Protokoll

über die 7. Sitzung des Ausschusses 1

am 19. November 2003

im Parlament, Lokal IV

 

Anwesende Ausschussmitglieder:

 

Univ.Prof. DDr. Heinz Mayer              (Vorsitzender)

Univ.Prof. Dr. Bernhard Raschauer                 (Stellvertretender Vorsitzender)

 

Univ.Prof. Dr. Bernd-Christian Funk

Mag. Oliver Henhapel                         ( Vertretung für Elisabeth Gehrer)

Mag. Ulrike Schebach-Huemer                       (Vertretung für Dr. Michael Häupl)

Mag. Christopher Drexler                                (Vertretung für Waltraud Klasnic)

Dr. Evelin Lichtenberger

Univ.Prof. Dr. Reinhard Rack

Dr. Leo Specht

Dr. Richard Leutner                                        (Vertretung für Friedrich Verzetnitsch)

Dr. Günter Voith

Dr. Peter Wittmann

Dr. Klaus Wutte

 

Entschuldigt:

 

            Mag. Rüdiger Schender                                   (Vertretung für Mag. Herbert Haupt)

Univ.Prof. Dr. Theo Öhlinger

Manfred Dörler

 

Weitere Teilnehmer:

 

Markus Kroiher                                              (für Univ.Prof. Dr. Andreas Khol)

Dr. Marlies Meyer                                          (für Dr. Eva Glawischnig)

Mag. Ronald Faber                                         ( für Dr. Heinz Fischer )

 

Büro des Österreich-Konvents

 

Dr. Renate Casetti                                           (fachliche Ausschussunterstützung)

Birgit Mayerhofer                                            (Ausschusssekretariat)

 

Beginn:                        14.30 Uhr

Ende:                                       18.00 Uhr

 

Tagesordnungspunkte:

 

  1. Begrüßung und Eröffnung
  2. Genehmigung des Protokolls der sechsten Sitzung vom 10.November 2003
  3. Fortsetzung der Beratungen:

·        Textvorschlag Soziale Sicherheit und Arbeit („Existenzschutz“)

·        Staatsziel Umfassender Umweltschutz

·        Neuformulierung Textvorschlag „Daseinsvorsorge“

  1. Allfälliges

 

Tagesordnungspunkt 1: Begrüßung und Eröffnung

 

Der Vorsitzende begrüßt die Mitglieder und stellt die Anwesenheit fest. Er teilt den Mitgliedern mit, dass das Präsidium den Expertenvortrag von Herrn MR Mag. Lödl genehmigt hat.

 

Tagesordnungspunkt 2: Genehmigung des Protokolls der sechsten Sitzung

vom 10.11.2003

 

Das Protokoll wird mit folgender Änderung genehmigt (Seite 4; kursiv hervorgehoben):

 

2. Der gesundheitliche Aspekt bei der Leistungserbringung soll in die Formulierung integriert werden.

 

Tagesordnungspunkt 3:        Fortsetzung der Beratungen:

 

1. Staatsziel „Umfassender Umweltschutz“

2. Textvorschlag zur „Sozialen Sicherheit“ und

3. Textvorschlag zur „Arbeit“

4. Neuformulierung Textvorschlag „Daseinsvorsorge“

 

ad1) Die verfassungsgesetzliche Formulierung lautet (BGBl. Nr.491/1984):

 

§1 (1) Die Rupublik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zum umfassenden Umweltschutz.

 

(2) Umfassender Umweltschutz ist die Bewahrung der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen vor schädlichen Einwirkungen. Der umfassende Umweltschutz besteht insbesondere in Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft, des Wassers und des Bodens sowie zur Vermeidung von Störungen durch Lärm.

 

Diskutiert wird dazu:

 

-      Die Entstehungsgeschichte des Staatszieles Umweltschutz ( Reaktion auf Konrad-Lorenz-Volksbegehren, Hainburg)

-      Die derzeitigen Wirkungen des seit ca 20 Jahren bestehenden Staatszieles (Judikatur)

-      Die Änderung des Begriffsverständnis hinsichtlich Umwelt und Naturschutz und die Frage der Aktualisierung des Staatszieles Umfassender Umweltschutz

-      Die Wünsche bzw die Notwendigkeit, zusätzliche Inhalte festzuschreiben , zB Forderungen aus den Volksbegehren, Gentechnik und Biotechnologie ( auch mit begrifflichen Abgrenzungen )

-      Was soll bzw kann geschützt werden und ist es ausreichend abgrenzbar? Angeführt wurden: Die Funktionsfähigkeit ökologischer Systeme, der Schutz der Artenvielfalt, der Begriff „Lebensgrundlage“, das Vorsorgeprinzip und der Begriff der Nachhaltigkeit

-      Die Beibehaltung oder die Integration des Atom-BVG

-      Die Position des Gemeinschaftsrechts zum Umweltschutz, sowie deren Praxis ( Beispiel Kyoto-Protokoll )

-      Die durch die Natura 2000 und die Umweltverträglichkeitsprüfung auf gemeinschaftsrecht-licher Ebene gegebenen Gestaltungsschranken

-      Der Zusammenhang mit und die Behandlung als Grundrechte(n) ( Ausschuss 4)

 

Allgemein wurde diskutiert:

 

-      Das Verfassungsverständnis und die Frage, was einer verfassungsgesetzlich Verankerung bedarf sowie die Frage der Wertneutralität

-      Dürfen gemeinschaftsrechtliche Regelungen auf nationaler Ebene dupliziert (wiederholt) werden? Umfang der Verfassungsautonomie der Mitgliedsstaaten

-      Die Fragen der Aktualisierungsnotwendigkeit der Verfassung aufgrund gesellschaftlichen Wandels

-      Die Wichtigkeit der Balance der Staatsziele

-      Die Frage des normativen Gehaltes ( gewährleisten, anstreben oder bekennen) und ihre Folgen

-      Die normativen Wirkungen eines Systems von Staatszielen und ihre Entwicklung

 

Die Mitglieder erzielen Konsens, dass Umweltschutz als Staatsziel in der Verfassung bleiben soll.

 

Die Mitglieder kommen mehrheitlich ( eine Gegenstimme) überein, dass

 

aus der bestehenden Formulierung des Staatsziels Umweltschutz die Wörter „natürlichen“ und „als Lebensgrundlage des Menschen“ zu streichen sind.

 

Diese Formulierung soll mit einer Erläuterung zur Vermeidung von Einschränkungen und zur dynamischen Interpretation versehen werden. Im Ausschussbericht soll aufgenommen werden, dass eine Integration oder zumindest ein Fortbestehen des Atom-BVG anzustreben sei. Wie weit die Gentechnik in die Formulierung aufgenommen wird, ist noch offen.

 

Der Vorsitzende ersucht Univ.Prof. Dr.Raschauer, bis zur nächsten Sitzung einen diesbezüglichen Formulierungsvorschlag auszuarbeiten.

 

Ad2) Textvorschlag zur „Sozialen Sicherheit“

 

(1) Österreich ist ein Wohlfahrtsstaat und bekennt sich zu sozialer Gerechtigkeit und zur Sicherstellung eines hohen sozialen Schutzes.

(2) Diese Verantwortung umfasst insbesondere

-      die solidarische Absicherung bei Krankheit, Unfall, Alter, Arbeitslosigkeit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit und Mutterschaft;

-      die Herstellung von Chancengleichheit;

-      die Verbesserung der allgemeinen Lebens- und Arbeitsbedingungen;

-      die Bekämpfung sozialer Ungleichheit, Armut, Ausgrenzung und Diskriminierung

-      die Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau sowie des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

 

Diskutiert wird dazu:

 

-      Die Prämisse, dass der Textierungsvorschlag ein öffentlich-rechtliches Sozialver-sicherungssystem voraussetzt und keine anderen Formen der institutionellen Absicherung vorsieht (basiert auf Grundrechtskommission 1988)

-      Der Begriffsinhalt der Formulierung, zB Anreize für den AG, Behinderte einzustellen; ihre Abgrenzbarkeit ( zB „solidarische Absicherung“), ihre Erwerbszentriertheit ( Frage der Integration der „working poor“, der Scheinselbständigen und die Zuschusspflichtigen), Einbezug gesellschaftlicher Trends ( zB „Vaterschaft“)

-      Der Umfang der Formulierung: Wäre ein Schutz des Staates bei existenzieller Gefährdung ausreichend ? Fragen der Armutsdefinition ; vorhersehbare und unvorhersehbare Risiken; Einbezug ökonomischer Kriterien

-      Der diesbezüglich notwendige verfassungsgesetzliche Regelungsbedarf; soll die „Soziale Sicherheit“ allgemeiner oder ausdifferenzierter formuliert werden?

-      Der Vorschlag zur Aufnahme eines „ausgewogenen Wirtschaftswachstums“ in die Verfassung

-      Die Möglichkeit einer staatlichen Leistung oder Transferleistung

-      Ein Grundrecht für Soziale Sicherheit: Historische Gründe für Nichtexistenz, Notwendigkeit für Grundrecht

 

Allgemein wird dazu diskutiert:

 

-      Die Empfehlung, in Bezug auf einen Staatszielkatalog „minimalistisch“ zu denken

-      Das Staatsziel „Soziale Sicherheit“ gleichrangig mit Bildung und Umweltschutz zu berücksichtigen

 

Die Mitglieder erzielen Konsens, dass die Soziale Sicherheit in den Katalog von Staatszielen aufzunehmen sei.

 

Folgende Formulierungsvorschläge werden dazu konzipiert:

 

„ Österreich bekennt sich zu einem hohen Standard an Sozialer Sicherheit und strebt soziale Gerechtigkeit an.“

„ Österreich bekennt sich zur Sicherstellung eines hohen sozialen Standards auf solidarischer Grundlage.“

 

Da noch kein Konsens hinsichtlich des Textvorschlages zur „Sozialen Sicherheit“ besteht, ersucht der Vorsitzende die Mitglieder, über die Formulierungen bis zur nächsten Sitzung nachzudenken.

 

Ad 3) Textvorschlag zur „Arbeit“

 

(1) Österreich bekennt sich zur Bedeutung der menschlichen Arbeit als Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur Entfaltung der Persönlichkeit der Menschen.

 

(2) Diese Verantwortung umfasst insbesondere

-          die Ausrichtung der Sozial- und Wirtschaftspolitik am Ziel der Vollbeschäftigung unter Berücksichtigung hoher Qualität der Arbeit;

-          die Bereitstellung unentgeltlicher Arbeitsvermittlung, Berufsberatung und sonstiger Maßnahmen zur Wiedereingliederung in das Arbeitsleben;

-          die Gewährleistung sicherer, gesunder, gerechter und den menschlichen Bedürfnissen auch sonst entsprechender Arbeitsbedingungen, sowie deren wirksame Kontrolle;

-          die Förderung des sozialen Dialogs auf betrieblicher und überbetrieblicher Ebene.

 

Diskutiert wird dazu:

 

-      Die Frage nach den Begriffsinhalten der Formulierung ( grundsätzlich sind die Erwerbs-zentriertheit, die Absicherung und die Arbeitsbedingungen enthalten): Ist nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht zur Arbeit beinhaltet? Frage des Schutzes und der Ent-faltungsmöglichkeiten; wird zwischen Menschen mit und ohne Arbeit unterschieden? Was heißt „Hohe Qualität der Arbeitsbedingungen“?

-      Der Begriffsumfang der Arbeit an sich; ihren Stellenwert für den Menschen; die Summe der insgesamt vorhandenen Arbeit; die Möglichkeit, Arbeit zu teilen

-      Die Änderungsvorschlage für die vorliegende Formulierung: „Gesunde Arbeitsbeding-ungen“ als Pendant zur Gesundheit? Der Soziale Dialog auf betrieblicher und überbetrieb-licher Ebene ist Aufgabe der Sozialpartner; Kein Bekenntnis zur Arbeit, sondern zur Vollbeschäftigung ( Gemeinwohl als Optimum?)

-      Die Wirkungen der Formulierung: Wird das ArbVG durch das B-VG zementiert? Der erste Absatz präferiert ein Menschenbild

-      Die Regelungen der EU zum Sozialen Dialog – Verhältnis zur Sozialpartnerschaft

-      Der Abstimmungs- und Informationsbedarf über die Grundrechte (Ausschuss 4), „Arbeit“ sollte eher ein Staatsziel sein, da der Arbeitnehmerschutz eine staatliche Aufgabe ist

-      Wäre die Gewährleistung der Grundrechte als Staatsziel definieren?

 

Die Mitglieder sind sich einig, dass

 

Arbeit kein subjektives Recht, sondern eine Verpflichtung des Staates ist. Demjenigen, der arbeiten muss oder will, soll die Möglichkeit zur Arbeit geboten werden. Dabei sollte für menschenwürdige Bedingungen gesorgt sein.

 

Folgende Formulierungsvorschläge werden dazu konzipiert:

 

„Der Staat hat zu gewährleisten (ist dafür verantwortlich), dass Erwerbsarbeit unter menschlichen Bedingungen möglich ist.“

„Der Staat strebt nach Vollbeschäftigung unter Berücksichtigung sicherer, gesunder und menschenwürdiger Bedingungen.“

„Der Staat hat die (Voll)beschäftigung unter Berücksichtigung hoher Qualität der Arbeitsbedingungen zu fördern.“

 

Da noch kein Konsens hinsichtlich der Ausdifferenzierung der Textvorschlages zur „Arbeit“ besteht, ersucht der Vorsitzende die Mitglieder, über die Formulierungen bis zur nächsten Sitzung nachzudenken.

 

4. Neuformulierung Textvorschlag „Daseinsvorsorge“

 

Die Stellungnahme zur Aufnahme eines „Wirtschaftlichen Staatszieles“ und der Text-vorschlag zur Daseinsvorsorge sollen das nächste Mal gemeinsam diskutiert werden.

 

Generell fasst der Vorsitzende als Ergebnis zusammen, dass sich die Konzeption eines Staatszielkataloges abzeichnet. Es werden die einzelnen „Kandidaten“ im Ausschuss diskutiert und im Anschluss bezüglich der normativen Stärke beraten. Im Ausschussbericht sollen die Entwürfe samt Begründungen (auch das Spektrum der Meinungen) und die Erläuterungen dazu dargestellt werden.

 

Tagesordnungspunkt 5: Allfälliges

 

Es erfolgen keine Wortmeldungen.

 

 

Vorsitzender des Ausschusses 1:                                             Fachliche Ausschussunterstützung:

 

 

 

 

Univ.Prof. DDr. Heinz Mayer                                      Dr. Renate Casetti