Beilage
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Dr. PETER KOSTELKA
Einsetzung von Untersuchungsausschüssen
als Minderheitenrecht mit „Organstreitverfahren“
Textvorschlag für Art. 53 Abs. 1 und 4 B-VG:
Artikel 53. (1) Der Nationalrat kann durch Beschluss
Untersuchungsausschüsse einsetzen. Der Nationalrat hat einen
Untersuchungsausschuss einzusetzen, wenn ein Drittel seiner Mitglieder dies
verlangt.
(2) ...
(3) ...
(4) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet auf Antrag des Nationalrates oder eines Drittels der Mitglieder des Nationalrates bei Meinungsverschiedenheiten über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und über die ordnungsgemäße Erfüllung des Untersuchungsauftrages. Der Nationalrat oder der Untersuchungsausschuss ist verpflichtet, der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes zu folgen.
1. Allgemeine Erläuterungen
Mit der vorgeschlagenen Bestimmung wird eine verfassungsrechtliche
Grundlage geschaffen, wonach ein Untersuchungsausschuss nicht wie bisher nur
durch Beschluss der Mehrheit eingesetzt werden kann, sondern auch über ein
Verlangen eines Drittels der Abgeordneten einzusetzen ist (Abs. 1).
Gleichzeitig wird ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof
eingeführt, um allfällige Streitigkeiten zwischen der Minderheit und der
Mehrheit über die Einsetzung und Durchführung eines Untersuchungsausschusses
einer Klärung durch den Verfassungsgerichtshof zuzuführen. Ein solches
Verfahren soll sowohl die Mehrheit davor schützen, dass die Minderheit in
verfassungswidriger Weise von ihren Rechten Gebrauch macht (zB Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses zu einem Gegenstand, der nicht in die Vollziehung des
Bundes fällt), als auch die Minderheit vor missbräuchlichem Verhalten der
Mehrheit schützen (zB Blockierung der Tätigkeit eines auf Verlangen der
Minderheit eingesetzten Untersuchungsausschusses).
Weil es sich dabei um einen Streit innerhalb des Organs Nationalrat
(Innerorganstreit) handelt, wird diese Zuständigkeit des
Verfassungsgerichtshofes bei den entsprechenden Bestimmung über die
Untersuchungsausschüsse angefügt (Abs. 4). Sie ist der Zuständigkeit zur
Entscheidung über Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem Rechnungshof oder der
Volksanwaltschaft und einer zu prüfenden Einrichtung (Art 126a und 148f
B-VG) nachgebildet.
2. Prüfungsgegenstand
Prüfungsgegenstand sind „Meinungsverschiedenheiten über die Einsetzung
eines Untersuchungsausschusses und über die ordnungsgemäße Erfüllung des
Untersuchungsauftrages“. Der Verfassungsgerichtshof hat damit zum einen zu
prüfen, ob die Kompetenz des Nationalrates hinsichtlich des Gegenstandes der
Untersuchung überhaupt gegeben ist, das heißt, ob der Untersuchungsgegenstand
in den Bereich der „Geschäftsführung der Bundesregierung“ iSd Art. 52
Abs. 1 B-VG fällt.
Der Begriff des „Untersuchungsauftrages“ entspricht § 33 GOG-NR und
umschreibt die Zuständigkeit des Untersuchungsausschusses. Gegenstand der
verfassungsgerichtlichen Überprüfung können alle Handlungen oder Unterlassungen
des Ausschusses sein, die die Erfüllung des Untersuchungsauftrages
betreffen.
Da es sich um ein Innerorganstreitverfahren zwischen der Minderheit und der Mehrheit des Nationalrates handelt, erstreckt sich die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes nicht auf Streitigkeiten zwischen dem Untersuchungsausschuss und den Gerichten oder Behörden in Zusammenhang mit der Unterstützungs- und Auskunftsverpflichtung des Art. 53 Abs. 3 B-VG; dies entspricht der Rechtslage hinsichtlich der vergleichbaren Reglung zur Volksanwaltschaft in Art 148f B-VG.
3. Prüfungsmaßstab
Prüfungsmaßstab sind sowohl die relevanten Vorschriften auf
Verfassungsebene (im Besonderen die Art. 52f B-VG) wie auch die in
Ausführung des Art. 53 Abs. 2 B-VG ergangenen Vorschriften des GOG-NR
und der Verfahrensordnung für Parlamentarische Untersuchungsausschüsse.
4. Antragsrecht
Das Antragsrecht kommt sowohl dem Nationalrat als auch einem Drittel
seiner Mitglieder zu. Das Antragsrecht des Nationalrates steht der
Nationalratsmehrheit offen, die ohne Weiteres auch über ein Drittel der
Mitglieder verfügt. Die gesonderte Anführung des Nationalrates dient der
Verdeutlichung des Innerorganstreits und widerspiegelt die politische Realität
betreffend die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen.
Ein Antragsrecht der Bundesregierung ist nicht vorgesehen. Zwar handelt
es sich bei der Durchführung eines Untersuchungsausschusses um ein
parlamentarisches Kontrollrecht gegenüber der Regierung. Die Durchführung eines
Untersuchungsausschusses ist aber ein parlamentarisches Verfahren.
Meinungsverschiedenheiten über die Einsetzung und Durchführung bestehen daher
innerhalb des Organs Nationalrat, sodass auch nur diesem bzw einem Teil
desselben die Antragsberechtigung zukommt. Politisch werden die Interessen der
Bundesregierung ohnedies durch die Nationalratsmehrheit wahrgenommen.
5. Rechtsfolgen
Mit seinem Erkenntnis stellt der Verfassungsgerichtshof fest, ob oder
wieweit ein Einsetzungsbeschluss (oder allenfalls auch das Unterlassen eines
Einsetzungsbeschlusses) dem verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmen für die
Einsetzung von Untersuchungsausschüssen widerspricht. Wird der Gerichtshof in
Zusammenhang mit der Durchführung eines Untersuchungsausschusses angerufen, so
spricht er darüber ab, ob eine bestimmte Vorgangsweise im Ausschuss den
relevanten Bestimmungen entspricht.
Der vorgeschlagene Abs. 4 enthält die Verpflichtung des
Nationalrats bzw. des Untersuchungsausschusses, dem Erkenntnis des
Verfassungsgerichtshofes Folge zu leisten. Dies entspricht der Anordnung des
Art. 126a B-VG. Eine Exekution eines Erkenntnisses des
Verfassungsgerichtshofes ist hingegen nicht vorgesehen.
6. Dringlichkeit des Verfahrens
Der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über
Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf Untersuchungsausschüsse kommt eine
besondere Dringlichkeit zu. Daher sollte im Verfassungsgerichtshofgesetz
vorgesehen werden, dass der Gerichtshof sein Erkenntnis tunlichst binnen sechs
Monaten nach Einlagen des Antrages zu fällen und den Parteien des Verfahrens
zuzustellen hat. Diese Regelung besteht derzeit bereits für Verfahren über
Kompetenzstreitigkeiten des Rechnungshofes oder der Volksanwaltschaft und einer
zu prüfenden Einrichtung (§ 36e VfGG).