Protokoll

über die 22. Sitzung des Ausschusses 4

am 9. Juli 2004

im Parlament, Lokal V

 

 

 

Anwesende:

 

Ausschussmitglieder (Vertreter):

 

Univ.Prof. Dr. Bernd-Christian Funk                       (Vorsitzender)

 

Dr. Maria Berger

Prof. Christine Gleixner

Mag. Walter Grosinger                                           (Vertretung für Dr. Ernst Strasser)

Prof. Ing. Helmut Mader

Univ.Ass. Dr. Klaus Poier                                       (Vertretung für

                                                                              Univ.Prof. DDr. Christoph Grabenwarter)

Mag. Joachim Preiss                                               (Vertretung für Mag. Herbert Tumpel)

Mag. Gernot Prett                                                  (Vertretung für Mag. Herbert Haupt)

Univ.Prof. Dr. Reinhard Rack

Mag. Terezija Stoisits

 

Weitere Teilnehmer/Teilnehmerinnen:

 

Mag. Jochen Danninger                                         (Büro Univ.Prof. Dr. Andreas Khol)

Mag. Ronald Faber                                               (Büro Dr. Peter Kostelka)

Mag. Bernhard Rochowanski                                (Büro Herbert Scheibner)

Mag. Thomas Sperlich                                           (Büro Dr. Eva Glawischnig)

 

Hon.Prof. Dr. Raoul Kneucker                              (beigezogen von Prof. Christine Gleixner)

Mag. Alev Korun                                                  (beigezogen von Mag. Terezija Stoisits)

Mag. Gerda Marx                                                 (beigezogen von

                                                                              Univ.Prof. Dr. Bernd-Christian Funk)

 


Büro des Österreich-Konvents:

 

Mag. Birgit Caesar/Dr. Renate Casetti                    (fachliche Ausschussunterstützung)

Monika Siller                                                          (Ausschusssekretariat)

 

Entschuldigt:

 

Herbert Scheibner                                                 (stellvertretender Vorsitzender)

 

Dr. Johann Rzeszut

Friedrich Verzetnitsch

 

 

Beginn:                                  10.00 Uhr

 

Ende:                                     16.00 Uhr

 

 

Tagesordnungspunkte:

 

1.)      Begrüßung und Feststellung der Anwesenheit

2.)      Genehmigung des Protokolls der letzten Sitzung

3.)      Berichte

4.)      Fortsetzung der Themenbehandlung in merito: konkrete Vorschläge für einzelne Grundrechte („Volksgruppenrechte, Diskriminierungsverbote“)

5.)      Allfälliges

 

 

Tagesordnungspunkt 1: Begrüßung und Feststellung der Anwesenheit

 

Der Ausschussvorsitzende begrüßt die Mitglieder des Ausschusses 4 und die weiteren Anwesenden und stellt die Beschlussfähigkeit fest.

 

 

Tagesordnungspunkt 2: Genehmigung des Protokolls der letzten Sitzung

(6. Juli 2004)

 

Das Protokoll der einundzwanzigsten Sitzung vom 6. Juli 2004 wird genehmigt.

 

 

Tagesordnungspunkt 3: Berichte

 

Der Ausschussvorsitzende berichtet über ein Schreiben von Dr. Johannes Schnizer zum Thema „Volksgruppenrechte“; das Dokument wurde bereits per Mail an die Ausschuss­mitglieder übermittelt und liegt als Tischvorlage auf.

 

Tagesordnungspunkt 4: Fortsetzung der Themenbehandlung in merito: konkrete Vorschläge für einzelne Grundrechte („Volksgruppenrechte, Diskriminierungsverbote“)

 

Rechte der Volksgruppen (Synopse B-11)

 

Der Ausschuss setzt seine Beratungen zum Thema „Volksgruppenrechte“ auf Basis eines modifizierten Textvorschlages von Hon.Prof. Dr. Raoul Kneucker fort (Modifikationen in Fettdruck):

 

(1) Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich zu der und achten die gewachsene sprach­liche und kulturelle Vielfalt.

 

(2) Sie fördern die gegenseitige Achtung und Zusammenarbeit zwischen allen im Staatsgebiet lebenden Menschen, ungeachtet ihrer Sprache und Kultur.

 

(3) Das Bekenntnis zu einer Volksgruppe ist frei. Keinem Angehörigen einer Volksgruppe darf durch die Ausübung oder Nichtausübung der ihm zustehenden Rechte ein Nachteil erwachsen. Die anerkannten Volksgruppen und ihre Angehörigen haben im Rahmen der Gesetze einen Anspruch auf besondere Förderung ihrer Kultur, insbesondere auf Kindergartenerziehung und Schulunterricht in öffentlichen Pflichtschulen in der jeweiligen Volksgruppensprache in ihrem Siedlungsgebiet und außerhalb dieses bei einem nachhaltigen Bedarf. Weiters haben sie einen Anspruch auf eine verhältnismäßige Anzahl von öffentlichen höheren Schulen und auf Einrichtung einer eigenen Schulaufsicht. Die Volksgruppen haben ergänzend einen Anspruch auf angemessene Förderung von privaten Kindergärten und Privatschulen, die der Pflege ihrer Sprache und Kultur dienen.

 

(4) Die anerkannten und beheimateten Volksgruppen und ihre Angehörigen haben im gemischtsprachigen Gebiet einen Anspruch auf Gebrauch der jeweiligen Volksgruppen­sprache als zusätzliche Amtssprache im Verkehr mit Verwaltungsbehörden und Gerichten sowie im öffentlichen Leben; außerhalb dieses Gebietes haben sie Anspruch auf ange­messene Erleichterungen zum Gebrauch der jeweiligen Volksgruppensprache. Die zusätzliche Amtssprache kann im gemischtsprachigen Gebiet von jeder Person gebraucht werden. Die Volksgruppen haben im gemischtsprachigen Gebiet einen Anspruch auf zwei­sprachige topographische Bezeichnungen und Aufschriften.

 

(5) Die Volksgruppen haben einen Anspruch auf einen angemessenen Anteil an öffentlichen Mitteln als finanzielle Volksgruppenförderung aus dem Budget des Bundes sowie aus den Budgets der Länder und Gemeinden, in denen sich gemischtsprachige Gebiete befinden.

 

(6) Vereinigungen oder Vertretungskörper, die ihrem rechtlichem Zweck nach Volks­gruppeninteressen vertreten und für die betreffende Volksgruppe repräsentativ sind, haben das Recht, die auf diesen Artikel gegründeten Rechte der betreffenden Volksgruppe vor Gerichten und Verwaltungsbehörden geltend zu machen. Die Rechte der Angehörigen der Volksgruppen bleiben davon unberührt.

 

(7) Institutionelle Garantien für Volksgruppenvertretungen.

 

Anknüpfend an den Dialog der letzten Ausschusssitzung gibt es verschiedene Auffassungen hinsichtlich des Volksgruppenbegriffs einerseits und verfassungsrechtlicher Inhaltsbestim­mungen andererseits. Die Kriterien werden im Ausschuss diskutiert, ohne dass es zu einer Einigung kommt. Für den Fall, dass es zu einer Einigung kommen wird, gibt es Konsens über weitere Festlegungen im Detail.

 

 

Zu Abs. 1 und 2:

 

(1) Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich zu der und achten die gewachsene sprachliche und kulturelle Vielfalt.

 

(2) Sie fördern die gegenseitige Achtung und Zusammenarbeit zwischen allen im Staatsgebiet lebenden Menschen, ungeachtet ihrer Sprache und Kultur.

 

Im Ausschuss besteht noch keine abgeschlossene Auffassung über die vorgeschlagenen Absätze 1 und 2.

 

 

Zu Abs. 3:

 

(3) Das Bekenntnis zu einer Volksgruppe ist frei.

Keinem Angehörigen einer Volksgruppe darf durch die Ausübung oder Nichtausübung der ihm zustehenden Rechte ein Nachteil erwachsen.

Die anerkannten Volksgruppen und ihre Angehörigen haben im Rahmen der Gesetze einen Anspruch auf besondere Förderung ihrer Kultur, insbesondere auf Kindergartenerziehung und Schulunterricht in öffentlichen Pflichtschulen in der jeweiligen Volksgruppensprache in ihrem Siedlungsgebiet und außerhalb dieses bei einem nachhaltigen Bedarf.

Weiters haben sie einen Anspruch auf eine verhältnismäßige Anzahl von öffentlichen höheren Schulen und auf Einrichtung einer eigenen Schulaufsicht.

Die Volksgruppen haben ergänzend einen Anspruch auf angemessene Förderung von privaten Kindergärten und Privatschulen, die der Pflege ihrer Sprache und Kultur dienen.

 

Abs. 3, 1. und 2. Satz:

 

Im Ausschuss besteht bedingter Konsens bezüglich der beiden ersten Sätze des Abs. 3 betreffend die Bekenntnisfreiheit und das spezielle Diskriminierungsverbot:

 

Das Bekenntnis zu einer Volksgruppe ist frei.

Es besteht Konsens, dass es eine verfassungsrechtliche Garantie der Freiheit des Bekennt­nisses zu einer Volksgruppe geben soll. Diese Garantie soll im Rahmen der rechtlichen Vorgaben betreffend die Volksgruppendefinition ausgeübt werden können. Sie schließt die Freiheit ein, sich nicht zu einer bestimmten Volksgruppe zu bekennen. Damit wird gewähr­leistet, dass keine Nachweise, etwa in Bezug auf Abstammung, Sprachkenntnisse und der­gleichen, erbracht werden müssen.

 

Nach Maßgabe der oben getroffenen Festlegung wird eine Garantie folgenden Inhalts vom Ausschuss befürwortet:

Keinem Angehörigen einer Volksgruppe darf durch die Ausübung oder Nichtausübung der ihm zustehenden Rechte ein Nachteil erwachsen.

 

Erläuterungen zu Abs. 3, 1. und 2. Satz:

 

1.   In gegebenem Zusammenhang wird daran erinnert, dass nach Möglichkeit universelle Diskriminierungsverbote anstelle von speziellen anzustreben sind.

2.   In der genannten Garantie ist der Anspruch eingeschlossen, dass aus der Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe als solcher kein Nachteil erwachsen darf.

 

Abs. 3, 3. bis 5. Satz:

 

Die anerkannten Volksgruppen und ihre Angehörigen haben im Rahmen der Gesetze einen Anspruch auf besondere Förderung ihrer Kultur, insbesondere auf Kindergartenerziehung und Schulunterricht in öffentlichen Pflichtschulen in der jeweiligen Volksgruppensprache in ihrem Siedlungsgebiet und außerhalb dieses bei einem nachhaltigen Bedarf.

Weiters haben sie einen Anspruch auf eine verhältnismäßige Anzahl von öffentlichen höheren Schulen und auf Einrichtung einer eigenen Schulaufsicht.

Die Volksgruppen haben ergänzend einen Anspruch auf angemessene Förderung von privaten Kindergärten und Privatschulen, die der Pflege ihrer Sprache und Kultur dienen.

 

Der Textvorschlag folgt weitgehend dem Textentwurf von ao.Univ.Prof. Dr. Dieter Kolonovits. Diesbezüglich bestehen im Ausschuss geteilte Auffassungen. Sie spiegeln den Gegensatz in den Grundpositionen wider.

 

Im Besonderen wird darauf verwiesen, dass die hier vorgesehenen weitergehenden Rechte in die Disposition der einfachen Gesetzgebung gestellt werden sollen und es im übrigen bei den Garantien des Art. 7 Staatsvertrag von Wien bleiben soll.

 

Der besondere Gesetzesvorbehalt („im Rahmen der Gesetze“) erscheint – wenn man der vorgeschlagenen verfassungsrechtlichen Regelung zustimmt – entbehrlich. Auch hier wird allerdings auf das Ziel einer erhöhten Flexibilität durch einen solchen Gesetzesvorbehalt hingewiesen. Allerdings war der genannte Vorbehalt, der sich im Textvorschlag von ao.Univ.Prof. Dr. Kolonovits nicht findet, als Kompromissversuch zwischen den beiden gegensätzlichen Grundpositionen gedacht, und hat diesen Zweck nicht erreicht.

 

In Erinnerung gebracht wird weiters das Positionspapier der Ökumenischen Experten­gruppe, ohne dass daraus eine grundsätzliche Einschränkung der vorgeschlagenen Rege­lung abzuleiten wäre.

 


Zu Abs. 4 und 5:

 

(4) Die anerkannten und beheimateten Volksgruppen und ihre Angehörigen haben im gemischtsprachigen Gebiet einen Anspruch auf Gebrauch der jeweiligen Volksgruppen­sprache als zusätzliche Amtssprache im Verkehr mit Verwaltungsbehörden und Gerichten sowie im öffentlichen Leben; außerhalb dieses Gebietes haben sie Anspruch auf angemessene Erleichterungen zum Gebrauch der jeweiligen Volksgruppensprache. Die zusätzliche Amtssprache kann im gemischtsprachigen Gebiet von jeder Person gebraucht werden. Die Volksgruppen haben im gemischtsprachigen Gebiet einen Anspruch auf mehrsprachige topographische Bezeichnungen und Aufschriften.

 

(5) Die Volksgruppen haben einen Anspruch auf einen angemessenen Anteil an öffentlichen Mitteln als finanzielle Volksgruppenförderung aus dem Budget des Bundes sowie aus den Budgets der Länder und Gemeinden, in denen sich gemischtsprachige Gebiete befinden, sowie auf eine besondere Förderung der Medien in ihrer eigenen Sprache.

 

Die vorgeschlagenen Absätze 4 und 5 folgen im Wesentlichen dem Textentwurf von ao.Univ.Prof. Dr. Kolonovits. Sie enthalten jene Rechte, die sich aus dem Staatsvertrag von Wien ergeben, und gehen darüber hinaus.

 

Auch über diesen Textvorschlag sind die Auffassungen im Ausschuss – entsprechend den unterschiedlichen Grundpositionen – geteilt.

 

 

Zu Abs. 6 (kollektiver Rechtsschutz) und Abs. 7 (institutionelle Garantien für Volksgruppen­vertretungen):

 

(6) Vereinigungen oder Vertretungskörper, die ihrem rechtlichem Zweck nach Volksgruppen­interessen vertreten und für die betreffende Volksgruppe repräsentativ sind, haben das Recht, die auf diesen Artikel gegründeten Rechte der betreffenden Volksgruppe vor Gerichten und Verwaltungsbehörden geltend zu machen. Die Rechte der Angehörigen der Volksgruppen bleiben davon unberührt.

 

Hinsichtlich der institutionellen Garantien für Volksgruppenvertretungen (Abs. 7) wurde im Ausschuss noch kein Textvorschlag behandelt.

 

Abs. 6:

 

Im Ausschuss besteht Übereinstimmung, dass kollektive verfassungsgesetzlich gewähr­leistete Rechte – über individuellen Rechtsschutz hinausgehend – die Möglichkeit kollek­tiver Rechtsdurchsetzung nahelegen.

 

Bereits die bestehende Verfassungsrechtslage sieht im Bereich der Volksgruppen auch kollektive Rechte vor. Nach Auffassung des Ausschusses spricht vieles dafür, in diesem Bereich kollektive Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten zu schaffen.

 

Allerdings sind die Gefahren von Missbräuchen und organisatorischen Fehlentwicklungen nicht von der Hand zu weisen. Nach Auffassung des Ausschusses sollten kollektive Rechts­durchsetzungsmöglichkeiten, sofern sie vorgesehen werden, am ehesten auf „Vereinigun­gen“ bezogen werden.

 

Die Diskussion zu Abs. 6 und Abs. 7 ist – ebenso wie zu Abs. 1 und 2. – noch nicht abgeschlossen.

 

 

Tagesordnungspunkt 5: Allfälliges

 

Terminplanung:

 

Der Ausschuss 4 legt folgende weitere Sitzungstermine fest (jeweils von 10:00 bis 17:00 Uhr mit Mittagspause von 12:30 bis 13:30 Uhr):

 

Montag, 06.09.2004

Freitag, 10.09.2004

Montag, 13.09.2004

Freitag, 17.09.2004

Montag, 20.09.2004

Montag, 27.09.2004

Freitag, 01.10.2004

Montag, 04.10.2004

Freitag, 08.10.2004

Montag, 11.10.2004

Freitag, 15.10.2004

Dienstag, 19.10.2004

Mittwoch, 20.10.204

Freitag, 29.10.2004

Freitag, 12.11.2004

 

 

Die nächste Ausschusssitzung findet am

 

Montag, 6. September 2004, von 10.00 bis 17.00 Uhr

 

statt.

 

Der Ausschussvorsitzende dankt den Anwesenden für die konstruktive Mitarbeit und schließt die Sitzung.

 

 

Vorsitzender des Ausschusses 4:                                             Fachliche Ausschussunterstützung:

 

 

 

Univ.Prof. Dr. Bernd-Christian Funk e.h.                                Mag. Birgit Caesar e.h.