Stellungnahme der Expertengruppe der im Ökumenischen
Rat der Kirchen vertretenen anerkannten Kirchen in Österreich zum „Positionspapier zu Fragen von Präambel, Staatszielen
und Grundrechten in einer neuen österreichischen Bundesverfassung“ der
Abgeordneten Dr. Baumgartner – Gabitzer et.al., in Ergänzung der Stellungnahme
vom 21. November 2003 wie folgt:
Zu den Punkten 1, 3 und 4 des Positionspapiers:
Präambeltexte haben eine andere Funktion als moderne
Staatszielbestimmungen. Präambeln legen Grundwerte, Bekenntnisse und Motive des
Verfassungsgesetzgebers offen; sie dienen der Interpretation und der
historischen Legitimation.
Eine Präambel für die neue österreichische
Bundesverfassung wurde von den Kirchen in ihrer gemeinsamen Stellungnahme vom
21. November 2003 nicht abgelehnt;
sie haben angekündigt, „einen Text vorzuschlagen, wenn der Konvent eine
Präambel für notwendig erachtet“.
Grundrechtskatalog, Staatsziele und Präambel stehen
zwar in einem Wechselverhältnis zueinander, aber nicht in dem Sinne, dass die
Präambel den Grundrechtskatalog vervollständigt und die Staatsziele ersetzt.
Zu den Punkten 1 und 5 des Positionspapiers:
Grundrechte verwirklichen Staatsziele; insofern bedarf
es keiner weiteren Staatsziele über das Verhältnis zw. Mensch, Bürger/Innen und
Staat. Grundrechte verwirklichen aber Staatsziele nicht generell. Dies zeigen
gerade auch die im österreichischen Verfassungsrecht schon enthaltenen
Staatszielbestimmungen.
Staatsziele, wie sie die Kirchen in ihrer
Stellungnahme vom 21. November 2003 für den normativen Teil der Verfassung
genannt haben, sind nicht entbehrlich in einer Zeit des größten Strukturwandels
des Staates, in einer Zeit, in der die Frage nach den Zielen und Aufgaben des
Nationalstaates in einem geeinten Europa gestellt wird.
Staatsziele sind weniger Schranken des Staates als
positive Festlegungen für die Arbeit des Staates. Zu entscheiden ist, welche
Grundwerte und Ziele für die politische Auseinandersetzung gelten und außer
Streit stehen sollen. Alle modernen Verfassungskonzepte entsprechen dieser
Auffassung, ganz besonders sind im Entwurf eines EU-Verfassungsvertrages die
Grundwerte und Unionsziele normativ verankert. Staatsziele, wie sie in der
Stellungnahme der Kirchen enthalten sind, sind eine Innovation für die
österreichische Bundesverfassung.
Sie sind nicht zu verwechseln mit Bekenntnissen zu den
Grundlagen der Gesellschaft und des Verfassungsstaates.
Zu Punk 6 und 7 des Positionspapiers:
Ein moderner Grundrechtskatalog hat Abwehrrechte und
Teilhaberechte, somit eine Liste von sozialen Grundrechten zu verbürgen. Auch
der Entwurf eines EU-Verfassungsvertrages enthält soziale Grundrechte – und
zwar nicht nur in der Form von Grundwerten und Erklärungen von
Gewährleistungsgarantien, sondern auch als verfassungsgesetzlich gewährleistete
subjektive Rechte, die durchsetzbar sind. Es gilt nicht zu entscheiden, ob
überhaupt keine subjektiven sozialen Grundrechte oder ob alle (zum Beispiel die
in der Europäischen Sozialcharta garantierten) sozialen Grundrechte in die neue
österreichische Bundesverfassung aufzunehmen sind. Ein Mittelweg ist möglich.
Die Kirchen haben im „Sozialwort“ dafür die Basis gelegt.
Die Kirchen legen ihren Entwurf zu den sozialen
Grundrechten dem Verfassungskonvent vor und wollen damit einen Beitrag zur
Verfassungsreform und zum Ausgleich der vorliegenden Positionen über soziale
Grundrechte leisten.
Zu Punkt 8 des Positionspapiers:
Die Kirchen unterstützen den Vorschlag, den normativen
Text der neuen österreichischen Bundesverfassung mit dem Grundrechtskatalog zu
beginnen.
Wien, am 24. Februar 2004
F.d.R.d.A.:
(Dr. Walter Hagel)