39. Sitzung des Präsidiums des
Österreich–Konvents
6. Dezember 2004, 10.00 Uhr, 1017 Wien–Parlament, Lokal IV, Ende 16.00
Uhr
Protokoll
Teilnehmer:
Dr. Franz Fiedler, Präsident des Rechnungshofes a.D.
Vorsitzender des Präsidiums
Dr. Peter Kostelka, Volksanwalt
Stellvertretender Vorsitzender des Präsidiums
Angela Orthner, Erste Präsidentin des Oberösterreichischen
Landtages
Stellvertretende Vorsitzende des Präsidiums
Dr. Eva Glawischnig, Abgeordnete zum Nationalrat
Mitglied des Präsidiums
Univ.Prof. Dr. Clemens Jabloner, Präsident des
Verwaltungsgerichtshofes
Vertreter von Dr. Claudia Kahr
Univ.Prof. Dr. Andreas Khol, Präsident des Nationalrates
Mitglied des Präsidiums
Herbert
Scheibner, Klubobmann;
Mitglied
des Präsidiums
Anwesend:
Dr. Edith Goldeband, Geschäftsführerin
des Büros des Österreich–Konvents
Mag. Birgit Caesar, beigezogen vom
Vorsitzenden
Dr. Renate Casetti, beigezogen vom
Vorsitzenden
Dr. Gerald Grabensteiner, beigezogen vom
Vorsitzenden
Mag. Dagmar Hartl, beigezogen vom
Vorsitzenden
Dr. Gert Schernthanner, beigezogen vom
Vorsitzenden
Landtagsdirektor Dr. Helmut Hörtenhuber,
beigezogen von der stellvertretenden Vorsitzenden
Mag. Jochen Danninger, beigezogen vom
Präsidenten des Nationalrates
Dr. Marlies Meyer, beigezogen von der
Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Eva Glawischnig
Mag. Thomas Sperlich, beigezogen von der
Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Eva Glawischnig
Mag. Ronald Faber, beigezogen vom
Stellvertretenden Vorsitzenden
Mag. Katharina Peschko-Gruber, beigezogen
von Klubobmann Herbert Scheibner
Mag. Joachim
Preiss, beigezogen vom Mitglied des Verfassungsgerichtshofes
Tagesordnung:
1.)
Protokolle der letzten Sitzungen
2.)
Fortsetzung der Beratungen zu Grundrechten (sofern
noch nicht behandelt bzw. allenfalls vorliegende Textentwürfe des
Vorbereitungskomitees) und Staatszielen, Prinzipien und Präambel
Umwelt, Frieden, umfassende Sicherheit, Neutralität, Altösterreicher und
Südtiroler, Familie, Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht, ausgeglichener
Haushalt, Höchstgrenze der Besteuerung, Sozialstaat, Rechtsstaat
3.)
Rechtsschutz und Gerichtsbarkeit
Weisungsrecht des BMJ, Richterernennung, Gesetzes- bzw. Verfassungsbeschwerde,
Landesverwaltungsgerichtsbarkeit mit Abschaffung der
Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit, Anfechtungsbefugte bei Verwaltungsgerichten
und VfGH, Staatshaftung, Menschenrechts- und Rechtsschutzbeauftragte, Fragen
des Disziplinarrechts insbes. bei der Justiz
4.)
Textvorschläge zu den bundesverfassungsgesetzlichen
Regelungen betreffend die Gemeinden
5.)
Reform der Verwaltung
Legalitätsprinzip, einheitliches Dienstrecht, Schul-, Sicherheits- und
Gesundheitsverwaltung, Selbstverwaltung inkl. Universitäten, Regionenmodell,
Statutarstädte
6.)
Allfälliges
zu 1.) Protokolle
der letzten Sitzungen
Die
Geschäftsführerin nimmt Anmerkungen zum Protokoll der letzten Sitzung entgegen.
zu 2.) Fortsetzung der
Beratungen zu Grundrechten
(sofern noch nicht behandelt bzw. allenfalls vorliegende Textentwürfe des
Vorbereitungskomitees) und Staatszielen, Prinzipien und Präambel
Umwelt, Frieden, umfassende Sicherheit, Neutralität,
Altösterreicher und Südtiroler, Familie, Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht,
ausgeglichener Haushalt, Höchstgrenze der Besteuerung, Sozialstaat, Rechtsstaat
Das Präsidium
setzt die Beratungen an Hand der Zusammenstellung der Text-vorschläge (Stand
18. November 2004) mit den Punkt 3.2 Gedanken,- Gewissens- und
Religions-freiheit (einschließlich Recht auf Wehrersatzdienst) fort. Die
Ergebnisse der Beratung zu den Grundrechten sind in der beigelegten Synopse
(Stand 6. Dezember 2004) zusammen-gefasst. Zu einzelnen Grundrechten wird das
Vorbereitungskomitee aufgrund der Ergebnisse der Beratungen im Präsidium
Vorschläge erarbeiten.
Im Präsidium
besteht Konsens über Abs. 1 mit Ergänzungsvarianten 1 und 2, Abs. 2 (ohne
„Moral“) und Abs. 6 in der Variante 2. Der Abs. 3 wird in diesem Zusammenhang teilweise
als wesensfremd angesehen (wäre beim Bundesheer zu regeln). Zu Abs. 4, 5 und 7
besteht im Präsidium Dissens, wobei eine Verankerung der Abs 4 und 5
vorstellbar wäre. Zur Ergänzungsvariante 1 des Abs. 1 wird auf den
Bericht des Ausschusses 4 verwiesen, wonach die Gedanken-, Gewissens- und
Religionsfreiheit das Recht beinhaltet, keine religiöse Anschauung zu haben (negative
Religions- und Bekenntnisfreiheit). Dies gilt auch für besondere
Rechtsverhältnisse, die früher als „besondere Gewaltverhältnisse“ bezeichnet
wurden (bspw. Militärdienst, Schulverhältnis). Die Anwesenheit bei
religiösen Feiern kann jedoch, zB aus dienstlichen Gründen angeordnet werden
und bedeutet nicht die „Teilnahme“ an diesen Feiern.
3.3
Aufenthaltsfreiheiten
Die Mitglieder des Präsidiums sind
überwiegend für die Variante 2 Art 1 und 2, teilweise allerdings mit
Vorbehalten gegenüber Art 1 Abs 4 hinsichtlich der räumlichen Beschränkung von
Migranten und gegen Artikel 2 Abs 3 hinsichtlich der Ausdrücke in eckigen
Klammern. Es kann jedoch kein Konsens zu den vom Ausschuss 4
vorgelegten Textvarianten erreicht werden, weil auch die Variante 1 insb in
Bezug auf Opfer von Menschenhandel befürwortet wird.
3.4 Recht auf
Achtung des Privat- und Familienlebens
Über den vom Ausschuss 4 vorgelegten konsentierten
Textvorschlag besteht auch im Präsidium Konsens, jedoch ohne den in eckigen
Klammern gestellten Zusatz „und Moral“.
3.5
Schutz des Hausrechts
3.6
Schutz der Vertraulichkeit privater Kommunikation
3.7.
Grundrecht auf Datenschutz
Über die vom
Ausschuss 4 vorgelegten konsentierten Textvorschläge besteht auch im Präsidium
Konsens. Die Verweisungen auf Art 8 Abs 2 der EMRK sind jedoch prinzipiell zu
vermeiden, vgl unter 3.6 Schutz der Vertraulichkeit privater Kommunikation und
Punkt 3.7. Grundrecht auf Datenschutz. Daher wird das Vorbereitungskomitee mit
der Erarbeitung eines legistischen Lösungsvorschlages befasst.
3.8 Freiheit auf
Meinungsäußerung, Kommunikationsfreiheit
Über den vom Ausschuss 4 vorgelegten konsentierten
Textvorschlag besteht auch im Präsidium Konsens, jedoch ohne den in eckigen
Klammern gestellten Zusatz „und Moral“.
3.9 Rundfunkfreiheit
Über den vom Ausschuss 4 vorgelegten Textvorschlag
besteht im Präsidium auch hinsichtlich der Alternativvariante und des
Ergänzungsvorschlages Abs 2 und 3 Konsens.
3.10 Freiheit der
Wissenschaft
Über den vom Ausschuss 4 vorgelegten konsentierten
Textvorschlag besteht auch im Präsidium Konsens.
3.12 Vereins- und Versammlungsfreiheit,
Koalitionsfreiheit
3.12.1
Vereins- und Versammlungsfreiheit
Über den vom Ausschuss 4 vorgelegten konsentierten
Textvorschlag besteht auch im Präsidium Konsens.
3.12.2
Koalitionsfreiheit
Das Grundrecht wurde bereits in der 37. Sitzung des
Präsidiums behandelt. Es besteht weiterhin keine Einigung, ob die Abs 1 bis 3
oder lediglich der Abs 1 und 3 übernommen werden sollen.
[3.13 Berufsfreiheit und unternehmerische Freiheit wurde bereits
an anderer Stelle behandelt]
3.14 Eigentumsgarantie
Über die vom Ausschuss 4 vorgelegten konsentierten
Textvorschläge besteht auch im Präsidium Konsens.
3.15 Recht auf Ehe und Familie,
Schutz von Ehe und Familie
Über den vom Ausschuss 4 vorgelegten teilweise
(hinsichtlich Abs 3) konsentierten Textvorschlag kann im Präsidium kein Konsens
erzielt werden.
4.
Soziale Rechte
4.1 Recht auf kulturelle Teilhabe
Über die grundrechtliche Verankerung
eines solchen Rechts kann im Präsidium kein Konsens erzielt werden.
5.
Politische Rechte
5.1 Wahlrecht
Dieses Grundrecht wird gemeinsam mit dem vom Büro des
Konvents ausgearbeiteten Textvorschlag zu den allgemeinen Wahlrechtsgrundsätzen
behandelt werden.
5.2
Petitionsrecht
Dem Präsidium liegt hiezu ein Textvorschlag des
Sozialdemokratischen Grundrechtsforums vor, der von Mitgliedern des Präsidiums
unterstützt wird. Andererseits wird die Formulierung „Jede Person hat das
Recht, an öffentliche Einrichtungen Petitionen zu richten“ vorgeschlagen.
5.3
Recht auf gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern
5.4 Rechte öffentlicher
Bedienster - entfällt
aufgrund der in Art 59 bestehenden Regelung.
Verfahrensrechte
Über
den im Ausschuss 4 konsentierten Textvorschlag besteht im Präsidium
Einvernehmen.
Dieses
Thema wurde in der 38. Präsidiumssitzung im Zusammenhang mit den
diesbezüglichen Vorschlägen aus dem Ausschuss 8 (Demokratische Kontrollen)
behandelt. Der Ausschuss 4 hat hiezu keinen Textvorschlag erarbeitet. Es
besteht Konsens, das Auskunkftsrecht aaO bei Artikel 20 zu regeln.
Zu
diesem Thema konnten im Ausschuss 4 zwei Textvarianten erarbeitet, jedoch kein
konsentierter Textvorschlag werden. Im Präsidium besteht Dissens: Es wird
einerseits die Textvariante 1 (Art. 1 bis 3) und andererseits die Textvariante
2 (ebenfalls Art. 1 bis 3) befürwortet. Zu dem in Variante 1 enthaltenen Art. 2
Abs. 3 („In Justizstrafsachen gilt der Anklageprozess.“) wird auch die Meinung
vertreten, dass diese Bestimmung im Kapitel über die ordentliche
Gerichtsbarkeit bzw. über die Justiz besser „aufgehoben“ sei. Zu der in
Art. 1 Abs. 1 der Variante 2 enthaltenen Bestimmung, wonach Urteile „öffentlich verkündet werden
müssen“, wird darauf hingewiesen, dass die mündliche Urteils-verkündung in
Zivilrechtssachen die Ausnahme darstelle. Zum Ergänzungsvorschlag
(erstinstanzliche Verfahren binnen Jahresfrist) wird kein Konsens erzielt.
Das
Präsidium berät die unterschiedlichen Auffassungen zur Frage, ob die
Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) neben einem neuen österreichischen
Grundrechts-katalog, der alle Garantien der EMRK abdeckt, weiterhin in Verfassungsrang
stehen soll.
Zu
diesem Thema hat der Ausschuss 4 zwei Textentwürfe vorgelegt, den des
Sozial-demokratischen Grundrechtsforums (dortiger Art. 52 Abs. 2) und den von
Univ.-Prof. DDr. Grabenwarter(dortiger Art. 20 Abs. 4 – Garantien im
Strafverfahren). Über den letzt-genannten Entwurf kann im Präsidium Konsens
erzielt werden.
Zu
diesem Thema hat der Ausschuss 4 keinen Textvorschlag erarbeitet. Vorgelegt
wurden die Textentwürfe des Sozialdemokratischen Grundrechtsforums (dortiger
Art. 53) und von Univ.-Prof. DDr. Grabenwarter (dortiger Art. 20 Abs. 1 und 2 –
Garantien im Strafverfahren). Über den letztgenannten Entwurf kann im Präsidium
Konsens erzielt werden.
Auch
zu Thema liegen die Textentwürfe des Sozialdemokratischen Grundrechtsforums
(dortiger Art. 54) und von Univ.-Prof. DDr. Grabenwarter (dortiger Art. 20 Abs.
6 – Garantien im Strafverfahren)vor. Über den letztgenannten Entwurf kann im
Präsidium Konsens erzielt werden.
Zu
diesem Thema stehen im Präsidium die Textentwürfe des Sozialdemokratischen
Grundrechtsforums (dortige Art. 55, 57 und 57a) und von Univ.-Prof. DDr.
Grabenwarter (dortiger Art. 20 Abs. 5 – Garantien im Strafverfahren) in
Beratung.
Der
erstgenannte Textvorschlag (insbesondere Art. 57 über die Haftung des
Gesetzgebers) ist einem Teil zu weitgehend; der zweitgenannte Vorschlag
wiederum reicht anderen zu wenig weit, zumal er sich nur auf die Strafhaft,
jedoch nicht auch auf andere – vom geltenden strafrechtlichen
Entschädigungsgesetz erfasste Haftarten – beziehe (Verwahrungs-, Untersuchungs-
und Auslieferungshaft). Das Thema wird im Vorbereitungskomitee noch behandelt.
Zu diesem Thema liegen vier Textvarianten vor: des
Sozialdemokratischen Grundrechts-forums (dortige Art. 56 und 58), von
Univ.-Prof. DDr. Grabenwarter (dortiger Art. 22 – Allgemeine Bestimmungen), von
Prof. Ing. Mader/Univ.-Prof. Dr. Rack (dortiger Art. 11 – Rechtsschutz)
und von Mag. Stoisits (Grüner Parlamentsklub; dortiger Art. 12 [Abs. 1, 2 und
4]). In der Diskussion kann über keine der genannten Varianten Konsens erzielt
werden. Von einer Seite wird die in Art. 58 des Sozialdemokratischen
Grundrechtsforums verankerte Verbandsklagebefugnis abgelehnt. Auch bezüglich
der Verfassungsbeschwerde (ehemals „Urteilsbeschwerde“) besteht Dissens;
diesbezüglich werden die Beratungen noch fortzusetzen sein..
Über den vom Ausschuss 4 überwiegend vertretenen Textvorschlag zum Thema „Rechtsschutz“, wonach die „die Grundrechte bzw. die grundrechtlichen Gewährleistungen die Staatsgewalten, insbesondere auch die Gerichtsbarkeit“, binden sollten, wird überwiegende Zustimmung, aber kein Konsens erzielt.
Dem vom Ausschuss 4 zum Thema „Auslegung von Grundrechten“
(ohne Konsens) erstatteten Textvorschlag, wonach die in dieser Verfassung
gewährleisteten Rechte so zu interpretieren seien, „dass sie mit
völkerrechtlichen Verpflichtungen und Gewährleistungen grundrechtlichen
Inhaltes vereinbar sind“, wird im Präsidium überwiegend zugestimmt, aber
kein Konsens erzielt.
zu 6.) Allfälliges
Die Mitglieder des Präsidiums erörtern
Fragen hinsichtlich der Erstellung des Endberichts gemäß § 37 der
Geschäftsordnung. Der Vorsitzende verweist auf den Auftrag des Gründungskomitees
und hält daher an der Vorlage eines Textentwurfs für eine neue Verfassung fest.
Der Endbericht soll auch ein allgemeinen Teil erhalten, der in der nächsten
Sitzung vorgelegt werden kann. Im Hinblick auf die dem Präsidium vorliegenden
Über-legungen zum Endbericht vom 23. November 2004 kann nach Rücksprache mit
den Ausschussbetreuern ein weiterer „narrativer“ Teil (ca. 15 Seiten pro
Ausschuss) erstellt werden, der die wesentlichen Ergebnisse der
Ausschussberatungen und die Meinungslage im Präsidium zusammengefasst.
Hiefür könnten auch die bereits erstellten Konsens-Dissens-Papiere herangezogen
werden.
In der Diskussion wird das Anliegen
vorgebracht, dass die Ergebnisse des Konvents auf der Grundlage der Protokolle
und Ausschussberichte klar nachvollziehbar dokumentiert sein müssen.
Im Hinblick auf die verspätete Vorlage
des ergänzenden Berichte der Ausschüsse 2 und 10 wird vereinbart, die für den
21. Dezember 2004 vorgesehene Sitzung des Konvents in den Jänner zu verlegen
und den 21. Dezember für eine Sitzung des Präsidiums in Anspruch zu nehmen. Die
Befassung des Plenums mit dem Endbericht soll Ende Jänner 2005 erfolgen.
Die diesbezüglichen Beratungen werden am
7. Dezember fortgesetzt. Darüber hinaus sollen die Themen Staatsziele,
Grundprinzipien und Präambel sowie Rechtsschutz (Ausschuss 9) beraten werden.
Um 16.00 Uhr wird
die Sitzung beendet.
Beilage:
Präsidiumsklausur am 6. Dezember 2004 -
Ergebnisse der Beratungen zu den Grundrechten (Ausschuss 4) idF vom 17. Februar
2005