Anwesende:
Ausschussmitglieder
(Vertreter):
Univ.Prof.
Dr. Bernd-Christian Funk (Vorsitzender)
Mag. Dora Diamantopoulos (Vertretung
für Mag. Herbert Haupt)
Prof.
Christine Gleixner
Univ.Prof.
DDr. Christoph Grabenwarter
Mag.
Walter Grosinger (Vertretung
für Dr. Ernst Strasser)
Mag.
Joachim Preiss (Vertretung
für Mag. Herbert Tumpel)
Dr. Johann
Rzeszut
Mag. Terezija
Stoisits
Univ.Prof. Dr.
Rudolf Thienel
Weitere Teilnehmer/Teilnehmerinnen:
Mag. Veronika Mickel (vormittags)/
Alexandra Lucius (nachmittags) (Büro
Univ.Prof. Dr. Andreas Khol)
Hon.Prof. Dr. Raoul Kneucker (beigezogen
von Prof. Christine Gleixner)
Mag. Gerda Marx (beigezogen
von
Univ.Prof. Dr. Bernd-Christian
Funk)
Mag. Stefan Reise (beigezogen
von
Dr.
Dieter Böhmdorfer)
Mag. Georg Rihs (beigezogen
von
Univ.Prof.
Dr. Rudolf Thienel)
Mag. Thomas Sperlich (beigezogen
von Mag. Terezija Stoisits)
Büro des
Österreich-Konvents:
Mag. Birgit Caesar (fachliche
Ausschussunterstützung)
Monika
Siller (Ausschusssekretariat)
Entschuldigt:
Dr.
Dieter Böhmdorfer (stellvertretender
Vorsitzender)
Univ.Prof.
Dr. Michael Holoubek
Prof.
Ing. Helmut Mader
Friedrich
Verzetnitsch
Beginn: 10.00
Uhr
Ende: 17.00
Uhr
Tagesordnungspunkte:
1.) Begrüßung und Feststellung der
Anwesenheit
2.)
Genehmigung des Protokolls der 36. Sitzung
3.) Berichte
4.) Zuweisungen des Ausschusses 2 an
den Ausschuss 4 (Zusammenstellung der in Geltung stehenden Regelungen in
bundesverfassungsgesetzlicher Form; Bundesverfassungsgesetze und
Verfassungsbestimmungen in Bundesgesetzen; Zusammenstellung der in Geltung
stehenden Regelungen in verfassungsrangigen Staatsverträgen,
Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen und Vereinbarungen gemäß Art. 15a
B-VG)
5.)
Dialogklausel
(im Zusammenhang mit der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit)
6.)
Fortsetzung
der Themenbehandlung in merito: Konkrete Vorschläge für einzelne Grundrechte
(„Verfahrensrechte“, allenfalls auch weitere grundrechtliche Gewährleistungen)
7.) Allfälliges
Der Ausschussvorsitzende begrüßt die Mitglieder des
Ausschusses 4 und die weiteren Anwesenden und stellt die Beschlussfähigkeit
fest.
Tagesordnungspunkt 2: Genehmigung des Protokolls
der letzten Sitzung
(8. November 2004)
Das
Protokoll der sechsunddreißigsten Sitzung vom 8. November 2004 wird genehmigt.
Der Ausschussvorsitzende berichtet über neue
Textvorschläge von der Ökumenischen Expertengruppe zu den Themen
„Dialogklausel“ und „Schule und Kirche“ im Zusammenhang mit der Gedanken-,
Gewissens- und Religionsfreiheit bzw. dem Recht auf Bildung (09.11.2004), von
Mag. Stoisits/Grüner Parlamentsklub zum Thema „Asylrecht“ (11.11.2004)
sowie von Dr. Böhmdorfer zum Thema „Recht auf ein faires Verfahren“
(12.11.2004).
Weiters liegt ein Vorschlag des Ausschussvorsitzenden
Univ.Prof. Dr. Funk betreffend die Einbindung von völkerrechtlichen
Quellen grundrechtlichen Inhaltes vor.
Die
Unterlagen wurden bereits an die Ausschussmitglieder versendet.
Tagesordnungspunkt
4: Zuweisungen des Ausschusses 2 an den Ausschuss 4 (Zusammenstellung der in
Geltung stehenden Regelungen in bundesverfassungsgesetzlicher Form;
Bundesverfassungsgesetze und Verfassungsbestimmungen in Bundesgesetzen;
Zusammenstellung der in Geltung stehenden Regelungen in verfassungsrangigen
Staatsverträgen, Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen und Vereinbarungen
gemäß Art. 15a B-VG)
1. Zuweisungen des Ausschusses 2
an den Ausschuss 4 (Zusammenstellung der in Geltung stehenden Regelungen in
verfassungsrangigen Staatsverträgen, Verfassungsbestimmungen in
Staatsverträgen und Vereinbarungen gemäß Art. 15a B-VG)
Beratungen
im Ausschuss:
Der
Ausschuss kommt bezüglich der Zuweisungen des Ausschusses 2 (Legistische
Strukturfragen) betreffend verfassungsrangige Staatsverträge und
Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen (siehe Anlage 1) zu folgender
Auffassung:
1. Die im Ausschuss 4 beratenen
Vorschläge und die Überlegungen des Ausschusses dazu gehen von dem Grundsatz
aus, dass es keinen Rückschritt hinter die bestehende Rechtslage geben soll. Es
wurden daher in den Vorschlägen und bei den Beratungen die in der Aufstellung
des Ausschusses 2 enthaltenen Grundrechtsquellen inhaltlich berücksichtigt und
tendenziell transformiert.
2. Der Ausschuss 4 hat aber nicht
alle grundrechtlichen Gewährleistungen beraten. Es gibt unerledigte
Themenbereiche. Soweit dies der Fall ist, kann die im Grundsätzlichen
angestrebte Kongruenz von bestehenden Garantien und neuen
Verfassungsvorschlägen nicht garantiert werden.
3. Selbst in den beratenen
Themenbereichen hat es im Ausschuss 4 verschiedentlich keinen Konsens bzw.
Konsens über Alternativvorschläge gegeben. Auch hier wäre die Übereinstimmung
der vorgeschlagenen neuen Verfassungstexte mit den inhaltlichen Garantien der
genannten Völkerrechtsquellen im Einzelnen zu prüfen.
4. Ein „grundrechtlicher
Überhang“ besteht jedenfalls im Hinblick auf verfassungsrechtliche
Gewährleistungen der EMRK und ihrer Zusatzprotokolle, soweit diese ihrer
Funktion nach durch eben diese Völkerrechtsquellen garantiert sind. Das
betrifft insbesondere das Grundrecht auf Rechtsschutz vor dem Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte (mitsamt damit verbundenen
Verfahrensgewährleistungen), weiters das Recht auf eine wirksame Beschwerde
(Art. 13 EMRK) und das allgemeine Günstigkeitsprinzip des europäischen
Menschenrechtsschutzes.
5. Der Ausschuss 4 sieht das
Problem des künftigen Schicksals bestehender grundrechtlicher Gewährleistungen
völkerrechtlicher Herkunft im Verfassungsrang, sieht sich jedoch nicht in der
Lage, dazu einen allgemeinen Vorschlag zu erstatten.
6. Gleiches wie unter Punkt 5
gilt sinngemäß für künftige grundrechtliche Gewährleistungen in
völkerrechtlichen Verträgen.
2. Zuweisungen des Ausschusses 2
an den Ausschuss 4 (Zusammenstellung der in Geltung stehenden Regelungen in
bundesverfassungsgesetzlicher Form; Bundesverfassungsgesetze und
Verfassungsbestimmungen in Bundesgesetzen)
Die
Anmerkungen des Ausschusses 4 bezüglich der Zuweisungen des Ausschusses 2
betreffend Bundesverfassungsgesetze und Verfassungsbestimmungen in
Bundesgesetzen wurden in die Zuweisungstabelle eingetragen (siehe Anlage 2
und 3).
Aus
Anlass der Beratungen über die Zuweisungen des Ausschusses 2 ist dem Ausschuss
4 eine Verfassungsbestimmung in § 10 Abs. 2 AKG 1992 aufgefallen, aus der der
Judikatur des VfGH zufolge ein Grundrecht auf Nichtzugehörigkeit zu einer
Arbeiterkammer abgeleitet werden kann.
Der
Ausschuss geht davon aus, dass die Regelung hauptsächlich aus
kompetenzrechtlichen Gründen ergangen ist und der Grundrechtseffekt eine
möglicherweise nicht beabsichtigte Nebenwirkung ist, sodass die Erörterung des
Problems thematisch in den Arbeitsbereich des Ausschusses 7 gehört.
3. Vorschlag des
Ausschussvorsitzenden Univ.Prof. Dr. Funk betreffend die Einbindung von
völkerrechtlichen Quellen grundrechtlichen Inhaltes
Der
diesbezügliche Vorschlag lautet wie folgt:
Vorschlag an den Ausschuss 4 betreffend
Einbindung von völkerrechtlichen Quellen grundrechtlichen Inhaltes
Problem
In einer Reihe von völkerrechtlichen Verträgen sind
grundrechtliche oder grundrechtlich relevante Gewährleistungen enthalten, die
größtenteils nicht als formelles Verfassungsrecht transformiert wurden und/oder
– zumeist wegen Erfüllungsvorbehalten – nicht unmittelbar anwendbar sind (siehe
Anlage 2 zum Protokoll und den Bericht des Ausschusses 2 – Tabellenteil
II). Das Mandat des Ausschusses 4 umfasst den Auftrag zur Ermittlung und
Beratung auch dieser Grundrechtsquellen und ihrer Berücksichtigung in einem
künftigen Grundrechtskatalog.
Perspektiven
Eine Transformation solcher Verträge als unmittelbar
anwendbares formelles Verfassungsrecht erscheint – schon wegen der damit
verbundenen textlichen Inflationswirkung – nicht sinnvoll. Überdies enthalten
solche Verträge auch außergrundrechtliche Einzelbestimmungen. Ebenso wenig
zweckmäßig wäre es, wenn es in einem künftigen Grundrechtskatalog keinen
ausdrücklichen Bezug auf diese für die Dynamik der Grund- und Menschenrechte
wichtigen Quellen gäbe. Die strikten Grenzziehungen, die sich aus der
Verfassungsform einerseits und der unmittelbaren Anwendbarkeit andererseits
ergeben, tragen dazu bei, dass nicht verfassungsförmliche und nicht
unmittelbare Grundrechtsquellen für die Entwicklung der Grund- und
Menschenrechte im innerstaatlichen Bereich zumeist nicht die gebührende
Beachtung finden und bei der juristischen Argumentation nur selten ins Kalkül
gezogen werden, zumal davon ausgegangen wird, dass dergleichen Gewährleistungen
ohnehin durch die innerstaatliche Rechtslage transponiert werden.
Vorschlag
Entsprechend dem verfassungs- und völkerrechtlichen Gebot zu
völkerrechtskonformer Auslegung sollte als Bestandteil des Allgemeinen Teils
eines künftigen Grundrechtskataloges eine Regelung geschaffen werden, die eben
diesen Grundsatz ausdrücklich festhält. Die Regelung gilt auch für künftige
materielle Grundrechtsquellen völkerrechtlicher Herkunft:
Art x. Auslegung der Grundrechte
Die in dieser Verfassung gewährleisteten
Rechte sind so zu interpretieren, dass sie mit völkerrechtlichen
Verpflichtungen und Gewährleistungen grundrechtlichen Inhaltes vereinbar sind.
Begleit- und Folgeprobleme
Offen bleibt die Frage nach dem rechtlichen Schicksal
völkerrechtlicher Verträge im Verfassungsrang – vor allem der EMRK und ihrer
Zusatzprotokolle – bzw. von Verträgen mit einzelnen Verfassungsbestimmungen,
wie sie auch in einigen der nachstehend aufgelisteten Quellen enthalten sind.
Im Prinzip sind sämtliche Gewährleistungen in den Gesamtvorschlägen und in den
darauf beruhenden, vom Ausschuss in Beratung gezogenen bzw. vorgeschlagenen
Texten inhaltlich abgedeckt, sodass die grundrechtlichen Verfassungsbestimmungen
in völkerrechtlichen Verträgen aufgelassen werden könnten. Bei der EMRK und
ihren Zusatzprotokollen ist dieser Weg jedoch – schon aus Gründen der Optik –
fragwürdig.
Beratungen
im Ausschuss:
Im
Ausschuss werden dazu folgende Fragen angesprochen und Überlegungen angestellt:
Kritisch
wird angemerkt, dass eine derartige Interpretationsanweisung im Verhältnis zum
allgemeinen Grundsatz rechtskonformer und völkerrechtskonformer Auslegung eine
Selektivwirkung mit der Folge haben könnte, dass der Topos der
völkerrechtsfreundlichen Rechtsanwendung in unangemessener Weise differenziert
gehandhabt wird. Weiters könnte unter Berufung auf einen derartigen
Auslegungsgrundsatz im Ergebnis die Funktion von Erfüllungsvorbehalten infrage
gestellt sein. Vermerkt wird weiters, dass der Grundsatz der
völkerrechtskonformen Auslegung als solcher außer Zweifel steht, dass aber
durch den spezifischen Bezug auf Gewährleistungen grundrechtlichen Inhaltes
zusätzliche Auslegungsunsicherheit erzeugt werden könnte. Als Beispiele werden
Abkommen staatsbürgerschaftsrechtlichen Inhaltes und Abkommen betreffend die
Handelsordnung, wie z.B. WTO, genannt.
Dazu
wird ausgeführt, dass durch eine Auslegungsanweisung dieses Inhaltes ein
Grundsatz in Erinnerung gerufen wird, der als solcher unbestritten ist, jedoch
von der Praxis weitgehend vernachlässigt wird. Eine Funktionsstörung des
Instituts des Erfüllungsvorbehaltes sei nicht zu befürchten, da mit der
Verpflichtung zur völkerrechtskonformen Auslegung lediglich ein Gesichtspunkt
zur Lösung konkreter Probleme unterstrichen wird.
Im
Ausschuss konnte über diesen Vorschlag kein Konsens erzielt werden.
Tagesordnungspunkt
5: Dialogklausel (im Zusammenhang mit der Gedanken-, Gewissens- und
Religionsfreiheit)
1.
Dialogklausel
Der
Ausschuss legte zum Grundrecht der „Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit“
bereits in seinem Bericht vom 3. Juni 2004 einen umfassenden Textvorschlag vor.
Dabei gab es nur in Teilbereichen Konsens. Keine Übereinstimmung fand u.a. der
vorgeschlagene Absatz 7 (Zusammenarbeit des Staates mit den gesetzlich
anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften).
Der
damalige Textvorschlag des Ausschusses zu Abs. 7 der „Gedanken-,
Gewissens- und Religionsfreiheit (einschließlich Recht auf Wehrersatzdienst)“
lautete wie folgt:
(7) Ergänzungsvorschlag:
Gesetzlich
anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften genießen den Beistand des
Staates. In Anerkennung der Identität und des besonderen gesamtstaatlichen
Beitrags der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften pflegt
der Staat einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit ihnen zu
allen grundsätzlichen Entwicklungen staatlicher Tätigkeit.
Die Ökumenische
Expertengruppe legte als Reaktion auf die Diskussionen zu Abs. 7 des
Textvorschlages, der auf einem Entwurf der Ökumenischen Expertengruppe
beruhte, einen überarbeiteten Textentwurf mit Erläuterungen vor, in welchem die
unbestimmten Begriffe des ursprünglichen Entwurfes („Beistand“, „Dialog“) nach
Voraussetzungen und Inhalt präzisiert werden.
Der neue Textvorschlag der Ökumenischen
Expertengruppe zu
Abs. 7 der „Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (einschließlich Recht
auf Wehrersatzdienst)“ hat folgenden Wortlaut:
(7) Gesetzlich anerkannte Kirchen und
Religionsgesellschaften genießen den Beistand des Staates. Wegen ihres
besonderen Beitrages werden mit ihnen grundsätzliche, ihren Wirkungsbereich
betreffende Entwicklungen durch Gesetzgebung und Vollziehung in regelmäßigen,
offenen und transparenten Beratungsvorgängen erörtert. Näheres bestimmen die
Gesetze.
Motive:
Heute ist das Verhältnis von Staat und Kirchen in Österreich
durch das staatskirchenrechtliche Prinzip “freie Kirchen in einem freien
Staat” gekennzeichnet; dieses Prinzip ist in allen Mitgliedstaaten der EU
akzeptiert. Seine Konsequenz ist es, dass Kirchen und Konfessionen von politischen
Kräften nicht vereinnahmt werden dürfen und dass Kirchen und
Religionsgesellschaften selbst nicht zu politischen Kräften werden. Die
„Trennung von Staat und Kirche” in politischer Dimension erfordert andererseits
aber, dass Kirchen und Religionsgesellschaften als gleichberechtigte Partner in
ihrer Verantwortung für gesamtstaatliche Entwicklungen anerkannt werden. Sie
streben damit gerade nicht politischen Einfluss oder Macht an; denn sie stehen
außerhalb der politischen Prozesse und Taktiken und nehmen ihren eigenen,
spezifischen Auftrag wahr, für eine menschenwürdige Politik und staatliche
Entwicklung im Dienste der Menschen insgesamt zu wirken. Dazu ist ein
regelmäßiger und offener und für alle Teile der Bevölkerung transparenter
Dialog mit Parlament und Regierung zu pflegen, – ähnlich wie im Zuge der
Arbeiten des Österreich-Konvents. Für die Mitarbeit in einem Dialog und
Gesprächsforum bestehen freilich formale und materielle Voraussetzungen: formal
bedarf es der im nationalen Recht vorgesehenen Anerkennung, materiell ist
nachzuweisen, dass diese Kirchen und Religionsgesellschaften die Grundwerte des
Staates, seinen ordre public, anerkennen und glaubwürdig sind durch ihre
bisherigen Beiträge und Leistungen für das Staatsganze.
Beratungen im Ausschuss:
Im
Ausschuss werden dazu folgende Fragen angesprochen und Überlegungen angestellt:
In der
Verfassung der EU finden sich Regelungen zu diesem Thema in Art. 51 (siehe
Synopse C-13) systematisch zwischen den Kapiteln über das demokratische Leben
der Union (Titel VI) und die Finanzen der Union (Titel VII). In Art. 51 der
Verfassung wird zwischen Kirchen, religiösen Vereinigungen und
weltanschaulichen Gemeinschaften unterschieden. Es wird darauf verwiesen, dass
letztere vor allem in England und Frankreich im politischen Leben eine große
Rolle spielen, wie das in unserem Bereich keine Entsprechung hat.
Es wird
weiters darauf verwiesen, dass in Österreich neben den gesetzlich anerkannten
Kirchen und Religionsgesellschaften die religiösen Bekenntnisgemeinschaften
einen besonderen gesetzlichen Status haben. Diese Gemeinschaften seien
hinsichtlich ihres Ursprungs, ihrer Ziele, ihrer Bedeutung und ihrer Strukturen
heterogen.
Dazu
wird angemerkt, dass auch die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften
in Österreich keinesfalls homogen wären.
Es wird
weiters festgehalten, dass der Vorschlag der Ökumenischen Expertengruppe
sowohl im Hinblick auf die dort angesprochenen Institutionen als auch im
Hinblick auf die verschiedenen Garantien (insbesondere Beistandspflicht) vom
Art. 51 der EU-Verfassung abweicht.
Es
stünde dem Staat frei, über die im Vorschlag der Ökumenischen Expertengruppe
genannten Institutionen (gesetzlich anerkannte Kirchen und
Religionsgesellschaften) hinaus auch noch andere Einrichtungen, insbesondere
religiöse Bekenntnisgemeinschaften, in den Dialog einzubeziehen und dies
gegebenenfalls gesetzlich zu regeln. Dem wird entgegengehalten, dass sprachlich
spezifizierte Garantien als Grundlage für Umkehrschlüsse herangezogen werden könnten.
Zur
Frage, ob eine Regelung der vorgeschlagenen Art überhaupt in die Verfassung und
gegebenenfalls in den Grundrechtskatalog aufgenommen werden soll, werden
ebenfalls unterschiedliche Auffassungen vertreten: Zum einen wird auf die
Bedeutung verwiesen, die die gesetzlich anerkannten Kirchen und
Religionsgesellschaften in der Gesellschaft und im öffentlichen Leben haben,
zum anderen wird darauf verwiesen, dass solche Gewährleistungen im Hinblick auf
die Neutralität des Staates in weltanschaulichen und religiösen Fragen
verzichtbar sind.
Der
Ausschuss schließt seine Beratungen über diesen Punkt ab, ohne einen Konsens zu
finden.
2.
Schule und Kirche (Recht
auf Bildung, Synopse D-27)
Weiters
legt die Ökumenische Expertengruppe dem Ausschuss folgenden Textvorschlag
zum Themenkreis „Schule und Kirche“ vor:
(x) An öffentlichen Schulen und Privatschulen mit
Öffentlichkeitsrecht ist für Angehörige gesetzlich anerkannter Kirchen oder
Religionsgesellschaften Religionsunterricht Pflichtgegenstand. Die Erlassung
der Lehrpläne und die Besorgung des Religionsunterrichts obliegt der jeweiligen
gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft. Als Religionslehrer
dürfen nur Personen beschäftigt werden, die von der jeweiligen Kirche oder
Religionsgesellschaft hiezu befähigt und ermächtigt erklärt sind.
Konfessionelle Privatschulen gesetzlich anerkannter Kirchen und
Religionsgesellschaften oder deren Einrichtungen sowie von Vereinen, Stiftungen
oder Fonds erhaltene Schulen, wenn sie vom zuständigen kirchlichen oder
religionsgesellschaftlichen Entscheidungsträger als konfessionelle
Privatschulen anerkannt sind, sind zumindest in der Ausstattung mit aus
öffentlichen Mitteln finanziertem Unterrichtspersonal mit öffentlichen Schulen
gleichzustellen.
Erläuterungen:
Die Religionsfreiheit stellt ein Grundrecht im Rahmen der
Freiheitsrechte der Verfassung dar. In Verbindung mit den Rechten der Eltern
ergibt sich daraus auch die Notwendigkeit, eine entsprechende Möglichkeit für
Bildung und Erziehung der Kinder nach den religiösen Vorstellungen der Eltern
sicherzustellen. Dazu bedarf es einer Absicherung der konfessionellen
Privatschulen einerseits und des Religionsunterrichtes andererseits. Dies
ergibt sich nicht nur als Ausfluss der Religionsfreiheit nach dem in Österreich
allgemein anerkannten Verständnis der Grundrechte, sondern auch aus
internationalen Verträgen und der besonderen Bedeutung und den besonderen
Leistungen, die die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften
im Bereich der Wertevermittlung und in ihren sozialen Tätigkeiten erbringen.
Bei der Formulierung wurde von der derzeit bestehenden Rechtslage, insbesondere
des Religionsunterrichtsgesetzes und des Privatschulgesetzes ausgegangen. Die
verwendeten Begriffe sind daher im Kontext dieser Rechtsnormen zu verstehen.
Darüber hinaus kommt den Kirchen und Religionsgesellschaften eine besondere
Bedeutung in der Vermittlung von Werten und Didaktiken zur Sinnstiftung des
Menschen zu.
Die Selbstbestimmung des Unterrichtes durch Besorgung, Leitung
und Aufsicht über den Religionsunterricht sowie die Auswahl des Lehrpersonals
ist ein unverzichtbarer Teil der kollektiven Religionsfreiheit. Der Begriff
„Besorgung“ umfasst dabei sowohl die inhaltliche Gestaltung, als auch die
Gestaltung der Unterrichtsmaterialien. Die Lehrpläne werden wie bisher von der
jeweiligen Kirche oder Religionsgesellschaft erlassen und vom Bund kundgemacht.
Dadurch wird auch nach außen deutlich, dass der Religionsunterricht eine innere
Angelegenheit der Kirchen und Religionsgesellschaften ist.
Neben einer formalrechtlichen Verfassungsgrundlage bedarf es
auch einer materiellen Absicherung, die sich an der geltenden Rechtslage des
Privatschulgesetzes und des Schulvertrags zwischen dem Heiligen Stuhl und der
Republik Österreich orientiert. Diese Regelung ist für die Republik Österreich
insofern von Vorteil, als sich die öffentlichen Haushalte durch die
konfessionellen Schulerhalter erhebliche Aufwendungen im Bereich der
Schulerhaltung ersparen. Durch die große Zahl an Angeboten der konfessionellen
Schulerhalter wird das Erfordernis an ausschließlich staatlich finanzierten
Bildungsangeboten geringer. Dadurch leisten die anerkannten Kirchen und
Religionsgesellschaften erhebliche jährliche finanzielle Leistungen, welche
sonst im staatlichen Haushalt abgesichert werden müssten.
Beratungen im Ausschuss:
Im
Ausschuss werden dazu folgende Fragen angesprochen und Überlegungen angestellt:
Von
Seiten der Vertreterin der Ökumenischen Expertengruppe, Frau Prof. Gleixner,
wird darauf verwiesen, dass der nunmehrige Vorschlag im Zusammenhang mit der
möglicherweise bevorstehenden Aufhebung der Bindung an 2/3-Mehrheiten für
bestimmte Schulgesetze des Bundes (Art. 14 Abs. 10 und Art. 14a Abs. 8 B-VG)
steht.
Im
Ausschuss wird auf die Bedeutung des Themas für Fragen staatlicher
Ersatzleistungen für Privatschulen, Förderungen von konfessionellen und
nichtkonfessionellen Schulen und eines überkonfessionellen Religionsunterrichts
bzw. auch eines Ethikunterrichts als Alternative verwiesen.
Bezüglich
dieses Themas besteht eine Überschneidung mit den vom Ausschuss 6 (Reform der
Verwaltung) zu beratenden Fragen.
Der
Ausschuss hat das Thema und seine Bedeutung angesprochen und verzichtet auf
weitere Beratungen.
Tagesordnungspunkt
6: Fortsetzung der Themenbehandlung in merito: konkrete Vorschläge für
einzelne Grundrechte („Verfahrensrechte“,
allenfalls auch weitere grundrechtliche Gewährleistungen)
Asylrecht (Synopse
A-04)
Der Ausschuss legte zum „Asylrecht“ bereits in seinem
Bericht vom 3. Juni 2004 zwei Textvarianten vor:
Variante 1:
(1) Verfolgte haben ein Recht auf
Asyl.
(2)Dieses Recht wird nach Maßgabe
des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 und des Protokolls vom 31. Jänner 1967
über die Rechtsstellung der Flüchtlinge gewährleistet.
(3) Niemand darf in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden, in dem ihr oder ihm die ernstliche Gefahr einer Verletzung elementarer Menschenrechte droht.
Variante 2:
Das Recht auf
Asyl wird nach Maßgabe des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 und des
Protokolls vom 31. Jänner 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge
gewährleistet.
Nunmehr liegt ein neuer Textvorschlag
von Mag. Stoisits/Grüner Parlamentsklub (11.11.2004) vor:
Variante
3 zum Asylrecht:
(1) Verfolgte genießen in Österreich Asyl, sofern sie in keinem anderen Staat tatsächlichen Schutz und rechtmäßigen Aufenthalt finden.
(2) Jede Asylwerberin und jeder
Asylwerber hat in Österreich ein Aufenthaltsrecht und Anspruch auf
Grundversorgung.
(3) Niemand darf in einen Staat
zurückgeschoben oder abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat
ausgeliefert werden, der sie oder ihn nicht vor einer ernstlichen Gefahr einer
Verletzung elementarer Menschenrechte schützt.
Erläuterung:
Der Ausschuss 4 des Österreich-Konvents hat in seinem ersten
Bericht vom 3. Juni 2004 zwei Vorschläge zu einem Grundrecht auf Asyl
erstattet. Beide verweisen auf das Genfer Abkommen vom 28. Juli 1951 und das
Protokoll vom 31. Jänner 1967 über die Rechtsstellung von Flüchtlingen (Genfer
Flüchtlingskonvention).
In der Plenarsitzung des Österreich Konvents vom 25. Juni
2004 hat Univ.-Prof. Dr. Ewald Wiederin die Vorschläge des Ausschusses 4 zu
einem Grundrecht auf Asyl kritisiert. Beide vorgeschlagenen Formulierungen
würden darauf abzielen, ein Grundrecht auf Asyl nach Maßgabe der Genfer
Flüchtlingskonvention zu gewährleisten. Die Genfer Flüchtlingskonvention kenne
aber ein Recht auf Asyl nicht. Nehme man die Formulierung ernst, dann bedeutete
sie, dass Flüchtlinge in Österreich kein Recht auf Asyl haben. Das sollte aber
keinesfalls in die Verfassung hineingeschrieben werden. Wenn man sich gegen ein
Grundrecht auf Asyl entscheiden will, dann solle man das Asyl unerwähnt
lassen, statt Rechte zu versprechen, die es nicht geben soll.
In der nun vorgeschlagenen 3. Variante wird in Absatz 1 so
wie in der 1. Variante das Recht auf Asyl verfassungsrechtlich festgeschrieben.
Im Gegensatz zu den beiden bisherigen Vorschlägen wird ausdrücklich nicht auf
die Genfer Flüchtlingskonvention verwiesen, da diese kein Recht auf Asyl
gewährt, sondern bloß eine Begriffsbestimmung des Flüchtlingsbegriff enthält.
Anders als in der bisherigen 1. Variante wird eine
ausdrückliche Drittstaatsklausel vorgeschlagen. Diese ist aber in zweifacher
Hinsicht sehr eng auszulegen. Sie gilt nur, soweit der oder die Verfolgte in
dem Drittstaat tatsächlich Schutz findet und einen legalen Aufenthaltsstatus
erlangt hat oder erlangen wird.
Nach dem nun vorgeschlagenen Abs. 2 hat jede Asylwerberin
und jeder Asylwerber bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens in
Österreich ein Aufenthaltsrecht und Anspruch auf Grundversorgung. Der Anspruch
auf Grundversorgung umfasst im notwendigen Umfang zum Beispiel Unterstützung,
Betreuung, Nahrung, Mittel des täglichen Bedarfes, Unterkunft und medizinische
Versorgung.
In Abs. 3 wird das allgemeine Non-Refoulment-Prinzip
verfassungsrechtlich festgeschrieben. Davon umfasst ist auch ein Verbot der
sogenannten Kettenabschiebungen. Auch wenn eine ernstliche Gefahr einer
Verletzung elementarer Menschenrechte zwar nicht unmittelbar von dem
Drittstaat ausgeht, aber von dort eine weitere Abschiebung in einen Staat
droht, in dem der Schutz vor einer solchen Gefahr nicht sichergestellt ist,
genießt die oder der Verfolgte in Österreich Asyl.
Eine Regelung für den Aufenthalt von Menschen, die keinen
legalen Aufenthaltsstatus in Österreich haben, aber keine Möglichkeit auf
Rückkehr in das Heimatland besteht, wird in einer neuen Verfassung vorzusehen
sein. Diese wird vom Ausschuss 4 aber im Zusammenhang mit der
Aufenthaltsfreiheit beraten.
Beratungen im
Ausschuss:
Im
Ausschuss werden dazu folgende Fragen angesprochen und Überlegungen angestellt:
Von Frau Mag. Stoisits wird
darauf verwiesen, dass der im Vorschlag ausdrücklich vorgesehene Anspruch auf
Grundversorgung sicherstellen soll, dass diese Leistung unabhängig von einem
allgemeinen Menschenrecht auf existenzielle Mindestversorgung gesichert ist.
Mit dem Schutz vor Aufenthaltsbeendigung in Abs. 3 (Non-Refoulment) soll die
„Kettenbindung“ dieser Gewährleistung über das hinausgehend, was dazu im
Zusammenhang mit der Aufenthaltsfreiheit in der 36. Ausschusssitzung beraten
wurde, sprachlich unterstrichen werden.
Der
Ausschuss hat das Thema und seine Bedeutung angesprochen und verzichtet auf
weitere Beratungen.
Der Ausschuss setzt seine Beratungen
zu den Verfahrensrechten mit dem Thema „Recht auf ein faires Verfahren“ fort:
Recht auf ein
faires Verfahren (Synopse F-42)
Hiezu liegen folgende Textvorschläge
vor:
1. Textvorschlag des Sozialdemokratischen
Grundrechtsforums:
Artikel 50
(1) Jede Person hat vor jeder
Behörde Anspruch auf faire Behandlung sowie auf Beurteilung ihres Falles
innerhalb angemessener Frist.
(2) Parteien haben Anspruch auf
rechtliches Gehör.
(3) Jeder festgenommene Mensch hat
das Recht auf anwaltliche Vertretung.
(4) Jeder angeklagten Person sind
die Verteidigungsrechte gewährleistet.
(5) Jede Person, die nicht über
die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf Verfahrenshilfe, sofern
ihr Begehren nicht von vornherein aussichtslos erscheint. Dies schließt
unentgeltlichen Rechtsbeistand vor Gericht mit ein.
Artikel 51
(1) In Zivil- und Strafsachen hat
jede Person Anspruch auf Beurteilung ihrer Sache durch ein Gericht.
(2) Verhandlung und
Urteilsverkündung sind öffentlich. Das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
(3) In Justizstrafsachen gilt der Anklageprozess.
(1) Jede Person gilt bis zu ihrer rechtskräftigen
Verurteilung als unschuldig.
2. Textvorschlag von
Univ.Prof. DDr. Grabenwarter:
(1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und in angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen, oder – soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält – wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
(2) In Justizstrafverfahren gilt
der Anklageprozess. Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum
gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.
(3) Jede angeklagte Person hat insbesondere die
folgenden Rechte:
a) innerhalb möglichst kurzer Frist
in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund
der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b) ausreichende Zeit und Gelegenheit
zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zur Verfügung zu haben;
c) sich selbst zu verteidigen, sich
durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die
Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu
erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d) Fragen an Belastungszeugen zu stellen
oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen
unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e) unentgeltliche Unterstützung
durch einen Dolmetschers zu verlangen, wenn sie die Verhandlungssprache des
Gerichts nicht versteht oder nicht spricht.
(3) Das verhängte
Strafmaß darf gegenüber der Straftat nicht unverhältnismäßig sein.
Artikel
22 Abs. 4 (Allgemeine Bestimmungen)
(4) Wer durch den Staat in Grundrechten verletzt wird, hat
Anspruch auf einen wirksamen Rechtsbehelf.
3. Nunmehr liegt ein neuer Ergänzungsvorschlag
von Dr. Böhmdorfer vor (12.11.2004):
Der Staat hat
sicherzustellen, dass zivilrechtliche Verfahren vor Behörden in erster Instanz
binnen Jahresfrist abgeschlossen werden. Bei längerer Dauer trifft die Republik
Österreich zur Abwehr von Amtshaftungsansprüchen die Beweislast.
Begründung:
Die Bedeutung schneller Verfahren wird sowohl im privaten
als auch im wirtschaftlichen Bereich unterschätzt. Der Kreditschutzverband 1870
hat errechnet, dass durch Verkürzung der Verfahren auf ein Jahr die
Vermögensvernichtung durch Konkursverschleppung (als Ergebnis der Verfahrensverzögerung)
erheblich eingeschränkt wurde. Die erzielte Ersparnis beziffert der
Kreditschutzverband mit in etwa 1 Mrd. (in Worten: 1 Milliarde) Euro. Das
Ergebnis der Verfahrensverkürzung in anderen Bereichen (Abgabenbereich,
Bauwesen, etc.) ist dabei gar nicht kalkuliert.
Man kann sagen, dass die Verkürzung von Verfahren einen
Quantensprung in Rechtssicherheit und rechtsstaatlicher Autorität eines
Staates und auch bislang unterschätzte große wirtschaftliche Effekte bringt.
Was würde die Verfahrensverkürzung im Justizbereich kosten?
Das Justizministerium verfügt über eine außergewöhnliche
exakte Leistungskennzahlenerfassung. Die Berechnungen des Mehraufwandes für
die Verfahrensverkürzung auf ein Jahr haben ergeben, dass der Mehraufwand an
Personal im BMJ in etwa 10 bis 15 Mio. (in Worten: Millionen) Euro ausmachen
würde.
Also: Einer Personalinvestition von 10 bis 15 Mio. (in
Worten: Millionen) Euro stünde ein volkswirtschaftlicher Effekt von jedenfalls
mehr als 1. Mrd. (in Worten: Milliarden) Euro gegenüber.
Der Investitionsaufwand ist auf jeden Fall vertretbar. Er
wird allerdings von der Republik nur dann gemacht werden, wenn eine gesetzliche
Verpflichtung – ein konkreter Amtshaftungstatbestand auf Verfassungsebene –
geschaffen würde. Diese Regelung wäre für die Republik zumutbar, da sie im
Einzelfall den Beweis dafür antreten kann, dass die Einhaltung binnen
Jahresfrist nicht möglich war.
Als Folge dieser Organisationsmaßnahme
könnte sich Österreich international als Schiedsgerichtsstand profilieren und
sehr hohe Einnahmen an Schiedsgerichtsgebühren lukrieren, die voraussichtlich à
la longue die Investition zumindest wettmachen.
Beratungen im
Ausschuss:
Im
Ausschuss werden dazu folgende Fragen angesprochen und Überlegungen angestellt:
Die Grundtendenz des Vorschlages wird einhellig positiv
aufgenommen und begrüßt.
Im Einzelnen wird darauf verwiesen, dass der Begriff
„zivilrechtliche Verfahren vor Behörden erster Instanz“ sowohl zivilrechtliche
Verfahren in streitigen und außerstreitigen Verfahren bei Gerichten als auch
Verwaltungsverfahren in Zivilrechtssachen, z.B. in Vergabesachen, umfasst. In
Bezug auf Verwaltungsverfahren könnte der Vorschlag eine Verlängerung gegenüber
bestehenden Fristgarantien bedeuten, die schon jetzt in Verwaltungsverfahren
generell sechs Monate und in einzelnen Fällen sogar kürzere Zeiträume umfassen.
Als offen wird die Frage der amtshaftungsrechtlichen Folgen
bezeichnet. Der Vorschlag könnte in Richtung eines verschuldensunabhängigen
Anspruches verstanden werden, der dem bestehenden System des
verfassungsrechtlichen Staatshaftungsrechts in Österreich nicht entspräche.
Hinsichtlich der Frage einer festen Frist bestehen
unterschiedliche Auffassungen. Einerseits wird darauf verwiesen, dass durch
eine solche Fristsetzung die Qualität von Verfahren verbessert werden könnte,
andererseits wird geltend gemacht, dass zur Vermeidung der Folgen von Starrheit
Abwägungskriterien im Sinne eines beweglichen Systems vorzusehen wären, die auf
die speziellen Umstände des einzelnen Verfahrens Rücksicht nehmen. Eine solche
Escape-Klausel sei bei einer festen Fristsetzung auch im Hinblick auf die
Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erforderlich.
Angemerkt wird auch, dass ein verfassungsrechtlicher Befristungsauftrag
an die Adresse des einfachen Gesetzgebers gerichtet werden könnte, und die
genaue Fristenbestimmung diesem überlassen bliebe.
Allgemein wird gegen verfassungsrechtliche Zeitvorgaben für
zivilgerichtliche Verfahren eingewandt, dass durch solche Vorgaben erhöhte
Verfahrens- und Organisationslasten entstünden, deren Bewältigung nur zu einem
kleinen Teil durch die Justiz selbst erfolgen könnte. Andererseits sei die
Transparenz im Bereich der Gerichtsbarkeit und des Justizressorts groß genug,
um mit den Mitteln der Dienstaufsicht wirksame Abhilfe gegen überlange
Verfahren zu schaffen. Im internationalen Vergleich liege Österreich mit einer
durchschnittlichen Verfahrensdauer von weit weniger als einem Jahr im besten
Ranking. Eine feste verfassungsrechtlich geregelte Frist sei ungewöhnlich und
für die Justiz wenig hilfreich.
Schließlich wird auf die Beratungen im Ausschuss 9
(Rechtsschutz und Gerichtsbarkeit) verwiesen, die in der Grundtendenz in die
gleiche Richtung weisen und von ähnlichen Überlegungen im Einzelnen getragen
sind.
Der Ausschuss ist der Auffassung, dass Regelungen geschaffen
werden sollen, die eine angemessene Verfahrensdauer speziell auch für den
Bereich der Gerichtsbarkeit gewährleisten. Im Einzelnen besteht aber über den Vorschlag
kein Konsens.
Tagesordnungspunkt
7: Allfälliges
In der nächsten Ausschusssitzung wird der Berichtsentwurf
beraten.
Montag, 22.
November 2004, von 10.00 bis 17.00 Uhr
statt.
Der Ausschussvorsitzende dankt den Anwesenden für die
konstruktive Mitarbeit und schließt die Sitzung.
Vorsitzender
des Ausschusses 4: Fachliche
Ausschussunterstützung:
Univ.Prof. Dr. Bernd-Christian Funk e.h. Mag.
Birgit Caesar e.h.