Wieser, Robert: Regulatoren in Netzwerkindustrien – Eine polit-ökonomische Synthese.

BMF Working Paper 2/2000.

 

Zusammenfassung

Das vorliegende Papier filtert aus einer Synthese theoretischer wie praktischer Überlegungen und internationaler Erfahrungen die zentralen polit-ökonomischen Aspekte eines optimalen Designs für moderne Regulatoren in Infrastrukturindustrien. Die Deregulierung und  Liberalisierung dieser Sektoren verlangt nach neuen Regulierungskonzepten, sowohl was die eigentlichen Regulierungsaufgaben und die umfassenden Infrastrukturpolitiken anbelangt, als auch, was die handelnden Institutionen und ihre Beziehungen zueinander betrifft.

 

Es besteht heute weitgehend Einigkeit darüber, dass die ökonomische Regulierung von Netzwerkindustrien die wirtschaftliche Effizienz steigern und zugleich Konsumenten vor dem Missbrauch  monopolistischer Macht und Investoren wie Unternehmen vor (unangemessenen) politischen Einflüssen schützen soll. Übereinstimmung herrscht auch darüber, dass es ein  Spannungsverhältnis gibt zwischen der Glaubwürdigkeit regulatorischer Bindungen und der für den  Ausgleich der unterschiedlichen Interessen erforderlichen Flexibilität. Aufgrund der Unmöglichkeit, alle zukünftigen Entwicklungen vorherzusehen, muss für die handelnden Institutionen ohne Zweifel ein gewisses Maß an diskretionärem Freiraum verbleiben. Dieser Umstand erfordert allerdings Sicherheitsmechanismen, die im spezifischen Design der Regulierungsinstitutionen zu beachten sind.

 

Drei Kriterien haben sich als für die nachhaltige Entwicklung der regulierten Sektoren entscheidend herausgestellt: Unabhängigkeit, Autonomie und Verantwortlichkeit. In welcher Weise die drei Kriterien erfüllt werden, bestimmt im Wesentlichen die Höhe der  Transaktionskosten des Regulierungsregimes. So betonen Praktiker in erster Linie die Unabhängigkeit der Regulatoren von den politischen Instanzen, während Theoretiker auch die Unabhängigkeit von den regulierten Unternehmen im Auge haben. Beide sind sich aber einig darüber, dass die Gefahr von "regulatory" oder "political capture" dadurch reduziert werden kann, dass sowohl die Exekutive als auch die Legislative in den Auswahlprozess der Regulatoren eingebunden sind.

 

Besteht andererseits die Gefahr mangelnder Selbstbindung und opportunistischen Verhaltens, dann sichern kurzfristige institutionelle Verträge zwischen den jeweiligen Akteuren mit höherer Wahrscheinlichkeit die geforderte Unabhängigkeit und Autonomie. Dementsprechend liegt die Dauer der Amtszeiten der Regulatoren in den meisten Fällen nicht über 5 Jahren, wobei die Aussicht auf eine Wiederbestellung neue Probleme aufwerfen kann.

 

Diese beiden Beispiele bilden nur einen Ausschnitt aus den zahlreichen Aspekten, die bei der Errichtung von Netzwerkregulatoren zu beachten sind. Viele weitere Aspekte spielen eine Rolle, wie etwa die Form der Finanzierung, die Sektorzuständigkeit, die Abgrenzung zu anderen Regulatoren und Institutionen, die Einbeziehung der unterschiedlichen Interessen in den Regulierungsprozess, und nicht zuletzt der Einfluss zukünftiger Änderungen in den technologischen und ökonomischen Rahmenbedingungen auf das Regulierungsdesign.

 

Als wesentliches Ergebnis der Untersuchung kann man aus institutioneller Sicht folgende Merkmale für ein optimales Design festhalten:

 

· Unabhängigkeit und Autonomie

gewährleistet durch Professionalität, ein eigenes rechtliches Mandat, die Ernennung durch Exekutive und Legislative, die Ernennung auf fixe (nicht zu lange) Zeit, den Schutz vor willkürlicher Absetzung, ein anreizkompatibles Gehaltsschema und eine hinreichende (aber kontrollierte) Finanzierung.

 

· Verantwortlichkeit

gewährleistet durch eine rigorose Transparenz, die Verhinderung von Interessenkonflikten,

effektive Verfahren der Einsprucherhebung, eine Kontrolle des Budgets des Regulators durch die Legislative, eine Kontrolle des Verhaltens und der Effizienz des Regulators durch externe Prüfer und die Absetzung im Falle von nachgewiesenem Fehlverhalten oder Unfähigkeit.

 

· Klare Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche und institutionelle Formen

der Zusammenarbeit

zur Vermeidung von Unsicherheiten bei den regulierten Unternehmen, zur schnelleren Lösung von Interessenkonflikten und zur effektiveren (gemeinsamen) Nutzung von Know-how und Erfahrung.

 

· Regulierung breiter Sektoren (Transport, Energie, Kommunikation)

wegen der Einsparungen an Ressourcen und Kosten, der Spill-over-Effekte auf andere regulierte Branchen, der geringeren Gefahr von "regulatory" und "political capture", der geringeren Gefahr inkonsistenter Regulierungsentscheidungen und der adäquateren Reaktion auf neue Entwicklungen in den Infrastruktursektoren.