Greenpeace-Vorschlag für den
Österreichischen Verfassungskonvent
1.
Anti-Atompolitik
Österreich ist 1994
der EU beigetreten mit dem zentralen Argument in Europa mitreden zu wollen.
Seither haben sich die Kompetenzen in der europäischen Energiepolitik zunehmend
hin zu den europäischen Gremien verlagert. Österreich muss deshalb verstärkt
seine Position zum europäischen
Atomausstieg in Brüssel einbringen. Die Verankerung einer generellen
Ministerbindung für den europäischen Atomausstieg in der österreichischen
Verfassung wäre deswegen ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Die
Möglichkeit der Ministerbindung im Einzelfall nach §23e reicht hierfür nicht
aus.
Das Ziel des
europäischen Atomausstiegs wäre damit erstmals in einem europäischen
Mitgliedsland im Verfassungsrang verankert. Damit wäre gleichzeitig die
konkrete Einflussmöglichkeit und in groben Zügen die Politik der
österreichischen Regierung im europäischen Rat und den Fachministerräten
festgelegt. Österreich sollte dort wo es möglich ist, Politiken unterstützen,
die dem Ziel des europaweiten Atomausstiegs dienen, Vorreiter einer
europaweiten Allianz der atomkritischen Staaten werden. In Bereichen, in denen
nach wie vor Einstimmigkeit herrscht und die in die falsche Richtung gehen, die
Privilegien der Atomwirtschaft fortschreiben oder ausbauen, sollte Österreich
sein Veto einlegen.
Zur Unterstützung
dieses in Europa vorbildhaften Schrittes einer klaren Verankerung eines
europäischen Zieles in der nationalen Verfassung sollten die Österreicher in
Form einer Volksabstimmung ihren Willen Ausdruck verleihen können. Käme
es auch hier zu einem klaren Bekenntnis für diese Ministerbindung zum Zwecke
des europäischen Atomausstieges würde dies die Position Österreichs in Brüssel
stärken. Die Mehrheit der Österreicher hat in Meinungsumfragen diese generelle
Ministerbindung befürwortet. Bei aller berechtigter Skepsis über die
Aussagekraft von Meinungsumfragen muss doch betont werden, dass letztlich nur
eine Volksabstimmung endgültig und verbindlich Klarheit über den Volkswillen in
dieser Frage bringen kann.
Greenpeace hat im
Rahmen des Volksbegehrens für ein atomfreies Europa einen konkreten Vorschlag
gebracht, wie das bestehende Verfassungsgesetz für ein „atomfreies Österreich“
erweitert werden kann, so dass die europäische Komponente mit eingeschlossen
ist (siehe Gesetzestext-Entwurf des Volksbegehrens).
2. Direkte Demokratie
Umwelt-,
Naturschutz, und Tierschutzanliegen sowie die Atomenergie waren immer wieder
Gegenstand von Volksbegehren und einmal im Falle von Zwentendorf auch einer
Volksabstimmung. So wie viele andere Volksbegehren - bisher waren es 30 -
hatten diese kaum unmittelbare Auswirkungen auf die Gesetzgebung. Den Anliegen
wurde kaum legistisch Rechnung getragen. Viele dieser Volksbegehren, so ergaben
Meinungsumfragen, wurden auch durch die Mehrheit der Bevölkerung unterstützt.
Eine letztlich verbindliche Möglichkeit den Mehrheitswillen in diesen
Sachfragen festzustellen, hätte es auf parlamentarische Initiative hin gegeben,
nämlich Volksbefragungen oder Volksabstimmungen durchzuführen. Mit einer
Ausnahme, eben der Volksabstimmung um das AKW Zwentendorf, wurde davon aber nie
Gebrauch gemacht. Entgegen den Prognosen und entgegen dem relativ breiten
Konsens im Parlament und der Regierung entschied 1978 das Volk knapp aber doch
anders, nämlich gegen das AKW. Der Verdacht liegt nahe, dass das Parlament und
die Regierung sich seither bewusst nicht mehr der Gefahr aussetzen wollen in
einigen Sachfragen, vom Souverän, dem Volk überstimmt zu werden.
Die repräsentative
Demokratie und im speziellen die gewählte Parlamentsmehrheit repräsentiert eben
zu einem Gutteil den Volkswillen, in Einzelfragen kann es aber hier zu
Abweichungen kommen. Um im Sinne des Art. 1 B-VG dem unmittelbaren Volkswillen
im Konfliktfall den Vorzug zu geben sollte es auch in Österreich ein zwingendes
Initiativrecht nach Schweizer Vorbild geben, bei dem ab einer Stimmenzahl von
100 000 Unterschriften eines Volksbegehrens zwingend eine Volksabstimmung
durchgeführt werden muss. Deren Ergebnis ist dann für den Nationalrat
verbindlich. Wir fordern somit den Übergang vom bloßen Initiativrecht
(Volksbegehren) zum Beschlussrecht für einen qualifizierten Anteil der
Bevölkerung. Eine faire und ausreichende finanzielle Unterstützung bezüglich
Werbung und Informationsarbeit für die verschieden an einer Initiative
beteiligten Parteien ist zu gewährleisten.
3.
Erweiterte Staatszielbestimmung Umweltschutz und Rechtsfähigkeit der Natur
Die neue österreichische
Bundesverfassung sollte den umfassenden Umweltschutz erweiterter und moderner
definieren: Sowohl auf materieller als auch auf formeller Verfassungsebene hat
der Staat die Pflicht, das ökologische Gleichgewicht zu wahren.
Der verantwortliche Umgang mit der Natur muss vom Prinzip der Nachhaltigkeit
getragen werden. Die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen sollte daher
nicht nur für die jetzt lebenden Menschen sondern auch auf die kommenden
Generationen ausgedehnt werden. Hier wäre de lege ferenda ein
staatsbürgerliches Grundrecht der heute lebenden Bürger sowie der kommenden
Generationen auf eine gesunde, funktionsfähige und saubere Umwelt zu
konstituieren. Das Handeln des Staates muss außerdem die Natur als natürliche Mitwelt
mit den ihr innewohnenden Eigenwerten berücksichtigen und nicht nur als
anthropozentrische Kategorie als reine Lebensgrundlage des Menschen.
Nationalparks und
zusammenhängende geschützte Ökosysteme sollen entsprechend den
Naturschutzregelungen in einem abgestuften System zu juristischen Personen mit
beschränkter Rechtsfähigkeit erklärt werden. Die treuhänderische Vertretung
dieser juristischen Personen der Natur in den Verfahren auf Gemeinde-,
Bezirks-, Landes- und Bundesebene soll durch Landesumweltanwälte und einen Bundesumweltanwalt
gewährleistet sein. Landes- und Bundesumweltanwaltschaften sind durch Natur-Beiräte
zu ergänzen. Diese sollen aus den Vertretern der Gebietskörperschaften, von
anerkannten Umweltorganisationen (WWF, Greenpeace, Global 2000) sowie anerkannten
Experten zusammengesetzt sein und beschickt werden. Die natürliche Mitwelt
braucht mehr Mitspracherecht in den Verfahren, die zu ihrer Beeinträchtigung
oder Zerstörung führen können.
Mag. Erwin Mayer
(erwin.mayer@greenpeace.at)
MMag. Franko Petri
(franko.petri@greenpeace.at)
Greenpeace
Siebenbrunnengasse 44, 1050 Wien, Wien, am 17. 12. 2003