41. Sitzung des Präsidiums des
Österreich-Konvents
13. Dezember 2004, 10.00 Uhr, 1017 Wien–Parlament, Lokal IV, Ende 16.05
Uhr
Protokoll
Teilnehmer:
Dr. Franz Fiedler, Präsident des Rechnungshofes a. D.
Vorsitzender des Präsidiums
Dr. Peter Kostelka, Volksanwalt
Stellvertretender Vorsitzender des Präsidiums
Angela Orthner, Erste Präsidentin des Oberösterreichischen
Landtages
Stellvertretende Vorsitzende des Präsidiums
Dr. Eva Glawischnig, Abgeordnete zum Nationalrat
Mitglied des Präsidiums
Univ.-Prof. Dr. Clemens Jabloner,
Präsident des Verwaltungsgerichtshofes
Vertreter von Dr. Claudia Kahr
Univ.-Prof. Dr. Andreas Khol, Präsident des Nationalrates
Mitglied des Präsidiums
Herbert
Scheibner, Klubobmann
Mitglied
des Präsidiums
Anwesend:
Dr. Edith Goldeband, Geschäftsführerin
des Büros des Österreich-Konvents
Mag. Michael Bauer, beigezogen vom
Vorsitzenden
Dr. Gerald Grabensteiner, beigezogen vom
Vorsitzenden
Mag. Dagmar Hartl, beigezogen vom
Vorsitzenden
Dr. Clemens Mayr, beigezogen vom
Vorsitzenden
Dr. Gert Schernthanner, beigezogen vom
Vorsitzenden
Mag. Jochen Danninger, beigezogen vom
Präsidenten des Nationalrates
Mag. Ronald Faber, beigezogen vom
Stellvertretenden Vorsitzenden
Landtagsdirektor Dr. Helmut Hörtenhuber,
beigezogen von der stellvertretenden Vorsitzenden
Dr. Marlies Meyer, beigezogen von der
Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Eva Glawischnig
Mag. Katharina Peschko-Gruber, beigezogen
von Klubobmann Herbert Scheibner
Mag. Thomas Sperlich, beigezogen von der
Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Eva Glawischnig
Tagesordnung:
1.) Protokolle
der letzten Sitzungen
2.) Rechtsschutz
und Gerichtsbarkeit
Weisungsrecht des BMJ, Richterernennung, Gesetzes- bzw.
Verfassungsbeschwerde, Landesverwaltungsgerichtsbarkeit mit Abschaffung der
Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit, Anfechtungsbefugte bei Verwaltungsgerichten
und VfGH, Staatshaftung, Menschenrechts- und Rechtsschutzbeauftragte, Fragen
des Disziplinarrechts, insb. bei der Justiz
3.) Reform
der Verwaltung
Legalitätsprinzip, einheitliches Dienstrecht, Schul-, Sicherheits- und
Gesundheitsverwaltung, Selbstverwaltung inkl. Universitäten, Regionenmodell,
Statutarstädte
4.) Fortsetzung der Beratungen zu
Grundrechten und Prinzipien (sofern aktuelle Textentwürfe, insb. des
Vorbereitungskomitees, vorliegen)
5.) Gemeindeverfassung
(Art. 115 ff B-VG)
6.) Ergänzender
Bericht des Ausschusses 2 (Legistische Strukturfragen)
7.) Ergänzender Bericht des
Ausschusses 10 (Finanzverfassung)
8.) Allfälliges
Zu 1.) Protokolle der letzten Sitzungen
Die
endgültigen Fassungen der Protokolle der letzten Sitzungen liegen noch nicht
vor.
Zu 2.) Rechtsschutz und Gerichtsbarkeit
Zu 2.1. Weisungsrecht des Bundesministers für Justiz
Zu 2.2. Richterernennung
Zu 2.3. Gesetzes- bzw. Verfassungsbeschwerde
In diesem Punkt besteht – wie schon anlässlich der im
Rahmen der 38. Sitzung des Präsidiums geführten Grundsatzdiskussion – Dissens:
Es wird die Auffassung vertreten, dass die Einführung
der Verfassungsbeschwerde (Textvorschlag Schnizer/Stoisits; ehemals
Urteilsbeschwerde) – insbesondere auch zur Durchsetzbarkeit der sozialen
Grundrechte – notwendig sei, wie etwa das Grundrecht auf Vereinbarkeit von
Beruf und Familie verdeutliche. Nicht zuletzt seien die Erfolgsaussichten von
Grundrechtsbeschwerden äußerst gering und außerdem habe sich die
Grundrechts-beschwerde an den OGH in Strafsachen als uneffektiv erwiesen. Dem
Argument der Verfahrensverzögerungen wird entgegen gehalten, dass diese bei der
Gesetzesbeschwerde in Verbindung mit einem Wiederaufnahmegrund sogar noch
stärker sein können.
Die andere Auffassung präferiert, die Einführung der –
im Ausschuss 9 mehrheitlich gewollten – Gesetzesbeschwerde (Textvorschlag Jabloner/Grabenwarter/Rzeszut;
ehemals Subsidiarantrag), die 99% aller Probleme abdecke, systemkonformer sei
und keine so gravierenden Verfahrensverzögerungen wie die Verfassungsbeschwerde
verursache. Die Gesetzesbeschwerde ließe sich mit entsprechenden Antragsrechten
des Generalprokurators im strafrechtlichen Bereich sowie mit einer ausgebauten
Grundrechtsbeschwerde an den OGH gut kombinieren und sei im Übrigen durchaus
geeignet, die Durchsetzung sozialer Grundrechte zu gewährleisten (insbesondere
wenn man diesen eine entsprechende Drittwirkung einräume).
Zu 2.4. (Landes-)Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz mit
Abschaffung der Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit
Über
den im Ausschuss 9 konsentierten gemeinsamen Textentwurf Grabenwarter/Jabloner
für die Einführung von Verwaltungsgerichten (des Bundes und der Länder) erster
Instanz kann auch im Präsidium Einigung erzielt werden. Konsens besteht auch
darüber, die jetzige, in Art 111 B-VG geregelte Sonderstellung
der Bundeshauptstadt Wien zu belassen und die vielen derzeit bestehenden
Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag und sonstigen weisungsfreien
Behörden grundsätzlich vollständig in die zukünftigen
Verwaltungsgerichte zu integrieren. Das Verwaltungsgericht sollte die zweite
Administrativinstanz ersetzen, sodass in Zukunft grundsätzlich nur mehr eine
Administrativinstanz – außer in gesetzlich gesondert normierten Ausnahmen, wie
etwa im Bereich der Gemeindeselbstverwaltung – bestehen sollte; folglich sollte
die in Art. 132 Abs. 1 Z 1 des Entwurfes Grabenwarter/Jabloner
(insbesondere im Hinblick auf die Berufungsvorentscheidung) enthaltene
Wortfolge „.. nach Erschöpfung des Instanzenzuges ..“ entfallen und im
Zusammenhang mit der Gemeindeselbstverwaltung und unter allfälliger
Heranziehung der Textierung des geltenden Art. 103 Abs. 4 B-VG gesondert
normiert werden. Die relativ genaue Regelung des Rechtszuges von den
Verwaltungs-gerichten zum VwGH sollte ebenso aufrecht belassen werden wie die
derzeitige Textierung des Art. 130 Abs. 3 des gemeinsamen Entwurfes Grabenwarter/Jabloner
über die Art der Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte (Reformatorik –
Kassatorik), zumal sich darin der nach jahrelangen Diskussionen gefundene verfassungspolitische
Kompromiss manifestiere.
Im
Zusammenhang mit dem erzielten Kompromiss zur Frage der Reformatorik/Kassatorik
wird von einer Seite auch auf die – freilich einfachgesetzliche – Problematik
der Sachverständigenkosten hingewiesen. Insgesamt sollte durch die Einführung
der Verwaltungsgerichte ein mehr an Rechtssicherheit und ein verbesserter
„Zugang zum Recht“ geschaffen werden.
Zu 2.5. Kreis der
Anfechtungsbefugten bei Verwaltungsgerichten und VfGH
Von verschiedener
Seite wird die Ausdehnung des Kreises der Anfechtungsbefugten vor den
Verwaltungsgerichten und dem VfGH auf Amtsparteien (z.B. Umweltanwaltschaften)
und andere Organisationen gefordert. Hinsichtlich der vorgeschlagenen
Ausdehnung in Art. 139 B-VG (Verordnungsprüfung) kann im Präsidium Konsens
über einen neu einzufügenden letzten Satz in Art. 139 Abs. 1 B-VG (im Sinne des
ursprünglichen Vorschlags Schnizer/Stoisits) erzielt werden;
hinsichtlich der vorgeschlagenen Ausdehnungen in Art. 140 B-VG
(Gesetzesprüfung; siehe Textvorschlag Schnizer/Stoisits) und Art. 144
B-VG (Bescheidbeschwerde; siehe heute vorgelegter Textvorschlag analog der
derzeitigen Textierung des Art. 131 Abs. 2 B-VG) kann hingegen kein Konsens
erzielt werden.
Zu 3.) Reform der Verwaltung
Zu
3.1. Legalitätsprinzip
Zur
Frage, ob Art. 18 Abs. 1 B‑VG um den im Bericht des Ausschusses 3
als Variante 1 enthaltenen Textvorschlag, dem zufolge der Gesetzgeber das
Verhalten der Verwaltungs-behörden auch durch Zielvorgaben vorherbestimmen
kann, ergänzt werden soll, wird kein Konsens erzielt. Für die Änderung der
Bestimmung wird ins Treffen geführt, dass dadurch der der Verwaltung
einzuräumende Spielraum klarer definiert wäre. Dem wird entgegen-gehalten, dass
eine Lockerung des Legalitätsprinzips dazu führen würde, dass die näheren
Festlegungen entweder auf Verordnungsebene oder durch die Rechtsprechung zu
erfolgen hätten. Dadurch wäre die Auffindbarkeit des Rechts und die
Vorhersehbarkeit von Verwaltungsentscheidungen für den einzelnen erschwert.
Daher sollte das Legalitätsprinzip als wesentlicher Bestandteil des
demokratischen und des rechtsstaatlichen Prinzips unverändert bestehen bleiben.
Auch
zur Frage, ob die Umsetzung von EU-Richtlinien durch Verordnung ermöglicht
werden soll, wird kein Konsens erzielt.
Zu
3.2. Einheitliches Dienstrecht
Im Präsidium wird die Frage eines
einheitlichen Dienstrechts diskutiert. Es besteht Einigkeit darüber, dass eine
Rückkehr zum dienstrechtlichen Homogenitätsgebot nicht möglich bzw. sinnvoll
erscheint. Eine Grundsatzbestimmung über den öffentlichen Dienst, wie sie der
Ausschusses 6 vorgeschlagen hat, zur Sicherung von Unparteilichkeit,
Gesetzestreue und Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes, wird
befürwortet. Ein darüber hinaus gehender Konsens für weitere verfassungsrechtliche Vorgaben zur Gestaltung des
Dienstrechts, etwa hinsichtlich der Form des Dienstverhältnisses, konnte nicht
erzielt werden.
Zu 3.3. Schul-, Sicherheits- und
Gesundheitsverwaltung
Über die im Ausschuss 6 vorgelegten
Textvorschläge wird im Präsidium kein Konsens erzielt.
Zu 3.4. Selbstverwaltung, inkl.
Universitäten
Im Rahmen der Diskussion über die
Selbstverwaltung bespricht das Präsidium die im ergänzenden Bericht des
Ausschusses 7 enthaltenen Varianten zur verfassungsrechtlichen Verankerung der
nichtterritorialen Selbstverwaltung. Dabei wird vorgeschlagen, in die Variante
2 auch die „Erwerbstätigen in der Landwirtschaft“ aufzunehmen. Es
besteht kein Konsens, sich auf eine Variante zu einigen.
Zu den Universitäten:
Beraten wird zum einen der vom Ausschuss 2 vorgelegte Text-vorschlag, der
eine Kodifikation der bereits geltenden fugitiven Verfassungsbestimmungen
darstellt, sowie zum anderen ein vom stellvertretenden Vorsitzenden vorgelegter
Ergänzungsvorschlag betreffend Fragen der Gebührenfreiheit und der Vertretung
aller Angehörigen der Universität in all ihren Organen. Es wird kein
Konsens über den Textvorschlag des Ausschusses 2 oder die ergänzenden
Vorschläge erzielt.
Zu
3.5. Regionenmodell
Über
das Modell einer Region mit eigenem Statut, das in der Variante 2 des
Ergänzungsberichtes des Ausschusses 3 zu den bundesverfassungsgesetzlichen
Regelungen betreffend die Gemeinden enthalten ist, kann kein Konsens erzielt
werden.
Zu
3.6. Statutarstädte
Im
Zusammenhang mit einer Neuregelung der Statutarstädte werden folgende Aspekte
angesprochen: Überwiegend wird die Einräumung eines Rechtsanspruches auf
Statuterteilung ab einer Einwohnergrenze von 20.000 gefordert, wobei
dem entgegen ge-halten wird, dass ein Anspruch auf Erlassung eines
dahingehenden Landesgesetzes nicht durchsetzbar wäre. Es wurde kein
Einvernehmen erzielt, ob neue Statuterteilungen weiter-hin durch Landesgesetz
oder auf Grundlage eines Landesgesetzes mit Bescheid erfolgen sollten. Beibehalten
werden soll, dass bei der Statuterteilung geprüft werden soll, ob dadurch
Landesinteressen gefährdet werden. Über die Möglichkeit einer
Statuterteilung ab einer Einwohnergrenze von 10.000 wird im Präsidium kein
Konsens erzielt.
Weiters
werden folgende Vorschläge eingebracht: Einem Antrag auf Statuterteilung soll
zwingend eine Volksabstimmung in der betreffenden Gemeinde vorausgehen. Das
Zustimmungsrecht der Bundesregierung soll durch ein bloßes Informationsrecht
ersetzt werden. Ein einmal erteiltes Statut soll nur mehr mit Zustimmung der
betroffenen Stadt entzogen werden können. Das Thema soll im Zusammenhang mit
der Gemeindeverfassung abschließend beraten werden.
Zu 8.) Allfälliges
Um 16.05 Uhr wird
die Sitzung beendet. Die noch nicht behandelten Punkte der Tagesordnung werden
in der folgenden Sitzung am 21. Dezember 2004 beraten.