Koordination:
Mag. Peter B. Mayr
Österreichische Forschungsgemeinschaft
ÖFG- ARGE „Wege zur Civil Society in
Österreich“
Zivilgesellschaftliches Monitoring des
Österreich-Konvents
Erste Ergebnisse wurden von der
„Österreichischen Forschungsgemeinschaft“ bei Enquete am 23. April 2004
vorgestellt
I.
In der Österreichischen Forschungsgemeinschaft befasst sich die ARGE
„Wege zur Civil Society in Österreich“ mit neuen Formen der Beteiligung von
Einzelpersonen und Interessensorganisationen am öffentlichen Leben und an
politischen Prozessen. Dies sollte auch ein Grundanliegen bei der Erarbeitung
einer neuen österreichischen Verfassung sein. Die Zusammensetzung und die
bisherige Arbeitsweise des Österreich Konvents scheint uns nicht ausreichend zu
gewährleisten, dass inhaltliche Anliegen dieses Sektors umfassend in den
Entscheidungsprozess über eine neue Verfassung einbezogen werden und damit für
die politische Modernisierung entscheidende Themen wie stärkere Partizipation
der Bürger und adäquate Gestaltungsräume für Nichtregierungsorganisationen auch
tatsächlich im Ergebnis der Konventsarbeit zum Ausdruck kommen können.
Die Arbeit des Konvents wird daher in Form eines „zivilgesellschaftlichen
monitoring“ unterstützt. Dabei werden jene Fragen behandelt, in denen eine
neue Verfassung Beiträge zur Stärkung der „Civil Society“ in Österreich leisten
kann. Die Regeln des Umgangs zwischen Staat und Zivilgesellschaft scheinen uns
nicht nebensächlich, sondern sollten etwa in Form einer Verpflichtung, bei
neuen Gesetzen auch ihre Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Staat und
Zivilgesellschaft (Zivilverträglichkeit) zu prüfen, verbessert werden.
Am 23. April wurden im Rahmen einer wissenschaftlichen
Enquete erste Zwischenberichte von Sozialwissenschaftlern präsentiert, die die
vorläufigen Ergebnisse der Ausschüsse des Österreich Konvents überwiegend
kritisch beurteilen:
·
Zusammensetzung
und Arbeitsweise des Österreich – Konvents entspricht einer von Parteien und
Sozialpartnern geprägten statischen Politikvorstellung
·
kaum
Miteinbindung der Bevölkerung oder von Vertreterinnen bzw. Vertretern von
nicht-staatlichen Organisationen in den Entwicklungsprozess der Verfassung
·
kein
Konsens über Ansätze zur Stärkung direkter Demokratie
·
Konzentration
auf rechtstechnische Fragen der Verfassung
·
bisher
keine Ansätze zu stärkerer Bürgerbeteiligung (z.B. Initiativrechte)
II.
Im Rahmen der Wissenschaftlichen Enquete am 23. April
(Leitung: Univ.-Doz. Dr. Jürgen Nautz/Univ. Wien und Dr. Emil Brix/ÖFG)
diskutierten Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft (Vereine, NGOs,
Wissenschaft) die genannten Analysen und formulierten folgende gemeinsame
Position:
Der Konvent hat bisher
·
die
vorliegenden Ergebnisse kaum mit Vertreterinnen und Vertreter von
nicht-staatlichen Organisationen diskutiert,
·
wesentliche
Anliegen der Zivilgesellschaft wurden nicht berücksichtigt,
·
überwiegend
nur in jenen Fragen, wo es um eine reine Verfassungsrechtsbereinigung geht,
Konsens erzielen können.
Ein Verfassungsentwurf sollte nach Meinung der bei der
Enquete anwesenden Vertreterinnen und Vertreter der Vereine, NGOs etc. folgende
zentralen Grundbedürfnisse erfüllen:
Die neue österreichische Verfassung soll im Bemühen um
Grundsätzlichkeit und Verständlichkeit entwickelt werden. Dazu gehört auch das
Bemühen, Real- und Nominalverfassung möglichst deckungsgleich zu gestalten.
Eine Verfassung soll der gesamten in Österreich
lebenden Gesellschaft als Orientierungspunkt und Positionsbestimmung dienen.
Sie wird als Anker und Schutz aller in Österreich lebender Bevölkerungsgruppen
fungieren und sollte daher zentrale Spielregeln, Grundrechte aber auch klar
definierte Grundwerte berücksichtigen. Ihr soll eine Verpflichtung der
Geschlechtergleichstellung vorangehen.
Öffentlichkeitsbeteiligung, „Good Governance“ und
Dialogbereitschaft von Verwaltung mit Nichtregierungs-Einrichtungen sollen sich
als prioritäre Themen in der Verfassung manifestieren (effektivitätsfördernd
gestalten).
Sie soll die Anerkennung und Unterstützung von Formen
der partizipativen oder kooperativen Demokratie sowie dialogische Prozesse für
Gestaltung von Politiken in der Verwaltung beinhalten.
Durch Festlegung von Mindestbegutachtungsperioden bei
Gesetzesvorschlägen und aktive Miteinbindung von Vertreterinnen und Vertretern
aus der Zivilgesellschaft
im Konsultationsprozess („Bürgerbegutachtung“) soll
mehr Transparenz erreicht werden.
Für Verfassungsverletzungen müssen klare und
transparente Möglichkeiten einer verpflichtenden Korrektur oder
Sanktionsmöglichkeiten geschaffen werden.
Zudem sollten in der neuen österreichischen Verfassung
·
die
Aufgabenverteilung von Bund und Ländern klarer und transparenter dargestellt,
·
das Wahlrecht
in den Bundesländern einheitlich gestaltet,
·
Gemeindeverbände
gestärkt werden, jedoch die Gemeinde als politische Einheit erhalten bleiben,
sowie
·
das
Subsidiaritätsprinzip klarer herausgearbeitet werden.
Die Rolle der Medien muss in der Verfassung zeitgemäß
dargestellt werden.
Die Darstellung der Rolle des Staates als „Verwalter
des Gemeinsamen“ sollte klarer formuliert werden.
Die Verfassung soll ein klares System der Rollen von
Institutionen und ihrer Verantwortung reflektieren und insgesamt ein konsequent
funktionierendes System sein.
Letztlich soll durch eine neue Verfassung auch die
Chancengleichheit innerhalb der Zivilgesellschaft verstärkt werden.
Die Verwendung der geschlechtergerechten Sprache in
der Verfassung sollte auch in der österreichischen Verfassung
selbstverständlich sein.
Die Verfassung sollte dem Prinzip einer offenen
partizipativen Gesellschaft mit hohem Autonomiegrad verpflichtet sein. Dies
sollte auch für die Regelungsautonomie in Teilstrukturen gelten
(Selbstverwaltung).
III.
Aus der Sicht der Enquete-Teilnehmer sollten die
genannten Grundfragen einer „bürgernahen Erfüllung der Staatsaufgaben“ mit
konkreten Fragestellungen nochmals in den Konventsausschüssen beraten werden.
Die genauen sozialwissenschaftlichen
Monitoring-Ergebnisse werden nach Vorliegen aller Berichte der
Konventsausschüsse voraussichtlich im Juni den Konventsmitgliedern zur
Verfügung gestellt und öffentlich präsentiert werden.