Wahlrechtsgrundsatzbestimmung

 

Artikel X.    (1)  Der Nationalrat, die Landtage und die Gemeinderäte sowie die von der Republik Österreich zu entsendenden Abgeordneten zum Europäischen Parlament werden auf Grund des allgemeinen, gleichen, unmittelbaren, geheimen, persönlichen und freien Wahlrechts nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt.

(2)  Das aktive und passive Wahlrecht kommt ab dem Erreichen des Wahlalters zu:

1.   für die Wahlen zum Nationalrat allen Frauen und Männern, die am Stichtag die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen;

2.   für die Wahlen zu den Landtagen allen Landesbürgerinnen und Landesbürgern;

3.   für die Wahlen zu den Gemeinderäten allen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern sowie - unter den von den Ländern festzulegenden Bedingungen - allen Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in der Gemeinde den Hauptwohnsitz haben; in der Gemeinderatswahlordnung kann vorgesehen werden, dass Personen, die in der Gemeinde einen Wohnsitz, nicht aber den Hauptwohnsitz haben, wahlberechtigt sind; ebenfalls kann vorgesehen werden, dass


das Wahlrecht Personen, die sich noch nicht ein Jahr in der Gemeinde aufhalten, dann nicht zukommt, wenn ihr Aufenthalt in der Gemeinde offensichtlich nur vorübergehend ist;

4.   für die Wahlen zum Europäischen Parlament allen Staats­bürgerinnen und Staatsbürgern sowie allen Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union nach Maßgabe des Rechts der Europäischen Union.

(3)  Das aktive und passive Wahlrecht kommt allen nach Abs. 2 wahlberechtigten Personen zu, die spätestens mit Ablauf des Tages der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet haben. Die Landtagswahl­ordnungen dürfen den Kreis der gemäß Abs.  2 Z 2 wahlberechtigten Personen weiter ziehen, wobei das Wahlrecht nur Personen zukommen kann, die spätestens mit Ablauf des Tages der Wahl zumindest das 16. Lebensjahr vollendet haben. Für die Wahlen zu den Gemeinderäten kommt das aktive Wahlrecht abweichend von Satz 1 allen nach Abs. 2 Z 3 wahlberechtigten Personen zu, die spätestens mit Ablauf des Tages der Wahl das 16. Lebensjahr vollendet haben.

(4) Die Ausschließung vom Wahlrecht und von der Wählbarkeit kann nur die Folge einer gerichtlichen Verurteilung sein.

(5) Für die Wahlen zum Nationalrat und zu den Landtagen ist das jeweilige Wahlgebiet in räumlich geschlossene Wahlkreise zu teilen, deren Grenzen die Landesgrenzen nicht schneiden dürfen. Diese Wahlkreise können in räumlich geschlossene Regionalwahlkreise untergliedert werden. Für die Wahlen zu den Gemeinderäten kann das Wahlgebiet in räumlich geschlossene Wahlkreise geteilt werden. Eine Gliederung der Wählerschaft in andere Wahlkörper ist nicht zulässig. Die Zahl der Abgeordneten ist auf die Wahlkreise (Regionalwahlkreise) im Verhältnis zur Zahl der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger zu verteilen.

(6) Die Wahlordnung hat ein abschließendes Ermittlungsverfahren im gesamten Wahlgebiet vorzusehen, durch das sowohl ein Ausgleich der den wahlwerbenden Parteien in den Wahlkreisen oder Regional­wahlkreisen zugeteilten als auch eine Aufteilung der noch nicht zugeteilten Mandate nach den Grundsätzen der Verhältniswahl erfolgt.

(7) Für die Wahlen der von der Republik Österreich zu entsendenden Abgeordneten zum Europäischen Parlament bildet das Bundesgebiet einen einheitlichen Wahlkreis.

(8) Wahlwerbende Parteien, denen mindestens 5 vH der abgegebenen gültigen Stimmen zugefallen sind, haben jedenfalls Anspruch auf Zuweisung von Mandaten. Die Wahlordnung kann einen niedrigeren Mindestprozentsatz vorsehen.

(9) Der Wahltag muss ein Sonntag oder ein anderer öffentlicher Ruhetag sein. Treten Umstände ein, die den Anfang, die Fortsetzung oder die Beendigung der Wahlhandlung verhindern, so kann die Wahlbehörde die Wahlhandlung auf den nächsten Tag verlängern oder verschieben.

(10) Wahlberechtigten, die sich am Wahltag voraussichtlich nicht im Wahlgebiet aufhalten und ihre Stimme nicht vor einer Wahlbehörde außerhalb des Wahlgebietes abgeben können, ist die Stimmabgabe nach den näheren Bestimmungen der Wahlordnung in Form der Briefwahl zu ermöglichen, wenn sichergestellt ist, dass die Wahlentscheidung persönlich und in einer für Dritte nicht erkennbaren Weise getroffen wird.

(11) Zur Durchführung und Leitung der Wahlen sind Wahlbehörden zu bestellen, denen als stimmberechtigte Beisitzer Vertreter der wahlwerbenden Parteien im Verhältnis der bei der letzten Wahl des Vertretungskörpers erzielten Stärke anzugehören haben. Bei der Bundeswahlbehörde sind überdies Beisitzer zu bestellen, die dem richterlichen Stand angehören oder angehört haben.

(12) Die näheren Bestimmungen über das Wahlverfahren, die Organi­sation der Wahlbehörden und den Kreis der Wahlberechtigten werden in der jeweiligen Wahlordnung getroffen.

 

Anmerkungen

Konsens besteht im Präsidium über den Entfall des geltenden Art. 26 Abs. 7 (Wählerverzeichnisse); weiters besteht Konsens über die Beibehaltung des geltenden Art. 26 Abs. 3 (Wahltag - im Textvorschlag Abs. 9) sowie Abs. 5 (Ausschließung vom Wahlrecht - im Textvorschlag Abs. 4). Konsens besteht über die Senkung des passiven Wahlalters (Abs. 3 des Textvorschlages).

Inhaltlicher Konsens (erstreckt sich nicht auf die jeweiligen Textvorschläge) besteht über die Aufnahme einer Regelung betreffend die Mindestprozentklausel (Abs. 8 des Textvorschlages) sowie über die eingeschränkte Zulassung der Briefwahl (Abs. 10 des Textvorschlages).

Dissens besteht über das aktive Wahlalter für die Wahlen zum Nationalrat, zu den Landtagen und zum Europäischen Parlament (Abs. 3 des Textvorschlages).

Nicht übernommen wurden die Regelungen betreffend die Wahlpflicht (Art. 95 Abs. 1 dritter und vierter Satz und Art. 117 Abs. 2 sechster Satz) sowie die Regelung des Art. 117 Abs. 2 letzter Satz (Regelung für den Fall, dass keine Wahlvorschläge eingebracht worden sind).

Durch den Textvorschlag soll der Inhalt folgender derzeit geltender Regelungen erfasst werden: Art. 23a, Art. 26, Art. 95 Abs. 1 zweiter bis vierter Satz, Abs. 2 und 3, Art. 117 Abs. 2 B‑VG.