Anwesende:
Ausschussmitglieder
(Vertreter):
Univ.Prof.
Dr. Bernd-Christian Funk (Vorsitzender)
Dr.
Dieter Böhmdorfer (stellvertretender
Vorsitzender)
Mag.
Dora Diamantopoulos (Vertretung
für Mag. Herbert Haupt)
Prof.
Christine Gleixner
Mag.
Walter Grosinger (Vertretung
für Dr. Ernst Strasser)
Univ.Prof. Dr. Michael Holoubek
DDr. Karl Lengheimer (Vertretung
für Univ.Prof. DDr. Christoph
Grabenwarter)
Mag. Terezija Stoisits
Mag.
Joachim Preiss (Vertretung
für Mag. Herbert Tumpel)
Dr. Johann
Rzeszut
Univ.Prof.
Dr. Rudolf Thienel
Weitere Teilnehmer/Teilnehmerinnen:
Alexandra
Lucius (Büro
Univ.Prof. Dr. Andreas Khol)
Dr.
Thomas Hofbauer (beigezogen
von Prof. Ing. Helmut Mader)
Hon.Prof. Dr. Raoul Kneucker (beigezogen
von Prof. Christine Gleixner)
Mag. Stefan Lenzhofer (beigezogen
von
Univ.Prof.
Dr. Rudolf Thienel)
Mag. Gerda Marx (beigezogen
von
Univ.Prof.
Dr. Bernd-Christian Funk)
Mag. Stefan Reise (beigezogen
von Dr. Dieter Böhmdorfer)
Mag. Thomas Sperlich (beigezogen
von Mag. Terezija Stoisits)
Büro des
Österreich-Konvents:
Mag. Birgit Caesar (fachliche
Ausschussunterstützung)
Sladjana
Marinkovic (Ausschusssekretariat;
Vertretung für Monika Siller)
Entschuldigt:
Prof.
Ing. Helmut Mader
Friedrich
Verzetnitsch
Beginn: 10.00
Uhr
Ende: 17.00
Uhr
Tagesordnungspunkte:
1.)
Begrüßung und Feststellung der Anwesenheit
2.)
Genehmigung des Protokolls der 34. und 35. Sitzung
3.)
Berichte
4.)
Fortsetzung der Themenbehandlung in merito: Konkrete Vorschläge für
einzelne Grundrechte („Schutz
der persönlichen Freiheit“ – Fortsetzung, „Aufenthaltsfreiheit“,
„Verfahrensrechte“)
5.)
Allfälliges
Der Ausschussvorsitzende begrüßt die Mitglieder des
Ausschusses 4 und die weiteren Anwesenden und stellt die Beschlussfähigkeit
fest.
Tagesordnungspunkt 2: Genehmigung des Protokolls
der 34. und 35. Sitzung
(28. und 29. Oktober 2004)
Das Protokoll der vierunddreißigsten Sitzung vom 28. Oktober
2004 und der fünfunddreißigsten Sitzung vom 29. Oktober 2004 wird genehmigt.
Der Ausschussvorsitzende berichtet über neue
Textvorschläge von Univ.Prof. DDr. Grabenwarter/Univ.Prof. Dr. Thienel
zum Thema „Schutz der persönlichen Freiheit“ (04.11.2004) sowie von Dr. Böhmdorfer
zu den Themen „Recht auf Leben, Recht auf körperliche und geistige
Unversehrtheit“ und „Eigentumsgarantie“ (04.11.2004). Der Vorsitzende weist darauf
hin, dass die Themen „Recht auf Leben, Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit“
und „Eigentumsgarantie“ vom Ausschuss bereits behandelt wurden und dass der
Ausschuss zu diesen Themen bereits Textvorschläge vorgelegt hat (siehe den
Bericht des Ausschusses 4 vom 3. Juni 2004, Kapitel I, Pkt. 1.2 und 3.8).
Weiters liegen zahlreiche neue externe Schreiben vor
(u.a. von der EFFE – European
Forum for Freedom in Education,
vom Österreichischen Volksgruppenzentrum und vom Ökobüro).
Die
Unterlagen wurden bereits an die Ausschussmitglieder versendet.
Tagesordnungspunkt
4: Fortsetzung der Themenbehandlung in merito: Konkrete Vorschläge für
einzelne Grundrechte („Schutz
der persönlichen Freiheit“ – Fortsetzung, „Aufenthaltsfreiheit“, „Verfahrensrechte“)
Der Ausschuss setzt zunächst seine
Beratungen zum Thema „Schutz der persönlichen Freiheit“ fort:
Schutz der
persönlichen Freiheit (Synopse C-12)
Hiezu liegt ein neuer Textvorschlag
(mit Erläuterungen) von Univ.Prof. DDr. Grabenwarter/Univ.Prof. Dr. Thienel
vor (04.11.2004). Dieser lautet wie folgt:
(1) Jede Person hat das Recht auf
Freiheit und Sicherheit. Die persönliche Freiheit darf einer Person nur in den
folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen
werden:
1.
wenn
auf Grund einer mit Strafe bedrohten Handlung auf Freiheitsentzug erkannt
worden ist;
1.2.
wenn sie einer bestimmten, mit gerichtlicher oder
finanzbehördlicher Strafe bedrohten Handlung verdächtig ist,
a) zum Zwecke der Beendigung des
Angriffes oder zur sofortigen Feststellung des Sachverhalts, sofern der
Verdacht im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Tat oder dadurch entsteht,
dass sie einen bestimmten Gegenstand innehat,
a)b)
um sie daran zu hindern, sich dem Verfahren zu entziehen
oder Beweismittel zu beeinträchtigen, oder
a)c)
um sie bei einer mit beträchtlicher Strafe bedrohten
Handlung an der Begehung einer gleichartigen Handlung oder an der Ausführung zu
hindern;
3.
zum
Zweck ihrer Vorführung vor die zuständige Behörde wegen des Verdachtes einer
Verwaltungsübertretung, bei der sie auf frischer Tat betreten wird, sofern die
Festnahme zur Sicherung der Strafverfolgung oder zur Verhinderung weiteren
gleichartigen strafbaren Handelns erforderlich ist;
4.
um
die Befolgung einer rechtmäßigen Gerichtsentscheidung oder die Erfüllung einer
durch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung zu erzwingen;
4.5.
wenn Grund zur Annahme besteht, dass sie eine Gefahrenquelle
für die Ausbreitung ansteckender Krankheiten sei oder wegen psychischer
Erkrankung sich oder andere gefährde;
4.6.
zum Zweck notwendiger Erziehungsmaßnahmen bei einer
minderjährigen Person;
7.
wenn
dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu
sichern.
(2) Niemand darf allein deshalb festgenommen oder angehalten werden, weil er nicht in der Lage ist, eine vertragliche Verpflichtung zu erfüllen.
(3) Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nur gesetzlich vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist; die persönliche Freiheit darf nur entzogen werden, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.
(4)
Wer festgenommen oder angehalten wird, ist unter Achtung der Menschenwürde und
mit möglichster Schonung der Person zu behandeln und darf nur solchen
Beschränkungen unterworfen werden, die dem Zweck der Anhaltung angemessen oder
zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung am Ort der Anhaltung notwendig sind.
Erläuterungen zu Artikel X (Schutz der
persönlichen Freiheit):
1.
Das
Grundrecht der persönlichen Freiheit entspricht im Wesentlichen der Regelung
des Art. 5 Abs. 1 EMRK sowie der Art. 1 und 2 des BVG über den Schutz der persönlichen
Freiheit 1988. Die übrigen, primär verfahrensrechtlichen Garantien des Art. 5
EMRK sowie des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit finden sich in den
Art. Y und Z.
1.2.Abs. 1 und 2 führen die
Inhalte der Art. 1 Abs. 1 und 2 sowie Art. 2 BVG über den Schutz der
persönlichen Freiheit zusammen. Die abschließende Aufzählung der
Festnahmegründe entspricht dem entsprechenden Katalog in Art. 2 Abs. 1 BVG über
den Schutz der persönlichen Freiheit.
1.3.Abs. 3 enthält das besondere
Verhältnismäßigkeitsgebot des Art. 1 Abs. 3 BVG über den Schutz der
persönlichen Freiheit.
1.4.Abs. 4 entspricht
Art. 1 Abs. 4 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit bzw.
Art. 5 Abs. 2 EMRK.
(1) Auf Grund einer mit Strafe bedrohten Handlung darf nur ein Gericht auf Freiheitsentzug erkennen. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe und die Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen durch Verwaltungsbehörden dürfen jedoch vorgesehen werden, wenn das Ausmaß des angedrohten Freiheitsentzuges je sechs Wochen, soweit die Entscheidung einer unabhängigen Behörde obliegt, je drei Monate nicht übersteigt. Wird eine Freiheitsstrafe nicht von einer unabhängigen Behörde verhängt oder eine Ersatzfreiheitsstrafe nicht von ihr festgesetzt, so muss die Anfechtung der Entscheidung bei einem Gericht in vollem Umfang und mit aufschiebender Wirkung gewährleistet sein.
(2) Eine Festnahme aus den Gründen des Art. X Abs. 1 Z 2 lit. b und c ist nur in Vollziehung eines begründeten richterlichen Befehls zulässig, der dem Betroffenen bei der Festnahme, spätestens aber innerhalb von 24 Stunden zuzustellen ist. Bei Gefahr im Verzug sowie im Fall des Abs. X Abs. 1 Z 2 lit. a darf eine Person auch ohne richterlichen Befehl festgenommen werden. Sie ist freizulassen, sobald sich ergibt, dass kein Grund zu ihrer weiteren Anhaltung vorhanden ist, sonst ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber vor Ablauf von 48 Stunden, dem zuständigen Gericht oder der zuständigen Finanzbehörde zu übergeben.
(3) Eine dem Gericht übergebene Person ist ohne Verzug vom Richter zur Sache und zu den Voraussetzungen der Anhaltung zu vernehmen.
(4) Eine Festnahme aus den Gründen des Art. X Abs. 1 Z 2 lit. b und c wegen des Verdachtes einer mit finanzbehördlicher Strafe bedrohten Handlung ist nur in Vollziehung einer begründeten Anordnung eines gesetzlich zur Ausübung richterlicher Funktionen ermächtigten Beamten zulässig. Jedoch darf bei Gefahr im Verzug sowie im Falle des Art. X Abs. 1 Z 2 lit. a eine Person auch ohne eine solche Anordnung festgenommen werden. Im übrigen gelten die Abs. 2 und 3 mit der Maßgabe sinngemäß, dass die festgenommene Person unverzüglich der zuständigen Finanzstrafbehörde zu übergeben ist.
(5) Eine aus dem Grund des Art. X Abs. 1 Z 3 festgenommene Person ist, wenn der Grund für die Festnahme nicht schon vorher wegfällt, unverzüglich der zuständigen Behörde zu übergeben und darf keineswegs länger als 24 Stunden angehalten werden.
(6) Jede festgenommene Person ist ehestens, womöglich bei ihrer Festnahme, in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe ihrer Festnahme und die gegen sie erhobenen Anschuldigungen zu unterrichten. Den sprachlichen Minderheiten eingeräumte Rechte bleiben unberührt.
(7) Jede festgenommene Person hat das Recht, dass auf ihr Verlangen ohne unnötigen Aufschub und nach ihrer Wahl ein Angehöriger und ein Rechtsbeistand von der Festnahme verständigt werden.
(8) Jede Person, die auf Grund des Verdachtes einer mit gerichtlicher oder finanzbehördlicher Strafe bedrohten Handlung angehalten wird, hat das Recht auf Beendigung des Verfahrens, das wegen der gegen sie erhobenen Anschuldigung eingeleitet worden ist, innerhalb einer angemessenen Frist oder auf Freilassung während des Verfahrens.
(9)
Wenn gelindere Mittel ausreichen, ist vom Freiheitsentzug abzusehen. Wer wegen
einer nicht mit schwerer Strafe bedrohten Handlung angehalten wird, um ihn
daran zu hindern, sich dem Verfahren zu entziehen, ist jedenfalls freizulassen,
wenn er eine vom Gericht oder von den gesetzlich zur Ausübung richterlicher
Funktionen ermächtigten Beamten unter Bedachtnahme auf das Gewicht der ihm zur
Last gelegten strafbaren Handlung, seine persönlichen Verhältnisse und das
Vermögen des die Sicherheit Leistenden festgesetzte Sicherheit beistellt;
zusätzliche gelindere Mittel zur Sicherung des Verfahrens sind zulässig.
Erläuterungen zu Artikel Y
(Verfahrensgarantien im Freiheitsentzug):
1.
In
Art. Y werden die Verfahrensgarantien der Art. 3 bis 5 BVG über den Schutz der
persönlichen Freiheit im Wesentlichen inhaltsgleich übernommen und
zusammengefasst.
1.2.Abs. 1 entspricht Art. 3 BVG über
den Schutz der persönlichen Freiheit. Art. 3 Abs. 3 BVG über den Schutz der
persönlichen Freiheit sah bisher die Anfechtung einer behördlich verhängten
Freiheitsstrafe bei einer unabhängigen Behörde vor. Im Hinblick auf die
Einführung der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit ist die Anfechtung zwingend bei
einem Gericht zu gewährleisten.
1.3.Abs. 2 entspricht Art. 4 Abs. 1 und
2 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit.
1.4.Abs. 3 enthält das Recht der
festgenommenen Person, unverzüglich einem Richter vorgeführt zu werden. Die
Garantie entspricht Art. 4 Abs. 3 BVG über den Schutz der persönlichen
Freiheit.
1.5.Abs. 4 entspricht Art. 4 Abs. 4 BVG
über den Schutz der persönlichen Freiheit.
1.6.Abs. 5 entspricht Art. 4 Abs. 5 BVG
über den Schutz der persönlichen Freiheit.
1.7.Abs. 6 entspricht Art. 4 Abs. 6 BVG
über den Schutz der persönlichen Freiheit.
1.8.Abs. 7 entspricht Art. 4 Abs. 7 BVG
über den Schutz der persönlichen Freiheit.
1.9.Abs. 8 enthält einen Anspruch der
festgenommenen Person auf Entscheidung über die Festnahme in angemessener Frist
oder auf Freilassung. Er entspricht Art. 5 Abs. 1 BVG über den Schutz der
persönlichen Freiheit (vgl. auch Art. 5 Abs. 3 Satz 2 EMRK).
10. Abs. 9 entspricht Art. 5
Abs. 2 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit.
Artikel Z (Haftprüfung, Recht auf
Haftentschädigung)
(1) Jede Person, die festgenommen oder angehalten wird, hat das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit ihre Freilassung angeordnet wird. Die Entscheidung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet.
(2) Im Fall einer Anhaltung von unbestimmter Dauer ist deren Notwendigkeit in angemessenen Abständen durch ein Gericht zu überprüfen.
(3)
Jede Person, die rechtswidrig festgenommen oder angehalten wurde, hat Anspruch
auf volle Genugtuung einschließlich des Ersatzes nicht vermögensrechtlichen
Schadens.
Erläuterungen zu Artikel Z (Haftprüfung,
Recht auf Haftentschädigung):
1. Die Garantie auf Entscheidung über
die Rechtmäßigkeit der Festnahme durch ein Gericht gemäß Absatz 4 entspricht im
Wesentlichen Art. 6 Abs. 1 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit bzw.
Art. 5 Abs. 4 EMRK.
2. Im Fall von Anhaltungen
unbestimmter Dauer bzw. lebenslanger Haft hat eine Überprüfung der Haft in
angemessenen Abständen zu erfolgen. Diese Garantie wurde durch die
Rechtsprechung des EGMR aus der Garantie des Art. 5 Abs. 4 EMRK entwickelt
(EGMR, Urteil vom 24.10.1979, Winterwerp, Serie A 33, Z 55) und
entspricht Art. 6 Abs. 2 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit.
3. Das Recht auf Entschädigung für
unrechtmäßige Haft gemäß Abs. 5 entspricht Art. 7 BVG über den Schutz der
persönlichen Freiheit, der seinerseits Art. 5 Abs. 5 EMRK nachgebildet wurde.
Beratungen im
Ausschuss:
Zur Erläuterung wird festgehalten,
dass der vorliegende Entwurf die geltende Verfassungsrechtslage inhaltlich
unverändert wiedergibt.
Im Ausschuss wird die Frage der
Frist im Ausmaß von 48 Stunden nach Art. Y Abs. 2 erörtert. Es wird darauf
verwiesen, dass diese Frist in Anbetracht moderner Kommunikations- und
Transportmöglichkeiten für zu lange gehalten werden kann. Dazu wird bemerkt,
dass es sich um eine Höchstfrist handle, verpflichtend sei die Übergabe „ohne
unnötigen Aufschub, spätestens aber vor Ablauf von 48 Stunden“. Die Einhaltung
des Gebotes der Unverzüglichkeit sei ein Teil der grundrechtlichen
Gewährleistung. Die Verletzung dieser Verpflichtung stelle eine
Grundrechtsverletzung dar und könne gerichtlich nachgeprüft werden.
Der Ausschuss
nimmt den Textvorschlag von Univ.Prof. DDr. Grabenwarter/Univ.Prof. Dr. Thienel
zum „Schutz der persönlichen Freiheit“ einhellig an.
Der Ausschuss setzt seine Beratungen
mit dem Thema „Aufenthaltsfreiheit“ fort.
Aufenthaltsfreiheit
(Synopse C-14)
Hiezu liegen zwei Textvorschläge
vor:
1. Vorschlag des Sozialdemokratischen
Grundrechtsforums:
(1) Jeder Mensch hat das Recht, sich im
Bundesgebiet frei zu bewegen, Wohnsitz oder Aufenthalt frei zu wählen und
Österreich zu verlassen.
(2) StaatsbürgerInnen darf die Einreise
in das Bundesgebiet nicht verwehrt werden. Sie dürfen weder ausgewiesen noch
ausgeliefert werden. Dieses Verbot steht einer im europäischen Recht oder
gesetzlich vorgesehenen Zurückstellung oder Überstellung an einen internationalem
Gerichtshof oder zur Vollstreckung einer von einem solchen verhängten Strafe
nicht entgegen, sofern rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.
(3) Für Menschen, die nicht Staats- oder UnionsbürgerInnen sind, kann der Genuss der in Abs. 1 gewährleisteten Rechte von einem rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet abhängig gemacht oder auf bestimmte Gebiete beschränkt werden.
(4) Kollektivausweisungen sind unzulässig.
Artikel 6
(1) Niemand darf in einen Staat verbracht
werden, in dem ihr oder ihm die ernstliche Gefahr einer Verletzung elementarer
Menschenrechte droht.
(2) Menschen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind, haben das Recht auf Aufenthalt.
1. bedürfen
einer gesetzlichen Grundlage;
2.
müssen im öffentlichen Interesse oder zum Schutz von Rechten und Freiheiten
anderer erforderlich sein;
3.
müssen verhältnismäßig sein;
4.
müssen die in dieser Bundesverfassung sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention
vorgesehenen weiteren Bedingungen und Grenzen wahren.
2. Vorschlag von Univ.Prof. DDr. Grabenwarter:
Artikel 16 (Freizügigkeit)
(1) Jede
Person, die sich rechtmäßig in Österreich aufhält, hat das Recht, sich im
Bundesgebiet frei zu bewegen und an jedem Ort ihren Aufenthalt und Wohnsitz zu
nehmen.
(2) Jeder Person steht es frei,
Österreich zu verlassen.
(3) Die
Ausübung dieser Rechte darf keinen anderen Einschränkungen unterworfen werden
als denen, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft
im Interesse der nationalen oder der öffentlichen Sicherheit, der
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, der Verhütung von Straftaten, des
Schutzes der Moral oder des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer
notwendig sind.
(4) Die in Absatz 1 anerkannten
Rechte können ferner für den Bereich bestimmter Gebiete Einschränkungen
unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen
Gesellschaft durch das öffentliche Interesse gerechtfertigt sind.
Artikel 17 (Einreisefreiheit;
Aufenthaltsgarantien)
(1)
Österreichischen Staatsangehörigen darf das Recht, nach Österreich einzureisen,
nicht entzogen werden.
(2)
Österreichische Staatsangehörige dürfen weder ausgewiesen noch ausgeliefert
werden. Dieses Verbot steht einer gesetzlich vorgesehenen Zurückstellung oder
Auslieferung einer Person an einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union
oder an einen internationalen Gerichtshof nicht entgegen, soweit
rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.
(3) Im Übrigen dürfen
Personen, die ihren rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich haben, nur auf Grund
einer rechtmäßig ergangenen Entscheidung ausgewiesen werden; ihnen muss
gestattet werden,
a) Gründe vorzubringen, die gegen ihre Ausweisung sprechen,
a)b)
ihren Fall prüfen zu lassen
und
a)c)
sich zu diesem Zweck vor der
zuständigen Behörde oder vor einer oder mehreren von dieser Behörde bestimmten
Personen vertreten zu lassen.
Vor Ausübung der in lit. a, b und c genannten Rechte dürfen Personen nur ausgewiesen werden, wenn eine solche Ausweisung im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich ist oder aus Gründen der nationalen Sicherheit erfolgt.
(4) Kollektivausweisungen sind nicht zulässig. Keine Person
darf in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat
ausgeliefert werden, in dem für sie das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der
Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder
Behandlung besteht.
Beratungen im
Ausschuss:
In der Aussprache zu den beiden
Vorschlägen wird im Ausschuss Folgendes erörtert:
Inhaltlich dürften die Divergenzen
eher marginaler Art sein, der Vorschlag von Univ.Prof. DDr. Grabenwarter
ist textlich breiter elaboriert. Zum Verbot der Kollektivausweisungen und dem
Schutz vor Refoulment (Art. 17 Abs. 4 des Vorschlags von Univ.Prof. DDr. Grabenwarter)
wird auf die Verbindung von Art. 17 Abs. 4 und Art. 6 Abs. 1 des Vorschlags des
Sozialdemokratischen Grundrechtsforums verwiesen.
Zur Frage des individuellen
Auslieferungsschutzes und des Refoulment-Verbots wird auf die „Kettenwirkung“
der Gewährleistung verwiesen, wie sie in der Judikatur angelegt ist. Um eine
sprachliche Klarstellung zu finden, die eine Beschränkung auf den jeweiligen
Aufenthaltsstaat verhindert, wird für beide Textvorschläge ins Auge gefasst,
dass die Wendung „in dem“ durch die Wendung „wenn“ sprachlich
sinngemäß ersetzt wird.
Dies ergibt folgende Textfassungen:
Vorschlag
des Sozialdemokratischen Grundrechtsforums:
Artikel 6 Abs. 1:
(1)
Niemand darf in einen Staat verbracht werden, in dem ihr oder ihm wenn
für die betreffende Person die ernstliche Gefahr einer Verletzung
elementarer Menschenrechte droht.
Vorschlag
von Univ.Prof. DDr. Grabenwarter:
Art.
17 Abs. 4:
(4) Kollektivausweisungen sind nicht zulässig. Keine Person
darf in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat
ausgeliefert werden, in dem wenn für sie das ernsthafte Risiko
der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder
erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht.
In der Frage der grundrechtlichen
Schutzgüter, die in das Refoulment-Verbot hineinzulesen sind, wird zunächst auf
sprachliche Unterschiede verwiesen: Ernsthaftes Risiko der Todesstrafe, der
Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung
im Vorschlag von Univ.Prof. DDr. Grabenwarter, drohende ernstliche
Gefahr einer Verletzung elementarer Menschenrechte in Art. 6 Abs. 1 des
Vorschlags des Sozialdemokratischen Grundrechtsforums.
Die Entwicklung der Rechtssprechung
zeigt Tendenzen einer zusätzlichen Erweiterung, vor allem durch Aufnahme von
Verfahrensgarantien (Art. 6 EMRK) in die Schutzfunktionen des
Refoulment-Verbots. Die Ausgestaltung und weitere Entwicklung bleibt der
Rechtssprechung überlassen und wird durch die vorliegenden Textvorschläge nicht
beschränkt.
Im Zusammenhang mit dem persönlichen
Geltungsbereich des Auslieferungsschutzes wird weiters auf das Thema des
Europäischen Haftbefehls eingegangen. In diesem Punkt nehmen beide Vorschläge
auf die künftige Entwicklung der Rechtslage Bezug, im Vorschlag von Univ.Prof.
DDr. Grabenwarter (Art. 17 Abs. 2) wird allerdings in der
Ausnahmebestimmung des zweiten Satzes ausdrücklich nicht auf die
Staatsbürgerschaft Bezug genommen, es ist vielmehr von „Person“ die Rede. Der
Vorschlag des Sozialdemokratischen Grundrechtsforums (Art. 17 Abs. 2)
kann allerdings in gleichem Sinne ausgelegt werden.
Erwähnt wird auch die Frage einer
Erstreckung des Auslieferungsschutzes für Nicht-Staatsbürger mit verfestigtem
Aufenthalt im Bundesgebiet. Eine Diskussion über diesen Punkt hat nicht
stattgefunden.
Zu den in Art. 16 Abs. 3 und 4 des
Vorschlags von Univ.Prof. DDr. Grabenwarter enthaltenen
Schrankenregelungen wird festgehalten, dass erstere personenbezogen, letztere
gebietsbezogen formuliert sind. Die Notwendigkeit gebietsbezogener
Beschränkungsmöglichkeiten wird insbesondere im Hinblick auf Erfordernisse der
Katastrophenbekämpfung, auch Epidemiefälle, militärische Sperrgebiete udgl.
gesehen. Nach den Entstehungsgründen der Bestimmung, die ihr Vorbild in Art. 2
Abs. 4 des 4. Zusatzprotokolls zur EMRK hat, können darunter auch
wirtschaftlich motivierte Beschränkungen, etwa in Form von Zuzugsbeschränkungen
für Gebiete mit hoher Arbeitslosigkeit, subsumiert werden.
Zu Art. 17 Abs. 3 letzter Satz des
Vorschlags von Univ.Prof. DDr. Grabenwarter wird Folgendes angemerkt:
Die Regelung erlaubt eine Ausweisung auch ohne Gewährleistung der vorangehenden
allgemeinen Verfahrensgarantie. Sie entspricht insofern den in Art. 1 des
7. Zusatzprotokolls vorgesehenen
Regelungen, ist aber – wie diese –auf Ausländer zu beziehen. Die Regelung
betrifft Fälle des rechtmäßigen Aufenthaltes von Fremden. Sie kann in
zweifacher Weise interpretiert werden, erstens als bloße Beschränkung in
Verfahrensrechten (dafür spricht insbesondere das Erfordernis einer rechtmäßig
ergangenen Entscheidung) und zweitens als eigenständige Eingriffsgrundlage,
die es erlaubt, rechtmäßigen Aufenthalt allein aus Gründen der Staatsräson zu
beenden. Nach einhellig herrschender Rechtsauffassung ist die zweitgenannte
Variante abzulehnen.
In der Frage der
Beibehaltung der Regelung des Art. 1 Z 2 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK
(entspricht Art. 17 Abs. 3 letzter Satz des Vorschlags von Univ.Prof. DDr. Grabenwarter)
besteht im Ausschuss kein Konsens.
Im Ausschuss
besteht über die verschiedenen vorgeschlagenen und in Diskussion gezogenen
Varianten kein Konsens. Im Ausschuss besteht auch weder Konsens über die
Beibehaltung noch über die Änderung der bestehenden Verfassungslage.
Konsens besteht
im Ausschuss darüber, dass in jenen Gesetzesvorbehalten nach dem Muster der
EMRK, welche auf den Schutz der Moral Bezug nehmen, diese Formel verzichtbar
ist.
Damit ist die Behandlung der
„Aufenthaltsfreiheit“ abgeschlossen.
VERFAHRENSRECHTE
Recht auf ein
Verfahren vor der zuständigen Behörde (Recht auf
den gesetzlichen Richter) (Synopse F-40)
Auf den Zusammenhang dieses
Grundrechts mit dem „Recht auf ein faires Verfahren“ (Synopse F-42) wird
verwiesen.
Zum Thema „Recht auf den gesetzlichen
Richter“ liegen zwei Textvorschläge vor:
1. Vorschlag
des Sozialdemokratischen Grundrechtsforums:
Artikel 48
(1) Jede Person hat das
Recht auf ein Verfahren vor der nach dem Gesetz zuständigen Behörde.
(2) Ausnahmegerichte sind unzulässig.
2. Vorschlag
von Univ.Prof. DDr. Grabenwarter:
(....)
(4) Keine Person darf ihrem gesetzlichen Richter entzogen
werden.
In der Aussprache im
Ausschuss werden folgende Fragen erörtert:
Zum Recht auf ein Verfahren vor dem
gesetzlichen Richter gibt es eine langjährige Rechtssprechung, die in der
Tradition des Reichsgerichts wurzelt. Durch diese Judikatur ist klargestellt,
dass dieses Recht über den Bereich der Gerichtsbarkeit hinaus eine Garantie
insbesondere auf ein Tätigwerden durch die gesetzlich zuständige Behörde
(Gericht oder Verwaltungsbehörde) bedeutet und dass dieses Recht eine
Verpflichtung für die Gesetzgebung enthält, die behördlichen Zuständigkeiten
in möglichst zweifelsfreier Weise zu definieren und abzugrenzen. Für die
Beibehaltung der ursprünglichen Formulierung mit kleinen sprachlichen
Anpassungen spricht der konsolidierte und überschaubare Stand der Dogmatik
dieses Grundrechts.
Für eine sprachliche Anpassung, die
eben diese Dogmatik wiedergibt, spricht der Gedanke der Erneuerung des
Grundrechtskataloges, wobei die im Vorschlag des Sozialdemokratischen
Grundrechtsforums enthaltene Fassung in Abs. 1 nichts anderes zum Ausdruck
bringt als die im Vorschlag von Univ.Prof. DDr. Grabenwarter gewählte.
Unklarheit besteht hinsichtlich der
Interpretation des Verbotes von Ausnahmegerichten. Nach geltender
Verfassungsrechtslage ist die Militärgerichtsbarkeit außer für Kriegszeiten
aufgehoben (Art. 84 B-VG).
Neuer Textvorschlag
von Univ.Prof. Dr. Thienel:
Recht
auf ein Verfahren vor der zuständigen Behörde
(1)
Jede Person hat das Recht auf ein Verfahren vor der zuständigen Behörde
(Gericht oder Verwaltungsbehörde).
(2)
Die Zuständigkeit der Gerichte und Verwaltungsbehörden ist durch Gesetz zu
regeln.
(3) Die
Militärgerichtsbarkeit ist aufgehoben.
Erläuterung:
Nach Auffassung des Ausschusses wird
durch diese Formulierung die Position der Staatsanwaltschaften nicht
präjudiziert.
Der Ausschuss
schlägt die vorgeschlagene Formulierung konsensual zur Annahme vor.
Tagesordnungspunkt
4: Allfälliges
Bei der nächsten Ausschusssitzung werden
folgende Themen behandelt:
·
Zuweisungen
des Ausschusses 2 an den Ausschuss 4 (Zusammenstellung der in Geltung stehenden
Regelungen in bundesverfassungsgesetzlicher Form; Bundesverfassungsgesetze und
Verfassungsbestimmungen in Bundesgesetzen; Zusammenstellung der in Geltung
stehenden Regelungen in verfassungsrangigen Staatsverträgen, Verfassungsbestimmungen
in Staatsverträgen und Vereinbarungen gemäß Art. 15a B-VG)
·
Dialogklausel
(im Zusammenhang mit der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit)
·
Fortsetzung
der Behandlung der Verfahrensrechte, allenfalls auch weiterer grundrechtlicher
Gewährleistungen.
Freitag, 12.
November 2004, von 10.00 bis 17.00 Uhr
statt.
Der Ausschussvorsitzende dankt den Anwesenden für die
konstruktive Mitarbeit und schließt die Sitzung.
Vorsitzender des Ausschusses 4: Fachliche
Ausschussunterstützung:
Univ.Prof. Dr. Bernd-Christian Funk
e.h. Mag.
Birgit Caesar e.h.