Eine zentrale Forderung des
Tierschutz-Volksbegehrens 1996 besteht darin, den Tierschutz in der
Bundesverfassung zu verankern. Hierfür gibt es gute Gründe und folgende
Vorbilder:
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In
der Schweiz genießt die „Würde der Kreatur“ bereits seit 1992 den Schutz der
Eidgenössischen Bundesverfassung.
·
In
Deutschland wurde der Tierschutz im Jahr 2002 in Art. 20a des Grundgesetzes
verankert. Diese Staatszielbestimmung lautet wie folgt:
"Der Staat schützt auch in
Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen
und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung [...].“
In der Begründung zur Änderung des
Grundgesetzes führt der deutsche Verfassungsgesetzgeber aus dass – wörtliches
Zitat – „die Aufnahme eines Staatszieles Tierschutz [...] dem Gebot eines sittlich
verantworteten Umgangs des Menschen mit dem Tier Rechnung trägt.“
Aus einer aktuellen
deutschen Meinungsumfrage geht hervor, dass 80% der Bevölkerung die Anerkennung
des Tierschutzes als Staatsziel befürworten und es ist anzunehmen, dass das
Ergebnis in Österreich ein ähnliches wäre; dies, meine Damen und Herren, sollte
auch demokratiepolitisch zu denken geben.
·
Das
dritte Beispiel stammt aus Österreich, es ist Art. 9 des Salzburger
Landesverfassungsgesetzes, der seit 1.Juli 2002 folgenden Wortlaut hat:
"[...] Aufgaben und
Zielsetzungen des staatlichen Handelns des Landes [sind] insbesondere: [...]
die Achtung und der Schutz der Tiere als Mitgeschöpfe des Menschen aus seiner
Verantwortung gegenüber den Lebewesen [...]."
Es gibt also genügend Beispiele, die zeigen, dass es ein berechtigtes
Anliegen ist, den Schutz der Tiere auch verfassungsrechtlich abzusichern.
Was bewirken aber nun solche Verfassungsnormen?
Die Verankerung des Tierschutzes in der Bundesverfassung ist eine
zwingende Voraussetzung für die Verbesserung des Vollzugs in
Tierschutzangelegenheiten.
Die zitierten Beispiele sind Staatszielbestimmungen, welche die
Staatsgewalten dazu verpflichten, das staatliche Handeln – also Gesetzgebung
und Vollziehung – an den definierten Staatszielen zu orientieren.
Konkret bedeutet dies, dass Tierschutz als Staatsziel vom Gesetzgeber in
allen Bereichen der Rechtsordnung zu beachten ist, von denen Tiere betroffen
sind. Aber auch Gerichte und Behörden haben bei der Auslegung von
Rechtsvorschriften die Staatsziele zu berücksichtigen.
Die Verankerung des Tierschutzes in der Bundesverfassung ist
insbesondere Voraussetzung für die Vornahme einer Güterabwägung, wenn es zu
einer Kollision zwischen dem Tierschutz und anderen verfassungsrechtlich
geschützten Rechtsgütern – also etwa der Freiheit von Wissenschaft, Kunst oder
Religion – kommt.
In der bereits erwähnten Begründung zur Änderung des deutschen
Grundgesetzes betont der deutsche Verfassungsgesetzgeber, dass „die
Rechtsprechung [Tierschutz], nur [dann] angemessen vollziehen [kann], wenn der
Gesetzgeber den Tierschutz ausdrücklich in das Gefüge des Grundgesetzes
einbezieht.“ „Dies dient“ – so heißt es in der Begründung weiter – „der
Rechtssicherheit“.
„Tierschutz in der Verfassung“ ist aber auch aus Gründen der
Einheitlichkeit der Rechtsordnung geboten. Das Tier ist bekanntlich
zivilrechtlich keine Sache mehr. Tierschutz genießt in der heutigen
Gesellschaft einen so hohen Stellenwert, dass der einfache Gesetzgeber nicht
umhin kann, sich zum ethischen Tierschutz zu bekennen. Es ist daher nicht nur
folgerichtig, sondern zwingend geboten, dass sich diese Entwicklung des
modernen Tierschutzrechts auch auf der höchsten Ebene der Rechtsordnung
manifestiert und von ihr gestützt und abgesichert wird.
Die österreichische Verfassungstradition
Gegen die Forderung nach der verfassungsrechtlichen Verankerung des
Tierschutzes wurde bislang nur ein formales Argument vorgebracht, nämlich dass
Staatszielbestimmungen der österreichischen Bundesverfassung wesensfremd seien,
da diese traditionellerweise der „Grundrechtstheorie“ verpflichtet wäre.
Bei diesem Argument handelt es sich freilich bloß um eine bloße
Abwehrstrategie, der folgendes entgegenzuhalten ist:
·
Trotz
der ausgeprägten Grundrechtstradition gibt es bereits jetzt Staatszielbestimmungen, z.B. das
Bundesverfassungsgesetz über den umfassenden Umweltschutz, um nur ein Bespiel
zu nennen.
·
Eine
zeitgemäße Verfassung – und wir gehen davon aus, dass der Konvent bestrebt ist,
eine solche zu erarbeiten – kann nicht ohne die Definition von Staatszielen das
Auslangen finden. Eine „Spielregelverfassung“, die bloß das Verhältnis zwischen
den Staatsgewalten regelt und einen Grundrechtskatalog enthält, wird der
Komplexität der Lebenswirklichkeit und dem aktuellen Regelungsbedarf längst
nicht mehr gerecht. In einer zeitgemäßen Verfassung stehen
Staatszielbestimmungen und Grundrechte nebeneinander und ergänzen einander in
sinnvoller Weise.
Vorrangige Bedeutung der Forderung „Tierschutz in die
Verfassung“
Wir halten die Forderung nach der Anerkennung des Tierschutzes als
Rechtsgut im Verfassungsrang für die wichtigste und am wenigsten verzichtbare
Forderung des Tierschutz-Volksbegehrens.
Tierschutz genießt in unserer
Gesellschaft unbestrittener maßen einen hohen Stellenwert. Tierschutz wird als
öffentliches Anliegen anerkannt. Folglich müssen Gesetzgebung und Vollziehung
sich dazu verpflichten, auch auf Belange des Tierschutzes Bedacht zu
nehmen. Es ist mit der gesellschaftlichen Bedeutung des Tierschutzes
unvereinbar, dass Tierschutz a priori, also ohne jede Möglichkeit zur
Überprüfung der im Einzelfall vorliegenden, konkreten Interessenlagen,
gegenüber anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern unterliegen
muss.
Und wenn vor wenigen Wochen aus dem
Mund des Herrn Landwirtschaftsministers zu hören war, dass „Gott“ nicht in der
Verfassung verankert werde und folglich auch der Tierschutz nicht, dann, meine
Damen und Herren, ist dem schlicht und einfach zu entgegnen: Tierschutz ist
keine Glaubensfrage, Tierschutz ist Rechtspflicht!