Appendix A

 

Vor der Präambel des vorliegenden Entwurfes eines Verfassungsvertrages für Europa findet sich ein Zitat von Thukydides (II, 37): „Die Verfassung, die wir haben ...... heißt Demokratie, weil der Staat nicht auf wenige Bürger, sondern auf die Mehrheit ausgerichtet ist“.

Der Entwurf kümmert sich aber nicht um die Mehrheit der Menschen! Denn die überwältigende Mehrheit der Menschen lebt potentiell in der Zukunft. Sie werden im Entwurf nicht einmal erwähnt. Potentiell könnten zukünftig mehr als eine Million mal so viele Menschen leben, als gegenwärtig[1]. Die gegenwärtig Lebenden sind aber im Begriff, der zukünftig lebenden Mehrheit innerhalb der nächsten zwanzig bis fünfzig Jahre die natürliche Lebensgrundlage weg zu nehmen[2]. Das für eine Verfassung Wesentliche: Gegenwärtig entzieht ein Mensch im Mittel mehreren anderen Menschen in Zukunft die natürliche Existenzbasis. Die Grund- und Menschenrechte müssen daher nicht nur den gegenwärtig, sondern auch den zukünftig lebenden Menschen zugemessen werden[3]. Um gleiche natürliche Anfangschancen für die lebenden und die zukünftigen Generationen zu sichern, muss die Nutzung natürlicher Ressourcen (u.a. von Energie, Materialien, Böden etc.) auf ein dauernd aufrecht erhaltbares Niveau gesenkt werden2. In den wenigen Fällen des Konfliktes dieses langfristigen Ressourcenreduktionszieles mit dem kurzfristigen Wirtschaftswachstumsziel, muss das Erstere Vorrang erhalten. Denn sonst verringert das Wirtschaftswachstum die Möglichkeit zukünftig das Bruttosozialprodukt anzuheben oder aufrecht zu erhalten.

P.C. Mayer-Tasch weist darüber hinaus nach, dass Verfassungen nicht nur Grundrechte den Menschen, sondern auch Grundrechte der Natur garantieren müssen[4]. Eine Befreiung aus der engstirnigen Anthropozentrizität bringt die Erkenntnis, dass der Natur Eigenrechte außerhalb ihrer Nützlichkeit für den Menschen zustehen. Wobei eine sorgfältige Analyse zeigt, dass kein grundsätzlicher Gegensatz zwischen der Bewahrung natürlicher Systeme um ihrer selbst Willen und ihrer Bewahrung zur Verwirklichung gleicher Startchancen gegenwärtiger und zukünftiger Generationen besteht[5]. Denn jede irreversible Schädigung der Natur, die aus gegenwärtig anthropozentrischer Sicht sinnvoll erscheinen mag, beeinträchtigt auch die natürlichen Lebenserhaltungssysteme bzw. die ökologische Tragfähigkeit der Natur für menschliches Leben. Die beeinträchtigt vor allem die kommenden Generationen. Vor allem, weil sie die Ressourcenmenge senkt, die sie alljährlich und dauernd der menschlichen Nutzung zur Verfügung stellen kann. Die Anthropozentrizität entspricht daher auch einer Blindheit gegenüber der Zukunft!

Eine weitere Beziehung zwischen Grundrechten den Menschen und solchen der Natur zeigt Klaus Michael Meyer-Abich auf[6]: „Es ist der Mensch, der weiß, dass es eine Frage der Menschenwürde ist, wie wir mit den Tieren und Pflanzen umgehen“.

Schon von mehr als zweihundert Jahren zeigt Kant den Zusammenhang zwischen dem Eigeninteresse der Natur und dem der Menschen[7]. Auch wenn damals der Mensch-Natur Konflikt noch kaum sichtbar war, erkannte Kant die Enge der anthrorozentrischen Sicht.

Übereinstimmend fordert Peter Pernthaler die Berücksichtigung subjektiver und einklangbarer Rechte der Natur und der zukünftigen Generationen in der Verfassung[8]:

„ 1) Der Staat anerkennt und schützt die Rechte der Natur. Unter Natur sind Menschen, Tiere, Pflanzen und die unbelebte Natur zu verstehen. Der Staat anerkennt und schützt die Menschenrechte der künftigen Generationen“.

Wieder zeigt schon Kant den Zusammenhang zwischen der Bewahrung der unbelebten Natur und der menschlichen Moralität auf[9].

Zu den weiteren Textvorschlägen Pernthalers:

„2) Mensch, Tiere, Pflanzen und die unbelebte Natur haben das Recht auf eine würdige Existenz in ihrem angestammten Lebensbereich auf Erhaltung und Pflege ihrer Existenzgrundlagen auf Erhaltung von Artenreichtum und Vielfalt.

3) Mensch, Tiere, Pflanzen und die unbelebte Natur haben das Recht, dass alles staatliche Handeln und seine Folgen im voraus auf die ökologische Verträglichkeit geprüft werden.

a)                       Mensch, Tiere, Pflanzen und unbelebte Natur haben das Recht, dass alles staatliche Handeln, das ihren Bestand gefährdet, unterlassen wird.

b)                      Mensch, Tiere, Pflanzen und unbelebte Natur haben das Recht, dass bei mehreren Möglichkeiten des staatlichen Handelns die umweltverträglichste gewählt wird.

c)                       Mensch, Tiere, Pflanzen und unbelebte Natur haben das Recht, dass mit der Natur möglichst schonend und erhaltend ungegangen wird.

4) Zur Wahrung ihrer Rechte haben Mensch, Tiere, Pflanzen, unbelebte Natur und die künftigen Generationen das Recht auf rechtliches Gehör und Zugang zum Gericht.

5) Die Rechte der Natur (Artikel 2, 3, 4) und die Menschenrechte künftiger Generationen werden durch gesetzliche Vertreter, die Umweltprokuratoren, wahrgenommen...“

 

Appendix B

Versuche einer Verankerung der Ressourcenreduktion und der subjektiven Natur- sowie Generationenrechte in einer Staatszielbestimmung:

 

„Die Nutzung natürlicher Ressourcen ist auf ein dauernd aufrecht erhaltbares Niveau zu senken.“

 

„Der Staat anerkennt und schützt die Rechte der Natur. Unter Natur sind Mensch, Tiere, Pflanzen und unbelebte Natur zu verstehen.“

 

„Der Staat anerkennt und schützt die Menschenrechte der künftigen Generationen.“

 

„Zur Wahrung ihrer Rechte haben Mensch, Tiere, Pflanzen, unbelebte Natur und die künftigen Generationen das Recht auf rechtliche Vertretung und Zugang zum Gericht.“

 

Versuch einer Verankerung der Würde, des Lebens und der Solidarität sowohl der gegenwärtig, als auch der zukünftig lebenden Menschen, sowie der Natur (die letztlich alles menschliche Leben trägt):

 

Zur Würde:

„Jeder Mensch, Tiere, Pflanzen und die unbelebte Natur haben das Recht auf eine würdige Existenz.“

 

Zum Recht auf Leben:

„Jeder hat das gleiche Recht auf Leben, sowie unversehrte natürliche Lebensgrundlagen, sowohl derzeit lebende Menschen, als auch zukünftig lebende.“

 

Zur humanökologischen Solidarität:

„Alle lebenden Menschen sollen aufeinander Rücksicht nehmen, ebenso die lebenden auf die zukünftigen.“



[1] Natürliche Grenzen der menschlichen Existenz sind allein in der begrenzten Lebensdauer der Sonne, oder dem Wasserstoffverlust der Erde erkennbar.

[2] Denn mit der intensiven Ausbeutung nicht erneuerbarer Resourcenvoräte (u.a. fossile, mineralische oder nukleare) verbrauchen die lebenden Generationen ein Vielfaches dessen, das erneuerbare Ressourcenquellen (vor allem solaren Ursprunges) dauernd liefern können. Dies belastet die natürlichen Lebenserhaltungssysteme weit über deren Belastungsgrenze hinaus. Dadurch brechen sie zusammen. Ablesbar ist dies etwa am Artensterben, an der Boden-Erosion und –Verwüstung, oder an der abnehmenden Stabilität des Klimas. Ausschlaggebend für die zukünftigen Generationen ist es aber, dass dadurch das dauernd aufrecht erhaltbare Angebot erneuerbarer Ressourcenquellen abnimmt (Beispielsweise sinkt der allein mit den Einsatz erneuerbarer Energie erreichbare Bodenertrag). Von diesem ist aber ihr Überleben abhängig.

[3] Hans P. Aubauer: „Die Menschenrechte Ungeborener“ in „Umweltethik“ (Hrsg.: G. Pretzmann), Leopold Stocker Verlag, 2001.

[4] Peter C. Mayer-Tasch: „Vom Grundrecht des Menschen zum Grundrecht der Natur“, in „Natur und Kultur“, 4, 2 (2003)

[5] Hans P. Aubauer: „Grundzüge einer Umweltethik und warum wir sie brauchen“ in „Umweltethik“ (Hrsg.: G. Pretzmann), Leopold Stocker Verlag, 2001.

[6] Klaus Michael Meyer-Abich: „Wege zum Frieden mit der Natur (Praktische Naturphilosophie für die Umweltpolitik)“ Carl Hanser Verlag 1984.

[7] Immanuel Kant; „Die Metaphysik der Sitten“ §17: „In Ansehung des lebenden, obgleich vernunftlosen Teils der Geschöpfe ist die Pflicht der Erhaltung von gewaltsamer und zugleich grausamer Behandlung der Tiere der Pflicht des Menschen gegen sich selbst weit inniglicher entgegengesetzt, weil dadurch das Mitgefühl an ihrem Leiden im Menschen abgestumpft und dadurch eine der Moralität, im Verhältnisse zu anderen Menschen, sehr diensame natürliche Anlage geschwächt und nach und nach ausgetilgt wird; ......“.

[8] P. Pernthaler, K. Weber u. N. Wimmer: „Umweltpolitik durch Recht – Möglichkeiten und Grenzen“, Manz Verlag 1992.

[9] Immanuel Kant; „Die Metaphysik der Sitten“ §17: „InAnsehung des Schönen obgleich Leblosen in der Natur ist ein Hang zum bloßen Zerstören (spiritus destructionis) der Pflicht des Menschen gegen sich selbst zuwider; weil es dasjenige Gefühl im Menschen schwächt oder vertilgt, was zwar nicht für sich allein schon moralisch ist, aber doch diejenige Stimmung der Sinnlichkeit, welche die Moralität sehr befördert, wenigstens dazu vorbereitet, nämlich etwa auch ohne Absicht auf Nutzen zu lieben (z.B. die schönen Kristallisationen, das unbeschreiblich Schöne des Gewächsbereichs).