Schüttemeyer,
Suzanne/Sturm, Roland
Wozu Zweite Kammern? Zur
Repräsentation und Funktionalität Zweiter Kammern in westlichen Demokratien.
In: Zeitschrift für Parlamentsfragen
1992, S. 517-536.
Deutlich vor Entstehung fasst
aller Zweiter Kammern war ihr bis heute fortdauerndes Grunddilemma erkannt; der
„Vater der Repräsentativverfassung“, Abbé Sieyes, formulierte zur Zeit der
Französischen Revolution, dass eine zur Volkskammer zusätzliche Vertretung – er
nannte sie „Erste Kammer“ – überflüssig sei, wo sie mit der Volksvertretung
übereinstimme und dass sie gefährlich sei, wo sie von ihr abweiche.
Als das Konzept der
Volkssouveränität und schließlich die Wahlgleichheit Parlamente mit direkter
demokratischer Legitimation ausstattete und sie – mindestens normativ – zum
Kernstück moderner Verfassungsstaaten machte, bedurfte es eines neuen
Grundkonsenses: Entweder galt es, auch die zuvor (allein) staatstragenden
Stände und Klassen sowie strukturell nicht mehrheitsfähige religiöse, ethnische
und soziale Interessen und Gruppen in das gewandelte politische System zu
integrieren; oder es musste zwischen der radikaldemokratischen Konzeption
reiner Mehrheitsherrschaft und jenen Kräften vermittelt werden, die einen neuen
Absolutismus – jenen des Parlaments – befürchteten; ebenfalls ein neuer
Grundkonsens war zu etablieren, als sich Staaten, Kantone, Provinzen unter
einem staatlichen Dach zusammenfanden und dafür ihre Souveränität partiell
aufgaben. In solche Phasen des Übergangs und des gewandelten oder zusätzlichen
Legitimationsbedarfs füllt die Genese Zweiter Kammern in jenen Ländern, die
heute als westliche Demokratien bezeichnet werden. Historisch sind Zweite
Kammern also institutionalisierte Kompromisse zwischen alten und neuen
Legitimitätsüberzeugungen.
Die Autoren gehen in diesem
Beitrag auf historische Entwicklungslinien, theoretische Konzeptionen und
praktische Verwirklichung von Modellen Zweiter Kammern in westlichen Demokratien
ein und versuchen, spezifische Funktionen Zweiter Kammern herauszuarbeiten.