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KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN
GEMEINSCHAFTEN |
Brüssel, den 21.05.2003
KOM(2003) 270 endgültig
.
GRÜNBUCH
ZU DIENSTLEISTUNGEN VON ALLGEMEINEM INTERESSE
INHALTSVERZEICHNIS
Einführung..................................................................................................................................... 3
1. Hintergrund.................................................................................................................... 7
1.1. Definitionen
und Begriffe................................................................................................. 7
1.2. Schlüsselrolle
der staatlichen Stellen im Wandel............................................................... 9
2. Der
Umfang von Massnahmen der Gemeinschaft........................................................... 10
2.1. Welche
Art von Subsidiarität?....................................................................................... 10
2.2. Sektorspezifische
Vorschriften und allgemeiner Rechtsrahmen........................................ 15
2.3. Wirtschaftliche
und nichtwirtschaftliche Leistungen......................................................... 17
3. Ein
Gemeinschaftskonzept für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse –
erstrebenswert? 18
3.1. Ein
gemeinsames Paket von Verpflichtungen.................................................................. 19
3.1.1 Universaldienst............................................................................................................. 19
3.1.2 Kontinuität.................................................................................................................... 20
3.1.3 Dienstequalität.............................................................................................................. 21
3.1.4. Erschwinglichkeit.......................................................................................................... 21
3.1.5. Nutzer- und
Verbraucherschutz..................................................................................... 22
3.2. Weitere
spezifische Verpflichtungen............................................................................... 23
4........... Verantwortungsvolles
Regieren: Organisation, Finanzierung und Evaluierung................... 27
4.1. Festlegung
von Gemeinwohlverpflichtungen und organisatorische Abwicklung................. 27
4.2. Finanzierung
der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse.......................................... 31
4.3. Evaluierung
der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse............................................ 33
5. Dienstlleistungen
von allgemeinem Interesse und die Globalisierung................................. 36
5.1. Handelspolitik............................................................................................................... 36
5.2. Entwicklungs-
und Kooperationspolitik......................................................................... 37
6. Praktische
Schlussfolgerungen....................................................................................... 37
Auflistung aller zur Diskussion gestellten
Fragen........................................................................... 39
Gemeinwohlverpflichtungen und
Instrumente der Gemeinschaftspolitik im Bereich
der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse.................................................... 42
1.
Die Europäische Union ist an einem
Wendepunkt in ihrer Geschichte angelangt. Sie bereitet sich auf eine
beispiellose Erweiterungswelle vor und arbeitet innerhalb des Konvents zugleich
an einer Neudefinierung ihrer Aufgaben und der Arbeitsweise ihrer Organe im
Rahmen eines neuen Verfassungsvertrags. Darüber hinaus hat sie eine
Entwicklungsstrategie auf den Weg gebracht, die von den Synergieeffekten
zwischen wirtschaftlichen und sozialen Reformen getragen wird und zudem auf den
Dimensionen Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit beruht.
2.
Vor diesem Hintergrund werden die Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse zunehmend wichtiger. Als unverzichtbarer
Bestandteil des europäischen Gesellschaftsmodells gehören sie zu den Werten,
die allen europäischen Gesellschaften gemeinsam sind. Sie spielen bei der
Erhöhung der Lebensqualität aller Bürger und der Überwindung von sozialer
Ausgrenzung und Isolierung eine entscheidende Rolle. In Anbetracht ihres
Stellenwertes in der Wirtschaft und ihrer Bedeutung für die Herstellung von
Waren und die Erbringung sonstiger Dienstleistungen zählt die Effizienz und
Qualität dieser Leistungen zu jenen Faktoren, die insbesondere im Hinblick auf
die Attraktivität benachteiligter Regionen für Investoren zu größerer
Wettbewerbsfähigkeit führen und den Zusammenhalt verbessern. Hinzu kommt, dass
die effiziente und diskriminierungsfreie Erbringung von Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse Voraussetzung für das reibungslose Funktionieren des
Binnenmarktes und für die weitere wirtschaftliche Integration in die
Europäische Union ist. Da diese Leistungen Rechte widerspiegeln, die die Bürger
Europas in Anspruch nehmen können und sie Gelegenheit für den Dialog mit den
Behörden im Rahmen des verantwortungsvollen Regierens in Europa bieten, stellen
die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse darüber hinaus einen Pfeiler der
europäischen Staatsbürgerschaft dar.
3.
Mit Blick auf den bevorstehenden Beitritt
der neuen Mitgliedstaaten sind die Gewährleistung effizienter und hochwertiger
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und insbesondere die Entwicklung der
netzgebundenen Wirtschaftszweige und deren Zusammenschaltung von entscheidender
Bedeutung. Dabei geht es darum, die Integration zu erleichtern, das Wohlergehen
der Bürger zu befördern und dem Einzelnen zu helfen, wirksamen Gebrauch von
seinen Grundrechten zu machen. Da mehrere neue Mitgliedstaaten in den
vergangenen zehn Jahren darüber hinaus den Übergang zur Marktwirtschaft
vollzogen haben, gilt es ihre Bürger nun von der Bedeutung zu überzeugen, die
die Union dem Zugang des Einzelnen zu den Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse beimisst.
4.
Die Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse bilden den Dreh- und Angelpunkt der politischen Debatten. In der Tat
berühren sie die zentrale Frage, welche Rolle in einer Marktwirtschaft
staatlichen Stellen zukommt, da sie einerseits das reibungslose Funktionieren
des Marktes und die Einhaltung der Spielregeln durch alle Akteure sicherstellen
und andererseits das öffentliche Interesse gewährleisten, insbesondere die
Befriedigung der Grundbedürfnisse der Bürger und die Erhaltung von
Kollektivgütern in Fällen, in denen der Markt dazu nicht in der Lage ist.
5.
In den Anfangsjahren der Gemeinschaften
führte die Zielsetzung der wirtschaftlichen Integration dazu, dass der
Ausräumung der Handelsbarrieren zwischen den Mitgliedstaaten besonderes
Augenmerk galt. Vor allem seit der zweiten Hälfte der 80er-Jahre öffnete sich
eine Reihe der Sektoren, von denen hauptsächlich oder zumindest auch
Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse erbracht werden,
nach und nach für den Wettbewerb: Telekommunikation, Postdienste, Verkehr und
Energiesektor. Durch die Liberalisierung erhielt die Modernisierung,
gegenseitige Vernetzung und Integration dieser Sektoren Auftrieb. Sie ließ die
Anzahl der Wettbewerber ansteigen und zog Preissenkungen nach sich,
insbesondere in den Sektoren und Ländern, in denen die Liberalisierung
frühzeitig vollzogen wurde. Zwar gestattet die bisherige Datenlage noch keine
Einschätzung der langfristigen Auswirkungen, die durch die Öffnung von
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse für den Wettbewerb hervorgerufen
wurden, doch liefern die vorliegenden Erkenntnisse keine Anhaltspunkte, die
etwa die These stützen würden, dass die Liberalisierung sich auf die
Gesamtleistung negativ ausgewirkt hätte. Dies lässt sich zumindest für die
Erschwinglichkeit und die Erbringung des Universaldienstes sagen. Die
Gemeinschaft hat sich stets für eine „kontrollierte“ Liberalisierung
eingesetzt, d. h. für eine schrittweise Öffnung des Marktes, flankiert von
Maßnahmen zum Schutz des Gemeinwohls; hierbei soll insbesondere das
Universaldienstkonzept den Zugang aller zu einer qualitativ definierten
Dienstleistung gewährleisten, und zwar zu einem erschwinglichen Preis,
unabhängig von der wirtschaftlichen, sozialen oder geografischen Lage.
Besonderes Augenmerk richtet die Gemeinschaft in diesem Zusammenhang auf die
Sicherstellung ausreichender Standards für grenzüberschreitende Leistungen, die
sich auf nationaler Ebene allein nicht angemessen regulieren lassen.
6.
Ursprüngliche Befürchtungen, dass sich
die Marktöffnung ungünstig auf die Beschäftigung oder auf die Erbringung der
Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse auswirken könnte,
haben sich bisher nicht bestätigt. Im Allgemeinen sind die Leistungen durch die
Marktöffnung erschwinglicher geworden. Beispielsweise ist in den meisten
Mitgliedstaaten im Zeitraum 1996-2002 der Anteil des persönlichen Einkommens,
den die einkommensschwächsten Verbraucher für einen Standardkorb von
Telefonanrufen oder eine Standardmenge Stromverbrauch aufbringen mussten,
zurückgegangen. Die Auswirkungen der Marktöffnung auf die Nettobeschäftigung
waren vielfach ebenfalls positiv. Die entfallenden Arbeitsplätze, insbesondere
in den ehemaligen Monopolunternehmen, wurden durch das Entstehen neuer
Beschäftigungsmöglichkeiten als Folge des Marktwachstums mehr als wettgemacht.
Den vorliegenden Schätzungen zufolge hat die Liberalisierung der netzgebundenen
Wirtschaftszweige unionsweit zum Entstehen von insgesamt fast einer Million
neuer Arbeitsplätze geführt[1].
7.
Dennoch kam es nach den ersten Schritten
in Richtung Liberalisierung zu gewissen Missverständnissen. die Kommission hat wiederholt versucht,
die Gemeinschaftspolitiken für diesen Bereich zu erläutern. So beschrieb sie in
einer ersten horizontalen Mitteilung aus dem Jahr 1996[2],
welche Wechselwirkung zum Wohle der Bürger zwischen den Gemeinschaftsmaßnahmen
in den Bereichen Wettbewerb und freier Warenverkehr und den Aufgaben bei der
Erbringung öffentlicher Dienstleistungen besteht. Darüber hinaus enthält diese
Mitteilung den Vorschlag, die Förderung von Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse zusätzlich in die Ziele des Vertrags aufzunehmen. Im Jahr 2000[3]
erfolgte eine Aktualisierung mit dem Ziel, den Akteuren größere
Rechtssicherheit bei der Anwendung der Wettbewerbs- und Binnenmarktregeln auf
ihre Tätigkeit zu geben. 2001 kam zu diesen beiden Mitteilungen noch der
Bericht für den Europäischen Rat in Laeken[4]
hinzu, in dem die Problematik der wirtschaftlichen Lebensfähigkeit der mit der
Erbringung öffentlicher Dienstleistungen betrauten Akteure angesprochen wurde.
Verwiesen wird darin besonders auf die durch Artikel 86 Absatz 2 des
Vertrags[5]
gebotenen Garantien, die Maßnahmen der Gemeinschaft und die Verantwortung der
Mitgliedstaaten, insbesondere bei der Festlegung von Gemeinwohlverpflichtungen. Darüber hinaus hat die Kommission
versucht, über sektorale und horizontale Evaluierungen ein besseres Bild von
der Leistung der Wirtschaftszweige zu erlangen, die Dienstleistungen von
allgemeinem Interesseerbringen.
8.
Inzwischen ist die Diskussion in vollem
Gange, wobei eine Schwerpunktverlagerung stattgefunden hat. Im Vertrag von
Amsterdam wird der Stellenwert anerkannt, den die Dienstleistungen von
allgemeinem wirtschaftlichen Interesse innerhalb der gemeinsamen Werte der
Union einnehmen[6]. Auch weist
er der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten „im Rahmen ihrer jeweiligen
Befugnisse“ die Verantwortung für das reibungslose Funktionieren dieser Dienste
zu. Im Protokoll über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den
Mitgliedstaaten wird hervorgehoben, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in
den Mitgliedstaaten unmittelbar mit den demokratischen, sozialen und
kulturellen Bedürfnissen jeder Gesellschaft sowie mit dem Erfordernis verknüpft
ist, den Pluralismus zu wahren. Darüber hinaus heißt es in der Charta der
Grundrechte[7], dass die
Union das Recht der Bürger auf Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem
wirtschaftlichen Interesse anerkennt und achtet. Diese neuen Bestimmungen sind
wichtige Bestandteile der Fortentwicklung des europäischen
Integrationsprozesses: vom wirtschaftlichen Bereich hin zu allgemeineren Fragen
das europäische Gesellschaftsmodell, das Konzept der europäischen
Staatsbürgerschaft und die Beziehungen zwischen dem einzelnen Unionsbürger und
den staatlichen Behörden betreffend. Überdies werfen sie die Frage nach den
Mitteln für ihre wirksame Umsetzung auf. Nach Auffassung der Kommission
bedürfen diese Fragen einer strukturierteren Aussprache in größerem Rahmen.
Natürlich wird diese Aussprache den Arbeiten im Europäischen Konvent und in der
nächsten Regierungskonferenz Rechnung tragen und von ihnen befruchtet werden –
etwa den Überlegungen zu den Werten und Zielen der Union, zur Frage der
Zuständigkeiten, zum Subsidiaritätsprinzip und zum Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit.
9.
Die Bürger sind sich in bestimmten Fragen
weiterhin unsicher und hegen Bedenken, auf die reagiert werden muss. Das
Europäische Parlament forderte die Kommission auf, einen Vorschlag für eine
Rahmenrichtlinie über Dienstleistungen von allgemeinem Interesse vorzulegen,
und auch der Rat verlangte von ihr, sich mit dieser Frage zu befassen[8].
10.
Die realen Bedingungen, unter denen die –
wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse erbracht werden, sind komplexer Natur und in ständiger Entwicklung
begriffen. Sie umfassen ein breites Spektrum von Aktivitäten unterschiedlicher
Art, von bestimmten Aktivitäten in den großen netzgebundenen Branchen
(Energiesektor, Postdienste, Verkehr und Telekommunikation) bis hin zu den
Bereichen Gesundheit, Bildung und Sozialleistungen, die sich sowohl von ihrem
Wirkungsfeld – auf europäischer, wenn nicht gar globaler oder auch nur
lokaler Ebene ‑ als auch vom Charakter her (marktbezogen oder nicht
marktbezogen) voneinander unterscheiden. Die Organisation dieser Dienste hängt
von den kulturellen Traditionen, der Geschichte und den geografischen
Verhältnissen des einzelnen Mitgliedstaates und den besonderen Merkmalen der
betreffenden Tätigkeit ab, was insbesondere auf den Bereich der technischen
Entwicklung zutrifft.
11.
Die Europäische Union respektiert diese
Vielfalt und die Rolle der nationalen, regionalen und örtlichen Behörden, die
das Wohlergehen ihrer Bürger sicherstellen und demokratische
Auswahlmöglichkeiten garantieren müssen, unter anderem in Bezug auf das
Qualitätsniveau der Leistungen. Diese Vielfalt liefert die Erklärung für den
unterschiedlichen Grad, zu dem die Gemeinschaft Maßnahmen ergreift und
unterschiedliche Instrumente eingesetzt werden. Im Rahmen der ihr allein
vorbehaltenen Befugnisse hat die Union ebenfalls bestimmte Aufgaben zu
erfüllen. Darüber hinaus werfen die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
überall in der Europäischen Union Fragen und Probleme auf, die sich ungeachtet
der unterschiedlichen Leistungen und zuständigen Behörden nicht voneinander
unterscheiden.
12.
Die Diskussion, die mit diesem Grünbuch
eingeläutet werden soll, bezieht sich auf folgende Fragen:
·
Umfang möglicher Maßnahmen der
Gemeinschaft zur Umsetzung des Vertrags bei voller Respektierung des Subsidiaritätsprinzips.
·
Grundsätze, die in eine mögliche
Rahmenrichtlinie oder ein anderes allgemeines Instrument zu den
Dienstleistungen von allgemeinem InteresseEingang finden könnten, und
zusätzlicher Nutzen (Mehrwert) eines solchen Instruments.
·
Definition verantwortungsvollen Regierens
bezogen auf Organisation, Regulierung, Finanzierung und Bewertung von
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse mit dem Ziel, die
Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu erhöhen und einen effizienten und fairen
Zugang zu hochwertigen und bedarfsgerechten Dienstleistungen für jedermann zu
gewährleisten.
·
Maßnahmen, die zur Schaffung größerer
Rechtssicherheit beitragen könnten sowie zur Sicherstellung eines schlüssigen
und harmonischen Ausgleichs zwischen dem Ziel, weiterhin hochwertige
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu erbringen, und der strikten
Anwendung der Wettbewerbs- und Binnenmarktvorschriften.
13.
Das Grünbuch ist in fünf Hauptabschnitte
sowie eine Einführung und einen Schlussfolgerungsteil untergliedert.
Abschnitt 1 schildert den Hintergrund und in Abschnitt 2 wird der
Umfang von Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse beschrieben. Im dritten Teil werden dem Leser Elemente
eines möglichen gemeinsamen Konzepts der Dienstleistungen von allgemeinem
wirtschaftlichen Interesse auf der Grundlage der bereits vorhandenen
sektorspezifischen Rechtsvorschriften vorgestellt. Der vierte Abschnitt ist der
Art und Weise gewidmet, in der die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
organisiert, finanziert und bewertet werden. Im fünften Abschnitt geht es um
die internationale Dimension der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse.
Ergänzt wird das Grünbuch durch einen Anhang mit einer ausführlichen
Beschreibung der Gemeinwohlverpflichtungen,
die sich aus den bestehenden sektorspezifischen Rechtsvorschriften und den
politischen Instrumenten ergeben, mit denen die Einhaltung dieser
Verpflichtungen sichergestellt wird.
14.
Im Grünbuch wird eine Reihe von Fragen
zur Sprache gebracht, zu denen die Kommission gern die Auffassung der
Beteiligten in Erfahrung bringen möchte. Eine Zusammenfassung all dieser Fragen
liegt diesem Dokument in der Anlage bei.
1.1. Definitionen und Begriffe
15.
Terminologische Unterschiede, semantische
Unklarheit und unterschiedliche Traditionen in den Mitgliedstaaten haben in der
Diskussion auf europäischer Ebene zahlreichen Missverständnissen Nahrung
gegeben. Bezüglich der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse werden in den
Mitgliedstaaten unterschiedliche Begriffe und Definitionen gebraucht, was
Ausdruck der jeweiligen geschichtlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und
politischen Entwicklung ist. Mit der von der Gemeinschaft verwendeten
Terminologie wird versucht, diesen Unterschieden Rechnung zu tragen.
16.
Der Begriff „Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse“ ist im Vertrag selbst nicht enthalten. In der
Gemeinschaftspraxis wurde er aus dem im Vertrag verwendeten Begriff
„Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ abgeleitet. Sein
Bedeutungsspektrum reicht weiter als der Begriff „Dienstleistungen von
allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“, da er sich sowohl auf die
marktbezogenen als auch die nichtmarktbezogenen Dienstleistungen bezieht, die
von staatlichen Stellen im Interesse der Allgemeinheit erbracht und von ihnen
daher mit spezifischen Gemeinwohlverpflichtungen verknüpft werden.
17.
Der Begriff „Dienstleistungen von
allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ bzw. „Dienste von allgemeinem
wirtschaftlichen Interesse“ wird in Artikel 16 und Artikel 86
Absatz 2 des Vertrags verwendet. Er ist weder im Vertrag noch im
abgeleiteten Recht näher bestimmt. In der Gemeinschaftspraxis herrscht jedoch
weit gehende Übereinstimmung dahingehend, dass er sich auf wirtschaftliche
Tätigkeiten bezieht, die von den Mitgliedstaaten oder der Gemeinschaft mit
besonderen Gemeinwohlverpflichtungen verbunden werden und für die das Kriterium
gilt, dass sie im Interesse der Allgemeinheit erbracht werden. Das Konzept der
Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse umfasst daher
insbesondere bestimmte Leistungen der großen netzgebundenen Wirtschaftszweige
wie des Verkehrswesens, der Postdienste, des Energiesektors und der
Telekommunikation. Der Begriff gilt jedoch auch für jede sonstige
wirtschaftliche Tätigkeit, die mit Gemeinwohlverpflichtungen verknüpft ist.
18.
Das Grünbuch konzentriert sich im
Wesentlich, wenn auch nicht ausschließlich, auf Fragen im Zusammenhang mit
„Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“, da im
Mittelpunkt des Vertrags auch hauptsächlich wirtschaftliche Tätigkeiten stehen.
Der Begriff „Dienstleistungenvon allgemeinem Interesse“ wird im Grünbuch nur
dann verwendet, wenn gleichzeitig ein Bezug zu nichtwirtschaftlichen
Dienstleistungen besteht oder keine Notwendigkeit besteht, den wirtschaftlichen
bzw. nichtwirtschaftlichen Charakter der betreffenden Dienstleistungen zu
erwähnen.
19.
Die Begriffe „Dienstleistung von
allgemeinem Interesse“ und „Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen
Interesse“ sollten nicht mit dem Begriff „öffentlicher Dienst“
verwechselt werden, der weniger exakt ist und mehrere Bedeutungen hat. Mitunter
steht er für die Tatsache, dass eine Leistung für die Allgemeinheit erbracht
wird, mitunter unterstreicht er, dass der Leistung eine besondere Rolle im
öffentlichen Interesse zugewiesen wurde, und manchmal wird ein Bezug auf die
Eigentumsverhältnisse bzw. die Rechtsstellung der Einrichtung, die die Leistung
erbringt, hergestellt[9].
Daher findet dieser Begriff im vorliegenden Grünbuch keine Verwendung.
20.
In diesem Grünbuch wird der Begriff „Gemeinwohlverpflichtungen“
verwendet. Er bezieht sich auf die besonderen Anforderungen der staatlichen
Behörden an den Anbieter des betreffenden Dienstes, mit denen sichergestellt
werden soll, dass bestimmte Gemeinwohlinteressen erfüllt werden -
beispielsweise im Luft-, Schienen- und Straßenverkehr oder im Energiesektor.
Diese Verpflichtungen können auf nationaler, regionaler oder Gemeinschaftsebene
wahrgenommen werden.
21.
Der Begriff „öffentliches Unternehmen“
wird im Allgemeinen verwendet, um die Eigentumsverhältnisse des
Leistungserbringers zu bestimmen. Der Vertrag fordert strikte
Neutralität. Im Rahmen des Gemeinschaftsrechts spielt es keine Rolle, ob der
Erbringer von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse öffentlich- oder
privatrechtlich organisiert ist; beide haben dieselben Rechte und Pflichten.
1.2. Schlüsselrolle der
staatlichen Stellen im Wandel
22.
Der Markt bietet gewöhnlich die Gewähr
für eine optimale Allokation der Ressourcen im Interesse der Gesellschaft
insgesamt. Doch lassen sich manche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
durch die Märkte allein nicht voll befriedigen, weil entweder ihr Marktpreis
für Verbraucher mit niedriger Kaufkraft zu hoch ist oder weil die Kosten, die
bei der Erbringung dieser Leistungen entstehen, sich durch den Marktpreis nicht
abdecken lassen. Die wichtigste Pflicht der staatlichen Behörden ist es daher
seit jeher, dafür zu sorgen, dass solche kollektiven und qualitativen
Grundbedürfnisse befriedigt werden und Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse stets dann gewahrt bleiben, wenn die Marktkräfte dazu außerstande
sind. An der entscheidenden Bedeutung dieser Verpflichtung hat sich bis heute
nichts geändert.
23.
Was sich jedoch geändert hat, ist die Art
und Weise, in der die staatlichen Stellen ihren Verpflichtungen gegenüber den
Bürgern nachkommen. Die Rolle der staatlichen Behörden auf dem Gebiet der
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse wird den jeweiligen
wirtschaftlichen, technologischen und sozialen Bedingungen ständig angepasst.
Während in Europa eine Reihe von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
traditionell von den Behörden selbst erbracht worden ist, beauftragen sie
heutzutage zunehmend öffentliche oder private Unternehmen bzw.
öffentlich-private Partnerschaften[10]
mit der Leistungserbringung und beschränken die eigene Rolle auf die Festlegung
öffentlicher Zielvorgaben sowie die Überwachung, Regulierung und gegebenenfalls
Finanzierung der Leistungen.
24.
Diese Entwicklung darf jedoch nicht
darauf hinauslaufen, dass die staatlichen Stellen ihre Zuständigkeit für die
Umsetzung von Zielen abgeben, die im Interesse der Allgemeinheit liegen. Über
entsprechende ordnungspolitische Instrumente sollten sie in der Lage sein, die
nationale, regionale oder lokale Politik im Bereich der Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse zu gestalten und ihre Umsetzung sicherzustellen. Diese
Entwicklung von der Selbsterbringung hin zur Bereitstellung durch gesonderte
Einrichtungen hat jedoch zu einer größeren Transparenz bei der Organisation,
den Kosten und der Finanzierung dieser Leistungen geführt. Das äußert sich in
einer stärkeren Diskussion und in verstärkter demokratischer Kontrolle der
Verfahren zur Erbringung und Finanzierung von Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse. Diese größere Transparenz verringert zugleich die Möglichkeit, den
Wettbewerb auf diesen Märkten über Finanzierungsmechanismen einzuschränken.
25.
In der Europäischen Union ist dieser Prozess
durch das Entstehen des Binnenmarktes beschleunigt worden. Gleichzeitig hatte
bei der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse auch die im
Wandel begriffene Rolle der Behörden Einfluss auf die Entwicklung der
Gemeinschaftspolitiken.
26.
Der europäische Integrationsprozess hat
weder die Zuständigkeit noch die Fähigkeit der staatlichen Behörden jemals in
Frage gestellt, die notwendigen politischen Entscheidungen zur Regulierung der
Markttätigkeit zu treffen. Die Kommission möchte diese Zuständigkeit einmal
mehr bekräftigen, indem sie eine europaweite Aussprache über die politischen
Entscheidungen in Gang setzt, die auf europäischer Ebene zu den
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse getroffen werden müssen. Die
Ergebnisse dieser Aussprache werden als Grundlage für künftige Maßnahmen der
Gemeinschaft in diesem Bereich dienen.
2. Der
Umfang von Massnahmen der Gemeinschaft
27.
Zum Umfang von Maßnahmen der Gemeinschaft
werden in diesem Abschnitt drei Hauptfragen formuliert:
·
Wie sollte bei den Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips die
Rollenverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten (einschließlich
Verwaltungsbehörden auf regionaler und örtlicher Ebene) aussehen?
·
Sollten sich die Maßnahmen der
Gemeinschaft auf einen vorwiegend sektorspezifischen Ansatz stützen oder sollte
vielmehr ein allgemeiner Rahmen geschaffen werden?
·
Welchen Einfluss auf den Umfang von
Maßnahmen der Gemeinschaft hat die Unterscheidung von wirtschaftlichen und
nichtwirtschaftlichen Dienstleistungen?
2.1. Welche Art von
Subsidiarität?
28.
Im Bereich der Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse ist die Aufteilung der Aufgaben und Befugnisse zwischen
der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten komplexer Natur, was bei Verbrauchern,
Nutzern und Anbietern bisweilen Missverständnisse und Enttäuschungen aufkommen
lässt.
29.
Im Vertrag ist nicht davon die Rede, dass
das reibungslose Funktionieren der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
ein Gemeinschaftsziel darstellt, und er stattet die Gemeinschaft hinsichtlich
dieser Leistungen auch nicht mit besonderen Handlungsbefugnissen aus. Bisher
wird auf diese Leistungen – außer in einem sektorspezifischen Zusammenhang im
Titel über den Verkehr[11]
– nur in zwei Vertragsbestimmungen Bezug genommen:
·
Laut Artikel 16 müssen die
Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse mit
ihrer Politik dafür sorgen, dass die Dienstleistungen von allgemeinem
wirtschaftlichen Interesse ihren Aufgaben gerecht werden können. Hier wird ein
Vertragsgrundsatz formuliert, der Gemeinschaft werden jedoch keine speziellen
Handlungsinstrumente an die Hand gegeben.
·
In Artikel 86 Absatz 2 wird den
Mitgliedstaaten stillschweigend das Recht eingeräumt, Wirtschaftsbeteiligte mit
spezifischen Gemeinwohlverpflichtungen zu betrauen. Mit dem darin formulierten
Grundprinzip wird sichergestellt, dass Dienstleistungen von allgemeinem
wirtschaftlichen Interesse auch im Gemeinsamen Markt erbracht und weiter
entwickelt werden können. Die Erbringer von Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse sind nur insofern von der Anwendung der Vertragsvorschriften
ausgenommen, als das unbedingt notwendig ist, um ihnen die Erfüllung des
Versorgungsauftrags zu ermöglichen. Somit kann vorbehaltlich der in
Artikel 86 Absatz 2 vorgesehenen Regeln im Konfliktfall die Erfüllung
des Versorgungsauftrags praktisch vor der Anwendung der Gemeinschaftsregeln
rangieren, die Binnenmarkt- und Wettbewerbsregeln eingeschlossen[12].
Der Vertrag schützt somit die Erbringung einer Dienstleistung von allgemeinem
Interesse, aber nicht notwendigerweise den Leistungserbringer als solchen.
30.
Außerdem anerkennt und achtet die Union
gemäss der Charta der Grundrechte der Europäischen Union den Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem
wirtschaftlichen Interesse, um den sozialen und territorialen Zusammenhalt der
Union zu fördern.[13].
31.
Es ist vor allem Sache der zuständigen
nationalen, regionalen und örtlichen Behörden, die Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse zu definieren, organisieren, finanzieren und überwachen.
Die Gemeinschaft verfügt in Bereichen, die für die Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse ebenfalls von Bedeutung sind, – etwa Binnenmarkt,
Wettbewerb und staatliche Beihilfen, Freizügigkeit, Sozialpolitik, Verkehr,
Umwelt, Gesundheit, Verbraucherpolitik, transeuropäische Netze, Industrie,
wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt, Forschung, Handel,
Entwicklungszusammenarbeit und Besteuerung – indes auch über eine Reihe von
Befugnissen. Diese ihr durch den Vertrag übertragenen Befugnisse und
Zuständigkeiten statten die Gemeinschaft mit einer ganzen Palette von
Handlungsinstrumenten aus, durch die sichergestellt wird, dass in der
Europäischen Union jedermann Zugang zu hochwertigen Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse hat.
Die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse,
die mit der Wohlfahrt- und Sozialschutzaufgabe in Zusammenhang stehen, fallen
eindeutig in die einzelstaatliche, regionale und lokale Zuständigkeit. Dennoch
wird gleichzeitig die Aufgabe der Gemeinschaft anerkannt, die Zusammenarbeit
und Koordinierung in diesen Bereichen zu fördern. Das besondere Augenmerk der
Kommission gilt der Unterstützung der Zusammenarbeit von Mitgliedstaaten in
Fragen der Modernisierung der Sozialschutzsysteme.
32.
Was die Notwendigkeit und Intensität
einer Gemeinschaftsaktion und die Rolle der Mitgliedstaaten angeht, so lassen
sich die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse drei Kategorien zuordnen:
(1) Von
großen netzgebundenen Wirtschaftszweigen erbrachte Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse
Seit den 80er-Jahren hat die Gemeinschaft die
Märkte für große netzgebundene Wirtschaftszweige ‑ Telekommunikation,
Postdienste, Strom, Gas und Verkehr –, in denen Dienstleistungen von
allgemeinem wirtschaftlichen Interesse erbracht werden können, schrittweise
geöffnet. Gleichzeitig verabschiedete sie für diese Dienste ein umfassendes
Regelwerk, in dem die Gemeinwohlverpflichtungen auf europäischer Ebene benannt
und Aspekte wie der Universaldienst, Verbraucher- und Nutzerrechte und
Sicherheit und Gesundheitsschutz geregelt sind. Diese Wirtschaftszweige
besitzen eine unverkennbar gemeinschaftsweite Dimension und liefern gewichtige
Argumente für die Erarbeitung eines Konzepts des europäischen Gemeinwohls. Das
wird auch in Titel XV des Vertrags anerkannt, der der Gemeinschaft
besondere Befugnisse im Zusammenhang mit den transeuropäischen Netzen in den
Bereichen der Verkehrs-, Telekommunikations- und Energieinfrastruktur
überträgt. Dabei werden zwei Ziele angestrebt: Verbesserung des reibungslosen
Funktionierens des Binnenmarktes und Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen
Zusammenhalts.
(2) Andere
Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
Für andere Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen
Interesse wie etwa die Abfallwirtschaft, die Wasserversorgung oder den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk besteht auf Gemeinschaftsebene kein umfassendes
Regelwerk. Sofern diese Dienstleistungen jedoch den Handel zwischen
Mitgliedstaaten beeinträchtigen, unterliegt ihre Bereitstellung und
organisatorische Abwicklung im Allgemeinem den für den Binnenmarkt, den
Wettbewerb und staatliche Beihilfen geltenden Vorschriften. Darüber hinaus
können auf bestimmte Aspekte der Erbringung dieser Leistungen spezielle
Gemeinschaftsvorschriften wie etwa das Umweltrecht zur Anwendung kommen.
Für die Abfallentsorgung (z. B. Deponien)
wird beispielsweise in den abfallrechtlichen Bestimmungen der Gemeinschaft der
„Grundsatz der Nähe“[14]
eingeführt, nach dem Abfälle möglichst nahe an dem Ort, an dem sie anfallen,
entsorgt werden sollten.
Was die Fernsehtätigkeit angeht, so erfolgt die
Koordinierung des Regelungswerks auf Gemeinschaftsebene durch die Richtlinie
„Fernsehen ohne Grenzen“[15].
Dies gilt insbesondere für gesellschaftlich wichtige Ereignisse, die Förderung
europäischer Werke und unabhängiger Produktionen, die Werbung und den Schutz
Minderjähriger. Aufgrund der Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für
die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse einer jeden Gesellschaft
wurde dem Vertrag von Amsterdam im Anhang ein spezielles Protokoll über den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten beigefügt. In ihrer
Mitteilung „Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik der
Gemeinschaft im digitalen Zeitalter“[16]
führt die Kommission Regelungsgrundsätze für den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk ein. Darüber hinaus hat sie ihren Ansatz in ihrer Mitteilung vom
17. Oktober 2001 über die Anwendung der Vorschriften über Staatliche Beihilfen
auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk[17]
weiter erläutert. Insbesondere trägt sie der Tatsache Rechnung, dass die
Rundfunklandschaft in der Europäischen Gemeinschaft von einem dualen System aus
öffentlich-rechtlichen und privaten Sendeanstalten bestimmt wird.
(3) Nichtwirtschaftliche
Tätigkeiten und Dienstleistungen ohne Auswirkung auf den Handel
Für nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse und Dienstleistungen ohne Auswirkungen auf den Handel
zwischen den Mitgliedstaaten gibt es auf Gemeinschaftsebene keine spezifischen
Regelungen; sie unterliegen auch nicht den Vertragsvorschriften für den
Binnenmarkt, den Wettbewerb und die staatlichen Beihilfen. Dennoch fallen sie
unter die Gemeinschaftsregeln, die auch bei den nichtwirtschaftlichen
Tätigkeiten und den Tätigkeiten ohne Auswirkung auf den innergemeinschaftlichen
Handel Anwendung finden (wie etwa der Grundsatz der Nichtdiskriminierung).
33.
Somit hat die Gemeinschaft zu den
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse eine Politik entwickelt, die auf ein
unterschiedlich starkes Eingreifen und auf den Einsatz unterschiedlicher Instrumente
setzt. Jedoch bietet die Schaffung eines sektorspezifischen Rahmens auf
Gemeinschaftsebene einerseits an sich noch keine Gewähr dafür, dass der
Einzelne überall in der Europäischen Union Zugang zu effizienten und qualitativ
hochwertigen Leistungen hat. Aufgabe der zuständigen staatlichen Stellen in den
Mitgliedstaaten ist es, die Gemeinschaftsvorschriften, die
Gemeinwohlverpflichtungen betreffend, zu spezifizieren und zu ergänzen sowie
ihre Umsetzung zu überwachen. Andererseits kann die Kommission zur Durchsetzung
von Gemeinschaftsvorschriften in den Bereichen Wettbewerb und staatliche
Beihilfen besondere Direktmaßnahmen ergreifen. Dadurch könnte der Eindruck
entstehen, als seien die Maßnahmen der Gemeinschaft unausgewogen, was letztlich
ihrer Glaubwürdigkeit schaden könnte.
34.
Mit der Forderung nach Einrichtung
unabhängiger Regulierungsbehörden tragen die gemeinschaftlichen
Rechtsvorschriften für die netzgebundenen Wirtschaftszweige der bedeutsamen
Rolle Rechnung, die den mitgliedstaatlichen Behörden bei der Umsetzung der
Rechtsvorschriften im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
zukommt. Die institutionellen Regelungen betreffend die Regulierungsbehörde
bleiben im Einzelnen jedoch den Mitgliedstaaten überlassen. Dabei kann es sich
um eine bereits bestehende Einrichtung oder das für diesen Sektor zuständige
Ministerium handeln; hierfür hat sich eine kleine Zahl von Mitgliedstaaten
entschieden. Diese Lösung hat sich in Bezug auf die Unabhängigkeit der
nationalen Regulierungsbehörde in einigen Fällen Umständen als problematisch
erwiesen, in denen die Mitgliedstaaten gleichzeitig Eigentümer der im
betreffenden Sektor tätigen Unternehmen sind bzw. diese kontrollieren. Die
Bedeutung und der permanente, komplizierte und ständig neue Charakter der
hiermit verbundenen Regulierungsaufgaben erfordern häufig den Sachverstand und
die Unabhängigkeit eines sektorspezifischen Regulierungsgremiums[18].
Ein solches Regulierungsgremium ist wichtig zur Ergänzung der Maßnahmen, die
von den Wettbewerbsbehörden getroffen werden. Dies gilt für die Ziele, die
sektorspezifischen Erfahrungen, den Zeitplan und die Kontinuität der
betreffenden Intervention. Eine besonders wichtige Rolle kommt den
Regulierungsgremien vor allem zu, wenn es darum geht, Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse zu erbringen, die Voraussetzungen für einen fairen
Wettbewerb zu schaffen, Unterbrechungen der Leistungserbringung zu verhindern
und einen angemessenen Verbraucherschutz sicherzustellen. Nahezu alle
Mitgliedstaaten haben für die betreffenden Sektoren derartige Gremien gebildet.
Doch selbst wenn eine sektorspezifische Regulierungsbehörde existiert, liegt
die Verantwortung für bestimmte ordnungspolitische Entscheidungen weiterhin bei
der Regierung, d. h. dem zuständigen Ministerium.
35.
Darüber hinaus fördern das
Gemeinschaftsrecht und die gängige Praxis in der Gemeinschaft die
Zusammenarbeit und den Austausch beispielhafter Verfahren zwischen den
Regulierungsbehörden in den Mitgliedstaaten sowie zwischen diesen und der
Kommission. Während der Aufbau nationaler Regulierungsbehörden bereits
weitgehend vollzogen ist, ist die Einsetzung europäischer Regulierungsgremien
für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse oder die Vertiefung der
Zusammenarbeit zwischen den Regulierungsinstanzen der Mitgliedstaaten
(z. B. über strukturierte Netzwerke) noch nicht breit diskutiert worden
und könnte neue Fragen aufwerfen. Zu den Zielen gehört die Notwendigkeit, die
einzelstaatlichen Regulierungsansätze möglichst einheitlich zu gestalten, um
Verzerrungen zu vermeiden, die sich aus unterschiedlichen Ansätzen ergeben und
Auswirkungen auf das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes haben
könnten; außerdem muss die Abwicklung dieser Dienste verbessert werden.
36.
Folgende Fragen werden zur Diskussion
gestellt:
(1)
Sollte die Entwicklung hochwertiger
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in den Zielekatalog der
Gemeinschaft aufgenommen werden? Sollte die Gemeinschaft im Bereich der
Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen
Interesse zusätzliche Befugnisse erhalten? (2)
Müssen die Zuständigkeitsbereiche von
Gemeinschaft und mitgliedstaatlichen Verwaltungen klarer voneinander
abgegrenzt werden? Ist es erforderlich, das Konzept der Dienste ohne
Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten deutlicher zu
umschreiben? Wenn ja, wie sollte dies geschehen? (3)
Gibt es Leistungen (abgesehen von den
unter Ziffer 32 genannten großen netzgebundenen Wirtschaftszweigen), für
die ein rechtlicher Rahmen der Gemeinschaft geschaffen werden sollte? (4)
Ist der institutionelle Rahmen
verbesserungsbedürftig? Wie könnte dies geschehen? Welche Aufgabe kommt dabei
den Wettbewerbs-, welche den Regulierungsbehörden zu? Was spräche für ein
europäisches Regulierungsgremium für jeden regulierten Wirtschaftszweig oder
für europaweite strukturierte Netzwerke der einzelstaatlichen
Regulierungsinstanzen? |
2.2. Sektorspezifische
Vorschriften und allgemeiner Rechtsrahmen
37.
Bislang hat die Gemeinschaft
Rechtsvorschriften zu den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse auf
Sektorbasis verabschiedet. Auf diese Weise wurde für die verschiedenen
netzgebundenen Wirtschaftszweige eine umfassende Sammlung sektorspezifischer
Rechtsvorschriften entwickelt, so u. a. für die elektronische
Kommunikation, die Postdienste, die Gas- und Stromversorgung und den
Verkehrssektor, wo Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
erbracht werden können. In Anbetracht der nunmehr vorliegenden Erfahrungen
wurde die Frage gestellt, ob es im Interesse einer gemeinschaftsweit
einheitlichen Umsetzung der Grundsätze, die Artikel 16 des Vertrags
zugrunde liegen, vielleicht sinnvoll wäre, einen gemeinsamen europäischen
Rahmen zu erarbeiten. Diesbezüglich hat sich die Kommission auf dem
Europäischen Rat von Laeken verpflichtet, das Instrument zu ermitteln, das am
besten geeignet ist, in strikter Übereinstimmung mit allen anderen Gemeinschaftspolitiken
die Entwicklung qualitativ hochwertiger Leistungen von allgemeinem Interesse in
der Europäischen Union sicherzustellen.
38.
In einem allgemeinen Rechtsakt könnten
die Ziele und Grundsätze, die allen bzw. mehreren Arten von Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse, welche in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen,
gemeinsam sind, aufgeführt, präzisiert und bekräftigt werden. Dieser Rechtsakt
könnte anschließend weiteren sektorspezifischen Rechtsvorschriften zugrunde
gelegt werden, über die die Zielvorgaben aus dem Rechtsrahmen umgesetzt werden,
was diesen Bereich des Binnenmarkts vereinfachen und konsolidieren würde.
39.
Die Konsolidierung des gemeinschaftlichen
Besitzstands könnte auf der Grundlage gemeinsamer Elemente der bestehenden
sektorspezifischen Rechtsvorschriften erfolgen, was der sektorübergreifenden
Kohärenz der Ansätze sehr dienlich wäre. Darüber hinaus hätte dies einen hohen
symbolischen Wert, da darin der Ansatz der Gemeinschaft sowie die Tatsache zum
Ausdruck kämen, dass die Gemeinschaft für die Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse über ein Konzept verfügt. Zudem würde die Konsolidierung die neuen
Mitgliedstaaten bei der Erarbeitung eigener Regulierungsstrategien für diesen
Bereich unterstützen.
40.
Jedoch wäre auch ein solcher Ansatz
beschränkt, da eine rechtliche Rahmenregelung, mit der die gemeinsamen Ziele
und Grundsätze abgesteckt sind, allgemeiner Natur wäre, da sie auf dem
gemeinsamen Nenner unterschiedlicher Leistungen mit stark voneinander
abweichenden Besonderheiten beruhen müsste. Wenn das derzeitige Schutzniveau
erhalten bleiben soll, müsste er durch sektorspezifische Rechtsvorschriften mit
stärker ins Detail gehenden Regelungen ergänzt werden, die den Besonderheiten
der verschiedenen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse Rechnung tragen.
Darüber hinaus liefert Artikel 16 keine Rechtsgrundlage für die Annahme
eines speziellen Rechtsakts. Je nach dem Inhalt des betreffenden Rechtsakts könnten
andere Bestimmungen des Vertrags als Rechtsgrundlage angesetzt werden.
Beispielsweise könnte Artikel 95 hierzu herangezogen werden, jedoch müsste
sich eine auf diesem Artikel gründende rechtliche Rahmenregelung auf die
Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse beschränken, die
Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten haben. Das hätte zur
Folge, dass viele wichtige Sektoren aus dem Anwendungsbereich der Regelung
herausfallen würden, da sie entweder keinen wirtschaftlichen Charakter tragen
oder nur begrenzte Auswirkungen auf den Handel haben. Wenn gemeinschaftliche
Rechtsvorschriften in solchen Sektoren für wünschenswert befunden werden, wäre
vielleicht eine Änderung des Vertrags das beste Mittel zur Bereitstellung einer
angemessenen Rechtsgrundlage.
41.
Was die Rechtsform angeht, so könnte die
Konsolidierung der gemeinsamen Ziele und Grundsätze über einen verbindlichen
Rechtsakt (etwa eine Richtlinie oder eine Verordnung) oder einen
nichtverbindlichen Rechtsakt (Empfehlung, Mitteilung, Leitlinien,
interinstitutionelle Vereinbarung) erfolgen. Abgesehen von ihren
unterschiedlichen Rechtswirkungen, weichen diese Akte auch in Bezug auf den
Grad der Einbeziehung der verschiedenen Gemeinschaftsorgane in das
Annahmeverfahren voneinander ab[19].
42.
Folgende Fragen werden zur Diskussion
gestellt:
(5)
Ist für die Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse ein allgemeiner Gemeinschaftsrahmen erstrebenswert?
Welcher zusätzliche Nutzen würde sich damit im Vergleich zum bestehenden
sektorbezogenen Recht ergeben? Für welche Sektoren sowie welche Probleme und
Rechte sollte er gelten? Welches Instrument sollte zur Anwendung gelangen
(Richtlinie, Verordnung, Empfehlung, Mitteilung, Leitlinien,
interinstitutionelle Vereinbarung)? (6)
Welche Auswirkungen hat die
sektorspezifische Regelung bisher nach sich gezogen? Hat sie zu
uneinheitlichem Vorgehen geführt? |
2.3. Wirtschaftliche
und nichtwirtschaftliche Leistungen
43.
Die Unterscheidung zwischen Leistungen
wirtschaftlichen Charakters und Leistungen nichtwirtschaftlichen Charakters
(d. h. marktbezogenen und nichtmarktbezogenen Tätigkeiten) ist wichtig,
weil sie nicht denselben Vertragsbestimmungen unterliegen. Beispielsweise
gelten Bestimmungen wie der Grundsatz der Nichtdiskriminierung oder der
Grundsatz der Freizügigkeit für den Zugang zu sämtlichen Leistungen. Die
Vorschriften für das öffentliche Auftragswesen beziehen sich auf Waren,
Dienstleistungen und Bauleistungen, die von staatlichen Stellen mit der Absicht
in Auftrag gegeben werden, Leistungen sowohl wirtschaftlicher als auch
nichtwirtschaftlicher Natur zu erbringen. Die Vertragsvorschriften zum freien
Dienstleistungsverkehr, zur Niederlassungsfreiheit, zum Wettbewerb und zu
staatlichen Beihilfen werden jedoch nur auf wirtschaftliche Tätigkeiten
angewendet. Darüber hinaus beziehen sich auch Artikel 16 des Vertrags und
Artikel 36 der Charta der Grundrechte lediglich auf Dienstleistungen von
allgemeinem wirtschaftlichen Interesse.
44.
Was die Unterscheidung zwischen Leistungen
wirtschaftlichen Charakters und Leistungen nichtwirtschaftlichen Charakters
angeht, so gilt jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen
auf einem bestimmten Markt anzubieten, als wirtschaftliche Tätigkeit[20].
Wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Dienstleistungen können demnach in ein
und demselben Sektor nebeneinander herbestehen und mitunter sogar von ein und
derselben Einrichtung erbracht werden. Hinzu kommt, dass es vielleicht keinen
Markt für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
geben mag, aber dennoch ein vorgelagerter Markt existieren kann, auf dem
Unternehmen mit staatlichen Stellen Verträge über die Erbringung solcher
Leistungen schließen. Auf solche vorgelagerten Märkte finden die für den
Binnenmarkt, den Wettbewerb und die staatlichen Beihilfen geltenden Regeln
Anwendung.
45.
Das Spektrum aller Dienstleistungen, die
auf einem bestimmten Markt erbracht werden können, unterliegt dem technischen,
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel und hat sich im Laufe der Zeit
weiterentwickelt. Daher trägt auch die Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen
und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten dynamische, veränderliche Züge, wobei in
den vergangenen Jahrzehnten die Zahl der Tätigkeiten, die wirtschaftliche
Bedeutung erlangt haben, immer weiter angewachsen ist. Für eine zunehmende Zahl
von Leistungen ist die Abgrenzung schwierig. In ihrer Mitteilung aus dem
Jahr 2000 führt die Kommission eine Reihe von Beispielen für
nichtwirtschaftliche Tätigkeiten an.[21]
Diese Beispiele betreffen insbesondere Aufgaben, die per se dem Staat
vorbehalten sind, Leistungen wie die Volksbildung oder die mit der
Pflichtmitgliedschaft verbundenen Grundversorgungssysteme der sozialen
Sicherheit und eine Reihe von Tätigkeiten, die von Organisationen ausgeübt
werden, die hauptsächlich soziale Aufgaben erfüllen, deren Zweck nicht in der
Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit besteht. Da diese Unterscheidung im Laufe
der Zeit nicht statisch festgeschrieben bleibt, hat die Kommission es in ihrem
Bericht für den Europäischen Rat in Laeken für unmöglich und nicht erstrebenswert
erklärt, ein endgültiges A-priori-Verzeichnis sämtlicher
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse aufzustellen, die als
„nichtwirtschaftlich“ anzusehen sind[22].
46.
Wenn der veränderliche und dynamische
Charakter dieser Unterscheidung bisher im praktischen Alltag der Kommission
keine Probleme bereitet hat, hat er doch Befürchtungen laut werden lassen, und
zwar insbesondere unter den Erbringern nichtwirtschaftlicher Leistungen, die
gern mehr Rechtssicherheit in ihrem Regelungsumfeld genießen würden.
47.
Darüber hinaus wirft die Zukunft der
nichtwirtschaftlichen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, ob sie nun zu
den Vorrechten des Staates gehören oder mit sensiblen Sektoren wie der Kultur,
der Bildung, den Gesundheits- oder den Sozialleistungen im Zusammenhang stehen,
Fragen von europäischer Tragweite auf, etwa nach dem Inhalt des europäischen
Gesellschaftsmodells. Die aktive Rolle von gemeinnützigen Einrichtungen,
freiwilligen Vereinigungen und humanitären Einrichtungen erklärt zum Teil die
Bedeutung, die die Bürger Europas diesen Fragen beimessen.
48.
Folgende Fragen werden zur Diskussion
gestellt:
(7)
Werden genauere Angaben zu den
Kriterien benötigt, nach denen die Einteilung in wirtschaftliche und
nichtwirtschaftliche Leistungen erfolgt? Sollte der Status von Einrichtungen
ohne Erwerbszweck und von Organisationen, die hauptsächlich soziale Aufgaben
erfüllen, näher erläutert werden? (8)
Welche Rolle sollte die Gemeinschaft
bei den nichtwirtschaftlichen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
spielen? |
3. Ein Gemeinschaftskonzept für Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse – erstrebenswert?
49.
Wahrscheinlich ist es weder
erstrebenswert noch möglich, eine einheitliche, umfassende europäische
Definition des Inhalts der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu
entwickeln. Das bestehende Gemeinschaftsrecht zu den Dienstleistungen von
allgemeinem wirtschaftlichen Interesse enthält jedoch eine Reihe gemeinsamer
Elemente, die bei der Erarbeitung eines anwendbaren Gemeinschaftskonzepts der
Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse herangezogen werden
können. Zu diesen Elementen zählen insbesondere: der Universaldienst, die
Kontinuität und Qualität der Dienste, die Erschwinglichkeit der Dienste sowie
der Nutzer- und Verbraucherschutz. Diese gemeinsamen Elemente sind
Wesensmerkmale der Werte und Ziele der Gemeinschaft. Sie sind in den
entsprechenden Rechtsvorschriften in Verpflichtungen umgesetzt worden und
zielen auf wirtschaftliche Effizienz, sozialen und territorialen Zusammenhalt
sowie Sicherheit für alle Bürger ab. Sie können zudem je nach den
Besonderheiten des betreffenden Sektors durch weitere spezielle Verpflichtungen
ergänzt werden. Obwohl sie vornehmlich für bestimmte netzgebundene
Wirtschaftszweige entwickelt wurden, könnten sie auch für soziale Leistungen
eine Rolle spielen.
3.1. Ein gemeinsames Paket von Verpflichtungen
50.
Das Konzept des Universaldienstes bezieht
sich auf ein Bündel von Anforderungen an die Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse, durch die sichergestellt wird, dass bestimmte Dienste in einer
bestimmten Qualität allen Verbrauchern und Nutzern im gesamten Hoheitsgebiet
eines Mitgliedstaates unabhängig von ihrem geografischen Standort und unter
Berücksichtigung der landesspezifischen Gegebenheiten zu einem erschwinglichen
Preis zur Verfügung gestellt werden.[23] Das Konzept wurde speziell für netzgebundene Wirtschaftszweige
entwickelt (z. B. Telekommunikation, Stromsektor und Postdienste). Es
räumt jedem Bürger den Anspruch auf Zugang zu bestimmten, als lebenswichtig
eingestuften Diensten ein und legt für die einzelnen Wirtschaftszweige
Verpflichtungen zur Erbringung bestimmter Dienste zu genau definierten
Bedingungen fest, die flächendeckende Versorgung eingeschlossen. In einem
liberalisierten Marktumfeld wird mit der Universaldienstverpflichtung
gesichert, dass der betreffende Dienst für jedermann zu einem erschwinglichen Preis
zugänglich ist und die bestehende Dienstequalität beibehalten bzw.
gegebenenfalls verbessert wird.
51.
Der Universaldienst beruht auf einem
dynamischen Konzept, durch das garantiert wird, dass die Anforderungen an die
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse den politischen, sozialen,
wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen Rechnung tragen. Darüber hinaus
ermöglicht das Konzept, die Anforderungen gegebenenfalls dem Bedarf der Bürger
anzupassen.
52.
Gleichzeitig handelt es sich um ein
flexibles Konzept, das mit dem Grundsatz der Subsidiarität vollständig
vereinbar ist. Soweit die Grundsätze des Universaldienstes auf
Gemeinschaftsebene definiert sind, kann ihre Umsetzung den Mitgliedstaaten
überlassen werden, was die Berücksichtigung unterschiedlicher Traditionen und
besonderer nationaler oder regionaler Gegebenheiten ermöglicht. Außerdem lässt
sich das Konzept des Universaldienstes auf unterschiedliche Marktstrukturen
anwenden und kann somit zur Regulierung der Dienste in den verschiedenen
Stadien der Liberalisierung und Marktöffnung eingesetzt werden.
53.
In den vergangenen 20 Jahren hat sich das
Konzept des Universaldienstes zu einer sehr wichtigen, unverzichtbaren Säule
der Gemeinschaftspolitik im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem
wirtschaftlichen Interesse entwickelt und die Auseinandersetzung mit den
Anforderungen an die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in den
verschiedensten Bereichen, beispielsweise im Zusammenhang mit Fragen der
wirtschaftlichen Effizienz, des technischen Fortschritts, des Umweltschutzes,
der Transparenz und Kontrolle, der Verbraucherrechte und spezieller Maßnahmen
im Zusammenhang mit Behinderten, älteren Menschen bzw. Bildungsaspekten,
ermöglicht. Darüber hinaus hat dieses Konzept dazu beigetragen, die
Ungleichheit bei den Lebensbedingungen und Chancen in den Mitgliedstaaten zu
verringern.
54.
Die Umsetzung des Universaldienstprinzips
stellt für die nationalen Regulierungsstellen eine komplizierte und
anspruchsvolle Aufgabe dar. Viele von ihnen bestehen erst seit kurzem und
verfügen demgemäß über einen begrenzten Erfahrungsschatz. Auf
Gemeinschaftsebene ist das Recht auf Zugang zu bestimmten Leistungen in
verschiedenen Richtlinien geregelt, doch können die Gemeinschaftsorgane allein
nicht dafür sorgen, dass diese Rechte in der Praxis voll gewährleistet sind. Es
besteht die Gefahr, dass diese im Gemeinschaftsrecht verbrieften Rechte selbst
dann bloße Theorie bleiben, wenn sie formell in einzelstaatliches Recht
umgesetzt wurden.
55.
Mehrere Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse sind mit einem Kontinuitätsanspruch verbunden. Das bedeutet, dass der
Leistungserbringer dafür zu sorgen hat, dass die betreffende Leistung ohne
Unterbrechung erbracht wird. Bei manchen Leistungen kann die kontinuierliche
Bereitstellung bereits im Geschäftsinteresse des Leistungserbringers liegen, so
dass es sich erübrigen mag, ihm die kontinuierliche Leistungserbringung
rechtlich vorzuschreiben. Auf nationaler Ebene muss das Erfordernis der
Kontinuität mit dem Streikrecht der Beschäftigten und dem Erfordernis der
Rechtsstaatlichkeit in Einklang gebracht werden.
56.
Das Erfordernis der Sicherstellung eines
kontinuierlichen Dienstes ist nicht konsequent in das sektorspezifische
Gemeinschaftsrecht eingeflossen. In einigen Fällen wurde der
Kontinuitätsanspruch in die sektorspezifischen Rechtsvorschriften explizit aufgenommen[24].
In anderen Fällen fehlt das Kontinuitätserfordernis, doch sind die Mitgliedstaaten
aufgefordert, den Leistungserbringern gegenüber diesen Anspruch geltend zu
machen[25].
57.
Der Festlegung, Überwachung und
Durchsetzung von Qualitätsanforderungen durch die Behörden kommt bei der
Regulierung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse inzwischen eine
Schlüsselrolle zu.
58.
In den Sektoren, in denen die
Liberalisierung bereits greift, verlässt sich die Gemeinschaft bei der
Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der Dienstequalität nicht auf die
Marktkräfte allein. Obwohl es im Allgemeinen Sache der Mitgliedstaaten ist, die
Qualität der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu regeln, wurden in
einigen Fällen im Gemeinschaftsrecht Qualitätsstandards festgelegt, die
u. a. Sicherheitsvorschriften, den ordnungsgemäßen und transparenten
Verbindungsnachweis, die flächendeckende Grundversorgung und den Schutz vor der
Trennung vom Netz betreffen. In anderen Fällen wiederum sind die
Mitgliedstaaten ermächtigt bzw. aufgefordert, Qualitätsstandards festzulegen.
Zum Teil sind die Mitgliedstaaten zudem verpflichtet, die Einhaltung der
Qualitätsstandards zu überwachen und durchzusetzen und dafür sorgen, dass die
Anbieter Informationen zu den Qualitätsstandards und der tatsächlichen Qualität
ihrer Leistungen veröffentlichen. Am weitesten entwickelt ist die
Qualitätsregulierung auf Gemeinschaftsebene in den Rechtsvorschriften für die
Postdienste und die elektronischen Kommunikationsdienste.
59.
Darüber hinaus hat die Kommission im
Interesse der Anhebung der Qualität der Dienstleistungen von allgemeinem
wirtschaftlichen Interesse Maßnahmen ohne Regulierungscharakter entwickelt –
hierzu zählen Finanzierungsinstrumente, freiwillige europäische Standards und
der Austausch empfehlenswerter Praktiken. Beispielsweise fördert die
Gemeinschaft im Strom- und Gassektor die freiwillige Zusammenarbeit zwischen
den Regulierungsstellen.
60.
Das Konzept der Erschwinglichkeit wurde
im Zusammenhang mit der Regulierung der Telekommunikationsdienste entwickelt
und fand in der Folgezeit auch in die Regulierung der Postdienste Eingang[26].
Diesem Konzept entsprechend muss eine Dienstleistung von allgemeinem
wirtschaftlichen Interesse zu einem erschwinglichen Preis angeboten werden,
damit sie für jedermann zugänglich ist. Die Anwendung des Grundsatzes der
Erschwinglichkeit trägt zum wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt
innerhalb der Mitgliedstaaten bei.
61.
Die bestehenden sektorspezifischen
Rechtsvorschriften enthalten keine exakten Kriterien für die Festsetzung
erschwinglicher Preise, vielmehr müssen die Kriterien von den Mitgliedstaaten
bestimmt werden. Sie können sich beispielsweise an der Erschließungsdichte oder
am Preis eines Grundversorgungskorbs in Abhängigkeit vom verfügbaren Einkommen
bestimmter Kundengruppen orientieren. Besonderes Augenmerk sollte den
Bedürfnissen und Möglichkeiten von einkommensschwachen Personen und Randgruppen
gelten. Ist ein erschwingliches Preisniveau festgelegt, müssen die
Mitgliedstaaten mit Hilfe eines Preisüberwachungsmechanismus (Preisobergrenzen,
Anwendung geografischer Mittelwerte) bzw. durch die Subventionierung in Frage
kommender Personen für die praktische Umsetzung sorgen.
3.1.5. Nutzer- und Verbraucherschutz
62.
Im Bereich der Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse gelten die horizontalen Verbraucherschutzvorschriften
ebenso wie in anderen Wirtschaftszweigen. Wegen des besonderen wirtschaftlichen
und sozialen Stellenwertes dieser Leistungen wurden in die sektorspezifischen
Rechtsvorschriften der Gemeinschaft spezielle Vorkehrungen aufgenommen, mit
denen den besonderen Interessen und Bedürfnissen von Verbrauchern und
Unternehmen Rechnung getragen wird, darunter auch ihrem Recht auf Zugang zu
hochwertigen internationalen Leistungen[27].
Festlegungen zu den Nutzer- und Verbraucherrechten sind in den
sektorspezifischen Rechtsvorschriften für die elektronischen
Kommunikationsdienste, die Postdienste, den Energiesektor (Strom, Gas), den
Verkehrssektor und den Hörfunk- und Fernsehbereich enthalten. In der
verbraucherpolitischen Strategie der Kommission für den Zeitraum 2002-2006[28]
werden die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse den Politikfeldern
zugeordnet, in denen zur Sicherstellung eines hohen allgemeinen
Verbraucherschutzniveaus Handlungsbedarf besteht.
63.
In der Mitteilung der Kommission über die
Leistungen der Daseinsvorsorge vom September 2000[29]
sind Grundsätze genannt, die zur Bestimmung der Ansprüche verwendet werden
können, welche die Verbraucher und Nutzer dieser Leistungen stellen. Die
Grundsätze umfassen u. a. Mindestanforderungen an die Qualität, das
Gesundheitsschutzniveau und die materielle Sicherheit der Leistungen,
Transparenz (etwa in Bezug auf Entgelte, Vertragsbedingungen, freie Wahl des
Anbieters, Finanzierung der Anbieter), freie Wahl der Leistung und
gegebenenfalls des Anbieters, ein wirksamer Wettbewerb zwischen Anbietern, das
Bestehen von Regulierungsinstanzen, das Vorhandensein von Rechtsmitteln, die
Vertretung und aktive Beteiligung der Verbraucher und Leistungsempfänger bei
der Definition und Evaluierung der Leistungen und der Zahlungsweise. Mit
besonderem Nachdruck wird in der Mitteilung auf den Umstand verwiesen, dass bei
den Leistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse die Gewährleistung
von universellem Zugang, Kontinuität, hoher Qualität und Erschwinglichkeit
Kernelemente der Verbraucherpolitik berührt. Darüber hinaus wird die Notwendigkeit
unterstrichen, auf weiter reichende Themen einzugehen, die Gegenstand des
Interesses der Bürger sind – etwa ein hohes Umweltschutzniveau, die besonderen
Bedürfnisse bestimmter Bevölkerungsgruppen wie etwa der Behinderten bzw.
einkommensschwacher Personen sowie die Versorgung auch abgelegener bzw.
unzugänglicher Regionen mit lebenswichtigen Dienstleistungen.
64.
Folgende Fragen werden zur Diskussion
gestellt:
(9)
Gibt es weitere Anforderungen, die in
ein gemeinsames Konzept der Leistungen der Daseinsvorsorge einfließen
sollten? Wie wirksam sind die bestehenden Anforderungen in Bezug auf das
Erreichen der sozialen und territorialen Kohäsionsziele? (10) Sollten einige bzw. all diese Anforderungen auf Leistungen ausgedehnt
werden, für die sie derzeit nicht gelten? (11) Welche Aspekte der Regulierung dieser Anforderungen sollten auf
Gemeinschaftsebene aufgegriffen werden und welche den Mitgliedstaaten
überlassen bleiben? (12) Sind diese Anforderungen in den Bereichen, für die sie gelten,
wirksam umgesetzt worden? (13) Sollten einige bzw. all diese Anforderungen auch auf die
nichtwirtschaftlichen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse angewendet
werden? |
3.2. Weitere spezifische Verpflichtungen
65.
Der Katalog der gemeinsamen
Gemeinwohlverpflichtungen könnte durch sektorspezifische Verpflichtungen
ergänzt werden, die im allgemeinen Interesse liegen. Zu diesen Verpflichtungen
zählen allgemeine und technische Sicherheit, Versorgungssicherheit, Netzzugang
und Zusammenschaltbarkeit sowie Medienpluralismus.
66.
Allgemeine und technische
Sicherheit
In einer sich rasch und tiefgreifend wandelnden
Welt müssen die Bürger in der Europäischen Union sich sicher fühlen und auch
tatsächlich sicher sein. Dies ist vor dem Hintergrund bestimmter Ereignisse
immer wichtiger geworden. Seit dem 11. September ist Sicherheit sogar für
ganz Europa eine zentrale Frage. Anlass zur Besorgnis gaben in letzter Zeit
auch weitere Vorkommnisse[30].
Zu den Grundpfeilern des europäischen Gesellschaftsmodells zählt somit die
allgemeine und technische Sicherheit.
Gemeint ist damit ein gemeinsamer Zielekatalog,
der in fast allen Mitgliedstaaten besteht. Insbesondere soll Schaden von der
Gesellschaft abgewendet bzw. Anschläge auf sie verhindert werden. Die Ziele
selbst können unterschiedliche Formen annehmen. In Europa wurde in der Regel
versucht, sie mit Hilfe von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu
erreichen. Diese wurden üblicherweise unter staatlicher Aufsicht erbracht,
bisweilen ohne kommerzielle Absichten.
In jüngster Zeit tritt die Kommission dafür ein,
das Sicherheitsniveau anzuheben und auf bestimmten Gebieten, etwa im Verkehrs-
und im Energiebereich, eine europäischere Vorgehensweise durchzusetzen. Erwähnt
seien die Kommissionsmitteilung über die Folgen der Attentate in den
Vereinigten Staaten für die Luftverkehrsbranche[31],
die Vorschläge der Kommission nach den verschiedenen schweren Schiffsunglücken
an den europäischen Küsten[32]
und das vor kurzem vorgelegte Paket betreffend die Entwicklung eines
gemeinschaftlichen Konzepts für die nukleare Sicherheit[33].
In diesen Texten werden mehrere Ziele herausgestellt, die von ganz Europa
verfolgt werden müssen. Es hat wichtige Impulse gegeben, so dass sich das
Sicherheitsniveau erhöhen dürfte. Die Gründe für diesen neuen Ansatz sind
vielfältig. Beispielsweise sind die Probleme meist länderübergreifend;
internationale Übereinkünfte und Vorschriften haben in der Regel keine bindende
Wirkung; die Mitgliedstaaten sehen sich manchmal Beschränkungen gegenüber, die
ihnen das Gemeinschaftsrecht auferlegt.
67.
Versorgungssicherheit
Ein hohes Niveau der Dienstequalität setzt voraus,
dass die nachhaltige Leistungserbringung langfristig gewährleistet ist. Das
Entstehen des Binnenmarktes hat allgemein ein wesentlich höheres Niveau der Versorgungssicherheit bei Waren
und Dienstleistungen nach sich gezogen, und zwar bis zu einem solchen Grad,
dass die betreffenden Märkte unter Wettbewerbsbedingungen funktionieren.
Dennoch könnte bei manchen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im
Interesse einer größeren Versorgungssicherheit ein Eingreifen des Staates
erforderlich sein, etwa wenn die Gefahr besteht, dass über
einen längeren Zeitraum zu wenig Mittel in Infrastruktureinrichtungen
investiert werden, oder gesichert werden muss, dass ausreichend Kapazität zur
Verfügung steht.
68.
Ausgelöst durch ein von der Kommission
2001 veröffentlichtes Grünbuch[34],
war die Frage der Versorgungssicherheit im Energiesektor Gegenstand einer
breiten öffentlichen Diskussion auf Gemeinschaftsebene. Mit dem Grünbuch sollte
eine Debatte über die Festlegung einer langfristigen Strategie der
Energieversorgungssicherheit angestoßen werden, mit der unter Berücksichtigung
der Interessen des Umweltschutzes und einer nachhaltigen Entwicklung die
ständige physische Verfügbarkeit von Energieerzeugnissen auf dem Markt zu einem
für die Verbraucher und Nutzer erschwinglichen Preis sichergestellt werden soll. Im Juni 2002
legte die Kommission den Abschlussbericht zu den Ergebnissen der öffentlichen
Debatte in Form einer Mitteilung vor[35].
Auf der Grundlage dieser Konsultationen gelangte die Kommission in ihrem
Bericht zu dem Fazit, dass eine stärkere Koordinierung der Maßnahmen zur
Sicherstellung der Versorgungssicherheit im Energiesektor geboten ist. Im
September 2002 unterbreitete sie zwei Vorschläge für Richtlinien, die zu einer
besseren Sicherung der Versorgung mit Erdölerzeugnissen und Erdgas in der
Europäischen Union beitragen werden[36].
69.
Außerhalb des Energiesektors gibt es Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse, die ebenfalls Anlass zu Sorgen in Bezug auf die
Versorgungssicherheit geben können. Im abgeleiteten Gemeinschaftsrecht wird
diese Frage jedoch zumeist außer Acht gelassen. Daher wären vielleicht
Überlegungen darüber nützlich, ob es noch weitere Sektoren gibt, in denen die
Frage der Versorgungssicherheit besonderer Beachtung bedarf. Zu bedenken ist
jedoch, dass gezielte zusätzliche Maßnahmen zur Erhöhung der Versorgungssicherheit
meist auch zusätzliche Kosten nach sich ziehen und den Wettbewerb
beeinträchtigen könnten. Bei jeder Maßnahme, die zur Verbesserung der
Versorgungssicherheit vorgeschlagen wird, muss daher sichergestellt sein, dass
die Kosten den voraussichtlichen Nutzen nicht übersteigen[37].
70.
Netzzugang und Zusammenschaltbarkeit
Wo es einen effektiven Wettbewerb gibt, können
Marktmechanismen die Erbringung erschwinglicher Dienstleistungen in
angemessener Qualität sicherstellen, so dass sich die Notwendigkeit eines
regulierenden Eingreifens weitgehend erübrigt. Wo die Leistungen von
allgemeinem wirtschaftlichen Interesse durch Netze mit universellem
Erfassungsbereich erbracht werden, genießt das etablierte Unternehmen einen
beträchtlichen Wettbewerbsvorteil, was vor allem an den erheblichen
Aufwendungen für die Etablierung und Betreibung alternativer Netze liegt.
Können Wettbewerber lediglich als Leistungserbringer in Erscheinung treten, ist
der Zugang zum vorhandenen Netz für den Markteintritt unverzichtbar. Doch
selbst in Sektoren, in denen Wettbewerber zum Aufbau einer eigenen
Netzinfrastruktur berechtigt sind, kann der Netzzugang für sie notwendig sein,
um mit dem etablierten Betreiber oder auf nachgelagerten Märkten konkurrieren
zu können. Hätten Dritte nicht zu fairen und diskriminierungsfreien Bedingungen
Zugang zu den bestehenden Netzen, so würden de facto Monopole fortbestehen
oder bestünde zumindest für den Betreiber des bestehenden Netzes ein Anreiz,
die Zugangsbedingungen diskriminierend zu regeln und damit den nachgelagerten
Wettbewerb zu verzerren. Um den Zielen der Wettbewerbspolitik und des
Binnenmarktes gerecht zu werden, wonach den Kunden größere
Auswahlmöglichkeiten, eine bessere Qualität und niedrigere Preise geboten
werden sollen, harmonisiert und regelt das sektorspezifische Gemeinschaftsrecht
für die Sektoren, die auf Gemeinschaftsebene liberalisiert wurden, daher den
Zugang zur Netzinfrastruktur.
71.
Die Gemeinschaft hat für die
verschiedenen netzgebundenen Wirtschaftszweige und Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unterschiedliche Regulierungsstrategien verabschiedet. Das liegt
daran, dass diese Wirtschaftszweige unterschiedlich sind und sich in jeweils
anderen Stadien des Liberalisierungsprozesses befinden. Beträchtliche
Abweichungen bestehen zwischen ihnen hinsichtlich Rentabilität,
Produktionsstruktur, Kapitalintensität, Methoden der Leistungserbringung und
Nachfragestruktur. In einigen Sektoren kann das etablierte Unternehmen seine
vertikale Integration beibehalten, muss jedoch den Netzzugang gewährleisten, um
Wettbewerbern den Markteintritt zu ermöglichen. Im Telekommunikationssektor
sind die öffentlichen Betreiber verpflichtet, über die Zusammenschaltung ihrer
Netze zu verhandeln. Darüber hinaus sind die Wettbewerber berechtigt, die
Infrastruktur des etablierten Betreibers zu nutzen. Gleiches gilt derzeit auch
für den Strom- und Gassektor. Im Postsektor verfügen Neubewerber über eigene
Paketverteilungsnetze und streben keinen Zugang zur Infrastruktur des
etablierten Unternehmens an. Überall dort, wo die Pflicht zur Gewährung des
Zugangs besteht, hat sich der Preis, der für den Zugang erhoben wird, als der
entscheidende regulierungspolitische Faktor erwiesen.
72.
Wie die Erfahrung zeigt, gibt es
wahrscheinlich keinen idealen Ansatz für die Regulierung des Netzzugangs. Die
Lösungen müssen den Besonderheiten des jeweiligen Wirtschaftszweigs Rechnung
tragen. Daher hat die Gemeinschaft bei der Regulierung des Zugangs zu den
netzgebundenen Wirtschaftszweigen bisher einen sektorspezifischen Ansatz
praktiziert. Dennoch könnte darüber nachgedacht werden, ob sich aus einem
sektorübergreifenden Vergleich der Regulierungskonzepte und ‑verfahren nicht
nützliche Lehren ziehen ließen.
73.
Medienpluralismus
Der Pluralismus der Medien wird allgemein durch
die Begrenzung der Höchstbeteiligung an Medienunternehmen gesichert, zudem
werden eine kumulative Kontrolle bzw. die gleichzeitige Beteiligung an mehreren
Medienunternehmen unterbunden. Dabei geht es um den Schutz der freien
Meinungsäußerung und die Widerspiegelung des für eine demokratische
Gesellschaft charakteristischen Spektrums an Auffassungen und Meinungen in den
Medien.
74.
Zunächst ist anzumerken, dass der Schutz
des Pluralismus in den Medien in erster Linie in den Zuständigkeitsbereich der
Mitgliedstaaten fällt. Derzeit enthält das abgeleitete Gemeinschaftsrecht keine
Bestimmungen zum unmittelbaren Schutz des Medienpluralismus. Das
Gemeinschaftsrecht lässt jedoch die Anwendung nationaler Schutzmaßnahmen im
Zusammenhang mit dem Medienpluralismus zu. Zweck der bestehenden
gemeinschaftlichen Rechtsakte ist die Gewährleistung eines gewissen
wirtschaftlichen Gleichgewichts zwischen den Marktakteuren: Daher betreffen
diese Vorschriften den Mediensektor in seiner Eigenschaft als wirtschaftliches
Betätigungsfeld und nicht ‑ oder zumindest nur sehr indirekt ‑ als
Informationsinstrument für den Bürger. Bereits im Dezember 1992 veröffentlichte
die Kommission ein Grünbuch[38]
mit dem Ziel, eine öffentliche Debatte über die Notwendigkeit von Maßnahmen der
Gemeinschaft in diesem Bereich anzustoßen. Die Ergebnisse der Debatte ließen
seinerzeit keine eindeutigen praktischen Schlussfolgerungen zu, und so leitete
die Kommission keine formelle Initiative in die Wege. Jetzt, da zehn Jahre
vergangen sind, stellt der Schutz des Medienpluralismus in Anbetracht der
fortschreitenden Konzentration des Mediensektors und der zunehmenden
Verbreitung der elektronischen Medien weiterhin ein wichtiges Thema dar[39].
Interessant wären Meinungsäußerungen zu der Frage, ob die Kommission die
Notwendigkeit von Maßnahmen der Gemeinschaft in diesem Bereich noch einmal
genauer überprüfen sollte.
75.
Folgende Fragen werden zur Diskussion
gestellt:
(14) Welche Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse könnten Befürchtungen in Bezug
auf die Versorgungssicherheit wecken? Sollte die Gemeinschaft zusätzliche
Maßnahmen ergreifen? (15) Sollten auf Gemeinschaftsebene zusätzliche Maßnahmen ergriffen
werden, um den Netzzugang und die Zusammenschaltbarkeit zu verbessern? In
welchen Bereichen wäre dies zu empfehlen? Welche Maßnahmen sollten
insbesondere bei grenzübergreifenden Dienstleistungen ins Auge gefasst
werden? (16) Welche sonstigen sektorspezifischen Gemeinwohlverpflichtungen sollten
in Betracht gezogen werden? (17) Sollte die Möglichkeit konkreter Maßnahmen zum Schutz des Pluralismus
auf Gemeinschaftsebene noch einmal überdacht werden? Welche Maßnahmen kämen
in Frage? |
4. Verantwortungsvolles Regieren: Organisation,
Finanzierung und Evaluierung
76.
Im Zusammenhang mit dem Eingreifen der
mitgliedstaatlichen Behörden in die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse lassen sich drei Aspekte herausstellen:
·
Festlegung und Durchsetzung von
Gemeinwohlverpflichtungen und organisatorische Abwicklung
·
Finanzierung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
·
Evaluierung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse.
4.1. Festlegung von
Gemeinwohlverpflichtungen und organisatorische Abwicklung
77.
Wie bereits erwähnt, steht es den
nationalen, regionalen und örtlichen Behörden eines jeden Mitgliedstaates
grundsätzlich frei, was sie als Dienstleistung von allgemeinem Interesse
ansehen. Diese Entscheidungsfreiheit schließt die Freiheit ein, den Erbringern
solcher Leistungen Pflichten aufzuerlegen, vorausgesetzt, dass diese Pflichten
mit den Gemeinschaftsvorschriften vereinbar sind. Da kein spezielles
Gemeinschaftsrecht existiert, bleibt es grundsätzlich den Mitgliedstaaten
überlassen, Anforderungen wie die Universaldienstverpflichtungen, Versorgungsgebiet,
Qualitäts- und Sicherheitsstandards, Nutzer- und Verbraucherrechte sowie die
einzuhaltenden Umweltvorschriften festzulegen.
78.
Lediglich für die großen netzgebundenen
Wirtschaftszweige hat die Gemeinschaft ihre Vorschriften über die
Gemeinwohlverpflichtungen harmonisiert und in besonderen Rechtsakten der
Gemeinschaft gemeinsame Anforderungen festgeschrieben. Dies trifft
beispielsweise für die elektronischen Kommunikationsdienste und für den
Postsektor zu. Bestehen harmonisierte Verpflichtungen, sind die Mitgliedstaaten
ebenfalls für deren Spezifizierung und Umsetzung in Übereinstimmung mit den
Besonderheiten des jeweiligen Sektors verantwortlich. Sofern in den
Harmonisierungsmaßnahmen keine anders lautenden Festlegungen getroffen sind,
hält die sektorspezifische Harmonisierung der Gemeinwohlverpflichtungen die
Mitgliedstaaten im Allgemeinen nicht davon ab, weiter reichende bzw.
zusätzliche Verpflichtungen aufzuerlegen, die mit dem Gemeinschaftsrecht in
Einklang stehen[40]. In den
elektronischen Kommunikationsdiensten lassen sich derartige zusätzliche
Verpflichtungen nicht sektorintern finanzieren.
79.
Auch in Bezug auf die Organisation der
Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
steht den Mitgliedstaaten die Entscheidung frei, wie die Erbringung zu erfolgen
hat, vorausgesetzt, die Gemeinschaftsvorschriften werden eingehalten. Auf jeden
Fall entscheiden die einschlägigen Binnenmarkt- und Wettbewerbsregeln der
Gemeinschaft über den Grad der Marktöffnung und des Wettbewerbs bei den
betreffenden Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse. Was
die Beteiligung des Staates an der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse angeht, so obliegt den staatlichen Stellen die Entscheidung darüber,
ob sie diese Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse über ihre eigene Verwaltung
direkt erbringen oder ob sie einen Dritten mit der Leistungserbringung
beauftragen (öffentliche oder private Stelle)[41].
80.
Bei den Erbringern der Dienstleistungen
von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, einschließlich der
Inhouse-Leistungserbringer, handelt es sich um Unternehmen, so dass sie den
Wettbewerbsbestimmungen des Vertrags unterliegen. Entscheidungen über die
Vergabe von besonderen oder ausschließlichen Rechten an
Inhouse-Leistungserbringer bzw. über deren anderweitiger Bevorzugung können
ungeachtet des von Artikel 86 des Vertrags eingeräumten partiellen
Schutzes auf eine Vertragsverletzung hinauslaufen. Die Rechtsprechung macht
deutlich, dass dies insbesondere dann zutrifft, wenn die vom Leistungserbringer
zu erfüllenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen nicht ordnungsgemäß
festgelegt werden,[42]
der Leistungserbringer nachweislich nicht in der Lage ist, den Bedarf zu decken[43],
oder es eine alternative Methode zur Erfüllung der Verpflichtungen gibt, die
weniger wettbewerbsverzerrende Auswirkungen hätte[44].
81.
Beschließt eine Behörde eines
Mitgliedstaates, einen Dritten mit der Erbringung einer Dienstleistung von
allgemeinem Interesse zu betrauen, so sind bei dessen Auswahl bestimmte Regeln
und Grundsätze zu beachten, damit unabhängig von der Organisationsform (öffentlich-rechtlich
oder privat) für sämtliche Anbieter, die zur Erbringung der betreffenden
Leistung in der Lage sind, die gleichen Bedingungen gelten. So wird
sichergestellt, dass die Leistungen zu den wirtschaftlich günstigsten
Konditionen, die auf dem Markt zu haben sind, bereitgestellt werden. Im Rahmen
dieser Regeln und Grundsätze steht es den Behörden frei, die Besonderheiten der
geforderten Dienstleistung festzulegen. Damit die betreffende Behörde ihre
Ziele im Interesse des Gemeinwohls erreichen kann, zählen hierzu auch sämtliche
Anforderungen in Bezug auf die Dienstequalität. In diesem Zusammenhang lassen
sich zwei Situationen unterscheiden:
·
Handelt es sich bei dem Akt, mit dem die
staatlichen Behörden einem Dritten die Erbringung einer Dienstleistung von
allgemeinem wirtschaftlichen Interesse übertragen, um einen öffentlichen
Dienstleistungsauftrag oder Bauauftrag im Sinne der Richtlinien für das
öffentliche Auftragswesen bzw. um eine Konzession für öffentliche Bauarbeiten
im Sinne der Richtlinie 93/37/EWG[45],
so müssen diese, wenn sie die in der einschlägigen Richtlinie für das
öffentliche Auftragswesen festgelegten Obergrenzen erreichen bzw. übersteigen,
die Verfahrensvorschriften dieser Richtlinien erfüllen und sind nicht von
dieser Richtlinie ausgenommen.
·
Fällt der Akt, mit dem ein öffentlicher
Auftraggeber einen Dritten mit der Erbringung einer Dienstleistung von
allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut, nicht unter die Richtlinien für
das öffentliche Auftragswesen, so muss er dennoch den Grundsätzen entsprechen,
die sich aus dem EG-Vertrag unmittelbar ergeben, insbesondere den Bestimmungen
zur freien Dienstleistungserbringung und zur Niederlassungsfreiheit. Dies gilt beispielsweise
für öffentliche Dienstleistungsaufträge und Konzessionen für öffentliche
Bauarbeiten, die sich unterhalb der Obergrenzen bewegen, und für Konzessionen
für öffentliche Dienstleistungen (d. h. Verträge mit der Vereinbarung,
dass dem Leistungserbringer zumindest teilweise das Recht eingeräumt wird, aus
der erbrachten Leistung wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen) oder für einseitige
Akte, in denen das Recht zur Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem
wirtschaftlichen Interesse eingeräumt wird. Zu diesen Regeln und Grundsätzen
gehören Gleichbehandlung, Transparenz, Verhältnismäßigkeit, gegenseitige
Anerkennung und der Schutz der Rechte des Einzelnen[46].
82.
Auf dem Gebiet der
Umweltdienstleistungen, insbesondere in der Abfallwirtschaft, können die
staatlichen Stellen ausschließliche Rechte an Organisationen vergeben, die von
Erzeugern zum Recyceln bestimmter Abfälle ins Leben gerufen wurden. Diese
Organisationen unterliegen den Wettbewerbsvorschriften. Ihre Bildung erfolgt
vielfach im Rahmen innovativer Ansätze zur Vermeidung und Wiederverwertung von
Abfällen, beispielsweise durch Praktizierung der „Erzeugerverantwortung“. Das
setzt voraus, dass die finanzielle Verantwortung für die Abfallentsorgung von
den Produkterzeugern am Entstehungsort der betreffenden Abfälle zu tragen ist.
83.
Somit verfügen die Behörden eines jeden
Mitgliedstaats bei der Regelung und Durchsetzung der Gemeinwohlverpflichtungen
und der organisatorischen Abwicklung der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse über beachtliche Freiheiten. Einerseits erlaubt dies den
Mitgliedstaaten die Erarbeitung politischer Strategien, die den besonderen
nationalen, regionalen bzw. lokalen Gegebenheiten Rechnung tragen.
Beispielsweise müssen abgelegene, dünn besiedelte Gebiete möglicherweise anders
behandelt werden als zentral gelegene und dicht besiedelte. Andererseits kann
das Fehlen spezieller Rechtsvorschriften zu Rechtsunsicherheit und
Marktverzerrungen führen[47].
Auf europäischer Ebene hat der Versuch, die Strategien der einzelnen
Mitgliedstaaten einheitlicher zu gestalten, zur Entwicklung verschiedener
Formen von Zusammenarbeit zwischen den nationalen Regulierungsinstanzen geführt,
doch gibt es für keine einzige Dienstleistung eine europäische
Regulierungsbehörde[48].
Ein weiterer Austausch von guten Praktiken und Erfahrungen, der nicht nur
Regulierer, sondern auch andere interessierte Parteien einbezieht, könnte
ebenfalls nützlich sein. Nach Auffassung der Kommission bedürfen diese Fragen
einer Diskussion im breiten Rahmen.
84.
Folgende Fragen werden zur Diskussion
gestellt:
(18) Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen die Art und Weise, in der auf
nationaler, regionaler oder lokaler Ebene die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse organisiert oder Gemeinwohlverpflichtungen festgelegt werden, durch
Gemeinschaftsvorschriften beeinträchtigt wurde oder umgekehrt ein
unverhältnismäßiges Hindernis auf dem Weg zur Vollendung des Binnenmarktes
darstellte? (19) Sollte bezüglich der leistungsspezifischen Gemeinwohlverpflichtungen
auf Gemeinschaftsebene eine stärkere Harmonisierung vorgenommen werden? Für
welche Dienstleistungen trifft dies zu? (20) Sollte es einen erweiterten Austausch von guten Praktiken und
Benchmarking zu Fragen der Organisation von Dienstleistungen von
wirtschaftlichem Interesse in der Union geben? Wer sollte beteiligt und
welche Sektoren sollten einbezogen werden? |
4.2. Finanzierung
der Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse
85.
Viele Dienstleistungen von allgemeinem Interesse lassen sich mit Marktmechanismen allein nicht rentabel erbringen, und
es bedarf besonderer Regelungen, um das finanzielle Gleichgewicht des Anbieters
sicherzustellen. Beispielsweise kann der Markt aus eigener Kraft keinen
universellen Zugang und auch keine flächendeckende Grundversorgung sichern.
Derzeit ist es die Aufgabe der Mitgliedstaaten, für die Finanzierung von Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse zu sorgen und die zusätzlichen Kosten für die
Erbringung der Leistungen zu berechnen. Bisweilen kann sich die Gemeinschaft
über die Kofinanzierung spezieller Projekte, d. h. über die Strukturfonds
oder die TEN-Programme, an der Finanzierung beteiligen.
86.
In Abhängigkeit von ihren geschichtlichen
Traditionen und den besonderen Merkmalen der betreffenden Leistungen bedienen
sich die Mitgliedstaaten unterschiedlicher Mechanismen, um das finanzielle
Gleichgewicht der Erbringer von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
abzusichern. Von den Mitgliedstaaten werden unter anderem die folgenden
Finanzierungsmechanismen eingesetzt:
·
finanzielle Direkthilfen aus dem
Staatshaushalt (z. B. Subventionen oder andere finanzielle Vergünstigungen
wie etwa Steuersenkungen);
·
besondere oder ausschließliche Rechte
(z. B. ein gesetzliches Monopol);
·
Beiträge von Marktteilnehmern (z. B.
Universaldienstfonds);
·
Erhebung gleich hoher Gebühren
(z. B. Erhebung einer landesweit einheitlichen Gebühr ungeachtet
beträchtlicher Kostenunterschiede bei der Erbringung der betreffenden
Leistung);
·
Finanzierung nach dem Solidarprinzip
(z. B. Sozialversicherungsbeiträge).
87.
Obwohl nach wie vor unterschiedliche
Finanzierungsformen nebeneinanderher bestehen, zeichnet sich in den letzten
Jahrzehnten eine klare Tendenz ab: Die Mitgliedstaaten ziehen die
ausschließlichen Rechte für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse mehr und mehr zurück und öffnen die Märkte für neue Teilnehmer.
Dadurch wurde es erforderlich, zu anderen finanziellen Unterstützungsformen zu
greifen, etwa zur Einrichtung spezieller Fonds, die von Marktteilnehmern
finanziert werden, oder zur staatlichen Direktfinanzierung über den Haushalt,
der am wenigsten Verzerrungen bewirkenden Finanzierungsmethode[49].
Diese Finanzierungsformen sorgen hinsichtlich der Kosten der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse und der zugrundeliegenden politischen
Entscheidungen für mehr Transparenz. Außerdem haben sie die politische
Diskussion über diese Leistungen angefacht.
88.
Generell können die Mitgliedstaaten
selbst entscheiden, welches System sie zur Finanzierung der Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse einsetzen möchten. Sie müssen lediglich
sicherstellen, dass der gewählte Mechanismus das Funktionieren des
Binnenmarktes nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt. Insbesondere können die
Mitgliedstaaten Ausgleichszahlungen gewähren, die für das Funktionieren einer
Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse unerlässlich sind.
Durch die Beihilferegelungen wird lediglich die Überentschädigung untersagt. Um
bei der Anwendung der staatlichen Beihilferegeln auf die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse für mehr Rechtssicherheit und Transparenz zu sorgen, hat die
Kommission in ihrem Bericht für den Europäischen Rat in Laeken ihre Absicht
angekündigt, einen gemeinschaftlichen Rahmen für staatliche Beihilfen für die
Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse zu
schaffen und anschließend, sofern die bei der Anwendung dieses Rahmens
gesammelten Erfahrungen dies rechtfertigen, eine Gruppenfreistellungsregelung
für derartige Dienstleistungen zu verabschieden. An Leitlinien zur Anwendung
der staatlichen Beihilfevorschriften auf Dienstleistungen von allgemeinem
wirtschaftlichen Interesse wird zur Zeit gearbeitet[50].
89.
Mitunter sind in sektorspezifischen
Rechtsvorschriften besondere Regeln für die Finanzierung der zusätzlichen
Kosten von Gemeinwohlverpflichtungen festgelegt. Bei den elektronischen
Kommunikationsdiensten sind die Mitgliedstaaten den sektorspezifischen
Vorschriften zufolge verpflichtet, sämtliche besonderen oder ausschließlichen
Rechte zurückzunehmen. Gleichzeitig wird jedoch die Möglichkeit zur Einrichtung
eines Fonds eingeräumt, in den die Marktteilnehmer Beiträge einzahlen und aus
dem die zusätzlichen Kosten der Universaldiensterbringung bestritten werden.[51]
Für den Postdienst gestattet die Postrichtlinie den Fortbestand eines
genau definierten Postmonopols und die Einrichtung eines Universaldienstfonds
zur Finanzierung des Postdienstes[52].Im
Flugverkehr können die Mitgliedstaaten im offenen
Ausschreibungsverfahren Exklusivlizenzen vergeben, um den regelmäßigen
Linienflugverkehr auf bestimmten Strecken zu gewährleisten, auf denen der Markt
keine angemessenen Leistungen anbietet[53].
Für den öffentlichen Verkehr hat die Gemeinschaft Vorschriften für die
Errechnung der Ausgleichszahlungen niedergelegt[54].
90.
Mit den Vorschriften für den Binnenmarkt,
den Wettbewerb und die staatlichen Beihilfen soll sichergestellt werden, dass
der Wettbewerb und das Funktionieren des Binnenmarktes nicht durch
Ausgleichszahlungen an die Erbringer von Dienstleistungen von allgemeinem
wirtschaftlichen Interesse verzerrt werden. Auch die vorhandenen
sektorspezifischen Rechtsvorschriften sollen lediglich dafür sorgen, dass die
von den Mitgliedstaaten eingesetzten Finanzierungsmechanismen den Wettbewerb
möglichst wenig verfälschen und den Marktzugang erleichtern. Daher lässt das
Gemeinschaftsrecht insbesondere den selektiven Markteintritt zu.
91.
Weitere einschlägige Kriterien für die
Wahl eines Finanzierungsmechanismus wie etwa dessen Effizienz oder seine
Umverteilungseffekte bleiben derzeit im Gemeinschaftsrecht unberücksichtigt.
Ebenso wenig werden die Auswirkungen des gewählten Mechanismus auf die
langfristigen Investitionen der Anbieter von Dienstleistungen und
Infrastruktureinrichtungen sowie auf die Versorgungssicherheit speziell in
Betracht gezogen.
92.
Im gegenwärtigen Stadium hält die
Kommission die Ankurbelung einer Debatte über die Frage für angezeigt, ob diese
Kriterien den Schluss zulassen könnten, dass bestimmten
Finanzierungsmechanismen der Vorzug gegeben werden sollte, und ob die
Gemeinschaft Maßnahmen zugunsten bestimmter Finanzierungsmechanismen ergreifen
sollte.
93.
Folgende Fragen werden zur Diskussion
gestellt:
(21) Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen durch Gemeinschaftsrecht und
insbesondere durch die Anwendung der staatlichen Beihilferegelungen die
Finanzierung von Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse beeinträchtigt wurde bzw. zur
Wahl ineffizienter Alternativen geführt hat? (22) Gibt es unter dem Gesichtspunkt von Transparenz, Kontrolle,
Effizienz, Umverteilungseffekten und Wettbewerb ein bestimmtes Finanzierungsverfahren,
dem der Vorzug zu geben wäre? Wenn ja, sollte die Gemeinschaft entsprechende
Maßnahmen ergreifen? (23) Gibt es Sektoren und/oder Umstände, unter denen ein selektiver
Markteintritt („Cream-Skimming“) womöglich ineffizient ist und nicht im
öffentlichen Interesse liegt? (24) Sollte hinsichtlich der Folgen und Kriterien der Finanzierung nach
dem Solidarprinzip eine Klarstellung auf Gemeinschaftsebene erfolgen? |
4.3. Evaluierung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
94.
Das sich wandelnde technologische und
Regelungsumfeld und die zunehmenden Auswirkungen der Gemeinschaftspolitiken auf
Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse machen deutlich, dass ihre
gründliche Bewertung auf gemeinschaftlicher wie auf nationaler Ebene
unumgänglich ist. Wichtig ist eine solche Bewertung, weil die betreffenden
Leistungen für die Wirtschaft, aber auch für die Lebensqualität des Einzelnen
von Bedeutung sind. Sie ist notwendig, um einschätzen zu können, ob die
öffentlichen Aufgaben, die Anbietern derartiger Leistungen von öffentlichen
Auftraggebern übertragen wurden, wirksam erfüllt werden. Eine umfassende
Bewertung erhöht die Transparenz und liefert die Grundlage für begründete
politische Entscheidungen und eine demokratische Diskussion in Kenntnis der
Sachlage. Sie macht es möglich, neben der wirtschaftlichen Effizienz einer
Leistung gleichzeitig das wirksame Erreichen anderer von staatlichen Stellen
anvisierter Gemeinwohlziele zu beurteilen. Auf Gemeinschaftsebene ist die
Evaluierung der Dienstleistungen
von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse von
entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, die Verwirklichung der sozialen
und territorialen Kohäsionsziele und der Umweltschutzziele zu gewährleisten.
Darüber hinaus kann die Evaluierung der Leistungen zum grenzüberschreitenden
Austausch empfehlenswerter Praktiken und zum Austausch zwischen den
verschiedenen Wirtschaftssektoren beitragen. Sie ist ein Kernelement guten
europäischen Regierens[55].
95.
In den vergangenen Jahren hat die
Kommission ihre Evaluierungstätigkeit in Sachen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse verstärkt und ein Konzept entwickelt, das auf drei Bewertungsschienen
beruht:[56]
·
Sie nimmt regelmäßige Evaluierungen der
netzgebundenen Wirtschaftszweige vor, die auf Gemeinschaftsebene liberalisiert
worden sind (sektorale Evaluierung).
·
Darüber hinaus führt die Kommission seit
2001 eine jährliche sektorübergreifende Evaluierung der netzgebundenen
Wirtschaftszweige durch (horizontale Evaluierung).
·
Drittens veranstaltet die Kommission
regelmäßige Erhebungen zur Verbraucherzufriedenheit im Bereich der
Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (z. B.
Eurobarometer-Umfragen und Qualitätserhebungen).
96.
Bei der Bewertung von Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse handelt es sich um eine komplizierte Aufgabe, da
eine umfassende Evaluierung nur erfolgen kann, wenn sie multidisziplinär und mehrdimensional
angelegt ist und politische, wirtschaftliche, soziale und ökologische Aspekte
(einschließlich der externen Kosten) einbezieht. Darüber hinaus sollte sie den
Interessen und Auffassungen sämtlicher Beteiligten Rechnung tragen. Es ist
wichtig zu wissen, was Nutzer und Verbraucher (auch Risiko- und Randgruppen),
Sozialpartner und andere Beteiligte unter einem guten Abschneiden bei diesen
Leistungen verstehen und welche Erwartungen sie für die Zukunft hegen. Daher
soll mit diesem Grünbuch der Anstoß zu einer Diskussion über die Kriterien
gegeben werden, die nach Auffassung der Beteiligten der Evaluierung zugrunde
gelegt werden sollten. Im Rahmen ihrer horizontalen Evaluierung hat die
Kommission eine Methodik für die Bewertung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse vorgelegt[57]
und auf die Notwendigkeit verwiesen, ihre regelmäßigen horizontalen
Evaluierungen in den nächsten Jahren Schritt für Schritt weiterzuentwickeln und
zu verbessern. Die enormen Unterschiede in Bezug auf die Verfügbarkeit und
Qualität der Daten ist das Haupthindernis für eine umfassende Evaluierung. Es
sollten Mittel und Wege zur Verbesserung dieser Qualität und Verfügbarkeit der
Daten geprüft werden[58].
97.
Auf Gemeinschaftsebene erstellt die
Kommission Evaluierungsberichte zum Leistungsstand der netzgebundenen
Wirtschaftszweige, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen
Interesse erbringen. Ihre Ergebnisse übermittelt sie an das Europäische
Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den
Ausschuss der Regionen und alle Beteiligten, wobei es ihr Anliegen ist, ein
möglichst großes Publikum zu erreichen. Die Ressourcen, die der Kommission für
Evaluierungszwecke zur Verfügung stehen, sind jedoch begrenzt. Außerdem ist sie
nicht in der Lage, eine konsolidierte Einschätzung vorzulegen, in der sich die Gesamtheit
der – vielfach divergierenden ‑ Auffassungen widerspiegelt. Daher
sollte ein Austausch zu der Frage stattfinden, wie die Evaluierung auf
Gemeinschaftsebene durchgeführt sollte und wie die Aufgabe auf mehrere
Schultern verteilt werden könnte.
98.
Darüber hinaus beschränkt sich die
Evaluierung der Leistungen auf Gemeinschaftsebene derzeit im Wesentlichen auf
die netzgebundenen Wirtschaftszweige, die durch das sektorspezifische
Gemeinschaftsrecht erfasst sind. Andere Sektoren sind nicht Bestandteil der
Evaluierungsstrategie der Kommission. Es wäre zu überlegen, ob eine Ausweitung
der Evaluierung durch die Gemeinschaft über den derzeitigen Umfang hinaus
angebracht wäre, ohne dass gegen den Grundsatz der Subsidiarität verstoßen
würde.
99.
Folgende Fragen werden zur Diskussion
gestellt:
(25) Wie sollte die Evaluierung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse auf
Gemeinschaftsebene organisiert werden? Welche institutionellen Vorkehrungen
sollten getroffen werden? (26) Auf welche Aspekte sollten sich die Evaluierungsverfahren der
Gemeinschaft erstrecken? Welche Kriterien sollten den Evaluierungen durch die
Gemeinschaft zugrunde gelegt werden? Welche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sollten Teil einer Evaluierung auf Gemeinschaftsebene sein? (27) Wie könnten die Bürger in die Evaluierung einbezogen werden? Gibt es
Beispiele für bewährte Verfahren? (28) Wie lässt sich die Qualität der Evaluierungsdaten verbessern? In
welchem Maße sollten vor allem die Leistungserbringer zur Freigabe von Daten
verpflichtet werden? |
5. Die
Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse und die Globalisierung
100.
Handelsübereinkünfte im Rahmen der
Welthandelsorganisation (WTO) und oft auch auf bilateraler Ebene enthalten Bestimmungen
zur Erbringung von Leistungen, die nicht in Ausübung der staatlichen Hoheit
erbracht werden (sondern vielmehr auf kommerzieller Basis oder im Wettbewerb
mit mindestens einem anderen Dienstleistungserbringer). Diese Bestimmungen
gelten dem Austausch von Leistungen und den Bedingungen, unter denen die
Leistungserbringer auf ausländischen Märkten operieren können. Gemäß dem Allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit
Dienstleistungen (GATS) entscheidet jedes Mitglied frei, welchen
Dienstleistungssektor es bereit ist für ausländische Leistungserbringer zu
öffnen („Bottom-up-Approach“), und unter welchen Bedingungen. Das GATS erkennt
außerdem das souveräne Recht der WTO-Mitglieder an, wirtschaftliche und
nichtwirtschaftliche Tätigkeiten innerhalb ihres Hoheitsgebietes entsprechenden
ihren politischen zu regulieren. In Bezug auf die durch diese
Übereinkünfte erfassten Leistungen hat jede vertragschließende Partei nach wie
vor das Entscheidungsrecht über die speziellen Verpflichtungen, die den
Anbietern auferlegt werden können. Die Mitglieder sind völlig frei, aus ihren
GATS-Verpflichtungen Sektoren auszuklammern, von denen sie meinen, dass deren
Öffnung für den Wettbewerb z. B. die Verfügbarkeit, die Qualität und die
Erschwinglichkeit der Dienstleistungen gefährden könnte. Die Mitglieder können
somit eine Dienstleistung als (öffentliches oder privates) Monopol beibehalten.
Die Verhandlungen im Rahmen der WTO haben keinen direkten oder indirekten
Einfluss auf die Entscheidung der Mitgliedstaaten, bestimmte Unternehmen zu
privatisieren.
101.
In diesem Zusammenhang hat sich die
Europäische Gemeinschaft aus freien Stücken entschieden, in Bezug auf bestimmte
Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse, die bereits dem Wettbewerb
innerhalb des Binnenmarkts unterliegen, bindende Verpflichtungen einzugehen.
Durch diese Verpflichtungen wird ausländischen Leistungserbringern zu den
gleichen (manchmal auch zu restriktiveren) Bedingungen wie jedem europäischen
Leistungserbringer Zugang zum Markt der Europäischen Gemeinschaft gewährt. Die
Verpflichtungen, die im multilateralen Kontext der WTO (GATS-Verpflichtungen)
oder in bilateralem Rahmen übernommen wurden, haben bislang keine Auswirkungen
auf die Art und Weise, in der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im Gemeinschaftsrecht
geregelt werden, und auch nicht auf die Art ihrer Finanzierung. Die
umfassendsten Verpflichtungen wurden auf bilateraler Ebene eingegangen; sie
beschränken sich auf den territorialen Geltungsbereich der
Gemeinschaftsregelungen für staatliche Beihilfen.
102.
Weitere Verhandlungen über die
Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen sowie über die Begrenzung der
Subventionen im Zusammenhang mit diesem Handel werden im Rahmen der
WTO-Entwicklungsagenda von Doha geführt. Die Europäische Gemeinschaft handelt
darüber hinaus bilaterale Handelsabkommen im Dienstleistungssektor aus. Wie
bereits in der Vergangenheit, achtet sie bei den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse auch jetzt darauf, dass die volle Übereinstimmung mit dem vorhandenen
Grad der Liberalisierung sowie mit den innerhalb des Binnenmarktes geltenden
Regelungen sichergestellt ist.
103.
Folgende Frage wird zur Diskussion
gestellt:
(29) Gibt es auf der internen Ebene der Europäischen Gemeinschaft eine
besondere Entwicklung, die bei der Erörterung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im Rahmen internationaler Handelsverhandlungen spezieller
Aufmerksamkeit bedarf? Welche ist das? |
5.2. Entwicklungs- und
Kooperationspolitik
104.
Wichtigstes Anliegen der
Entwicklungspolitik der Europäischen Gemeinschaft ist es, die Armut in den
Entwicklungsländern zurückzudrängen. Die Sicherstellung des Zugangs zu einem
Mindestangebot an Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse zählt zu den entscheidenden
Voraussetzungen für das Erreichen dieses Ziels, da diese Leistungen nicht nur
der Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse dienen, sondern zugleich ein
unverzichtbares Fundament für die wirtschaftliche Entwicklung der ärmsten Länder
sind.
105.
Private Investitionen im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse können zu einer bessern Bereitstellung
lebenswichtiger Dienstleistungen in diesen Ländern beitragen. Marktöffnung und
Privatisierung in den Entwicklungsländern können jedoch auch berechtigte
Befürchtungen in Bezug auf Governance und Regulierung wachrufen. Bei
jeder Reform sollte daher die Notwendigkeit eines angemessenen rechtlichen und
institutionellen Rahmens bedacht und von einer umfassenden Bewertung seiner Auswirkungen
auf das Wirtschaftswachstum, die Beschäftigung, die Erbringung der Leistungen,
den gleichberechtigten Zugang, die Umweltbedingungen und den nationalen
Haushalt ausgegangen werden.
106.
Folgende Frage wird zur Diskussion
gestellt:
(30) Wie kann die Gemeinschaft im Rahmen ihrer Politik der
Entwicklungszusammenarbeit am besten Investitionen in die lebenswichtigen
Dienstleistungen unterstützen und fördern, die in den Entwicklungsländern
benötigt werden? |
6. Praktische
Schlussfolgerungen
107.
Die Kommission fordert alle Beteiligten
auf, sich zu den in diesem Grünbuch genannten Fragen zu äußern. Antworten und
weitere Bemerkungen jeder Art können auf dem Postweg an die folgende Anschrift
geschickt werden:
Europäische
Kommission
Grünbuch über Dienstleistungen von allgemeinem Interesse - Stellungnahmen
BREY 7/342
B-1049 Brüssel
Für die Übermittlung per E-Mail steht folgende
Adresse zur Verfügung:
Die Hinweise sollten der Kommission bis spätestens
15. September 2003 zugegangen sein. Bei Antworten und Hinweisen
bitte die Nummer der betreffenden Frage angeben. Zu Informationszwecken wird
das Generalsekretariat der Kommission die elektronisch eingegangenen Beiträge
mit den Absenderdaten auf die Grünbuch-Website
http://europa.eu.int/comm/secretariat_general/services_general_interest/
stellen, sofern sich der Absender ausdrücklich mit
der Veröffentlichung einverstanden erklärt hat.
108.
Die Kommission beabsichtigt, im Herbst
unter anderem aus den eingegangenen Beiträgen Schlussfolgerungen zu ziehen und
dann gegebenenfalls konkrete Folgeinitiativen vorzuschlagen.
Auflistung aller zur Diskussion gestellten
Fragen
Welche Art
von Subsidiarität?
(1)
Sollte die Entwicklung hochwertiger
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in den Zielekatalog der Gemeinschaft
aufgenommen werden? Sollte die Gemeinschaft im Bereich der Dienstleistungen von
allgemeinem wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Interesse zusätzliche
Befugnisse erhalten?
(2)
Müssen die Zuständigkeitsbereiche von
Gemeinschaft und mitgliedstaatlichen Verwaltungen klarer voneinander abgegrenzt
werden? Ist es erforderlich, das Konzept der Dienstleistungen ohne Auswirkungen
auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten deutlicher zu umschreiben? Wenn ja,
wie sollte dies geschehen?
(3)
Gibt es Leistungen (abgesehen von den
unter Ziffer 32 genannten großen netzgebundenen Wirtschaftszweigen), für
die ein rechtlicher Rahmen der Gemeinschaft geschaffen werden sollte?
(4)
Ist der institutionelle Rahmen
verbesserungsbedürftig? Wie könnte dies geschehen? Welche Aufgabe kommt dabei
den Wettbewerbs-, welche den Regulierungsbehörden zu? Was spräche für ein
europäisches Regulierungsgremium für jeden regulierten Wirtschaftszweig oder
für europaweite strukturierte Netzwerke der einzelstaatlichen
Regulierungsinstanzen?
Sektorspezifische Rechtsetzung und
allgemeiner Rechtsrahmen
(5)
Ist für die Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse ein allgemeiner Gemeinschaftsrahmen erstrebenswert?
Welcher zusätzliche Nutzen würde sich damit im Vergleich zum bestehenden
sektorbezogenen Recht ergeben? Für welche Sektoren sowie welche Probleme und
Rechte sollte er gelten? Welches Instrument sollte zur Anwendung gelangen
(Richtlinie, Verordnung, Empfehlung, Mitteilung, Leitlinien,
interinstitutionelle Vereinbarung)?
(6)
Welche Auswirkungen hat die
sektorspezifische Regelung bisher nach sich gezogen? Hat sie zu uneinheitlichem
Vorgehen geführt?
Wirtschaftliche kontra
nichtwirtschaftliche Leistungen
(7)
Werden genauere Angaben zu den Kriterien
benötigt, nach denen die Einteilung in wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche
Leistungen erfolgt? Sollte der Status von Einrichtungen ohne Erwerbszweck und
von Organisationen, die hauptsächlich soziale Aufgaben erfüllen, näher
erläutert werden?
(8)
Welche Rolle sollte die Gemeinschaft bei
den nichtwirtschaftlichen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse spielen?
Ein gemeinsames Paket von
Verpflichtungen
(9)
Gibt es weitere Anforderungen, die in ein
gemeinsames Konzept der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse einfließen
sollten? Wie wirksam sind die bestehenden Anforderungen in Bezug auf das
Erreichen der sozialen und territorialen Kohäsionsziele?
(10)
Sollten einige bzw. all diese
Anforderungen auf Leistungen ausgedehnt werden, für die sie derzeit nicht
gelten?
(11)
Welche Aspekte der Regulierung dieser
Anforderungen sollten auf Gemeinschaftsebene aufgegriffen werden und welche den
Mitgliedstaaten überlassen bleiben?
(12)
Sind diese Anforderungen in den Bereichen,
für die sie gelten, wirksam umgesetzt worden?
(13)
Sollten einige bzw. all diese
Anforderungen auch auf die nichtwirtschaftlichen Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse angewendet werden?
Sektorspezifische Verpflichtungen
(14)
Welche Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse könnten Befürchtungen in Bezug auf die Versorgungssicherheit wecken?
Sollte die Gemeinschaft zusätzliche Maßnahmen ergreifen?
(15)
Sollten auf Gemeinschaftsebene
zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, um den Netzzugang und die
Zusammenschaltbarkeit zu verbessern? In welchen Bereichen wäre dies zu
empfehlen? Welche Maßnahmen sollten insbesondere bei grenzübergreifenden
Dienstleistungen ins Auge gefasst werden?
(16)
Welche sonstigen sektorspezifischen
Gemeinwohlverpflichtungen sollten in Betracht gezogen werden?
(17)
Sollte die Möglichkeit konkreter
Maßnahmen zum Schutz des Pluralismus auf Gemeinschaftsebene noch einmal
überdacht werden? Welche Maßnahmen kämen in Frage?
Festlegung von Gemeinwohlverpflichtungen
und organisatorische Abwicklung
(18)
Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen die
Art und Weise, in der auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene die
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse organisiert oder
Gemeinwohlverpflichtungen festgelegt werden, durch Gemeinschaftsvorschriften
beeinträchtigt wurde oder umgekehrt ein unverhältnismäßiges Hindernis auf dem
Weg zur Vollendung des Binnenmarktes darstellte?
(19)
Sollte bezüglich der
leistungsspezifischen Gemeinwohlverpflichtungen auf Gemeinschaftsebene eine stärkere
Harmonisierung vorgenommen werden? Für welche Dienstleistungen trifft dies zu?
(20)
Sollte es einen erweiterten Austausch von
guten Praktiken und Benchmarking zu Fragen der Organisation von
Dienstleistungen von wirtschaftlichem Interesse in der Union geben? Wer sollte
beteiligt und welche Sektoren sollten einbezogen werden?
Finanzierung
(21)
Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen durch
Gemeinschaftsrecht und insbesondere durch die Anwendung der staatlichen
Beihilferegelungen die Finanzierung von Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse beeinträchtigt wurde bzw. zur Wahl ineffizienter Alternativen geführt
hat?
(22)
Gibt es unter dem Gesichtspunkt von
Transparenz, Kontrolle, Effizienz, Umverteilungseffekten und Wettbewerb ein
bestimmtes Finanzierungsverfahren, dem der Vorzug zu geben wäre? Wenn ja,
sollte die Gemeinschaft entsprechende Maßnahmen ergreifen?
(23)
Gibt es Sektoren und/oder Umstände, unter
denen ein selektiver Markteintritt („Cream-Skimming“) womöglich ineffizient ist
und nicht im öffentlichen Interesse liegt?
(24)
Sollte hinsichtlich der Folgen und
Kriterien der Finanzierung nach dem Solidarprinzip eine Klarstellung auf
Gemeinschaftsebene erfolgen?
Evaluierung der Leistungen
(25)
Wie sollte die Evaluierung der
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse auf Gemeinschaftsebene organisiert
werden? Welche institutionellen Vorkehrungen sollten getroffen werden?
(26)
Auf welche Aspekte sollten sich die
Evaluierungsverfahren der Gemeinschaft erstrecken? Welche Kriterien sollten den
Evaluierungen durch die Gemeinschaft zugrunde gelegt werden? Welche
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sollten Teil einer Evaluierung auf
Gemeinschaftsebene sein?
(27)
Wie könnten die Bürger in die Evaluierung
einbezogen werden? Gibt es Beispiele für bewährte Verfahren?
(28)
Wie lässt sich die Qualität der
Evaluierungsdaten verbessern? In welchem Maße sollten vor allem die
Leistungserbringer zur Freigabe von Daten verpflichtet werden?
Handelspolitik
(29)
Gibt es auf der internen Ebene der
Europäischen Gemeinschaft eine besondere Entwicklung, die bei der Erörterung
von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im Rahmen internationaler
Handelsverhandlungen spezieller Aufmerksamkeit bedarf? Welche ist das?
Entwicklungszusammenarbeit
(30)
Wie kann die Gemeinschaft im Rahmen ihrer
Politik der Entwicklungszusammenarbeit am besten Investitionen in die
lebenswichtigen Dienstleistungen unterstützen und fördern, die in den
Entwicklungsländern benötigt werden?
ANHANG
Gemeinwohlverpflichtungen und Instrumente der Gemeinschaftspolitik im Bereich
der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
In diesem Anhang werden verschiedene
Gemeinwohlverpflichtungen ausführlicher untersucht, die sich aus den
bestehenden sektorspezifischen Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft
ableiten lassen und mit denen sich ein Konzept der Gemeinschaft für die
Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse umreißen lässt
(Abschnitt I). Darüber hinaus werden die Politikinstrumente näher
beschrieben, mit denen gewährleistet werden kann, dass diese
Gemeinwohlverpflichtungen erfüllt werden und die öffentlichen Aufgaben, die mit
diesen Verpflichtungen verfolgt werden, auch in wirksamer Weise erreicht werden
(Abschnitt II).
I. Gemeinwohlverpflichtungen
im Gemeinschaftsrecht
1.
Die bestehenden Rechtsvorschriften der
Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem
wirtschaftlichen Interesse sind sektorspezifisch angelegt. Allerdings weisen
sie eine Reihe gemeinsamer Elemente auf, die sich für die Aufstellung eines
gemeinschaftlichen Konzepts für Dienstleistungen von allgemeinem
wirtschaftlichen Interesse heranziehen lassen. Diese Elemente schließen
insbesondere folgende Aspekte mit ein: Universaldienst, Kontinuität, Qualität
der Dienste, Erschwinglichkeit sowie Schutz der Nutzer und Verbraucher (siehe
Abschnitt 1). In diesen gemeinsamen Elementen kommen die Werte und
Zielsetzungen der Gemeinschaft zum Ausdruck. Sie wurden in den entsprechenden
Rechtsvorschriften in Verpflichtungen umgesetzt. Darüber hinaus können sie je
nach den Merkmalen des betreffenden Sektors durch spezifischere Verpflichtungen
ergänzt werden (siehe Abschnitt 2).
1. Ein
gemeinsamer Bestand an Verpflichtungen
1.1 Universaldienst
2.
Der Begriff des Universaldienstes bezieht
sich auf einen Bestand an Gemeinwohlauflagen, durch die gewährleistet werden
soll, dass bestimmte Dienstleistungen in festgelegter Qualität sämtlichen
Verbrauchern und Nutzern im gesamten Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zur
Verfügung stehen, und zwar unabhängig vom geografischen Standort und – unter
Berücksichtigung der landesspezifischen Gegebenheiten – zu erschwinglichen
Preisen[59]. Er wurde gezielt für einige netzgebundene Wirtschaftszweige
(z. B. Telekommunikation, Elektrizitätsversorgung, Postwesen) entwickelt.
In diesem Konzept ist das Recht für jedermann auf Zugang zu bestimmten
Dienstleistungen festgelegt, die als Teil der Grundversorgung gelten; zugleich
werden den Wirtschaftszweigen damit Verpflichtungen zur Erbringung einer
bestimmten Dienstleistung zu festgelegten Bedingungen – einschließlich der
flächendeckenden Versorgung – auferlegt. In einem liberalisierten Umfeld wird
durch die Verpflichtung zur Bereitstellung eines Universaldienstes
sichergestellt, dass sämtliche Einwohner der Europäischen Union zu einem
erschwinglichen Preis Zugang zu dem Dienst haben und dass die Qualität des
Dienstes erhalten bleibt bzw. erforderlichenfalls verbessert wird.
3.
Universaldienst ist ein dynamisches
Konzept. Es gewährleistet, dass bei der Festlegung der Gemeinwohlerfordernisse
politische, soziale, wirtschaftliche und technologische Entwicklungen
berücksichtigt und diese Erfordernisse nötigenfalls regelmäßig an die
Weiterentwicklung der Bedürfnisse der Nutzer und Verbraucher angepasst werden
können.
4.
Zudem handelt es sich dabei um ein
flexibles Konzept, das mit dem Subsidiaritätsprinzip voll und ganz in Einklang
steht. Soweit die Grundprinzipien des Universaldienstes auf Gemeinschaftsebene
festgelegt sind, kann deren Umsetzung den Mitgliedstaaten überlassen bleiben,
so dass die unterschiedlichen Traditionen und die spezifischen nationalen oder
regionalen Umstände Berücksichtigung finden können. Darüber hinaus lässt sich
das Konzept des Universaldienstes auf unterschiedliche Marktstrukturen anwenden
und somit für die Regulierung von Dienstleistungen in unterschiedlichen Phasen
der Marktöffnung nutzen.
5.
Das Konzept des Universaldienstes bezieht
sich auf die Inhalte des Dienstes und die Art und Weise seiner Erbringung. Die
Inhalte des Dienstes werden in dynamischer Weise definiert. Die Definition
deckt den Umfang der Dienste ab sowie deren Merkmale hinsichtlich
(erschwinglichem) Preis und (zufrieden stellender) Qualität. Bezüglich des
Verfahrens der Bereitstellung der Dienste braucht der betreffende Mitgliedstaat
nicht selbst einzugreifen oder zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, wenn er
meint, dass die Erbringung von Universaldiensten durch das bloße Funktionieren
des Marktes gewährleistet ist, d. h. dass erschwingliche gewerbliche
Angebote für jedermann zur Verfügung stehen. Stellen die Mitgliedstaaten jedoch
fest, dass die Marktkräfte allein die Bereitstellung von Universaldiensten
nicht gewährleisten, so bietet das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten die
Möglichkeit, einen oder mehrere Universaldienstbetreiber zu benennen und
gegebenenfalls die Nettokosten für die Bereitstellung des Universaldienstes auszugleichen,
um Marktverzerrungen auf ein Minimum zu beschränken.
6.
Bereits bestehende sektorspezifische
Richtlinien, in denen Universaldienste definiert werden, enthalten mehrere
gemeinsame Elemente: einen Katalog mit Anforderungen an Universaldienste, Prinzipien
für die Auswahl der Universaldienstbetreiber, Vorschriften für
Ausgleichszahlungen für die Erbringung von Universaldiensten, das Recht der
Mitgliedstaaten, zusätzliche Auflagen zu machen, sowie Vorschriften für
unabhängige Regulierungsstellen[60].
7.
Die bestehenden abgeleiteten
Rechtsvorschriften basieren auf den nachstehend beschriebenen Grundprinzipien.
Stellen die Mitgliedstaaten fest, dass die Marktmechanismen allein nicht
ausreichen, um einen Universaldienst zu gewährleisten, sollten sie eingreifen,
um dessen Bereitstellung zu gewährleisten. Sämtliche Eingriffe sollten
objektiv, transparent, nichtdiskriminierend sowie angemessen sein.
Wettbewerbsverzerrungen dürfen nicht entstehen, d. h. es darf nicht zur
Diskriminierung einzelner Unternehmen, die auf dem gleichen Markt aktiv sind,
kommen; außerdem sind Marktverzerrungen insoweit auf ein Minimum zu begrenzen,
als der Dienst auf möglichst kosteneffiziente Weise erbracht werden soll und
etwaige Ausgleichszahlungen durch eine möglichst breite Streuung der Beiträge
abgedeckt werden sollen. Diese Prinzipien gewährleisten, dass die Eingriffe der
öffentlichen Hand in transparenter und effizienter Form erfolgen, wodurch auch
Rechtssicherheit (demokratischer Aspekt) und Wohlstand (wirtschaftlicher
Aspekt) zunehmen.
8.
Um darüber hinaus die Leistungsfähigkeit
von Universaldiensten zu gewährleisten, sollten die Universaldienstauflagen
durch Bestimmungen über Nutzer- und Verbraucherrechte ergänzt werden. Hierzu
zählen die Zugänglichkeit unabhängig von etwaigen Behinderungen oder vom Alter,
Transparenz sowie umfassende Informationen zu Gebühren und Vertragsbedingungen,
Qualitätsindikatoren sowie Kundenzufriedenheitsindizes, Bearbeitung von
Beschwerden und Mechanismen zur Beilegung von Streitigkeiten.
9.
Die Universaldienstauflagen können
erhebliche Kosten verursachen. Bei der Prüfung, ob solche Verpflichtungen
beibehalten oder ausgeweitet werden sollten, müssen daher unbedingt die
alternativen Verwendungsmöglichkeiten geprüft werden, die für die betreffenden
Mittel in Frage kämen.
10.
In den letzten 20 Jahren hat sich
das Konzept des Universaldienstes zu einem zentralen, unentbehrlichen
Stützpfeiler der gemeinschaftlichen Politik im Bereich der Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse entwickelt. Dank dieses Konzepts konnten
Gemeinwohlerfordernisse – insbesondere in den Bereichen wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit, technologischer Fortschritt, Umweltschutz, Transparenz und
Rechenschaftspflicht, Verbraucher- und Nutzerrechte sowie besondere Maßnahmen
in den Bereichen Behinderungen, Alter oder Bildung – berücksichtigt werden.
Darüber hinaus hat sich erwiesen, dass es in vollem Einklang mit dem
Subsidiaritätsprinzip steht. Zudem kann die Anwendung dieses Konzepts sich auf
eine breite Beteiligung interessierter Kreise (z. B. der Wirtschaft,
kleinerer und mittlerer Unternehmen, Verbraucher und anderer repräsentativer
gesellschaftlicher Gruppen) stützen. Teil dieses Prozesses könnte die
periodische Evaluierung zwischenzeitlich eingetretener Entwicklungen sein.
1.2 Kontinuität
11.
Verschiedene Dienste von allgemeinem
Interesse sind dadurch gekennzeichnet, dass sie kontinuierlich benötigt werden,
d. h. der Diensteanbieter ist verpflichtet, den Dienst ohne Unterbrechung
bereitzustellen. Das Kontinuitätserfordernis gilt mitunter nicht als
gesonderter Aspekt, sondern wird als Teil einer Universaldienstverpflichtung
definiert. Bei bestimmten Diensten kann die ununterbrochene Bereitstellung
eines Dienstes bereits im unternehmerischen Interesse des Anbieters liegen, so
dass es eventuell überflüssig ist, dem Betreiber die gesetzliche Auflage einer
kontinuierlichen Bereitstellung zu machen. Auf einzelstaatlicher Ebene muss das
Kontinuitätserfordernis natürlich mit dem Streikrecht der Beschäftigten und den
gesetzlichen Auflagen vereinbar sein.
12.
Das Kontinuitätserfordernis wird in den
sektorspezifischen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft nicht einheitlich
behandelt. In einigen sektorspezifischen Rechtsvorschriften ist die Pflicht zur
Kontinuität ausdrücklich verankert. So sind die Mitgliedstaaten beispielsweise
nach Artikel 3 Absatz 1 der Postrichtlinie 97/67/EG verpflichtet, einen
Universaldienst zur Verfügung zu stellen, „der ständig flächendeckend
postalische Dienstleistungen ... bietet“[61].
In anderen sektorspezifischen Rechtsvorschriften ist eine
Kontinuitätsverpflichtung nicht enthalten; die Mitgliedstaaten werden jedoch
ausdrücklich ermächtigt, den Leistungserbringern eine entsprechende Pflicht
aufzuerlegen. In Artikel 3 Absatz 2 der Elektrizitätsrichtlinie[62]
heißt es, dass die „Mitgliedstaaten ... den Elektrizitätsunternehmen
gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Allgemeininteresse auferlegen
[können], die sich auf die Sicherheit, ... die Regelmäßigkeit ... der
Lieferungen ... beziehen können. Diese Verpflichtungen müssen klar definiert,
transparent, nichtdiskriminierend und überprüfbar sein; diese
gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen sowie deren etwaige Änderungen werden
veröffentlicht und der Kommission von den Mitgliedstaaten unverzüglich
mitgeteilt.“
1.3. Qualität
der Dienste
13.
Die Festlegung, Überwachung und
Durchsetzung der Qualitätsanforderungen durch die Behörden sind zu einem
zentralen Bestandteil der Regulierung der Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse geworden. Das Ziel, ein gesellschaftlich akzeptables Qualitätsniveau
der Dienste zu erreichen, rechtfertigt häufig entsprechende
Gemeinwohlverpflichtungen. In bestimmten Fällen wird der Qualität ein derart
hoher Stellenwert zugemessen, dass sie als Grund hinter der Formulierung
gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen steht und Gegenstand einer genauen
Überwachung und Regulierung ist. In Bereichen, in denen die Bereitstellung
eines Dienstes einem Dritten übertragen wird, ist die Aufstellung von
Qualitätsstandards durch die Behörden häufig unverzichtbar um zu gewährleisten,
dass die Zielsetzungen der staatlichen Politik erreicht werden. In Fällen, in
denen die Dienste durch die öffentliche Verwaltung bereitgestellt werden,
lassen sich durch die Festlegung und Überwachung von Qualitätsauflagen auch
Transparenz und Verantwortlichkeit steigern. Allerdings besteht keine Einigkeit
hinsichtlich der Definition von Qualität, außer dass Nutzer- und
Verbraucherschutz sowie Sicherheit Teil davon sein müssen. In zunehmendem Maße
fließen darüber hinaus Umweltschutz und Nachhaltigkeit in die Definition der
Qualitätskriterien dieser Dienste mit ein. Qualitative Ziele variieren von
Sektor zu Sektor.
14.
In den Sektoren, die auf
Gemeinschaftsebene für den Wettbewerb geöffnet wurden, verließ sich die
Gemeinschaft nicht ausschließlich auf die Kräfte des Marktes, um die
Dienstleistungsqualität aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln. In
bestimmten Fällen sind die Qualitätsstandards in den Rechtsvorschriften der
Gemeinschaft festgelegt. Hierzu zählen beispielsweise Sicherheitsbestimmungen,
Richtigkeit und Transparenz der Abrechnung, flächendeckende Versorgung und
Absicherung gegen Abschalten der Dienste. In anderen Fällen sind die
Mitgliedstaaten berechtigt bzw. verpflichtet, Qualitätsstandards festzulegen.
In wieder anderen Fällen sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Einhaltung
der Qualitätsstandards zu überwachen und durchzusetzen und außerdem
Informationen zu den Qualitätsstandards und zur tatsächlichen
Leistungsfähigkeit der Betreiber zu veröffentlichen. Die weitreichendste
Regelung von Qualität auf Gemeinschaftsebene findet sich in den
Rechtsvorschriften zu den Post- und zu den elektronischen
Kommunikationsdiensten.
15.
Darüber hinaus hat die Kommission
nichtregulatorische Maßnahmen zur Förderung der Qualität der Dienste von
allgemeinem wirtschaftlichen Interesse entwickelt, u. a. finanzielle
Instrumente, freiwillige europaweite Standards und Austausch bewährter
Verfahren. So fördert die Gemeinschaft beispielsweise in den Bereichen
Elektrizität und Gas die freiwillige Zusammenarbeit der Regulierungsstellen.
16.
Bei der Erörterung der Frage der
Dienstequalität ist zu berücksichtigen, dass es zwischen Qualität und Kosten
eines Dienstes abzuwägen gilt. Es wäre beispielsweise unangemessen, wenn eine
Behörde die kostspielige Auflage machte, eine sehr hochwertige Leistung zu
erbringen, während die Verbraucher und Nutzer eine geringere, ordentliche
Qualität zu niedrigeren Preisen bevorzugen würden. Darüber hinaus dürfte die
Festschreibung von Qualitätsstandards in Märkten unnötig sein, in denen ein
wirksamer Wettbewerb herrscht, sofern die Verbraucher und Nutzer anhand
aussagefähiger Informationen eine Entscheidung zwischen den miteinander
konkurrierenden Leistungserbringern treffen können. Hieran wird deutlich, dass
die Regulierungsstellen die Aufgabe haben, dafür zu sorgen, dass den Nutzern
und Verbrauchern ausreichende und angemessene Informationen zur Verfügung
stehen.
1.4 Erschwinglichkeit
17.
Das Konzept der Erschwinglichkeit
entstand im Zusammenhang mit der Regulierung der Telekommunikationsdienste. In
der Folgezeit fand es auch bei den Postdiensten Eingang. Es besagt, dass ein
Dienst von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse zu erschwinglichen Preisen
angeboten werden muss, damit er für jedermann zugänglich ist. Die Anwendung des
Erschwinglichkeitsprinzips trägt zum wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt
innerhalb der Europäischen Union bei.
18.
Erschwinglichkeit ist nicht mit
Kostenorientierung zu verwechseln und auch nicht unbedingt damit gleichzusetzen.
Ein optimales Angebot des Marktes wäre ein an den Kosten orientierter Preis.
Gelten diese Kosten jedoch als nicht erschwinglich, so kann der Staat sich für
Eingriffe entscheiden, damit jedermann erschwingliche Zugangsmöglichkeiten hat.
In bestimmten Fallen impliziert der Begriff der Erschwinglichkeit, dass ein
Dienst allen oder zumindest bestimmten Personengruppen unentgeltlich angeboten
wird. Die Mitgliedstaaten können je nach den einzelstaatlichen Umständen
verlangen, dass die benannten Unternehmen bestimmten Tarifoptionen oder –pakete
anbieten, die von den unter normalen unternehmerischen Überlegungen angebotenen
Tarifen abweichen, damit insbesondere Geringverdiener oder Personen mit
besonderen sozialen Bedürfnissen nicht vom Zugang zu bestimmten Diensten oder
von deren Nutzung ausgeschlossen sind[63]. Das Konzept der Erschwinglichkeit erscheint enger als das der
„angemessenen Preisgestaltung“, das gegenwärtig im Zusammenhang mit der
geplanten Änderung der Binnenmarktrichtlinien für Gas- und Elektrizität
diskutiert wird. Während die „Erschwinglichkeit“ hauptsächlich aus Kundensicht
definiert wird, kommt beim Prinzip der „angemessenen Preisgestaltung“ zum
Ausdruck, dass auch andere Faktoren berücksichtigt werden.
19.
In den bestehenden sektorspezifischen
Vorschriften sind die Kriterien für die Festlegung des erschwinglichen Preises
nicht vorgegeben; es bleibt also den Mitgliedstaaten überlassen zu prüfen, ob
die Preise erschwinglich sind. Einige dieser Kriterien für die Bestimmung der
Erschwinglichkeit müssen durch die Mitgliedstaaten festgelegt werden. Diese
Kriterien könnten sich beispielsweise nach der Durchdringungsrate oder dem
Preis für einen Korb von Basisdienstleistungen in Relation zum verfügbaren
Einkommen bestimmter Kundenkategorien richten. Darüber hinaus müssen die
Mitgliedstaaten, nachdem ein erschwingliches Niveau festgelegt wurde, dafür
sorgen, dass dieses Niveau auch entsprechend angeboten wird, und hierzu einen
Preiskontrollmechanismus („Preisdeckelung“, geografische
Durchschnittswertbildung) einrichten und/oder den betroffenen Verbrauchern und
Nutzern Zuschüsse gewähren.
20.
Zu überlegen wäre also eventuell, dieses
Konzept auf Gemeinschaftsebene weiterzuentwickeln. Darüber hinaus wäre zu
prüfen, ob es auf weitere Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen
Interesse ausgeweitet werden sollte.
1.5 Nutzer-
und Verbraucherschutz
21.
Die Verbraucherschutzpolitik der EU ist
fester Bestandteil des politischen Konzepts, das dem europäischen
Gesellschaftsmodell zugrunde liegt. Ihr Ziel besteht letztlich darin zu
gewährleisten, dass der Binnenmarkt den Verbrauchern schrittweise bessere
Leistungen bietet und dass Marktdefizite zu Lasten der Verbraucher behoben
werden. Hierzu gehören u. a. die Gewährleistung von Transparenz und
lauteren Geschäftspraktiken. Für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
gelten die horizontalen Bestimmungen für den Nutzer- und Verbraucherschutz in
gleicher Weise wie für andere Sektoren der Volkswirtschaft. Darüber hinaus
wurden in die sektoralen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft aufgrund der
besonderen wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung dieser Dienste gezielte
Maßnahmen aufgenommen, mit denen den spezifischen Bedürfnissen und
Erfordernissen der Verbraucher und Unternehmen Rechnung getragen werden kann.
Verbraucher- und Nutzerrechte sind in sektorspezifischen Rechtsvorschriften zum
elektronischen Kommunikationswesen, zu den Postdiensten, zu Energie
(Elektrizität, Gas), Verkehr und Rundfunk festgelegt.
22.
In der Mitteilung der Kommission vom
September 2000[64] werden
verschiedene Prinzipien umrissen, mit deren Hilfe sich die Anforderungen der
Bürger an Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse festlegen
lassen. Zu diesen Prinzipien zählen gute Dienstequalität, ein hohes
Gesundheitsschutz- und Sicherheitsniveau der Dienste, Transparenz (z. B.
bei den Tarifen, Verträgen, Wahlmöglichkeiten und der Finanzsituation der
Betreiber), Auswahl von Diensten, Wahl der Leistungserbringers, wirksamer
Wettbewerb zwischen den Leistungserbringern, Existenz von Regulierungsstellen,
Vorhandensein von Entschädigungsmechanismen, Vertretung und aktive Beteiligung
der Nutzer und Verbraucher bei der Festlegung der Dienste und Wahl der Zahlungsweise.
23.
In der Mitteilung wird hervorgehoben,
dass die Garantie des Zugangs für jedermann, Kontinuität, hohe Qualität und
Erschwinglichkeit zentrale Elemente der Verbraucherpolitik in Bereich der
Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse darstellen. Darüber
hinaus wird die Notwendigkeit betont, auf die weiter gehenden Anliegen der
Bürger einzugehen, z. B. hinsichtlich des gewünschten hohen Umweltschutzniveaus,
ferner auf die spezifischen Bedürfnisse bestimmter Bevölkerungsgruppen,
z. B. von behinderten Menschen oder einkommensschwachen Personen, sowie
auf die flächendeckende Grundversorgung auch in entlegenen oder unzugänglichen
Gegenden.
24.
Ferner müssen Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse folgenden Nutzer-/Verbraucherrechten und ‑prinzipien
unterliegen:
·
Transparenz und umfassende Information: Hierzu zählen klare und vergleichbare Tarifinformationen;
Vertragsbedingungen; Bearbeitung von Beschwerden sowie Mechanismen zur
Beilegung von Streitfällen.
·
Gesundheit und Sicherheit: Hierzu zählt die Gewährleistung eines möglichst hohen
Gesundheitsschutz- und Sicherheitsniveaus der Dienste.
·
Unabhängige Regulierungsstellen: Regulierungsstellen, die von der Wirtschaft unabhängig sind und
ausreichende Mittel, Sanktionsbefugnisse sowie klare Pflichten hinsichtlich des
Schutzes von Nutzer- und Verbraucherinteressen haben.
·
Vertretung und aktive Mitwirkung: Es ist dafür Sorge zu tragen, dass die Verbrauchervertreter
regelmäßig hinzugezogen werden, damit die Verbraucher bei der
Entscheidungsfindung Gehör finden.
·
Entschädigungsverfahren: Rasche und erschwingliche Systeme zur Abwicklung von Beschwerden
sowie alternative Verfahren zur Beilegung von Streitfällen.
25.
Auf der Basis der Nutzer- und
Verbraucherschutzprinzipien, die in der Mitteilung benannt wurden, könnten die
Rechte der Nutzer und Verbraucher hinsichtlich der Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse sich beispielsweise auf folgende Grundlagen stützen:
·
Zugangsmöglichkeiten (umfassende
geografische Abdeckung einschließlich grenzüberschreitendem Zugang, Zugang für
Personen mit Mobilitätseinschränkungen sowie für Behinderte);
·
Erschwinglichkeit (einschließlich
Sonderregelungen für einkommensschwache Personen);
·
Sicherheit (sicherer und zuverlässiger
Dienst, hohes Gesundheitsschutzniveau);
·
Qualität (einschließlich der
Zuverlässigkeit und Kontinuität der Dienste sowie der Ausgleichsmechanismen im
Falle ungenügender Versorgung);
·
Auswahlmöglichkeiten (möglichst weit
gehende Auswahl an Dienstleistungen sowie ggf. Wahl des Leistungserbringers und
wirksamer Wettbewerb der Leistungserbringer, Recht auf Wechsel des
Leitungserbringers);
·
umfassende Transparenz und Information durch
die Betreiber (z. B. über Tarife, Abrechnung, Vertragsbedingungen);
·
Recht auf Zugriff auf die von den
Regulierungsstellen erhobenen Informationen (Daten zu Dienstequalität, Auswahl
und Finanzsituation der Anbieter, Bearbeitung von Beschwerden);
·
Sicherheit und Zuverlässigkeit
(kontinuierliche und zuverlässige Verfügbarkeit der Dienste einschließlich
Schutz gegen Abschalten);
·
Fairness (fairer und echter Wettbewerb);
·
unabhängige Regulierungsstellen (mit
ausreichenden Sanktionsbefugnissen und klar umrissenen Pflichten);
·
Vertretung und aktive Beteiligung der
Verbraucher und Nutzer (bei der Festlegung der Dienstleistungen und bei der
Wahl der Zahlungsweise);
·
Entschädigungsmaßnahmen (Vorhandensein
von Verfahren zur Bearbeitung von Beschwerden und zur Streitbeilegung,
Entschädigungsregelungen);
·
Evolutivklausel
(Nutzer-/Verbraucherrechte unterliegen dem Wandel der Nutzer- und
Verbraucherwünsche und der Rahmenbedingungen: Konjunktur, Rechtslage,
Technologie);
·
gleichberechtigter Zugang und Gleichbehandlung
der Nutzer und Verbraucher bei der Nutzung grenzübergreifender Dienste
innerhalb der Mitgliedstaaten.
2. Weitere
besondere Verpflichtungen
2.1. Versorgungssicherheit
26.
Die Notwendigkeit, eine kontinuierliche
und nachhaltige Bereitstellung von Diensten von allgemeinem wirtschaftlichen
Interesse zu gewährleisten, setzt Versorgungssicherheit voraus. Generell hat
der Binnenmarkt in den Märkten zu einer erheblichen Steigerung der Sicherheit
bei der Lieferung von Produkten und Dienstleistungen geführt, die nach dem
Wettbewerbsprinzip funktionieren.
27.
Insbesondere im Energiesektor entwickelte
sich in der Frage der Versorgungssicherheit eine breite öffentliche Debatte auf
Gemeinschaftsebene, die sich auf ein von der Kommission im Jahr 2001 veröffentlichtes
Grünbuch stützte[65]. Mit diesem
Grünbuch sollte eine Debatte in Gang gebracht werden, um eine langfristige
Strategie zur Sicherheit der Energieversorgung zu definieren, die die
kontinuierliche Versorgung mit Energieerzeugnissen zu für Verbraucher und
Nutzer erschwinglichen Preisen zum Ziel hat und bei der sowohl Umwelt- als auch
Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt werden. Die Kommission präsentierte die
Ergebnisse der öffentlichen Aussprache in einer Mitteilung vom Juni 2002[66].
Sie stellte darin abschließend fest, dass die Maßnahmen zur Sicherung der
Energieversorgung besser koordiniert werden müssten. Als Follow-up-Maßnahme
legte die Kommission im September 2002 zwei Vorschläge für Richtlinien vor, mit
denen die Versorgungssicherheit mit Mineralölerzeugnissen und Erdgas in der
Europäischen Union verbessert werden soll[67].
28.
Auch Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse außerhalb des Energiesektors könnten Anlass zu Bedenken hinsichtlich
der Versorgungssicherheit geben, z. B. wegen der Gefahr, dass die
Investitionen in Infrastrukturen oder Kapazitäten längerfristig auf einem
unzureichenden Niveau verharren. Im Sekundärrecht der Gemeinschaft wird diese
Frage allerdings im Allgemeinen nicht angesprochen. Im Telekommunikationssektor
schlug die Kommission eine umfassende Strategie vor, mit der die Sicherheit der
elektronischen Kommunikationsnetze gewährleistet werden soll.[68]
Zu überlegen wäre, ob die Frage der Versorgungssicherheit auch in anderen
Sektoren gezielt gestellt werden sollte. Stets ist allerdings zu
berücksichtigen, dass spezifische zusätzliche Maßnahmen, die auf eine
Steigerung der Versorgungssicherheit abzielen, in der Regel höhere Kosten nach
sich ziehen. Bei sämtlichen Maßnahmen, die zur Steigerung der
Versorgungssicherheit vorgeschlagen werden, ist daher darauf zu achten, dass
die Mehrkosten nicht höher sind als der erwartete Nutzen[69].
2.2. Netzzugang
und Interkonnektivität
29.
Bei natürlichen Monopolen mit erheblichen
sunk costs (verlorenen Investitionen), zunehmenden Größenvorteilen und
sinkenden Durchschnittskosten ist ein Eindringen in den Markt besonders
schwierig. Derartige Dienste werden normalerweise mit Hilfe stabiler und
langlebiger Technologien bereitgestellt. In derartigen Fällen wäre die bloße Anwendung allgemeiner Vorschriften
(z. B. Bestimmungen für den Wettbewerb und das öffentliche
Beschaffungswesen) möglicherweise nicht ausreichend, sondern müsste durch eine
intensivere und kontinuierlichere sektorspezifische Überwachung (Verordnung)
ergänzt werden, deren Mindestumfang in zahlreichen Fällen in den
Rechtsvorschriften der Gemeinschaft festgelegt ist.
30.
Bei
einigen der betroffenen Wirtschaftszweige handelt es sich um netzgebundene
Wirtschaftszweige, bei denen fairer Zugang – insbesondere von neuen Marktteilnehmern
– zu den bestehenden Netzen, z. B. zum Stromversorgungs-,
Telekommunikations- oder Schienennetz, oft eine Grundvoraussetzung für ein
erfolgreiches Agieren in den nachgeschalteten Märkten ist[70].
Die Gemeinschaft ist an die Frage des Zugangs auf
viererlei Art und Weise herangegangen:
(1)
Beibehaltung eines vertikal
integrierten Betreibers mit ausschließlichem Recht zum Betrieb der Dienste.
Dies war die normale Organisationsform dieser Wirtschaftszweige, als die
Europäische Gemeinschaft entstand. In den meisten netzgebundenen
Wirtschaftszweigen ist dies aufgrund spezifischer Rechtsvorschriften der
Gemeinschaft mittlerweile verboten. Nicht verboten ist dies gegenwärtig im
Bereich der Wasserwirtschaft, im Bereich der Busse, U-Bahnen und anderen
Stadtbahnen sowie in Restbereichen des Elektrizitäts-, Gas- und Postsektors. Im
Bereich der Busse, U-Bahnen und anderen Stadtbahnen ist gegenwärtig nicht
geplant, die Behörden zur Trennung von Infrastrukturmanagement und
Bereitstellung von Fahrgastbeförderungsdiensten zu verpflichten; die Behörden
werden bestimmten Betreibern weiterhin ausschließliche Rechte einräumen können,
sofern diese Rechte nach einem Wettbewerbsverfahren vergeben werden.
(2)
Beibehaltung eines vertikal
integrierten Betreibers, der seine Infrastruktur Wettbewerbern öffnen muss.
Aufgrund des Gemeinschaftsrechts sind die Betreiber verpflichtet, den Wettbewerbern
im Telekommunikationssektor Zugang zum Ortsnetz, im Energiemarkt zum
Elektrizitätsnetz und zu den Gasleitungen (für die Durchleitung und die
Verteilung) sowie im Verkehrsbereich – für grenzüberschreitende Dienste – zum
nationalen Schienennetz zu gewähren.
(3)
Schaffung der Voraussetzungen, damit
vertikal integrierte Wettbewerber ihre eigene parallele Infrastruktur aufbauen
können. Dieses Konzept kommt in den Bereichen Telekommunikation, Postdienste,
Luftverkehr [und Rundfunk][71]
zur Anwendung.
(4)
Trennung der Funktionen von Betreiber
und Infrastrukturmanager. Dieses Konzept wurde bisher für den Zugang zum
Elektrizitäts- und zum Schienennetz gewählt[72].
Mittlerweile hat die Kommission dieses Konzept auch für den Gassektor
vorgeschlagen, und der Energierat hat diesem Vorschlag zugestimmt.
31.
Offensichtlich gibt es nicht das eine,
ideale Konzept für die Regulierung netzgebundener Wirtschaftszweige. Die
Entscheidung hängt von den Merkmalen des jeweiligen Sektors ab. Die
nachstehende Tabelle zeigt, wie die Frage der Zugangsregulierung im
Gemeinschaftsrecht entsprechend den spezifischen Gegebenheiten der jeweiligen
Wirtschaftszweige in unterschiedlicher Weise angegangen wird.
|
Elektrizität und Gas |
Staatl. Eisenbahn |
Bus/U-Bahn/ |
Luftverkehr |
Telekommunikation (Festnetz) |
Telekommunikation (Mobilnetz) |
Post |
|||
Bauen die Wettbewerber konkurrierende
Infrastrukturnetze auf? |
In der Praxis minimal |
Nein |
An einigen Orten |
Ja |
Ja, aber begrenzt auf bestimmte Mitgliedstaaten |
Ja |
Ja |
|||
Darf der Infrastrukturmanager zugleich
Betreiber sein? |
Nein (Künftige Richtlinien werden rechtliche
Trennung vorschreiben.) |
Nein (unabhängige Kapazitätszuweisung und
Entgelterhebung im Gemeinschaftsrecht vorgeschrieben) |
Ja |
Ja |
Ja |
Ja |
Ja |
|||
Bestehen abgeleitete Rechtsvorschriften der
Gemeinschaft, die es den Mitgliedstaaten untersagen, ausschließliche Rechte
an einen einzigen Betreiber zu vergeben? |
Ja (NichtHaushalte bis 2004, alle Kunden
bis 2007) |
Ja (Güter-verkehr) Nein (nationalerPersonenverkehr) |
Nein (Ausnahme: internationale Busdienste) |
Ja, außer auf bestimmten Strecken, für die
Gemeinwohlverpflichtungen bestehen |
Ja |
Ja |
Ja/NEIN (Es gilt eine Wert-/Preisgrenze.) |
|||
Falls ausschließliche Rechte bestehen, wie werden die Betreiber
normalerweise ausgewählt? |
Historischer Betreiber |
Historischer Betreiber (Kommission wünscht Änderung) |
Historischer Betreiber (Kommission wünscht Änderung) |
Durch offenen Wettbewerb |
entf. |
entf. |
Historischer Betreiber |
|||
Falls keine ausschließlichen Rechte
bestehen, gibt es Kapazitätsgrenzen hinsichtlich des Umfangs der von den
Betreibern erbrachten Dienste? |
Ja, bei überlasteten Netzen |
Ja |
entf. |
Ja |
Nein |
Ja |
Nein |
|||
Wenn ja, wie werden die Kapazitäten
zugeteilt? |
Entflechtung von Übertragungsnetzbetreibern
mit Regeln für Überlastungsmanagement bei Elektrizität |
Unabhängiges Infrastrukturmanagement/Trassengremium |
entf. |
Angestammte Rechte; informelle Marktmechanismen;
Slotkoordinatoren |
entf. |
Wett-bewerbe Versteigerung der Spektren Behördliche Zuteilung |
entf. |
|||
Was stellen die Infrastrukturmanager in
Rechnung? |
Kostendeckung |
Inkrementalkosten (enge Definition) +
staatliche Subventionen |
Kein Zugang für Dritte |
Kostendeckung |
Kosten nach nationaler Methode plus
Aufschlag |
Leistungserbringern werden die Verbraucherkosten
abzüglich einer gewissen Gewinnspanne in Rechnung gestellt. |
Bei grenzüberschreitenden Diensten müssten
kostenorientierte Gebühren erhoben werden |
|||
Beteiligen sich die Behörden an der
Entwicklung neuer Infrastrukturen? |
Normal reguliert |
Reguliert und subventioniert |
Reguliert und subventioniert |
Nach gewerblichen Kriterien betrieben |
Nach gewerblichen Kriterien betrieben |
Nach gewerblichen Kriterien betrieben |
Nach gewerblichen Kriterien betrieben außerhalb des reservierten
Bereichs |
|||
32.
Bei geringen sunk costs kann auch
der Umfang der staatlichen Eingriffe geringer sein. Kurzfristige Verträge können
an einen einzelnen Betreiber vergeben werden; bei der Bewertung der Leistung
des Betreibers werden dann die Qualitätsurteile der Kunden mit einbezogen.
33.
Die Einführung der einzelnen oben
aufgeführten Maßnahmen kann durch die Richtlinien über das öffentliche
Beschaffungswesen oder die allgemeinen Bestimmungen des EG-Vertrags
eingeschränkt werden. Eine transparente und nichtdiskriminierende Auswahl (ob
mit oder ohne Ausschreibungsverfahren) des einzelnen Betreibers – der in den
Genuss von ausschließlichen/besonderen Rechten kommt – gewährleistet, dass ein
Höchstmaß an Qualität zu möglichst niedrigen Netto-Zusatzkosten erbracht wird.
2.3 Erfordernisse
zur Gewährleistung des Medienpluralismus
34.
Seit Mitte der 80er-Jahre gibt es in den
Mitgliedstaten Rechtsvorschriften zu den Eigentumsverhältnissen im
Mediensektor. Darin werden üblicherweise die Eigentumsanteile an
Medienunternehmen begrenzt und die gleichzeitige kumulative Beherrschung oder
Beteiligung an mehreren Medienunternehmen untersagt. Ziel dieser
gesetzgeberischen Schritte ist, die Meinungsfreiheit zu wahren und dafür zu
sorgen, dass in den Medien ein breites Spektrum an unterschiedlichen Ansichten
und Meinungen in der für eine demokratische Gesellschaft typischen Form zum
Ausdruck kommt.
35.
Während der Schutz des Medienpluralismus
in erster Linie eine Aufgabe der Mitgliedstaaten ist, muss die Gemeinschaft
diese Zielsetzung im Rahmen ihrer eigenen Politik angemessen berücksichtigen.
Gegenwärtig sind in den abgeleiteten Rechtsvorschriften der Gemeinschaft keine
Vorkehrungen zum unmittelbaren Schutz dieses Pluralismus verankert. Nach
Gemeinschaftsrecht ist allerdings die Anwendung nationaler Schutzvorkehrungen
hinsichtlich des Medienpluralismus zulässig. Dies kommt z. B. in
Artikel 21 Absatz 3 der Fusionsverordnung zum Ausdruck, in der
explizit die Möglichkeit vorgesehen ist, – im Einklang mit den
gemeinschaftlichen Fusionsvorschriften – einzelstaatliche Maßnahmen zum Schutz
der Medienvielfalt zu ergreifen, oder in Artikel 8 der Rahmenrichtlinie
über elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste[73],
wonach die nationalen Regulierungsbehörden dazu beitragen können, den
Pluralismus der Medien sicherzustellen.
36.
Bereits im Dezember 1992 veröffentlichte
die Kommission ein Grünbuch[74],
mit dem eine öffentliche Debatte über die Notwendigkeit von Maßnahmen der
Gemeinschaft in diesem Bereich in Gang gebracht werden sollte. Darin wurden
drei Optionen vorgeschlagen: Verzicht auf jegliche Maßnahme, Vorlage einer
Empfehlung zur Steigerung der Transparenz, Unterbreitung von Vorschlägen für
Rechtsvorschriften der Gemeinschaft zur Harmonisierung nationaler
Beschränkungen bei den Eigentumsverhältnissen von Medienunternehmen. Aus der
Debatte liessen sich keine eindeutigen operativen Schlussfolgerungen ziehen;
eine formelle spezifische Initiative der Kommission kam nicht zustande.
37.
Zehn Jahre später ist der Schutz des
Pluralismus im Mediensektor angesichts der fortschreitenden Konzentration in
diesem Bereich und der zunehmenden Verbreitung elektronischer Medien nach wie
vor ein zentrales Thema, auch vor dem Hintergrund des Protokolls über den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk[75].
Es wird um Meinungsäußerungen gebeten, ob die Kommission die Notwendigkeit für
Maßnahmen der Gemeinschaft in diesem Bereich erneut eingehender untersuchen
sollte.
II. Politische
Instrumente
1. Organisation
von Regulierungsmaßnahmen
1.1. Regulierung
durch die Gemeinschaft und nationale Regulierungsbehörden
38.
Das Primär- und das Sekundärrecht von
Gemeinschaft und Mitgliedstaaten enthalten die grundlegenden Bestimmungen, die
auf die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse anwendbar sind. Um aber zu
gewährleisten, dass die Ziele der Regulierung auch erreicht werden, wäre es nicht
genug, sich ausschließlich auf die Anwendung und die üblichen Mechanismen zur
Durchsetzung der Rechtsvorschriften zu verlassen. Zum Teil sind die
Mitgliedstaaten daher aufgrund der Rechtsvorschriften der Gemeinschaft
verpflichtet, eine oder mehrere „nationale Regulierungsbehörden“ als
verantwortliche Stellen für diese Regulierungsaufgaben zu benennen. Derartige
Bestimmungen existieren bereits in den Bereichen Kommunikation, Postdienste,
Schienen- und Luftverkehr. Im Elektrizitäts- und Gassektor regte die Kommission
in ihrem Vorschlägen vom März 2001 und in ihren geänderten Vorschlägen vom Juni
2002 an, die Mitgliedstaaten zu verpflichten, eine oder mehrere zuständige
Stellen als nationale Regulierungsbehörden einzusetzen. Einige Mitgliedstaaten
haben selbst in Bereichen, in denen keine umfassenden gemeinschaftlichen
Vorschriften bestehen, eine Regulierungsbehörde geschaffen, so das Vereinigte
Königreich im Wassersektor (OFWAT).
39.
Wie die nationale Regulierungsbehörde,
die nach den entsprechenden Rechtsvorschriften der Gemeinschaft vorgeschrieben
ist, im Einzelnen ausgestaltet wird, bleiben dem Ermessen der Mitgliedstaaten
überlassen. Es kann demnach eine bereits bestehende Stelle oder das für den
betreffenden Sektor zuständige Ministerium eingesetzt werden, was in
verschiedenen Mitgliedstaaten auch geschehen ist. Diese Lösung hat sich
allerdings hinsichtlich der Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörde
in einigen Fällen als problematisch erwiesen, in denen die Mitgliedstaaten
zugleich Eigentümer oder Kontrollinstanz der im betreffenden Sektor aktiven
Unternehmen sind. In der Rahmenrichtlinie für den Kommunikationssektor ist für
derartige Fälle eine „vollständige und strukturelle Trennung der
hoheitlichen Funktion von Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Eigentum und der
Kontrolle“ vorgeschrieben. Die Benennung eines Ministeriums als
dominierende Regulierungsbehörde, die für sämtliche Regulierungsentscheidungen
zuständig ist, bleibt die Ausnahme. Aufgrund der Bedeutung sowie des
dauerhaften und komplexen Charakters der hier anfallenden Regulierungsaufgaben
sind häufig das fachliche Wissen und die Unabhängigkeit einer
sektorspezifischen Regulierungsstelle notwendig[76].
In nahezu allen Mitgliedstaaten wurde eine derartige Stelle für die
betreffenden Sektoren eingerichtet, auch im Elektrizitäts- und Gassektor, für
den nach den gegenwärtigen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft die Einsetzung
einer nationalen Regulierungsbehörde nicht vorgeschrieben ist.
40.
Es ist allerdings zu beachten, dass
selbst dort, wo eine sektorspezifische Regulierungsbehörde existiert, die
Regierung – d. h. das zuständige Ministerium – häufig die Verantwortung
für bestimmte ordnungspolitische Entscheidungen behält. Dass die
sektorspezifische Regulierungsbehörde für sämtliche Regulierungsfragen
zuständig ist, ist gegenwärtig die Ausnahme. Derartige Regulierungsstellen sind
besonders häufig im Kommunikationssektor sowie – in geringerem Umfang – im Energie-
oder Postsektor anzutreffen, während im Luft- und Schienenverkehr die
Verantwortung normalerweise zwischen Ministerium und Zivilluftfahrt- bzw.
Eisenbahnamt geteilt wird. Im Wassersektor hat OFWAT im Vereinigten Königreich
die Befugnis, die Preise und das zu erbringende Versorgungsniveau zu
regulieren, während die Wasserämter in Frankreich als Umweltregulierungsstellen
betrachten werden können, da sie Umweltgebühren einziehen.
41.
Zentrales Merkmal einer
sektorspezifischen Regulierungsstelle ist deren Unabhängigkeit von den am
betreffenden Markt agierenden Betreibern. Dies ist eine unverzichtbare
Voraussetzung, um Interessenskonflikte zu vermeiden und um die Unparteilichkeit
der Regulierungsstelle zu gewährleisten[77].
Sie ist daher in den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft überall dort
vorgeschrieben, wo die Benennung einer nationalen Regulierungsbehörde
vorgesehen ist. Spezifischere Bestimmungen existieren in zahlreichen
Mitgliedstaaten, um die Unabhängigkeit zu gewährleisten, z. B. das Verbot,
dass Mitarbeiter der Regulierungsstelle Anteile an Unternehmen im betreffenden
Sektor halten.
42.
Sektorspezifische Regulierungsstellen
verfügen auch über ein hohes Maß an Unabhängigkeit gegenüber der Regierung. In
den meisten Fällen benennt diese zwar den Leiter und die Mitglieder der
Regulierungsbehörde und legt deren grundlegende politische Zielsetzungen fest[78].
Allerdings unterliegen die Regulierungsbehörden normalerweise bei
Einzelentscheidungen keinen Weisungen der Regierung; darüber hinaus kann
ausdrücklich gefordert sein, dass Mitglieder der Behörde eingehend mit den für
den betreffenden Sektor geltenden Vorschriften vertraut sind. Damit wird die
Unparteilichkeit der Regulierungsstelle ausgeweitet und die Kontinuität der
Regulierungskonzepte gestärkt. Bestimmte Regulierungsbehörden finanzieren ihre
Haushalte durch eigenständige Einnahmequellen, die vom allgemeinen
Staatshaushalt getrennt sind, was ihre Unabhängigkeit erhöht.
43.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass
Unabhängigkeit keineswegs fehlende Rechenschaftspflicht für die erbrachten
Leistungen bedeutet. Normalerweise müssen die Regulierungsstellen der Regierung
und/oder dem Parlament regelmäßig Berichte vorlegen; darüber hinaus können die
betroffenen Parteien Einspruch gegen die Entscheidungen einlegen. Andererseits
muss bei den Einspruchsmöglichkeiten der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
gewahrt bleiben. Werden Entscheidungen der Regulierungsstelle in jahrelangen
Streitigkeiten blockiert, bevor sie ihre Wirkung entfalten können, so wird das
Ziel der Regulierung verfehlt. In bestimmten Fällen haben Einsprüche gegen
Entscheidungen der Regulierungsstelle daher keine aufschiebende Wirkung.
44.
Vor der Entscheidung müssen die
Regulierungsstellen Rücksprache mit den betroffenen Parteien und der
Öffentlichkeit halten, damit gewährleistet ist, dass alle maßgeblichen Aspekte
berücksichtigt werden. Gleichermaßen wichtig ist, dass die Regulierungsstellen
ihre Arbeit mit anderen Behörden beraten und abstimmen, z. B. mit den
Wettbewerbsbehörden und Verbraucherschutzgremien, damit die Vereinbarkeit und Konsistenz
der Entscheidungen gewährleistet sind.
45.
Um ihre Aufgaben wirksam wahrnehmen zu
können, stützen sich die Regulierungsstellen häufig auf Informationen, die
lediglich die Unternehmen, welche der Regulierung unterliegen, vorlegen können.
Die Regulierungsstellen sind daher normalerweise befugt, von den Unternehmen
innerhalb bestimmter Fristen sämtliche Informationen anzufordern, die sie für
die betreffende Aufgabe benötigen. Bei sensiblen Unternehmensinformationen
müssen die Regulierungsstellen die Bestimmungen über Vertraulichkeit im
Geschäftsbereich einhalten. So benötigt die Regulierungsstelle beispielsweise
bei der Regulierung der Netzzugangsgebühren zuverlässige und umfassende
Informationen zu den bei den Netzbetreibern anfallenden Kosten.
46.
Die Befugnisse und die Zuständigkeiten
der Regulierungsstellen in den Mitgliedstaaten variieren je nach Sektor und
Gesetzeslage in den jeweiligen Mitgliedstaaten, einschließlich der
Aufgabentrennung zwischen der Regulierungsstelle des Sektors und dem zuständigen
Ministerium. Diese Aufgabentrennung wird in erheblichem Maße durch die
einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsgepflogenheiten in den jeweiligen
Mitgliedstaaten beeinflusst. Bestimmte zentrale Verantwortungsbereiche gelten
allerdings für nahezu alle Regulierungsstellen der betreffenden Sektoren. Die
Regulierung der Zugangsbedingungen zu den bestehenden Netzen und die
Regulierung der Verbraucherpreise, mit denen die Ausnutzung einer
marktbeherrschenden Stellung verhindert werden soll, dürften hierbei zu den
herausragendsten Beispielen zählen. In dieser Hinsicht ergänzen die
Regulierungsbehörden die Arbeit der Wettbewerbsbehörden; letztere wenden durch
nachträgliche (Ex-post-)Maßnahmen allgemeine Wettbewerbsbestimmungen auf einen
bestimmten Sektor an, d. h. nachdem der Missbrauch bereits eingetreten
ist; die Regulierungsstelle greift dagegen normalerweise im Voraus (ex-ante)
ein, indem sie Vorschriften erlässt, durch die von vornherein die
Missbrauchsgefahr verringert wird[79].
47.
Normalerweise werden in derartigen
Rechtsvorschriften die Pflichten im Zusammenhang mit der Bereitstellung von
Universaldiensten festgelegt. Allerdings wirken die Regulierungsstellen häufig
in erheblichem Maße an der weiteren Definition und Umsetzung derartiger
Bestimmungen mit. So werden beispielsweise, falls ein Betreiber eines
Universaldienstes eine Entschädigung für die Bereitstellung des Dienstes
erhält, das allgemeine Verfahren für die Kostenermittlung und der
Finanzierungsmechanismus normalerweise durch das Parlament oder das zuständige
Ministerium festgelegt. Die Umsetzung dieser Bestimmungen bleibt der
Regulierungsstelle überlassen.
48.
Ein wichtiger Bestandteil des
Universaldienstkonzepts ist die Erschwinglichkeit der Preise für die Endnutzer
und Endverbraucher. Soweit für das Erreichen dieses Ziels erforderlich, werden
von den Regulierungsstellen Preisregulierungsmechanismen angewandt. Da der
Markt grundsätzlich den Preis bestimmen sollte, erfolgt diese Regulierung meist
durch Festlegung der Höchstpreise – wie es in zahlreichen Mitgliedstaaten,
z. B. im Elektrizitätssektor, der Fall ist. Eine Preisregulierung kann
allerdings auch durch Festlegung von Mindestpreisen erfolgen, mit denen eine
ruinöse Preispolitik durch dominierende Akteure (z. B. im
Kommunikationssektor) verhindert werden soll.
49.
Besonders wichtig für Verbraucher und
Nutzer ist die Rolle, welche die Regulierungsstellen oftmals bei der
Entwicklung und Umsetzung verbindlicher Sicherheits- und Qualitätsstandards
spielen. Diese sind dort wichtig, wo die Erfüllung der Erwartungen u. a.
hinsichtlich der Wahl der Zugangsmöglichkeiten, Transparenz (einschließlich der
Preistransparenz), Erschwinglichkeit, Qualität, Sicherheit und Zuverlässigkeit,
im Mittelpunkt steht. Unverzichtbar sind dabei angemessene
Entschädigungsmechanismen für Verbraucher und Nutzer, wenn die Betreiber die
entsprechenden Standards nicht erfüllen.
50.
Die Lizenzvergabe (Konzessionserteilung)
ist ein wichtiges Instrument, um die Einhaltung zwingend vorgeschriebener
Standards zu gewährleisten. Hält ein Marktteilnehmer die von der
Regulierungsstelle vorgeschriebenen – und in seiner Lizenz festgelegten –
Standards nicht ein, so kann die Regulierungsstelle die Lizenz entziehen. Zu
den weiteren Mitteln, mit denen die Einhaltung der Bestimmungen durchgesetzt
wird, zählen Bußgelder.
51.
Den Verbrauchern und Nutzern muss der
Beschwerdeweg offen stehen, z. B. falls der Betreiber die oben erwähnten
Standards nicht einhält. Diese Beschwerden werden normalerweise von der
Regulierungsstelle bearbeitet; in vielen Fällen sind die Regulierungsstellen
per Gesetz verpflichtet, zügig eine Entscheidung zu fällen (d. h. innerhalb
einer bestimmten Frist).
52.
Einige Regulierungsbehörden engagieren
sich auch durch die regelmäßige Bereitstellung von Marktinformationen für die
Verbraucher[80];
überwiegend wird diese Aufgabe allerdings durch Verbraucherverbände
wahrgenommen wird. Abgesehen von den oben genannten Kernverantwortungsbereichen
werden den Regulierungsstellen in den meisten Mitgliedstaaten weitere Aufgaben
übertragen, z. B. im Energiebereich die Umsetzung der Sozial- und
Umweltpolitik[81] und die
langfristige Planung der Sicherheit der Elektrizitäts- und Gasversorgung[82].
Diese zusätzlichen Aufgaben werden normalerweise durch spezifische nationale
Umstände bestimmt. Der Grund, dass diese Aufgaben den Regulierungsstellen
übertragen werden, liegt in vielen Fällen in deren technischer Erfahrung und
ihrer Kenntnis des Sektors.
1.2
Institutionelle Zusammenarbeit auf Gemeinschaftsebene
53.
Sektorspezifische Regulierungsstellen
werden von den Mitgliedstaaten eingesetzt und regulieren den nationalen Markt
in dem betreffenden Sektor. Allerdings sind die nationalen Märkte zugleich Teil
des Binnenmarktes der Gemeinschaft, weshalb sich die Entscheidungen der
nationalen Regulierungsstellen häufig auch auf grenzüberschreitende
Transaktionen auswirken. Folglich ist eine gewisse Kohärenz der nationalen
Regulierungskonzepte notwendig, um Verzerrungen zu vermeiden, die aus
verschiedenartigen Konzepten herrühren und die einwandfreie Funktion des
Binnenmarktes beeinträchtigen könnten. Im Eisenbahn- und Kommunikationssektor
enthalten die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft eine Klausel, nach der die
Regulierungsstellen ausdrücklich verpflichtet sind, ihre
Entscheidungsprinzipien untereinander zu koordinieren[83].
54.
Gegenwärtig existieren für die
betreffenden Sektoren verschiedene organisatorische Regelungen, die darauf
abzielen, die Kohärenz der Regulierungsbestimmungen zu gewährleisten.
Für verschiedene Sektoren wurden europäische Gremien gegründet, in denen die
Regulierungsstellen der Mitgliedstaaten sowie häufig auch aus Drittländern
mitwirken. Beispiele:
·
Der Rat der europäischen
Energieregulatoren (CEER) ist die Drehscheibe für Kontakte zwischen den
Regulierungsstellen und der Generaldirektion Energie und Verkehr der Europäischen
Kommission. Er pflegt enge Arbeitskontakte mit den Regulierungsbehörden in
Nordamerika und in den EU-Beitrittsländern. Schwerpunkt der Arbeit des CEER
sind Fragen im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Transaktionen; daneben
ist er aktiv an den Regulierungsprozessen von Florenz und Madrid beteiligt
(siehe unten).
·
Der Europäische Ausschuss für die
Regulierung der Post (CERP) setzt sich aus Vertretern der
Postaufsichtsbehörden der CEPT-Staaten (Europäische Konferenz für Verwaltungen
der Post und Telekommunikation) zusammen, einschließlich der EU- und der
Beitrittsländer sowie den EFTA- und weiteren Ländern wie Albanien oder der
Russischen Föderation. Der CERP erörtert regulative und operative Fragen des
Postsektors und fördert Kontakte zu den entsprechenden Gremien, um ein
gemeinsames Konzept zu entwickeln, aus dem sich gegebenenfalls Vorschläge und
Empfehlungen ableiten lassen.
·
Die Joint Aviation Authorities (JAAs)
bilden die Dachorganisation der einzelstaatlichen Zivilluftfahrtbehörden und
entwickeln gemeinsame Sicherheitsstandards und Verfahrensvorschriften für die
meisten Bereiche der zivilen Luftfahrt. Diese Standards sind nicht verbindlich,
sofern sie nicht in EU- oder nationales Recht umgesetzt werden.
55.
Eine spezielle Form der Koordination und
Zusammenarbeit der nationalen Regulierungsstellen besteht im Elektrizitäts- und
Gassektor. Um einen Konsens zwischen sämtlichen Parteien in Fragen
grenzüberschreitender Transaktionen im Gas- und Elektrizitätssektor
herbeizuführen, wurden zwei Regulierungsforen, das Madrider Forum und
das Forum von Florenz, eingerichtet. Diese Foren bringen unter dem
Vorsitz der Europäischen Kommission die nationalen Regulierungsstellen für den
Energiesektor sowie hochrangige Vertreter der Mitgliedstaaten, der Industrie
und der Verbraucher zusammen. Die von den Foren getroffenen Entscheidungen sind
nicht formell bindend, werden jedoch mit der Maßgabe getroffen, dass sie von
den nationalen Regulierungsstellen auf nationaler Ebene umgesetzt werden.[84].
Die Grenzen der beiden Foren werden allerdings mittlerweile in zunehmendem Maße
deutlich, insbesondere bei Entscheidungen zu kontroversen Themen. Die
Kommission unterbreitete daher im März 2001 einen Vorschlag für eine Verordnung
über den grenzüberschreitenden Elektrizitätsaustausch, in der ein Komitologieverfahren
zu den im Rahmen des Forums von Florenz erörterten Fragen festgelegt wird.
56.
Europäische Gruppen der
Regulierungsstellen
In jüngerer Zeit entstand in Form europäischer Gruppen der Regulierungsstellen
eine neue Organisationsform für die Mitwirkung nationaler Regulierungsstellen
auf europäischer Ebene, womit die Rolle sektorspezifischer Regulierungsbehörden
auf EU-Ebene gestärkt und festgeschrieben werden soll. Anders als bei den
Komitologieausschüssen müssen sich diese Gruppen aus den nationalen
Regulierungsstellen des betreffenden Sektors zusammensetzen. Dieses Konzept
wurde beispielsweise ausführlich im „Lamfalussy-Bericht“ zum zukünftigen
legislativen und regulativen Prozess des europäischen Wertpapiermarktes
erörtert, mit dem eine neue, effizientere Form der Regulierung entwickelt
werden sollte. Zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
wurde vor kurzem mit Beschluss der Kommission eine „Europäische
Regulatorengruppe“ für elektronische Kommunikationsdienste eingesetzt[85].
Die Ziele dieser Gruppe sind: Beratung und Unterstützung der Kommission bei der
Konsolidierung des Binnenmarktes für elektronische Kommunikationsnetze und
-dienste; (b) Schaffung einer Schnittstelle zwischen den nationalen
Regulierungsbehörden und der Kommission und Unterstützung bei der kohärenten
Umsetzung des Regulierungsrahmens in sämtlichen Mitgliedstaaten.
57.
Für die Bereiche Elektrizität und Gas
regte die Kommission als Antwort auf einen Vorschlag des Europäischen
Parlaments in ihren überarbeiteten Vorschlägen für die Vollendung des
Energiebinnenmarktes an, eine entsprechende Gruppe der Regulierungsstellen für
den Elektrizitäts- und Gassektor einzusetzen.
58.
Komitologie
In den meisten betroffenen Sektoren sind in den Rechtsvorschriften der
Gemeinschaft Komitologieverfahren festgeschrieben, in denen die Details der
Umsetzung der in den grundlegenden Rechtsvorschriften der Gemeinschaft
enthaltenen Bestimmungen festgelegt werden. Gemeinsam ist diesen Verfahren,
dass die Kommission die Beschlüsse nach Anhörung eines beratenden oder
Regulierungsausschusses, bestehend aus Vertretern der Mitgliedstaaten, annimmt.
Häufig werden Themen behandelt, die in besonderem Maße für grenzüberschreitende
Transaktionen von Bedeutung sind, z. B. Qualitätsstandards für
grenzüberschreitende Postdienste oder die Interoperabilität des Schienennetzes.
Komitologieausschüsse existieren für den Kommunikations-, Post-, Schienen- und
Luftverkehrssektor. Zu beachten ist dabei, dass die Mitgliedstaaten selbst
entscheiden müssen, wie sie in diesen Ausschüssen vertreten sind, und dass
daher die Beteiligung sektorspezifischer Regulierungsbehörden nicht
gewährleistet ist. In der Praxis werden jedoch Regulierungsstellen überall
dort, wo sie existieren, von den Mitgliedstaaten in diese Verfahrensabläufe
einbezogen. Im Elektrizitätssektor schlägt die Kommission in ihren Vorschlägen
zur Vollendung des Energiebinnenmarktes ein Komitologieverfahren zu Fragen vor,
die für die grenzüberschreitende Elektrizitätsübertragung von Bedeutung sind.
1.3 Besteht Bedarf an europäischen
Regulierungsstellen?
59.
Gegenwärtig existiert noch in keinem der
betroffenen Sektoren eine europäische Regulierungsbehörde. Allerdings wird der
Gedanke, eine entsprechende Stelle in bestimmten Sektoren auf europäischer
Ebene einzurichten, bereits seit einiger Zeit erörtert, insbesondere im
Kommunikationssektor[86].
So beschloss der Rat beispielsweise für den Luftverkehr vor kurzem auf der
Grundlage eines Vorschlags der Kommission, eine europäische
Luftverkehrssicherheitsagentur (EASA) zu gründen. Diese Agentur unterstützt die
Kommission bei der Verabschiedung gemeinsamer Standards zu
Luftverkehrssicherheit und Umweltschutzfragen im Rahmen eines
Komitologieverfahrens. Darüber hinaus ist sie für die Luftverkehrstauglichkeit
und Umweltzertifizierung von Luftverkehrserzeugnissen verantwortlich, die in
den Mitgliedstaaten entwickelt oder eingesetzt werden. Bisher war diese Aufgabe
von den nationalen Luftfahrtbehörden wahrgenommen worden. In dieser
(begrenzten) Hinsicht könnte die neue Agentur als europäische
Regulierungsstelle gelten. Im Eisenbahnsektor schlug die Kommission in ihrem
zweiten Eisenbahnpaket vom Januar 2002 die Gründung einer Europäischen
Eisenbahnagentur vor. Diese Agentur würde allerdings nicht unmittelbar eine
regulatorische Rolle übernehmen. In bestimmten Fällen käme ihr jedoch eine
beratende Rolle zu, die sich mit der Rolle der „Europäischen Gruppe der
Regulatoren“ im Kommunikationssektor vergleichen lässt.
2. Finanzierung
von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
60.
Die Überlebensfähigkeit zahlreicher
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse könnte durch die alleinige Anwendung
von Marktmechanismen gewährleistet werden; einige Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse benötigen allerdings spezifische Finanzierungsprogramme,
um ihr finanzielles Gleichgewicht wahren zu können.
61.
Im Allgemeinen wird für Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse durch das Gemeinschaftsrecht keine bestimmte
Finanzierungsform vorgeschrieben; die Entscheidung über die Finanzierung dieser
Dienste liegt bei den Mitgliedstaaten. Unabhängig vom angewandten
Finanzierungskonzept müssen allerdings die Vorschriften über Wettbewerb und
staatliche Beihilfen sowie die Bestimmungen über internationale Märkte im
EG-Vertrag erfüllt sein. Auf jeden Fall bietet der EG-Vertrag die Möglichkeit,
die Betreiber von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
für die bei der Erfüllung eines gemeinwirtschaftlichen Auftrags anfallenden
Mehrkosten zu entschädigen. Entschädigungszahlungen, die über das für die
Erfüllung der Aufgaben des im öffentlichen Interesse liegenden Dienstes
notwendige Maß hinausgehen, sind grundsätzlich nicht mit dem EG-Vertrag
vereinbar.
62.
Die Finanzierungskonzepte können
unterschiedlich ausgestaltet sein, z. B. die direkte Finanzierung durch
staatliche Haushaltsmittel, Beiträge von Marktteilnehmern, die Gewährung
besonderer oder ausschließlicher Rechte, die Bildung von Durchschnittstarifen
oder – bei nicht marktbestimmten sozialen Diensten – eine Finanzierung nach dem
Solidaritätsprinzip.
a) Direkte
Ausgleichszahlungen aus Haushaltsmitteln des Mitgliedstaats
Eine Form der
finanziellen Unterstützung für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
besteht in direkten Ausgleichszahlungen aus dem Haushalt eines Mitgliedstaats.
Diese Ausgleichszahlungen können als direkte Zahlungen an den Betreiber des
Dienstes oder durch andere finanzielle Vorteile wie z. B.
Steuerbefreiungen erfolgen, als deren Folge die Einnahmen des Haushalts des
Mitgliedstaats sinken. In bestimmten Fällen kann die direkte Ausgleichszahlung
durch einen Mitgliedstaat durch Finanzmittel der Gemeinschaft auf der Grundlage
des Kofinanzierungsprinzips ergänzt werden, z. B. über den Strukturfonds.
Bei direkten Ausgleichszahlungen wird die Belastung für die Finanzierung einer
gemeinschaftlichen Aufgabe auf sämtliche Steuerzahler verteilt. Diese Form der
Finanzierung bedeutet kein Zugangshindernis. Sie unterliegt in den
Mitgliedstaaten der parlamentarischen Kontrolle im Haushaltsverfahren.
b) Beitragszahlungen
durch Marktteilnehmer
Die Mitgliedstaaten können auch beschließen, dass die Nettokosten für die
Erbringung von Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse durch Unternehmensabgaben bei
denen erhoben werden, für die die Leistungen erbracht werden. Diese Möglichkeit
ist in den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft zu Telekommunikations- und
Postdiensten ausdrücklich verankert.
In diesem Fall müssten die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass das Verfahren der
Kostenumlage auf die Unternehmen auf objektiven und nichtdiskriminierenden
Kriterien basiert und dem Proportionalitätsprinzip entspricht. Dieses Prinzip
darf die Mitgliedstaaten nicht davon abhalten, neue Akteure, die noch keine
nennenswerte Präsenz am Markt erreicht haben, von den Abgaben zu befreien. Bei
jedem Finanzierungsmechanismus muss gewährleistet sein, dass die
Marktteilnehmer nur einen Beitrag zur Finanzierung des Universaldienstes, nicht
aber zu anderen Maßnahmen leisten, die nicht in direktem Zusammenhang mit der
Erfüllung der Verpflichtungen des Universaldienstes stehen. Bei diesem Mechanismus
müssen auf jeden Fall die Prinzipien des Gemeinschaftsrechts eingehalten
werden, insbesondere bei Umlageverfahren das Prinzip der Nichtdiskriminierung
und Proportionalität.
Die Nettokosten der Pflichten von Universaldiensten können auf alle oder nur auf
bestimmte Unternehmenskategorien aufgeteilt werden. Die nationalen
Regulierungsbehörden müssen sich davon überzeugen, dass jene Unternehmen, die
von der Finanzierung profitieren, zu den spezifischen Kosten, für die eine
entsprechende Finanzierung erforderlich ist, ausreichend detaillierte
Informationen vorlegen, um die Anträge prüfen zu können. Für die benannten
Betreiber bestehen Anreize für eine Erhöhung der veranschlagten Nettokosten der
gemeinschaftlichen Verpflichtungen. Die Mitgliedstaaten müssen also für
ausreichende Transparenz und Kontrolle der für die Finanzierung der
Verpflichtungen für Universaldienste in Rechnung gestellten Beträge sorgen.
Darüber hinaus ist in der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst bei
elektronischen Kommunikationsnetzen und –diensten festgelegt, dass die Konzepte
der Mitgliedstaaten zur Kostenermittlung und Finanzierung von Verpflichtungen
für Universaldienste der Kommission zur Prüfung auf Vereinbarkeit mit dem
EG-Vertrag mitzuteilen sind. Ferner heißt es dort in Erwägung 13, dass
„bei den Finanzierungsmechanismen sichergestellt sein [sollte], dass Nutzer in
einem Mitgliedstaat keinen Beitrag zu den Universaldienstkosten in einem
anderen Mitgliedstaat leisten, z. B. bei Anrufen von einem Mitgliedstaat in
einen anderen“.
c) Besondere
und ausschließliche Rechte
In bestimmten Fällen gewähren die Mitgliedstaaten besondere oder
ausschließliche Rechte, um die finanzielle Lebensfähigkeit eines Betreibers
eines Dienstes von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse zu gewährleisten. Die
Gewährung derartiger Rechte ist nicht per se unvereinbar mit dem
EG-Vertrag. Der
Europäische Gerichtshof befand in einem Urteil[87]:
Artikel 86 Absatz 2 des EG-Vertrags „erlaubt
es somit den Mitgliedstaaten, Unternehmen, die sie mit Dienstleistungen von
allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betrauen,
ausschließliche Rechte zu verleihen, die der Anwendung der Wettbewerbsregeln
des Vertrags entgegenstehen können, soweit Wettbewerbsbeschränkungen oder sogar
der Ausschluss jeglichen Wettbewerbs von Seiten anderer Wirtschaftsteilnehmer
erforderlich sind, um die Erfüllung der den Unternehmen, die über die
ausschließlichen Rechte verfügen, übertragenen besonderen Aufgabe
sicherzustellen”. Die Mitgliedstaaten müssen allerdings dafür Sorge tragen, dass diese
Rechte in Einklang mit den Bestimmungen des Binnenmarktes stehen und nicht auf
einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 82
durch den betreffenden Betreiber hinauslaufen. Grundsätzlich darf der
Wettbewerb auf bestimmten Märkten nur insoweit durch besondere oder
ausschließliche Rechte eingeschränkt werden, als diese zur Bereitstellung des
betreffenden Dienstes erforderlich sind.
Darüber hinaus kann die Freiheit der Mitgliedstaaten, besondere oder
ausschließliche Rechte zu vergeben, auch durch sektorspezifische
Rechtsvorschriften der Gemeinschaft eingeschränkt werden.[88].
(d) Bildung
von Durchschnittstarifen
Für einige Dienste wie z. B. bestimmte Telekommunikations- oder
Postdienste schreiben die Mitgliedstaaten vor, dass ein Universaldienst zu
einem einheitlichen Tarif für das gesamte Staatsgebiet des Mitgliedstaats
erbracht wird. In diesen Fällen basieren die Tarife auf dem ermittelten
Durchschnitt der Bereitstellungskosten des Dienstes, die erheblich variieren
können, z. B. je nachdem, ob die Dienste in einem dicht bewohnten Gebiet
oder in einer abgelegenen ländlichen Gegend erbracht werden. Im Allgemeinen –
und vorbehaltlich einer Überprüfung auf Missbrauch durch die Kommission – deckt
sich die Bildung von Durchschnittstarifen mit dem Gemeinschaftsrecht, sofern
sie von einem Mitgliedstaat aus Gründen des territorialen und sozialen
Zusammenhalts vorgeschrieben wird und dabei die in Artikel 86 Absatz 2
des EG-Vertrags festgelegten Bedingungen eingehalten werden[89].
(e) Solidarische
Finanzierung und Pflichtmitgliedschaft
Aufgrund ihrer Bedeutung wird diese Finanzierungsform hier ebenfalls
erwähnt, sie betrifft allerdings nur die Förderung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, die nicht wirtschaftlicher Art sind. Die sozialen
Grundversicherungssysteme in den Mitgliedstaaten basieren normalerweise auf
Konzepten, mit denen soziale Ziele verfolgt werden und in denen das
Solidaritätsprinzip zum Ausdruck kommt. Sie sollen sämtliche in ihren
Geltungsbereich fallenden Personen gegen Risiken wie Krankheit, Alter, Tod und
Invalidität absichern, und zwar unabhängig von deren finanzieller Situation und
deren Gesundheitszustand zum Zeitpunkt ihres Eintritts. Das Solidaritätsprinzip
kann beispielsweise in Krankenversicherungssystemen dadurch zum Ausdruck
kommen, dass diese Systeme durch Beiträge proportional zur Höhe des
Erwerbseinkommens der Erwerbstätigen finanziert werden, die Leistungen sich
aber nach den Erfordernissen der Empfänger richten. In diesem Fall bedeutet die
Solidarität also eine Einkommensumverteilung zwischen den Bessergestellten und
jenen, die aufgrund ihrer verfügbaren Mittel und ihres Gesundheitszustands
andernfalls nicht die notwendige soziale Absicherung erhalten würden. Zugleich
lindert sie Marktunzulänglichkeiten in Verbindung mit der Krankenversicherung
aufgrund von größenbedingten Einsparungen, Risikoauswahl und moralischem
Risiko. In Rentenversicherungssystemen kommt die Solidarität dadurch zum
Ausdruck, dass die Beiträge der Erwerbstätigen zur Finanzierung der Renten der
nicht mehr erwerbstätigen Arbeitnehmer verwendet werden. Darüber hinaus kommt
sie darin zum Ausdruck, dass auch Rentenansprüche ohne entsprechende
Beitragszahlungen oder Rentenansprüche, die nicht proportional zu den
einbezahlten Rentenbeiträgen sind, anerkannt werden. Auch eine Solidarität der
verschiedenen Sozialversicherungssysteme untereinander ist insofern denkbar,
als Systeme, die Überschüsse erwirtschaften, zur Finanzierung der Systeme mit
strukturellen finanziellen Schwierigkeiten beitragen. Diese
Sozialversicherungssysteme basieren auf einem Pflichtbeitragssystem, das für
die Umsetzung des Solidaritätsprinzips und das finanzielle Gleichgewicht dieser
Systeme unabdingbar ist. Darüber hinaus unterliegt die Verwaltung dieser
Systeme im Allgemeinen auch der umfassenden staatlichen Aufsicht.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erfüllen Verbände, denen
die Erbringung derartiger Leistungen übertragen wurde und die nach dem Prinzip
der nationalen Solidarität und ohne Erwerbszweck tätig sind, eine
ausschließlich soziale Funktion. Diese Verbände üben keine Wirtschaftstätigkeit
aus und sind nicht als Unternehmen im Sinne des Gemeinschaftsrechts zu
betrachten[90]. Es wäre
allerdings zu prüfen, ob die Kriterien und Auswirkungen einer auf dem
Solidaritätsprinzip basierenden Finanzierung der Sozialversicherungssysteme
einer Klärung auf Gemeinschaftsebene bedürfen.
63.
Die Bestimmungen für Binnenmarkt,
Wettbewerb und staatliche Beihilfen zielen darauf ab, dass durch die
finanzielle Förderung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse keine
Wettbewerbsverzerrungen sowie Verzerrungen in der Funktion des Binnenmarktes
eintreten. Darüber hinaus zielen die bestehenden sektorspezifischen
Rechtsvorschriften lediglich darauf ab, dass die durch die Mitgliedstaaten
geschaffenen Finanzierungsmechanismen möglichst geringe Wettbewerbsverzerrungen
verursachen und den Markteinstieg erleichtern. Weitere relevante Kriterien für
die Wahl eines Finanzierungsmechanismus, z. B. Effizienz,
Rechenschaftspflicht oder Umverteilungseffekte, werden nicht berücksichtigt. In
der gegenwärtigen Phase ist die Kommission der Ansicht, dass eine Debatte
darüber in Gang kommen sollte, ob aus diesen Kriterien zu folgern wäre, dass
spezifische Finanzierungsmechanismen bevorzugt werden sollten und ob die
Gemeinschaft Maßnahmen zur Förderung spezifischer Finanzierungsmechanismen
ergreifen sollte.
3. Die
Evaluierung von Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse
64.
Die Evaluierung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse steht in engem Zusammenhang mit der Evaluierung der Leistungsfähigkeit
der Wirtschaftszweige, die diese Dienste bereitstellen. Diese
Leistungsfähigkeit basiert auf der Erbringung eines quantitativen und
qualitativen Nutzens für Nutzer und Verbraucher und folglich darauf, dass die
Zufriedenheit dieses Personenkreises gesteigert wird. Die Evaluierung der
Leistung mit der gewährleistet werden soll, dass die Ziele des
wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts und des
Umweltschutzes erreicht werden, ist in erster Linie eine Aufgabe auf
Gemeinschaftsebene. Aus rein wirtschaftlichem Blickwinkel ist die Evaluierung
deshalb wichtig, weil die Sektoren, die diese Dienste bereitstellen, einen
erheblichen Teil des BIP der EU erwirtschaften und die Preisgestaltung in
diesen Wirtschaftszweigen sich auch auf die Kosten in anderen Sektoren
auswirkt. Die Evaluierung von netzgebundenen Wirtschaftszweigen, die
Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse erbringen, ist
gegenwärtig auch aufgrund des Umstands gerechtfertigt, dass diese Sektoren
infolge regulatorischer, technischer, sozialer und wirtschaftlicher Umwälzungen
tief greifende strukturelle Reformen durchlaufen. Die Evaluierung der
Leistungsfähigkeit sollte allerdings in sämtliche Wirtschaftsbereichen
erfolgen, die Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse erbringen, unabhängig davon, ob
sie strukturellen Änderungen unterliegen oder nicht. Die Evaluierung ist
darüber hinaus wichtig, weil die Informationen, die damit gewonnen werden,
wichtige Ausgangsdaten für fundierte politische Erörterungen und für eine auf
sachkundige Regulierung der jeweiligen Sektoren darstellen. Des Weiteren ist
eine Evaluierung aus Gründen der „good governance“ gerechtfertigt. Die
Evaluierung liefert Nachweise, Urteilsgrundlagen und Informationen für die
Entwicklung, Anpassung und Kontrolle der politischen Maßnahmen. Aus all diesen
Gründen hält die Kommission die Beurteilung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse für wichtig und hat sie eine entsprechende Strategie erarbeitet.
3.1 Ein
dreigliedriges Konzept
65.
In der Mitteilung über Leistungen der
Daseinsvorsorge in Europa aus dem Jahr 2000 wurde bereits festgestellt: „Die
Auseinandersetzung der Gemeinschaft mit Leistungen der Daseinsvorsorge geht
über die reine Vollendung des Binnenmarkts in Form der Bereitstellung eines
Instrumentariums zur Sicherung von Qualitätsstandards, der Koordinierung der
Regulierungsbehörden und der Bewertung der Maßnahmen hinaus. (…) Beiträge
dieser Art sollen die nationalen, regionalen und lokalen Maßnahmen in den
jeweiligen Bereichen keineswegs ersetzen, sondern unterstützen[91]“.
Entsprechend diesen Vorgaben führt die Europäische Kommission regelmäßige
Evaluierungen der Leistungsfähigkeit der Wirtschaftszweige durch, die Dienste
von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse bereitstellen. Diese Evaluierung
stützt sich auf drei Säulen.
66.
Die Kommission hat „horizontale
Bewertungen“ in ihrer Strategie für eine effiziente Evaluierung von Diensten
von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse verankert. Im Dezember 2001 legte
die Kommission eine erste horizontale Bewertung[92]
als Anlage zum „Bericht über die Funktionsweise der gemeinschaftlichen Güter-
und Kapitalmärkte“[93]
vor. Sie enthielt die Grundzüge für die zukünftige horizontale Überwachung und
regelmäßige Evaluierung dieser Dienste entsprechend den Wünschen des Rates. In
Einklang mit der Aufforderung des Rates zur Vorlage einer Methodik zur
Evaluierung der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
wurde in der Mitteilung „Methodik der horizontalen Bewertung von
Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse[94]“
eine Methodik festgelegt, die von der Kommission bei zukünftigen horizontalen
Evaluierungen angewandt werden soll. Die Kommission erstellt jährliche
Berichte, in denen die Ergebnisse der horizontalen Evaluierung der Dienste von
allgemeinem wirtschaftlichen Interesse dargestellt werden. Die Berichte
bestehen aus drei Hauptteilen: Analyse der strukturellen Veränderungen und der
Marktleistung, Ergebnisse des kontinuierlichen Verbraucherbefragungsprozesses
und sektorenübergreifende Prüfung horizontaler Themen. Zunächst decken die
horizontalen Evaluierungen die Bereiche Luftverkehr, öffentlicher Lokal- und
Regionalverkehr, Elektrizität, Gas, Postdienste, Schienenverkehr und
Telekommunikation in den Mitgliedstaaten ab.
67.
Neben horizontalen Beurteilungen setzt
die Europäische Kommission auch die sektoralen Beurteilungen der
Wirtschaftszweige fort, die Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
bereitstellen[95]. Die
wirtschaftlichen, technischen und regulatorischen Rahmenvorgaben differieren
innerhalb der verschiedenen Wirtschaftszweige erheblich, d. h. bestimmte
Fragestellungen sind an bestimmte Wirtschaftsbereiche gekoppelt und können in
horizontalen Bewertungen nicht in vollem Umfang erfasst werden. Darüber hinaus
sind diese sektoralen Bewertungen geeignete Instrumente für die Überwachung der
Umsetzung der Richtlinien und die wirksame Anwendung der in nationales Recht
umgesetzten Rechtsvorschriften sowie als Mittel zum Vergleich der sektoralen
Regulierungsmaßnahmen. Damit erhält die Kommission eine Grundlage, anhand derer
sie die Mitgliedstaaten bei zukünftigen Regulierungsmaßnahmen anleiten und
bewährte sektorale Praktiken erörtern kann. Zusätzlich entsteht hierdurch ein
guter Überblick über mögliche Defizite bei der Einhaltung der
EU-Rechtsvorschriften.
68.
Die Evaluierung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse wäre nicht vollständig, wenn darin nicht auch die Stellungnahmen der
verschiedenen von diesen Diensten betroffenen Beteiligten Berücksichtigung
fänden (sämtliche Nutzer/Verbraucher, Betreiber, Regulierungsstellen,
Sozialpartner, Behörden usw.). Die Stellungnahmen der Betroffenen werden bei
der Evaluierung durch die Kommission berücksichtigt und dienen als Richtschnur
für künftige politische Maßnahmen. Speziell die Zufriedenheit der Verbraucher
mit den Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse wird durch
Eurobarometer-Meinungsumfragen und ‑Qualitätserhebungen erfasst[96].
3.2 Umfang
der Evaluierung
69.
Unter den gegenwärtigen Bedingungen des
strukturellen und regulatorischen Wandels sind beim Evaluierungsprozess vier
Fragen zu berücksichtigen.
(a) Ergeben
sich aus den strukturellen Veränderungen in den Sektoren, die Dienste von
allgemeinem Interesse bereitstellen, Vorteile für Nutzer und Verbraucher in
Form von niedrigeren Preisen und besseren Dienstleistungen?
Die Liberalisierung von Wirtschaftszweigen, die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse bereitstellen, dürfte den Wettbewerb fördern und damit zu einer
Ausweitung der Wahlmöglichkeiten führen. Außerdem wären die Unternehmen dadurch
gezwungen, ihre Produktion zu rationalisieren und bessere und innovativere
Dienstleistungen zu günstigeren Preisen anzubieten. Diese vielfältigen Vorteile
dürften zu mehr Wohlstand führen, sofern geeignete Maßnahmen zur Wahrung der
Verbraucher- und Nutzerrechte ergriffen werden. Die Vorteile der Marktöffnung
können jedoch nur an die Nutzer und Verbraucher weitergegeben werden, wenn
entsprechende Regulierungs- und Wettbewerbsbedingungen gegeben sind. Die
Evaluierung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse ist
eine wichtige Voraussetzung, um Anzeichen für mögliche Mängel bei der
Weitergabe dieser Vorteile und für deren mögliche Abschöpfung durch bestimmte
wirtschaftliche Akteure aufzuzeigen. Dieses Ziel steht in Einklang mit dem
allgemeinen Streben der Kommission nach besserer Governance und
Rechtsetzung in der Europäischen Union.
(b) Wie entwickeln
sich Zugangsmöglichkeiten und Qualität hinsichtlich der Bereitstellung von Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse?
Teil der Marktleistung sind auch Qualität und Erschwinglichkeit der
Dienstleistungen. Mit der Öffnung der Märkte besteht die Befahr, dass durch ein
entsprechendes Wettbewerbsumfeld die Preise auf Kosten der Qualität dieser
Dienstleistungen oder auf Kosten einer Ungleichverteilung der Vorteile auf die
Nutzer und Verbraucher unter Druck geraten. Daher sind bei der Evaluierung in
besonderem Maße die Interaktionen zwischen den verschiedenen
Infrastrukturnetzen und den Zielen – wirtschaftliche Effizienz, Schutz der
Verbraucher und Nutzer, wirtschaftlicher, sozialer und territorialer
Zusammenhalt – zu berücksichtigen. Ein zentraler Aspekt in diesem Zusammenhang
ist die Zugänglichkeit der Netze. So ist es beispielsweise im Energie- und
Verkehrssektor sinnvoll zu untersuchen, wie die einzelnen Netzen untereinander
vernetzt sind und insbesondere wie die dies geografisch in den am weitesten und
in den weniger entwickelten Gebieten aussieht.
(c) Wie
wirken sich Veränderungen in den Sektoren, die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse erbringen, auf die Beschäftigungssituation aus?
Die Wirtschaftszweige, die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
erbringen, wurden lange vom öffentlichen Sektor betrieben und sind große
Arbeitgeber. Mit dem Auftreten von Wettbewerbern entstehen Ängste, dass die
Beschäftigungskosten unter erheblichen Anpassungsdruck geraten. Aus diesen
Ängsten erwächst auch eine der hauptsächlichen Quellen des Widerstands gegen
strukturelle Veränderungen. Daher ist es wichtig zu beurteilen, in welchem
Umfang diese Kosten entstehen. Ziel dieser Beurteilung ist, sowohl die direkten
als auch die indirekten Auswirkungen auf die Beschäftigung abzuschätzen. Eine
Ausweitung des Umfangs dieser Analysen ist daher von besonderer Bedeutung;
neben den kurzfristigen Auswirkungen in den Wirtschaftszweigen, die diese Dienste
bereitstellen, müssen auch die langfristigen gesamtwirtschaftlichen
Auswirkungen untersucht werden.
(d) Wie werden
diese Entwicklungen von den Nutzern bzw. Verbrauchern wahrgenommen?
Der letzte Themenbereich betrifft die Frage, wie die Entwicklung der
Leistungsfähigkeit dieser Sektoren in der Praxis wahrgenommen wird. Es kann in
der Tat zu Diskrepanzen zwischen den beobachteten Entwicklungen und deren
Wahrnehmung in der Öffentlichkeit kommen. Da die Nutzer und Verbraucher letzten
Endes die Nutznießer der von diesen Wirtschaftszweigen bereitgestellten Dienste
sein sollten, muss deren Meinung unbedingt ermittelt werden. Allerdings ist zu
beachten, dass die Begünstigten sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher
Akteure – von Privathaushalten bis zu Unternehmen unterschiedlichster
Ausprägung (hinsichtlich Erträgen, Größe und anderen Merkmalen) –
zusammensetzen. Die verschiedenen Gruppen müssen bei der Evaluierung also
separat untersucht werden.
3.3 Problembereiche
70.
Ein Haupthindernis für eine umfassende
Evaluierung sind die immensen Unterschiede in der Datenverfügbarkeit. Die
Europäische Kommission hat durch die Aufstellung entsprechender Leitlinien eine
wichtige Rolle bei der Vereinheitlichung und Standardisierung der
Datenerfassung übernommen. Seit dem Jahr 2000 veröffentlicht sie eine Liste von
Strukturindikatoren[97],
wovon einige auch im Zusammenhang mit Wirtschaftszweigen stehen, die Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse bereitstellen. Die Mitteilung zu einer Methodik
zur Evaluierung von Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse enthält in ihrem Anhang eine
Liste mit Indikatoren (wovon allerdings einige gegenwärtig nicht vorliegen),
die für die Evaluierung besonders geeignet sind. Diese Liste käme als Grundlage
für die Erörterung möglicher Verbesserungen bei der Datenerhebung mit
potenziellen Datenlieferanten in Frage. Zu der Ressourcenknappheit bei den
nationalen Regulierungs- und Statistikstellen und den nach wie vor vorhandenen
methodischen Unterschieden, die die Vergleichbarkeit erschweren, kommt immer mehr
hinzu, dass der Prozess der Marktöffnung als solcher die Verfügbarkeit und die
Qualität der Daten beeinträchtigen kann. So hat die Einführung des Wettbewerbs
in manchen Fällen dazu geführt, dass mehr Daten erhoben und ausgewertet wurden
als vor dem Eintritt privatwirtschaftlicher Unternehmen. Umgekehrt stehen
einige Mitgliedstaaten vor dem Problem, dass Unternehmen ihre strategischen
Informationen nicht preisgeben, da sie sie als marktsensitiv einstufen – was
übrigens nicht immer nachvollziehbar ist. In der Diskussion wird es also
u. a. darum gehen müssen, zwischen der für die Bewertung und die
Politikgestaltung notwendigen Datenerhebung und dem Recht der Unternehmen,
diese Informationen vertraulich zu behandeln, einen Ausgleich herzustellen.
71.
Darüber hinaus muss bei der Evaluierung
das richtige Gleichgewicht zwischen wirtschafts- und sozialpolitischen
Erwägungen gefunden werden, insbesondere hinsichtlich der Qualität der
bereitgestellten Dienste und des sozialen und territorialen Zusammenhalts. Bei dieser
Frage liefert das bestehende Regelwerk zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse nur bedingt Orientierungshilfe.
72.
Um einen Überblick zu bekommen, hat die
Kommission eine Evaluierungsstrategie entwickelt und den notwendigen Input für
diese Debatte geliefert. Die Rolle der Kommission erstreckte sich bis jetzt auf
die Durchführung horizontaler Evaluierungen über die Länder- und
Sektorengrenzen hinweg sowie auf die Aufgabe, für eine weiter gehende
Koordination zwischen den nationalen Regulierungsstellen zu sorgen, damit
innerhalb der einzelnen Mitgliedsländer eine Angleichung der Wettbewerbs- und
Regulierungsbedingungen erreicht wird. Allerdings ist die Kommission nicht in
der Lage, einen auf einen kohärenten Überblick vorzulegen, in dem alle – häufig
divergierenden – Standpunkte der verschiedenen beteiligten Partien zur
Leistungsfähigkeit der Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse umfassend repräsentiert sind.
Folglich ist eine breit angelegte Erörterung der Frage notwendig, wie die
Evaluierung durchgeführt werden kann und wer diese Aufgabe übernehmen soll.
Zudem ist nicht auszuschließen, dass es neben der von der Kommission auf
Gemeinschaftsebene durchgeführten Evaluierung (entsprechend dem
Subsidiaritätsprinzip) zusätzliche Evaluierungen auf anderen Ebenen oder durch
andere Gremien gibt. Die Frage, ob eine Evaluierungsstelle auf
Gemeinschaftsebene unabhängig von der Kommission und/oder von den
Mitgliedstaaten sein müsste, bedarf einer ergebnisoffenen Diskussion.
73.
Wie in der Entschließung des Europäischen
Parlaments angesprochen[98],
muss die Beteiligung der Öffentlichkeit erheblich ausgeweitet werden. Das
Parlament schlägt vor, eine Aussprache innerhalb der verschiedenen bestehenden
Foren (Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, Ausschuss der Regionen,
beratende Gremien, Verbände in Initiativen im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sowie Verbraucherverbände) herbeizuführen. Die Ergebnisse
dieser Aussprache müssen berücksichtigt und als Orientierung für die
Evaluierungen genutzt werden. Darüber hinaus müssen die Evaluierungen selbst noch
eingehender erörtert werden. Eine breite gesellschaftliche Debatte über die
Performance der Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse ist durchaus willkommen, sofern
die Interessen aller beteiligten Parteien ausgewogen und angemessen
repräsentiert werden. Innerhalb des gegenwärtigen institutionellen Rahmens ist
unklar, worin die jeweilige Rolle der Institutionen und Organisationen bei der
Evaluierung der Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse bestehen sollten und wie die
Debatte strukturiert und organisiert werden sollte.
4. Die
internationale Dimension: Handelspolitik
4.1 Liberalisierung
des Handels mit Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse im Rahmen der
Welthandelsorganisation (WTO)
74.
Die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten
sind am Allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS)[99]
beteiligt, dem wichtigsten multilateralen Regelwerk für den Handel mit
Dienstleistungen; darin sind die Mitglieder der WTO bindende Verpflichtungen
zur Öffnung bestimmter Dienstleistungssektoren – unter festgelegten Bedingungen
– für den Wettbewerb durch Anbieter aus dem Ausland eingegangen.
4.1.1 Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse sind nicht aus dem GATS ausgeklammert
75.
Der Begriff „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ ist im GATS nicht zu finden. Die GATS-Disziplinen gelten für alle „committed
services“ (Dienstleistungen, für die Verpflichtungen bestehen), allerdings
mit zwei Ausnahmen:
·
Luftverkehrssektor: Verkehrsrechte und
sämtliche Dienstleistungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der
Wahrnehmung von Verkehrsrechten stehen;
·
alle Sektoren: Dienstleistungen, die für
die Öffentlichkeit in Ausübung hoheitlicher Befugnisse erbracht werden,
d. h. sämtliche Dienstleistungen, die weder gewerblich noch im Wettbewerb
mit einem oder mehreren anderen Dienstleistern erbracht werden.
Es sei angefügt, dass Dienstleistungen –
einschließlich Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse –, die für öffentliche
Körperschaften mittels eines Beschaffungsverfahrens erbracht werden, derzeit
nicht den Kernverpflichtungen des GATS (Meistbegünstigung, Inländerbehandlung,
Marktzugang, mögliche zusätzliche Vrpflichtungen) unterliegen. Die Gemeinschaft
hat sich jedoch verpflichtet, den Vertragsparteien des ebenfalls im Rahmen der
WTO ausgehandelten Übereinkommens über öffentliches Beschaffungswesen
Meistbegünstigung und Inländerbehandlung zu gewähren.
4.1.2 Im GATS sind
allgemeine und sicherheitsbedingte Ausnahmen vorgesehen, die weitgehend den
Ausnahmen des EG-Vertrags entsprechen
76.
Unter der Voraussetzung, dass
entsprechende Maßnahmen nicht in einer Weise angewendet werden, die ein Mittel
zu willkürlicher oder unberechtigter Diskriminierung von Ländern, in denen
gleiche Bedingungen herrschen, oder eine verdeckte Beschränkung des Handels mit
Dienstleistungen darstellen, darf das GATS nicht dahingehend ausgelegt werden,
dass es die Annahme oder Durchsetzung von Maßnahmen eines Mitglieds verhindert,
die u. a. erforderlich sind, um die öffentliche Moral oder die öffentliche
Ordnung aufrechtzuerhalten, um das Leben oder die Gesundheit von Menschen,
Tieren und Pflanzen zu schützen, um die Einhaltung von Gesetzen oder sonstigen
Vorschriften zu gewährleisten, die zur Verhinderung irreführender und
betrügerischer Geschäftspraktiken oder zur Behandlung der Folgen einer
Nichterfüllung von Dienstleistungsverträgen dienen, die zum Schutz der
Persönlichkeit bei der Verarbeitung und Weitergabe personenbezogener Daten und
zum Schutz der Vertraulichkeit persönlicher Aufzeichnungen und Konten und zur
Gewährleistung der Sicherheit dienen (Artikel XIV des GATS).
77.
Darüber hinaus darf das GATS nicht
dahingehend ausgelegt werden, dass ein Mitglied Informationen zur Verfügung
stellen muss, deren Offenlegung nach seiner Auffassung seinen wesentlichen
Sicherheitsinteressen zuwiderläuft, oder dass ein Mitglied daran gehindert
wird, Maßnahmen zu treffen, die es zum Schutz seiner wesentlichen
Sicherheitsinteressen für notwendig hält (Artikel XIV b des GATS). In der
Präambel des GATS ist außerdem das Recht der Mitglieder verankert, die
Erbringung von Dienstleistungen in ihrem Hoheitsgebiet zu regeln, um nationale
politische Ziele zu erreichen.
4.1.3 Die
Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen von allgemeinem Interesse ist
von den Verpflichtungen der Mitglieder der WTO abhängig
78.
Bei den Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse, die nicht aus dem Geltungsbereich des GATS-Übereinkommens
ausgeklammert sind, ist das Ausmaß der von den einzelnen Ländern gewährten
Öffnung nicht automatisch festgelegt, sondern separat auszuhandeln. Bestimmte
GATS-Disziplinen – z. B. die Meistbegünstigung und die Transparenz –
gelten durchweg für sämtliche unter das GATS fallenden Dienstleistungssektoren;
die spezifischen Verpflichtungen – Marktzugang, Inländerbehandlung und mögliche
weitere Verpflichtungen – gelten allerdings nur, soweit die Länder in dem
betreffenden Sektor eine entsprechende Verpflichtung eingegangen sind. Der Grad
der sektoralen Abdeckung variiert erheblich; kein Mitglied ist Verpflichtungen
für sämtliche Dienstleistungssektoren eingegangen. Eingegangene Verpflichtungen
können unter bestimmten Auflagen immer noch zurückgenommen oder geändert
werden. Die speziellen Verfahren hierfür sind in Artikel XXI des GATS
festgelegt.
4.1.4 Das GATS schreibt
keine Privatisierung oder Deregulierung von Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse vor. Es bleibt den Mitgliedern der WTO überlassen, in Wahrnehmung
ihrer hoheitlichen Befugnisse über diese Fragen selbst zu entscheiden.
79.
Ein gemeinsames Modell für
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse existiert unter den Mitgliedern der
WTO nicht. Dieses Konzept variiert vielmehr je nach den Sektoren sowie den
nationalen Traditionen und Rechtsbestimmungen in den betreffenden
Mitgliedsländern. Im GATS-Übereinkommen bleibt es den Mitgliedern überlassen zu
entscheiden, ob sie Dienstleistungen von allgemeinem Interesse selbst – direkt
oder indirekt (durch öffentliche Unternehmen) – oder durch Beauftragung von
Dritten erbringen. Dienstleistungen von allgemeinem Interesse können also – was
auch häufig geschieht – durch öffentliche oder private Unternehmen bzw.
gemeinsam von beiden erbracht werden.
80.
Das Ziel des GATS lautet, einen
multilateralen Rahmen mit Prinzipien und Bestimmungen für den Handel mit
Dienstleistungen abzustecken, um diesen Handel im Sinne von Transparenz und
zunehmender Liberalisierung auszuweiten. Dabei geht es nicht um die
Deregulierung der Dienstleistungen, die zu einem erheblichen Teil aus guten
Gründen streng reguliert sind. Außerdem untersagt das GATS hinsichtlich der
allgemein geltenden Ausnahmen keineswegs die Annahme oder Durchsetzung von
Maßnahmen, die u. a. zum Schutz der öffentlichen Moral, der öffentlichen
Ordnung oder des Schutzes des Lebens und der Gesundheit von Mensch, Tier und
Pflanzen notwendig sind.
81.
Allerdings ist anzumerken, dass
WTO-Mitglieder, die in Wahrnehmung ihrer Hoheitsrechte Verpflichtungen für
einen bestimmten Dienstleistungssektor eingegangen sind, die Regulierung der
Dienste in diesem Sektor in transparenter und berechenbarer Weise gestalten
müssen. In diesem Zusammenhang werden die Mitglieder der WTO durch das GATS
aufgefordert, Vorschriften für bestimmte besondere Maßnahmen zu entwickeln, die
den Handel im Dienstleistungsbereich beeinflussen (Qualifikationsanforderungen
und –verfahren, technische Standards und Lizenzierungsauflagen). Durch diese
GATS-Disziplinen soll gewährleistet werden, dass diese spezifischen Maßnahmen
sich auf objektive und transparente Kriterien stützen und – was die
Notwendigkeit der Gewährleistung der Dienstequalität anbelangt – den Handel mit
Dienstleistungen nicht unnötig behindern. Bis jetzt wurde nur bei Disziplinen
im Bereich des Rechnungswesens eine Vereinbarung erzielt, sie ist allerdings
nicht in Kraft getreten.
82.
In Ausübung ihrer Hoheitsrechte können
sich die WTO-Mitglieder in jedem Fall – über den Marktzugang und die
Inländerbehandlung hinaus – zur Einhaltung spezifischer rechtlicher Auflagen
verpflichten. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass rund 75
WTO-Mitglieder sich zu bestimmten gemeinsamen Regulierungsprinzipien für den
Telekommunikationssektor verpflichtet und hierzu ein „Referenzpapier“
unterzeichnet haben, welches Bestimmungen u. a. zu Wettbewerb,
Zusammenschlüssen, Lizenzverfahren und zur Unabhängigkeit der Regulierungsstellen
enthält.
4.1.5 Das GATS schließt
die Auferlegung von Gemeinwohlverpflichtungen nicht aus
83.
Das GATS ermöglicht den Mitgliedern der
WTO die Festsetzung von Gemeinwohlverpflichtungen im Rahmen der
Liberalisierung. Die WTO-Mitglieder können ausländischen Diensteerbringern
umfassenden Marktzugang und Inländerbehandlung gewähren und ihnen gleichzeitig
dieselben Gemeinwohlverpflichtungen auferlegen wie inländischen Anbietern.
Selbst wenn sie darüber hinausgehen und sich gemeinsamen Regulierungsvorschriften
unterwerfen, wie es verschiedene im Telekommunikationsbereich durch das
„Referenzpapier“ gemacht haben, kann es sein, dass sie auch weiterhin das Recht
haben, die Art der Gemeinwohlverpflichtungen (Universaldienstverpflichungen)
festzulegen, die sie aufrechterhalten möchten.
4.1.6 Die
Subventionierung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse ist durch das
GATS nicht verboten.
84.
Gegenwärtig sind im GATS nur
Verhandlungen vorgesehen, in denen die notwendigen Disziplinen entwickelt
werden, die subventionsbedingte Handelsverzerrungen verhindern sollen
(Artikel XV des GATS). Solange entsprechende multilaterale Disziplinen
fehlen, sind Subventionen jeglicher Art zulässig, allerdings nur unter Wahrung
des Prinzips der Inländerbehandlung, da es sich bei Subventionen um Maßnahmen
handelt, welche den Handel mit Dienstleistungen beeinflussen. Folglich muss bei
Dienstleistungen, bei denen ein WTO-Mitglied Verpflichtungen hinsichtlich des
Marktzugangs eingegangen ist, ein Land, das die Gewährung von Subventionen auf
einheimische Dienstleistungserbringer beschränken möchte, eine entsprechende
Erklärung über die Begrenzung der Inländerbehandlung in die Verpflichtungen
aufnehmen.
85.
Einem WTO-Mitglied, das Verpflichtungen
im Zusammenhang mit Dienstleistungen von allgemeinem Interesse eingegangen ist,
ist es somit freigestellt, ob und in welchem Umfang inländische Subventionen
ausländischen Dienstleistungsanbietern, die Marktzugang zu diesen
Dienstleistungen erhalten, gewährt werden. Eine entsprechende Entscheidung muss
in einer Verpflichtung über die Inländerbehandlung festgeschrieben werden.
4.1.7 Die Gemeinschaft
übernimmt Verpflichtungen hinsichtlich Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse im Einklang mit den entsprechenden Binnenmarktregeln
86.
In der Uruguay-Runde ging die
Gemeinschaft verbindliche Verpflichtungen für bestimmte Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse ein (z. B. Telekommunikation, privat finanzierte
Bildungseinrichtungen, Umwelt-, Gesundheits- und Verkehrsdienstleistungen). In
diesen Verpflichtungen wurde die Lage auf dem Binnenmarkt berücksichtigt, und
sie unterlagen zugleich bestimmten spezifischen Einschränkungen.
87.
Die spezifischen Verpflichtungen, die in
der Uruguay-Runde eingegangen wurden, beschränken sich stets darauf, dass
ausländischen Dienstleistungsanbietern der Marktzugang und die
Inländerbehandlung gewährt wurden, die Dienstleistungsanbieter aus der
Gemeinschaft im Binnenmarkt in jenen Sektoren genießen, die dem Wettbewerb
offen stehen. Die Bestimmungen des Binnenmarktes werden also auch durch die
Verpflichtung der Gemeinschaft zur Einhaltung des „Referenzpapiers“ für den
Telekommunikationssektor in vollem Umfang eingehalten. Durch keine dieser
Verpflichtungen wird die interne Gestaltung dieser Sektoren eingeschränkt. Die
Mitgliedstaaten sind darüber hinaus weiterhin berechtigt, auch in Bereichen, in
denen spezifische Verpflichtungen eingegangen wurden, Gemeinwohlverpflichtungen
festzulegen, die auch für ausländische privatwirtschaftliche
Dienstleistungserbringer gelten (z. B. im Bereich der Universaldienste,
der Qualitätsstandards oder des Schutzes von Verbrauchern/Nutzern)[100].
Hinsichtlich der Finanzierung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse,
für die Verpflichtungen im Bereich des Marktzugangs eingegangen wurden, behält
sich die Gemeinschaft durch horizontale Beschränkungen die Möglichkeit vor,
Dienstleistungen im öffentlichen Sektor bereitzustellen oder zu
subventionieren.
88.
Im Bereich der gegenwärtigen
WTO-Verhandlungen im Dienstleistungssektor hat die Gemeinschaft an andere
Mitglieder der WTO Anträge auf[101]
Liberalisierung der meisten Dienstleistungssektoren formuliert: gewerbliche und
andere unternehmensbezogene Dienstleistungen, Post- und Kurierdienstleistungen,
Baudienstleistungen, Vertriebsdienstleistungen, Umweltdienstleistungen,
Finanzdienstleistungen, Nachrichtenagenturdienstleistungen, Tourismusdienstleistungen,
Verkehrsdienstleistungen und Energiedienstleistungen. Anträge für den Bereich
der Gesundheitsdienstleistungen oder der audiovisuellen Dienstleistungen wurden
noch für kein Land gestellt; für den Bereich der Bildungsdienstleistungen liegt
lediglich in den USA ein Antrag vor, die sich auf privat finanzierte höhere
Bildungsdienstleistungen beschränkt. Über diese Anträge versucht die
Gemeinschaft weder, Dienstleistungen von allgemeinem Interesse abzubauen, noch
Unternehmen in Staatsbesitz in Drittländern zu privatisieren. Auch wird
anerkannt, dass die Liberalisierung des Dienstleistungshandels in zahlreichen
Fällen durch einen institutionellen und regulatorischen Rahmen untermauert
werden muss, der den Fortbestand des Wettbewerbs gewährleistet und den Zugang
zu diesen Dienstleistungen auch für ärmere Bevölkerungsgruppen verbessert. So
gesehen wird durch diese Anträge in keiner Weise die Möglichkeit der
Regierungen der Zielländer untergraben oder eingeschränkt, die Preisgestaltung,
Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit von Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse nach eigenem Ermessen zu regulieren. Die Gemeinschaft verlangt
lediglich, dass Dienstleistungsanbietern der Gemeinschaft Marktzugang
eingeräumt wird, damit sie mit den inländischen Dienstleistungsanbietern zu
gleichen Bedingungen konkurrieren können.
89.
Umgekehrt werden die Bereitstellung von
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse innerhalb der Gemeinschaft, das
Recht der Gemeinschaft auf Regulierung des eigenen Dienstleistungssektors und
die Gestaltung des eigenen regulatorischen Rahmens durch die Angebote der
Gemeinschaft nicht beeinträchtigt. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen,
dass in dem – umfassenden – Angebot, das die Europäische Gemeinschaft und ihre
Mitgliedstaaten der WTO am 29. April 2003 vorgelegt haben[102],
keinerlei neuen Verpflichtungen für Gesundheits- und Bildungsdienstleistungen
vorgeschlagen werden. Bei anderen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
(z. B. Telekommunikations-, Post- und Kurier-, Umwelt- und
Verkehrsdiensten) gehen die Angebote des Entwurfs nicht über den Stand der
Liberalisierung im Binnenmarkt hinaus; vielmehr bleibt die Möglichkeit zur
Auferlegung von Universaldienstverpflichtungen erhalten.
90.
Bezüglich der Finanzierung von
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse wird vorgeschlagen, die horizontalen
Beschränkungen im Bereich der Subventionen beizubehalten, um die Nachhaltigkeit
des öffentlichen Sektors zu erhalten. Bei den Subventionsverhandlungen nach
Artikel XV des GATS, die noch nicht sehr weit gediehen sind, wird die
Gemeinschaft auf jeden Fall die internen Entwicklungen im Bereich der
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse berücksichtigen.
4.2 Liberalisierung
des Handels mit Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im bilateralen und
im multilateralen Kontext
91.
Auf bilateraler Ebene[103]
sind in verschiedenen Handelsabkommen Bestimmungen zur Liberalisierung des
Dienstleistungssektors enthalten. Normalerweise erstrecken sich diese auf den
gesamten Handel mit Dienstleistungen; lediglich im audiovisuellen Bereich, im
Bereich der Kabotage im Seeverkehr und bei den Luftverkehrsrechten bestehen
einige wenige Ausnahmen. Spezifische Ausnahmen für Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse sind in diesen Vereinbarungen nur verankert, wenn
öffentliche Versorgungsunternehmen ein Monopolstellung oder ausschließliche Rechte
genießen.
92.
Das Ausmaß, in dem der Handel mit
Dienstleistungen liberalisiert ist, variiert von Abkommen zu Abkommen. Der
jeweilige Grad der Liberalisierung von Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse richtet sich somit nach den Verpflichtungen, die die Vertragsparteien
eingehen. Während die Anzahl der berücksichtigten Sektoren und die
Liberalisierungsziele im GATS und in den bilateralen Übereinkünften
unterschiedlich sind, ist der Gemeinschaftsstandpunkt auf beiden Ebenen im
Wesentlichen der gleiche. Die auf bilateraler Ebene von der Gemeinschaft
eingegangenen Verpflichtungen stehen in jedem Fall im Einklang mit dem
gemeinschaftlichen Binnenmarkt.
93. Hinsichtlich der Subventionen sind in einigen bilateralen Übereinkünften (im EWR-Abkommen und in den Europaverträgen) Bestimmungen verankert, die sich an den gemeinschaftlichen Vorschriften für staatliche Beihilfen orientieren. Die Gemeinschaft überwacht deren Umsetzung, um die notwendige Kohärenz mit der Gemeinschaftsregelung zu gewährleisten. Die übrigen bilateralen Abkommen, die die Gemeinschaft abgeschlossen hat, erstrecken sich nicht auf Subventionen im Dienstleistungssektor; falls doch, sind die entsprechenden Bestimmungen nicht besonders streng.
[1] Der Binnenmarkt - Zehn Jahre ohne Grenzen,
SEK(2002) 1417 vom 7.1.2003
[2] „Leistungen
der Daseinsvorsorge in Europa“, ABl. C 281 vom 26.9.1996, S. 3
[3] „Leistungen
der Daseinsvorsorge in Europa“, ABl. C 17 vom 19.1.2001, S. 4
[4] KOM(2001) 598
vom 17.10.2001
[5] In
Artikel 86 Absatz 2 heißt es: „Für Unternehmen, die mit
Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind ...,
gelten die Vorschriften dieses Vertrags, insbesondere die Wettbewerbsregeln,
soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen
besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Die Entwicklung des
Handelsverkehrs darf nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem
Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft.“
[6] Artikel
16 des Vertrags lautet: „Unbeschadet der Artikel 73, 86 und 87 und in
Anbetracht des Stellenwerts, den Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem
Interesse innerhalb der gemeinsamen Werte der Union einnehmen, sowie ihrer
Bedeutung bei der Förderung des sozialen und territorialen Zusammenhalts tragen
die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse
im Anwendungsbereich dieses Vertrags dafür Sorge, dass die Grundsätze und
Bedingungen für das Funktionieren dieser Dienste so gestaltet sind, dass sie
ihren Aufgaben nachkommen können“
[7] Artikel 36
der Charta hat folgenden Wortlaut: „Die Union anerkennt und achtet den
Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, wie er
durch die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten im Einklang
mit dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft geregelt ist, um den
sozialen und territorialen Zusammenhalt der Union zu fördern“
[8] Siehe
auch Schlussfolgerungen des Vorsitzes auf dem Europäischen Rat von Barcelona am
15. und 16. März 2002, Abschnitt 42, und auf dem Europäischen Rat von
Brüssel am 20. und 21. März 2003, Abschnitt 26
[9] Oft
werden die Begriffe „öffentlicher Dienst“ und „öffentlicher Sektor“
verwechselt. Der Begriff „öffentlicher Sektor“ umfasst sämtliche staatlichen
Verwaltungsbehörden einschließlich aller von den staatlichen Verwaltungsbehörden
kontrollierten Unternehmen.
[10] Für
das 2. Halbjahr 2003 plant die Kommission die Veröffentlichung eines
Grünbuchs zum öffentlichen Auftragswesen und zu öffentlich-privaten
Partnerschaften. In ihrer Mitteilung „Ausbau des transeuropäischen
Verkehrsnetzes: Neue Formen der Finanzierung – Interoperable elektronische
Mautsysteme“, KOM(2003) 132 vom 23.4.2003, untersucht die Kommission auf
der Suche nach Lösungen für den Ausbau des Verkehrsnetzes auch das Potenzial
solcher Partnerschaften
[11] Siehe
Artikel 73 des EG-Vertrags
[12] In
ihrer Mitteilung über Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa aus dem Jahr 2000
hat die Kommission die drei Grundsätze erläutert, die der Anwendung dieser
Bestimmungen zugrunde liegen: die Grundsätze der Neutralität, der
Gestaltungsfreiheit und der Verhältnismäßigkeit
[13] Siehe
Artikel 36 der Charta der Grundrechte
[14] Siehe
insbesondere Richtlinie Nr. 75/442/EWG über Abfälle, ABl. L 194 vom
25.7.1975, S. 47 und Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates zur
Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus
der Europäischen Gemeinschaft, ABl. L 30 vom 6.2.1993, S. 1
[15] Richtlinie
89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter
Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der
Fernsehtätigkeit, ABl. L 298 vom 17.10.1989, S. 23
[16] KOM(1999) 657
vom 14.12.1999
[17] ABl.
C 320 vom 15.11.2001, S. 5. In dieser Mitteilung erkennt die
Kommission die besondere Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei der
Förderung der demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse jeder
Gesellschaft an, die in dem Protokoll zum Vertrag von Amsterdam eingeräumt
wurde. Die Mitgliedstaaten sind dafür zuständig, das öffentlich-rechtliche
Rundfunksystem zu gestalten und über seine Finanzierung zu entscheiden. Es
steht ihnen darüber hinaus frei, ein breites Programmspektrum als zum
Grundversorgungsauftrag zugehörig zu bestimmen, das beispielsweise Unterhaltung
und Sportveranstaltungen einschließen kann. Die Kommission ist dagegen
verpflichtet zu kontrollieren, dass kein Missbrauch getrieben wird und keine
Überkompensierung im Sinne der in der Mitteilung genannten Kriterien erfolgt
[18] Eine
Definition einer sektorspezifischen Regulierungsbehörde ist in dem Beschluss
der Kommission Nr. 2002/627/EG vom 29. Juli 2002 zur Einrichtung der
Gruppe Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikationsnetze
und ‑dienste enthalten (ABl. L 200 vom 30.7.2002, S. 38): „Im
Sinne dieser Entscheidung bezeichnet ,maßgebliche nationale Regulierungsbehörde‘
die gemäß der Rahmenrichtlinie in jedem Mitgliedstaat eingerichtete Behörde,
deren Aufgabe die Überwachung der alltäglichen Auslegung und Anwendung der
Bestimmungen der Richtlinien über elektronische Kommunikationsnetze und
-dienste ist.“
[19] In
diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Rechtsakte der Union Gegenstand
der Diskussionen im Europäischen Konvent sind. So ist in Artikel 24 bis 28
des Vorentwurfs des Verfassungsvertrags die vorgeschlagene Spanne möglicher
Rechtsakte aufgeführt
[20] EuGH,
Pavel Pavlov und Andere/Stichting Pensioenfonds Medische Specialisten,
verbundene Rechtssachen C-180-184/98, Slg. 2000, I-6451
[21] ABl.
C 17 vom 19.1.2001, S. 4 (Nrn. 28-30)
[22] KOM(2001) 598
vom 17.10.2001 (Nr. 30)
[23] Vgl.
Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen
Kommunikationsnetzen und ‑diensten (Universaldienstrichtlinie), ABl. L 108
vom 24.4.2002, S. 51
[24] Beispielsweise
verpflichtet Artikel 3 Absatz 1 der Postrichtlinie (97/67/EG) die
Mitgliedstaaten, „ständig flächendeckend postalische Dienstleistungen“
zu erbringen. Vgl. Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die
Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die
Verbesserung der Dienstequalität, ABl. L 15 vom 21.1.1998, S. 14
[25] In
Artikel 3 Absatz 2 der Stromrichtlinie heißt es: „Die
Mitgliedstaaten können ... den Elektrizitätsunternehmen gemeinwirtschaftliche
Verpflichtungen im Allgemeininteresse auferlegen, die sich auf die Sicherheit,
einschließlich der ... Regelmäßigkeit ... der Lieferungen ... beziehen
können. Diese Verpflichtungen müssen klar definiert, transparent,
nichtdiskriminierend und überprüfbar sein; diese gemeinwirtschaftlichen
Verpflichtungen sowie deren etwaige Änderungen werden veröffentlicht und der
Kommission von den Mitgliedstaaten unverzüglich mitgeteilt.“ Vgl.
Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember
1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt. ABl.
L 27 vom 30.1.1997, S. 20
[26] Im
Zusammenhang mit der vorgeschlagenen Änderung der Elektrizitäts- und
Gasrichtlinie ist das weiter gefasste Konzept der „angemessenen
Preisgestaltung“ in der Diskussion
[27] Im
Luftverkehr schließt das beispielsweise Maßnahmen gegen Überbuchungen und eine
Entschädigungsregelung für den Fall der Nichtbeförderung ein
[28] KOM(2002) 208;
ABl. C 137 vom 8.6.2002, S. 2
[29] ABl.
C 17 vom 19.1.2001, S. 4
[30] Untergang
des Öltankers „Prestige“ und SARS
[31] KOM(2001) 574
vom 10.10.2001
[32] Neben
den jüngsten Vorschlägen nach dem Unglück mit der „Prestige“ siehe auch die
Vorschläge der Europäischen Kommission nach dem Untergang der „Erika“ im Jahr
1999: KOM(2000) 142 und KOM(2000) 802
[33] Angenommen
am 6. November 2002. Siehe insbesondere die Mitteilung zur nuklearen
Sicherheit, KOM(2002) 605
[34] Hin
zu einer europäischen Strategie für Energieversorgungssicherheit – Grünbuch,
KOM(2000) 769 vom 29.11.2000
[35] Abschlussbericht
über das Grünbuch „Hin zu einer europäischen Strategie für
Energieversorgungssicherheit“. KOM(2002) 321 vom 29.6.2002
[36] Vorschlag
für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die
Angleichung der Maßnahmen zur Sicherung der Versorgung mit Erdölerzeugnissen,
ABl. C 331 E vom 31.12.2002, S. 249; Vorschlag für eine
Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen zur
Gewährleistung der sicheren Erdgasversorgung, ABl. C 331 E vom 31.12.2002,
S. 262
[37] Vgl.
Commission Staff Working Paper, Security of supply, The current situation at
European Union level, SEC(2002) 243 vom 28.2.2002
[38] Pluralismus
und Medienkonzentration im Binnenmarkt - Bewertung der Notwendigkeit einer
Gemeinschaftsaktion, Grünbuch der Kommission. KOM(92) 480 vom 23.12.1992
[39] Siehe
auch das Protokoll über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den
Mitgliedstaaten, das dem Vertrag von Amsterdam beigefügt ist
[40] Beispielsweise
erlegt die Postrichtlinie den Mitgliedstaaten die Verpflichtung auf, an
mindestens fünf Tagen der Woche Zustellungen an die Endnutzer zu garantieren.
Den Mitgliedstaaten steht es frei, mehr Zustellungen anzuordnen oder die
Zustellungsanforderung im Einzelnen weiter zu regeln
[41] Für
den örtlichen Binnenverkehr hat die Kommission Rechtsvorschriften
vorgeschlagen, die die Vergabe von Lizenzen für öffentliche Dienstleistungen
durch Mitgliedstaaten erfordern würden. Vgl. Geänderter Vorschlag für eine
Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen der
Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit Anforderungen des öffentlichen Dienstes und
der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für den Personenverkehr auf
der Schiene, der Straße und auf Binnenschifffahrtswegen, ABl. C 151 E
vom 25.6.2002, S. 146
[42] EuGH
11.4.1989, Ahmed Saeed Flugreisen und Silver Line Reisebüro GmbH/Zentrale
zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V., Rechtssache C-66/86
[43] EuGH
23.4.1991, Klauf Höfner und Fritz Elser/Macrotron GmbH, Rechtssache
C-41/90
[44] EuGeI
8.7.1999, Vlaamse Televisie Maatschapij NV/Kommission der
Europäischen Gemeinschaften, Rechtssache T-266/97
[45] Unabhängig
von der im einzelstaatlichen Recht verwendeten Definition
[46] Vgl.
Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im
Gemeinschaftsrecht, ABl. C 121 vom 29.4.2000, S. 2
[47] Im
Wassersektor hat beispielsweise das Fehlen einer speziellen einschlägigen
Verordnung in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedliche Branchenstrukturen
entstehen lassen. Vgl. WRc/Ecologic, Study on the Application of the
Competition Rules to the Water Sector in the European Community, December 2002,
abrufbar unter:
http://europa.eu.int/comm/competition/publications/studies/water_sector_report.pdf.
In der Wasser-Rahmenrichtlinie 2000/60/EG (ABl. L 327 vom 22.12.2000,
S. 1) werden wirtschaftliche Aspekte angesprochen und Transparenzregeln
für Dienstleistungen im Bereich Wasser festgelegt. In Artikel 9 der
Richtlinie, in dem es um die Preisfestsetzungspolitik geht, wird von den
Mitgliedstaaten insbesondere verlangt, dem Grundsatz der Deckung der Kosten der
Wasserdienstleistungen, einschließlich umwelt- und ressourcenbezogener Kosten,
sowie dem Verursacherprinzip Rechnung zu tragen
[48] Weitere
Einzelheiten siehe Anhang
[49] Siehe
Liberalisation of Network Industries. Economic implications and main policy
issues, European Economy No. 4, 1999
[50] Bericht
über den Stand der Arbeiten betreffend die Leitlinien
für staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit Dienstleistungen von allgemeinem
wirtschaftlichen Interesse, 13.12.2002.
[51] Artikel 13
der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen
Kommunikationsnetzen und ‑diensten (Universaldienstrichtlinie), ABl. C 108
vom 24.4.2002, S. 51
[52] Artikel 7
und Artikel 9 Absatz 4 der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame
Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der
Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität, ABl. L 15 vom
21.1.1998, S. 14, geändert durch Richtlinie 2002/39/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates, ABl. L 176 vom 5.7.2002, S. 21
[53] Artikel 4 der Verordnung (EWG)
Nr. 2408/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über den Zugang von
Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken des innergemeinschaftlichen
Flugverkehrs, ABl. L 240 vom 24.8.1992, S. 8
[54] Verordnung
(EWG) Nr. 1191/69 vom 26. Juni 1969 über das Vorgehen der
Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen
Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Strassen- und
Binnenschiffsverkehrs, ABl. L 156 vom 28.6.1969, S. 1, zuletzt
geändert durch Verordnung (EWG) des Rates Nr. 1893/91, ABl. L 169 vom
29.6.1991, S. 1
[55] Europäisches
Regieren - Ein Weißbuch, KOM(2001) 428 vom 25.7.2001; Bericht für den
Europäischen Rat in Laeken, KOM(2001) 598 vom 17.10.2001
[56] Bericht
für den Europäischen Rat in Laeken, KOM(2001)598 vom 17.10.2001; Mitteilung der
Kommission - Methodik der horizontalen Bewertung von Dienstleistungen von
allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, KOM(2002) 331 vom 18.6.2002
[57] Mitteilung
der Kommission - Methodik der horizontalen Bewertung von Dienstleistungen von
allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, KOM(2002) 331 vom 18.6.2002
[58] Nähere
Angaben hierzu siehe Anhang
[59] Siehe
Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen
Kommunikationsnetzen und diensten (Universaldienstrichtlinie), ABl. L 108
vom 24.4.2002, S. 51
[60] Siehe
Richtlinie 2002/22/EG, ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 51; Richtlinie
97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über
gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste
der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität, ABl. L 15 vom
21.1.1998, S. 14; Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des
Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 92/96/EG und
98/30/EG über Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und den Erdgasbinnenmarkt,
ABl. C 227 E vom 24.9.2002, S. 393
3 Richtlinie
97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997
über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der
Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität, ABl. L 15 vom
21.1.1998, S. 14
[62] Richtlinie
96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996
betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt, ABl.
L 27 vom 30.1.1997, S. 20
[63] Siehe
Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2002/22/EG
[64] ABl.
C 17 vom 19.1.2001, S. 4
[65] „Hin
zu einer europäischen Strategie für Energieversorgungssicherheit“, Grünbuch,
KOM(2000) 769 vom 29.11.2000
[66] Abschlussbericht
über das Grünbuch „Hin zu einer europäischen Strategie für
Energieversorgungssicherheit “, KOM(2002) 321 vom 29.6.2002
[67] Vorschlag
für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die
Angleichung der Maßnahmen zur Sicherung der Versorgung mit Erdölerzeugnissen,
ABl. C 331 E vom 31.12.2002, S. 249; Vorschlag für eine
Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen zur
Gewährleistung der sicheren Erdgasversorgung, ABl. C 331 E
vom 31.12.2002, S. 262
[68] KOM(2001) 298
[69][69] Siehe
Commission Staff Working Paper, Security of supply, The current situation at
European Union level, SEC(2002) 243 vom 28.2.2002.
[70] Zudem wurden zahlreiche Märkte für
Leistungen der Daseinsvorsorge erst in jüngster Zeit dem Wettbewerb geöffnet;
die bestehenden Betreiber halten häufig während eines bestimmten Zeitraums eine
dominierende Stellung auf ihren nationalen Märkten. Ein gewisses Maß an
Aufsicht und Kontrolle durch die Regulierungsbehörden ist somit notwendig, um
Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung zu verhindern
[71] In
anderen Sektoren ist dies technisch oder wirtschaftlich nicht attraktiv
[72] Infrastrukturverwaltung
und –betreiber können Teil ein und derselben Rechtspersönlichkeit sein, doch
müssen die Zuweisung von Netzkapazitäten und das Erheben von Nutzungsentgelten
durch ein Gremium erfolgen, das rechtlich, organisatorisch und verwaltungsmäßig
unabhängig von jedwedem Eisenbahnunternehmen ist. (Siehe Richtlinie 2001/14/EG,
ABl. L 75 vom 15.3.2001, S. 29)
[73] Richtlinie
2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über
einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und
-dienste (Rahmenrichtlinie), ABl. Nr. L 108 vom 24.4.2002, S. 33
[74] Pluralismus
und Medienkonzentration im Binnenmarkt – Bewertung der Notwendigkeit einer
Gemeinschaftsaktion, Grünbuch der Kommission, KOM(92) 480 vom 23.12.1992
[75] Siehe
Protokoll über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten, dem
EG-Vertrag durch den Vertrag von Amsterdam angefügt
[76] Eine
Definition einer sektorspezifischen Regulierungsbehörde findet sich in
Beschluss 2002/627/EG der Kommission vom 29. Juli 2002 zur Einrichtung der
Gruppe Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikationsnetze
und -dienste, ABl. L 200 vom 30.7.2002, S. 38: „Im Sinne
dieser Entscheidung bezeichnet „maßgebliche nationale Regulierungsbehörde"
die gemäß der Rahmenrichtlinie in jedem Mitgliedstaat eingerichtete Behörde,
deren Aufgabe die Überwachung der alltäglichen Auslegung und Anwendung der
Bestimmungen der Richtlinien über elektronische Kommunikationsnetze und -dienste
ist“
[77] siehe
EuGH, Frankreich/Kommission, Rechtssache C-202/88, Slg. 1991, I-1223, Randnrn.
51und 52, und EuGH, Thierry Tranchant, Rechtssache C-91/94, Slg. 1995, I-3911,
Randnrn. 18 und 19
[78] In
bestimmten Fällen, z. B. im Bereich der elektronischen Kommunikation,
werden die übergeordneten politischen Ziele der „nationalen
Regulierungsbehörden” in den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft festgelegt
[79] Zu
beachten ist dabei, dass sich die Verantwortungsbereiche der Wettbewerbs- und
der Regulierungsbehörden teilweise überschneiden. Unangemessene Preisgestaltung
kann mit den Vorschriften der Regulierungsstelle unvereinbar sein und zugleich
einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne des
Wettbewerbsrechts darstellen. Es ist daher wichtig, dass die Aufgaben der
Regulierungsstellen und der Wettbewerbsbehörden in der Praxis klar voneinander
abgegrenzt sind. Grundsätzlich gilt, dass die Regulierungsstelle
sektorspezifische Vorschriften aufstellt, durch die häufig die Notwendigkeit
eines Eingreifens der Wettbewerbsbehörde entfällt. Umgekehrt ist es Sache der
Wettbewerbsbehörde, dort einzuschreiten, wo die Regulierungsstelle nicht in der
Lage ist, die Einhaltung horizontaler Wettbewerbsregeln zu gewährleisten, oder
aber keine entsprechenden Maßnahmen einleitet
[80] Beispielsweise
die Regulierungsstellen für den Energiesektor im Vereinigten Königreich und in
Dänemark. Im Kommunikationssektor ist durch die Rechtsvorschriften der
Gemeinschaft vorgeschrieben, dass die Regulierungsstellen die Bereitstellung
von Informationen für die Verbraucher fördern sollen, damit Letztere eine
Wahlmöglichkeit haben (Artikel 21 und 22 der Universaldienstrichtlinie
(2002/22/EG))
[81] Beispielsweise
im Vereinigten Königreich und in Schweden
[82] Beispielsweise
in Belgien
[83] Artikel 31
der Richtlinie 2001/14/EG und Artikel 7 Absatz 2 der Rahmenrichtlinie
für den Kommunikationssektor
[84] Weitere
Einzelheiten zu den Foren von Florenz und Madrid sind zu finden unter:
http://europa.eu.int/comm/energy/en/elec_single_market/florence/index_en.html;
http://europa.eu.int/comm/energy/en/gas_single_market/madrid.html
[85] ABl.
L 200 vom 30.7.2002, S. 38
[86] Siehe
die beiden unabhängigen im Auftrag der Kommission angefertigten Studien:
Eurostrategies/Cullen International, The possible added value of a European
Regulatory Authority for telecommunications, Dezember 1999; Nera &
Denton Hall, Issues associated with the creation of a European Regulatory
authority for telecommunications, März 1997
[87] EuGH
17. Mai 1993, Corbeau, Rechtssache 320/91, Slg. 1993, I-2533,
Randnr. 14
[88] Siehe
Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 2002/77/EG der Kommission vom
16. September 2002 über den Wettbewerb auf den Märkten der elektronischen
Kommunikationsnetze und -dienste, ABl. L 249 vom 17.9.2002,
S. 21, und Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 97/67/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame
Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der
Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität, ABl. L 15
vom 21.1.1998, S. 14
[89] EuGH
17. Mai 1993, Corbeau, Rechtssache 320/91, Slg. 1993, I-2533,
Randnr. 15
[90] EuGH
17. Februar 1993, Poucet und Pistre, verbundene Rechtssachen 159/91 und
160/91, Slg. 1993, I-637, Randnrn. 18 und 19, und EuGH 22. Januar
2002, Cisal di Battistello Venanzio & C. Sas/INAIL, Rechtssache
C 218/00, Slg. 2002, I-691, Randnr. 44
[91] KOM(2000) 580,
S. 23 f
[92] Marktleistung der netzgebundenen Wirtschaftszweige, die
Leistungen der Daseinsvorsorge erbringen: eine erste horizontale Bewertung,
SEK(2001) 1998
[93] KOM(2001) 736
[94] KOM(2002) 331
[95] Siehe
hierzu die Beispiele aus den Sektoren Telekommunikation, Post, Energie und
Verkehr im Bericht der Kommission über Leistungen der Daseinsvorsorge, KOM(2001) 598
vom 17.10.2001, S. 15
[96] http://europa.eu.int/comm/consumers/cons_int/serv_gen/cons_satisf/index_de.htm
[97] Siehe
KOM(2002) 551 vom 16.10.2002 und Arbeitspapier der Kommission zum Bericht
der Kommission für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates in Brüssel über
die Lissabonner Strategie (KOM(2003) 5), SEK(2003) 25/2 vom 7.3.2003
[98] Bericht
des Europäischen Parlaments vom 17.10.2001 zur Mitteilung der Kommission über
„Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa” (KOM(2000) 580) – A5-361/2001,
Berichterstatter: Werner Langen
[99] Siehe
die Veröffentlichung der Europäischen Kommission „GATS 2000: Öffnung der
Dienstleistungsmärkte“ und die Veröffentlichung der WTO „GATS. Facts and
fiction“. Der Wortlaut des GATS ist im ABl. L 336 vom 23.12.1994,
S. 190, veröffentlicht
[100] Darüber
hinaus können die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten die Ausnahmebestimmungen
des GATS anwenden
[101] Siehe unter http://europa.eu.int/comm/trade:
«GATS: Pascal Lamy responds to Trade Union concerns on public services
Brussels, 7 June 2002» und «Summary Of The EC's Initial Requests To Third
Countries In the GATS Negotiations, Brussels, 1 July 2002»
[102] Siehe
unter http://europa.eu.int/comm/trade .
[103] Siehe
http://europa.eu.int/comm/trade/bilateral/index_en.htm