APA0120 5 II 0406 CI                                  Fr, 06.Mai 2005

 

Justiz/Verfassung/Grundrechte/Veranstaltung/ÖJK/Oberösterreich

 

ÖJK-Tagung: Verfassungsbeschwerde gegen Gerichtsurteile umstritten

 

Utl.: Soyer plädiert für Einführung, OGH-Vertreter dagegen  =

 

   Wien (APA) - Über die Frage, ob Betroffene gegen Gerichtsurteile

Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof einlegen können sollen, wenn

sie sich in ihren Grundrechten verletzt sehen, wurde am Freitag

Vormittag bei der Tagung der Österreichischen Juristenkommission

(ÖJK) in Weißenbach am Attersee diskutiert. Der Wiener Rechtsanwalt

Richard Soyer sprach sich unter Kritik an der Rechtsprechung des

Obersten Gerichtshofes für eine Verfassungsbeschwerde aus. Zwei

Vertreter des Obersten Gerichtshofes wandten sich dagegen - und

plädierten dafür, den OGH als letzte Instanz zu belassen.

 

   Soyer sieht beim Grundrechtsschutz im Strafverfahren "großen

Handlungsbedarf" für den Gesetzgeber und hält auch die Judikatur des

OGH für änderungsbedürftig. Die verfassungsgesetzlich gewährleisteten

Rechte seien nicht lückenlos gesichert; selbst die 1993 eingeführte

Grundrechtsbeschwerde in Haftsachen biete keinen effektiven Schutz

des Grundrechts auf persönliche Freiheit. Die Rechtsprechung des OGH

sei restriktiv und die formalistischen Anforderungen an die

Begründung zu hoch. Soyer forderte auch mehr Fairness im Strafprozess

durch eine Reform von Haupt- und Rechtsmittelverfahren sowie der

Stärkung der Verteidigerrechte im neuen Vorverfahren.

 

   Eckart Ratz, Hofrat des OGH, verteidigte die Grundrechts-Judikatur

seines Gerichtshofes. Eine Verfassungsbeschwerde lehnte er ab, aber

er plädierte für die Ausweitung der für Haftsachen eingerichteten

Grundrechtsbeschwerde zu einer "alle verfassungsmäßig garantierten

subjektiven Rechte erfassenden Grundrechtsbeschwerde an den OGH". Mit

der Grundrechtsbeschwerde in Haftsachen habe der Gesetzgeber dem OGH

die Wahrung der grundrechtlichen Vorschriften ausdrücklich als

Aufgabe übertragen. Ratz verwies allerdings darauf, dass in den

häufigen Fällen, wo der Instanzenzug beim Landes- oder

Oberlandesgericht endet, der OGH diese Aufgabe nur erfüllen könne,

wenn sie von der Generalprokuratur über die Nichtigkeitsbeschwerde an

ihn herangetragen wird; der Betroffene hat kein Antragsrecht.

 

   Eine "Urteilsbeschwerde" bei der dann vierten Instanz VfGH lehnte

auch der Leiter des Evidenzbüros des OGH, Gerhard Kuras, in seinem

Freitag Nachmittag gehaltenen Vortrag ab, erwägenswert ist aus seiner

Sicht aber die Möglichkeit der Gesetzesbeschwerde an den VfGH. Gegen

die "Urteilsbeschwerde" spreche, dass der Prüfungsgegenstand nicht

trennbar sei, dass es zu Doppelgleisigkeiten und Verfahrensblockaden

käme. Verfahrensverzögerungen von ein bis zwei Jahren und höhere

Kosten wären die Folge, warnte Kuras.

 

   Der Rechtsanwalt und ÖJK-Generalsekretär Armin Bammer betonte,

dass Grundrechte in den letzten Jahren auch von Zivilgerichten

zunehmend zur Lösung von Auseinandersetzungen herangezogen würden,

vor allem im Bereich des Urheber- und Persönlichkeitsschutzes. Die

Abgrenzung kollidierender Interessen obliege in erster Linie dem

Gesetzgeber. Hat ein ziviles Rechtsmittelgericht Bedenken gegen die

Verfassungsmäßigkeit eines Eingriffs, kann es das für seine

Entscheidung präjudizielle Gesetz bei VfGH anfechten. Diesen Weg

seien die Zivilgerichte bei der Lösung typisch zivilgerichtlicher

Streitigkeiten bisher aber noch nicht gegangen.

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APA0120    2005-05-06/10:00

 

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