Mag. Dr. Madeleine Petrovic

Klubobfrau der Grünen im NÖ Landtag

 

Wien, 25. November 2003

 

Arbeitsunterlage zu Ausschuss 5

 

Frage 1: In welcher Weise soll die Rechtssetzung im dritten Kompetenzbereich (zwischen Bund und Ländern geteilte Gesetzgebung) erfolgen, nach welchen Kriterien soll die Inanspruchnahme der Kompetenz erfolgen?

 

Grundsätzlich sollte bereits in der aktuellen Verfassungsreform klargestellt werden, welche Aufgaben der Bund wahrnehmen und regeln muss und welche den Ländern zukommen (sogenannte exklusive Zuständigkeiten). Dies ist im Sinne einer klaren politischen Verantwortlichkeit und der Rechtssicherheit. Der Begriff der geteilten Gesetzgebung ist nur bedingt zutreffend, da auch die exklusiven Gesetzgebungsakte von Bund und Ländern im realen Lebenssachverhalt so ineinander greifen, dass es sich letztlich auch hier um geteilte Zuständigkeiten handelt (zB Raumordnung (L) und Gewerberecht (B)). Insofern stellt sich die Frage, ob nicht mit zwei sogenannten exklusiven Zuständigkeiten (B, L) und einer Bedarfsklausel des Bundes das Auslangen zu finden wäre.

 

Ansonsten ist den Auffassungen zuzustimmen, dass es sich hier in erster Linie um eine Auffangbestimmung für zukünftige völlig unerwartete Problembereiche handeln sollte, die man nicht mehr als Weiterentwicklung exklusiver Zuständigkeiten deuten kann. Zumal auch noch nicht die Vollzugszuständigkeit in diesem Bereich diskutiert wurde. Weiters ist der Auffassung zuzustimmen, dass die Grundsatzgesetzgebung (resp. Rahmengesetzgebung) schwerfällig ist und gerade vor dem Hintergrund der europäischen Rechtssetzung als hypertroph anzusehen ist. Es stellt sich die Frage, ob dieser Typus noch notwendig ist, wenn einerseits eine Bedarfsgesetzgebungskompetenz des Bundes sich sowohl auf Grundsätze resp. Mindeststandards als auch auf Teilaspekte einer Aufgabe beziehen kann.

 

Sofern man an der dritten Säule festhält, sollte gelten, dass die Gesetzgebungszuständigkeit den Ländern zukommt, solange bzw soweit der Bund nicht bundesgesetzliche Regelungen erlässt (subjektiver Bedarf). Wegen der Unbestimmtheit der Begriffe wäre die Voraussetzung eines objektiven Bedarfs (zB zur Herstellung gleichwertiger Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse, zum Schutz des ökologischen Gleichgewichts oder im gesamtstaatlichen Interesse) zweite Option. Um den Länderinteressen Rechnung zu tragen, wäre bei der ersten Option ein Zustimmungserfordernis der Ländermehrheit erwägenswert.

 

Vorgeschlagene Materien neben der Generalklausel:

 

 

2. In welcher Weise sollen die Länder im dritten Kompetenzbereich an der Gesetzgebung des Bundes mitwirken?

 

Wichtig erscheint mir, dass die Bundesländer eine reale Chance zur inhaltlichen Ausgestaltung des Bundesgesetzes erhalten – die Frage, wer die Norm erlässt sollte in den Hintergrund treten. Den Bund müsste daher die Pflicht treffen, ein derartiges Vorhaben anzukündigen und den Landesregierungen und Landtagen sollte – neben dem Bund - das Gesetzesinitiativrecht zustehen. Es würde dann der freien Entscheidung der Ausschüsse obliegen, welchen Gesetzesvorschlag sie zum Ausgangspunkt ihrer Verhandlungen machen. Den LänderinitiatorInnen müsste ein Teilnahmerecht an den Ausschussverhandlungen eingeräumt werden.

 

3. Welche Materien/Aufgabenfelder sollen der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes, welche der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder zugeordnet werden?

 

Im folgenden wird nur auf ausgewählte Materien eingegangen. Wichtig wäre in allen Fällen, legistisch Vorsorge zu treffen, dass vom Versteinerungsprinzip abgegangen wird, somit eine Fortentwicklung des Aufgabenbereichs und seiner Instrumente möglich ist.

 

Bund

Länder

Koordination der Länderraumordnungen und der Fachplanungen des Bundes[1] (sowie Wahrnehmung der Raumordnung im Rahmen der Europäischen Union)

Raumordnung

Koordination des Naturschutzes (sowie Wahrnehmung der Raumordnung im Rahmen der Europäischen Union)

Naturschutz

Energiewesen[2]

 

Abfallwirtschaft

 

Wasserwirtschaft[3]

 

Mineralwirtschaft

 

Forstwirtschaft

 

Verkehrswesen zu Land, Luft und Wasser mit Ausnahme der Landesstraßen

 

Tierschutz

 

Genehmigung und Kontrolle gesundheits- und umweltbeeinträchtigender Anlagen[4]

 

Schutz des Menschen und der Umwelt insbesondere des Klimas, der Luft, des Wassers, des Bodens[5].

 

Umweltinformation[6]

 

Dokumentenzugang[7]

 

 

Baurecht

 

Zu beachten wären auch noch die Ergebnisse aus dem Ausschuss 10 (Finanzverfassung - Landeseinnahmen) und 9 (Gerichtsbarkeit-Landesverwaltungsgerichtsbarkeit).



[1] Diese Koordinationsaufgabe obliegt derzeit laut BundesministerienG dem/der BundeskanzlerIn, sie sollte ein Kompetenztatbestand werden, damit auch via Gesetzgebung Kooperationsorgane geschaffen werden können und die Handlungsfähigkeit gegenüber der Europäischen Union gegeben ist.

[2] Siehe die zahlreichen Sonderkompetenztatbestände und jüngst VfGH G 212/02 vom 10. Oktober 2003, im übrigen Grünen Gesetzesantrag Nr. 493/A vom Feber 1993.

[3] Das WRG beinhaltet derzeit drei Komplexe: Wassernutzung, Schutz des Wassers und Schutz vor dem Wasser. Es wäre auch denkbar, die Ressourcenbewirtschaftung als Teil der Wasserschutzpolitik zu sehen. Dann würde der allgemeine Umwelttatbestand genügen.

[4] Die Vollziehung des Bau- und Naturschutzrechts sollte ab einer bestimmten Vorhabensgröße den Vollzugszuständigkeiten der Bundesmaterien folgen.

[5] Dieser Tatbestand dient – in Anbetracht des Umweltanlagenrechtstatbestands - vor allem dem Immissionsschutz und den produktspezifischen Regelungen. Der Schutz des Menschen wurde aufgenommen, weil so zentrale Materien wie Strahlenschutz derzeit auf der Kompetenz Gesundheitswesen fußen und weil auch der Lärmschutz inkludiert sein soll.

[6] Im Sinne einer bürgerfreundlichen Verwaltung sollten der Informationszugang bundeseinheitlich geregelt sein und nicht in 10 verschiedenen Gesetzen.

[7] Im Sinne einer bürgerfreundlichen Verwaltung sollten der Informationszugang bundeseinheitlich geregelt sein und nicht in 10 verschiedenen Gesetzes.