Anwesende:
Ausschussmitglieder (Vertreter):
Univ.-Prof. Dr. Herbert Haller (Vorsitzender)
Univ.-Prof. Dr. Clemens Jabloner (stellvertretender
Vorsitzender)
Mag. Heribert Donnerbauer (für
BM Elisabeth Gehrer)
Univ.-Prof. DDr. Christoph Grabenwarter
Univ.-Prof. Dr. Gerhart Holzinger
Univ.-Prof. Dr. Karl Korinek
Dr.
Gerhard Kuras (als „Begleitperson“ von Dr. Johann
Rzeszut)
DDr. Karl Lengheimer
Dr. Johann Rzeszut
Dr. Johannes Schnizer
Mag. Terezija Stoisits
Dr. Kurt Stürzenbecher (für
Mag. Renate Brauner)
Weitere Teilnehmer:
Mag.
Waltraud Bauer (als
Begeleitperson von Univ.-Prof.
DDr. Christoph Grabenwarter)
Dr. Rosi Posnik (für
Dr. Claudia Kahr)
Mag. Michael Schön (für
BM Dr. Dieter Böhmdorfer)
Mag. Thomas Sperlich (für
Mag. Terezija Stoisits)
Mag. Dr. Wolfgang Steiner (für
LT-Präsidentin Angela Orthner)
Büro des
Österreich-Konvents:
Dr. Ingrid Moser (fachliche
Ausschussunterstützung)
Valentina Ashurov (Ausschusssekretariat)
Entschuldigt:
Univ.-Prof. Dr. Bernd-Christian Funk
Beginn: 10.00
Uhr
Ende: 17.10
Uhr
Tagesordnungspunkte:
1.)
Begrüßung und Feststellung der Anwesenheit
2.)
Genehmigung
des Protokolls über die 3. Sitzung des Ausschusses 9 vom 28.1.2004
3.)
Gerichtshöfe
öffentlichen Rechts (Punkt III des Mandats): Verhältnis der Höchstgerichte
zueinander (Subsidiarantrag, Sonderverwaltungsgerichtsbar-keit)
4.)
Staatshaftung:
Haftung für legislatives Unrecht, Haftung aufgrund höchstgerichtlicher
Erkenntnisse, Zuständigkeit? Verfahren? Notwendigkeit einer gesetzlichen
Regelung?
5.)
Ordentliche
Gerichtsbarkeit (Punkt II des Mandats): Gerichtsorganisation, Fragen zur
Staatsanwaltschaft (Weisungsrecht)
Der Ausschussvorsitzende begrüßt die Teilnehmer des Ausschusses 9 und
stellt die Anwesenheit (Umlauf der Anwesenheitsliste) fest.
Tagesordnungspunkt
2: Genehmigung des Protokolls über die 3. Sitzung des Ausschusses 9 vom
28.1.2004
Das Protokoll über die 3. Sitzung
vom 28.1.2004 wird mit der Maßgabe genehmigt, dass die Änderungswünsche von
Präsident Dr. Linkesch wie folgt berücksichtigt werden:
Auf Seite 8, letzter Absatz, und
auf Seite 9, 2. Absatz, wird jeweils das Wort „bundeseinheitlich[en]“ durch
das Wort „einheitlich[en]“ ersetzt. Auf Seite 9, 3. Absatz, vorletzte
Zeile, wird zwischen den Worten „UVS-Mitglieder“ und „weiterhin“
die Wortfolge „im Hinblick darauf“ eingefügt. Auf Seite 10, vorletzter
Absatz, wird die Wortfolge „unbedingt noch von den UVS erledigt werden
sollten“ durch die Wortfolge „unbedingt noch von den bisher zuständigen
Behörden erledigt werden sollten“ ersetzt.
Auf Vorschlag des Vorsitzenden
wird eine Umreihung der Tagesordnung durchgeführt: Der bisherige
Tagesordnungspunkt 5. (Ordentliche Gerichtsbarkeit) wird zum Tagesordnungspunkt
3. Tagesordnungspunkt 3. (Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) und
Tagesordnungspunkt 4. (Staatshaftung) werden Tagesordnungspunkt 4. und
Tagesordnungspunkt 5.
3.1. Zum Modell eines „Rats der
Gerichtsbarkeit“
Der Vorsitzende hält als
bisheriges Ergebnis fest, dass einem „Rat der Gerichtsbarkeit“ in der
vorgeschlagenen Form seitens des Ausschusses nicht näher getreten wird.
Präsident Dr. Rzeszut will das jedoch nicht als einhelliges Ergebnis
festgehalten wissen: Es bestehe das Bedürfnis, die Interessen und den Bedarf
der Gerichtsbarkeit gegenüber der politischen Verantwortung zu argumentieren.
So sei etwa die Behandlung des OGH als „nachgeordnete Dienststelle“ – zum
Unterschied zu VfGH und VwGH – kritikwürdig. Wenn auch das Anliegen, die
mangelhafte Ausstattung und die Stellung des OGH zu verbessern, im Ausschuss
volles Verständnis findet, so bestehen jedoch Bedenken gegen ein justizielles
„Mischorgan“, die Einbindung von politischen Mandataren wird als bedenklich
angesehen. Für einige sei eventuell ein Kollegialorgan vorstellbar, allenfalls
mit Beteiligung der Präsidenten der Oberlandesgerichte und mit einer
hervorgehobenen Stellung des Präsidenten des OGH. Dazu könnten weiters eine
besondere Stellung der Gerichtsbarkeit gegenüber der Gesetzgebung, etwa in
Budgetfragen, und das parlamentarische Rederecht der Gerichtshof-Präsidenten
treten. Diesbezüglich wird auch angeregt, das Büro des Österreich-Konvents möge
einen internationalen Vergleich über das Verhältnis der Spitzen der
Justizverwaltung zur Gesetzgebung einholen. Es wird darauf hingewiesen, dass
für die Parlamentsverwaltung die ausdrückliche Stellung als oberstes Organ in
Art. 30 Abs. 6 B-VG verankert ist. In der Praxis werden Budgetposten für diesen
Bereich auch hier geändert.
Ebenso wird jedoch auch die
Meinung geäußert, es bestehe kein Bedarf nach organisatorischer Änderung im
Sinne einer „Verselbständigung“ der Gerichtsbarkeit. Die klare Verantwortung
müsse das Regierungsmitglied haben. Es wird auch darauf hingewiesen, dass z.B.
in Budgetfragen der Bundesminister für Justiz politisch mehr „Druck“ machen
könne (Einstimmigkeit im Ministerrat) als ein Gerichtshof-Präsident oder ein
Richterkollegium.
3.2. Zur Streichung des § 8 Abs.
5 lit. d) ÜG 1920 (Änderungen der Bezirksgerichtssprengel nur mit Zustimmung
der jeweiligen Landesregierung)
Diesbezüglich besteht Konsens. Es
wird jedoch zu bedenken gegeben, eine Beschränkung auf bezirksüberschneidende
Sprengeländerungen vorzunehmen (Initiativantrag der SPÖ im
Verfassungsausschuss). Zur Mitwirkungsbefugnis der Landesregierungen bei der
Änderung der Bezirksgerichtssprengel wird noch darauf hingewiesen, dass man im
Ausschussbericht darauf hinweisen könnte, dass der Entfall durch eine
verstärkte Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung (etwa im Wege des
Bundesrats) ausgeglichen werden könnte.
3.3. Dreistufige statt
vierstufige Gerichtsorganisation?
Hier ergibt sich keine auffällige
Änderung gegenüber dem bisherigen Diskussionsstand. Im Einzelnen wird
vorgebracht, dass ein dreistufiger Instanzenzug grundsätzlich erwünscht sei,
der Vorschlag nach Festschreibung im B-VG findet aber keine Mehrheit. Zugunsten
der Inkorporierung der drei Gerichtsebenen wird vorgebracht, dass eine zweite
Gerichtsstufe auf Ebene der Bundesländer einer politischen Erwartungshaltung
entsprechen würde.
Zugunsten des dreistufigen
Modells wird vorgeschlagen, dieses in den Ausschussbericht als im Ausschuss
erzielter Konsens aufzunehmen. Weiters wird vorgebracht, dass ein
organisatorischer „Gleichklang“ mit der in Aussicht genommenen
Verwaltungsgerichtsorganisation wünschenswert sei. Einem Vorschlag zufolge sei
auch in Erwägung zu ziehen, dass das Verwaltungsgericht des Bundes 1. Instanz
in Zukunft nicht zwangsläufig in Wien angesiedelt sein müsse. Auch in der
Bundesrepublik Deutschland befänden sich die Sitze sogar der Höchstgerichte
nicht in der Bundeshauptstadt.
Gegen das Modell, das
„Außenstellen“ höherrangiger Gerichte in den Bundesländern vorsieht, besteht
der Einwand, dass damit der Versetzungsschutz der Richter unterlaufen werden
könnte. Damit im Zusammenhang steht eine allfällige Aufhebung des Art. 88a B-VG
(Sprengelrichter bei einem übergeordneten Gericht zur Vertretung von Richtern
„nachgeordneter Gerichte“). Für eine solche Aufhebung findet sich allerdings
keine Mehrheit. Für die Gerichte mit Laienbeteiligung wird vorgeschlagen, den
normativen Gehalt des § 28 ÜG 1920 in Art. 91 B-VG (Mitwirkung des Volkes an
der Rechtsprechung) anzusiedeln.
Insgesamt wird für die Frage der
Gerichtsorganisation folgendes Ergebnis festgehalten:
1. Zur Dreistufigkeit der
Gerichtsorganisation: Im Prinzip inhaltlich konsentiert; die Dreistufigkeit
sollte jedoch nicht im B-VG verankert werden.
2. Zur Organisation der 1. und 2.
Ebene: Ob 9 Landesgerichte oder 4 Oberlandesgerichte (allenfalls mit
„Außensenaten“) in Zukunft als Rechtsmittelgerichte fungieren sollten, und die
Art und Zahl der Eingangsgerichte: Diese Fragen sollten jedenfalls nicht im
B-VG geregelt werden. Sie sind dem einfachen Gesetzgeber zu überlassen.
3.4.
Zur Richterbestellung und zur Bindungswirkung der Dreiervorschläge der
richterlichen Personalsenate
Angesprochen
wird das Thema der Bindung des Bundesministers für Justiz an die Vorschläge der
Personalsenate. Es wird die Auffassung geäußert, dass ein Gleichklang zu den
Besetzungsvorschlägen bei den Landesverwaltungsgerichten anzustreben sei. Es
wird auch vorgeschlagen, dass der Bundesminister für Justiz bei seiner Auswahl
einer Begründungspflicht unterliegen könnte.
3.5.
Zu einzelnen Fragen zur Staatsanwaltschaft
In der
Diskussion wird teilweise auf den Vorschlag von Sektionschef Dr. Miklau zu Art.
90 Abs. 3 B-VG Bezug genommen. In diesem Vorschlag findet sich die
ausdrückliche Verankerung der Staatsanwaltschaften sowie die Formulierung „Durch
Bundesgesetz ist die Stellung [und die unparteiische Erfüllung der Aufgaben]
der Staatsanwälte als Organe der Justiz zu gewährleisten.“ Für eine
Aufnahme einer Bestandsgarantie der Staatsanwaltschaft in das B-VG sprechen
sich mehrere Ausschussteilnehmer aus. Angesprochen wird auch die Verankerung
der Anwälte und Notare in der Verfassung; diese Frage bleibt jedoch noch zu
erörtern. Der Vorschlag von Dr. Miklau findet in Teilen breite Zustimmung. Als
problematisch wird der Verweis auf die Strafprozessordnung angesehen; es wird
jedoch darauf hingewiesen, dass dieser Verweis deshalb notwendig sein könnte,
um den vorliegenden Entwurf einer Strafprozessreform verfassungsrechtlich
abzusichern. Als Konsens wird schließlich festgehalten, dass den
Staatsanwaltschaften die „gerichtliche Strafverfolgung“ per
Verfassungsbestimmung zugewiesen werden solle. Ein Verweis auf die StPO hätte
zu unterbleiben und in die Erläuterungen zum Gesetzentwurf sollte aufgenommen
werden, dass vom bisherigen Stand der Strafprozessordnung und ihrer
Weiterentwicklung auf einfachgesetzlicher Ebene ausgegangen wird. Konsens: „Durch
Bundesgesetz ist die Stellung der Staatsanwälte als Organe der Justiz zu
gewährleisten.“
Zum
Weisungsrecht des Bundesministers für Justiz gegenüber der Staatsanwaltschaft
stehen weiterhin mehrere Modelle zur Diskussion:
1.
Beibehaltung des gegebenen Zustands bei verbesserter Transparenz, etwa durch
Einrichtung eines parlamentarischen Ausschusses
2.
Inhaltliche Änderungen des Weisungsrechts, durch
a) Ausschluss von
Negativ-Weisungen und/oder
b) Beschränkung
auf fachliche Weisungen
3.
Generalprokurator als Spitze einer Weisungshierarchie ohne Durchgriff des
Bundesministers für Justiz
4.
„Bundesanwaltschaft“, die einem parlamentarischen Kontrollausschuss unterstellt
wird.
Als
weitere „Varianten“ davon wurden diskutiert, dass ausgenommene Weisungsbereiche
einer nachprüfenden Kontrolle unterzogen werden sollen oder dass das
Weisungsrecht des Justizministers nur bestehen solle, wenn der Staatsanwalt und
der Oberstaatsanwalt unterschiedliche Meinungen vertreten. Eingewendet wurde
u.a., dass die Herausnahme von Teilbereichen aus der Weisungsbefugnis
praktische Probleme schaffen würde. Besonders beleuchtet wird die Problematik,
dass die Entscheidung für oder gegen eine Anklageerhebung für den Betroffenen,
aber auch für das öffentliche Interesse von Bedeutung seien. Daher könne die
Frage der Anklageerhebung so wichtig wie die Sachentscheidung gesehen werden,
ein Umstand, der einer Weisungsberechtigung grundsätzlich widerspreche.
Andererseits gewährleiste die Unabhängigkeit eines Organs nicht die Gesetzmäßigkeit
des Vollzugs. Dazu komme, dass 70 bis 80% der Fälle bereits durch Diversion
geregelt werden. Daher stelle sich die Frage der Verankerung der
Weisungsfreiheit der staatsanwaltschaftlichen Organe im Bereich des
außergerichtlichen Tatausgleichs. Gegen letzteres wird wiederum eingewendet,
dass die Praxis des außergerichtlichen Tatausgleichs gerade eine
Weisungsbefugnis und damit die politische Verantwortung des Bundesministers für
Justiz erforderlich mache.
Nach
Abwägung aller Argumente kann im Ausschuss Konsens über die folgende
Formulierung erzielt werden: „Einigkeit besteht im Ausschuss darüber, die
Ausübung des Weisungsrechts durch den Justizminister – etwa durch Einrichtung
eines eigenen parlamentarischen Kontrollausschusses (der die Ausübung des Weisungsrechts
ex post kontrollieren sollte) – noch transparenter zu gestalten.“
In
laufender Sitzung wird dem Ausschuss das Ergebnis des Ausschusses 2 betreffend
Materien, die der Ausschuss 9 zu behandeln hat (haben wird), präsentiert. Es
besteht Einvernehmen, diese Übersicht allenfalls am folgenden Sitzungstag zu
verhandeln.
Tagesordnungspunkt 4:
Gerichtshöfe öffentlichen Rechts (Punkt III des Mandats)
Verhältnis der Höchstgerichte zueinander (Subsidiarantrag,
Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit)
Eingehend besprochen
wird sowohl die allgemeine Frage des Verhältnisses zwischen den drei
Höchstgerichten im Hinblick auf die Prüfung der Verfassungskonformität von
Rechtsakten, als auch im Besonderen die Relation zwischen dem VwGH/dem
Verwaltungsgericht erster Instanz auf der einen Seite und dem VfGH auf der
anderen Seite in einem neuen System der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Dabei
werden die folgenden hauptsächlichen Leitgedanken ins Spiel gebracht:
- Konzentration der Prüfung der
Verfassungsmäßigkeit von Rechtsakten bei einem Gericht, nämlich dem VfGH
- Erweiterung der Möglichkeit, behauptete Fehler
genereller Normen an den VfGH heranzutragen
- Keine zu komplizierten
Verfahrenskonstellationen
- Wahrung der Gleichrangigkeit der
Höchstgerichte
- Trennung der Handhabung des Verfassungsrechts
von jener des einfachen Gesetzes.
Kein System kann
sämtliche dieser Gedanken maximal verwirklichen. Zur Diskussion stehen folgende
theoretischen Varianten, jeweils mit spezifischen Vor- und Nachteilen:
1. Beibehaltung der derzeit gegebenen
verfassungsrechtlichen Lage, wobei allerdings das Verwaltungsgericht erster
Instanz an die Stelle der letztinstanzlichen Verwaltungsbehörde tritt. D.h. das
Urteil des Verwaltungsgerichts erster Instanz könnte wie bisher sowohl beim
VwGH als auch beim VfGH angefochten werden, Sukzessivbeschwerde wie bisher. Im
Verhältnis des VfGH zum OGH würde keine Änderung eintreten.
2. Wie unter 1., aber zur Erweiterung des
Zugangs zur Normenkontrolle durch den VfGH wird ein "Subsidiarantrag"
eingeführt. Nach allfälliger Aufhebung der generellen Norm durch den VfGH wird
das Verfahren vor dem VwGH/OGH wieder aufgenommen.
3. Wie unter 1. und 2., aber mit der Maßgabe,
dass das Verhältnis der sukzessiven Inanspruchnahme der Gerichtshöfe des
öffentlichen Rechts "umgedreht" wird. Das Urteil des
Verwaltungsgerichts erster Instanz wird zuerst beim VwGH, hernach beim VfGH
angefochten.
4. Einführung einer echten
"Urteilsbeschwerde": Die Urteile des VwGH/des OGH können beim VfGH
unmittelbar angefochten werden, unter dem Gesichtspunkt, dass ein Grundrecht
verletzt wurde.
5. Subsidiarantrag wie unter 2., aber zusätzlich
mit der Möglichkeit, eine Verletzung eines Grundrechts (oder Verkennung der
Bedeutung eines Grundrechts) durch VwGH/OGH geltend zu machen, wobei die Entscheidungsbefugnis
des VfGH diesbezüglich auf eine bloße "Feststellung" gerichtet wäre.
Mit diesen
Modellvorstellungen steht auch die Frage im Zusammenhang, ob künftig eine
Konzentration der gesamten Verwaltungsgerichtsbarkeit beim VwGH erfolgen soll
oder ob es bei der derzeitigen Situation (mit der entsprechenden Modifikation)
bleibt. Beim Modell der Auflassung der Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit tritt
der Aspekt der "Urteilsbeschwerde" – jedenfalls soweit es den VwGH
betrifft – stärker in den Vordergrund.
Aus dem
Meinungsaustausch darüber ist Folgendes hervorzuheben:
- Gegen den Subsidiarantrag spricht die
Verfahrenskomplikation und damit
-verzögerung. Ein zu kompliziertes System, insbesondere mit Subsidiarantrag und
späterer Wiederaufnahme des Verfahrens, ist der rechtssuchenden Bevölkerung
schwer zu erklären.
- Die Vorordnung des VfGH gegenüber dem VwGH im
derzeitigen System wirkt befremdlich.
- Eine Urteilsbeschwerde oder – beim VwGH – eine
Umkehrung der Reihenfolge führt dazu, dass der VfGH bereits "aufbereitete"
Fälle präsentiert bekommt. Es wird die Befürchtung ausgesprochen, der VfGH
würde sich nicht auf reine Grundrechtsaspekte beschränken, sondern unter dem
Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes oder der Verhältnismäßigkeit tief in die
Auslegung des einfachen Gesetzesrechts eindringen. In diesem Zusammenhang wird
eine "Konstitutionalisierung" der Rechtsordnung befürchtet.
- Besonders aus strafgerichtlicher Perspektive
wird auf die Überforderung des VfGH sowie auf die Verfahrensverzögerung
hingewiesen. Die Einführung einer "Urteilsbeschwerde" bedeutet
letztlich die Einführung einer weiteren Instanz.
- Die Erweiterung des Grundrechtsschutzes im
Rahmen der Strafgerichtsbarkeit wird in den Raum gestellt.
- Gegen eine übertriebene -
"verfassungskonforme Interpretation" - insbesondere bei
"umgedrehter" Sukzessivebeschwerde wird eingewendet, dass damit
verfassungswidrig auslegbare Gesetzesbestimmungen weiterhin in Geltung bleiben.
Die Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts sei eben nur im
Einzelfall bindend.
Die Verengung des
Zugangs zum VwGH mittels "Zulässigkeitsbeschwerde" hat als solche auf
das Ablehnungsrecht des VfGH keine Auswirkung. D.h. es käme zuerst – bei
Weiterführung des derzeitigen Systems – zu einer Ablehnung durch den VfGH – es
liegt dann ein Fall der Verwaltungsgerichtsbarkeit vor – und dann im Verfahren
vor dem VwGH die "ausdifferenziertere" Zulassung der Beschwerde, je
nach dem, ob entsprechend Relevantes vorgebracht werden kann oder nicht.
Konsens besteht zunächst
nur über die Zweckmäßigkeit der Einführung des "Subsidiarantrags",
soweit damit die Rechtswidrigkeit genereller Normen geltend gemacht werden
kann. Im Übrigen muss die Diskussion zu diesem Thema fortgesetzt werden.
Tagesordnungspunkt
5: Staatshaftung: Haftung für legislatives Unrecht, Haftung aufgrund
höchstgerichtlicher Erkenntnisse, Zuständigkeit? Verfahren? Notwendigkeit einer
gesetzlichen Regelung?
Zur Frage des
"legislativen Unrechts" wäre noch eine in Ausfertigung begriffene
Entscheidung des VfGH abzuwarten. Zur besonderen Frage der Staatshaftung, die
aus höchstgerichtlichen Entscheidungen abgeleitet wird, bestehen im
Wesentlichen die folgenden Ansichten:
Es sei von der Judikatur
des VfGH auszugehen, die diesbezüglich – unter Abwägung aller Argumente – auf
Art. 137 B-VG abstellt, insoweit besteht kein Regelungsbedarf. Diese
Ermächtigung sei freilich komplementär zu einer etwaigen ausdrücklichen
Regelung im Amtshaftungsgesetz. Eine verfassungspolitische Notwendigkeit dafür
wird indessen nicht gesehen. Dagegen wird geltend gemacht, dass es schon im
Hinblick auf die "Gleichrangigkeit" einen eigenen
"Staatshaftungssenat" geben sollte. Dieser würde keinen zusätzlichen
organisatorischen Aufwand verursachen, worauf in der Diskussion kritisch
hingewiesen wurde, da es nur um eine Regelung über das Zusammentreffen eines
besonderen, sehr selten einzuberufenden, Spruchkörpers ginge. Dieser Senat
könnte nach dem Beispiel des seinerzeitigen "Austrägalsenats"
geschaffen werden. Auch darin lässt sich freilich eine zusätzliche Komplikation
der verfassungsrechtlichen Grundlagen sehen. Die praktische Seite einer
fortdauernden Zuständigkeit des VfGH für das Verhältnis der Höchstgerichte
untereinander wird als gering eingeschätzt, da in jedem derartigen Verfahren
wohl zwingend eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen sei.
Eine Problematik stelle
es allerdings dar, wenn der VfGH selbst das Gericht ist, welches das
haftungsauslösende Urteil erlassen hat. Diesfalls werden verschiedene
Varianten, etwa eine besondere Zuständigkeit des OGH ins Spiel gebracht.
Letztlich
konnte ein Konsens in dieser Frage nicht gefunden werden.
Die
nächste Sitzung des Ausschusses 9 wird am Freitag, dem 13. Februar 2004, 10.00
Uhr, stattfinden.
Präsident
Univ.-Prof. Dr. Korinek ersucht um Beibehaltung der Tagesordnung für die 5.
Sitzung des Ausschusses 9, da er an diesem Tag an der Teilnahme verhindert ist,
aber an der Debatte über Staatshaftungsfragen weiterhin mitwirken möchte.
Vorsitzender des Ausschusses 9: Fachliche
Ausschussunterstützung:
Univ.-Prof. Dr. Herbert Haller e.h. Dr. Ingrid Moser e.h.