Protokoll

über die 23. Sitzung des Ausschusses 4

am 6. September 2004

im Parlament, Lokal III

 

 

Anwesende:

 

Ausschussmitglieder (Vertreter):

 

Univ.Prof. Dr. Bernd-Christian Funk                      (Vorsitzender)

Dr. Dieter Böhmdorfer                                          (stellvertretender Vorsitzender)

 

Mag. Bernhard Achitz                                           (Vertretung für Friedrich Verzetnitsch)

Prof. Christine Gleixner

Univ.Prof. DDr. Christoph Grabenwarter

Mag. Walter Grosinger                                          (Vertretung für Dr. Ernst Strasser)

Univ.Prof. Dr. Michael Holoubek

Markus Lehnhard                                                  (Vertretung für Mag. Herbert Haupt)

DDr. Karl Lengheimer                                           (Vertretung für

                                                                             Univ.Prof. Dr. Reinhard Rack

Mag. Joachim Preiss                                              (Vertretung für Mag. Herbert Tumpel)

Dr. Johann Rzeszut

Mag. Terezija Stoisits

 

Weitere Teilnehmer/Teilnehmerinnen:

 

Mag. Dora Diamantopoulos                                   (Büro Herbert Scheibner)

Alexandra Lucius                                                   (Büro Univ.Prof. Dr. Andreas Khol)

 

Dr. Thomas Hofbauer                                            (beigezogen von Prof. Ing. Helmut Mader)

Hon.Prof. Dr. Raoul Kneucker                              (beigezogen von Prof. Christine Gleixner)

Mag. Gerda Marx                                                 (beigezogen von

                                                                              Univ.Prof. Dr. Bernd-Christian Funk)

Mag. Constanze Pritz                                             (beigezogen von

                                                                             Univ.Prof. Dr. Michael Holoubek)

Mag. Stephan Resl                                                (beigezogen von Mag. Walter Grosinger)

Mag. Thomas Sperlich                                           (beigezogen von Mag. Terezija Stoisits)

Büro des Österreich-Konvents:

 

Mag. Birgit Caesar                                                 (fachliche Ausschussunterstützung)

Monika Siller                                                          (Ausschusssekretariat)

 

Entschuldigt:

 

Prof. Ing. Helmut Mader

 

 

Beginn:                                  10.00 Uhr

 

Ende:                                     17.00 Uhr

 

 

Tagesordnungspunkte:

 

1.)      Begrüßung und Feststellung der Anwesenheit

2.)      Wahl des stellvertretenden Vorsitzenden

3.)      Genehmigung des Protokolls der letzten Sitzung

4.)      Berichte

5.)      Zuweisungen des Ausschusses 2 an den Ausschuss 4

6.)      Fortsetzung der Themenbehandlung in merito: konkrete Vorschläge für einzelne Grundrechte („Volksgruppenrechte“, „Diskriminierungsverbote“)

7.)      Allfälliges

 

 

Tagesordnungspunkt 1: Begrüßung und Feststellung der Anwesenheit

 

Der Ausschussvorsitzende begrüßt die Mitglieder des Ausschusses 4 und die weiteren Anwesenden und stellt die Beschlussfähigkeit fest.

 

Dabei berichtet der Ausschussvorsitzende auch über personelle Änderungen bei den Mitgliedern des Ausschusses 4: Dr. Dieter Böhmdorfer ersetzt Klubobmann Herbert Scheibner; Univ.Prof. Dr. Michael Holoubek ersetzt Dr. Maria Berger.

 

 

Tagesordnungspunkt 2: Wahl des stellvertretenden Vorsitzenden

 

Auf Vorschlag des Ausschussvorsitzenden wird Herr Dr. Dieter Böhmdorfer einstimmig zum neuen stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses 4 gewählt.

 

 


Tagesordnungspunkt 3: Genehmigung des Protokolls der letzten Sitzung

(9. Juli 2004)

 

Das Protokoll der zweiundzwanzigsten Sitzung vom 9. Juli 2004 wird genehmigt.

 

 

Tagesordnungspunkt 4: Berichte

 

1.   Der Ausschussvorsitzende berichtet über neue externe Schreiben. Diese wurden bereits an die Ausschussmitglieder übermittelt.

 

2.   Weiters liegt ein neues Schreiben der Ökumenischen Expertengruppe zur Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit vor (erweiterte Dialogklausel, Abs. 6 und 7 des Text­vorschlages des Ausschusses 4). Frau Prof. Gleixner beantragt die neuerliche Behandlung dieses Themas und stellt einen weiteren, erweiterten Antrag der Ökumenischen Experten­gruppe in Aussicht.

     

      Der Ausschuss einigt sich darauf, die Neuauflage des Antrages der Ökumenischen Expertengruppe abzuwarten und dann über den Antrag zu befinden.

 

3.   „Gegenlesen“ von Textvorschlägen durch Experten/Expertinnen:

      Der Ausschuss kommt überein, dass der Ausschussvorsitzende zu gegebener Zeit im Namen des Ausschusses an die im Ausschussbericht vom 3. Juni 2004 (auf Seite 9) genannten Experten/Expertinnen herantreten wird mit der Einladung, zu den Textvor­schlägen des Ausschusses Stellung zu nehmen.

     

      Univ.Prof. Dr. Michael Holoubek wird – als neues Mitglied des Ausschusses 4 – aus der Liste der externen Persönlichkeiten gestrichen.

 

 

Tagesordnungspunkt 5: Zuweisungen des Ausschusses 2 an den Ausschuss 4

 

Die Zuweisungen des Ausschusses 2 werden vom Ausschuss 4 zur Kenntnis genommen und zu einem späteren Zeitpunkt behandelt werden.

 

 

Tagesordnungspunkt 6: Fortsetzung der Themenbehandlung in merito: konkrete Vor­schläge für einzelne Grundrechte („Volksgruppenrechte“, „Diskriminierungsverbote“)

 

Fortsetzung Rechte der Volksgruppen (Synopse B-11):

 

Der Ausschuss setzt neuerlich seine Beratungen zum Thema „Volksgruppenrechte“ auf Basis des in der letzten Sitzung erarbeiteten Textvorschlages fort.

 


Textvorschlag des Ausschusses vom 9. Juli 2004 (bedingten Konsens gab es bei Abs. 3

(1. und 2. Satz); keinen Konsens gab es bei Abs. 3 (3. bis 5. Satz) und bei Abs. 4 und 5; die Behandlung der Abs. 1, 2, 6 und 7 wurde am 9. Juli 2004 noch nicht abgeschlossen):

 

(1) Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich zu der und achten die gewachsene sprach­liche und kulturelle Vielfalt.

 

(2) Sie fördern die gegenseitige Achtung und Zusammenarbeit zwischen allen im Staatsgebiet lebenden Menschen, ungeachtet ihrer Sprache und Kultur.

 

(3) Das Bekenntnis zu einer Volksgruppe ist frei. Keinem Angehörigen einer Volksgruppe darf durch die Ausübung oder Nichtausübung der ihm zustehenden Rechte ein Nachteil erwachsen. Die anerkannten Volksgruppen und ihre Angehörigen haben im Rahmen der Gesetze einen Anspruch auf besondere Förderung ihrer Kultur, insbesondere auf Kindergartenerziehung und Schulunterricht in öffentlichen Pflichtschulen in der jeweiligen Volksgruppensprache in ihrem Siedlungsgebiet und außerhalb dieses bei einem nachhaltigen Bedarf. Weiters haben sie einen Anspruch auf eine verhältnismäßige Anzahl von öffentlichen höheren Schulen und auf Einrichtung einer eigenen Schulaufsicht. Die Volksgruppen haben ergänzend einen An­spruch auf angemessene Förderung von privaten Kindergärten und Privatschulen, die der Pflege ihrer Sprache und Kultur dienen.

 

(4) Die anerkannten und beheimateten Volksgruppen und ihre Angehörigen haben im gemischtsprachigen Gebiet einen Anspruch auf Gebrauch der jeweiligen Volksgruppen­sprache als zusätzliche Amtssprache im Verkehr mit Verwaltungsbehörden und Gerichten sowie im öffentlichen Leben; außerhalb dieses Gebietes haben sie Anspruch auf angemessene Erleichterungen zum Gebrauch der jeweiligen Volksgruppensprache. Die zusätzliche Amts­sprache kann im gemischtsprachigen Gebiet von jeder Person gebraucht werden. Die Volks­gruppen haben im gemischtsprachigen Gebiet einen Anspruch auf mehrsprachige topo­graphische Bezeichnungen und Aufschriften.

 

(5) Die Volksgruppen haben einen Anspruch auf einen angemessenen Anteil an öffentlichen Mitteln als finanzielle Volksgruppenförderung aus dem Budget des Bundes sowie aus den Budgets der Länder und Gemeinden, in denen sich gemischtsprachige Gebiete befinden, sowie auf eine besondere Förderung der Medien in ihrer eigenen Sprache.

 

(6) Vereinigungen oder Vertretungskörper, die ihrem rechtlichen Zweck nach Volksgruppen­interessen vertreten und für die betreffende Volksgruppe repräsentativ sind, haben das Recht, die auf diesen Artikel gegründeten Rechte der betreffenden Volksgruppe vor Gerichten und Verwaltungsbehörden geltend zu machen. Die Rechte der Angehörigen der Volksgruppen bleiben davon unberührt.

 

(7) Institutionelle Garantien für Volksgruppenvertretungen (hiezu wurde im Ausschuss 4 noch kein Textvorschlag behandelt).

 

 


Fortsetzung der Ausschussberatungen:

 

zu Abs. 6:

 

Aufgrund der Beratungen im Ausschuss wird der vorletzte Absatz auf Seite 6 des Protokolls der letzten Ausschusssitzung vom 9. Juli 2004 wie folgt modifiziert:

 

Im Ausschuss besteht überwiegend Übereinstimmung, dass kollektive verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte – über individuellen Rechtsschutz hinausgehend – die Möglichkeit kollektiver Rechtsdurchsetzung nahe legen.

 

Als Ergebnis der Diskussion liegen folgende Textvarianten vor:

 

Variante 1:

(6) Vereinigungen oder Vertretungskörper, die ihrem rechtlichen Zweck nach Volksgruppen­interessen vertreten und für die betreffende Volksgruppe repräsentativ sind, haben das Recht, die auf diesen Artikel gegründeten Rechte der betreffenden Volksgruppe vor Gerichten und Verwaltungsbehörden geltend zu machen. Die Rechte der Angehörigen der Volksgruppen bleiben davon unberührt.

 

Variante 2:

(6) Vereinigungen zur Vertretung von Volksgruppen*) haben [nach Maßgabe der Gesetze] das Recht, die auf diesen Artikel gegründeten Rechte der betreffenden Volksgruppe vor Gerichten und Verwaltungsbehörden geltend zu machen. Die Rechte der Angehörigen der Volksgruppen bleiben davon unberührt.

 

*) Andere Varianten: „Volksgruppeninteressen“ oder „Volksgruppenrechten

 

Problemhinweis: Für den Fall der Untätigkeit des einfachen Gesetzgebers besteht nach geltender Verfassungsrechtslage keine zufriedenstellende rechtliche Abhilfemöglichkeit. Für die Zukunft könnte ein Staatshaftungsanspruch, allenfalls auch die Folge einer unmittelbaren Anwendbarkeit von Verfassungsrecht, in Erwägung gezogen werden.

 

Für keine dieser Varianten gibt es im Ausschuss einhellige Zustimmung. Der Ausschuss ist sich jedoch einig, dass verfassungsrechtliche Regelungen im Rahmen der damit festgelegten Bandbreite aufgenommen werden sollen, sofern kollektive Rechtsdurchsetzungsmöglich­keiten vorgesehen werden, wie es der Ausschuss überwiegend vorschlägt.

 

zu Abs. 1 bis 3:

 

Vorläufige Arbeitsannahmen:

 

  Der Ausschuss geht davon aus, dass auf verfassungsrechtlicher Ebene auf eine Legal­definition des Volksgruppenbegriffs verzichtet werden soll.

 

  Der Ausschuss geht weiters davon aus, dass der Tatbestand „Volksgruppen“ nicht mit dem Tatbestand „autochthone Volksgruppen“ gemäß Art. 8 Abs. 2 B-VG gleichzusetzen ist. Der Tatbestand „Volksgruppen“ ist auch nicht im versteinernden Sinne mit der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 des Volksgruppengesetzes gleichzusetzen.

 

  Der Ausschuss ist überwiegend der Auffassung, dass künftige verfassungsrechtliche Rege­lungen nicht auf historische Volksgruppen beschränkt bleiben können, wie sie im Text des Art. 8 Abs. 2 B-VG („autochthon“) angesprochen werden.

 

  Art. 8 Abs. 2 B-VG ist insofern durch die Rechtsentwicklung überholt, als die Garantien für Volksgruppen über die dort enthaltenen Anknüpfungen aufgrund von Entwicklungen auf der Ebene des internationalen Menschenrechtsschutzes und der Europäischen Union hinausgehen.

 

  Die Formulierung von Volksgruppenrechten in der Verfassung wird durch das Fehlen konsentierter Vorschläge über Staatszielbestimmungen nicht vereinfacht.

 

Vorläufiger Textentwurf zu Abs. 1 bis 3 (bei den folgenden Textvorschlägen werden durch die in eckige Klammern gestellten Passagen Punkte hervorgehoben, bei denen die Auffassun­gen der Ausschussmitglieder weit auseinander liegen):

 

(1) Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich zu der und achten die gewachsene sprach­liche und kulturelle Vielfalt.

 

(2) Sie fördern die gegenseitige Achtung und Zusammenarbeit zwischen allen im Staatsgebiet lebenden Menschen, ungeachtet ihrer Sprache und Kultur.

 

(3) Das Bekenntnis zu einer Volksgruppe ist frei.

Keinem Angehörigen einer Volksgruppe darf durch die Ausübung oder Nichtausübung der ihm zustehenden Rechte [alternativ: durch das Bekenntnis oder Nichtbekenntnis zu einer Volksgruppe] ein Nachteil erwachsen.

Die [anerkannten] Volksgruppen und ihre Angehörigen haben im Rahmen der Gesetze einen Anspruch auf besondere Förderung ihrer [Sprache und] Kultur[, insbesondere auf Kinder­gartenerziehung und Schulunterricht in öffentlichen Pflichtschulen in der jeweiligen Volks­gruppensprache in ihrem Siedlungsgebiet und außerhalb dieses bei einem nachhaltigen Bedarf].

 

Folgender Text ist im Zusammenhang mit Abs. 4 zu behandeln:

Weiters haben sie einen Anspruch auf eine verhältnismäßige Anzahl von öffentlichen höheren Schulen und auf Einrichtung einer eigenen Schulaufsicht. Die Volksgruppen haben ergänzend einen Anspruch auf angemessene Förderung von privaten Kindergärten und Privatschulen, die der Pflege ihrer Sprache und Kultur dienen.

 

 

Bei der nächsten Ausschusssitzung wird die Behandlung der „Volksgruppenrechte“ und „Diskriminierungsverbote“ fortgesetzt.

 

 


Tagesordnungspunkt 7: Allfälliges

 

Die nächste Ausschusssitzung findet am

 

Freitag, 10. September 2004, von 10.00 bis 17.00 Uhr

 

statt.

 

Der Ausschussvorsitzende dankt den Anwesenden für die konstruktive Mitarbeit und schließt die Sitzung.

 

 

Vorsitzender des Ausschusses 4:                                             Fachliche Ausschussunterstützung:

 

 

 

 

Univ.Prof. Dr. Bernd-Christian Funk e.h.                                Mag. Birgit Caesar e.h.