Positionspapier zu Fragen von Präambel, Staatszielen  und  Grundrechten einer neuen österreichischen Bundesverfassung

 

eingebracht von: Abg. Dr. Baumgartner – Gabitzer, Univ. Doz. Dr. Bußjäger, Landtagspräsident Dörler, BM Gehrer, Univ. Prof. Dr. Grabenwarter, Landtagspräsident Ing. Griessner, BR Hösele, Nationalratspräsident Univ. Prof. Dr. Khol, DDr. Lengheimer, Landtagspräsident Prof. Ing. Mader, Präsident Mödlhammer, Landtagspräsidentin Orthner, Dr. Pfeifenberger, Bachler i.V. BM DI Pröll, Dr. Pesendorfer i.V. LH Dr. Pühringer, Abg. Univ. Prof. Dr. Rack, Dr. Marckhgott i.V. LH Dr. Schausberger, Sts Dr. Finz i.V. Bundeskanzler Dr. Schüssel, Dr. Wejwoda i.V. Präsident Ök. Rat. Schwarzböck, Dr. Thanner i.V. BM Dr. Strasser, Dr, Voith, Mag. Wutscher, LAbg. Dr. Wutte

1.     Ausgangspunkt der Überlegungen für eine künftige österreichische Bundesverfassung ist die Vorstellung, dass die Verfassung den Prozess der Rechtsgestaltung auf unterverfassungsgesetzlicher Ebene nicht durch umfassende materielle Vorausfestlegungen in Staatszielbestimmungen über Gebühr materiell determinieren soll. An diesem Konzept ist festzuhalten. Damit wird modernen Denkansätzen Rechnung getragen, wie sie auch und im Besonderen im Entwurf des Europäischen Verfassungsvertrages und der Europäischen Grundrechte-Charta  manifest geworden sind.

2.     Die Diskussion um eine Präambel, die Aufnahme von Staatszielen in eine neue Verfassung und die Formulierung eines neuen, geschlossenen Grundrechtskataloges  stehen in einem Wechselverhältnis zueinander. Mancher Rechtszustand kann über Staatsziele ebenso erreicht werden wie über eine Bestimmung im Grundrechtskatalog, manches rechtspolitische Signal kann von der Präambel ebenso ausgehen wie von einem Staatsziel. Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden einige Festlegungen für die weitere Diskussion im Österreich-Konvent formuliert.

3.     Der neuen Bundesverfassung soll eine Präambel vorangestellt werden. Sie enthält – der üblichen Funktion von Präambeln entsprechend – Bekenntnisse zu den Grundlagen der Gesellschaft und des Verfassungsstaates und erfüllt mit der Rückverweisung auf die Voraussetzungen einer Verfassung vergewissernde und legitimatorische Funktion. Präambeln entsprechen dem europäischen Standard moderner Verfassungen, wie sich zuletzt auch am Beispiel des Entwurfs eines Europäischen Verfassungsvertrages gezeigt hat.

4.     In einer Präambel ist nicht nur für den Verweis auf Verfassungsvoraussetzungen, sondern auch für die Verankerung von Staatszielen Platz. Ihr prominenter Standort an der Spitze der Verfassung gewährleistet, dass sie nicht irgendwo im Dickicht der Verfassungslegistik oder gar wie derzeit in Sonder-Verfassungsgesetzen fernab der Stammurkunde unbeachtet bleiben.

5.     Im Übrigen sollte auf die Aufnahme von Staatszielen in den Verfassungstext verzichtet werden. Rechtspolitische Ziele, die mit der Forderung nach weiteren (über die in der Präambel zu verankernden hinaus gehenden) Staatszielen verfolgt werden, können und sollten so weit wie möglich über eine Aufnahme der entsprechenden Inhalte in den Grundrechtskatalog erreicht werden.

6.     Diese Vorgangsweise bietet sich schon allein deshalb an, weil eines der Vorbilder für den österreichischen Grundrechtskatalog die Grundrechte-Charta der Europäischen Union ist. Dort werden zahlreiche bedeutende verfassungspolitische Anliegen aufgenommen, ohne dass diese die Qualität von Garantien mit individualschützendem Charakter oder der Möglichkeit gerichtsförmiger Durchsetzung hätten. Der neue Grundrechtskatalog sollte geleitet von der Grundrechte-Charta ebenfalls eine Reihe solcher Garantien  aufnehmen.

7.     Diese Position impliziert die Festlegung auf die Schaffung „sozialer Grundrechte“. Soweit nicht das geltende Verfassungsrecht im grundrechtlichen Kontext Zielbestimmungen enthält, welche übernommen werden können, werden solche „Grundrechte“ innerhalb des Grundrechtskataloges als „Gesetzgebungsaufträge“ verankert. Diese verleihen dem einzelnen kein verfassungsgesetzlich gewährleistetes subjektives Recht, das vor dem Verfassungsgerichtshof oder den ordentlichen Gerichten durchsetzbar wäre. Vielmehr enthalten sie bindende Vorgaben für den einfachen (Bundes- oder Landes-)Gesetzgeber. Auf die vom Gesetzgeber einfachgesetzlich gewährten Rechte kann sich der Einzelne dann gegebenenfalls berufen.

8.      Die enge Klammer zwischen Staatszielen und Präambel auf der einen Seite und den Grundrechten auf der anderen Seite legt es nahe, die Grundrechte an den Beginn einer neuen Verfassungsurkunde zu stellen. Dies würde der Bedeutung von Grundrechten im Rahmen von Verfassungen Rechnung tragen und dem Vorbild anderer europäischer Verfassungen (z.B. Deutschland) entsprechen.