Neue Grundrechte – Neue Verfassung
Symposium und Podiumsdiskussion anlässlich der Präsentation
des Grundrechtskatalogs des sozialdemokratischen Grundrechtsforums am 19.
Oktober 2004 im Bawag Veranstaltungszentrum Hochholzerhof, Wien.
Veranstalter: SPÖ-Grundrechtsforum, Renner Institut, VSSTÖ
Programm: 16.30
Uhr Eröffnung
durch SPÖ Menschenrechtssprecher Mag. Walter Posch
Dr.
Caspar Einem (stv. Klubvors. SPÖ Parlamentsfraktion)
„Politische
Funktion von Grundrechten heute“
17.00
Uhr Prof.
Dr. Jürgen Meyer (Univ. Freiburg/Breisgau)
„Die europäische Grundrechtscharta
und die Verfassungen der
Mitgliedstaaten“
17.30
Uhr Univ.
Prof. Dr. Michael Holoubek (WU Wien)
„Soziale
Grundrechte im österreichischen Rechtssystem“
18.00
Uhr Dr.
Johannes Schnizer (SPÖ Parlamentsfraktion)
„Der Grundrechtskatalog des
sozialdemokratischen
Grundrechtsforums“
18.30
Uhr Podiumsdiskussion
mit Dr. Daniel Charim (Rechtsanwalt), Univ. Prof. Dr.
Bernd-Christian Funk (Univ. Wien), Mag. Anna-Maria Hochhauser (WKO), Dr. Heide Schmidt (Inst. für
eine offene Gesellschaft), Fritz Verzetnisch (ÖGB)
Moderation:
Rubina Möhring
Kurzbericht
Begleitend zu den Beratungen des
Österreich-Konvents hat das Sozialdemokratische Grundrechtsforum einen
umfassenden Grundrechtskatalog erarbeitet. Dieser wurde im Rahmen eines
Symposiums am 19. Oktober 2004 in Wien präsentiert. In seiner Einleitung
berichtete SPÖ-Menschenrechtssprecher Walter Posch vom Prozess der Erarbeitung
dieses Grundrechtskatalogs. Besonders hob er die Beteiligung vieler Bürgerinnen
und Bürger hervor, die eine Internetplattform ermöglicht hatte. Eine
wissenschaftliche Arbeitsgruppe stellte die fachliche Begleitung sicher. Posch
betonte, dass die SPÖ als einzige Partei einen „vollen Grundrechtskatalog“ im
Konvent vorgelegt hat, und wies insbesondere auf die Bedeutung der sozialen
Grundrechte für die SPÖ hin.
Caspar Einem plädierte in seinem
Referat für das Verständnis der Verfassung als Grundlage einer
Rechtsgemeinschaft und wandte sich gegen eine Aufladung der Verfassung durch
Wertbezüge. Grundrechte sind für ihn Positionen, auf die sich die Menschen über
den Tag hinaus verlassen können. Hier darf nicht im Vordergrund stehen, dass
Optionen für die Politik offen gehalten werden. Vielmehr müssen „Pflöcke
eingeschlagen werden“, die Ansprüche und Leistungen sichern, betonte Einem.
Zuletzt wandte er sich gegen das Argument, dass soziale Grundrechte zu hohe
Kosten verursachen würden. Einem betonte, dass Recht und die Aufrechterhaltung
desselben immer Gelde koste. In dieser Beziehung bestünde kein Unterschied
zwischen den klassischen und den neueren Grundrechten.
Jürgen Meyer stellte die Erarbeitung
der EU-Grundrechtecharta vor. Er bekannte sich dazu, dass sich die EU auf Werte
gründet, die verbindlich sind, nämlich auf Grundrechte. Deren Kodifizierung im
Rahmen der Grundrechtecharta kann einen wichtigen Beitrag zur Antwort auf die
Frage leisten, was Europa ausmache. Zudem kommt der Grundrechtecharta eine
wichtige Ausstrahlungswirkung innerhalb und außerhalb Europas zu. Sie wird zum Maßstab
von Grundrechtsreformen. Meyer ging näher auf die Bedeutung der Einklagbarkeit
der Menschenwürde ein, wie sie zuvor nur das Deutsche Grundgesetz gekannt
hatte. In Hinblick auf die Struktur der sozialen Grundrechte erläuterte er,
dass diese Schutz, Förderung und Respektierung umfassen.
Michael Holoubek ging in seinem
Referat näher auf die Verankerung von sozialen Grundrechten in der
österreichischen Rechtsordnung ein. Einleitend hielt er fest, dass ein
Rückschritt hinter die Europäische Grundrechtecharta jeden „neuen“
Grundrechtskatalog in seiner Überzeugungskraft nachhaltig beeinträchtigen
würde. Er bemühte sich sodann, dass „traditionelle Bild“ des Gegensatzes
zwischen liberalen und sozialen Grundrechten zu korrigieren, und wies darauf
hin, wie gerade in Österreich Standpunkte und Vorurteile der internationalen
Diskussion der 1960er und 1970er-Jahre weiterwirken. Ausführlich erläuterte er
die fließenden Übergänge zwischen liberalen und sozialen Grundrechte und
präsentierte Beispiele dafür.
Dr. Johannes Schnizer stellte
abschließend den Grundrechtskatalog des sozialdemokratischen Grundrechtsforums
vor und ging auf die darin enthaltenen Neuerungen ein.
In der Podiumsdiskussion unter der
Leitung von Rubina Möhring stellten Mag. Anna-Maria Hochhauser und Fritz
Verzetnisch die Positionen der Sozialpartner im Konvent vor und gingen auf
ihren gemeinsamen Vorschlag für die Formulierung sozialer Grundrechte der
Arbeitswelt ein. Univ. Prof. Dr. Bernhard-Christian Funk erklärte ausführlich,
wie der Konvent und seine Ausschüsse arbeiten und nahm zu den Schwierigkeiten
der Diskussionen im Grundrechtsausschuss Stellung. Dr. Heide Schmidt
berichtete, wie sich ihre Einstellung gegenüber der Verankerung sozialer
Grundrechte in der Verfassung in den letzten Jahren gewandelt hat. Zugleich
kritisierte sie aber die Vorgangsweise der Sozialpartner bei der Formulierung
ihres Vorschlags und wies nachdrücklich darauf hin, dass Grundrechte nie unter
den Vorbehalt der Wirtschaftsentwicklung gestellt werden können. Dr. Daniel Charim
kam in seiner Stellungnahme auch auf andere Aspekte des Grundrechtsschutzes zu
sprechen und erinnerte daran, dass Österreich eine lange Tradition im Hinnehmen
von Grundrechtsverstößen habe. Hier sei es nötig, grundsätzliche Änderungen
durchzuführen, weil sonst das Vertrauen der Menschen in den Staat zusehends
verloren gehen könne.
(Christoph Konrath, 20.10.2004)