Bußjäger, Peter/Weiss,
Jürgen (Hg.)
Die
Zukunft der Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung
(Schriftenreihe
des Instituts für Föderalismus Band 94)
Wien:
Braumüller 2004
Gerade in Österreich, das durch eine Konzentration der
Gesetzgebungskompetenzen beim Bund charakterisiert ist, sollte die
Ausgestaltung der Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung eine zentrale
Frage des bundesstaatlichen Systems sein. Vor dem Hintergrund der Beratungen
des Österreich-Konvents haben der Bundesrat und das Institut für Föderalismus
daher am 5. November 2003 einen Workshop zum Thema „Die Zukunft der Mitwirkung
der Länder an der Bundesgesetzgebung“ im Parlament abgehalten. Der vorliegende
Band gibt die Referate und Diskussionen wieder, die wissenschaftliche und
politische Zugänge und Positionen zum Thema und zu den laufenden Beratungen des
Österreich-Konvents beinhalten:
Themenblock 1: Verfassungsrecht und Verfassungsrealität
Peter Bußjäger
Die Instrumente der Mitwirkung der Länder an der
Bundesgesetzgebung in Theorie und Praxis
In der Theorie des Bundesstaates ist die Existenz einer
effektiven Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung des Bundes ein zentrales
Wesensmerkmal. Diese erfolgt im Regelfall durch eine zweite Kammer des
Parlaments auf der nationalen Ebene. Die Entstehungsgeschichte und die daraus
resultierende schwache rechtliche Position des Bundesrates vermag allerdings
das Unbehagen an der österreichischen Ausgestaltung der Ländermitwirkung an der
Bundesgesetzgebung nicht eindeutig zu erklären. Daher ist es einerseits
notwendig, sich mit der Realität des österreichischen Bundesrates, genauer
dessen Einspruchs- und Zustimmungspraxis, sowie mit weiteren
institutionalisierten Instru-menten der Ländermitwirkung zu befassen. Neben dem
Bundesrat gibt es den Konsultationsmecha-nismus, Zustimmungsrechte der
„beteiligten“ Länder, Art 15a-Vereinbarungen und die „Integrations-konferenz
der Länder“. Eine besondere Bedeutung kommt der Landeshauptmännerkonferenz zu.
Insgesamt zeigt sich aber, dass diese vielfältigen Formen der Mitwirkung
entweder nicht systematisch ausgebaut sind oder sich auf den Bereich des
Informalen beschränken.
Gerold Glantschnig
Der Bundesrat und das Verhältnis zu den Landesparlamenten
und Landesregierungen
Dieser Beitrag erläutert jene Bestimmungen des B-VG, die –
zumeist indirekt – auf das Verhältnis von Bundesrat, Landesparlamenten und
Landesregierungen eingehen. Insbesondere wird gefragt, woraus ein Auftrag des
Bundesrates, die Interessen der Länder zu vertreten, abgeleitet werden kann.
Eine Gegenüberstellung der Praxis von Bundesrat, Landesparlamenten und
Landesregierungen zeigt, wie viele Möglichkeiten der Mitwirkung, die sich auch
in der geltenden Verfassungsrechtslage finden, letztlich ungenutzt bleiben.
Diskussion mit Beiträgen von Bundesrat Harald Himmer (ÖVP, Wien),
LAbg. Madeleine Petrovic (Grüne, NÖ), BR Ilse Giesinger (ÖVP, Vlbg.), BR Jürgen
Weiss (ÖVP, Vlbg.).
Themenblock 2: Rechtsvergleich und Alternativen
Horst Risse
Die Wahrnehmung von Länderinteressen durch den Bundesrat in
Deutschland und ihre Probleme
Im Vergleich zu Österreich kommt dem deutschen Bundesrat
eine zentrale Funktion als Transmissionsriemen von Länderinteressen zu. Dieser
ist – einmalig im internationalen Vergleich – aber durch seine „exekutive“
Struktur charakterisiert: Die Rechte der Bundesländer werden von den
Mitgliedern der jeweiligen Landesregierung, die in den Bundesrat entsandt
werden, wahrgenommen. Das schließt eine große Bedeutung der Beamten als
Vertreter der Landesverwaltungen ein. Dieses Modell wurde allerdings unter der
Annahme geschaffen, dass ungefähr 10% der Bundesgesetze im Bundesrat
zustimmungsbedürftig sein würden. Die politische und rechtliche Entwicklung hat
diesen Anteil aber vervielfacht. Reformen, wie sie im deutschen
Föderalismuskonvent diskutiert werden, müssen daher darauf abzielen, dass die
Länder wieder mehr Zuständigkeiten eigenverantwortlich wahrnehmen.
Heinz Schäffer
Alternative Modelle zur Wahrnehmung von Länderinteressen an
der Bundesgesetzgebung
Der Bundesrat erfüllt die ihm verfassungspolitisch
zugedachte Funktion, Interessensvertretungsorgan der Länder zu sein, seit
vielen Jahren kaum. Eine Analyse der Schwächen geht auf die Zusammen-setzung
des Bundesrates und die politischen Strategien der Länder ein, die den
Bundesrat nicht als wirksame Vertretung ihrer Interessen betrachten. Daran
schließt sich eine verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Diskussion
der Reformvorschläge für den Bundesrat an, die in den letzten Jahren
präsentiert wurden: Abschaffung, funktionelle Reformen (Veränderung und
Erweiterung der Befugnisse des Bundesrates) und institutionelle Reformen
(Bestellung des Bundesrates; bindende Aufträge der Landtage an ihre
Bundesräte). Ebenso wird dargelegt, wie eine Veränderung der Staatspraxis die
Bedeutung des Bundesrates auf Basis der geltenden Rechtslage stärken kann. Eine
Abschaffung des Bundesrates käme einer Abschaffung des bundesstaatlichen
Charakters Österreichs gleich. Da diese keinen breiten verfassungspolitischen
Konsens finden würde, bleibt nur das Nachdenken über eine grundsätzliche Reform
des Bundesrates. Diese sollte auch dem Leitbild der „zweiten Kammer“ des
Parlaments als einer „Kammer der Reflexion“ angenähert sein. Dazu muss sie
wirksame Kompetenzen und geeignete Persönlichkeiten als Mandatare aufweisen.
Diskussion mit Beiträgen von BR Gerd Klamt (FPÖ, Ktn.), BR Sissy Roth-Halvax
(ÖVP, NÖ), Landtagsdirektor Karl Lengheimer (NÖ), BR Albrecht Konecny (SPÖ,
Wien), Günther Schefbeck.
Themenblock 3: Politische Stellungnahmen zur Zukunft der
Ländermitwirkung
Walter Prior
Die Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung aus der Sicht eines
Landtages und vor dem Hintergrund des Österreich-Konvents
Der burgenländische Landtagspräsident legt seine Standpunkte
zur Reform des Bundesrates im Österreich-Konvent dar und befasst sich insbesondere
mit der Bedeutung des Vetorechts und der Einbindung der Bundesräte in den
Gesetzwerdungsprozess. Er bezweifelt, dass einem Einspruch des
Bundesrates gegen einen Gesetzesbeschluss des Nationalrates große Bedeutung
zukommt. Darin sieht er auch das Desinteresse der Länder am Bundesrat als ihrem
Vertretungsorgan begründet. Stattdessen plädiert er für eine
Kompetenzerweiterung des Bundesrates und die Zuerkennung eines absoluten Veto-
bzw. Zustimmungsrechts in bestimmten Materien, etwa dem Finanzausgleich.
Weiters regt er an, darüber nachzudenken, dass sowohl Bundesrat als auch
Landeshauptmännerkonferenz als Organe zur Artikulierung der Länderinteressen
anerkannt werden.
Edmund Freibauer
Überlegungen zu einer Stärkung der „Länderkammer“ in der
Bundesgesetzgebung
Der niederösterreichische Landtagspräsident plädiert dafür,
den Bundesrat möglichst früh in den Willensbildungsprozess für ein neues Gesetz
einzubinden, und nicht erst dann zu befassen, wenn durch einen
Nationalratsbeschluss die Sache bereits verhandelt und „praktisch politisch
gelaufen“ ist. Damit der Bundesrat ein entsprechendes politisches Gewicht hat,
sollte er mit Spitzenvertretern der Landesregierungen, Spitzen der
Landesparlamente und Gemeindevertretern besetzt sein. Um die zeitliche Belastung
für diese Mandatare gering zu halten, schlägt er vor, den Großteil der Arbeit
des Bundesrates schriftlich bzw. über das Internet abzuwickeln.
Diskussion mit Beiträgen von BR Herwig Hösele (ÖVP, Stmk.), BR
Albrecht Konecny (SPÖ, Wien), BR Gerd Klamt (FPÖ, Ktn.), LAbg. Madeleine
Petrovic (Grüne, NÖ), BR Wolfgang Schimböck (SPÖ, OÖ), Peter Bußjäger, BR
Renate Kanovsky-Wintermann (FPÖ, Ktn.), BR Josef Saller (ÖVP, Sbg.), Karl
Lengheimer, Walter Prior, Jürgen Weiss.