Abg.z.NR Dr. Eva Lichtenberger

Wien, am 3. Oktober 2003

 

 

 

Grüne Arbeitsunterlage für den Konventausschuss Nr. 1

 

Für die weitere Arbeit im Ausschuss werden die grünen Positionen fürs Erste wie folgt umrissen:

 

Staatsaufgaben

 

Einen Staatsaufgabenkatalog gibt es in der Verfassung derzeit nicht, sondern ergibt sich ein solcher allenfalls indirekt aus den Grundrechten, den Staatszielen, den Kompetenzbestimmungen und sonstigen Bestimmungen der Verfassung (zB Gerichtsbarkeit). Es gibt einen faktischen Status quo an Staatsaufgabenerfüllung, der sich in konkreten gesetzlichen Regelungen, der staatlichen Eigentümerschaft und Leistungserbringung ausdrückt. Ein definitiver Staatsaufgabenkatalog in Verfassungsrang wäre ein Korsett und würde schnelles Reagieren der Politik auf neue Problemlagen verhindern. Außerdem dürften für die Aufgabenabgrenzung zu unterschiedliche Vorstellungen unter den Parteien gegeben sein, sodass hier kein Konsens zu finden ist. Auch die Bestimmung von Kernaufgaben (ds solche, die der Staat jedenfalls selbst erbringen  muss) birgt die Gefahr in sich, dass folglich alle übrigen Aufgaben ohne große Überlegungen ausgegliedert oder aufgegeben werden können. Diese strikte Hierarchisierung der Staatsaufgaben durch die Bestimmung von Kern- und Randaufgaben ist wenig zielführend. Es ist die Kunst der Politik, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Freiheit, Gleichheit und Solidarität der Bürger/innen zu schaffen. Im Verhältnis zum geltenden Verfassungstext wäre die soziale und ökologische Dimension insbesondere im Grundrechtsbereich aufzuwerten.

 

Aus grüner Sicht macht die Staatsaufgabendebatte im Konvent nur Sinn, wenn die Kriterien (Sachlichkeit und Effizienz) für ausnahmsweise Ausgliederungen verschärft werden, sodass Allerweltsbegründungen[1] bei einer verfassungsmäßigen Prüfung nicht durchgehen. Garantien für ausgegliederte Bereiche: Wird die Aufgabe, deren Erbringung im öffentlichen Interesse ist, privat erbracht, so müssen die Verbraucherrechte (auf Information etc.) gestärkt werden, was deren effiziente und günstige Rechtsdurchsetzung mitein schließen muss. Es wird zu prüfen sein, welche verfassungsrechtlichen Vorsorgen für eine hohe Qualität der Leistungserbringung und des Verbraucherschutzes getroffen werden können. In diesem Punkt ist eine Zusammenarbeit mit Ausschuss 7 (siehe dessen Mandat) naheliegend. Eine besondere Betrachtung verdienen Non Profit-Organisationen in diesem Zusammenhang, insbesondere die Themen Basisfinanzierung, Rechtsanspruch auf Förderung und Gleichbehandlung der Organisationen. Ausgliederungen und parlamentarische Kontrolle: Die Reichweite der parlamentarischen Kontrollrechte (Anfragerecht) muss zumindest der Reichweite der RH-Kontrolle entsprechen, wenn nicht völlig neue Grenzen zu ziehen sind.

 

Staatsziele

 

Die bestehenden Staatsziele sind anlassbezogen und unvollständig. Eine Ausweitung der Staatsziele macht nur Sinn, wenn die Staatsziele so formuliert sind, dass ihnen Garantiefunktion zukommt bzw wenn ihnen entsprechende Grundrechte und Institutionsbestimmungen korrespondieren (Zusammenarbeit mit Ausschuss 4 notwendig). Auf schöne Worte in der Verfassung, denen kein Mindestmaß an normativer Wirkung zukommt, ist zu verzichten. Sollte einem wirkungsvollen Staatszielkatalog näher getreten werden, so ist auf dessen Ausgewogenheit zu achten.

 

Präambel

 

Ein Grundrechtskatalog ist auch Spiegel der Grundwerte eines Staates. Insofern erübrigt sich eine eigene Präambel zur Verfassung. Sofern sie die Identifikation des/der Bürger/in mit dem Staatswesen und der Verfassung verstärken soll, ist zu bedenken, dass jener Mehrwert, den eine Präambel gegenüber dem übrigen Verfassungstext für die Mehrheit zu bringen vermag, für Minderheiten allenfalls ausschließende Signale beinhaltet. Die Grünen stehen daher einer Präambel skeptisch gegenüber.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



[1] Siehe Begründung zur Auslagerung der Wertpapieraufsicht, RV zum WertpapieraufsichtG 369dBeil, 20.GP): Die Wertpapieraufsicht sei erforderlich, weil eine funktionsfähige Bundesdienststelle nicht errichtet werden könne, da ausreichend qualifiziertes Personal durch den Bund oder das Land nicht rekrutiert werden könnte und die nötige EDV-Ausrüstung in der Staatsverwaltung nicht rechtzeitig eingerichtet werden könnte.