22. Sitzung des Präsidiums des Österreich–Konvents

28. Mai 2004, 9.30 Uhr, 1017 WienParlament, Lokal IV, Ende 16.00 Uhr

Protokoll

Teilnehmer:

Dr. Franz Fiedler, Präsident des Rechnungshofes

Vorsitzender des Präsidiums

 

Dr. Peter Kostelka, Volksanwalt

Stellvertretender Vorsitzender des Präsidiums

 

Angela Orthner, Erste Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages

Stellvertretende Vorsitzende des Präsidiums

 

Univ.-Prof. Dr. Andreas Khol, Präsident des Nationalrates

Mitglied des Präsidiums

 

Dr. Dieter Böhmdorfer, Bundesminister für Justiz

Mitglied des Präsidiums

 

Dr. Eva Glawischnig, Abgeordnete zum Nationalrat

Mitglied des Präsidiums

Dr. Claudia Kahr, Mitglied des Verfassungsgerichtshofes

Mitglied des Präsidiums

Anwesend:

Dr. Edith Goldeband, Geschäftsführerin des Büros des ÖsterreichKonvents

Dr. Gert Schernthanner, beigezogen vom Vorsitzenden

Dr. Claudia Kroneder–Partisch, beigezogen vom Vorsitzenden

Dr. Clemens Mayr, beigezogen vom Vorsitzenden

Mag. Jochen Danninger, beigezogen vom Präsidenten des Nationalrates

Dr. Marlies Meyer, beigezogen von der Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Eva Glawischnig

Mag. Thomas Sperlich, beigezogen von der Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Eva Glawischnig

Mag. Ronald Faber, beigezogen vom stellvertretenden Vorsitzenden

Mag. Michael Schön, beigezogen von Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer

Mag. Rüdiger Schender, beigezogen von Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer

Landtagsdirektor Dr. Helmut Hörtenhuber, beigezogen von der stellvertretenden Vorsitzenden


Tagesordnung:

1.)     Intensivberatung des Berichtes des Ausschusses  9 (Rechtsschutz, Gerichtsbarkeit)

2.)           Intensivberatung des Berichtes des Ausschusses  5 (Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden) mit Bundesrat und Art 98 B–VG

3.)     Allfälliges

Das Präsidium bespricht eingangs die weitere Vorgangsweise  und kommt überein, alle Ausschüsse zu ersuchen, die Vorgaben des Gründungskomitees betreffend Bürgernähe,  Partizipation und Transparenz sowie einer kostengünstigen Erfüllung der Staatsaufgaben im Zuge der weiteren Beratungen besonders zu berücksichtigen. 

Die Ausschüsse haben auch zahlreiche Vorschläge entwickelt, die an den einfachen Gesetzgeber zu richten wären. Anlässlich der Ergänzung der Mandate werden die Ausschüsse daher ersucht, aufbauend auf den vorliegenden Ergebnissen der Ausschüsse die weiteren Beratungen auf die Ausarbeitung von Texten für die Verfassung zu konzentrieren,  und im Sinn einer Straffung des Verfassungstextes die Vorschläge, die für den einfachen Gesetzgeber gedacht sind, in Erläuterungen zu den Textvorschlägen aufzunehmen. In diesem Zusammenhang wird neuerlich die Beiziehung von Experten bzw. Expertinnen erwogen.

zu 1.) Intensivberatung des Berichtes des Ausschusses  9 (Rechtsschutz, Gerichtsbarkeit)

Das Präsidium geht an Hand der von Dr. Gert Schernthanner erstellten Zusammenfassung der Ergebnisse der Vorberatungen des eingesetzten Komitees und der hiezu erstatteten Vorschläge der Präsidiumsmitglieder vor.

Zu Punkt I.1 Einrichtung eines Rates der Gerichtsbarkeit und Ausarbeitung eines Rechtsvergleichs über die Einrichtung eines Justizrates wird das Präsidium den Ausschuss 9 ersuchen, einen Rechtsvergleich über die Organisation der Spitzen der Justizverwaltung (Justizminister, Rat der Gerichtsbarkeit, Justizrat, Kollegialorgan zur Führung von Agenden der Justizverwaltung) der 25 Mitgliedstaaten der EU, insb. solcher mit einer mit Österreich vergleichbaren Rechtstradition unter Berücksichtigung von Leistungsanreizen und externen Leistungskontrollen der richterlichen Tätigkeit und der Effizienz nach Maßgabe der verfügbaren Daten anzustellen.

Zu Punkt II.1. Beibehaltung des Art 92 (OGH als oberste Instanz in Zivil- und Strafsachen), des Art 83 Abs 1 B–VG (Die Verfassung und die Zuständigkeit der Gerichte wird durch Bundesgesetz festgestellt) besteht im Präsidium Einvernehmen. Zu Art 88 und 88a B–VG (Prinzip der Unversetzbarkeit; Begrenzung der Zahl der „Sprengelrichter“ mit 2%) soll der Ausschuss 9 prüfen, ob eine Flexibilisierung des Richtereinsatzes – unter Berücksichtigung des VfGH-Erkenntnisses VfSlg 8.523/1979 – möglich ist und hiezu einen Textentwurf ausarbeiten.

Das Präsidium spricht sich inhaltlich für die Beibehaltung der aufgrund des § 28 ÜG 1920 geltenden Bestimmungen über die Zuständigkeit und Zusammensetzung der Zivil– und Strafgerichte aus; der Ausschuss 9 soll jedoch einen Textvorschlag für die Integration des § 28 ÜG 1920 in den Art 91 B-VG vorlegen.

Das Präsidium sieht zu Punkt II.2. kein Erfordernis für die Regelung der Gerichtsorganisation auf verfassungsrechtlicher Ebene. In die Erläuterungen des Endberichtes des Ausschusses wären jedoch entsprechende Hinweise  für den einfachen Gesetzgeber aufzunehmen. Da über die vom Ausschuss 9 vorgeschlagene Neustrukturierung der Gerichtsorganisation (dreistufiger Aufbau, Schaffung von einheitlichen Eingangsgerichten) prinzipiell Einvernehmen besteht, wären ohne neuerliche Beratung die entsprechenden Erläuterungen in den Ausschussbericht aufzunehmen.

Die unter Punkt II. 3. angesprochene verfassungsrechtliche Verankerung einer Bestands- und Funktionsgarantie zugunsten der Staatsanwaltschaften befürwortet das Präsidium. Die diesbezüglichen Textvorschläge des Ausschussberichts müssen jedoch noch im Detail beraten werden.

Das Präsidium diskutiert die zu Punkt I.3 angeführten Modelle: Weisungsrechte des Bundesministers, parlamentarische Kontrolle, Generalprokurator als Weisungsspitze, Übertragung der Subsidiaranklage an den Generalprokurator, Bundesstaatsanwaltschaft, Fragen des Weisungsrechts gegenüber den Staatsanwaltschaften und die Einsehbarkeit schriftlicher Weisungen  im Gerichtsakt, als Möglichkeiten, die das Vertrauen der Bevölkerung in das Rechtssystem weiter stärken können, und ersucht den Ausschuss 9, zwei Modelle, die auch miteinander kombiniert werden können, näher auszuarbeiten:

– für die Kontrolle durch einen parlamentarischen Ausschuss und

– für eine Bundesstaatsanwaltschaft (inkl. der Frage der Einrichtung als oberstes Organ mit staatsrechtlicher Verantwortung)

Zu der unter I.3.9 angesprochenen Einsehbarkeit von schriftlichen Weisungen als Bestandteil des Gerichtsaktes wären vom Ausschuss 9 die Vorteile und Nachteile einer solchen vom einfachen Gesetzgeber zu treffenden Regelung darzustellen und eine Aussage über einen zweckmäßigen Zeitpunkt für eine solche Offenlegung zu treffen.

Nach einhelliger Auffassung im Präsidium soll die Laiengerichtsbarkeit beibehalten werden; dieser Konsens wird auch durch eine aktuelle Meinungsumfrage, die  im Auftrag des  Bundesministeriums für Justiz erstellt wurde, untermauert. Der Ausschuss soll die verfassungsrechtliche Trennung zwischen Schöffen und Geschworenen überdenken und hiezu allenfalls generalisierend Textvorschläge zur Integration des Art 91 B-VG und des

§ 28 ÜG 1920 ausarbeiten.

Zum Punkt II.4. Entfall der Mitkompetenz der Landesregierungen bei Sprengeländerungen der Gerichte – Aufhebung des § 8 Abs 5 lit. d) ÜG 1920 besteht Konsens. Das Präsidium trägt dem Ausschuss 9 jedoch auf, Vorschläge für alternative Formen der Mitwirkung bzw. Mitsprache der Bundesländer bei der Gerichtsorganisation – z.B. im Wege des Bundesrates – (Organisation der dritten Staatsgewalt) mit Textentwürfen auszuarbeiten.

Der Ausschuss 9 soll ferner prüfen, inwieweit der Abschnitt B. des III. Hauptstückes des B–VG, somit die bestehenden Artikel 82 bis 94 B–VG gestrafft werden können, ohne die Rechtssubstanz zu beeinträchtigen.  In diesem Zusammenhang möge der Ausschuss 9 auch die „Zusammenstellung von in Geltung stehenden Regelungen  in bundesverfassungs-gesetzlicher  Form“ (Tabellenteil des Zwischenberichtes des Ausschusses 2), die vom Ausschuss 2 dem Themenbereich des Ausschusses 9 zugeordnet wurden, behandeln .

Das Präsidium diskutiert Punkt III.1.a)f)  Konzentration der Verwaltungsgerichtsbarkeit beim VwGH (Entfall des Art 144 Abs 1, 1. Fall), III.1.b) „Umdrehung“ der Sukzessivbeschwerde (vgl Art 144 Abs 1), III.1.c)a) Einrichtung eines so genannten „Subsidiarantrags“ und III.1.c) b) Einrichtung einer darüber hinausgehenden „Urteilsbeschwerde“ („Verfassungsbeschwerde“) bzw. die Variante „Subsidiarantrag“ über einen Ausspruch der Verfassungsmäßigkeit durch den OGH oder den VwGH und verständigt sich darauf, den Ausschuss 9 sowohl Vorschläge für Verfassungstexte zur

      Einrichtung des Subsidiarantrags unter Einbeziehung der Generalprokuratur als Antragstellerin und unter Beibehaltung des Art 144 Abs 1 B–VG in der bestehenden Form als auch zur

      Einrichtung der Urteilsbeschwerde in vollem Umfang mit ausgeprägten Ablehnungsrechten (Zulässigkeitsbeschränkungen)  gegen  alle letztinstanzlichen gerichtlichen Entscheidungen  unter Entfall des Art 144 Abs 1, 1. Fall B-VG

ausarbeiten zu lassen.

Das Präsidium spricht sich für eine Fortsetzung der in den folgenden Punkten noch nicht abgeschlossenen Ausschussberatungen aus: III.1.c)c) Erweiterung der Vorlagepflicht an den VfGH gemäß Art 89 Abs 2 B–VG auf alle Gerichte (auch jene erster Instanz); Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Grundrechtsbeschwerde an den OGH nach dem Grundrechtsbeschwerdegesetz, III.3. Mitwirkungsrechte der Länder bei Bestellung der Spitzen und der Zusammensetzung, III.4. Bestellung (insb. auch Erweiterung des Kandidatenkreises) – Transparenz – Hearing,  III.4.1. Einführung einer abweichenden Meinung,  „dissenting opinion“.

Zu den Punkten III.3. Mitwirkungsrechte der Länder bei Bestellung der Spitzen und der Zusammensetzung und III.4.1. Einführung der „dissenting opinion“ (jedoch eingeschränkt auf den VfGH) erwartet das Präsidium Textvorschläge.

Das Präsidium geht davon aus, dass die Kosten des VfGH und VwGH auch in Zukunft vom Bund zu tragen sein werden. Daher ist eine Befassung des Ausschusses 10 mit der unter Punkt III.5. aufgeworfenen Frage der Kostentragung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts nicht notwendig.

Nach einer kurzen Unterbrechung setzt das Präsidium seine Beratungen um 13.00 Uhr fort.

Zu Punkt IV.1. Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz herrscht prinzipiell Konsens, der diesbezügliche Textvorschlag von Grabenwarter/Jabloner soll jedoch noch verfeinert werden.

Der unter Punkt IV.1.a) behandelten Zweigliedrigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit  stimmt das Präsidium zu (Konsens).

Im Zuge der Beratungen des Punktes IV.1.b) Einführung des Modells „9+1“ (9 Ver-waltungs­gerichte der Länder  und ein Verwaltungsgericht des Bundes 1. Instanz) sowie die Variante: Modell „9+x“ (mehrere Verwaltungsgerichte des Bundes 1. Instanz) spricht das Präsidium auch Punkt IV.1.j ) Einräumung des Rechts zur Errichtung besonderer Verwaltungsgerichte  an alle Bundesländer und Punkt V. (Sondersenate) an.

Das Präsidium stellt klar, dass die Verwaltungsgerichte der Bundesländer in erster Instanz auch für die mittelbare Bundesverwaltung und das Verwaltungsgericht des Bundes in erster Instanz für die unmittelbare Bundesverwaltung zuständig sein sollen. Ferner legt das Präsidium in diesem Zusammenhang Wert darauf, dass die  Möglichkeiten zur Bildung gemeinsamer Verwaltungsgerichte für mehrere Bundesländer bzw. in Verbindung mit Ausschuss 3 zur Bildung gemeinsamer  Einrichtungen  von Bund und Ländern geprüft werden.

Im Hinblick auf den breiten Konsens im Präsidium zur Einführung der Verwaltungs-gerichtsbarkeit erster Instanz sollen die Ausschussberatungen fortgesetzt und – soweit nicht ohnedies bereits vorhanden ­– Entwürfe für Verfassungstexte und Erläuterungen für den einfachen Gesetzgeber ausgearbeitet werden.

Für die Einrichtung des VwGH als reines Revisionsgericht  und die Einführung des Zulässigkeitsmodells besteht Konsens (Punkt IV.1.c). Der Ausschuss soll anlässlich der Erstellung der Textentwürfe jedoch nach dem Vorbild des Art. 92 B–VG in Verbindung mit den Bestimmungen der ZPO für den OGH die Möglichkeit zur „Abschlankung“ auf verfassungsrechtlicher Ebene prüfen.

Das Präsidium befürwortet zu Punkt IV.1.f)a) ein bundesweit einheitliches Verfahrensrecht für alle Verwaltungsgerichte der Bundesländer und des Bundes und ersucht den Ausschuss 9, soweit noch erforderlich, hiezu Vorschläge für Verfassungstexte auszuarbeiten.

Punkt IV.1.f)b) kommt das Präsidium überein, dass die Zuweisung der Materien an die Verwaltungsgerichte erster Instanz durch den jeweiligen (Materien-) Gesetzgeber erfolgen soll, wobei jedoch die Ergebnisse der Beratungen des Ausschusses 5 zu berücksichtigen sein werden.

Das Präsidium spricht sich unter Punkt IV.1.f)c) für die Erweiterung des Katalogs der Anfechtungsgegenstände  unter Berücksichtigung neuer Formen (z.B. Verwaltungsvertrag) aus.

Ferner besteht grundsätzlich Konsens zu Punkt IV.1.g) bzw. für die Integration der derzeit bestehenden Unabhängigen Verwaltungssenate und des Unabhängigen Bundesasylsenats in die zukünftigen Verwaltungsgerichte der Bundesländer und des Bundes erster Instanz.

Sodann befasst sich das Präsidium mit den unter Punkt IV.1.g) f) zusammengefassten Themen der Richterernennung bei Verwaltungsgerichten  und hält hiezu generell fest, dass in den weiteren Beratungen des Ausschusses 9 ein Gesamtpaket auszuarbeiten und zu klären sein wird, welche Regelungen  durch den einfachen Gesetzgeber und daher in den Erläuterungen zu den Verfassungstexten zu treffen wären. In diesem Sinn ist zu Punkt IV.1.g)a)  grundsätzliche Übernahme der bisherigen UVS–Mitglieder  mit Ausnahmen und Rechtsschutz bei Nichtübernahme,  zu dem prinzipiell Konsens besteht, darzulegen,  welche Regelungen  auf Verfassungsebene hiezu erforderlich sind.

Die Punkte IV.1.g)b) Besetzungsvorschläge mit „relativer“ Bindungswirkung und IV.1.g)c)  Einbindung von VwGH und OGH bei Ernennung wären obsolet, wenn anlässlich der Übernahme ein entsprechender Rechtsschutz (Anfechtung der Entscheidung vor dem VwGH) gewährleistet wird.

Die Punkte IV.1.g)d) Aufnahme von Richtern, IV.1.g)d)a)  fixe Richterquote, IV.1.g)d)b) Richterquote als Sollbestimmung,  IV.1.g)e) Mindestberufszeit als fachliche Voraussetzung der Ernennung, IV.1.g)f) Ausstattung der Verwaltungsgerichte  mit eigenen Sachverständigen (Kostentragung, Rechtsschutz, Befangenheit, ..) sind noch nicht ausdiskutiert. Im Wesentlichen erwartet das Präsidium vom Ausschuss 9 hiezu Hinweise für eine rechtsstaatskonforme Lösung im Sinn des Art 6 MRK durch den einfachen Gesetzgeber.

Im Präsidium besteht Konsens zu Punkt IV.1.h)a) Problem  „Säumnis“:  keine Säumnisbeschwerde nach dem Vorbild des Art 132 B–VG für das zukünftige Verhältnis zwischen Verwaltungsgerichten erster Instanz und VwGH und hält hiezu fest, dass die Säumnisbeschwerde von der Verwaltungsbehörde an das Verwaltungsgericht  beibehalten werden soll. Ferner soll der Ausschuss 9 seine Beratungen zu Punkt IV.1.h)b) Entwicklung alternativer Lösungsmodelle für das Säumnisproblem (Fristsetzungsantrag, Schadenersatz-modell, Ausbau der Amtshaftung, Disziplinarrecht, Leistungsanreize ua) auch für den Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit fortsetzen und den Art 23 B–VG als verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt in Erwägung ziehen. 

Die Beratungen zu Punkt IV.1.h)c) einstweiliger  Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten  soll der Ausschuss 9 ebenso fortführen.

Zu Punkt IV.1.i) bzw. für eine langfristige organisatorische Einbeziehung der Finanzgerichtsbarkeit in die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz und (kurzfristige) Erreichung derselben  rechtsstaatlichen Standards in der Finanzgerichtsbarkeit besteht Konsens, wobei noch zu klären wäre, was unter „langfristig“  zu verstehen ist.

Zu Punkt IV.1.j) bzw. zur Einräumung des Rechts zur Errichtung besonderer Verwaltungsgerichte an alle Bundesländer  aus sachlich gerechtfertigten Gründen und unter Berücksichtigung ökonomischer Gesichtspunkte besteht überwiegend  Konsens.

Das Präsidium befürwortet zu Punkt IV.1.k) grundsätzlich die reformatorische Entscheidungsbefugnis der zukünftigen Verwaltungsgerichte erster Instanz (mit der Möglichkeit zur Kassation und Zurückweisung, inkl. der Berufungsvorentscheidung), wobei geprüft werden sollte, ob Regelungen auf verfassungsgesetzlicher Ebene notwendig sind.

Unter der Voraussetzung, dass Konsens über die Reform der Schulverwaltung erzielt werden kann, befürwortet das Präsidium unter „Exkurs“ die Aufhebung des in Art 81a Abs 4 B–VG verankerten Rechts der Schulbehörde,  gegen eine an sie gerichtete Weisung Beschwerde beim VwGH zu erheben.

Das Präsidium stellt zu Punkt IV.2. Kostentragung klar, dass die Erörterung dieser Fragestellungen den laufenden Verhandlungen  zum Finanzausgleich vorzubehalten ist.

Zu Punkt V: „Sondersenate“ steht zur Diskussion, dass einerseits keine neuen Art 133 Z 4 B–VG Behörden geschaffen , jedoch andererseits – nach Fixierung der Grundlagen über die zukünftige Einführung der (Landes) Verwaltungsgerichtsbarkeit – die bestehenden Kollegial–  und Sonderbehörden „durchforstet“ werden sollten, inwieweit diese in die neu zu schaffenden Landesverwaltungsgerichte bzw. das Bundesverwaltungsgericht erster Instanz eingegliedert werden oder aber weiterhin selbständig bestehen bleiben sollten. Das Präsidium spricht sich für die Integration möglichst vieler bestehender Sonderbehörden aus (sieht jedoch auch Ausnahmen wie z.B. die Disziplinarsenate). Die Arbeiten des Ausschusses 9 wären auf der Grundlage der hiezu eingeholten Stellungnahmen  fortzusetzen. Es sollte über den Vorschlag diskutiert werden, wonach vom Verfassungsgesetzgeber eine Frist gesetzt werden sollte, nach deren Verstreichen die Sonderbehörden grundsätzlich aufgelöst wären (als aufgelöst bzw. in die Verwaltungsgerichte eingegliedert gelten würden) und nur ausnahmsweise und bei besonderem Bedarf, der jedoch von der jeweiligen Träger-Gebietskörperschaft im Einzelfall argumentiert werden müsste, durch Gesetz (Verfassungsgesetz?) aufrecht belassen werden dürften (Vorbild: Gemeinderechtsreform 1962).

Im Hinblick auf die unterschiedlichen Aufgaben und Funktionen der Rechtsschutz-beauftragten bzw. Beiräte (begleitende Kontrolle, nachprüfende Kontrolle, beratende Funktion) ersucht das Präsidium, den Ausschuss 9 zu den Punkten VI.1.a)f ) Notwendigkeit der verfassungsrechtlichen Verankerung der Rechtsschutzbeauftragten, VI.1.a)a)  Bestellung, Ausstattung, Kompetenzen, VI.1.a)b) Verfassungsrechtliche Verankerung bzw. Ermächtigung betreffend die Einrichtung von Organen zur Wahrung der Gesetzmäßigkeit (Umweltanwaltschaft, Tierschutzombudsmann), VI.1.a)b) Verfassungsrechtliche Verankerung bzw. Ermächtigung betreffend die Einrichtung von Organen zur Wahrung der Gesetzmäßigkeit (Umweltanwaltschaft, Tierschutzombudsmann), VI.1.b) Ausbau der Unabhängigkeit und Ausdehnung der Kompetenzen des Menschenrechtsbeirats (Bestellung, Unabhängigkeit, Prüfungskompetenzen, Ausstattung) differenzierte verfassungsrechtliche Aussagen zu treffen und eine Typologie (verfassungsrechtliche Grundprinzipien) zu entwickeln, die über eine bloße Ermächtigung an den einfachen Gesetzgeber hinausgeht.

Das Präsidium ersucht den Ausschuss 9, zu den Punkten VI.2.a) Staatshaftung bei Verletzung von Gemeinschaftsrecht – legislatives Unrecht und VI 2b) – judikatives Unrecht sowie Verletzung von nationalem Verfassungsrecht Textvorschläge unter Einbeziehung der VfGH-Lösung auszuarbeiten.

Im Präsidium besteht Konsens, dass der Ausschuss 9 seine Beratungen zu Punkt VI.2.d) Staatshaftung aufgrund überlanger Verfahrensdauer (Einführung der Staatshaftung bei erstinstanzlicher Verfahrensdauer von über einem Jahr; Erweiterungen der Regresspflicht von Richtern, Rechtsanwälten, Sachverständigen,  Zeugen, etc.) fortsetzt und hiezu, soweit erforderlich, Verfassungstexte (Art 23 B-VG als möglicher verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt) vorschlägt.

Der Fortsetzung der Beratungen zu Punkt VI.3. Erweiterung des Kreises der Beschwerde- und Anfechtungsberechtigten vor den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts in Hinblick auf Verbände, Amts- und Kontrollorgane (Beschwerderecht der Volksanwaltschaft zur „Wahrung des Gesetzes“) im Rahmen des bestehenden Mandats stimmte das Präsidium bereits anlässlich der Präsentation des Berichtes des Ausschusses 9 in der Sitzung am 16. April 2004 zu.

Da die Fragen zu den Punkten VI.4. Erweiterung der Anlassfallwirkung (Art 140 Abs 7 B–VG) und VI.5. Erweiterung des vorläufigen Rechtsschutzes bei VwGH und VfGH für das Präsidium noch nicht ausdiskutiert sind, soll der Ausschuss 9 seine diesbezüglichen Beratungen (einstweiliger Rechtsschutz – einstweilige Verfügung, Regelung auf einfachgesetzlicher Ebene) fortsetzen.

Das Mandat des Ausschusses 9 wäre ferner um die in der Sitzung des Präsidiums am 29. April 2004 vorgemerkten Themen zu ergänzen.

Zu 2.)     Intensivberatung des Berichtes des Ausschusses 5 (Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden) mit Bundesrat und Art 98 B–VG

 

Das Präsidium nimmt Bezug auf die im Konsens erzielten Ergebnisse der Vorberatungen des Ausschusses 5 betreffend die Kompetenzverteilung und die Abgrenzung der Kompetenztatbestände sowie die diesbezüglichen Vorschläge der Mitglieder des Präsidiums und kommt überein, den Ausschuss 5 zu ersuchen,

1.    unverzüglich Texte für abgerundete Kompetenztatbestände zu formulieren,  wobei die Anzahl der Kompetenztatbestände auf etwa ein Drittel (allenfalls auch weniger) reduziert werden und eine nachvollziehbare Zuordnung der bisherigen Kompetenztatbestände zu den neuen Kompetenztatbeständen vorgenommen werden soll sowie möglichst rasch

2.    einen Vorschlag für die Aufteilung der neuen Kompetenztatbestände (Gesetzgebungskompetenzen) auf den Bund und die Bundesländer, unter Zugrundelegung des Zwei-Säulen-Modells und des Drei-Säulen-Modells

zu erarbeiten. Die Punkte 1. und 2. wären nacheinander zu erarbeiten, die Textvorschläge und Erläuterungen zu Punkt 1. erwartet das Präsidium jedoch innerhalb einer Frist von sechs Wochen.

Im Rahmen der weiteren Beratungen soll der Ausschuss 5 ferner die „Zusammenstellung der in Geltung stehenden Regelungen  in bundesverfassungsrechtlicher  Form“, dem Zwischenbericht des Ausschusses 2 vom 11. Mai 2004 (siehe Anhang) entsprechend, berücksichtigen.

Zu 3.)  Allfälliges

Der Vorsitzende des Ausschusses 4 (Grundrechtskatalog)  wird eingeladen,  seinen Bericht über die Ergebnisse der Vorberatungen eines Grundrechtskatalogs am 9. Juni 2004, ab 11.00 Uhr, im Präsidium und am 25. Juni 2004 im Konvent zu präsentieren.