Michael, Lothar

Der experimentelle Bundesstaat

In: JuristenZeitung 2006, S. 884-890

 

Dieser Beitrag befasst sich auf einer sehr grundsätzlichen Ebene mit der Bundesstaatsreform in Deutschland 2006. Diese Reform rührt in den Augen vieler Kommentatoren an die grundlegenden Strukturen des deutschen Bundesstaates. In der Auseinandersetzung mit verschiedenen Bundesstaatstheorien und deren Bedeutung wird die Entwicklung vom unitarischen über den kooperativen und subsidiären zum experimentellen Bundesstaat dargestellt. Der „experimentelle“ Charakter ergibt sich dabei aus den nunmehr geschaffenen „Abweichungskompetenzen“ der Länder. Das heißt, dass die Länder jetzt Zugriffsrechte auf bestimmte Bereiche der Bundesgesetzgebung haben. Dieses Regelungsmodell beinhaltet also die Möglichkeit, dass Landesrecht vom Bundesrecht abweicht, und dass das Recht der Länder untereinander sowie gegenüber dem Bund (in einzelnen Bereichen) in Konkurrenz steht. Ein solches Modell kann das innovative Potential in der Gesetzgebung stärken und nicht nur einen wirtschaftlichen, sondern vor allem auch einen ideellen und politischen Wettbewerb fördern.