Protokoll

über die 4. Sitzung des Ausschusses 3

am 20. November 2003

im Parlament, Lokal IV

 

Anwesende:

 

Ausschussmitglieder (Vertreter):

            Univ.Prof. Dr. Gerhart Holzinger          (Vorsitzender)

            Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer         (stellvertretende Vorsitzende)

            Dr. Johannes Schnizer              (Vertretung für Dr. Maria Berger)

            Univ.Prof. Dr. Wilhelm Brauneder       (Vertretung für Dr. Jörg Haider)

            Johann Hatzl

            Prof. Herwig Hösele

            Prof. Albrecht Konecny

            Dr. Peter Kostelka

            DDr. Karl Lengheimer

            Univ.Prof. DDr. Heinz Mayer

            Dr. Robert Hink                                  (Vertretung für Helmut Mödlhammer)

            Dr. Christian Buchmann                       (Vertretung für Mag. Siegfried Nagl)

            Dr. Madeleine Petrovic                        (zeitweise vertreten durch Dr. Eva Glawischnig)

            Bernd Vögerle

 

Weitere Teilnehmer:

 

            Mag. Ronald Faber                             (Büro Univ.Prof. Dr. Heinz Fischer)

            Dr. Marlies Meyer                               (Büro Dr. Eva Glawischnig)

            Mag. Bernhard Peer                            (Büro Univ.Prof. Dr. Andreas Khol)

            Dr. Wolfgang Steiner                           (Büro Angela Orthner)

           

Büro des Österreich-Konvents:

 

            Dr. Clemens Mayr                               (fachliche Ausschussunterstützung)

            Brigitte Birkner                        (Ausschusssekretariat)

 

 

Beginn:           10.00 Uhr

Ende:              18.30 Uhr

Tischvorlagen:

·        Tagesordnung

·        Stellungnahme zu Art. 23c B‑VG, BMF

·        Einladung Wahlrechtsseminar, BMaA

·        Artikel aus der „Neuen Zürcher Zeitung“, Univ.Prof. Dr. Esterbauer

·        Vorschläge zum Ö-Konvent, P.J. Abart

·        Die Zukunft der Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung, Mag. Freibauer

·        Bundesrat neu – Diskussionsentwurf zur Reform und Stärkung der Länderkammer, Mag. Freibauer

·        Erklärung der Konferenz der Landtagspräsidentinnen und Landtagspräsidenten vom 7. Februar 2003 samt Begleitschreiben

 

 

Tagesordnungspunkte:

 

1.      Debatte über die Punkte IV. (Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam betreffende Fragen), V. (Verfassungsautonomie – soweit dieser Punkt noch nicht in der dritten Sitzung am 11. November 2003 behandelt worden ist), VI. (Verhältnis zwischen Gesetzgebung und Vollziehung) und VII. (Mitwirkung österreichischer Organe an der Ernennung von Mitgliedern von Organen der Europäischen Union) des Mandates des Ausschusses 3

  1. vertiefte Beratung der in der zweiten Sitzung am 14. Oktober 2003 bereits erörterten Punkte I.1.a. (Nationalrat), I.1.c. (Weg der Bundesgesetzgebung), I.1.d. (Mitwirkung an der Vollziehung) und I.2.a. (Bundespräsident) des Mandates des Ausschusses 3

 

 

 

Tagesordnungspunkt 1

 

4.1. Zahl der staatlichen Ebenen

 

Überwiegend wird die Auffassung vertreten, dass die „Abschaffung“ einer Ebene wohl nicht in Betracht komme; überhaupt sei das Bild von drei (Bund, Länder, Gemeinden) bzw. vier (+ Bezirke) Ebenen zu relativieren; wesentlich sei eine möglichst zweckmäßige Zuweisung der staatlichen Aufgaben zu den einzelnen Ebenen und die Schaffung möglichst kurzer Instanzenzüge.

 

Kontroversiell diskutiert wird die Frage, ob die Gemeinden in der Lage bzw. adäquat ausgestattet wären, die ihnen zukommenden hoheitlichen Aufgaben (zB Baurecht) zufriedenstellend zu erfüllen („abstrakte Einheitsgemeinde“ – eine Illusion?). In diesem Zusammenhang wird auch angeregt, die Aufzählung in Art. 118 Abs. 3 B‑VG (Umschreibung des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde) zu überarbeiten.

 

Einigkeit besteht darüber, dass die Möglichkeiten der interkommunalen Zusammenarbeit ausgeweitet werden sollen.

 

Unterschiedliche Ansichten bestehen hinsichtlich der Bezirksebene: Zum einen wird die Auffassung vertreten, das Institut der Stadt mit eigenem Statut (Art. 116 Abs. 3 B‑VG) auszubauen (vorgeschlagen werden etwa ein Anspruch auf Erteilung des Statuts, eine verpflichtende Statutverleihung ab einer bestimmten Größe; eine Absenkung der Einwohnergrenze auf 10.000; ausreichende Finanzausstattung). Weiters wird der Ausbau des Instituts des Gemeindeverbandes, etwa auch die Möglichkeit der Statuterteilung für Gemeindeverbände bzw. die Schaffung einer „Region mit eigenem Statut“ vorgeschlagen (Dr. Schnizer übernimmt die Aufgabe, dazu einen Textvorschlag vorzulegen). Auf diese Weise solle sichergestellt werden, dass auf der untersten Verwaltungsebene – für eine professionelle Verwaltung – ausreichend große (inter)kommunale Einheiten bestehen. Zum anderen – und demgegenüber – wird allerdings vorgebracht, dass dadurch die Verwaltungsorganisation undurchschaubarer werden würde; die Bezirksverwaltungsbehörden sollten daher in der gegenwärtigen Form beibehalten und funktionell gestärkt werden. In Frage gestellt wird auch, ob eine (stärkere) demokratische Legitimierung der untersten Verwaltungsebene überhaupt wünschenswert ist.

 

 

4.2. Neue Formen der Kooperation zwischen Bund, Ländern und Gemeinden – insbesondere Art. 15a B‑VG – Vereinbarung; gemeinsame Einrichtungen

 

Von mehreren Seiten wird die Meinung vertreten, dass das Regelungsinstrument der Vereinbarung gemäß Art. 15a B‑VG in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung eher kompliziert und umständlich zu handhaben ist. Auch wenn ein Bedarf nach länderübergreifender Kooperation anerkannt wird, wird die Ermöglichung von sogenannten unmittelbar anwendbaren Vereinbarungen eher skeptisch gesehen (Probleme hinsichtlich der demokratischen Legitimation sowie der Kontrollmöglichkeit durch den VfGH). Eine Streichung dieses Regelungsinstruments soll aber nicht empfohlen werden.

 

Kontroversiell diskutiert wird die Frage, ob die Möglichkeit der Schaffung gemeinsamer Einrichtungen eher zweckmäßig ist oder neue Probleme mit sich bringen würde.

 

Vereinzelt wird vorgeschlagen, Gemeinde- und Städtebund als mögliche Vertragsparteien in das Regelungsregime des Art. 15a B‑VG einzubeziehen. Unterschiedliche Auffassungen bestehen darüber, ob auch einzelnen Gemeinden das Recht eingeräumt werden soll, eine derartige Vereinbarung abzuschließen. Betont wird erneut, dass die Möglichkeiten länderübergreifender Kooperationen zwischen einzelnen Gemeinden ausgebaut werden sollten.

 

 

5. Verfassungsautonomie

 

Das diesbezügliche - weitgehend konsensuale – Ergebnis der Beratungen am 11. November 2003 wird resümiert. Kontroversiell diskutiert wird die Frage, ob die Sondervorschriften für Wien überarbeitet werden sollen. Vorgeschlagen wird etwa die Streichung von Art. 111 B‑VG.

 

 

6. Verhältnis zwischen Gesetzgebung und Vollziehung (Legalitätsprinzip)

 

Es besteht Einvernehmen darüber, dass Gesetze in Österreich tendenziell zu detailliert und kasuistisch ausformuliert sind. Kontroversiell gesehen wird allerdings die Frage, ob dies ein legistisches Problem ist oder ob eine Neuformulierung des Art. 18 B‑VG zu einer Behebung dieses Problems beitragen kann. Gegen eine Lockerung des Legalitätsprinzips wird vorgebracht, dass mehr Freiräume für die Verwaltung die Vorhersehbarkeit für den einzelnen beeinträchtigt und somit zu Rechtsunsicherheit führen kann. Probleme können auch im Zusammenhang mit der Kontrolle des Verwaltungshandelns auftreten. Hingewiesen wird auch darauf, dass durch eine Lockerung der Gesetzesbindung das Problem lediglich von der Gesetzesebene auf die Verordnungsebene verlagert wird. Für eine Lockerung wird der Bedarf der Verwaltung nach flexibler handhabbaren Regelungen sowie nach schnelleren Anpassungen ins Treffen geführt. Durch eine Neuformulierung des Art. 18 B‑VG könnte eine Signalwirkung ausgehen, Gesetze in Hinkunft nicht mehr so kasuistisch auszuformulieren, sondern sich mehr auf die Vorgabe von Zielen zu beschränken. Dr. Schnizer übernimmt die Aufgabe, dazu einen Textvorschlag vorzulegen.

 

Kontroversiell diskutiert wird die Frage, ob die innerstaatliche Umsetzung von gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien durch Verordnung ermöglicht werden soll. Dazu werden drei Modelle ventiliert:

·        Der Gesetzgeber soll in jedem Fall befasst werden, er soll aber die Möglichkeit erhalten, die Verwaltung zur Umsetzung durch Verordnung zu ermächtigen.

·        Die Umsetzung durch Verordnung soll dann zulässig sein, wenn die Richtlinie so determiniert ist, wie dies Art. 18 B‑VG für innerstaatliche Gesetze fordert.

·        Die Umsetzung durch Verordnung soll dann zulässig sein, wenn der Hauptausschuss des Nationalrates gemäß Art. 23e B‑VG mit dem entsprechenden Vorhaben befasst war und eine Stellungnahme abgegeben hat.

Vorgebracht wird, dass dem Gesetzgeber die Möglichkeit offen stehen muss, über die in der entsprechenden Richtlinie enthaltenen Vorgaben hinausgehende Regelungen zu treffen.

 

 

7. Art. 23c B‑VG

 

Kontroversiell diskutiert wird die Frage, ob die Regelung in ihrer gegenwärtigen Detailliertheit bestehen bleiben oder ob eine allgemein gehaltene kürzere Regelung getroffen werden soll. Die Aufzählung der von der Bestimmung erfassten EU-Organe soll überprüft und gegebenenfalls durch eine allgemeine Klausel ersetzt werden. Vereinzelt wird vorgeschlagen, die Mitwirkung der Länder an den Bundesrat zu übertragen.

 

Angeregt wird, auch die Mitwirkung des Nationalrates und des Bundesrates an der Tätigkeit Österreichs in der Europäischen Union gemäß Art. 23e B‑VG im Ausschuss zu diskutieren.

 

 

Tagesordnungspunkt 2

 

1.1.1.1. Zahl der Mitglieder des Nationalrates

 

Der vom Ausschussvorsitzenden vorgeschlagene Textbaustein für den Ausschussbericht zu diesem Punkt wird einvernehmlich angenommen. Der Ausschuss wird daher in seinem Bericht zu diesem Punkt wie folgt Stellung nehmen:

 

„Die Zahl der Abgeordneten zum Nationalrat ist derzeit nicht bundesverfassungsgesetzlich, sondern bloß einfachgesetzlich, nämlich in § 1 Abs. 1 der Nationalrats-Wahlordnung 1992, geregelt.

 

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Zahl der Mitglieder des Nationalrates auch künftig nicht bundesverfassungsgesetzlich geregelt werden sollte.

 

Er lässt sich dabei zum einen davon leiten, dass eine verfassungspolitische Notwendigkeit, diesen Gegenstand bundesverfassungsgesetzlich zu regeln, nicht besteht. In der Zweiten Republik wurde die entsprechende bundesgesetzliche Regelung bloß ein Mal, durch die Nationalrats-Wahlordnung 1970 im Wege der Anhebung der Zahl der Abgeordneten des Nationalrates von 165 auf 183, geändert. Im Hinblick auf die allgemeine Zielsetzung des Konvents, den Text der von ihm auszuarbeitenden Verfassung auf das verfassungspolitisch Notwendige zu beschränken, empfiehlt sich daher die Beibehaltung der geltenden Rechtslage, also der Verzicht auf eine bundesverfassungsgesetzliche Regelung.“

 

 

1.1.1.1.   Wahlrecht

 

Die Diskussion über das Wahlrecht geht eher in die Richtung, dass politisch umstrittene Punkte (wie etwa das Wahlalter) im B‑VG selbst normiert werden sollten. Kontroversiell diskutiert wird die Frage, ob die konkrete Ausgestaltung des Wahlsystems dem jeweiligen Wahlrechtsgesetzgeber übertragen werden soll oder ob der Grundsatz der Verhältniswahl weiterhin, für alle Ebenen, im B‑VG vorgeschrieben werden soll.

 

Einigkeit besteht darüber, dass der Inhalt der Abs. 2 und 6 des Art. 26 B‑VG (nähere Regelungen über die Wahlkreiseinteilung, die Wahlbehörden und die Stimmabgabe) reduziert werden soll. Hinsichtlich der Möglichkeiten der Stimmabgabe soll das B‑VG größere Offenheit signalisieren.

 

Hingewiesen wird darauf, dass bei einer allfälligen Änderung der Bestimmungen über das Wahlrecht auch Art. 23a B‑VG (Wahl der Abgeordneten zum Europäischen Parlament) mitbedacht werden sollte.

 

 

Der nächste Sitzungstermin ist mit Dienstag, 16. Dezember 2003, 10.00 bis 18.00 Uhr fixiert. Eine Einladung wird gesondert ergehen.

 

 

 

Vorsitzender des Ausschusses 3:                                             Fachliche Ausschussunterstützung:

 

 

 

 

 

Univ.Prof. Dr. Gerhart Holzinger e.h.                           Dr. Clemens Mayr e.h.