Raschauer, Bernhard
„Kernaufgaben
des Staates“: Rechtsfortbildung oder Rechtskreation?
Anmerkungen zu VfGH
15.10.2004, G 36/04
In: Zeitschrift für
Verwaltung 2005, S. 18-21.
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom
15.10.2004 zu G36/04 die gesetzliche Ermächtigung, Unternehmen mit bestimmten
Aufgaben der Zivildienstverwaltung zu betrauen, als unzulässige „Ausgliederung
einer Kernaufgabe“ qualifiziert und für verfassungswidrig erklärt. Der Autor
nimmt dieses Erkenntnis zum Anlass für eine kritische Diskussion der
Rechtsprechung zu staatlichen „Kernaufgaben“ und „Kernbereichen“.
Raschauer stellt fest, dass der VfGH es unterlässt,
Kernaufgaben aus dem Text der Bundesverfassung abzuleiten, also aus den –
wenigen – Staatszielbestimmungen und den grundrechtlichen
Gewährleistungspflichten. Die Kriterien der Rechtssprechung des VfGH zum Thema
Kernaufgaben bleiben für ihn unklar.
Der Autor argumentiert, dass Staatsaufgaben in Österreich
primär Ergebnisse des politischen Prozesses sind. Sie entwickeln sich in der
verfassungsmäßigen Praxis der Regierungen und gesetzgebenden Körperschaften
nach aktuellen Prioritäten. Dazu verweist er auf die Diskussionen des
Ausschusses 1 „Staatsaufgaben und Staatsziele“ des Österreich-Konvents.
Allerdings gibt er zu bedenken, dass es rechts- und demokratiepolitisch von
zentraler Bedeutung wäre, gerade im Hinblick auf die Problematik der
Regulierungsbehörden einen entsprechenden rechtlichen Ordnungsrahmen zu
entwickeln. Denn gerade hier stellt sich das Problem der Staatsaufgaben und
Kernaufgaben tatsächlich in aller Schärfe.