Legistische Strukturfragen
Der Konvent hat dem Ausschuss 2
folgendes Thema zugewiesen:
Legistische Strukturfragen:
Juristische Vorgangsweise im Zusammenhang mit der Inkorporierung von Verfassungsgesetzen und Verfassungsbestimmungen in die neue Bundesverfassung (einschließlich der Vorgangsweise zur Vermeidung der zahlreichen nur in der österreichischen Verfassungspraxis bekannten „Verfassungsbestimmungen“ zur Verfassungsdurchbrechung); anschließend Klärung der Frage des juristischen Schicksals jener Verfassungsgesetze und Verfassungsbestimmungen, die nicht in die neue Bundesverfassung inkorporiert werden, sowie jener Bestimmungen des geltenden Bundes-Verfassungsgesetzes (z.B. solcher operationalen Inhalts), die nicht in die neue Bundesverfassung übernommen werden.
Im Einzelnen ergeben sich dazu folgende
Fragestellungen:
I) Inkorporierung von Verfassungsgesetzen und Verfassungsbestimmungen in die neue Bundesverfassung (Verfassungsurkunde)
1) Darstellung der bestehenden Verfassungsgesetze, Verfassungsbestimmungen und staatsvertraglichen Verfassungsregelungen und Strukturierung dieses Normenbestandes (auf Basis der Vorarbeiten von Novak/Wieser und Walter, dem Wiederverlautbarungsentwurf des BKA und der aktuellen Zusammenstellung des gesamten Normenbestandes in Verfassungsrang durch Martin)
2) Was soll die
Verfassungsurkunde an für den Staat und die Gesellschaft elementaren
Regelungsbereichen enthalten? Systematische, taxative Auflistung dieser Regelungsbereiche
(nach welchem System ist vorzugehen?) Diese Aufgabe soll auf Basis der Analyse
des gesamten Bestandes an formellem Verfassungsrecht (Pkt. 1) und unter
Bedachtnahme auf ausländische Verfassungsurkunden vorgenommen werden.
3) Analyse der Gründe, die zu Verfassungsbestimmungen außerhalb der Stammurkunde geführt haben
a) Welche
Bestimmungen könnten schon de constitutione lata ersatzlos entfallen oder ihres
Verfassungsrangs entkleidet werden?
b)
In
welchem Sachzusammenhang sollen die übrigen Bestimmungen weiter behandelt
werden? Für welche Ursachen des Verfassungsrangs von Regelungen sind
generell-abstrakte Lösungen vorstellbar?
c) Wie lösen andere
Verfassungen das Problem ihrer Durchbrechung durch den einfachen Gesetzgeber?
4) Legistische Binnenstruktur der neuen Verfassung
a) Abänderungserfordernisse
und innere Stufung; Überlegungen zur Einführung verfassungsausführender Gesetze
b) Überlegungen zur Verankerung eines Inkorporationsgebots
- Vor‑ und Nachteile eines absoluten Inkorporationsgebots („kein weiteres Verfassungsrecht außerhalb der Verfassungsurkunde“)
- Vor‑ und Nachteile eines Verfassungsbegleitgesetzes bzw. eines Anhanges zur neuen Verfassung (etwa für das Verfassungsübergangsrecht, für weitergeltendes altes Verfassungsrecht, für Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen)
- Varianten eines relativen Inkorporationsgebots (etwa mit Beschränkung auf die Regelungsbereiche der neuen Bundesverfassung oder mit einer Ausnahme für das Völkerrecht)
- Inkorporationsgebot für das Landesverfassungsrecht?
c) Überlegungen zur Verbesserung des status quo (etwa Ermöglichung von Bundesverfassungsgesetzen außerhalb der neuen Bundesverfassung, aber Verbot von Verfassungsbestimmungen in einfachen Bundesgesetzen)
II) Klärung des juristischen Schicksals des gegenwärtigen Verfassungsrechts, das keine Aufnahme in die Verfassungsurkunde findet, auf Basis der inhaltlichen Ergebnisse des Konvents und Grundsätze der legistischen Gestaltung des künftigen Bundesverfassungsrechts
1) Welche
Bestimmungen können im Lichte der Ergebnisse des Konvents ersatzlos entfallen
oder ihres Verfassungsrangs entkleidet werden?
2) Vorschläge zur Verankerung eines Inkorporationsgebots angesichts der Ergebnisse des Konvents
3) Welche
Bestimmungen müssen auf verfassungsgesetzlicher Ebene weiter bestehen? Wo
sollen sie künftig geregelt sein (Zuordnung zu einem Verfassungsbegleitgesetz,
zu einem Anhang oder zu einem verfassungsausführenden Gesetz)? Wie sollen sie
unter der neuen Verfassung geändert werden können?
Zeitplan
Der Ausschuss hat dem Präsidium über die Ergebnisse seiner Beratungen
1) spätestens vier
Monate nach seiner Konstituierung über Punkt I.) des Mandats und
2) bis zu einem noch
festzusetzenden Zeitpunkt über Punkt II.) des Mandats
einen schriftlichen Bericht (gegebenenfalls mit
Textvorschlägen für eine neue Verfassung) vorzulegen.