wahrnehmung von staatlichen Aufgaben durch die allgemeine staatliche Verwaltung vom Grundsatz her weiter bestehen bleiben soll. Dies wäre durch die Aufnahme einer Subsidiaritätsklausel („erforderlichenfalls“) sowie durch entsprechende Erläuterungen zu sichern. Ebenso sollte die nach dem VfGH gebotene Aufrechterhaltung einer der Art der ausgegliederten Aufgabe adäquate Leitungs- und Steuerungsbefugnis des obersten Organs auch im Rahmen der ausgegliederten Verwaltung in der Verfassungsbestimmung ausdrücklich enthalten sein.
Damit der Vorteil einer erhöhten Flexibilität nicht in
eine völlige Strukturlosigkeit umschlägt, wäre
– gewissermaßen als Weiterentwicklung des Organisationsrechts der
Gebietskörperschaften bzw. des Gesellschaftsrechts für den öffentlichen
Bereich – an die einfachgesetzliche Schaffung von Organisationstypen zu denken,
die die spezifischen Anforderungen an ausgegliederte Rechtsträger
berücksichtigen (wie z.B. die Gewährung der erforderlichen parlamentarischen
Kontrolle sowie die Berücksichtigung dienstrechtlicher, haushaltsrechtlicher,
gleichbehandlungsrechtlicher, vergaberechtlicher, wettbewerbsrechtlicher und
„Public-Private-Partnership“– Aspekte). Das Bestehen solcher Organisationstypen
könnte dann nicht nur dem Bund, sondern auch den Ländern und Gemeinden den
Einsatz ausgereifter Ausgliederungsmodelle ermöglichen.
Ein anderer Teil der Ausschussmitglieder plädiert für eine Übernahme der VfGH-Ausgliederungsjudikatur in den Verfassungstext, wobei aber eingeräumt wird, dass das Festlegen eines ausgliederungsfesten Kernbereiches erst verfassungspolitisch zu entscheiden wäre. Jedenfalls müsse aber klargestellt bleiben, dass im hoheitlichen Bereich vom Weisungsstandard des Art. 20 B-VG nicht abgegangen werden dürfe. Überdies müsse das Problem berücksichtigt werden, dass rechtsformkonforme Konstruktionen verfassungsrechtlich gewährleistet werden; insbesondere im Hinblick auf vertragsähnliche Konstruktionen, um die Gefahr einer Verschleierung von hoheitsrechtlichen Bindungen hintan zu halten. Auch der VfGH hat in seinem jüngst ergangenen Erkenntnis G 279/02 zum Ausdruck gebracht, dass, soweit die Hoheitsverwaltung betroffen ist, „hiefür als Steuerungselemente Gesetz, Verordnung, Weisung bzw. Aufsichtsrecht verfassungsgesetzlich vorgegeben sind und nicht durch betriebs(privat-)wirtschaftliche Steuerungsinstrumente ersetzt werden dürfen.“
In den Beratungen wurden zwei Varianten eines Textvorschlages ausführlich debattiert, wobei der Hauptunterschied darin besteht, dass in Variante A eine Definition einer ausgliederungsfesten „Kernaufgabe“ unterbleibt, während in der Variante B eine solche vorgesehen werden soll und ein ausdrücklicher Hinweis enthalten ist, dass auch in der ausgegliederten („beliehenen“) Hoheitsverwaltung an der Weisungsbindung gemäß Art. 20 Abs. 1 B-VG festgehalten wird.
Textvorschlag A (kein
Konsens): „Mit der Besorgung der Verwaltungsgeschäfte sind die obersten Verwaltungsorgane und die ihnen unterstellten Ämter betraut und können erforderlichenfalls auch außerhalb der staatlichen Verwaltung stehende Rechtsträger herangezogen werden. Diesfalls ist eine der Eigenart der übertragenen Aufgaben adäquate Leitungs- und Steuerungsbefugnis des zuständigen obersten Organs zu wahren.“ |
Textvorschlag B (kein
Konsens): „Zur
Besorgung der Verwaltungsgeschäfte sind die obersten Verwaltungsorgane und
die ihnen unterstellten Ämter berufen. Soweit es sich nicht um < hier
wäre eine verfassungspolitische Umschreibung ausgliederungsfester Aufgaben
vorzunehmen > handelt, kann gesetzlich vorgesehen werden, dass auch
außerhalb der staatlichen Verwaltung stehende Rechtsträger herangezogen
werden. Unbeschadet Art. 20 Abs. 1 sind die der Eigenart der übertragenen
Aufgaben entsprechenden Leitungs- und Steuerungsbefugnisse der obersten
Verwaltungsorgane zu wahren.“ |
Diese beiden Vorschläge, die im Umkreis der allgemeinen Bestimmungen um Art. 20 B-VG eingeordnet werden sollten, lassen die Stellung der Bundesministerien und der Ämter der Landesregierung absichtlich noch offen, da deren spezifische verfassungsrechtliche Stellung zweckmäßigerweise im dritten und vierten Hauptstück des B-VG erfolgt. Die in den Ausschussberatungen angesprochenen Aspekte der den Bundesministerien zwingend vorbehaltenen Zuständigkeiten wie auch die Forderung nach einer Beibehaltung der Einheitlichkeit der Ämter der Landesregierung wären demnach nicht in der vorgeschlagenen Stelle zu regeln.
Verfassungstexte und
Textgegenüberstellung
I. Bereich der derzeitigen Art. 19 bis 23 B-VG
Viele
Textvorschläge fallen in den Regelungsbereich der Art. 19 bis 23 B-VG. Es wird
daher vorgeschlagen, diese Verfassungsbestimmungen unter Einarbeitung der
vorliegenden Textvorschläge neu zusammenzufassen. Es wird darauf hingewiesen,
dass über einen Teil der Bestimmungen sowie über die Form der Darstellung kein
Konsens gefunden werden konnte.
vorgeschlagener Text derzeit geltende Fassung
Verwaltungsorganisation Artikel a1. (1) Zur obersten Führung der Verwaltung sind die Bundesregierung und deren Mitglieder sowie die Landesregierungen und, nach Maßgabe landesverfassungsgesetzlicher Bestimmungen, deren Mitglieder in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich berufen (oberste Verwaltungsorgane). (2) Unter der Leitung der obersten Verwaltungsorgane führen nach den Bestimmungen der Gesetze die sonstigen Organe die Verwaltung. Sie sind an die Weisungen der ihnen vorgesetzten Organe gebunden und diesen für ihre amtliche Tätigkeit verantwortlich. (3) [Variante A – kein Konsens] Durch Gesetz können erforderlichenfalls weisungsfreie Organe geschaffen werden. Den zuständigen obersten Organen verbleibt eine der Art der jeweiligen Verwaltungsgeschäfte entsprechende allgemeine Leitungs- und Aufsichtsbefugnis wie insbesondere Ernennungs- und Abberufungsbefugnisse sowie eine Richtlinienkompetenz. (4) Unparteilichkeit, Gesetzestreue und Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes sind zu sichern. (5) [Variante A – kein Konsens] Mit der Besorgung der Verwaltungsgeschäfte sind die obersten Verwaltungsorgane und die ihnen unterstellten Ämter betraut und können erforderlichenfalls auch außerhalb der staatlichen Verwaltung stehende Rechtsträger herangezogen werden. Diesfalls ist eine der Eigenart der übertragenen Aufgaben adäquate Leitungs- und Steuerungsbefugnis des zuständigen obersten Organs zu wahren. (6) [kein Konsens] Durch Gesetz können Hoheitsrechte des Bundes und der Länder auf gemeinsame Einrichtungen übertragen werden. Die Verantwortlichkeit für die Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben bleibt unberührt. |
[Oberste Organe] Artikel 19. (1) Die obersten Organe der Vollziehung sind der Bundespräsident, die Bundesminister und Staatssekretäre sowie die Mitglieder der Landesregierungen. Artikel 20. (1) [Verfassungsrechtlicher Beamtenbegriff; Weisungsprinzip] Unter der Leitung der obersten Organe des Bundes und der Länder führen nach den Bestimmungen der Gesetze auf Zeit gewählte Organe oder ernannte berufsmäßige Organe die Verwaltung. Sie sind, soweit nicht verfassungsgesetzlich anderes bestimmt wird, an die Weisungen der ihnen vorgesetzten Organe gebunden und diesen für ihre amtliche Tätigkeit verantwortlich. Das nachgeordnete Organ kann die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt wurde oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde. (2) [Weisungsfreie Kollegialbehörden] Ist durch Bundes- oder Landesgesetz zur Entscheidung in oberster Instanz eine Kollegialbehörde eingesetzt worden, deren Bescheide nach der Vorschrift des Gesetzes nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg unterliegen und der wenigstens ein Richter angehört, so sind auch die übrigen Mitglieder dieser Kollegialbehörde in Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden. |
[Artikel a1 Abs. 2, 3 und 5: Variante B – kein Konsens] (2) […] Das nachgeordnete Organ kann die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt wurde oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde. (3) Abweichend von Abs. 2 können folgende Organe gesetzlich weisungsfrei gestellt werden: 1. Sachverständige Organe, soweit ihnen nicht
über unmittelbare behördliche Befehls- und Zwangsgewalt hinausgehende
hoheitliche Befugnisse zukommen, (5) Zur Besorgung der Verwaltungsgeschäfte sind die obersten Verwaltungsorgane und die ihnen unterstellten Ämter berufen. Soweit es sich nicht um < hier wäre eine verfassungspolitische Umschreibung ausgliederungsfester Aufgaben vorzunehmen > handelt, kann gesetzlich vorgesehen werden, dass auch außerhalb der staatlichen Verwaltung stehende Rechtsträger herangezogen werden. Unbeschadet Abs. 2 sind die der Eigenart der übertragenen Aufgaben entsprechenden Leitungs- und Steuerungsbefugnisse der obersten Verwaltungsorgane zu wahren. |
Bernhard
Raschauer
Die
große Vielfalt weisungsfreier Organe
· Regulierungsbehörden – mit zahlreichen fugitiven Verfassungsbestimmungen
· Kollegiale "133 Z 4 – Behörden" mit richterl. Einschlag gem. Art. 20. Abs. 2 B-VG inkl. Agrarsenate, Oberster Patent- und Markensenat, Datenschutzkommission, Umweltsenat, Übernahmekommission, Börseberufungssenat, Bundeskommunikationssenat, Disziplinarsenate nach Kammerrecht, Schiedskommissionen nach ASVG, Krankenanstaltenrecht und Sozialhilferecht, regulierungsbehördliche Kommissionen, Unabhängige Heilmittelkommission Landesvergabeämter u.v.a.m.
· Unabh. Verwaltungssenate (UVS), Unabh. Bundesasylsenat (UBAS), Bundesvergabeamt
· Selbstverwaltung inkl. Kammern, Sozialversicherungsträger, Jägerschaften, Wassergenossenschaften und -verbände, Agrargemeinschaften, Hochschülerschaft sowie Universitäten
Gesamtübersicht der weisungsfreien Behörden und Organe
Es wird von der Prämisse ausgegangen, dass ausgegliederte Rechtsträger außerhalb der Hoheitsverwaltung nur dann weisungsgebunden sind, wenn dies ausdrücklich gesetzlich angeordnet ist (VfSlg. 15.946/2000; VfGH v. 10.10.2003, G 222/02).
·
Oesterreichische Nationalbank
(1. allgemein, 2. Verfassungsbestimmung § 79 Abs. 5 BWG)
·
Finanzmarktaufsicht
(Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1 FMABG)
·
Vorstandsvorsitzende der Post-Nachfolge-Unternehmen
(Verfassungsbestimmung § 17a PoststrukturG)
· Schulräte (Art. 81a Abs. 4 B-VG)
· Mitglieder der Kollegialorgane der Universitäten und Kunstuniversitäten (Verf.bestimmungen § 13 Abs. 2 UOG und § 14 Abs. 2 KUOG i.V.m. § 20 UniG)
· Prüfungskommission (Verfassungsbestimmung § 29 Abs. 6 BDG)
· Berufungskommission (Verfassungsbestimmung § 41a Abs. 6 BDG)
· Berufungskommission (Verfassungsbestimmung § 73a HeeresdiszG)
· Leistungsfeststellungskommission (Verfassungsbestimmung § 88 Abs. 4 BDG)
· Disziplinarkommission (Verfassungsbestimmung § 102 Abs. 2 BDG)
· Disziplinarkommission (Verfassungsbestimmung § 15 Abs. 5 HeeresdiszG)
·
Disziplinarkommissionen
(Verfassungsbestimmungen § 91 Abs. 2 Landeslehrer-DienstrechtsG
und § 99 Abs. 2 land- und forstwirtschaftliches Landeslehrer-DienstrechtsG)
· Gutachterkommission (Verfassungsbestimmung § 207j Abs. 7 BDG)
·
Begutachtungskommission
(Verfassungsbestimmung § 7 Abs. 6 AusschreibungsG)
·
Weiterbestellungskommission
(Verfassungsbestimmung § 18 Abs. 3 AusschreibG)
· Aufnahmekommission (Verfassungsbestimmung § 34 Abs. 1 AusschreibungsG)
·
Auswahlkommission
(Verfassungsbestimmung § 14 Abs. 10 Statut auswärtiger Dienst)
· Viele ähnliche dienstrechtliche Kommissionen der Länder
·
Gleichbehandlungskommission
(Verfassungsbestimmung § 24 Abs. 5 BundesGleichbehG)
·
Gleichbehandlungskommission
(Verfassungsbestimmung § 10 Abs. 1a GleichbehG)
·
Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen
(Verfassungsbestimmung § 40 Abs. 7 UOG und § 39 Abs. 7 KUOG)
· Viele ähnliche Kommissionen der Länder
· Beschwerdekommission (Verfassungsbestimmung § 4 WehrG)
· Menschenrechtsbeirat (Verfassungsbestimmung § 15a SPG)
· UVS (Art. 129b Abs. 2 B-VG)
· Bundesvergabeamt (Verfassungsbestimmung § 139 Abs. 1 BVergG)
· Bundes-Vergabekontrollkommission
· Unabhängiger Bundesasylsenat (Art 129c Abs. 3 B-VG, § 38 AsylG)
·
Unabhängiger Finanzsenat
(Verfassungsbestimmungen § 1 UFSG, § 271 Abs. 1 BAO, § 66 Abs. 1 FinStrG;
§ 85d ZollR-DG)
· Berufungssenat (§ 48 Wr. Stadtverfassung ?)
· Disziplinarkommissionen (Verfassungsbestimmung des § 19 Abs. 7 ApothG)
· Schiedsstelle nach Art. III UrhGNov 1980 (Verfassungsbestimmung des § 4)
· Umweltanwaltschaften (z.T. Verfassungsbestimmungen der Länder)
· Kinder- und Jugendanwaltschaften (?)
· Patienten- und Pflegeanwaltschaften (?)
·
Rechtsschutzbeauftragte
(§ 149n StPO, § 62a SPG, § 57 MBG – nur einfachgesetzlich)
·
Sicherheitsvertrauenspersonen
(Verfassungsbestimmung § 11 Abs. 2 BundesBedSchutzG)
·
Sicherheitsfachkräfte (bei Anwendung ihrer Fachkunde)
(Verfassungsbestimmung § 73 Abs. 3 BundesBedSchutzG)
·
Gleichbehandlungsbeauftragte und Kontaktfrauen
(Verfassungsbestimmung § 37 Abs. 1 BundesGleichbehG)
· Einsatzstraforgane (Verfassungsbestimmung § 81 Abs. 3 HeeresdiszG)
· Fachhochschulrat (Verfassungsbestimmung § 7 Abs. 4 FHStG)
· Akkreditierungsrat (Verfassungsbestimmung § 4 Abs. 2 UniAkkrG)
· Flugunfalluntersuchungsstelle (Verfassungsbestimmung § 4 Abs. 4 FlUUG)
·
Bundesmuseen im Rahmen ihrer Privatrechtsfähigkeit
(§ 31a Abs. 7 FOG, einfachgesetzlich)
·
Leiter der Statistik Österreich (in fachlichen Fragen)
(§ 38 Abs. 1 B-StatG, einfachgesetzlich)
· Generaldirektor für Wettbewerb (Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 3 WettbewG)
· Ethikkommissionen (z.T. einfachgesetzlich, sonst vorausgesetzt)
· ORF (Art. I Abs. 2 Rundfunk-BVG i.V.m. ORF-G ?)
· Organe des Entschädigungsfonds
· Organe des NS-Opferfonds
· Organe des Nationalfonds
· Kuratorium des Versöhnungsfonds
· Schiedsgericht nach § 5 BVG Landesgrenze Wien-NÖ
· Grenzkommission (§ 8 BVG Staatsgrenze Ö-BRD iVm Art. 19 Grenzvertrag 1972)
· Grenzkommission (§ 9 BVG Staatsgrenze Ö-CH iVm Art. 16 Grenzvertrag 1970)
· Grenzkommission (verfassungsändernder Vertrag mit Liechtenstein aus 1960)
Grenzfälle
· Bundesrechenzentrum GmbH (lt. Kucsko-Stadlmayer Weisung nicht angeordnet)
· Arsenal GmbH (lt. Kucsko-Stadlmayer Weisung nicht angeordnet)
· Agrarmarkt Austria (lt. Raschauer Weisung nicht klar geregelt)
· Arbeitsmarktservice (lt. Raschauer Weisung nicht klar geregelt)
· Wr. Bauoberbehörde (Art. 111 B-VG i.V.m. § 138 Wr. BauO)
· Wr. Abgabenberufungskommission (Art. 111 i.V.m. § 203 Wr. AbgO)
· Österreichische Bundesfinanzierungsagentur
· Österreichische Kontrollbank (Meldestelle nach BörseG, Ausfuhrförderung)
· Kommunalkredit Austria (Abwicklungsstelle nach UmweltförderungsG)
· Verrechnungsstellen (APCS u.a.) nach VerrechnungsstellenG (insb. im Fall der Aufhebung durch VfGH)
· Gremium zur Überprüfung des Umtauschverhältnisses (§ 225g AktG)
· Personalvertretungen
· Prüfer/Prüforgane
· Amtssachverständige
· Beiräte, Kommissionen
Allenfalls rechtspolitisch interessant
· Kommunikationskommission Austria (KommAustria)
· Hauptverband der österr. Sozialversicherungsträger (falls künftig nicht als Selbstverwaltung eingerichtet)
· Staatsanwaltschaften
· Bundeskartellanwalt
· Beitragsregime der gesetzlich anerkannten Kirchen
Ausgeklammert
sind zwischenstaatliche Einrichtungen wie z.B. der Verwaltungsrat nach dem Int. Energieprogramm oder die Ministerkonferenz nach WTO-Abkommen u.v.a.m.
Clemens Jabloner 7.1.
Kann eine Ermächtigung des (einfachen)
Gesetzgebers, Verwaltungsorgane weisungsfrei zu stellen, formuliert werden?
I. Problemstellung
Art. 20 Abs. 1 B-VG sieht die Weisungsgebundenheit und Verantwortlichkeit nachgeordneter Verwaltungsorgane vor, enthält jedoch zugleich einen formellen Verfassungsvorbehalt. Demgemäß finden sich bundes- und landesverfassungsrechtliche Weisungsfreistellungen in etlichen Rechtsquellen, was zur Zersplitterung des formellen Verfassungsrechts beiträgt. Ich halte dies zwar - in Relation zur Bedeutung des Weisungsprinzips - nicht für ein Problem erster Ordnung, räume aber ein, dass es in verfassungslegistischer Hinsicht vorteilhaft wäre, im Wege einer Ermächtigung des einfachen Gesetzgebers das Verfassungsrecht zu entlasten. Allerdings sind Weisungsgebundenheit und Verantwortung wesentliche Strukturelemente des Verfassungsgefüges. Ihre staatsrechtliche Funktion liegt darin, die demokratische Legitimation und die demokratische Kontrolle der Verwaltung zu garantieren ("Keine Kontrolle ohne Ingerenz" ist geradezu das Credo des VfGH bei ausgegliederten Rechtsträgern). Eine Ermächtigung des einfachen Gesetzgebers darf also nicht dazu führen, dass der einfache Gesetzgeber - um ein Extrembeispiel zu nennen - etwa die Finanzämter weisungsfrei stellt. Würde das Weisungsprinzip breitflächig aufgehoben werden, rsp. in die Disposition des einfachen Gesetzgebers gestellt sein, so hätte dies die Diskussion um die dann verbleibende demokratische Legitimation der Verwaltung zur Konsequenz. Damit wären aber auch derzeit ganz unstrittige Elemente der österreichischen Verwaltungsorganisation, wie die bürokratisch-monokratischen Bezirkshauptmannschaften, in Frage gestellt. Es geht also darum, die Ermächtigung des Gesetzgebers auf einige Typen der Verwaltung einzuschränken.
II. Zur Vorgangsweise
Prof. Raschauer hat dem Ausschuss eine - in dieses Papier ab S. 4 Mitte integrierte - Liste weisungsfreier Organe zur Verfügung gestellt, auf der die folgenden Erwägungen aufbauen. Zur besseren Übersicht habe ich die dort im ersten Absatz aufgezählten Einrichtungen mit Großbuchstaben und die dann folgenden einzelnen Behörden und Organe mit arabischen Zahlen bezeichnet.
In einem ersten Schritt können auf Grund der Kategorien A bis D eine Reihe von Einrichtungen der folgenden Liste deshalb ausgeschieden werden, weil sie in anderen Ausschüssen behandelt werden, d.h. inhaltlich betrachtet, weil sie entweder in die Staatsfunktion der Gerichtsbarkeit wechseln sollen oder ohnedies einem verfassungsrechtlichen Sonderregime unterworfen werden müssen.
Meines Erachtens ist nun diese Liste noch durch vier weitere Kategorien - E bis H - zu ergänzen, und zwar:
E. Besondere Behörden, über die derzeit noch keine Aussage getroffen werden kann. Dazu zählen vor allem die Schulräte. Sollen sie weiter bestehen, so können sie wohl nur von verfassungsrechtlich weisungsfrei gestellt sein, diesfalls würden sie in die Kategorie F wechseln.
F. Es gibt Organe, deren Unabhängigkeit wegen ihrer spezifischen rechtspolitischen Bedeutung verfassungsrechtlich garantiert werden muss, sollen ihre Einrichtung nicht schlechthin den Sinn verlieren. (Das ist ein Punkt, der bisher noch nicht diskutiert wurde: So wie es einerseits eine verfassungsrechtliche Garantie weisungsgebundener Verwaltung geben muss, so andererseits gewisse Garantien weisungsfreier Verwaltung). Man kann doch wohl nicht davon geleitet sein, dass der (einfache) Gesetzgeber zuständig sein sollte, die Unabhängigkeit der Nationalbank oder auch des ORF rückgängig zu machen. Unter diese Kategorie fallen einige der in der Liste aufgezählten Einrichtungen, namentlich auch im Bereich der Finanz- und Wirtschaftspolitik.
G. Einige der in der Liste angeführten Einrichtungen sind keine Verwaltungsbehörden, wie etwa das Kuratorium des österreichischen Nationalfonds. Dieser ist ein parlamentarisch-verwaltungsmäßiges Hybridorgan, dessen Regelung ohnedies auf Verfassungsstufe erfolgen muss.
H. Unter Hinweis auf die Judikatur des VfGH geht das vorgelegte Papier von der Prämisse aus, dass ausgegliederte Rechtsträger ohne hoheitliche Befugnisse nur dann weisungsgebunden sind, wenn dies ausdrücklich gesetzlich angeordnet wird. Dazu ist zu zunächst zu sagen, dass der VfGH diese Aussage für ausgegliederte Rechtsträger mit hoheitlichen Befugnissen trifft, die dem - allerdings nicht unmittelbar anwendbaren - Art. 20 Abs. 1 B-VG unterliegen. Der Gesetzgeber hat, soll die Konstruktion nicht verfassungswidrig sein, daher eine entsprechende Weisungsbindung vorzusehen. Von einer hier interessanten Wahlmöglichkeit des einfachen Gesetzgebers kann soweit nicht die Rede sein. Für ausgegliederte Rechtsträger, die nicht hoheitlich tätig werden, ist aus dieser Judikatur unmittelbar nichts zu gewinnen. In diesem Bereich bewegt man sich bereits jenseits der Grenze des staatlichen Bereichs, es liegt nicht mehr Verwaltung vor. Die Grenzziehung ist freilich insoweit nicht ganz scharf, als der Gesetzgeber bei einer gewissen Staatsnähe der Aufgabenbesorgung allenfalls entsprechende Elemente normieren kann, wie z.B. die Amtshaftung. Wenn in solchen Bereichen Weisungsbindungen angeordnet werden, so sind sie Ausdruck einer allenfalls privatrechtlichen Beherrschung einer Einrichtung durch den Staat. Insoweit liegen aber dann keine Weisungen im Sinn des Art. 20 Abs. 1 B-VG vor, sondern "Weisungen" gesellschafts- oder arbeitsrechtlicher Art (vgl. Kucsko- Stadlmayer, Grenzen der Ausgliederung, 15. ÖJT 2003, I/1, 34, Fn. 119 und 43, m.w.H.) Auch dieser Bereich fällt daher nicht in den Kontext der Aufgabenstellung.
III. Formulierung der verfassungsrechtlichen Ermächtigung
Meines Erachtens könnte ein neuer Art. 20 Abs. 1 und 2 B-VG (im derzeitigen verfassungslegistischen System) etwa wie folgt lauten:
"
(1) ... Sie sind an die Weisungen der ihnen vorgesetzten Organe gebunden und
diesen für ihre amtliche Tätigkeit verantwortlich....
(2) Abweichend von Abs.1
können die folgenden Organe gesetzlich weisungsfrei gestellt werden:
1.
Sachverständige Organe, soweit ihnen nicht über unmittelbare behördliche
Befehls- und Zwangsgewalt hinausgehende hoheitliche Befugnisse zukommen,
2.
Organe in Angelegenheiten des Dienst-, Wehr-, Gleichbehandlungs- und
Akkreditierungsrechts,
3. Zur Wahrung der Gesetzmäßigkeit der
Verwaltung besonders eingerichtete Organe wie Amtsparteien oder
Rechtschutzbeauftragte,[1]
4.
Kommissionen in Vollziehung von Verfassungsgesetzen gemäß Art. 3
Abs. 2 B-VG. "
Diese vier Tatbestände werden mit den römischen Zahlen I. bis IV. bezeichnet.
In der überarbeiteten Raschauer-Liste werden dann die entsprechenden Qualifikationen vorgenommen, also entweder A. bis H. oder I. bis IV. Wo Positionen erläuterungsbedürftig oder zweifelhaft bleiben, sind Fußnoten angefügt.
"Raschauer - Papier"
Weisungsfreie
Behörden, die in den Ausschüssen 7 und 9 zu behandeln sind
A. Regulierungsbehörden
- mit zahlreichen fugitiven Verfassungsbestimmungen
B. Kollegiale
"133 Z 4 - Behörden" mit richterl. Einschlag gem. Art. 20.
Abs. 2 B-VG
inkl. Agrarsenate,
Oberster Patent- und Markensenat, Datenschutzkommission,
Umweltsenat,
Übernahmekommission, Börseberufungssenat, Bundeskommunika-
tionssenat,
Disziplinarsenate nach Kammerrecht, Schiedskommissionen nach
ASVG,
Krankenanstaltenrecht und Sozialhilferecht, regulierungsbehördliche Kom-
missionen, Unabhängige
Heilmittelkommission Landesvergabeämter u.v.a.m.
C. Unabh.
Verwaltungssenate (UVS), Unabh. Bundesasylsenat (UBAS), Bundesver-
gabeamt
D. Selbstverwaltung
inkl. Kammern, Sozialversicherungsträger, Jägerschaften,
Wassergenossenschaften
und -verbände, Agrargemeinschaften, Hochschüler-
schaft sowie
Universitäten
- ergänze Kategorien
E bis H wie oben erläutert -
Gesamtübersicht der
weisungsfreien Behörden und Organe
Es wird von der
Prämisse ausgegangen, dass ausgegliederte Rechtsträger außer-
halb der Hoheitsverwaltung nur dann
weisungsgebunden sind, wenn dies ausdrück-
lich gesetzlich angeordnet ist (VfSlg.
15.946/2000; VfGH v. 10.10.2003, G 222/02).
1. Oesterreichische
Nationalbank
F
(1. allgemein, z. Verfassungsbestimmung §
79 Abs. 5 BWG)
2. Finanzmarktaufsicht
F
(Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1 FMABG)
3. Vorstandsvorsitzende
der Post-Nachfolge-Unternehmen
(Verfassungsbestimmung § 17a
PoststrukturG)[2]
4. Schulräte (Art. 81a Abs. 4
B-VG) E (oder F)
5. Mitglieder der Kollegialorgane
der Universitäten und Kunstuniversitäten D[3]
(Verf.bestimmungen § 13 Abs. 2 UOG und 14
Abs. 2 KUOG i.V.m. § 20 UniG)
6. Prüfungskommission
(Verfassungsbestimmung § 29 Abs. 6 BDG) II
7. Berufungskommission
(Verfassungsbestimmung § 41a Abs. 6 BDG) II
8. Berufungskommission
(Verfassungsbestimmung § 73a HeeresdiszG) II
9. Leistungsfeststellungskommission
(Verfassungsbestimmung § 88 Abs. 4 BDG)II
10. Disziplinarkommission
(Verfassungsbestimmung § 102 Abs. 2 BDG) II
11. Disziplinarkommission
(Verfassungsbestimmung § 15 Abs. 5 HeeresdiszG) II
12. Disziplinarkommissionen II
(Verfassungsbestimmungen
§ 91 Abs. 2 Landeslehrer-DienstrechtsG
und § 99
Abs. 2 land- und forstwirtschaftliches Landeslehrer-DienstrechtsG
13. Gutachterkommission
(Verfassungsbestimmung § 207j Abs. 7 BDG) II
14. Begutachtungskommission
(Verfassungsbestimmung § 7 Abs. 6 AusschreibungsG) II
15. Weiterbestellungskommission
(Verfassungsbestimmung § 18 Abs. 3 AusschreibG) II
16. Aufnahmekommission
(Verfassungsbestimmung § 34 Abs. 1 AusschreibungsG) II
17. Auswahlkommission
(Verfassungsbestimmung
§ 14 Abs. 10 Statut auswärtiger Dienst) II
18. Viele ähnliche dienstrechtliche
Kommissionen der Länder II
19. Gleichbehandlungskommission II
(Verfassungsbestimmung
§ 24 Abs. 5 BundesGleichbehG)
20. Gleichbehandlungskommission II
(Verfassungsbestimmung
§ 10 Abs. 1a GleichbehG)
21. Arbeitskreis
für Gleichbehandlungsfragen II
(Verfassungsbestimmung
§ 40 Abs. 7 UOG und § 39 Abs. 7 KUOG)
22. Viele ähnliche Kommissionen der Länder II
23. Beschwerdekommission
(Verfassungsbestimmung § 4 WehrG) II
24. Menschenrechtsbeirat
(Verfassungsbestimmung § 15a SPG III[4]
25. UVS (Art. 129b Abs. 2 B-VG)
C
26. Bundesvergabeamt
(Verfassungsbestimmung § 139 Abs. 1 BVergG) C
27. Bundes-Vergabekontrollkommission C
28. Unabhängiger
Bundesasylsenat (Art 129c Abs. 3 B-VG, § 38 AsyIG) C
29. Unabhängiger
Finanzsenat C
(Verfassungsbestimmungen
§ 1 UFSG, § 271 Abs. 1 BAO, § 66 Abs. 1 FinStrG;
§ 85d
ZoIIR-DG)
30. Berufungssenat
(§ 48 Wr. Stadtverfassung ?) C
31. Disziplinarkommissionen
(Verfassungsbestimmung des § 19 Abs. 7 ApothG)[5]
32. Schiedsstelle
nach Art. III UrhGNov 1980 (Verfassungsbestimmung des § 4) B
33. Umweltanwaltschaften
(z.T. Verfassungsbestimmungen der Länder III
34. Kinder- und Jugendanwaltschaften (?) III[6]
35. Patienten- und Pflegeanwaltschaften (?) III
36. Rechtsschutzbeauftragte III[7]
(§ 149n
StPO, § 62a SPG, § 57 MBG - nur einfachgesetzlich)
37. Sicherheitsvertrauenspersonen I
(Verfassungsbestimmung
§ 11 Abs. 2 BundesBedSchutzG)
38. Sicherheitsfachkräfte
(bei Anwendung ihrer Fachkunde) I
(Verfassungsbestimmung
§ 73 Abs. 3 BundesBedSchutzG)
39. Gleichbehandlungsbeauftragte
und Kontaktfrauen II
(Verfassungsbestimmung
§ 37 Abs. 1 BundesGleichbehG)
40. Einsatzstraforgane
(Verfassungsbestimmung § 81 Abs. 3 HeeresdiszG)
II
41. Fachhochschulrat
(Verfassungsbestimmung § 7 Abs. 4 FHStG)
II[8]
42. Akkreditierungsrat
(Verfassungsbestimmung § 4 Abs. 2 UniAkkrG)
II
43. Flugunfalluntersuchungsstelle
(Verfassungsbestimmung § 4 Abs. 4 FIUUG) I
44. Bundesmuseen
im Rahmen ihrer Privatrechtsfähigkeit
H
(§ 31a Abs.
7 FOG, einfachgesetzlich)
45. Leiter der Statistik Österreich (in
fachlichen Fragen)
I
(§ 38 Abs.
1 B-StatG, einfachgesetzlich)
46. Generaldirektor
für Wettbewerb (Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 3 WettbewG) F
47. Ethikkommissionen
(z.T. einfachgesetzlich, sonst vorausgesetzt)
H
48. ORF (Art. I Abs. 2 Rundfunk-BVG i.V.m.
ORF-G ?)
F
Weisungsfreiheit
vorausgesetzt
49. Organe des Entschädigungsfonds
G
50. Organe des NS-Opferfonds[9]
51. Organe des Nationalfonds
G
52. Kuratorium
des Versöhnungsfonds
G
53. Schiedsgericht
nach § 5 BVG Landesgrenze Wien-NÖ
IV
54. Grenzkommission
(§ 8 BVG Staatsgr. Ö-BRD iVm Art. 19 Grenzvertrag 1972)
IV
55. Grenzkommission
(§ 9 BVG Staatsgr. Ö-CH iVm Art. 16 Grenzvertrag 1970)
IV
56. Grenzkommission
(verfassungsändernder Vertrag mit Liechtenstein aus 1960)
IV
Grenzfälle
57. Bundesrechenzentrum
GmbH (lt. Kucsko-Stadlmayer Weisung nicht angeordnet) H[10]
58. Arsenal GmbH (lt. Kucsko-Stadlmayer Weisung
nicht angeordnet) H
59. Agrarmarkt
Austria (lt. Raschauer Weisung nicht klar geregelt)
H[11]
60. Arbeitsmarktservice
(lt. Raschauer Weisung nicht klar geregelt)
H
61. Wr. Bauoberbehörde (Art. 111 B-VG i.V.m.
§ 138 Wr. BauO)
B
62. Wr. Abgabenberufungskommission (Art. 111
i.V.m. § 203 Wr. AbgO)
B
63. Österreichische
Bundesfinanzierungsagentur
F
64. Österreichische
Kontrollbank (Meldestelle nach BörseG, Ausfuhrförderung)
F
65. Kommunalkredit
Austria (Abwicklungsstelle nach UmweltförderungsG) F
66. Verrechnungsstellen
(APCS u.a.) nach VerrechnungsstellenG (insb. im Fall der
Aufhebung
durch VfGH)
F
67. Gremium zur Überprüfung des
Umtauschverhältnisses (§ 225g AktG) F
68. Personalvertretungen[12]
69. Prüfer/Prüforgane
I
70. Amtssachverständige
I
71. Beiräte, Kommissionen
I
Allenfalls
rechtspolitisch interessant[13]
72. Kommunikationskommission
Austria (KommAustria)[14]
73. Hauptverband
der österr. Sozialversicherungsträger (falls künftig nicht als
Selbstverwaltung
eingerichtet)
74. Staatsanwaltschaften
75. Bundeskartellanwalt
76. Beitragsregime
der gesetzlich anerkannten Kirchen
Ausgeklammert
sind zwischenstaatliche
Einrichtungen wie z.B. der Verwaltungsrat nach dem Int.
Energieprogramm oder
die Ministerkonferenz nach WTO-Abkommen u.v.a.m.
IV. Abschließende Bemerkung
Meines
Erachtens konnte somit die Aufgabe gelöst werden. Die "Vielfalt" ist
nicht gar so groß, dass eine Typisierung unmöglich wäre, die Formulierung
allerdings etwas schwieriger als ich zunächst gedacht habe. Jedenfalls würde es
zu einer beträchtlichen Einsparung von formellen Verfassungsbestimmungen kommen.
Deutlich wird aber auch der hohe Koordinationsbedarf mit anderen Ausschüssen.
Zum Teil ist die Weisungssache eine Querschnittsmaterie.
Abschließend
sei noch einmal betont, dass -
worauf besonders LAD Wielinger hingewiesen hat - , die
"Weisung" zwar in ihrem Kern zum ind.konkreten Befehl ermächtigt,
aber alle anderen Formen der "Steuerung" ermöglicht. Allerdings - und
darin liegt der Vorzug gegenüber Modellen, die die Weisung ausschließen wollen
- bei Wahrung von Transparenz und
Verantwortung der politischen Ebene
und bei Gewährleistung eines Schutzes für den Bediensteten (vgl. nur die
aus gutem Grund verfassungsrechtlich gewährleisteten Grenzen des Weisungsrechts
in Art. 20 Abs. 1 B-VG).
|
A-1014
Wien, Judenplatz 11 |
|
DES VERWALTUNGSGERICHTSHOFES |
|
|
Univ.Prof. Dr. Clemens Jabloner |
|
Herrn
Generalsekretär
Mag. Werner WUTSCHER
Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft,
Umwelt und Wasserwirtschaft
Stubenring 1 u. 12
1012 Wien Wien, am 17. März 2004
E-Mail: manuela.sigl@lebensministerium.at
Sehr geehrter Herr Generalsekretär!
Im Folgenden darf ich zwei Nachträge zur gestrigen Sitzung und einen Kommentar zu den Vorschlägen der WKÖ deponieren:
I. Zur Weisungsfrage:
Wenn man die Ergänzung von Prof. Raschauer berücksichtigt - wogegen ich keinen grundsätzlichen Einwand habe - dann würde ich bitten "im Gegenzug" die Passage unter "4. Verfassungsrechtliche Festlegung weisungsfreier Bereiche als Lösungsansatz" wie folgt zu formulieren:
"Als Gegenvorschlag wurde in die Ausschussberatungen eingebracht, vom Verfassungsvorbehalt bei der Weisungsfreistellung nicht abzugehen, da die staatsrechtliche Funktion der Weisung darin liegt, die demokratische Legitimation und die demokratische Kontrolle der Verwaltung zu garantieren. Die Notwendigkeit einer Entlastung des formellen Verfassungsrechts wie auch die Zweckmäßigkeit, in einzelnen Bereichen der Verwaltung von der Weisungsbildung abzugehen, wird dabei nicht verkannt. Die vorgeschlagene allgemeine "Lockerungsregel" enthält aber keine sachhaltige Determinante. Dies würde bedeuten, dass der Gesetzgeber in Zukunft beliebige Bereiche der Verwaltung aus der Hierarchie und damit Verantwortung herausnehmen könnte, was an sich ja von niemandem angestrebt wird. Eine nachprüfende Kontrolle des Gesetzgebers durch den VfGH wäre dann nur mehr denkbar, wenn man in die Ermächtigung des Art. 20 B-VG, weisungsfreie Organe einzurichten, die genannten - eben unscharfen - Strukturüberlegungen miteinbezieht. Damit würde die Bundesverfassung aber für diesen Bereich ihre regulatorische Funktion verlieren. Deshalb wird vorgeschlagen, ......"
Den ersten Absatz auf Seite 15 bitte wie folgt zu ergänzen:
"...
Es ist weiters auch zu erwarten, dass - im Lichte der jüngsten Judikatur des VfGH - die Rechtsschutzbeauftragten im Siebenten Hauptstück der Bundesverfassung speziell geregelt werden. Dazu wird auf den Ausschuss 9 verwiesen. Die Frage der weisungsfreien Grenzkommissionen wird derzeit im allgemeineren Rahmen vom Ausschuss 2 diskutiert, allenfalls könnte auch die hier vorgesehene Ermächtigung entfallen. Hinzuweisen ist schließlich auf den alternativen Textvorschlag im Bericht des Ausschusses 7."
II. Zur Frage der obersten Organe:
Grundsätzlich teile ich die Auffassung, dass eine derartige Bestimmung zweckmäßig ist. Es gibt ja dazu Judikatur des VfGH und andere Verfassungsbestimmungen knüpfen an Art. 19 Abs. 1 B-VG an. Die Formulierung von Prof. Raschauer ist besser als die vorgeschlagene. Allerdings sollte meiner Ansicht nach Art. 19 Abs. 1 auf die bisher genannten obersten Organe des Bundes und der Länder beschränkt bleiben. Der Grund dafür liegt darin, dass nur diese Organe im eigentlichen Sinn "die" Verwaltung führen, wohingegen die anderen Organe - Bundespräsident, Vorsitzender der Volksanwaltschaft, Präsident des Rechnungshofes, Präsidenten der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts - nur "ihre" Verwaltung führen. Auch würde dann das Regime des Unvereinbarkeitsgesetzes nicht richtig greifen, da es sich jedenfalls beim Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes nicht um einen politischen Funktionär, sondern um einen Berufsrichter handelt, für den das RDG gilt. Ich trete daher eher dafür ein, die Stellung dieser Organe - und zwar soweit möglich nach einem einheitlichen Standard - an den jeweiligen Stellen der Bundesverfassung zu regeln.
III. Zu den gemeinsamen Organen:
Das folgende Kapitel "Oberste Organe übergreifende Behördenstruktur" ist in der gegenwärtigen Textierung etwas inhomogen. "Gemeinsame Verwaltungsstrukturen" und zwar sowohl zwischen Bundesministerien, als auch zwischen Bund und Ländern, gibt es schon bisher. Wenn man zugleich vorsehen will, dass die Verantwortung für die Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben unberührt bleibt, dann handelt es sich ohnedies nur um Formen der mittelbaren Verwaltung. Ich habe gegen dieser Ermächtigung gar keine grundsätzlichen verfassungspolitischen Bedenken, sehe aber noch nicht ganz durch, was eigentlich gewollt wird.
IV. Zu den Vorschlägen der WKÖ:
Zu 1.: Damit bin ich einverstanden.
Zu 2.: Der erste Punkt ist meines Erachtens etwas ungenau. Das Amt der Landesregierung ist gelegentlich eine eigenständige Landesbehörde, grundsätzlich aber der Geschäftsapparat der obersten Organe der Landesverwaltung resp. des Landeshauptmannes in der mittelbaren Bundesverwaltung. Auf sozusagen gleicher Stufe stehen die Bundesministerien in Relation zu den Bundesministern. Auf Bundesebene ist es noch deutlicher, dass das monokratische Organ "Bundesminister" und sein Geschäftsapparat "Bundesministerium" zu einer untrennbaren Einheit verschmelzen. Das ist auch der hauptsächliche Gehalt des Art. 77 Abs. 1 B-VG. Ich würde deshalb in der beispielhaften Aufzählung neben dem Amt der Landesregierung auch das Bundesministerium erwähnen. Auf dieser Ebene hat die Sache meines Erachtens mit "Ausgliederungen" noch nichts zu tun. Vielmehr geht es darum, dass immer dann, wenn der Bundesminister irgendwelche Zuständigkeiten hat, er sich dazu seines Geschäftsapparates "Bundesministerium" zu bedienen hat. D.h. nicht, dass er nicht im Wege des Bundesministeriums etwa einen Rechtsanwalt konsultieren kann. Es sollte aber nicht der Fall eintreten, dass Amtsgeschäfte des Bundesministers "selbst" unter Umgehung des Geschäftsapparates, und daher auch der Grundsätze der Aktenführung etc., ausgelagert werden.
Der Vorschlag, nicht Bundesbehörden in den Ländern verfassungsrechtlich zu zementieren, überzeugt mich völlig und ich habe ihn ja auch in der letzten Sitzung spontan unterstützt. Hier gibt es meines Erachtens auch bedeutende Einsparungspotentiale.
Zu 3.: Die Formulierung stellt zweifellos einen Fortschrift gegenüber bisherigen Vorstellungen dar, wirft aber noch immer mehrere schwierige Probleme auf. Zunächst möchte ich auf die oben stehenden Ausführungen verweisen. Eine Ausgliederung oder Beleihung kommt - so lange ein Bundesminister noch irgendwelche Zuständigkeiten hat - nur auf der Ebene darunter, also auf jener der "unterstellten Bundesämter" in Frage. Hier liegt glaube ich ein Missverständnis vor.
Im Übrigen ist die Bestimmung einerseits zu undifferenziert: Man muss zunächst davon ausgehen, dass nach überwiegender Anschauung bei einer Ausgliederung privatwirtschaftlicher Agenden auch ein Ausscheiden aus dem Verwaltungsbegriff des B-VG und daher nach verfassungsrechtlichen Kriterien eine Verlagerung in den nicht staatlichen Bereich bewirkt wird. (Näher Kucsko-Stadlmayer, Grenzen der Ausgliederung, 15. ÖJT I/1/2003/S. 68). Für diesen Bereich gilt Art. 20 B-VG nicht, es kann aber notwendig sein, im Hinblick auf sonstige verfassungsrechtliche Erwägungen - Rechnungshofkontrolle, Gleichheitssatz - "Ingerenzbeziehungen", etwa gesellschaftsrechtlicher Art zu normieren. Insoweit ist der Vorschlag positiv zu sehen. Auf der anderen Seite gilt aber Art. 20 B-VG, insoweit ausgegliederte Rechtsträger "beliehen" werden. Und in diesem Rahmen kommt eine Lockerung der Weisungsgebundenheit nicht in Betracht. Das Problem der vorgestellten Formulierung liegt darin, dass sie dem Wortlaut nach auch in den hoheitlichen Bereich hinüber ragt. Nur bei systematischer Auslegung - eben wenn man Art. 20 B-VG "hineinliest" - ergibt sich die notwendige Zweiteilung. Das erscheint mir aber verfassungstechnisch sehr problematisch zu sein. Man könnte die vorgeschlagene Formulierung insoweit absichern, als man setzt: "Unbeschadet Art. 20 B-VG können dafür erforderlichenfalls unter der Voraussetzung der Wahrung ......". Eine besonders elegante Verfassungslegistik wäre das allerdings nicht.
Ein weiteres Problem liegt in den Grenzen der Ausgliederung im Sinne der Judikatur des VfGH. Das Aufrechterhalten des Weisungszusammenhangs ist ja nur eines von mehreren Kriterien. Dazu kommt die Unausgliederbarkeit von "Kernaufgaben", die bloß vereinzelte Übertragung von Hoheitsrechten etc. Wie man sich hier entscheidet, ist eine Frage der Verfassungspolitik. Aus meiner Sicht wäre allerdings der einschränkenden Judikatur des VfGH zu folgen, wobei ich einräume, dass ein Formulierung dafür nicht schon auf der Hand liegt. Mir kommt es zunächst vor allem auf die Relation Hoheitsverwaltung/Weisung/parlamentarische Verantwortung an.
Mit den besten Grüßen,
Ihr Clemens Jabloner
[1] Vgl. aber auch Fn. 4.
[2] Durch diese Verfassungsbestimmung wurde ein "oberstes Organ" im Sinn des Art. 19 B-VG geschaffen. Das kann so nicht beibehalten werden. Im Übrigen haben wir im Ausschuss 6 das vernünftige Vorhaben andiskutiert, die Personalgestion bei ausgegliederten Rechtsträgern zentral zu besorgen und einem Bundesministerium zuzuordnen. Auf diesem Weg könnte man dieses Problem erledigen.
[3] M. A. nach sollten unabhängige Kollegialbehörden in Bereichen der Selbstverwaltung oder der Universitäten dort geregelt werde. Das würde Kat. D bedeuten. Sollte man diese Bereiche nicht in Angriff nehmen, wäre freilich in Art. 20 Abs. 2 (neu) entsprechend vorzusorgen.
[4] Im Ausschuss 9 besteht die Absicht, Formen des praeventiven oder begleitenden Rechtsschutzes nunmehr im Sechsten Hauptstück zu behandeln - diesfalls also ähnlich Kat. B.
[5] Vgl. Fn. 2 oben.
[6] Nähere Untersuchung - auch zur folgenden Position - vorbehalten, allenfalls Erweiterung des Tatbestandes III in Richtung "Amtsanwaltschaften".
[7] Vgl. Fn. 3 oben. Die derzeitige Regelung ist, weil einfachgesetzlich, verfassungswidrig.
[8] Die rechtspolitische Entwicklung wird wahrscheinlich zu einer Vermehrung derartiger Kollegialorgane führen. Es erscheint deshalb zweckmäßig, den Tatbestand "Akkreditierung" besonders anzuführen.
[9] Das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 182/1998 enthält keine selbstständige Verfassungsbestimmung und verweist nur auf den Nationalfonds. Es wäre aus der Liste zu streichen.
[10] Nur im "Vorfeld" hoheitlicher Aufgabenbesorgung tätig - vgl. Kucsko- Stadlmayer, a.a.O. 37, Fn. 133.
[11] Da diese Einrichtung- ebenso wie das folgende AMS - hoheitlich tätig ist (vgl. K - St., a.a.O.), hat der Gesetzgeber die Weisungsgebundenheit zu normieren.
[12] Nach lang diskutierter bisheriger Auffassung führen die Personalvertretungen nicht die Verwaltung im Sinn des Art. 20 Abs. 1 B-VG. Sofern man in einer neuen Bundesverfassung die Personalvertretungen besonders hervorheben will, wäre dort auch die Frage der Unabhängigkeit zu klären. Ich sehe hier keine Notwendigkeit, eine Regelung in die eine oder andere Richtung zu treffen.
[13] Die allenfalls "rechtspolitisch interessanten" Positionen 72ff sollte man in diesem Zusammenhang eher nicht diskutieren. Insbesondere die Fragen der Staatsanwaltschaften oder der gesetzlich anerkannten Kirchen oder Religionsgesellschaften führen weit ab. Jedenfalls sehe ich in diesen Bereichen keinen Spielraum des einfachen Gesetzgebers.
[14] Die "Kommunikationsbehörde Austria" ist keine Kommission. Von ihr gibt es derzeit einen Instanzenzug an den Bundeskommunikationssenat (133 Z 4-Behörde). Es fragt sich, ob man da wirklich eine Sonderregelung braucht. Es geht eher um das Problem, ob 133 Z 4-Behörden nicht auch schon als erstinstanzliche Behörden eingerichtet werden können, was der Gesetzgeber hier wegen des einschlägigen VfGH-Erk. nicht machen konnte.