Anwesende:
Ausschussmitglieder (Vertreter):
Univ.-Prof. Dr. Herbert Haller (Vorsitzender)
Univ.-Prof. Dr. Clemens Jabloner (stellvertretender
Vorsitzender)
Mag. Heribert Donnerbauer (für
BM Elisabeth Gehrer)
Univ.-Prof.
DDr. Christoph Grabenwarter (nur
vormittags)
Dr.
Gerhard Kuras (als „Begleitperson“ von Dr. Johann
Rzeszut)
Dr. Johann Rzeszut
Mag. Terezija Stoisits
Dr. Kurt Stürzenbecher (für
Mag. Renate Brauner)
Experten:
Dr.
Barbara Helige, Präsidentin der Österreichischer Richtervereinigung
Dr.
Wolfgang Fellner, Sektionschef der Präsidialsektion im BM für Justiz
Dr.
Klaus Schröder, Vorsitzender der Bundessektion Richter und Staatsanwälte in
der
Gewerkschaft öffentlicher Dienst
Dr.
Wolfgang Swoboda, Präsident der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte
Dr.
Walter Presslauer, Erster Generalanwalt bei der Generalprokuratur
Weitere Teilnehmer:
BM Dr. Dieter Böhmdorfer (Präsidium
des Österreich-Konvents)
Dr. Helmut Epp (für
Univ.-Prof. Dr. Andreas Khol)
Mag. Peter Hadler (als „Begleitperson“ von Dr. Wolfgang
Fellner)
Mag. Michael Schön (für
BM Dr. Dieter Böhmdorfer)
Mag. Thomas Sperlich (für
Mag. Terezija Stoisits)
Büro des
Österreich-Konvents:
Dr. Gert Schernthanner (fachliche
Ausschussunterstützung)
Birgit Mayerhofer (Ausschusssekretariat)
Entschuldigt:
Univ.-Prof. Dr. Bernd-Christian Funk
BM Elisabeth Gehrer
Univ.-Prof. Dr. Gerhart Holzinger
Univ.-Prof. Dr. Karl Korinek
DDr. Karl Lengheimer
Dr. Johannes Schnizer
Beginn: 10.00
Uhr
Ende: 16.15
Uhr
Tagesordnungspunkte:
1.)
Begrüßung und Feststellung der Anwesenheit
2.)
Genehmigung des Protokolls über die erste Sitzung des Ausschusses 9
vom 31.10.2003
3.)
Hearings folgender
Experten:
Dr. Barbara Helige, Dr. Wolfgang Fellner, Dr. Klaus
Schröder,
Dr. Wolfgang Swoboda, Dr. Walter Presslauer
4.)
Anschließende Diskussion (unter Einbeziehung der angehörten Experten)
5.) Weitere Termine? –
Allfälliges
Der Ausschussvorsitzende begrüßt die Mitglieder des Ausschusses 9 und
stellt die Anwesenheit fest.
Tagesordnungspunkt
2: Genehmigung des Protokolls über die erste Sitzung des Ausschusses 9 vom
31.10.2003
Das Protokoll über die erste
Sitzung des Ausschusses 9 vom 31.10.2003 wird genehmigt.
Der Ausschussvorsitzende teilt
mit, dass die heute durchzuführenden Expertenhearings (mit anschließender
Diskussion) auf der Grundlage nachfolgender - zum Teil im Postweg und zum Teil
per E-Mail ausgesandten sowie zum Teil heute vorgelegten – Dokumente bzw.
Unterlagen durchgeführt werden:
1. Zum Ausbau der richterlichen
Unabhängigkeit – Einrichtung eines „Rats der Gerichtsbarkeit“:
- Schreiben der Präsidentin der
Österreichischen Richtervereinigung vom 15.10.2003 (samt Entwurf eines Modells
für einen Rat der Gerichtsbarkeit);
- Vereinigung der
Österreichischen Richter und Bundessektion Richter und Staatsanwälte in der
GÖD, Positionspapier der richterlichen Standesvertretung zur Stärkung der
Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit durch Einrichtung eines Rats der
Gerichtsbarkeit, Dezember 2003.
2. Zur Neukonzeption der österreichischen
Gerichtsorganisation:
- Bundesministerium für Justiz,
Positionspapier zum Österreich-Konvent – Konzept einer neuen
Gerichtsorganisation, November 2003;
- Peter G. Mayr, Gedanken
zur Reform der österreichischen Gerichtsorganisation, in: Simotta (Hgb.), Der
Zivilprozess zu Beginn des 21. Jahrhunderts – Vergangenheit, Gegenwart und
Perspektiven, Festschrift für Wolfgang Jelinek (2002), 173 ff.
3. Zur zukünftigen verfassungsrechtlichen Stellung der
Staatsanwaltschaften:
- Vereinigung Österreichischer
Staatsanwälte, Positionspapier zur staatsrechtlichen Stellung der
Staatsanwaltschaft in Österreich, Dezember 2003;
- Roland Miklau, Die
Staatsanwälte vor den Toren der Strafprozessreform, in: Pilgermair (Hgb.),
Festschrift für Herbert Steininger (2003), 321 ff;
- Bernd-Christian Funk / Theo
Öhlinger, Strafprozessreform und Verfassungsrecht, Schriftenreihe des BMJ
Nr. 112 (2002).
[Anmerkung der Verfasser dieses
Protokolls: Im Folgenden werden zunächst die Stellungnahmen der einzelnen
Experten – in chronologischer Reihenfolge – dargestellt; danach wird die sich
daran anschließende Diskussion – thematisch gegliedert – zusammengefasst.]
1. Dr. Barbara Helige, Präsidentin der Österreichischen
Richtervereinigung:
Präsidentin Dr. Helige betont im
Zusammenhang mit der geplanten Einführung der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit
zunächst, dass die Förderung und Hebung der Rechtsstaatlichkeit auch im Bereich
der Verwaltung ein „altes“ Anliegen der Richter-vereinigung sei, die für einen
Ausbau der Unabhängigen Verwaltungssenate zu echten Landesverwaltungsgerichten
ebenso eintrete wie für die Schaffung eines eigenen Dienst- und
Organisationsrechts nach Vorbild jenes in der ordentlichen Gerichtsbarkeit.
Dabei könne der VwGH als brauchbares Vorbild dienen; es müsse gewährleistet
werden, dass auch die in der Verwaltungsgerichtsbarkeit tätigen Richter eine eigene
„berufliche Laufbahn“ haben können.
Was die in den letzten Jahren
geradezu inflationäre Entstehung von immer neuen Art. 133 Z 4 B-VG-Behörden
anbelange, sei die Richtervereinigung insofern skeptisch, als es sich dabei
zwar formal um Verwaltungsbehörden mit richterlichem Einschlag (mit Beteiligung
zumindest eines Berufsrichters) handle; doch mache ein einzelner Richter solche
Behörden noch nicht zu vollwertigen Gerichten, weshalb die Richtervereinigung
für die Eingliederung möglichst vieler dieser Behörden in die zukünftigen
Landesverwaltungsgerichte eintrete.
Hinsichtlich
der vom BMJ geplanten Gerichtsorganisation sehe die Österreichische
Richtervereinigung derzeit keinen dringenden Handlungsbedarf, insbesondere
solle keine Reform um der bloßen Reform willen durchgeführt werden.
Eindringlich werde davor gewarnt, die angedachte Organisationsreform mit der
Einsparung von (richterlichen oder nicht richterlichen) Planposten zu
verknüpfen: selbst dann, wenn man die geplante Gerichtsorganisationsreform durchführen
sollte, würden immer noch mindestens genau so viele Planposten gebraucht werden
wie derzeit vorhanden. Insoweit in den letzen Tagen in den Medien davon die
Rede gewesen sein, dass die in den letzten beiden Jahren durchgeführte
Schließung von insgesamt 61 Bezirksgerichten österreichweit lediglich ein
„Probegalopp“ gewesen sei und dass es zu viele Richter gebe, sei dies eine
alarmierende Aussage und mit aller Entschiedenheit abzulehnen.
Was
den Ausbau der richterlichen Unabhängigkeit betreffe, sei nach dem derzeitigen
Verfassungsgefüge von einer Dreiteilung der Staatsfunktionen (Legislative,
Exekutive, Judikative) auszugehen, wobei sich die Gerichtsbarkeit in einer sehr
starken Abhängigkeit von der Exekutive befinde. Die derzeitige Verfassung garantiere
zwar die Unabhängigkeit des einzelnen Richters, nicht jedoch die Unabhängigkeit
der Gerichtsbarkeit insgesamt – insbesondere in finanzieller, wirtschaftlicher
und organisatorischer Hinsicht. Die Abhängigkeiten der Gerichtsbarkeit von der
Bundesregierung, insbesondere vom Bundesministerium für Justiz, seien
vielfältig: der Justizminister habe ein alleiniges Auswahlrecht für die
Richteramtsanwärter (die in der Praxis die größte Hürde auf dem Weg zur
Richterernennung darstelle). Bei der Ernennung der Richter hätten die
Personalsenate zwar ein Vorschlagsrecht (zur Erstattung eines
Dreiervorschlags), dieses sei jedoch nicht bindend, sodass der Justizminister
auch einen nicht in diesem Vorschlag aufscheinenden Bewerber ernennen könnte.
Hinsichtlich der Funktionen des Präsidenten und des Vizepräsidenten des OGH
gebe es nicht einmal Vorschläge der Personalsenate, was selbst
verfassungsrechtlich bedenklich sei. Dazu komme in finanziell-organisatorischer
Hinsicht, dass die personelle Ausstattung der Gerichte nicht nur durch das
Parlament im Rahmen des Stellenplans, sondern vielmehr durch die exekutive
Staatsgewalt (Bundesministerium für Finanzen) gesteuert und bestimmt werde und
die einzelnen Ministerien mitunter auch unterhalb der Vorgaben des Stellenplans
bleiben und so erheblichen Einfluss auf die Personalsituation ausüben könnten.
Eine Mitsprache der Gerichtsbarkeit bei der Budgetanforderung und beim
Budgetvollzug bestehe somit weder theoretisch noch praktisch.
Da die
dargestellten Abhängigkeiten auf Dauer nicht mehr hinnehmbar und auch nicht
mehr zeitgemäß seien und auch international „der Zug in eine andere Richtung
gehe“ (vgl dazu den rechtsvergleichenden Überblick des Deutschen Richterbundes
im Anhang zum vorgelegten Positionspapier der richterlichen Standesvertretung),
schlage die richterliche Standesvertretung folgendes Modell für einen „Rat der
Gerichtsbarkeit“ vor: Vorsitzender dieses insgesamt 24-köpfigen Gremiums solle
der Bundespräsident (allenfalls auch der Präsident des Nationalrats) sein; dem
Gremium sollten außerdem der Justizminister, der Präsident des Österreichischen
Rechtsanwaltskammertags und der Präsident der Österreichischen Notariatskammer
sowie der Präsident des OGH und jeweils ein Vertreter aller (der derzeit vier)
im Nationalrat vertretenen Parteien angehören; schließlich sollten noch 15 (von
der Richterschaft zu wählende) Richterinnen und Richter im Gremium vertreten
sein. Der „Rat der Gerichtsbarkeit“ sollte in Zukunft unter anderem für die
Ernennung zum Richteramtsanwärter, für die Ernennung auf die erste und jede
weitere Planstelle der Richterinnen und Richter, für die Personalhoheit über
alle Beamten und Vertragsbediensteten, für die Innenrevision und
Dienstaufsicht, für die Aus- und Fortbildung, für die Begutachtung von
Gesetzes- und Verordnungsvorhaben, für die Budgeterstellung und den
Budgetvollzug (Vertretung des Vorschlags im Parlament) sowie schließlich für
die Erstellung eines jährlichen Tätigkeitsberichts an das Parlament zuständig
sein. Dabei sollten einerseits durch die Beteilung einer relativ großen Zahl
von Richtern die Auswahl der Richteramtsanwärter und die Ernennung der Richter
versachlicht und die Qualität der Aus- und Fortbildung angehoben werden.
Andererseits sollte die Richterauswahl insofern transparenter gestaltet werden,
als auch Vertreter aller maßgeblichen politischen Kräfte (aller im Nationalrat
vertretenen Parteien) Einblick in dieses Verfahren bekommen sollten, was den
Effekt haben sollte, dass durch mehr Information das Vertrauen zwischen den
verschiedenen Staatsgewalten gefördert und gestärkt werde. Auf diese Weise
sollte der Rat der Gerichtsbarkeit eine Art „Pufferfunktion“ entwickeln.
Präsidentin
Dr. Helige unterstreicht, dass die vorgeschlagene Einrichtung eines „Rats der
Gerichtsbarkeit“ eine langjährige Forderung der richterlichen Standesvertretung
sei und nichts mit den aktuell handelnden Personen, insbesondere auch nichts
mit der Person des derzeitigen Justizministers, zu tun habe. International gehe
die Entwicklung eindeutig in Richtung unabhängiger Richtergremien und in
Richtung richterlicher Selbstorganisation bei Personalauswahl und
Budgeterstellung. Ähnliche Tendenzen zeichneten sich derzeit im Übrigen auch in
Deutschland ab. Die richterliche Standesvertretung sei sich dessen bewusst,
dass ihre Forderung nach mehr richterlicher Selbstverwaltung nicht nur eine
größere Unabhängigkeit und mehr Rechte, sondern auch mehr Verantwortung und
damit mehr Pflichten bedeute: diesem Anliegen könnte etwa durch weitere
geeignete Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung und eine transparentere
Gestaltung des Disziplinarrechts entsprochen werden. Die Richter seien zur
Übernahme dieser Verantwortung jedenfalls bereit.
Abschließend
betont Präsidentin Dr. Helige, dass der Österreich-Konvent das geeignete Forum
und jetzt der ideale Zeitpunkt dafür sei, den „Rat der Gerichtsbarkeit“ zu
diskutieren und letztlich umzusetzen. Sie bedankt sich für die Einladung und
für die Möglichkeit, ihre Anliegen vor dem Konvent zur Sprache gebracht zu
haben.
Der
Ausschussvorsitzende dankt Präsidentin Dr. Helige für ihre Stellungnahme
und betont, dass auch er der Meinung sei, dass die Richter der zukünftigen
Landeverwaltungsgerichte volle Unabhängigkeit genießen und nach Möglichkeit
Berufsrichter aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit in die Landesverwaltungsgerichte
integriert werden sollten. Auch er halte das derzeit bestehende starke
Übergewicht der Exekutive über die Judikative für problematisch. Was die
zukünftige Personalentwicklung in der ordentlichen Gerichtsbarkeit anbelange,
stünden die Aussagen des Präsidenten des Nationalrats auch im Widerspruch zu
Aussagen des Justizministers, der zuletzt die Notwendigkeit von mehr
richterlichen Planstellen betont habe.
2. Dr. Wolfgang Fellner,
Sektionschef der Präsidialsektion im Bundesministerium für Justiz:
Sektionschef
Dr. Fellner betont zunächst die Wichtigkeit eines auch in Zukunft einheitlichen
Richterbilds in der ordentlichen Gerichtsbarkeit einerseits und in der
Landesverwaltungsgerichtsbarkeit andererseits. Auch dem Bundesministerium für
Justiz seien die zahlreichen Art. 133 Z 4 B-VG-Behörden ein „Dorn im Auge“,
zumal die verpflichtende Beteiligung zumindest eines Berufsrichters aus der
ordentlichen Gerichtsbarkeit dazu führe, dass sehr große personelle Kapazitäten
bei diesen Behörden gebunden seien, die man im „klassischen Bereich“, also in
der ordentlichen Gerichtsbarkeit, dringend benötigen würde.
Was
die Justizverwaltung betreffe, sei diese schon derzeit weitestgehend in den
Händen von Richtern, zumal sowohl die Vorsteher von Bezirksgerichten und die
Präsidenten der Gerichtshöfe und der Oberlandesgerichte als auch die
Sektionschefs, Abteilungsleiter und Referenten im Bundesministerium für Justiz
geprüfte und ernannte Richter seien. Was die Aufnahme und Ernennung der Richter
betreffe, könne diese Aufgabe in einem demokratischen System nicht allein
Aufgabe der Richter sein. Im Übrigen sei für die Richterernennung das
Vorschlagsrecht der Personalsenate zwar de jure nicht bindend, jedoch de facto
praktisch immer maßgebend. Der Stellenplan sei sehr wohl vom Parlament zu
beschließen, die Sparzwänge der Regierung hätten in der Vergangenheit niemals
dazu geführt, dass Richter abberufen werden, sondern lediglich dazu, dass nicht
alle Stellen nachbesetzt werden konnten.
Was
die Gerichtsorganisation im eigentlichen Sinn anbelange, sei zunächst
festzuhalten, dass es im Wesentlichen nur zwei relevante Bestimmungen auf
verfassungsrechtlicher Ebene gebe: zum einen den Art. 92 B-VG, in dem der OGH
als oberste Instanz im Zivil- und Strafrechtssachen vorgesehen sei und bei dem
ein Änderungsbedarf nicht zu erkennen sei; zum anderen den § 8 Abs. 5 lit. d)
des Übergangsgesetzes aus 1920 (BGBl 1920/2 in der geltenden Fassung; im
Folgenden kurz: ÜG 1920), wonach unter anderem die Grenzen der politischen Bezirke,
der Gerichtsbezirke, der autonomen Bezirke und der Ortsgemeinden sich nicht
schneiden dürfen und Änderungen in den Sprengeln der Bezirksgerichte durch
Verordnung der Bundesregierung nur mit Zustimmung der jeweiligen
Landesregierung verfügt werden dürfen. Die zuletzt genannte Bestimmung sei
jedoch ein „Fremdkörper“ im österreichischen Recht, zumal die Gerichtsbarkeit
ansonsten gemäß Art. 10 B-VG Bundessache im Gesetzgebung und Vollziehung sei.
Darüber hinaus solle § 8 Abs. 5 lit. d) ÜG 1920 nach dem Einleitungssatz des
Abs. 5 nur bis zu jenem Zeitpunkt gelten, in dem die Organisation der
allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern durch das gemäß Art. 120 B-VG
zu erlassende BVG und die Ausführungsgesetze hiezu geregelt ist; tatsächlich
sei aber ein solches BVG bis heute nicht erlassen worden, sodass sich die Frage
stelle, ob dieser Bestimmung nicht ohnedies bereits materiell derogiert worden
sei.
Was
die Gerichtsorganisation auf einfachgesetzlicher Ebene betreffe, stamme diese
aus dem Jahr 1848, also aus einer Zeit, in der die Motorisierung noch nicht
bestanden habe und insofern die Wege „weiter“ und die Reisen beschwerlicher
gewesen seien. Nach mehreren Gerichtszusammenlegungen unmittelbar nach dem 1.
Weltkrieg, in der zweiten Hälfte der 70er Jahre, in der ersten Hälfte der 90er
Jahre und in den vergangenen beiden Jahren (wo in Oberösterreich,
Niederösterreich, Steiermark, Salzburg und Tirol insgesamt 50 Bezirksgerichte
zusammengelegt worden seien) bestehen nunmehr (Stand 1.1.2005) 142 Bezirksgerichte;
im Vergleich dazu gebe es nur 99 Bezirkshauptmannschaften. Während die
durchschnittliche Einwohnerzahl pro Bezirksgericht in Österreich 50.400
betrage, kämen etwa in Bayern auf ein Amtsgericht 169.000 Einwohner. Es gebe
heute immer noch 13 Bezirksgerichte, die nur einen (oder weniger) Richter
auslasten, und insgesamt 29 Bezirksgerichte, die weniger als zwei Richter
auslasten. Nach den Vorstellungen des Bundesministeriums für Justiz sollten
hingegen pro Bezirksgericht zumindest 5 Richter tätig sein. Interessant sei
weiters, dass 92,5% des gesamten Anfalls auf die Bezirksgerichte (somit auf die
unterste Ebene) entfalle, während von den 1.676 eingesetzten Richtern nur ca.
41% an den Bezirksgerichten, jedoch ca. 44% an den Landesgerichten arbeiten
würden. Was nun die Anzahl der Gerichtsebenen anbelange, gebe es lediglich in
Irland sowie in den größeren europäischen Staaten (wie Frankreich oder
Deutschland) vier Ebenen, während es etwa in Finnland, Schweden, Dänemark,
Luxemburg, Griechenland und Portugal lediglich drei Ebenen gebe.
Aus
all diesen Zahlen und Daten (vgl dazu näher Positionspapier des BMJ, Konzept
einer neuen Gerichtsorganisation; und Powerpoint-Präsentation des BMJ
„Gerichtsorganisation NEU“) sei abzuleiten, dass im Zuge einer Reform der österreichischen
Gerichtsorganisation durch die Zusammenlegung der jetzigen Bezirks- und
Landesgerichte einheitliche Eingangsgerichte geschaffen werden sollen, die –
abgesehen von Straf-, Insolvenz- und Firmenbuchsachen – für alle
erstinstanzlichen Rechtssachen zuständig sein sollen. Diese neuen
Eingangsgerichte (62 an der Zahl) sollen daher nicht nur die bisherigen
bezirksgerichtlichen Sachen erledigen, sondern sämtliche Zivilsachen
einschließlich der Arbeits- und Sozialrechtssachen ohne Streitwertbegrenzung.
Diese 62 Eingangsgerichte könnten in 45 „normale“ Regionalgerichte und 17
größere Schwerpunktgerichte unterteilt werden. Die zuletzt genannten
Schwerpunktgerichte sollten insbesondere für die Abwicklung von Strafsachen
zuständig sein und am Sitz der bisherigen (Straf-)Landesgerichte eingerichtet
werden, weil dort eine (für die Unterbringung der Straf- und
Untersuchungshäftlinge notwendige) Justizanstalt in unmittelbarer Nähe zur
Verfügung stehe. Eine Konzentration der Strafsachen auf die Eingangsgerichte am
Sitz der bisherigen (Straf-)Landesgerichte habe auch den Vorteil, dass in
diesen Verfahren besonders häufig benötigte Sachverständige und Dolmetscher
leichter und rascher verfügbar seien. Ebenso würden auch Insolvenz- und
Firmenbuchsachen ein außergewöhnlich hohes Maß an fachlicher Spezialisierung
erfordern, sodass nicht an jedem Eingangsgericht ein eigener Insolvenz- und
Firmenbuchrichter eingesetzt werden solle, zumal auch der österreichweite
Anfall gar nicht ausreichen würde, um einen solchen Richter pro Eingangsgericht
auszulasten.
Zu den
Vorteilen der eine bestimmte Mindestgröße aufweisenden Eingangsgerichte zähle
neben der besseren Spezialisierung und dem effizienteren Personaleinsatz auch
die Qualität (Einheitlichkeit und Vorhersehbarkeit) der Rechtsprechung und der
Wegfall von (sachlichen) Zuständigkeitskonflikten.
Über
der untersten Ebene der Eingangsgerichte seien – als Rechtsmittelgerichte und
leistungsstarke Einrichtungen der Justizverwaltung – die Oberlandesgerichte
vorgesehen, wobei es bei den bisherigen vier Oberlandesgerichten in Wien, Linz,
Graz und Innsbruck bleiben solle. Dieses System habe sich in der Vergangenheit
bewährt. Die Einrichtung von neuen Oberlandesgerichten (in allen
Landeshauptstädten [mit Ausnahme Vorarlbergs; dort wohl weiterhin Feldkirch])
würde nicht nur einen erhöhten Personalbedarf und zusätzliche Kosten
verursachen, in vielen Fällen wäre die Bildung von bestimmten Fachsenaten nicht
möglich. Darüber hinaus wären sämtliche neuen Oberlandesgerichte (also in
Eisenstadt, St. Pölten, Klagenfurt, Salzburg und Feldkirch) kleiner als das
derzeit kleinste Oberlandesgericht Innsbruck. Schließlich würde die Einrichtung
von neuen Oberlandesgerichten auch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung
gefährden.
Abschließend
bedankt sich auch Sektionschef Dr. Fellner für die Einladung und die
Möglichkeit zur Präsentation der vom Bundesministerium für Justiz geplanten
Neuorganisation der Gerichtsbarkeit in Österreich.
Der
Ausschussvorsitzende dankt Sektionschef Dr. Fellner für seine Ausführungen,
unterstreicht die Wichtigkeit der (in allen Lebensbereichen fortschreitenden)
Spezialisierung auch in der Justiz und betont, dass Reformen nur dann
durchgeführt werden sollen, wenn sie den rechtsuchenden Bürgern eindeutig zum
Nutzen gereichten.
3. Dr. Klaus Schröder, Vorsitzender
der Bundessektion Richter und Staatsanwälte in
der
Gewerkschaft öffentlicher Dienst:
Vorsitzender
Dr. Schröder stellt zunächst klar, dass die derzeit bestehende
Gerichtsorganisation selbstverständlich nicht auf das Jahr 1848 zurückgehe,
sondern in den letzten Jahren und Jahrzehnten ständig reformiert und den
aktuellen Gegebenheiten und Bedürfnissen angepasst worden sei und somit nunmehr
neuesten Ursprungs sei. Eine radikale Auflösung von zahlreichen Bezirksgerichten
sei ebenso entschieden abzulehnen wie die geplante Konzentration sämtlicher
Rechtsmittel auf die vier bestehenden Oberlandesgerichte. Das heiße aber nicht,
dass die auch in Zukunft notwendig werdende Spezialisierung von der
richterlichen Standesvertretung kategorisch abgelehnt werde. Was die vom
Bundesministerium für Justiz präsentierten Zahlen betreffe, sei es zwar
richtig, dass etwa Bayern weniger Gerichte (Amtsgerichte) als Österreich
(Bezirksgerichte) habe, jedoch gebe es in Bayern sehr viele Außenstellen von
Amtsgerichten, sodass die Gerichtsbarkeit dort sehr dezentralisiert und
bürgernah sei. Ähnliches gelte auch für die äußerst dezentralisierte
Gerichtsbarkeit in Italien.
Was
die Qualität der Rechtsprechung betreffe, brauche die österreichische
Gerichtsbarkeit keinen – auch keinen internationalen – Vergleich zu scheuen.
Ganz im Gegenteil sei die Qualität der österreichischen Gerichtsbarkeit
europaweit anerkannt; dies gelte insbesondere auch für die Dauer der Verfahren,
wo Österreich international im absoluten Spitzenfeld liege. Schließlich sei
durch das derzeitige System auch eine umfassende Aus- und Fortbildung der
Richter verwirklicht. Das derzeitige System der Bezirksgerichte sei mit seiner
Bürgernähe nicht nur kundenfreundlicher, sondern wisse auch über bestimmte
regionale, lokale und familiäre Bedingungen besser Bescheid, was im Einzelfall
zu sachgerechteren Entscheidungen führe. Dieser Befund sei durch eine vor
kurzem vorgestellte Studie des „Institute of International Management“, wo bestimmte
staatliche Einrichtungen in 47 verschiedenen Staaten verglichen wurden,
bestätigt worden: Während Österreich in vielen anderen Verwaltungsbereichen
(teilweise weit) zurückliege, rangiere Österreich in der Sparte
„Gerichtsbarkeit“ auf dem hervorragenden 7. Platz und damit weit besser als in
sämtlichen anderen verglichenen Sparten. Aufgrund des seit vielen Jahren
bundesweit eingeführten PAR (= Personalanforderungsrechnung) ergebe sich
derzeit ein durchschnittlicher Auslastungsgrad der österreichischen Richter,
der weit jenseits der 100% (= der ursprünglich festgelegten maximal zulässigen
Belastung pro Richter) liege.
Wenn
man den Vorstellungen der Vertreter aus dem Bundesministerium für Justiz
zuhöre, dränge sich der Verdacht auf, dass hier eine Anpassung um der Anpassung
willen bzw. letztlich um der Kosten- und Personaleinsparung willen durchgeführt
werden sollte. Die gesamte Strafgerichtsbarkeit in Zukunft bei den so genannten
„Schwerpunktgerichten“ zu konzentrieren, würde einen ungemein großen organisatorischen
Aufwand und sehr hohe zusätzliche Kosten (aufgrund der anreisenden Zeugen und
Sachverständigen und der entsprechend höheren Gebühren) bedeuten. Die
Rechtsmittelzuständigkeiten bei den vier bestehenden Oberlandesgerichten zu
konzentrieren und damit den derzeit in allen Bundesländern bestehenden
Landesgerichten wegzunehmen, sei nicht nur föderalistisch bedenklich (weil es
dann nicht einmal mehr pro Bundesland ein eigenes Rechtsmittelgericht geben
würde), sondern sei auch sachlich falsch, zumal damit vier Riesengerichte und
im Fall des Oberlandesgerichts Wien buchstäblich ein „Monstergericht“
eingerichtet würden. Da die Rechtsanwälte in Zukunft vermehrt zu den
Berufungsverhandlungen in andere Städte anreisen müssten, wären sie gezwungen,
statt des einfachen Einheitssatzes (60%) den doppelten Einheitssatz (120%) zu
verrechnen, was für Mandanten und damit letztlich für alle rechtsuchenden
Bürger mit einer wahren Kostenexplosion verbunden wäre. Auch hinsichtlich der
propagierten Einheitlichkeit der Rechtsprechung wäre durch nur vier
Rechtsmittelgerichte nichts gewonnen, zumal etwa das neu zu schaffende
Oberlandesgericht Wien derart groß wäre und derartig viele Senate hätte, dass
die Übersichtlichkeit und Einheitlichkeit der Rechtsprechung völlig verloren gingen.
Das ebenfalls vorgebrachte Argument, dass zum Teil die Bildung von Fachsenaten
verunmöglicht werde und es zu „Mischsenaten“ kommen müsste, sei schon jetzt
Realität und insofern kein geeignetes Argument.
All
diese Gegenargumente sollten aber nicht den Eindruck erwecken, dass die
richterliche Standesvertretung kategorisch gegen alle Vorschläge sei, die vom
Bundesministerium für Justiz unterbreitet würden. Die Standesvertretung habe
die in den letzten Jahren und Jahrzehnten durchgeführten Gerichtsorganisationsreformen
jeweils mitgetragen und sei auch für die Zukunft für sinnvolle Änderungen mit
Augenmaß durchaus offen und gesprächsbereit. Die Reduzierung von derzeit vier
auf zukünftig drei Organisationsebenen sei vom Grundsatz her ebenso
überlegenswert wie die Schaffung einheitlicher Eingangsgerichte. Jedoch müsse
die Zahl dieser Eingangsgerichte wesentlich höher sein als die vom
Bundesministerium für Justiz vorgeschlagenen 62 Gerichte; hier könnte man sich
etwa an der Zahl der Bezirkshauptmannschaften (99) orientieren. Außerdem wären
wesentlich mehr „Schwerpunktgerichte“ als die vom Bundesministerium für Justiz
geplanten 17 notwendig.
Ganz
grundsätzlich seien bei der Zusammenlegung von Gerichten auch regionale
Besonderheiten zu berücksichtigen: so müsse es etwa – bezogen auf Tirol – auch
in Zukunft ein Bezirksgericht (oder Eingangsgericht) Reutte geben; sollte das
derzeitige Bezirksgericht Reutte aufgelassen und in Zukunft von einem anderen
Eingangsgericht (außerhalb des Außerferns) mitbetreut werden, drohe die Gefahr,
dass die Rechtspflege im Raum Reutte während der Wintermonate gänzlich zum
Erliegen komme. Solche Beispiele seien aufgrund der Geographie Österreichs
durchaus zahlreich; sie müssten bei einer allfälligen
Gerichtsorganisationsreform jedenfalls berücksichtigt werden. Vor allem aber
dürfe eine Reform der Gerichtsorganisation nicht dazu führen, das richterliche
und nichtrichterliche Personal „weiter“ zu kürzen. Die Zahl der notwendigen
Planstellen sei nämlich nicht von der Anzahl der Gerichte abhängig, sondern
vielmehr einerseits vom Gesetzgeber (weil es darauf ankomme, welche Aufgaben
dieser den Gerichten zuweise) und andererseits von der Frage, in welchem Ausmaß
die Gerichte von der rechtsuchenden Bevölkerung in Anspruch genommen werden. Genau
diese Inanspruchnahme sei aber in der Vergangenheit stets gestiegen, sodass man
die Zahl der Richter nicht (noch mehr als bisher) kürzen werde können. Auch die
geplante Gerichtsorganisationsreform werde kaum Kosteneinsparungen bringen,
kurzfristig wäre – ganz im Gegenteil - mit wesentlich höheren Kosten zu
rechnen, weil Umzugsarbeiten, Neuadaptierungen, Ankäufe und Anmietungen von
neuen Gebäuden und Gebäudeteilen erst finanziert werden müssten. Sollte es zu
einer Reduzierung auf drei Gerichtsebenen kommen, müsste dies –
konsequenterweise – auch für die (derzeit vier) Justizverwaltungsebenen gelten.
Abschließend
dankt Vorsitzender Dr. Schröder für die Einladung und bittet um
Berücksichtigung der vorgetragenen Anliegen der richterlichen
Standesvertretung.
Der
Ausschussvorsitzende dankt Vorsitzendem Dr. Schröder für seine
Ausführungen, betont noch einmal die Notwendigkeit der immer wichtiger
werdenden Spezialisierung auch im Bereich der Gerichtsbarkeit und meint, dass
die zu starke Eingebundenheit von Richtern in lokale Gegebenheiten in
Einzelfällen auch zu Problemen führen könnte.
4. Dr. Wolfgang Swoboda, Präsident
der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte:
Präsident
Dr. Swoboda betont zunächst, dass die Staatsanwaltschaften von der Verfassung bzw.
vom Bundesverfassungsgesetzgeber bisher noch nicht bemerkt worden seien. Das
hätte ursprünglich damit zu tun gehabt, dass die StPO von 1873 der
Staatsanwaltschaft in Österreich ein klare und sehr eingeschränkte Rolle
zugedacht habe (keine unmittelbaren Wahrnehmungen durch die Staatsanwälte).
Diese Rolle der Staatsanwaltschaften habe sich aber in den letzten Jahren und
Jahrzehnten verändert und kontinuierlich verstärkt: So seien in den 80er Jahren
die Diversionsregelungen im Drogenstrafrecht und im Jugendstrafrecht sowie die
diversionsnahe Regelung des § 42 StGB (Einstellung des Verfahrens wegen
mangelnder Strafwürdigkeit der Tat) den Staatsanwaltschaften zugewachsen. Durch
die StPO-Novelle 1999 sei die Diversionsregelung im allgemeinen Strafrecht (auch
für Erwachsene) eingeführt worden. Durch die aktuelle Regierungsvorlage zu
einer umfassenden StPO-Reform (insbesondere einer Reform des Vorverfahrens)
werde diese Entwicklung einer Verstärkung und Erweiterung der Rolle der
Staatsanwaltschaft insofern weitergeführt, als die Voruntersuchung abgeschafft,
die Staatsanwaltschaft zur verfahrensführenden Behörde aufgewertet und ihr die
Leitung und Durchführung des Ermittlungsverfahrens – in Kooperation mit der
Polizei – übertragen werde. Bezeichnend sei jene Passage in dem zur StPO-Reform
ergangenen Vortrag an den Ministerrat, in dem die Staatsanwaltschaft wörtlich
als „Garantin der justizförmigen Aufbereitung des Prozessstoffes“ bezeichnet
werde. Darüber hinaus werde diese Entwicklung mit der Umsetzung der StPO-Reform
längst nicht abgeschlossen sein; vielmehr sei in der bereits angedachten Reform
der Hauptverhandlung eine Änderung der Parteienrolle der Staatsanwaltschaft
absehbar, insbesondere sei auch die – aus rechtsstaatlichen Gründen vielleicht
nicht begrüßenswerte – Einführung des Instruments eines strafrechtlichen
Vergleichs („Prozessabsprache“), wie er derzeit bereits in vielen Ländern (etwa
auch in Deutschland) verwirklicht sei, eine wahrscheinliche Zukunftsvariante.
Diese
skizzierten Entwicklungen könnten durch die folgenden Zahlen (aus dem Jahr
2000) belegt werden: in diesem Jahr seien insgesamt ca. 50% der Anzeigen von
den Staatsanwaltschaften zurückgelegt und weitere 18% der Anzeigen diversionell
behandelt worden, während nur mehr 22% der Fälle angeklagt worden seien. Das
bedeute, dass nur mehr jeder 5. angezeigte Straffall letztlich vom Strafgericht
entschieden werde. In anderen Ländern sei die zunehmende Bedeutung der
Staatsanwaltschaften (letztlich auf
Kosten der Strafgerichte) noch wesentlich stärker ausgeprägt als in
Österreich und Deutschland.
Die
genannten Zahlen und auch der dargelegte Wandel der Rolle (aber auch des
Rollenverständnisses) der Staatsanwaltschaften zeige drastisch, dass die
Staatsanwaltschaften sowohl funktionell (als Aufbereiter des Prozessstoffes für
die Entscheidung durch die Strafgerichte) als auch personell (Richter und
Staatsanwälte genießen dieselbe Ausbildung) als Teil der dritten Staatsgewalt,
nämlich der Gerichtsbarkeit, anzusehen seien. Dies komme etwa auch im § 3 Abs. 2
des Staatsanwaltschaftsgesetzes zum Ausdruck, wo die bei den
staatsanwaltschaftlichen Behörden ernannten und ständig dort tätigen
Staatsanwälte in Erfüllung der Aufgaben dieser Behörden „Organe der
Rechtspflege“ seien. Die staatsrechtliche Trennung zwischen Exekutive und
Gerichtsbarkeit (vgl Art. 94 B-VG) sei nicht übertragbar auf die bloß
funktionelle Trennung zwischen Gerichten und Staatsanwaltschaften, die beide
Organe der Rechtspflege seien. Es greife daher zu kurz, die
Staatsanwaltschaften als quasi „nicht gerichtliche Behörden“ zu qualifizieren
und sie automatisch der Exekutive zuzuschlagen. Vielmehr sei es sowohl
rechtsdogmatisch als auch rechtspolitisch höchst an der Zeit, eine
institutionelle Bestands- und Funktionsgarantie der Staatsanwaltschaften als
Teil der Gerichtsbarkeit in der österreichischen Bundesverfassung (nach dem
derzeitigen System etwa in einem dem Art. 90 B-VG neu anzufügenden Abs. 3)
vorzusehen.
Was
das Weisungsrecht betreffe, sei die Weisung zunächst als wichtiger Bestandteil
im System des Qualitätsmanagements der Staatsanwaltschaften zu qualifizieren.
Das Weisungsrecht (wie auch die Berichtspflicht) habe grundsätzlich sehr wohl
seine Berechtigung, die Weisungshierarchie sollte jedoch justizintern bleiben
und nicht – wie derzeit – beim Bundesminister für Justiz und damit außerhalb
der Justiz enden. Die für die Tätigkeit der Staatsanwälte notwendige Kontrolle
und Weisungshierarchie solle keine politische, sondern vielmehr eine streng
juristische sein, weshalb das Weisungsrecht dem Bundesminister für Justiz
abgenommen und dem ausgewiesenen Justizorgan Generalprokurator übertragen
werden solle. Diese Forderung habe nichts mit den derzeit handelnden Personen
zu tun, insbesondere sei diese Forderung nicht als Kritik an der Ausübung des Weisungsrechts
durch den derzeitigen Justizminister zu verstehen. Das Problem sei jedoch ein
Problem der Optik und der äußeren Wahrnehmung, zumal der Druck der
Öffentlichkeit und der veröffentlichten Meinung – wie gerade auch Ereignisse
aus jüngster Vergangenheit zeigten – ein sehr großer sei. Auch wenn das
Weisungsrecht sowohl vom derzeitigen Justizminister als auch von dessen
Vorgängern stets aufgrund sachlicher Erwägungen ausgeübt worden sei, sei dies
in der Öffentlichkeit nicht transportierbar.
Durch
die Schaffung einer justizinternen Weisungsspitze in Gestalt des
Generalprokurators würde dem Leitsatz des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte „Justice not only has to be done, it also has to be seen to
be done.” Rechnung getragen werden. Die Darstellung und Außenwirkung des
gesetzestreuen Handelns sei schon jetzt viel wichtiger als noch vor wenigen
Jahren und werde in Zukunft noch erheblich an Bedeutung gewinnen. Dieser
Außenwirkung könne nur durch eine Verlagerung der Weisungsspitze weg vom Justizminister
hin zu einer fachlich unbestrittenen und über alle Parteigrenzen anerkannten
Persönlichkeit (in Gestalt des Generalprokurators) entsprochen werden.
Präsident
Dr. Swoboda bedankt sich abschließend für die Einladung und für die
Möglichkeit, seine Anliegen bzw. jene der Staatsanwaltschaften thematisiert
haben zu können.
Der
Ausschussvorsitzende dankt Präsident Dr. Swoboda für seine Ausführungen.
5. Dr. Walter Presslauer, Erster
Generalanwalt bei der Generalprokuratur:
Generalanwalt
Dr. Presslauer sieht in den Staatsanwaltschaften ebenfalls einen – wichtigen –
Teil der Gerichtsbarkeit und fordert die Verankerung der Staatsanwaltschaften
in der Verfassung, zumal sich diese ihre verfassungsrechtliche Aufwertung auch
tatsächlich verdient hätten. Die Gefahr, dass aufgrund der Aufwertung der
Staatsanwaltschaften in Zukunft „verdachtsschwache Fälle“ angeklagt werden,
sehe er nicht; diese Gefahr habe – wie ein Zitat aus einem Erlass zur StPO aus
1873 zeige – bereits früher bestanden, sie habe sich jedoch nie verwirklicht.
Nicht nur die Bestandsgarantie der Staatsanwaltschaften, sondern auch deren
Funktionsgarantie, also das Anklagemonopol, müssten im B-VG verankert werden.
Was
das Weisungsrecht anbelange, so müsse es ein solches geben; einen völlig
unab-hängigen Staatsanwalt könne niemand ernstlich wollen bzw. fordern. Wenn es
ein Weisungsrecht gebe, müsse es aber auch eine Weisungsspitze geben, wo die
Weisungs-hierarchie oben zusammenlaufe. Wer diese Weisungsspitze ausübe, sei
letztlich eine verfassungspolitische Entscheidung. Wenn nunmehr die
Generalprokuratur als zukünftige Weisungsspitze ins Spiel gebracht werde, sei
dies ein interessanter Vorschlag, der auch durchaus umsetzbar wäre, wobei man
sich jedoch dessen bewusst sein müsste, dass nach einer solchen
verfassungsrechtlichen Weichenstellung die Generalprokuratur eine andere
(politischere) wäre, als sie es bisher (als „Rechtswahrerin“; vgl die
Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetztes) gewesen ist. Sollte man daher
die Generalprokuratur als zukünftige Weisungsspitze vorsehen, wären
flankierende Maßnahmen zum Schutz der Generalprokuratur vor politischer
Einflussnahme notwendig.
Zusammenfassend:
Eine Entlastung des Bundesministers für Justiz von der Bürde des Weisungsrechts
wäre begrüßenswert. Die Generalprokuratur wäre zwar nicht begierig darauf, das
Weisungsrecht zu übernehmen; sie stünde für diese Aufgabe jedenfalls zur
Verfügung. Abschließend dankt auch Erster Generalanwalt Dr. Presslauer für die
Einladung und die Möglichkeit zur Stellungnahme.
Der
Ausschussvorsitzende dankt Generalanwalt Dr. Presslauer für seine
Ausführungen.
Tagesordnungspunkt 4: Anschließende Diskussion
(unter Einbeziehung der angehörten Experten)
1. Diskussion zur Reform der
Gerichtsorganisation:
Sowohl
der Ausschussvorsitzende als auch der stellvertretende Ausschussvorsitzende
werfen die Frage auf, inwieweit die Diskussion über eine allfällige Neuordnung
der Gerichtsorganisation von verfassungsrechtlicher Relevanz sei und ob
überhaupt Bestimmungen über die Gerichtsorganisation in der Verfassung
verankert werden müssten. Aus ihrer Sicht sei die Erzielung eines gewissen
Konsenses dahingehend vorstellbar, dass man einerseits Art. 92 B-VG (über den
OGH als oberste Instanz in Zivil- und Strafsachen) beibehalte und andererseits
§ 8 Abs. 5 lit. d) ÜG 1920 ersatzlos streiche. Der stellvertretende
Ausschussvorsitzende stellt auch noch das zukünftige Schicksal des § 28 ÜG 1920
zur Diskussion, wonach die (im Jahr 1920) geltenden Bestimmungen über die
Zuständigkeit und Zusammensetzung der Zivil- und Strafgerichte bis auf weiteres
in Kraft bleiben, womit offenbar der Zweck verfolgt worden sei, bereits
bestehende Bestimmungen auf dem Gebiet von Zivil- und Strafgerichtsbarkeit,
insbesondere solche über die Laienbeteiligung, verfassungsrechtlich
abzusichern. Ganz grundsätzlich hält der stellvertretende Ausschussvorsitzende
den Österreich-Konvent nicht für das geeignete Forum, um justizpolitische
(lediglich das einfache Gesetzesrecht betreffende) Diskussionen zu führen.
Im
Zuge der Diskussion wird von einigen Teilnehmern die Frage aufgeworfen, ob
nähere Bestimmungen über die Gerichtsorganisation überhaupt in die Verfassung
aufgenommen werden sollten; in diesem Sinn wird angeregt, dass – sollte man
sich zu einer solchen Vorgangsweise entschließen – nur ganz grundsätzliche
Bestimmungen mit größter Behutsamkeit und Zurückhaltung in die Verfassung
aufgenommen werden sollten. Vereinzelt wird darauf hingewiesen, dass die
gewählten Formulierungen in der neuen Verfassung (nicht nur für den Bereich der
Gerichtsbarkeit, aber eben auch dort) umso präziser seien müssten, je schlanker
man die Verfassung konzipiere. Der Vorschlag, die Gerichtsorganisation von
derzeit vier Ebenen auf zukünftig drei Ebenen zu reduzieren, findet zwar grundsätzlich
Zustimmung; hinsichtlich der näheren Details, insbesondere was die Zahl der
Eingangsgerichte und die Organisation der Rechtsmittelgerichte betrifft, kann
jedoch kein Konsens erzielt werden. Insbesondere von den Vertretern der
ordentlichen Gerichtsbarkeit wird darauf hingewiesen, dass die vier
Oberlandesgerichte zwar als Justizverwaltungszentren beibehalten werden
könnten, es jedoch auch in Zukunft in jedem Bundesland zumindest ein
Rechtsmittelgericht geben müsse; alles andere wäre weder sachgerecht noch
bürgernah bzw. föderalistisch. In diesem Zusammenhang wird von den Vertretern
der Staatsanwaltschaft davor gewarnt, die Strafgerichtsbarkeit auf 17 so
genannte „Schwerpunktgerichte“ zu reduzieren, zumal die Strafgerichtsbarkeit
flächendeckend präsent sein müsse und diese Präsenz wichtiger sei als die
Erzielung minimaler Einsparungen. Es wird nachdrücklich darauf hingewiesen,
dass die Rechtspflege und die Rechtsprechung eine Kernaufgabe des Staates und
eine Wohlfahrtsaufgabe seien, die durchaus mit der Staatsaufgabe der Sicherung
der ärztlichen Grundversorgung der Bevölkerung verglichen werden können.
Konsens
kann darüber erzielt werden, sowohl Art. 92 B-VG als auch Art. 83 Abs. 1 B-VG,
wonach die Verfassung und die Zuständigkeit der Gerichte durch Bundesgesetz zu
regeln sind, unverändert aufrecht zu belassen. Ebenso besteht – vorbehaltlich
der Zustimmung aller Ländervertreter im Ausschuss 9 – Konsens darüber, die als
„Fremdkörper“ identifizierte Bestimmung des § 8 Abs. 5 lit. d) ÜG 1920
ersatzlos zu streichen. Der heute einzig anwesende Ländervertreter (jener der
Bundeshauptstadt Wien) hätte gegen eine solche Streichung schon deshalb keine
Bedenken, weil diese Bestimmung für die Bundeshauptstadt Wien überhaupt nicht
gilt.
Der
Ausschussvorsitzende resümiert, dass ein möglicher Kompromiss in der Frage der
Reform der Gerichtsorganisation – im Sinne des Aufsatzes von Peter G. Mayr
– darin liegen könnte, die vier Oberlandesgerichte als Justizverwaltungszentren
zu belassen, jedoch Rechtsmittelinstanzen in sämtlichen Landeshauptstädten –
etwa durch Schaffung entsprechender Außenstellen der vier Oberlandesgerichte –
zu etablieren.
2. Diskussion zum Ausbau der
richterlichen Unabhängigkeit:
Der
stellvertretende Ausschussvorsitzende hält fest, dass er einen Ausbau der
richterlichen Unabhängigkeit zwar grundsätzlich begrüße, jedoch der Einrichtung
eines „Rats der Gerichtsbarkeit“ mit einer gewissen Skepsis gegenüberstehe,
zumal ein solcher Rat zwar ein Mehr an Transparenz schaffen könnte, jedoch
andererseits die Gefahr einer Verpolitisierung der Richterschaft und der
Bildung verschiedenere Fraktionen innerhalb der Richterschaft in sich berge. Er
hielte es für vernünftiger, es beim bisherigen System der Erstattung von
Dreiervorschlägen durch die Personalsenate zu belassen, wobei durchaus zu
diskutieren sei, diese Dreiervorschläge mit relativer Bindungswirkung
auszustatten. Freilich müsse man sich dessen bewusst sein, dass selbst relativ
bindende Dreiervorschläge keine Gewähr dafür böten, dass überhaupt jemand auf eine
bestimmte Planstelle ernannt wird. Was die Budgethoheit eines solchen
Richterrats betreffe, hege er ernsthafte Zweifel, zumal er sich die Frage
stelle, wer dann etwa mit dem Finanzministerium die Budgetverhandlungen führen
solle. Er wisse aus eigener Erfahrung, dass dies bei den beiden Höchstgerichten
(VfGH und VwGH) zu großen Problemen führe. Er hielte es für klüger, die
Budgethoheit weiterhin beim Justizministerium mit seiner gut geschulten
Ministerialbürokratie zu belassen.
In
weiterer Folge wird die Idee eines „Rats der Gerichtsbarkeit“ von den
Vertretern der ordentlichen Gerichtsbarkeit verteidigt, zumal dieser in
personeller Hinsicht zu einer Versachlichung der Richteramtsanwärter- und der
Richterauswahl führen und in budgetärer Hinsicht mithelfen könne, die derzeit
äußerst mangelhafte Personal- und Sachausstattung der Gerichte zu beheben.
Insbesondere von den Vertretern des OGH wird darauf hingewiesen, dass selbst
das Höchstgericht sowohl sachlich als auch personell äußerst mangelhaft
ausgestattet sei und es sowohl an richterlichem als auch nicht richterlichem
Personal sowie insbesondere auch an wissenschaftlichen Mitarbeitern fehle.
Hingegen
stößt der Vorschlag eines „Rats der Gerichtsbarkeit“ bei den anwesenden
Vertretern der politischen Parteien durchwegs eher auf Skepsis: Schon aus
grundsätzlichen demokratiepolitischen Erwägungen sei dieser Richterrat
problematisch, zumal Richtern die demokratische Legitimation fehle und die
demokratische Verantwortung von den (von den Bürgern gewählten) Politikern
wahrzunehmen sei. Was die Personalauswahl betreffe, gebe es bereits jetzt die
Dreiervorschläge der Personalsenate, die zwar nicht de jure, wohl aber faktisch
bindend seien. Im Übrigen seien auch die Vorschläge der richterlichen
Personalsenate nicht immer von sachlichen Erwägungen getragen. Es müsse (auch
wenn dies schon seit vielen Jahren nicht mehr der Fall gewesen sei) immer noch
die – zumindest theoretische – Möglichkeit bestehen, dass der Minister von dem
ihm erstatteten Dreiervorschlag vollkommen abweicht und einen nicht in diesem
Vorschlag enthaltenen Bewerber auf eine bestimmte Stelle ernennt. Was die
budgetäre Seite betreffe, wird einerseits darauf hingewiesen, dass die
Erstellung eines Budgetvorschlags ein sehr hohes Maß an Sachverstand voraussetze
(und dieser derzeit im Justizministerium konzentriert sei) und dass es für die
Richterschaft letztlich besser sei, wenn der Justizminister als
Regierungsmitglied den „Kampf ums Budget“ mit dem Finanzminister (als seinem
Regierungskollegen) führt. Schließlich würde – wollte man dem Richterrat
tatsächlich die Budgethoheit übertragen – dies zu einem Auseinanderfallen von
Einnahmen- und Ausgabenverantwortung führen, was schon aus grundsätzlichen
ökonomischen Erwägungen nicht wünschenswert sei. Das System der
Selbstrekrutierung der Richter möge zwar beim VwGH (wo diese System schon seit
langem gepflogen wird) gut funktionieren; das ändere aber nichts daran, dass es
grundsätzlich demokratiepolitisch bedenklich sei.
3. Diskussion zur staatsrechtlichen
Stellung der Staatsanwaltschaften:
Der
stellvertretende Ausschussvorsitzende tritt dafür ein, zu Gunsten der
Staatsanwaltschaften sowohl eine Bestands- als auch eine Funktionsgarantie
(Anklagemonopol) verfassungsrechtlich zu verankern. Einer Verlagerung der Weisungsspitze,
etwa auf die Generalprokuratur, könne er wenig abgewinnen, da in diesem Fall
die Gefahr einer Verpolitisierung der Generalprokuratur entstünde. Was das
Weisungsrecht anbelange, trete er für mehr Transparenz ein. Hinsichtlich des
ebenfalls erhobenen Vorschlags der Abschaffung des negativen Weisungsrechts des
Justizministers habe er seinen inneren Überlegungs- und Entscheidungsprozess
noch nicht abgeschlossen.
Im
Zuge der daran anschließenden Diskussion kann Konsens darüber erzielt werden,
dass man zugunsten der Staatsanwaltschaften sowohl ein Bestands- als auch eine
Funktionsgarantie (als öffentliche Ankläger) verfassungsrechtlich verankern
werde. Was das Weisungsrecht betrifft, wird von den Vertretern der politischen
Parteien mehrheitlich die Beibehaltung des derzeitigen Systems des
Weisungsrechts und auch der derzeitigen Weisungshierarchie gefordert. Es wird
einerseits vor einer Verpolitisierung der Generalprokuratur (bzw. jeder anderen
Form einer zukünftigen Weisungsspitze) gewarnt und andererseits darauf
hingewiesen, dass die Generalprokuratur aufgrund des ihr eingeräumten Rechts
zur Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetztes derzeit nur
„Rechtswahrerin“ sei, während sie in Zukunft zu einer viel politischeren
Institution werden würde. Hingegen sei es zu begrüßen, die Ausübung des
Weisungsrechts durch den Justizminister noch transparenter zu gestalten.
Denkbar sei auch die Einrichtung eines eigenen parlamentarischen
Kontrollausschusses, in dem die Ausübung des Weisungsrechts ex post
kontrolliert werden solle.
Der
Ausschussvorsitzende hält abschließend fest, dass man dem Wunsch der
Standesvertreter, die jahrzehntelang „unentdeckt gebliebenen“
Staatsanwaltschaften im B-VG sichtbar zu machen, jedenfalls Rechnung tragen und
sowohl eine Bestands- als auch eine Funktionsgarantie verfassungsrechtlich
verankern werde.
4. „Schlussrunde“: Abschließende
Stellungnahmen der heute angehörten Experten (in
„gestürzter
Reihenfolge“):
4.1. Dr. Walter Presslauer:
Hinsichtlich
des Weisungsrechts tritt Dr. Presslauer für eine Verstärkung der Transparenz
ein, die zum einen darin bestehen könne, die schriftlichen Weisungen in Zukunft
als eigene Bestandteile zu den Strafakten zu nehmen; zum anderen könne ein Mehr
an Transparenz auch durch die vorgeschlagene Einrichtung eigener
parlamentarischer Kommissionen erzielt werden. Eine „Halbierung“ des
Weisungsrechts (also die Abschaffung des negativen Weisungsrechts) sei
zumindest besser als gar nichts. Richtig sei zwar, dass die Generalprokuratur derzeit
eine bloße „Rechtswahrerin“ sei; dennoch sei eine Verlagerung der
Weisungsspitze zur Generalprokuratur oder auch zu einem eigenen
Generalstaatsanwalt, der auch der jeweilige Leiter der zuständigen Sektion im
Bundesministerium für Justiz sein könnte, denkbar. Im Übrigen sei – ebenso wie
beim OGH – auch bei der Generalprokuratur die derzeitige personelle Ausstattung
äußerst beklagenswert: So müssten sich die insgesamt 13 Generalanwälte
lediglich drei nicht richterliche Bedienstete „teilen“.
4.2. Dr. Wolfgang Swoboda:
Dr.
Swoboda stellt klar, dass auch die Standesvertretung der Staatsanwälte für die
Abschaffung des negativen Weisungsrechts eintrete, dass diese Maßnahme aber mit
entsprechenden flankierenden Maßnahmen abgesichert werden müsste. Zumindest sei
eine Einschränkung des negativen Weisungsrechts dahingehend zu überlegen, dass
der weisungsgebundene Staatsanwalt lediglich an (in die Form von Weisungen
gegossene) rechtliche Beurteilungen der Weisungsspitze gebunden sei, dass es
aber kein negatives Weisungsrecht unter Berufung auf die zu schwache Beweislage
mehr geben dürfe (also keine Weisung, wonach die sprichwörtliche „Suppe zu
dünn“ sei). Die Weisungsspitze solle auf den Generalprokurator übertragen
werden. Dadurch, dass dieser dann die letzte Entscheidung zu treffen habe und
es insgesamt drei Weisungsebenen gebe, sei auch die bisweilen beschworene
Gefahr vor „wild gewordenen“ Staatsanwälten unbegründet.
4.3. Dr. Klaus Schröder:
Auch
Dr. Schröder begrüßt die ins Auge gefasste Verankerung der Staatsanwaltschaften
im B-VG. Auch er tritt dafür ein, die Weisungsspitze vom Justizminister auf
eine andere außerhalb der Regierung stehende Person oder Behörde zu verlagern
und auf diese Weise den Justizminister von der schweren Bürde des
Weisungsrechts zu befreien. Die Ausübung des Weisungsrechts durch den
Justizminister sei – möge sie auch im Einzelfall sachlich richtig sein – in der
Öffentlichkeit nicht „transportierbar“. Die richterliche Standesvertretung
schlage weiterhin einen „Rat der Gerichtsbarkeit“ vor. Sollte es beim
bisherigen System der Dreiervorschläge bleiben, müssten diese zumindest relativ
bindende Wirkung haben; im Übrigen wäre eine schriftliche Begründungspflicht
des Justizministers wünschenswert. An der Regelung des Art. 83 Abs. 1 B-VG
solle unbedingt festgehalten werden. Auch an einem festen (maximalen)
Prozentsatz von Sprengelrichtern – wie er derzeit in Art. 88a B-VG mit 2%
festgelegt ist – sei unbedingt festzuhalten.
4.4. Dr. Wolfgang Fellner:
Dr.
Fellner betont, dass die von den Personalsenaten zu erstattenden
Dreiervorschläge auch in Zukunft nicht verbindlich sein, jedoch transparenter
ausgestaltet und begründungspflichtig werden sollten. Das Weisungsrecht des
Justizministers habe sich im Wesentlichen bewährt und solle auch in Zukunft beibehalten
werden. Insoweit die (sachliche oder personelle) Ausstattung des OGH
tatsächlich mangelhaft sein sollte, wäre zu Behebung dieses Zustands nicht der
Justizminister, sondern der Bundesfinanzgesetzgeber zuständig.
4.5. Dr. Barbara Helige:
Dr.
Helige weist darauf hin, dass die in der heutigen Diskussion von mancher Seite
erhobene Warnung, dass Richterbestellungen durch einen zukünftigen „Rat der
Gerichtsbarkeit“ unsachlich (weil von politischen Überlegungen getragen) sein
könnten, völlig unbegründet sei und es im Übrigen bei der Ernennung von
Präsidenten oder Vizepräsidenten von Gerichtshöfen schon derzeit zu politischen
Absprachen kommen könne. Der Vorteil des vorgeschlagenen „Rats der
Gerichtsbarkeit“ liege auch darin, dass ein solches Kollegialorgan schwieriger
zu beeinflussen sei als eine Einzelperson (wie der Bundesminister für Justiz).
Was die Übernahme von („verlängerten“) Rechtspraktikanten zu
Richteramtsanwärtern, also die entscheidende Weichenstellung auf dem Weg zur
Richterernennung, betreffe, sei diese derzeit unzureichend und intransparent
geregelt. Die Richteramtsanwärter würden auf bloßen Vorschlag des jeweiligen
Gerichtshofpräsidenten vom Justizminister ausgewählt; eine Rücksprache mit den
Personalsenaten sei nicht vorgeschrieben; die Entscheidung des Justizministers
sei auch nicht begründungspflichtig. Für die Zukunft gelte es, dieses Verfahren
zu versachlichen und transparenter zu gestalten. Abschließend sei festzuhalten,
dass die Rolle der Gerichtsbarkeit, die derzeit in einem sehr starken
Abhängigkeitsverhältnis von der Exekutive stehe, gestärkt und als dritte
gleichberechtigte Gewalt im Staate etabliert werden müsse; diese gestärkte
Rolle müsse in der (neuen) Verfassung auch entsprechend deutlich zum Ausdruck
gebracht werden.
Tagesordnungspunkt 5: Weitere Termine? – Allfälliges
Der
Ausschussvorsitzende dankt abschließend allen Experten und allen Teilnehmern an
der heutigen Ausschusssitzung für ihr Kommen und für ihre rege Mitarbeit und
teilt mit, dass die nächsten Sitzungen am 22.1.2004, 09.30 Uhr bis 15.30 Uhr
(Sitzung der „kleinen Arbeitsgruppe“ im Parlament), und am 26.1.2004, ca. 16.00
Uhr (Ende des Plenums) bis 19.00 Uhr (Ausschusssitzung ebenfalls im Parlament),
stattfinden werden. Vorgesehen sind weiters Sitzungen am 28.1.2004, ab 16.00
Uhr im VwGH (zur Abhaltung weiterer Hearings), sowie am 12.2.2004 und am
13.2.2004, jeweils von 10.30 Uhr bis 17.00 Uhr.
Vorsitzender des
Ausschusses 9: Fachliche
Ausschussunterstützung:
Univ.-Prof. Dr. Herbert Haller e.h. Dr. Gert Schernthanner e.h.