Anwesende:
Ausschussmitglieder (Vertreter):
Univ.-Prof. Dr. Herbert Haller (Vorsitzender)
Univ.-Prof. Dr. Clemens Jabloner (stellvertretender
Vorsitzender)
Mag. Heribert Donnerbauer
Univ.-Prof. Dr. Gerhart Holzinger
Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Karl Korinek
DDr. Karl Lengheimer
Gerhard Neustifter (für
Maga. Sonja Wehsely)
Dr. Johann Rzeszut
Dr. Johannes Schnizer
Maga. Terezija Stoisits
Dr. Kurt Stürzenbecher (für
Maga. Sonja Wehsely)
Weitere Teilnehmer:
Dr.
Gerhard Kuras (als
Begleitperson von Dr. Johann
Rzeszut)
Maga.
Andrea Martin (als
Begleitperson von
Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Karl
Korinek)
Mag.
Michael Schön (für
Herbert Scheibner)
Mag. Thomas Sperlich (für/als
Begleitperson von Maga. Terezija Stoisits)
Mag. Dr. Wolfgang Steiner (für
LT-Präsidentin Angela Orthner)
Büro des
Österreich-Konvents:
Dr. Gert Schernthanner (fachliche
Ausschussunterstützung)
Sladjana Marinkovic (Ausschusssekretariat)
Entschuldigt:
Univ.-Prof. Dr. Bernd-Christian Funk
Univ.-Prof. DDr. Christoph Grabenwarter
BM
Elisabeth Gehrer
Maga. Sonja Wehsely
Beginn: 09.00 Uhr
Ende: 12.30 Uhr
Tagesordnungspunkte:
2. Abschließende Diskussion über einen „Unabhängigen Justizsenat“ (= adaptiertes Modell eines „Rats der Gerichtsbarkeit“; auf der Grundlage des Textvorschlags von Dr. Schnizer vom 25. Oktober 2004)
3. Abschließende Diskussion über die Ergebnisse der vom Präsidium eingesetzten Expertengruppe zum Thema „Handlungsformen und Rechtsschutz in der öffentlichen Verwaltung“ (auf der Grundlage des am 19. Oktober 2004 an alle Ausschussmitglieder versendeten Berichts der Expertengruppe)
4.
Abschließende Diskussion
über die verfassungsrechtliche Verankerung der Staatshaftung bei Verletzung von
nationalem oder Gemeinschaftsrecht – Säumnis des einfachen Gesetzgebers (auf
der Grundlage des Textvorschlags von Dr. Schnizer vom 25. Oktober 2004)
5. Allfälliges
Der Ausschussvorsitzende begrüßt die Teilnehmer
des Ausschusses 9 und stellt die Anwesenheit (Umlauf der Anwesenheitsliste)
fest.
Das Protokoll über die 14. Sitzung des
Ausschusses 9 vom 11. Oktober 2004 wird mit dem Hinweis, dass dazu seitens der
Stadtgemeinde Wien mit E-Mail vom 12. Oktober 2004 eine kurze Stellungnahme
erstattet worden sei, genehmigt.
Der Ausschussvorsitzende weist einerseits auf
die drei Textvorschläge von Dr. Schnizer und die beiden Stellungnahmen
von Univ.-Prof. DDr. Grabenwarter und Mag. Dr. Steiner zum
Entwurf des Ausschussberichts, die allesamt am 25. Oktober 2004 eingelangt und
noch am selben Tag an alle Ausschussmitglieder per e-mail versendet worden
seien, sowie andererseits auf die Stellungnahme des Bundesministeriums für
Justiz ebenfalls vom 25. Oktober 2004 hin, die als Tischvorlage in Kopie
aufliege.
Tagesordnungspunkt
2.: Abschließende Diskussion über einen „Unabhängigen Justizsenat“ (=
adaptiertes Modell eines „Rats der Gerichtsbarkeit“; auf der Grundlage des
Textvorschlags von Dr. Schnizer vom 25. Oktober 2004)
Grundlage für die heutige Diskussion ist der
von Dr. Schnizer verfasste „Vorschlag zu einem Kollegialorgan der
Richter zur Führung der Justizverwaltung“, der zunächst – in Abwesenheit des
Entwurfsverfassers – vom Ausschussvorsitzenden näher erläutert wird. Dieser
Vorschlag stößt im Ausschuss mehrheitlich auf Skepsis, zum Teil auch – aus
demokratiepolitischen Gründen und aus Gründen der Gewaltenteilung – auf
Ablehnung. Im Einzelnen wird u. a. kritisiert, dass die gemäß Abs. 2 des
vorgelegten Entwurfs notwendige Zweidrittel-Mehrheit für die Wahl der Richter
das gesamte Verfahren und das neu einzurichtende Organ blockieren könnte und
deshalb bloß eine einfache Mehrheit vorzusehen sei. Darüber hinaus dürfte es
keine offene Abstimmung geben, sondern müsste die Wahl geheim sein, um einer
drohenden Verpolitisierung bzw. Fraktionsbildung vorzubeugen. Ein Gremium, das
einerseits aus den Präsidenten des OGH und der 4 OLGs und andererseits aus
gewählten Richtern bestehe, wäre ein aus Gewaltenteilungsgründen abzulehnendes
„Mischorgan“. Darüber hinaus würden durch das vorgeschlagene Organ, das aus
immerhin 9 Personen bestehen sollte, im Vergleich zur jetzt bestehenden
monokratischen Justizverwaltung Effizienzprobleme aufgeworfen werden.
Das in Abs. 3 des Entwurfs vorgesehene
Misstrauensvotum gegenüber dem Vorsitzenden und den Mitgliedern des Senats
passe im gegebenen Zusammenhang nicht, zumal dann das Parlament die Möglichkeit
hätte, etwa den Präsidenten des OGH (in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des
Gremiums) aus dem Amt zu entfernen. Auch die Nennung der Österreichischen Richtervereinigung
in Abs. 2 des Entwurfs sei insofern problematisch, als damit ein privater
Verein in den Verfassungsrang gehoben würde, der gegenwärtig zwar einen
Großteil der Richter repräsentiere, jedoch in Zukunft auch eine
„Konkurrenzvereinigung“ haben könnte. Weiters sei auch die im ersten Satz des
Abs. 2 des Entwurfs (offenbar in Anlehnung an Art. 20 Abs. 1 B-VG) verwendete
Formulierung, wonach die „Angelegenheiten der Justizverwaltung von einem
Senat geführt werden“, sehr weitgehend, zumal damit praktisch die
gesamte Justizverwaltung aus dem Bundesministerium für Justiz ausgelagert
werden würde. Darüber hinaus sei auch das Verhältnis zwischen dem
vorgeschlagenen
Art. 94 Abs. 2 des Entwurfs und dem geltenden Art. 87 Abs. 2 B-VG in
legistischer Hinsicht „unsauber“.
Andererseits wird der von Dr. Schnizer
erstattete Textvorschlag aber zum Teil auch begrüßt und als „Schritt in die
richtige Richtung“ und Verbesserung gegenüber dem von der richterlichen
Standesvertretung eingebrachten Textvorschlag bezeichnet. Abermals wird auf die
unzureichende Ausstattung der Gerichte – dargestellt am Beispiel des Obersten
Gerichtshofs – verwiesen. Es wird die Meinung vertreten, dass man sich –
anstatt auf die Angelegenheiten der (gesamten) Justizverwaltung – auf die Kernanliegen
der richterlichen Standesvertretung, nämlich mehr Mitwirkungsrechte bei der
Ernennung von Richtern und Richteramtsanwärtern und bei der Erstellung,
Beratung und Beschlussfassung des Justizbudgets, konzentrieren solle. Von den
Vertretern der ordentlichen Gerichtsbarkeit wird klar gestellt, dass die
Beteiligung von gewählten Richtern an einem solchen Gremium unabdingbar sei,
widrigenfalls dieses nicht als echter Fortschritt angesehen werden könnte.
Vom Verfasser des Entwurfs wird darauf
hingewiesen, dass auch andere private Vereine, wie etwa der Städte- oder der
Gemeindebund, in der Verfassung verankert seien und dass man außerdem auch die
Richtervereinigung aus dem Vorschlag ausklammern könnte und den derzeitigen
Abs. 2 wie folgt umformulieren könnte: “... und vier weitere Richter
angehören, die auf Vorschlag aus ihrer Mitte vom Nationalrat ...“.
Das im Abs. 3 des Entwurfs
vorgesehene Misstrauensvotum könnte auf die verfassungsgerichtliche
„Ministeranklage“ reduziert werden.
Von mancher Seite wird – in Anlehnung an Art.
94 Abs. 4 des Entwurfs von Dr. Schnizer – der Vorschlag erstattet, einem
neu einzurichtenden Gremium lediglich die dort vorgesehenen Kompetenzen im
Bereich des Budgetrechts einzuräumen. Wie schon bei der letzten
Ausschusssitzung am 11. Oktober 2004 wird auch ein „abgeschlanktes“, lediglich
aus den Präsidenten des OGH und der 4 OLGs bestehendes Gremium vorgeschlagen.
Vereinzelt wird auch Kritik an dem
ausgearbeiteten internationalen Rechtsvergleich geübt: nicht in 80%, sondern
lediglich in 16 EU-Staaten bestehe derzeit ein Richterrat, ein Justizsenat oder
eine vergleichbare Einrichtung. Insoweit im Zusammenhang mit der Diskussion
über die Einführung eines „Justizsenats“ auch Kritik am ausgesendeten
Berichtsentwurf (dessen Endredaktion erst auf der Tagesordnung der morgigen
Sitzung steht) geübt wird, hält der Ausschussvorsitzende dem entgegen, dass man
sich – nicht zuletzt aus Gründen des enormen Zeitdrucks – bewusst darauf
beschränkt habe, die – im Übrigen von allen Ausschussmitgliedern genehmigten –
Ausschussprotokolle zu einem Endbericht zusammenzustellen. Er werde aber nach
Abschluss der Beratungen den Bericht aufgrund aller Anregungen durchgehen und
ihn selbstverständlich als seinen Bericht verantworten; es stehe jedem
Ausschussmitglied frei, eine abweichende Stellungnahme zu erstatten.
Zuletzt wird die Frage aufgeworfen, ob die
Diskussion über den „Justizsenat“ weitergeführt werden bzw. wer den
Textvorschlag von Dr. Schnizer überarbeiten sollte. Schließlich seien
die Anliegen der Richterschaft ernst zu nehmen. Die Vertreter der ordentlichen
Gerichtsbarkeit erklären sich bereit, dem Ausschuss eine überarbeitete Version
des Vorschlags von Dr. Schnizer innerhalb relativ kurzer Zeit zu
präsentieren. Sie hielten es auch für wünschenswert, das Gespräch über dieses
Thema – über das Ende der Beratungen im Österreich-Konvent hinaus – mit der
Frau Bundesminister für Justiz fortzusetzen.
Tagesordnungspunkt
3.: Abschließende Diskussion über die Ergebnisse der vom Präsidium eingesetzten
Expertengruppe zum Thema „Handlungsformen und Rechtsschutz in der öffentlichen
Verwaltung“ (auf der Grundlage des am 19. Oktober 2004 an alle
Ausschussmitglieder versendeten Berichts der Expertengruppe)
Die Diskussion wird auf der Grundlage des von der Expertengruppe des Präsidiums erstatteten Berichts zu den „Handlungsformen und zum Rechtsschutz in der öffentlichen Verwaltung“ vom 10. Oktober 2004 geführt. Verwiesen wird auf die drei von Univ.-Prof. Dr. Holoubek, Univ.-Prof. Dr. Merli und Univ.-Prof. Dr. Thienel ausgearbeiteten Textvorschläge, wobei nach Ansicht einer Mehrheit des Ausschusses am ehesten der Vorschlag von Univ.-Prof. Dr. Thienel mit dem gemeinsamen Textvorschlag Grabenwarter/ Jabloner zur verfassungsrechtlichen Verankerung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz in Einklang gebracht werden könnte. Schließlich sei in Art. 130 Abs. 1 Z. 4 dieses gemeinsamen Textvorschlags vorgesehen, dass die Verwaltungsgerichte erster Instanz auch „ansonsten“ über Beschwerden entscheiden, wenn die die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetze den Verwaltungsgerichten die Zuständigkeit übertragen, über Beschwerden anderer Art zu entscheiden; den Verwaltungsgerichten der Länder dürfen – nach diesem Textvorschlag – solche Angelegenheiten durch Bundesgesetz nur mit Zustimmung der Länder zugewiesen werden (vgl. Berichtsentwurf, S. 67).
Im Ausschuss wird einerseits für die Figur des verwaltungsrechtlichen Vertrags Partei ergriffen: dieser solle nicht anstelle, sondern zusätzlich zu den schon bestehenden Instrumenten des Verwaltungshandelns eingeführt werden und so den verwaltungsrechtlichen Gestaltungsspielraum für den Bereich der Hoheitsverwaltung erweitern.
Andererseits wird gegenüber der Einführung des verwaltungsrechtlichen Vertrags aber auch Skepsis bzw. Ablehnung geäußert: teilweise wird argumentiert, dass diesbezüglich kein Änderungsbedarf bestehe; dem wird jedoch von anderer Seite entgegen gehalten, dass gerade von Seite der Praktiker immer wieder derartige Bedürfnisse artikuliert werden. Im Zusammenhang mit Art. 130 Abs. 1 Z. 4 des – im Ausschuss konsentierten –gemeinsamen Entwurfs Grabenwarter/Jabloner wird einerseits die Meinung vertreten, dass diese Ziffer zumindest den von Univ.-Prof. Dr. Thienel erstatteten Vorschlag bereits umfasse; dem wird entgegengehalten, dass zuerst die endgültigen Beratungsergebnisse des Präsidiums (über den Bericht der Expertengruppe) und des Ausschusses 6 feststehen müssten, bevor man die Frage des adäquaten Rechtsschutzes abschließend beantworten könne. Es wird auch die Meinung vertreten, dass in jenen Bereichen, in denen der VfGH in letzter Zeit Bestimmungen über verwaltungsrechtliche Verträge bzw. Leistungsvereinbarungen als verfassungswidrig aufgehoben habe (etwa im Bereich des Universitätsrechts oder im Bereich der Krankenanstaltenfinanzierung im Verhältnis zwischen dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger und den Gebietskrankenkassen) auch die im gemeinsamen Entwurf Grabenwarter/Jabloner vorgesehene neue Z. 4 diese Aufhebungen nicht hätte verhindern können; wenn also ein verwaltungsrechtlicher Vertrag (oder etwas ähnliches) eingeführt werden sollte, wäre die Z. 4 des gemeinsamen Entwurfs jedenfalls zu überdenken und allenfalls zu adaptieren.
In der weiteren Diskussion wird kritisiert, dass der Bericht der Expertengruppe die Frage offen lasse, was eigentlich passieren sollte, wenn der verwaltungsrechtliche Vertrag, etwa zwischen einem öffentlichen Rechtsträger und einem privaten Rechtssubjekt, nicht zustande gekommen sei; die Expertengruppe habe es auch verabsäumt, die entscheidende Frage, unter welchen Voraussetzungen solche verwaltungsrechtlichen Verträge zulässig seien bzw. wann man solche Verträge überhaupt abschließen könne, genauer zu untersuchen. Es wird auch davor gewarnt, im Zuge der „Wiederaufnahme“ der Diskussion über die Einführung neuer Handlungsformen hinter den im Ausschuss 9 bereits erzielten Kompromiss (in Gestalt des Art. 130 Abs. 1 Z. 4 des gemeinsamen Entwurfs Grabenwarter/Jabloner) wieder zurückzufallen.
Eine gewisse Einigung zeichnet sich schließlich dahingehend ab, dass man im Ausschussbericht einerseits auf diesen Kompromiss und andererseits darauf verweisen sollte, dass dann, wenn die Voraussetzungen und der genaue Inhalt des verwaltungsrechtlichen Vertrags (nach Durchführung der Diskussionen im Präsidium und im zuständigen Ausschuss 6) im Detail bekannt seien, im Ausschuss 9 allenfalls noch einmal über die sich daran anknüpfende Frage des adäquaten Rechtsschutzes beraten werden solle.
Tagesordnungspunkt 4.: Abschließende Diskussion über die
verfassungsrechtliche Verankerung der Staatshaftung bei Verletzung von
nationalem oder Gemeinschaftsrecht – Säumnis des einfachen Gesetzgebers (auf
der Grundlage des Textvorschlags von Dr. Schnizer vom 25. Oktober 2004)
Der Ausschussvorsitzende fasst die bisherigen Ausschussberatungen dahin zusammen, dass es sowohl Meinungen gebe, die dafür eintreten, (so wie bisher) nichts zu regeln, als auch andere Meinungen bestünden, die ein solches Regelungsbedürfnis erblickten: Unter diesen Meinungen sei wiederum zu differenzieren: Einerseits werde die Meinung vertreten, dass der VfGH in allen staatshaftungsrechtlich relevanten Fällen (also sowohl in Fällen des legislativen Unrechts als auch in Fällen des judikativen Unrechts) zuständig sein solle, während andere eine solche Zuständigkeit des VfGH nur im Bereich des legislativen Unrechts, nicht jedoch im Bereich des judikativen Unrechts akzeptierten (für die zuletzt genannten Fälle solle ein gemeinsamer Senat eingerichtet werden). Der Ausschussvorsitzende weist schließlich auch auf den neu überarbeiteten Textvorschlag von Dr. Schnizer vom 25. Oktober 2004 hin; dieser bildet die Grundlage für die weitere Diskussion.
Der Entwurfsverfasser weist darauf hin, dass der nunmehr vorliegende Formulierungsvorschlag auf dem Textvorschlag von Abg. z. NR Maga. Stoisits basiere, der wiederum auf einem entsprechenden Vorschlag von Univ.-Prof. Dr. Kucsko-Stadlmayer beruhe. Der Regelungsort für eine derartige Bestimmung – im Entwurf wurde nach dem derzeit geltenden System der Art. 144a B-VG gewählt – sei noch abänderbar. Der Entwurf versuche jedenfalls, zwischen Staatshaftungsansprüchen aufgrund der Verletzung nationaler Vorschriften und solchen Ansprüche aufgrund der Verletzung von Gemeinschaftsrecht zu differenzieren. Das Problem der Geltendmachung staatshaftungsrechtlicher Ansprüche aufgrund (behaupteter) fehlerhafter höchstgerichtlicher Erkenntnisse werde im Abs. 4 des Entwurfs geregelt; dieses Problem sei aber weit überschätzt und werde sich in der Praxis ohnedies nur selten stellen.
Dem Formulierungsvorschlag von Dr. Schnizer wird zum Teil zugestimmt: dabei wird insbesondere auch ins Treffen geführt, dass das mit diesem Entwurf verfolgte Ziel, sowohl die rechtswidrige Untätigkeit des Gesetzgebers bei der Erfüllung verfassungsrechtlicher (innerstaatlicher) Pflichten als auch bei der Erfüllung gemeinschaftsrechtlicher Pflichten gleichermaßen zu sanktionieren, richtig sei; eine diesbezügliche Differenzierung wäre hingegen unter gleichheitsrechtlichen Aspekten problematisch.
Andererseits wird am Formulierungsvorschlag von verschiedener Seite auch Kritik geübt: die verfassungspolitische Notwendigkeit einer ausdrücklichen Regelung der Staatshaftung in den Fällen des legislativen Unrechts sei nicht gegeben, zumal es in diesem Bereich bereits eine gefestigte VfGH-Judikatur gebe, wonach dieser nach Art. 137 B-VG zuständig sei. Hinsichtlich der Fälle des judikativen Unrechts wird abermals darauf hingewiesen, dass eine ausschließliche Zuständigkeit des VfGH in einzelnen Fällen – insbesondere im Zusammenhang mit der ebenfalls diskutierten Einführung der „Urteilsbeschwerde“ – zum Problem des „Richters in eigener Sache“ führen würde. Dem versuche der vorliegende Formulierungsvorschlag in Abs. 4 zwar dadurch zu begegnen, das zur Entscheidung über die Haftung aus einem Erkenntnis des VfGH der OGH zuständig sein solle, doch sei gegenüber einer solchen Konstruktion der Einrichtung eines gemeinsamen Senats der Vorzug zu geben.
Weiters wird kritisiert, das gemäß dem ersten Satz des Textvorschlags des Art. 144 Abs. 1 der VfGH – allgemein – über die rechtswidrige Untätigkeit des Gesetzgebers bei der Erfüllung verfassungsrechtlicher Pflichten erkennen solle, diese Zuständigkeit jedoch laut Fußnote 1 der Erläuterungen auf die „gänzliche Untätigkeit des Gesetzgebers“ eingeschränkt werde; hier wird vereinzelt ein Widerspruch zwischen Text und Erläuterungen gesehen. Überhaupt wird die Frage nach den Grenzen des Anwendungsbereichs des ersten Satzes des Abs. 1 im Zusammenhang mit der diskutierten Einführung von sozialen Grundrechten aufgeworfen: es sei zu befürchten, dass Beschwerdeführer in einer Vielzahl von Fällen eine „rechtswidrige Untätigkeit des Gesetzgebers“ konstruieren könnten und diese Angelegenheiten allesamt an den VfGH heran tragen könnten, was diesem einen noch politischeren Charakter verleihen würde und demokratiepolitisch bedenklich wäre. Der VfGH würde auf diese Weise zu einem immer „politischeren Gestalter“ werden (Stichworte in der Diskussion: zu wenig Polizisten im Einsatz; Schulwegüberwachung mangelhaft etc.).
Auch ein neuerlicher Vorschlag in Richtung eines gemeinsamen Senats der drei Höchstgerichte unter dem Vorsitz des Präsidenten des VfGH, der in Staatshaftungsfragen aus höchstgerichtlichem Unrecht entscheiden sollte, findet keine Zustimmung und wird nicht weiter verfolgt.
Der Ausschussvorsitzende fasst die Diskussion dahingehend zusammen, dass der Formulierungsvorschlag von Dr. Schnizer von manchen Mitgliedern des Ausschusses als Fortschritt, von anderen Mitgliedern jedoch als zu vage betrachtet werde. Eine abschließende Meinungsbildung sei so lange nicht möglich, als die Ergebnisse des Ausschusses 1 (über die Staatszielbestimmungen) und des Ausschusses 4 (über die Grundrechte) nicht im Detail feststünden. Letztlich müsse sich jedes neue Rechtsschutzverfahren bzw. -instrumentarium die Frage nach seiner tatsächlichen Inanspruchnahme und nach den dadurch verursachten Kosten gefallen lassen.
Tagesordnungspunkt 5.: Allfälliges
Der Ausschussvorsitzende bedankt sich bei allen erschienen Ausschussmitgliedern und Vertretern für deren rege und konstruktive Mitarbeit und kündigt für die morgige Ausschusssitzung die Besprechung des Entwurfs des Ausschussberichts an.
Vorsitzender des Ausschusses 9: Fachliche Ausschussunterstützung:
Univ.-Prof. Dr. Herbert Haller e.h. Dr. Gert Schernthanner e.h.