Protokoll

über die 4. Sitzung des Ausschusses 9

am 12. Februar 2004,

im „Gelben Salon“ des VwGH

 

Anwesende:

 

Ausschussmitglieder (Vertreter):

 

Univ.-Prof. Dr. Herbert Haller             (Vorsitzender)

Univ.-Prof. Dr. Clemens Jabloner                    (stellvertretender Vorsitzender)

Mag. Heribert Donnerbauer                            (für BM Elisabeth Gehrer)

Univ.-Prof. DDr. Christoph Grabenwarter

Univ.-Prof. Dr. Gerhart Holzinger

Univ.-Prof. Dr. Karl Korinek

Dr. Gerhard Kuras                                          (als „Begleitperson“ von Dr. Johann

Rzeszut)

DDr. Karl Lengheimer

Dr. Johann Rzeszut

Dr. Johannes Schnizer

Mag. Terezija Stoisits

Dr. Kurt Stürzenbecher                                   (für Mag. Renate Brauner)

 

 

Weitere Teilnehmer:

 

Mag. Waltraud Bauer                                      (als Begeleitperson von Univ.-Prof.

DDr. Christoph Grabenwarter)

Dr. Rosi Posnik                                               (für Dr. Claudia Kahr)

Mag. Michael Schön                                       (für BM Dr. Dieter Böhmdorfer)

Mag. Thomas Sperlich                         (für Mag. Terezija Stoisits)

Mag. Dr. Wolfgang Steiner                              (für LT-Präsidentin Angela Orthner)

 

 

Büro des Österreich-Konvents:

 

Dr. Ingrid Moser                                             (fachliche Ausschussunterstützung)

Valentina Ashurov                                           (Ausschusssekretariat)

 

Entschuldigt:

 

Univ.-Prof. Dr. Bernd-Christian Funk

 

Beginn:                                  10.00 Uhr

Ende:                                     17.10 Uhr

 

 

Tagesordnungspunkte:

 

1.)    Begrüßung und Feststellung der Anwesenheit

2.)    Genehmigung des Protokolls über die 3. Sitzung des Ausschusses 9 vom 28.1.2004

3.)    Gerichtshöfe öffentlichen Rechts (Punkt III des Mandats): Verhältnis der Höchstgerichte zueinander (Subsidiarantrag, Sonderverwaltungsgerichtsbar-keit)

4.)    Staatshaftung: Haftung für legislatives Unrecht, Haftung aufgrund höchstgerichtlicher Erkenntnisse, Zuständigkeit? Verfahren? Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung?

5.)    Ordentliche Gerichtsbarkeit (Punkt II des Mandats): Gerichtsorganisation, Fragen zur Staatsanwaltschaft (Weisungsrecht)

 

 

Tagesordnungspunkt 1: Begrüßung und Feststellung der Anwesenheit

Der Ausschussvorsitzende begrüßt die Teilnehmer des Ausschusses 9 und stellt die Anwesenheit (Umlauf der Anwesenheitsliste) fest.

 

 

 

Tagesordnungspunkt 2: Genehmigung des Protokolls über die 3. Sitzung des Ausschusses 9 vom 28.1.2004

Das Protokoll über die 3. Sitzung vom 28.1.2004 wird mit der Maßgabe genehmigt, dass die Änderungswünsche von Präsident Dr. Linkesch wie folgt berücksichtigt werden:

Auf Seite 8, letzter Absatz, und auf Seite 9, 2. Absatz, wird jeweils das Wort „bundeseinheitlich[en]“ durch das Wort „einheitlich[en]“ ersetzt. Auf Seite 9, 3. Absatz, vorletzte Zeile, wird zwischen den Worten „UVS-Mitglieder“ und „weiterhin“ die Wortfolge „im Hinblick darauf“ eingefügt. Auf Seite 10, vorletzter Absatz, wird die Wortfolge „unbedingt noch von den UVS erledigt werden sollten“ durch die Wortfolge „unbedingt noch von den bisher zuständigen Behörden erledigt werden sollten“ ersetzt.

 

Auf Vorschlag des Vorsitzenden wird eine Umreihung der Tagesordnung durchgeführt: Der bisherige Tagesordnungspunkt 5. (Ordentliche Gerichtsbarkeit) wird zum Tagesordnungspunkt 3. Tagesordnungspunkt 3. (Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) und Tagesordnungspunkt 4. (Staatshaftung) werden Tagesordnungspunkt 4. und Tagesordnungspunkt 5.

 

 

 

Tagesordnungspunkt 3: Ordentliche Gerichtsbarkeit (Punkt II des Mandats): Gerichtsorganisation, Fragen zur Staatsanwaltschaft (Weisungsrecht)

 

3.1. Zum Modell eines „Rats der Gerichtsbarkeit“

Der Vorsitzende hält als bisheriges Ergebnis fest, dass einem „Rat der Gerichtsbarkeit“ in der vorgeschlagenen Form seitens des Ausschusses nicht näher getreten wird. Präsident Dr. Rzeszut will das jedoch nicht als einhelliges Ergebnis festgehalten wissen: Es bestehe das Bedürfnis, die Interessen und den Bedarf der Gerichtsbarkeit gegenüber der politischen Verantwortung zu argumentieren. So sei etwa die Behandlung des OGH als „nachgeordnete Dienststelle“ – zum Unterschied zu VfGH und VwGH – kritikwürdig. Wenn auch das Anliegen, die mangelhafte Ausstattung und die Stellung des OGH zu verbessern, im Ausschuss volles Verständnis findet, so bestehen jedoch Bedenken gegen ein justizielles „Mischorgan“, die Einbindung von politischen Mandataren wird als bedenklich angesehen. Für einige sei eventuell ein Kollegialorgan vorstellbar, allenfalls mit Beteiligung der Präsidenten der Oberlandesgerichte und mit einer hervorgehobenen Stellung des Präsidenten des OGH. Dazu könnten weiters eine besondere Stellung der Gerichtsbarkeit gegenüber der Gesetzgebung, etwa in Budgetfragen, und das parlamentarische Rederecht der Gerichtshof-Präsidenten treten. Diesbezüglich wird auch angeregt, das Büro des Österreich-Konvents möge einen internationalen Vergleich über das Verhältnis der Spitzen der Justizverwaltung zur Gesetzgebung einholen. Es wird darauf hingewiesen, dass für die Parlamentsverwaltung die ausdrückliche Stellung als oberstes Organ in Art. 30 Abs. 6 B-VG verankert ist. In der Praxis werden Budgetposten für diesen Bereich auch hier geändert.

 

Ebenso wird jedoch auch die Meinung geäußert, es bestehe kein Bedarf nach organisatorischer Änderung im Sinne einer „Verselbständigung“ der Gerichtsbarkeit. Die klare Verantwortung müsse das Regierungsmitglied haben. Es wird auch darauf hingewiesen, dass z.B. in Budgetfragen der Bundesminister für Justiz politisch mehr „Druck“ machen könne (Einstimmigkeit im Ministerrat) als ein Gerichtshof-Präsident oder ein Richterkollegium.

 

 

3.2. Zur Streichung des § 8 Abs. 5 lit. d) ÜG 1920 (Änderungen der Bezirksgerichtssprengel nur mit Zustimmung der jeweiligen Landesregierung)

Diesbezüglich besteht Konsens. Es wird jedoch zu bedenken gegeben, eine Beschränkung auf bezirksüberschneidende Sprengeländerungen vorzunehmen (Initiativantrag der SPÖ im Verfassungsausschuss). Zur Mitwirkungsbefugnis der Landesregierungen bei der Änderung der Bezirksgerichtssprengel wird noch darauf hingewiesen, dass man im Ausschussbericht darauf hinweisen könnte, dass der Entfall durch eine verstärkte Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung (etwa im Wege des Bundesrats) ausgeglichen werden könnte.

 

 

3.3. Dreistufige statt vierstufige Gerichtsorganisation?

Hier ergibt sich keine auffällige Änderung gegenüber dem bisherigen Diskussionsstand. Im Einzelnen wird vorgebracht, dass ein dreistufiger Instanzenzug grundsätzlich erwünscht sei, der Vorschlag nach Festschreibung im B-VG findet aber keine Mehrheit. Zugunsten der Inkorporierung der drei Gerichtsebenen wird vorgebracht, dass eine zweite Gerichtsstufe auf Ebene der Bundesländer einer politischen Erwartungshaltung entsprechen würde.

 

Zugunsten des dreistufigen Modells wird vorgeschlagen, dieses in den Ausschussbericht als im Ausschuss erzielter Konsens aufzunehmen. Weiters wird vorgebracht, dass ein organisatorischer „Gleichklang“ mit der in Aussicht genommenen Verwaltungsgerichtsorganisation wünschenswert sei. Einem Vorschlag zufolge sei auch in Erwägung zu ziehen, dass das Verwaltungsgericht des Bundes 1. Instanz in Zukunft nicht zwangsläufig in Wien angesiedelt sein müsse. Auch in der Bundesrepublik Deutschland befänden sich die Sitze sogar der Höchstgerichte nicht in der Bundeshauptstadt.

 

Gegen das Modell, das „Außenstellen“ höherrangiger Gerichte in den Bundesländern vorsieht, besteht der Einwand, dass damit der Versetzungsschutz der Richter unterlaufen werden könnte. Damit im Zusammenhang steht eine allfällige Aufhebung des Art. 88a B-VG (Sprengelrichter bei einem übergeordneten Gericht zur Vertretung von Richtern „nachgeordneter Gerichte“). Für eine solche Aufhebung findet sich allerdings keine Mehrheit. Für die Gerichte mit Laienbeteiligung wird vorgeschlagen, den normativen Gehalt des § 28 ÜG 1920 in Art. 91 B-VG (Mitwirkung des Volkes an der Rechtsprechung) anzusiedeln.

 

Insgesamt wird für die Frage der Gerichtsorganisation folgendes Ergebnis festgehalten:

1. Zur Dreistufigkeit der Gerichtsorganisation: Im Prinzip inhaltlich konsentiert; die Dreistufigkeit sollte jedoch nicht im B-VG verankert werden.

2. Zur Organisation der 1. und 2. Ebene: Ob 9 Landesgerichte oder 4 Oberlandesgerichte (allenfalls mit „Außensenaten“) in Zukunft als Rechtsmittelgerichte fungieren sollten, und die Art und Zahl der Eingangsgerichte: Diese Fragen sollten jedenfalls nicht im B-VG geregelt werden. Sie sind dem einfachen Gesetzgeber zu überlassen.

 

 

3.4. Zur Richterbestellung und zur Bindungswirkung der Dreiervorschläge der richterlichen Personalsenate

Angesprochen wird das Thema der Bindung des Bundesministers für Justiz an die Vorschläge der Personalsenate. Es wird die Auffassung geäußert, dass ein Gleichklang zu den Besetzungsvorschlägen bei den Landesverwaltungsgerichten anzustreben sei. Es wird auch vorgeschlagen, dass der Bundesminister für Justiz bei seiner Auswahl einer Begründungspflicht unterliegen könnte.

 

 

3.5. Zu einzelnen Fragen zur Staatsanwaltschaft

In der Diskussion wird teilweise auf den Vorschlag von Sektionschef Dr. Miklau zu Art. 90 Abs. 3 B-VG Bezug genommen. In diesem Vorschlag findet sich die ausdrückliche Verankerung der Staatsanwaltschaften sowie die Formulierung „Durch Bundesgesetz ist die Stellung [und die unparteiische Erfüllung der Aufgaben] der Staatsanwälte als Organe der Justiz zu gewährleisten.“ Für eine Aufnahme einer Bestandsgarantie der Staatsanwaltschaft in das B-VG sprechen sich mehrere Ausschussteilnehmer aus. Angesprochen wird auch die Verankerung der Anwälte und Notare in der Verfassung; diese Frage bleibt jedoch noch zu erörtern. Der Vorschlag von Dr. Miklau findet in Teilen breite Zustimmung. Als problematisch wird der Verweis auf die Strafprozessordnung angesehen; es wird jedoch darauf hingewiesen, dass dieser Verweis deshalb notwendig sein könnte, um den vorliegenden Entwurf einer Strafprozessreform verfassungsrechtlich abzusichern. Als Konsens wird schließlich festgehalten, dass den Staatsanwaltschaften die „gerichtliche Strafverfolgung“ per Verfassungsbestimmung zugewiesen werden solle. Ein Verweis auf die StPO hätte zu unterbleiben und in die Erläuterungen zum Gesetzentwurf sollte aufgenommen werden, dass vom bisherigen Stand der Strafprozessordnung und ihrer Weiterentwicklung auf einfachgesetzlicher Ebene ausgegangen wird. Konsens: „Durch Bundesgesetz ist die Stellung der Staatsanwälte als Organe der Justiz zu gewährleisten.“

 

Zum Weisungsrecht des Bundesministers für Justiz gegenüber der Staatsanwaltschaft stehen weiterhin mehrere Modelle zur Diskussion:

1. Beibehaltung des gegebenen Zustands bei verbesserter Transparenz, etwa durch Einrichtung eines parlamentarischen Ausschusses

2. Inhaltliche Änderungen des Weisungsrechts, durch

      a) Ausschluss von Negativ-Weisungen und/oder

      b) Beschränkung auf fachliche Weisungen

3. Generalprokurator als Spitze einer Weisungshierarchie ohne Durchgriff des Bundesministers für Justiz

4. „Bundesanwaltschaft“, die einem parlamentarischen Kontrollausschuss unterstellt wird.

 

Als weitere „Varianten“ davon wurden diskutiert, dass ausgenommene Weisungsbereiche einer nachprüfenden Kontrolle unterzogen werden sollen oder dass das Weisungsrecht des Justizministers nur bestehen solle, wenn der Staatsanwalt und der Oberstaatsanwalt unterschiedliche Meinungen vertreten. Eingewendet wurde u.a., dass die Herausnahme von Teilbereichen aus der Weisungsbefugnis praktische Probleme schaffen würde. Besonders beleuchtet wird die Problematik, dass die Entscheidung für oder gegen eine Anklageerhebung für den Betroffenen, aber auch für das öffentliche Interesse von Bedeutung seien. Daher könne die Frage der Anklageerhebung so wichtig wie die Sachentscheidung gesehen werden, ein Umstand, der einer Weisungsberechtigung grundsätzlich widerspreche. Andererseits gewährleiste die Unabhängigkeit eines Organs nicht die Gesetzmäßigkeit des Vollzugs. Dazu komme, dass 70 bis 80% der Fälle bereits durch Diversion geregelt werden. Daher stelle sich die Frage der Verankerung der Weisungsfreiheit der staatsanwaltschaftlichen Organe im Bereich des außergerichtlichen Tatausgleichs. Gegen letzteres wird wiederum eingewendet, dass die Praxis des außergerichtlichen Tatausgleichs gerade eine Weisungsbefugnis und damit die politische Verantwortung des Bundesministers für Justiz erforderlich mache.

 

Nach Abwägung aller Argumente kann im Ausschuss Konsens über die folgende Formulierung erzielt werden: „Einigkeit besteht im Ausschuss darüber, die Ausübung des Weisungsrechts durch den Justizminister – etwa durch Einrichtung eines eigenen parlamentarischen Kontrollausschusses (der die Ausübung des Weisungsrechts ex post kontrollieren sollte) – noch transparenter zu gestalten.“

 

In laufender Sitzung wird dem Ausschuss das Ergebnis des Ausschusses 2 betreffend Materien, die der Ausschuss 9 zu behandeln hat (haben wird), präsentiert. Es besteht Einvernehmen, diese Übersicht allenfalls am folgenden Sitzungstag zu verhandeln.

 

 

 

Tagesordnungspunkt 4: Gerichtshöfe öffentlichen Rechts (Punkt III des Mandats) Verhältnis der Höchstgerichte zueinander (Subsidiarantrag, Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit)

 

Eingehend besprochen wird sowohl die allgemeine Frage des Verhältnisses zwischen den drei Höchstgerichten im Hinblick auf die Prüfung der Verfassungskonformität von Rechtsakten, als auch im Besonderen die Relation zwischen dem VwGH/dem Verwaltungsgericht erster Instanz auf der einen Seite und dem VfGH auf der anderen Seite in einem neuen System der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Dabei werden die folgenden hauptsächlichen Leitgedanken ins Spiel gebracht:

- Konzentration der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Rechtsakten bei einem Gericht, nämlich dem VfGH

- Erweiterung der Möglichkeit, behauptete Fehler genereller Normen an den VfGH heranzutragen

- Keine zu komplizierten Verfahrenskonstellationen

- Wahrung der Gleichrangigkeit der Höchstgerichte

- Trennung der Handhabung des Verfassungsrechts von jener des einfachen Gesetzes.

Kein System kann sämtliche dieser Gedanken maximal verwirklichen. Zur Diskussion stehen folgende theoretischen Varianten, jeweils mit spezifischen Vor- und Nachteilen:

1. Beibehaltung der derzeit gegebenen verfassungsrechtlichen Lage, wobei allerdings das Verwaltungsgericht erster Instanz an die Stelle der letztinstanzlichen Verwaltungsbehörde tritt. D.h. das Urteil des Verwaltungsgerichts erster Instanz könnte wie bisher sowohl beim VwGH als auch beim VfGH angefochten werden, Sukzessivbeschwerde wie bisher. Im Verhältnis des VfGH zum OGH würde keine Änderung eintreten.

2. Wie unter 1., aber zur Erweiterung des Zugangs zur Normenkontrolle durch den VfGH wird ein "Subsidiarantrag" eingeführt. Nach allfälliger Aufhebung der generellen Norm durch den VfGH wird das Verfahren vor dem VwGH/OGH wieder aufgenommen.

3. Wie unter 1. und 2., aber mit der Maßgabe, dass das Verhältnis der sukzessiven Inanspruchnahme der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts "umgedreht" wird. Das Urteil des Verwaltungsgerichts erster Instanz wird zuerst beim VwGH, hernach beim VfGH angefochten.

4. Einführung einer echten "Urteilsbeschwerde": Die Urteile des VwGH/des OGH können beim VfGH unmittelbar angefochten werden, unter dem Gesichtspunkt, dass ein Grundrecht verletzt wurde.

5. Subsidiarantrag wie unter 2., aber zusätzlich mit der Möglichkeit, eine Verletzung eines Grundrechts (oder Verkennung der Bedeutung eines Grundrechts) durch VwGH/OGH geltend zu machen, wobei die Entscheidungsbefugnis des VfGH diesbezüglich auf eine bloße "Feststellung" gerichtet wäre.

Mit diesen Modellvorstellungen steht auch die Frage im Zusammenhang, ob künftig eine Konzentration der gesamten Verwaltungsgerichtsbarkeit beim VwGH erfolgen soll oder ob es bei der derzeitigen Situation (mit der entsprechenden Modifikation) bleibt. Beim Modell der Auflassung der Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit tritt der Aspekt der "Urteilsbeschwerde" – jedenfalls soweit es den VwGH betrifft – stärker in den Vordergrund.

Aus dem Meinungsaustausch darüber ist Folgendes hervorzuheben:

- Gegen den Subsidiarantrag spricht die Verfahrenskomplikation und damit
-verzögerung. Ein zu kompliziertes System, insbesondere mit Subsidiarantrag und späterer Wiederaufnahme des Verfahrens, ist der rechtssuchenden Bevölkerung schwer zu erklären.

- Die Vorordnung des VfGH gegenüber dem VwGH im derzeitigen System wirkt befremdlich.

- Eine Urteilsbeschwerde oder – beim VwGH – eine Umkehrung der Reihenfolge führt dazu, dass der VfGH bereits "aufbereitete" Fälle präsentiert bekommt. Es wird die Befürchtung ausgesprochen, der VfGH würde sich nicht auf reine Grundrechtsaspekte beschränken, sondern unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes oder der Verhältnismäßigkeit tief in die Auslegung des einfachen Gesetzesrechts eindringen. In diesem Zusammenhang wird eine "Konstitutionalisierung" der Rechtsordnung befürchtet.

- Besonders aus strafgerichtlicher Perspektive wird auf die Überforderung des VfGH sowie auf die Verfahrensverzögerung hingewiesen. Die Einführung einer "Urteilsbeschwerde" bedeutet letztlich die Einführung einer weiteren Instanz.

- Die Erweiterung des Grundrechtsschutzes im Rahmen der Strafgerichtsbarkeit wird in den Raum gestellt.

- Gegen eine übertriebene - "verfassungskonforme Interpretation" - insbesondere bei "umgedrehter" Sukzessivebeschwerde wird eingewendet, dass damit verfassungswidrig auslegbare Gesetzesbestimmungen weiterhin in Geltung bleiben. Die Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts sei eben nur im Einzelfall bindend.

Die Verengung des Zugangs zum VwGH mittels "Zulässigkeitsbeschwerde" hat als solche auf das Ablehnungsrecht des VfGH keine Auswirkung. D.h. es käme zuerst – bei Weiterführung des derzeitigen Systems – zu einer Ablehnung durch den VfGH – es liegt dann ein Fall der Verwaltungsgerichtsbarkeit vor – und dann im Verfahren vor dem VwGH die "ausdifferenziertere" Zulassung der Beschwerde, je nach dem, ob entsprechend Relevantes vorgebracht werden kann oder nicht.

Konsens besteht zunächst nur über die Zweckmäßigkeit der Einführung des "Subsidiarantrags", soweit damit die Rechtswidrigkeit genereller Normen geltend gemacht werden kann. Im Übrigen muss die Diskussion zu diesem Thema fortgesetzt werden.

 

 

 

Tagesordnungspunkt 5: Staatshaftung: Haftung für legislatives Unrecht, Haftung aufgrund höchstgerichtlicher Erkenntnisse, Zuständigkeit? Verfahren? Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung?

 

Zur Frage des "legislativen Unrechts" wäre noch eine in Ausfertigung begriffene Entscheidung des VfGH abzuwarten. Zur besonderen Frage der Staatshaftung, die aus höchstgerichtlichen Entscheidungen abgeleitet wird, bestehen im Wesentlichen die folgenden Ansichten:

Es sei von der Judikatur des VfGH auszugehen, die diesbezüglich – unter Abwägung aller Argumente – auf Art. 137 B-VG abstellt, insoweit besteht kein Regelungsbedarf. Diese Ermächtigung sei freilich komplementär zu einer etwaigen ausdrücklichen Regelung im Amtshaftungsgesetz. Eine verfassungspolitische Notwendigkeit dafür wird indessen nicht gesehen. Dagegen wird geltend gemacht, dass es schon im Hinblick auf die "Gleichrangigkeit" einen eigenen "Staatshaftungssenat" geben sollte. Dieser würde keinen zusätzlichen organisatorischen Aufwand verursachen, worauf in der Diskussion kritisch hingewiesen wurde, da es nur um eine Regelung über das Zusammentreffen eines besonderen, sehr selten einzuberufenden, Spruchkörpers ginge. Dieser Senat könnte nach dem Beispiel des seinerzeitigen "Austrägalsenats" geschaffen werden. Auch darin lässt sich freilich eine zusätzliche Komplikation der verfassungsrechtlichen Grundlagen sehen. Die praktische Seite einer fortdauernden Zuständigkeit des VfGH für das Verhältnis der Höchstgerichte untereinander wird als gering eingeschätzt, da in jedem derartigen Verfahren wohl zwingend eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen sei.

Eine Problematik stelle es allerdings dar, wenn der VfGH selbst das Gericht ist, welches das haftungsauslösende Urteil erlassen hat. Diesfalls werden verschiedene Varianten, etwa eine besondere Zuständigkeit des OGH ins Spiel gebracht.

 

Letztlich konnte ein Konsens in dieser Frage nicht gefunden werden.

 

 

Die nächste Sitzung des Ausschusses 9 wird am Freitag, dem 13. Februar 2004, 10.00 Uhr, stattfinden.

 

Präsident Univ.-Prof. Dr. Korinek ersucht um Beibehaltung der Tagesordnung für die 5. Sitzung des Ausschusses 9, da er an diesem Tag an der Teilnahme verhindert ist, aber an der Debatte über Staatshaftungsfragen weiterhin mitwirken möchte.

 

 

 

 

 

 

 

Vorsitzender des Ausschusses 9:                                             Fachliche Ausschussunterstützung:

 

 

 

 

 

 

 

Univ.-Prof. Dr. Herbert Haller e.h.                                                                Dr. Ingrid Moser e.h.