Theo Öhlinger
Bundesverfassungsrechtliche Grenzen der Volksgesetzgebung
Zur Verfassungsmäßigkeit des Art. 33 Abs. 6 der Vorarlberger Landesverfassung
In: Montfort, Vierteljahresschrift für Geschichte und Gegenwart Vorarlbergs, Dornbirn 2000, S. 402-414
Die Vorarlberger Landesverfassung sieht die Möglichkeit von Volksbegehren als eine Form der Gesetzesinitiative durch eine bestimmte Bürgeranzahl vor, wobei ab einer Unterstützung von 20% der Stimmberechtigten zwingend eine Volksabstimmung über das Vorhaben durchzuführen ist. Spricht sich die Mehrheit des Landesvolkes für den Gesetzesentwurf aus, muss der Landtag einen inhaltlich entsprechenden Gesetzesbeschluss fassen. Genau in dieser Bindung des Landtags, der nach Art. 95 Abs. 1 erster Satz B-VG zur Landesgesetzgebung berufen ist, liegt das verfassungsrechtliche Problem, vom VfGH mit „Volksgesetzgebung“ bezeichnet, nämlich der Widerspruch zur „repräsentativen Demokratie“, die dem B-VG zugrunde liegt. Darüber hinaus bestehen Bedenken an der Vereinbarkeit dieser Bestimmung mit dem Grundsatz des „freien Mandats“.
Diese Frage stand im Mittelpunkt einer Entscheidung des VfGH (VfSlg 16241/2001), das Bedeutung für das aktuelle Verständnis der Verfassungsautonomie der Länder und der repräsentativen Demokratie im Sinne des B-VG wurde. Der vorliegende Beitrag basiert auf einer Stellungnahme des Landes Vorarlberg in besagtem Verfahren.
Gliederung
1. Fragestellung
2. Der Landtag als Landesgesetzgeber in verfassungssystematischer Sicht
3. Repräsentative Demokratie
4. Die Verfassungsautonomie der Länder
5. Die Einschaltung des Landtages in das Verfahren nach Art. 33 Abs. 6 LV
6. Das freie Mandat
7. Schlussbemerkung