Dr. Eva Glawischnig
Gesetzesentwurf/Präsidium
Wien, am 16. 11. 2004
Vorschlag für die Gestaltung eines
Verfassungsartikels zum
Themenkreis „Einkommensberichte des
Rechnungshofes“
(Univ.-Prof. Dr. Andreas Janko)
I. Textvorschlag
Jener Verfassungsartikel, der – als Ersatz für Art 121 Abs 4 B-VG und § 8 BezBegrBVG – künftig die Grundlage für Einkommensberichte des Rechnungshofes bildet, sollte im Abschnitt über die Gebarungskontrolle eingereiht werden und wie folgt lauten:
Art. xxx. Einkommensberichte
(1) Der Rechnungshof hat im
Interesse der Gewährleistung einer sparsamen und sachgerechten Verwendung
öffentlicher Mittel sowie der angemessenen Begrenzung von Bezügen und
Ruhebezügen, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, jedes zweite
Kalenderjahr zu verfassen:
1. einen Bericht über die
durchschnittlichen Bezüge und nicht auf gesetzlicher Grundlage beruhenden
Ruhebezüge der Mitglieder des geschäftsführenden Organes, des Aufsichtsorganes
und der sonstigen Beschäftigten jeder Unternehmung und sonstigen Einrichtung,
die gemäß Art. xxx, xxx und xxx der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegt;
2. einen Bericht über jene
Personen, die von einem oder mehreren Rechtsträgern, die der Kontrolle des
Rechnungshofes unterliegen, Bezüge oder Ruhebezüge erhalten haben, die einen
durch Gesetz zu bestimmenden Betrag überschreiten;
3. einen nach Branchen,
Berufsgruppen und Funktionen getrennten Bericht über die durchschnittlichen
Bezüge und Ruhebezüge der gesamten Bevölkerung.
(2) Zu den Bezügen und Ruhebezügen
zählen Geldleistungen, Sachleistungen und sonstige vermögenswerte Vorteile mit
Ausnahme jener Leistungskomponenten, die dem Empfänger/der Empfängerin weder
auf gesetzlicher noch auf vertraglicher Grundlage zustehen, sondern im
Einzelfall von dessen/deren familiärer und persönlicher Situation abhängig
sind.
(3) Die in Abs. 1 Z. 1 und 3
genannten Berichte sind dem Nationalrat, dem Bundesrat und den Landtagen zu
übermitteln und danach zu veröffentlichen.
(4) Der in Abs. 1 Z. 2 genannte Bericht
ist den zur Verhandlung der Berichte des Rechnungshofes zuständigen Ausschüssen
des Nationalrates, des Bundesrates und der Landtage zu übermitteln und von
diesen in vertraulicher Sitzung zu behandeln. Eine anonymisierte Version des
Berichtes ist zu veröffentlichen.
II. Erläuterungen
Die österreichische Bundesverfassung sieht in ihrer derzeit geltenden Fassung Berichtspflichten des Rechnungshofes in Bezug auf die Gestaltung öffentlicher Einkommen an unterschiedlichen Stellen vor. Zum einen verpflichtet Art. 121 Abs. 4 B-VG den Rechnungshof dazu, bei Unternehmungen und Einrichtungen, die seiner Kontrolle unterliegen und für die eine Berichterstattungspflicht an den Nationalrat besteht, jedes zweite Jahr die durchschnittlichen Einkommen einschließlich aller Sozial- und Sachleistungen sowie zusätzliche Leistungen für Pensionen von Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrates sowie aller Beschäftigten zu erheben und darüber dem Nationalrat zu berichten. Zum anderen beruft § 8 BezBegrBVG den Rechnungshof zur Berichterstattung über die – nach Branchen, Berufsgruppen und Funktionen getrennten – durchschnittlichen Einkommen der gesamten Bevölkerung sowie zur Auflistung all jener Personen, deren jährliche Bezüge und Ruhebezüge von Rechtsträgern, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen, einen bestimmten Grenzbetrag übersteigen.
Nach dem vorliegenden Entwurf sollen die Rechtsgrundlagen der angesprochenen Einkommensberichte in einem einzigen Verfassungsartikel zusammengefasst werden.
Abs. 1 Z. 1 entspricht dabei im Wesentlichen der derzeit in Art. 121 Abs. 4 B-VG verankerten Berichtspflicht des Rechnungshofes. Im Gegensatz zur geltenden Rechtslage fehlt allerdings die – sachlich kaum begründbare – generelle Beschränkung auf Unternehmungen und Einrichtungen, für die eine Berichterstattungspflicht an den Nationalrat besteht. Um Unklarheiten in Bezug auf den Anwendungsbereich der gegenständlichen Berichtspflicht, wie sie Art. 121 Abs. 4 B-VG in mancher Hinsicht aufwirft, zu begegnen, sollen in Abs. 1 Z. 1 jedoch jene Rechtsgrundlagen ausdrücklich genannt werden, aus denen sich die Prüfungskompetenz des Rechnungshofes ergeben muss, um die Berichtspflicht zu effektuieren. Besonderes Augenmerk wird bei dieser Abgrenzung auf die Frage nach einer Erfassung der (nach herrschender Meinung bisher erfassten) Sozialversicherungsträger, der (nach herrschender Meinung bisher nicht erfassten) gesetzlichen beruflichen Vertretungen sowie jener Unternehmungen und sonstigen Einrichtungen zu legen sein, die – wie derzeit etwa der ORF oder die Universitäten – durch (verfassungs-)gesetzliche Spezialregeln der Prüfungskompetenz des Rechnungshofes unterworfen werden. Dahingehende Vorschläge werden nachgereicht, wenn die neue Fassung des V. Hauptstücks des B-VG geklärt ist.
Abs. 1 Z. 2 und 3 orientieren sich grundsätzlich an den Vorgaben des derzeit in Geltung stehenden § 8 BezBegrBVG. Vorgesehen ist neuerlich eine namentliche Auflistung jener Personen, die von kontrollunterworfenen Rechtsträgern in einem Kalenderjahr Bezüge und/oder Ruhebezüge erhalten haben, die einen bestimmten, durch Gesetz festzulegenden Betrag überschreiten, sowie – als Vergleichsmaßstab für diese Angaben, aber auch für die im Bericht nach Abs. 1 Z. 1 enthaltenen Informationen – ein nach Branchen, Berufsgruppen und Funktionen getrennter Bericht über die durchschnittlichen Bezüge und Ruhebezüge der Gesamtbevölkerung.
Im Unterschied zu § 8 BezBegrBVG verfügt der vorliegende Entwurf allerdings einen sensibleren Umgang mit den im Bericht nach Abs. 1 Z. 2 enthaltenen personenbezogenen Daten. Während § 8 BezBegrBVG in Bezug auf die Auflistung der Bezieher größerer Einkommen aus öffentlichen Mitteln nicht nur eine Behandlung im Nationalrat, im Bundesrat und in den Landtagen vorsah, sondern nach herrschender Meinung auch eine anschließende Veröffentlichung anordnete, begnügt sich Abs. 4 des Entwurfes in dieser Hinsicht mit einer Übermittlung der Vollversion an die zur Verhandlung der Berichte des Rechnungshofes zuständigen Ausschüsse der genannten allgemeinen Vertretungskörper. Diese sollen den gegenständlichen Einkommensbericht in vertraulicher Sitzung beraten. Veröffentlicht wird im Anschluss daran bloß eine anonymisierte Version des Berichtes.
Mit dieser differenzierten Vorgehensweise soll jenen Bedenken Rechnung getragen werden, die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sowie des österreichischen Verfassungsgerichtshofes gegen die geltende Fassung des § 8 BezBegrBVG ins Treffen geführt wurden und dem Rechnungshof die Erfüllung der ihm durch diese Bestimmung bundesverfassungsgesetzlich auferlegten Pflicht bislang unmöglich gemacht haben.
Gestützt auf die Vorgaben der Datenschutz-Richtlinie der Europäischen Union (Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr vom 24.10.1995, ABl L 281 vom 23.11.1995 S 31) und den durch diese Norm verwiesenen (datenschutzrechtlich relevanten Teil von) Art. 8 EMRK hatte zunächst der Europäische Gerichtshof in seinem – auf österreichischen Anlassfällen beruhenden – Urteil C-465/00, C‑138/01 und C‑139/01 vom 20.5.2003 (Rechtssache Rechnungshof gegen Österreichischer Rundfunk ua) ausgesprochen, dass die namentliche Offenlegung der Jahreseinkommen von Beschäftigten kontrollunterworfener Rechtsträger nur insoweit zulässig ist, als sie „im Hinblick auf das vom Verfassungsgesetzgeber verfolgte Ziel der ordnungsgemäßen Verwaltung der öffentlichen Mittel notwendig und angemessen ist“. Soweit diese Voraussetzung nicht zutrifft, dürfe § 8 BezBegrBVG angesichts der unmittelbaren Anwendbarkeit der einschlägigen Richtlinienbestimmungen – trotz seines Verfassungsranges – von den nationalen Gerichten nicht angewendet und damit auch vom Rechnungshof nicht exekutiert werden.
Der österreichische Verfassungsgerichtshof nahm diese Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes in mehreren Erkenntnissen (vgl. insbesondere den „leading case“ VfGH 28.11. 2003, KR 1/00, betreffend den ORF) zum Anlass, Anträge des Rechnungshofes auf Einschau in die Unterlagen kontrollunterworfener Rechtsträger zum Zweck der Einkommensberichterstattung gemäß § 8 BezBegrBVG als unbegründet abzuweisen. Da die im Fünften Hauptstück des B-VG differenziert ausgestalteten Berichtspflichten über die Ergebnisse der Gebarungsprüfung ausreichen, um eine ordnungsgemäße und effiziente Mittelverwendung sicherzustellen, sei „eine darüber hinausgehende namentliche Offenlegung der Bezüge für das vom Europäischen Gerichtshof anerkannte Ziel nicht notwendig und angemessen“.
Die vorstehenden Ausführungen des Europäischen Gerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes beziehen sich freilich wohlgemerkt nur auf das (verfahrensgegenständliche) Problem der Veröffentlichung namentlicher Einkommensberichte. Weitergehende Schlussfolgerungen, etwa dahin, dass derartige Berichte auch den allgemeinen Vertretungskörpern nicht übermittelt werden dürften, waren damit, insbesondere auch von dem der österreichischen Bundesverfassung in besonderer Weise verpflichteten Verfassungsgerichtshof, offenbar nicht intendiert.
Auf der einen Seite trifft es zwar zu, dass die Weitergabe personenbezogener Einkommensdaten an die parlamentarischen Körperschaften einen Eingriff in das Recht der Betroffenen auf Geheimhaltung ihrer Daten bedeutet; dies umso mehr, als eine Beratung diesbezüglicher Berichte im Plenum der jeweiligen Körperschaft grundsätzlich öffentlich (und niemals vertraulich) erfolgt. Auf der anderen Seite gilt es jedoch zu bedenken, dass die allgemeinen Vertretungskörper ihre – nach dem österreichischen Verfassungskonzept für die Realisierung des demokratischen Grundprinzips unverzichtbare – Rolle als Kontrollinstanz gegenüber der nicht unmittelbar vom Volk legitimierten Exekutive nur dann effektiv wahrnehmen können, wenn sie über Missstände in diesem Bereich hinreichend informiert sind. Die Kenntnis der Identität von Einkommensbeziehern kann in dieser Hinsicht unverzichtbar sein, um entsprechenden Druck auf die jeweilige Regierung auszuüben; insbesondere die Überwachung der Folgen einer Kumulierung verschiedener Ämter scheint auf Basis der Informationen aus den „herkömmlichen“ Berichten des Rechnungshofes de facto nicht vorstellbar.
Abs. 4 des vorliegenden Entwurfes versucht, einen angemessenen Ausgleich zwischen beiden aufgezeigten Aspekten herzustellen. Durch die Beschränkung der namentlichen Nennung von Beziehern größerer Einkommen auf vertrauliche Sitzungen des Rechnungshofausschusses der jeweiligen parlamentarischen Körperschaft und den damit verbundenen Ausschluss der Öffentlichkeit wird das datenschutzrechtliche Ingerenzpotential der gegenständlichen Berichte erheblich reduziert. Gleichzeitig wird auf diese Weise sichergestellt, dass Vertreter aller Fraktionen des allgemeinen Vertretungskörpers jene Informationen erhalten, die sie zur Meinungsbildung im Zusammenhang mit der Wahrnehmung ihrer Kontrollaufgabe gegenüber der jeweiligen Regierung benötigen. Das Konzept entspricht in etwa jenem des § 12 Abs. 5 Rechnungshofgesetz 1948, der den Rechnungshof zwar gegenüber der Öffentlichkeit und damit auch im Zusammenhang mit Plenarsitzungen parlamentarischer Körperschaften zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen geprüfter Unternehmungen verhält, die Beantwortung diesbezüglicher Anfragen im Rahmen vertraulicher Ausschusssitzungen jedoch keineswegs ausschließt, sofern ihnen Gebarungsrelevanz zukommt (vgl. dazu etwa die – nicht zuletzt auch vom Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen zu § 8 BezBegrBVG bezogenen – Ausführungen von Hengstschläger, Die Geheimhaltungspflichten des Rechnungshofes [1990] 80f).
Korrespondierend zur Senkung des datenschutzrechtlichen Ingerenzpotentials durch Ausschluss der Öffentlichkeit versucht der vorliegende Entwurf aber auch, durch eine modifizierte Umschreibung der in den Bericht aufzunehmenden Daten der Kritik von Europäischem Gerichtshof und Verfassungsgerichtshof an der geltenden Fassung des § 8 BezBegrBVG zu begegnen. Beide Gerichtshöfe hatten in ihren Entscheidungen moniert, dass die vom Rechnungshof anzuführenden Bezüge in unterschiedlichem Ausmaß von der familiären und persönlichen Situation der Bezügeempfänger abhängig sein können, und hierin ein Argument für die Annahme eines besonders schwerwiegenden Eingriffes in deren Rechtssphäre gesehen. Der Europäische Gerichtshof stellte dem (bei ihm um Vorabentscheidung anfragenden) Verfassungsgerichtshof sogar ausdrücklich die Frage, ob es zur Erreichung des Zwecks der Berichtspflicht „nicht ausreichend wäre, die Öffentlichkeit nur über die Bezüge und anderen geldwerten Vorteile zu unterrichten, auf die die Beschäftigten öffentlicher Einrichtungen auf vertraglicher oder statutarischer Grundlage Anspruch haben, ohne die Beträge anzugeben, die die jeweiligen Beschäftigten in einem bestimmten Jahr erhalten haben und die in unterschiedlichem Ausmaß von deren familiärer und persönlicher Situation abhängig sein können“, und ließ damit erkennen, dass er bei entsprechender Umschreibung der berichtspflichtigen Bezüge selbst eine Vereinbarkeit veröffentlichter Einkommensberichte mit der Datenschutz-Richtlinie der Europäischen Union nicht von vornherein für völlig ausgeschlossen hielt. Abs. 2 des vorliegenden Entwurfes nimmt unmittelbar auf diese Ausführungen der Gerichtshöfe Bezug und schließt Bezugsbestandteile der angesprochenen Art ausdrücklich aus der Berichtspflicht aus. Zusammen mit dem bereits dargelegten Ausschluss der Öffentlichkeit in Abs. 4 muss dies jedenfalls genügen, um einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht zu vermeiden.