Österreich-Konvent
6. Sitzung,
Montag, 15. Dezember 2003
1.) Vorschlag
des Präsidiums für die Anhörung (Hearing) von Vertretern/Vertreterinnen
gesellschaftlicher Organisationen und Interessen-vertretungen am 26. Jänner
2004 (10/PVORL-K)
2.) Anhörung
(Hearing) von Vertretern/Vertreterinnen gesellschaftlicher Organisationen und
Interessenvertretungen gem. §11 der Geschäftsordnung des Österreich-Konvents am
15. Dezember 2003 (11/PVORL-K)
Inhalt
Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler.............................. 3
Mag. Michaela Moser............................................................................................ 4
Martin Schenk........................................................................................................ 5
Franz Küberl.......................................................................................................... 6
Mag. Michael Chalupka......................................................................................... 8
Mag. Walter Marschitz........................................................................................ 10
Mag. Monika Maier.............................................................................................. 12
Dr. Rainer Bauböck............................................................................................. 13
Elisabeth Paschinger.......................................................................................... 15
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler............................ 16
Erich Fenninger................................................................................................... 16
Mag. Michael Svoboda....................................................................................... 19
Dr. Christina Meierschitz................................................................................... 20
Rita Donabauer.................................................................................................... 21
Mag. Michael Krispl............................................................................................. 23
Mag. Silvia Weißenberg...................................................................................... 25
Hedi Schnitzer..................................................................................................... 27
Mümtaz Karakurt................................................................................................. 29
Mag. Marko Iljic.................................................................................................... 31
Dr. Georg Schoiswohl......................................................................................... 33
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner.. 35
Dr. Wolfgang Neugebauer.................................................................................. 35
Josef Mitterhofer................................................................................................. 36
Martin May............................................................................................................ 38
Helga Pankratz..................................................................................................... 39
Dr. Helmut Graupner........................................................................................... 41
Mag. Christopher Drexler.................................................................................. 42
Mag. Johanna Ettl................................................................................................ 44
Dr. Herbert Haller................................................................................................ 46
MMag. Dr. Madeleine Petrovic.......................................................................... 47
Dr. Kurt Stürzenbecher...................................................................................... 48
Dr. Ewald Wiederin.............................................................................................. 49
Dr. Bernd-Christian Funk................................................................................... 51
Dr. Peter Bußjäger.............................................................................................. 52
Mag. Herbert Schaupp........................................................................................ 52
Dipl.-Ing. Martin Blum......................................................................................... 54
Mag. Erwin Mayer................................................................................................ 55
Thorben Becker.................................................................................................. 57
Mag. Franz Maier................................................................................................. 58
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer..... 60
Andreas Tschuguell............................................................................................ 60
Dipl.-Ing. Gerald Plattner.................................................................................... 60
Mag. Peter Haßlacher......................................................................................... 62
Dr. Regina Binder................................................................................................ 63
Dr. Franz Löschnak............................................................................................. 64
Felix Netopilek..................................................................................................... 66
Robert Bauer....................................................................................................... 67
Mag. Fritz Smoly.................................................................................................. 68
Dr. Peter Kostelka............................................................................................... 70
Dr. Evelin Lichtenberger.................................................................................... 71
Dr. Reinhard Rack............................................................................................... 72
Dr. Bernhard Raschauer.................................................................................... 73
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer..... 74
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich darf Sie ersuchen, die Plätze einzunehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie recht
herzlich zur heutigen Sitzung des Österreich Konvents begrüßen. Ich begrüße
ganz besonders die für heute geladenen Vertreter der Bürgergesellschaft und
darf ganz kurz auf die Tagesordnung eingehen.
Die Tagesordnung umfasst zwei Punkte. Als Punkt eins den
Vorschlag des Präsidiums für die Anhörung weiterer Vertreter der
Bürgergesellschaft am 26. Jänner 2003 und als Tagesordnungspunkt zwei
die Anhörung jener Interessensvertreter, die vom Konvent am 21. November 2003
beschlossen wurden.
Ich komme nun zum Tagesordnungspunkt
1, dem Vorschlag des Präsidiums für die Anhörung der
Interessensvertreter am 26. Jänner 2004. Dieser Vorschlag ist Ihnen
gemeinsam mit der Einladung zugegangen, und er liegt überdies auf den Pulten
auf, so dass Sie auch dort noch Einsicht nehmen können.
Wir kommen zur Abstimmung über diesen Vorschlag des
Präsidiums und ich darf jene Mitglieder des Konvents, die mit diesem Vorschlag
einverstanden sind, um ein Zeichen der Zustimmung bitten. Die Gegenprobe. Wer
ist gegen diesen Vorschlag des Präsidiums? Es gibt keine Gegenstimme. Ich
stelle daher die einstimmige Annahme dieses Vorschlags des Präsidiums fest.
Wir gelangen zum Tagesordnungspunkt
2, der Anhörung der Interessensvertreter in der heutigen Sitzung.
Auch diesbezüglich liegt Ihnen eine Unterlage vor. Wir werden in der heutigen
Sitzung Vertreter aus den Bereichen Soziales, Menschen mit Behinderungen,
Minderheiten, Umwelt und Sport hören. Es sind für die einzelnen Vertreter
unterschiedliche Redezeiten vorgesehen. Ich darf in diesem Zusammenhang für die
Vertreter der Interessensorganisationen Folgendes zur Klarstellung ausführen:
Es wird, wenn die Redezeit bis zu fünf Minuten beträgt, eine Minute vor Ablauf
der Redezeit die rote Lampe beim Rednerpult aufleuchten. Wenn die Redezeit mehr
als fünf Minuten beträgt, dann leuchtet die rote Lampe bereits zwei Minuten vor
Ablauf der Redezeit auf, so dass Sie sich daran orientieren können, wie viel
Zeit Ihnen noch bleibt. Ich werde vor jedem Redner auch ausführen wie lange die
Redezeit im konkreten Fall ist. Wir werden nach der Anhörung der Vertreter der
Minderheiten die Möglichkeit haben, dass maximal 18 Diskussionsbeiträge von
Mitgliedern des Konvents folgen können, wobei diesbezüglich die übliche
Redezeitbeschränkung für Konventsmitglieder von fünf Minuten gelten wird.
Unmittelbar im Anschluss daran wird es zur Anhörung der
Vertreter aus dem Bereiche Umwelt kommen. Es findet daher, und darauf möchte
ich besonders aufmerksam machen, heute keine Mittagspause statt, sondern es
wird durchverhandelt. Im Anschluss an die Anhörung der Vertreter aus dem
Bereich Sport wird wiederum die Möglichkeit für maximal 18 Diskussionsbeiträge
von Mitgliedern des Konvents mit der Redezeitbeschränkung von fünf Minuten
bestehen. Wir haben uns informell vorgenommen, die Sitzung heute spätestens um
16.00 Uhr zu beenden, was damit
zusammenhängt, dass gewisse Veranstaltungen im Parlamentsgebäude stattfinden
und wir nicht in Kollision mit diesen geraten wollen.
Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr.
Heinz Fischer : Es
handelt sich um die Weihnachtsfeier des Hauses.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler : Herr Präsident! Sie bringen das sehr deutlich zum
Ausdruck, aber ich wollte es nicht so deutlich sagen. Jedenfalls haben wir uns
vorgenommen bis 16.00 Uhr die Sitzung zu beenden.
Ich darf nun den ersten Bereich der
Interessensvertretungen, die heute gehört werden, aufrufen. Das ist der Bereich
Soziales, und von diesem werden wiederum zwei Vertreter beziehungsweise
Vertreterinnen der Armutskonferenz das Wort ergreifen. Als Erste zu Wort
gemeldet hat sich Frau Mag. Michaela Moser. – Bitte, Frau
Magistra ! Ich mache auf die sechsminütige Redezeitbeschränkung
aufmerksam. – Bitte, um ihre Wortmeldung.
Mag. Michaela Moser:
Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr
geehrte Mitglieder des Konvents! Damen und Herren!
Armut ist Kälte. Arm sein in
Österreich bedeutet, sich das Beheizen der eigenen Wohnung nicht leisten zu
können, in Wohnungen mit undichtem Dach, Fäulnis oder feuchten Wänden zu leben
oder gar keine Wohnung zu haben. Es bedeutet, Schwierigkeit bei der Anschaffung
von Kleidern und beim Kauf von Lebensmitteln zu haben.
Armut macht krank. Wer in akuter Armut
lebt, ist doppelt so oft krank wie nicht Arme. Mit fallendem Einkommen sinkt
auch die Lebenserwartung.
Armut macht einsam. Wer von Armut
betroffen ist, hat wenig Möglichkeiten, die für alle Lebensbereiche so notwendigen
sozialen Kontakte zu pflegen.
Armut bedeutet einen Mangel an
Möglichkeiten. Wenn der Zugang zu Wohnraum, zu Bildung, zum Arbeitsmarkt, zur
Gesundheitsvorsorgung eingeschränkt ist, können auch die Rechte und Pflichten
als Bürgerinnen und Bürger dieses Landes nur sehr eingeschränkt wahrgenommen
werden. Wer arm ist, hat keine Möglichkeiten in angemessenem Ausmaß an
zentralen gesellschaftlichen Bereichen teilzuhaben.
Vier Prozent der Bevölkerung, das sind
310 000 Menschen in Österreich, sind von akuter Armut betroffen. Knapp ein
Drittel davon sind Kinder und Jugendliche. Fast dreimal so viele Personen, also
fast 900 000 Menschen, leben an der Armutsgrenze und damit mit dem ständigen
Risiko, in Armut zu fallen. Die Armutskonferenz versteht sich als Lobby dieser
Menschen, die keine Lobby haben und deren Stimme normalerweise nicht gehört
wird. In diesem Zusammenhang bedanke ich mich für das positive Signal, das
dieses Hearing auch darstellt.
Als Zusammenschluss von weit über 20
Organisationen, darunter die Caritas, die Diakonie, die Volkshilfe,
SOS-Mitmensch, das Netzwerk der Frauenberatungsstellen, die Schuldnerberatungen
und viele mehr, basiert unsere Arbeit auf den unmittelbaren Erfahrungen der
Lebensrealität der von Armut betroffenen Kindern, Frauen und Männern sowie auf
empirischen und sozialwissenschaftlichen Befunden und Erkenntnissen.
Unser Ziel ist die Verbesserung der
Lebenssituation armutsbetroffener und armutsgefährdeter Menschen und der
Einsatz für eine sozial integrative Gesellschaft. Dazu braucht es entsprechende
Rahmenbedingungen und Verwirklichungschancen für alle Bewohnerinnen und
Bewohner dieses Landes, damit deren Möglichkeiten, ein gutes Leben zu führen
und das eigene Potential auch im Sinne des Gemeinwohls zu nutzen, steigen.
Der Österreich Konvent hat sich die
Aufgabe gestellt, eine Verfassung für das 21. Jahrhundert zu entwerfen. Die
dafür notwendige Revision der zentralen Staatsaufgaben braucht
Zukunftsvisionen, die realitätsnahe sind und sich der Frage stellen, wie wir in
diesem Land miteinander leben wollen und sollen und welcher festgeschriebener
Ziele und Werte es dafür bedarf.
Nicht ohne Grund nennt der Entwurf zur
Verfassung der Europäischen Union - und dieser Bereich ist unstrittig - die
Förderung sozialer Gerechtigkeit und des sozialen Zusammenhalts als wichtiges
Ziel der Gemeinschaft und schreibt in der Folge fest, dass diese in all ihren
Aktivitäten auch die Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung mitzubedenken habe.
Österreich darf und kann dem nicht nachstehen und muss folglich auch in der
eigenen Verfassung der Bekämpfung und Vermeidung von Armut und Ausgrenzung und
der Sicherung des sozialen Zusammenhalts als prioritäre Aufgabe eines
Gemeinwesens Rechnung tragen.
Die angestrebte Steigerung der
Effizienz staatlichen Handelns muss diesem Ziel zugeordnet sein.
Gesamtösterreichisches Interesse, wie es in der Verfassung zum Ausdruck kommt,
muss es sein zu verhindern, dass zunehmend mehr Menschen im siebtreichsten Land
der Welt in Armut leben. Dazu braucht es ein gelingendes Zusammenspiel aller
gesellschaftlich relevanter Sektoren und Akteure. Das sind neben den
Institutionen staatlicher Politik auch die Akteure des Marktes, der
zivilgesellschaftliche dritte Sektor und die privaten Haushalte, also die
Bewohner und die Bewohnerinnen des Landes.
Unabdingbare Aufgabe des Staates ist
es, dabei für die notwendigen Rahmenbedingungen zu sorgen und jene sozialen
Grundrechte zu sichern, die allen Bewohnerinnen und Bewohnern die Chance geben,
das eigene Potential und die vorhandenen Möglichkeiten angemessen nutzen und
erweitern zu können und damit zur Sicherung und Zunahme von Lebensqualität
beizutragen. Ich danke Ihnen.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke auch, Frau Magistra. Als nächster zur Wort
gemeldet ist Herr Martin Schenk, gleichfalls von der Armutskonferenz. Ich mache
auf die sechsminütige Redezeit aufmerksam. Bitte sehr.
Martin Schenk: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte
Damen und Herren!
Wie wir gehört haben, wie Michaela Moser ausgeführt hat,
ist Armut eine der existentiellsten Formen des Freiheitsverlustes, des
Verlustes von Freiheiten. Armut ist ja nicht nur ein Mangel an Gütern, es geht
immer auch um die Fähigkeit, diese Güter in Freiheiten umzusetzen. Was meine
ich damit? Güter sind begehrt um der Freiheiten willen, die sie einem
verschaffen. Zwar benötigt man dazu Güter, aber es ist nicht allein der Umfang
der Güter, der bestimmt, ob diese Freiheit vorhanden ist.
Die Freiheit - zum Beispiel - über Raum und über Mobilität
zu verfügen, aus einem heruntergekommenen Bezirk wegzuziehen oder eben nicht
wegziehen zu können, oder die Verfügbarkeit über Zeit. Frauen mit Kindern in
prekären und unsicheren Beschäftigungsverhältnissen wie Leiharbeit, die nicht
entscheiden können, wann sie arbeiten und wann nicht, wann sie die Arbeit
beginnen können und wann nicht. Das heißt, die Möglichkeit, seine Vorstellungen
von einem guten Leben zu verwirklichen, hängt auch von den gesellschaftlichen
Strukturen ab. Von Lebensgewohnheiten, von sozialen Techniken und vom
gesellschaftlichen Reichtum.
Armut, und da bin auch dann schon beim Kern, Armut wird
deshalb nicht nur und nicht allein durch die Ermöglichung von höheren Einkommen
bekämpft, sondern auch zum Beispiel durch eine bessere Gesundheitsversorgung
für Einkommensschwache oder durch die Beseitigung feuchter Substandardwohnungen
oder wenn die Zukunft nicht von der Herkunft abhängig ist oder wenn Kinder
gleiche Bildungschancen haben oder wenn man vom Job, den man hat, auch leben
kann, wenn Qualifizierung am Arbeitsmarkt für Benachteiligte möglich und
finanzierbar ist.
Das heißt, wer von Armutsbekämpfung spricht, darf zur
Armutsvermeidung nicht schweigen. Beides gehört untrennbar zusammen. Wenn Sie
sich unsere Gesellschaft vorstellen wie ein Haus mit unterschiedlichen
Stockwerken und in diesen Stockwerken sind Lebenschancen, Armut und Reichtum
ungleich und unterschiedlichst verteilt, dann brauchen wir zum einen ein Netz
nach unten, damit niemand in den
dunklen Keller dieses Hauses fällt. Das ist Existenzsicherung, das ist
Armutsbekämpfung. Wir brauchen aber auch Aufzüge und offene Stiegenhäuser nach
oben, damit nicht ganze Bevölkerungsgruppen im untersten Stockwerk
eingeschlossen bleiben. Das ist soziale Integration.
Beides hat mit der Erhöhung von Verwirklichungschancen zu
tun und beides hat mit der Erhöhung von Handlungsspielräumen zu tun und beides
hat mit der Erhöhung von Freiheiten für Benachteiligte zu tun. Das heißt, bei
der Armutsbekämpfung geht es immer um Existenzsicherung nach unten und um
soziale Integration nach oben.
Nun zum Zweiten, zur Armutsvermeidung, die ja untrennbar
mit Armutsbekämpfung zusammen gehört. Armutsvermeidung heißt zu verhindern,
dass immer mehr Menschen in unserem Haus abstürzen und gar in den dunklen
Keller fallen und dort verschwinden. Öffentliche Dienstleistungen beziehen ihre
Legitimität und auch ihre Anerkennung daraus, dass sie - von allen finanziert -
auch allen in gleicher Qualität und Verfügbarkeit zugänglich sind. Ihre
Bereitstellung bildet einen integralen Bestandteil nicht bloß des
österreichischen, sondern des europäischen Wohlfahrtsmodells.
Öffentliche Güter und Dienstleistungen gehören also zum Reichtum
einer modernen Gesellschaft und sind Ausdruck von Solidarität;
einkommensschwache Personen können Dienstleistungen in guter Qualität nicht
kaufen. Sie haben keine Wahl. Insofern ist ihre Bereitstellung wesentliches
Element einer präventiven Politik gegen Armut. Welche Folgen es für den
sozialen Zusammenhalt hat, öffentliche Güter und Dienstleistungen aus dem
sozialstaatlichen Aufgabenkatalog auszugliedern, zeigt der Blick auf Länder wie
Großbritannien. Dort heißt es „poor services für poor people.“ Also armselige
Dienste für arme Leute. Nur allzu schnell verselbstständigt sich nämlich der
Trend weg von universellen, sozialen Bürgerrechten hin zur selektiven,
unsicheren, almosenhaften Armenfürsorge. Alles Armutsstudien weisen darauf hin.
Da gibt es keine Ausnahme europaweit, dass Staaten mit der Absicherung sozialer
Risken für eine breitere Bevölkerung und mit solidarisch finanzierten
Dienstleistungssystemen die geringsten Armutsquoten haben. Das heißt, diese
Systeme wirken offensichtlich stark präventiv. Diese empirischen Befunde möchte
ich gern der Arbeitsgruppe Staatsziele und Staatsaufgaben zu bedenken geben.
So braucht es zusammenfassend Maßnahmen, erstens Maßnahmen,
die die Betroffenen nicht bevormunden, sondern ihre Freiheitsmöglichkeiten und
Handlungsmöglichkeiten erweitern. Es braucht zweitens den Zugang zu sozialen
Dienstleistungen und Qualität. Beides zusammen: Dienstleistungen mit Qualität,
für alle unabhängig von Einkommen und Herkunft und nicht zuletzt braucht es
soziale Grundrechte für alle, statt Almosen für wenige. Vielen Dank.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön.
Als nächster Redner ist Herr Präsident Franz Küberl von der Caritas Österreich
vorgemerkt. Bitte sehr, Herr Präsident!
Franz Küberl: Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und
Herren Mitglieder des Konvents!
Als Wohlfahrtsorganisation der katholischen Kirche ist die
Caritas in nahezu allen sozialen Brennpunkten tätig. Aus zweierlei Gründen ist
eine entsprechende Fokussierung im verfassungsrechtlichen Diskurs
unverzichtbar. Zum einen: An den Rändern des Lebens ist die Achtung der
Menschenwürde in vielfältiger Form in Gefahr und an den Rändern der
Gesellschaft ist die Wahrung der Menschenrechte in besonderer Art und Weise
gefordert.
Zweitens: Das solidarische Gefüge einer Gesellschaft muss
daran gemessen werden, wie mit den Schwächsten - biblisch gesprochen mit den
Geringsten - umgegangen wird. Die gegenüber dem Konvent formulierte
Grundposition der christlichen Kirchen wird von der Caritas umfassend geteilt.
Ein Bezug zu den religiösen Wurzeln und damit zu Gott sei dann gegeben,
erläuterte vor kurzem Kardinal Christoph Schönborn, wenn der Mensch, der nach
dem Bild Gottes geschaffen ist, in der Mitte steht.
Daher zu den einzelnen Positionen:
Erstens: Achtung der Menschenwürde. Die Würde des Menschen
ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen, die unverletzlichen und
unveräußerlichen Menschenrechte sind Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft
des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. Sie sind zu wahren und zu
sichern. Ein großer Mangel in der österreichischen Verfassung ist, dass die
Achtung und der Schutz der Menschenwürde keine explizite Erwähnung finden.
Dies, obwohl die Menschenwürde in vielerlei Hinsicht heute in Gefahr ist.
Zweitens: Grundrecht auf Leben. Das Recht jedes Menschen
auf das Leben wird gesetzlich geschützt, die Tötung auf Verlangen wird als
Verletzung dieses Artikels betrachtet. Jeder Mensch ist Abbild Gottes und hat
ein Recht auf Leben. Das Recht auf Leben soll durch das Verbot der aktiven
Sterbehilfe ergänzt und konkretisiert werden. Aufgrund der dramatischen
Erfahrungen mit Euthanasieprogrammen im Nazi-Regime und der damit
zusammenhängenden historischen Verantwortung Österreichs verlangt die Caritas
die Aufnahme dieser Zusatzbestimmung in die Verfassung.
Drittens: Verfassungsbekenntnis zur Gleichheit aller
Menschen.
1. Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
2. Männer und Frauen sind gleichberechtigt; der Staat
fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und
Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
3. Die Republik Österreich bekennt sich zur Stärkung des
solidarischen Miteinanders der Bürger und Bürgerinnen unabhängig von ihrer
Staatsbürgerschaft. Die kulturelle, religiöse, sprachliche und ethnische
Vielfalt ist anzuerkennen und zu fördern.
4. Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit. Österreich ist eine
demokratische und dem rechtsstaatlichen Prinzip verpflichtete Republik. Das
Rechtsstaatsprinzip als solches ist in der Verfassung nicht ausdrücklich
verankert. Seine ausdrückliche Normierung ist anzustreben. Aus Sicht der
Caritas hätte sich dieses Prinzip bei zurückliegenden Novellierungen im Bereich
Fremdenrecht oder dem Asylrecht eine stärkere Akzentuierung verdient. Zudem ist
auch die oft nicht nachvollziehbar lange Dauer der Verfahren vor Gerichten und
Behörden im Hinblick auf das Vertrauen der Bevölkerung in das
Rechtsschutzsystem äußerst problematisch. Dies kann bei Menschen in finanziell
angespannten Situationen zu Notlagen führen, die zu vermeiden wären. Konkret
erwähnt seien hier der Vollzug der Sozialhilfe in einzelnen Bundesländern,
Delogierungsprobleme, Unterhaltsvorschussverfahren und auch das Fremdenrecht.
5. Bekenntnis zur ökosozialen Marktwirtschaft. Es ist die
Aufgabe des Staates, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen und
Regulierungen vorzunehmen, um ökonomische, soziale und ökologische Ziele
nachhaltig in Einklang zu bringen. Marktwirtschaft und Wohlfahrtsstaat brauchen
einander wie der Fisch das Wasser. Daher muss sie auch den sozialen
Bedürfnissen der Menschen dienen und Belange der künftigen Generationen und der
Umwelt beinhalten.
6. Verankerung des Prinzips des Wohlfahrtsstaates in der
Verfassung. Die Republik bekennt sich zur sozialen Verantwortung. Diese umfasst
die Vermeidung und Bekämpfung von Armut, die Wahrung der sozialen Sicherheit,
die Erhaltung der Gesundheit der Menschen sowie Förderung und Sicherstellung
des Zugangs zur Bildung für alle.
7. Grundrecht auf Existenzsicherung. Wer in Not gerät und
nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung
und auf jene Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unterlässlich sind.
8. Grundrecht auf Asyl. Verfolgte im Sinne der Genfer
Flüchtlingskonvention haben ein Recht auf Asyl. Flucht und Verfolgung waren und
sind Gegenstand heftigster politischer und rechtlicher Auseinandersetzungen,
die grundrechtliche Verbürgerung hätte menschenrechtlichen Signalcharakter und
würde den jeweiligen einfachen Gesetzgeber zu einer höheren Sensibilität bei
der Ausarbeitung rechtlicher Normen verpflichten – und ein Bekenntnis zur
internationalen Solidarität, weil sich die Republik zur aktiven Wahrnehmung der
aus dem globalen Solidaritätsgedanken erwachsenden Aufgaben verpflichten muss.
Die kurze Redezeit erlaubt es mir nicht, alle Vorschläge der Caritas hier
auszuführen. Was die Umsetzung der Kinderrechtskonvention und die
Weiterentwicklung des Menschenrechtsbeirates angeht, verweise ich auf die
Beiträge von Licht ins Dunkel bzw. Diakonie. Der Konvent wird außerdem eine
schriftliche Fassung unserer Vorlagen erhalten.
Sehr geehrte Konventsmitglieder! Ich danke Ihnen für Ihre
Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen Augenmass und Mut, Pfiffigkeit und Kreativität
beim Zimmern des Zukunftsrahmens unserer Republik. Dankeschön.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke, Herr Präsident Küberl. Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr
Direktor Chalupka von der Diakonie Österreich. Bitte sehr; 6 Minuten
Redezeitbeschränkung.
Mag. Michael Chalupka: Sehr geehrter Herr
Präsident, hohe Konventsversammlung!
Die Diakonie ist eine der fünf großen
Wohlfahrtsorganisationen Österreichs. Sie ist bundesweit in allen Bundesländern
in den verschiedensten Bereichen der sozialen Arbeit tätig und verfügt deshalb
über Erfahrungen über die Handhabung der Wohlfahrt in allen Bundesländern,
insbesondere in den Bereichen der Arbeit mit Menschen mit Behinderung, der
Pflege kranker und alter Menschen, der Jugendwohlfahrt sowie der Sozialberatung
und Unterstützung von Hilfe suchenden Menschen verschiedenster Herkunft. Wir
sind dankbar für die Einladung und dankbar, aus dieser Erfahrung heraus einen
Beitrag zur laufenden Verfassungsreform leisten zu dürfen.
Die Diakonie tritt zunächst für eine Reihe von
Grundrechtsverbürgungen in die neue österreichische Verfassung ein. Von
besonderer Wichtigkeit erscheint uns:
-
der Schutz der Menschenwürde und
- die Sicherung und Förderung der
Grundfreiheiten und Menschenrechte, einschließlich der sozialen Grundrechte,
wie sie in der Sozialcharta des Europarates und in der EU-Grundrechtscharta
niedergelegt sind.
Das Prinzip der Achtung der Menschenwürde liegt als
allgemeiner Wertungsgrundsatz unserer Rechtsordnung zugrunde, kommt insbesondere
in den Freiheitsrechten und in den sozialen Rechten der Verfassung zum
Ausdruck. Die Formulierung könnte der EU-Grundrechtscharta folgen:
Die Würde des Menschen ist unantastbar, sie ist zu achten
und zu schützen.
Im Zusammenhang mit Grundrechtsfragen weist die Diakonie
darauf hin, dass Österreich sowohl bei der Umsetzung der Sozialcharta des
Europarates, bei der EU-Grundrechtscharta, wie auch bei der Umsetzung der
UN-Kinderrechtskonvention säumig ist. Darüber hinaus schließt sich die Diakonie
der Empfehlung aller christlichen Kirchen in Österreich an, die
Bioethikkonvention des Europarates zu ratifizieren.
Zur Sicherung der unabhängigen Kontrolle der Einhaltung der
Menschenrechte durch die Exekutive der Republik Österreich empfiehlt die
Diakonie die Unabhängigstellung des Menschenrechtsbeirates, seine Verankerung
in der Verfassung sowie die Erweiterung seines Mandats, neben dem Bereich der
inneren Sicherheit, auf die Justiz.
Die Diakonie unterstützt weiters den Wunsch aller
christlichen Kirchen, dass in der neuen österreichischen Bundesverfassung der
staatlichen Tätigkeit klare Ziele gesetzt werden.
Aus unserer Sicht sind das insbesondere Folgende:
- Die nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung,
Wohlfahrt und Wettbewerbsfähigkeit Österreichs,
- die Stärkung des gesellschaftlichen
Zusammenhalts der Solidarität und eines Lebens in Beziehungen,
- die
Gewährleistung einer Existenzsicherung für alle
- und im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes: „Alle
Menschen sind vor dem Gesetz gleich“ die Gleichbehandlung von behinderten und
nicht behinderten Menschen.
- Weiters die Sicherung der für das Verständnis
und für die Praxis aller Staatsziele geeigneten Bildung und Weiterbildung,
- Gewährleistung
und Förderung der gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrt.
Aus der Tätigkeit und den Erfahrungen der Diakonie ergibt
sich ein unmittelbarer Konnex zwischen dem Ziel der Solidarität, dem
Gleichheitsgrundsatz und der föderalen Strukturiertheit und Kompetenzaufteilung
der Republik Österreich.
Ich möchte das am Beispiel der Gleichbehandlung von
Menschen mit Behinderungen zeigen. Der Passus: „Niemand darf wegen seiner
Behinderung benachteiligt werden. Die Republik bekennt sich dazu, die
Gleichbehandlung von behinderten und nicht behinderten Menschen in alle
Bereiche des täglichen Lebens zu gewährleisten“ findet sich schon heute in der
Verfassung.
Maßnahmen, die aus diesem Staatsziel folgen, können ohne
Zweifel föderal gegliedert werden, müssen aber dem Gleichheitsgrundsatz
unterliegen, denn Behinderungen sind nicht föderal gegliedert. Unserer
Erfahrung nach sind derzeit aber die Maßnahmen in den einzelnen Bundesländern
weder gleichartig noch gleichmäßig, Quantität und Qualität differieren im
großen Maße; das gilt sowohl für eine behindertengerechte Bauweise, wie für das
Integrationswohn- oder Therapieangebot.
Dieser Konnex zwischen Solidarität, Gleichbehandlung und
föderaler Struktur gilt in gleicher Weise für die Bereiche der Betreuung und
Pflege alter Menschen, der Jugendwohlfahrt sowie der Sozialhilfe und
Existenzsicherung, bei der neben den Maßnahmen, die weder gleichartig noch
gleichmäßig in den einzelnen Bundesländern gestaltet sind, noch dazukommt, dass
Existenzsicherung teils auf die Staatsbürgerschaft bezogen wird, obwohl die
Geltung des Gleichheitsgrundsatzes unter Migrantinnen nach herrschender Lehre
ein Faktum ist.
In ähnlicher Weise gilt dies für das gemeinsam mit den
Kirchen vorgeschlagene Staatsziel, das für das Verständnis und die Praxis aller
Staatsziele geeignete Bildung und Weiterbildung sicher zu stellen ist. Gerade
im Bereich der Aus- und Weiterbildung, im Bereich der Sozialbetreuungsberufe
für Menschen mit Behinderung, alte Menschen und Familien kann von gleichartiger
oder gleichmäßigen Maßnahmen oder vergleichbaren qualitativen Standards nicht
gesprochen werden.
Ein weiteres und schließlich letztes wichtiges Staatsziel
erscheint der Diakonie die Gewährleistung und Förderung der gemeinnützigen
Träger der freien Wohlfahrt, dies umso mehr, da derzeit auf Ebene der
Europäischen Union die Frage, inwieweit soziale Dienstleistungen im Rahmen der
Daseinsvorsorge dem europäischen Wettbewerbsregeln unterliegen, noch nicht
geklärt ist. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön. Nächster Redner ist Herr Mag. Marschitz,
Geschäftsführer des Österreichischen Hilfswerkes. Bitte sehr; 6 Minuten
Redezeitbeschränkung
Mag. Walter Marschitz: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte
Mitgliederinnen und Mitglieder des Konvents! Liebe Kolleginnen aus dem
NGO-Bereich!
Wir haben am Wochenende das Scheitern der EU-Bemühungen um
eine europäische Verfassung erlebt. Wir hoffen, dass das, was sich auf
europäischer Ebene abgespielt hat, hier in Österreich nicht passiert.
Umso wichtiger halten wir daher neben dem Dialog der
Institutionen auch eine breite öffentliche Debatte und die Beteiligung der
Zivilgesellschaft an der Konventsdiskussion.
Welche Erwartungen richten wir als Hilfswerk, das als
Non-Profit-Organisation mit über 6.000 Mitarbeitern und Mitarbeiterninnen in
den Bereichen Soziales, insbesondere Hauskrankenpflege, Gesundheit, Jugend und
Familie österreichweit tätig ist, an den Konvent?
Ich möchte drei Punkte herausgreifen.
Erstens: Wir erwarten uns klare Grundrechts- und
Staatszielbestimmungen, die auch den sozialen Bereich umfassen.
Wir erwarten uns zweitens eine Vereinfachung der Rechts-
und Kompetenzordnung, die nicht nur uns die Arbeit erleichtert, sondern auch
verhindert, dass die Verantwortung in gesellschaftlich wichtigen Bereichen von
einer Gebietskörperschaft zur anderen hin und her geschoben wird.
Wir erwarten uns drittens eine effiziente Verwaltung, die
Aufgaben dort lokalisiert, wo sie am besten und effizientesten bewältigt werden
können und finanzielle Spielräume für die dringendsten Zukunftsaufgaben unseres
Landes, wie Altenpflege, Gesundheit, Ausbildung und Forschung schafft.
Lassen Sie mich diese Punkte etwas explizieren.
Zu den Grundrechten und Staatszielbestimmungen: Das
Österreichische Hilfswerk unterstützt die explizite Aufnahme von Grundrechten
und Staatszielbestimmungen in die neue Verfassungsurkunde und fordert deren direkt-demokratische
Legitimierung. Dadurch könnte das unterentwickelte Grundrechtsbewusstsein in
Österreich gestärkt werden. Wir wünschen uns dabei neben den klassischen
Grundrechten auch die Berücksichtigung von Punkten wie die Bekämpfung von
Armut, die Generationengerechtigkeit, die Unterstützung und Förderung von
Familien und kleinen zivilgesellschaftlichen Einheiten, die breite Förderung
der Teilhaber am gesellschaftlichen Leben, insbesondere auch für Menschen mit
besonderen Bedürfnissen, das Recht auf adäquate Gesundheitsversorgung und das
Recht auf ein menschenwürdiges Altern und Sterben.
Wir glauben - und damit bin ich schon beim zweiten Punkt -
nicht, dass der Staat die zur Erfüllung der Staatsziele notwendigen
Dienstleistungen selbst erbringen soll, im Gegenteil, der Staat soll sich als
Dienstleister aus allen Bereichen zurück ziehen, die private oder
zivilgesellschaftliche Institutionen genau so gut erbringen können.
Der Staat muss also beispielsweise weder Pflegeheime noch
Kindergärten noch Jugendzentren selbst betreiben. Gerade Länder und Gemeinden
haben in den letzten Jahrzehnten in den Bereichen Familie, Soziales und
Gesundheit massiv Dienstleistungsbetriebe errichtet und ausgebaut, denen sie
oft einseitige Vorteile gegenüber privaten oder zivilgesellschaftlichen
Einrichtungen einräumen.
Wenn sich die öffentliche Verwaltung auf klare
Auftragserteilung und Qualitätssicherung sowie die individuelle Förderung der
Betroffenen konzentriert, können nicht nur beträchtliche Mittel eingespart
werden, die freie Wahl der Dienste könnte für die Bürger zu
nachfrageorientierter Vielfalt und höherer Qualität führen.
Wir fordern daher die konsequente Entflechtung von Stellen,
die Zuweisungs- und Anweisungsrechte wahrnehmen, von Auftraggebern und
Auftragnehmern, oder um es in der Sportsprache auszudrücken: der Staat darf
nicht gleichzeitig Sponsor, Trainer und Schiedsrichter sein.
Wir sehen in der europäischen Diskussion über die
Daseinsvorsorge die Chance, den Wettbewerb und die Schaffung von Vielfalt in
unserem Bereich zu verstärken. Wir glauben aber auch, dass es notwendig sein
wird, die Spielregeln und Grundprinzipien für diesen Bereich auch in der
österreichischen Rechtsordnung zu verankern.
Zur Vereinfachung der Rechts- und Kompetenzordnung: Im
Rahmen eines EU-Projekts mussten wir einen Vergleich der
Ausbildungsvorschriften für Tagesmütter in Österreich erstellen. Um dies tun zu
können, ist es nicht nur notwendig, hunderte Seiten mit Rechtsvorschriften
durchzuarbeiten, es zeigt sich auch, dass die Ausbildungsvorschriften der
Länder zwingende Ausbildungen der Tagesmutter zwischen 30 und 300 Stunden -
also das zehnfache - vorsehen. Ob Kinder in der Steiermark zehn Mal so
schwierig zu behandeln sind wie in Niederösterreich, sei dahingestellt.
Das Ergebnis solcher Regelungen ist, dass die Ausbildung in
einem Bundesland nicht zur Berufsausbildung in einem anderen Bundesland
berechtigt. Andere Beispiele gibt es auch in anderen Sozialbereichen. Die
Zersplitterung der Kompetenzen ist gerade in unserem Tätigkeitsbereich besonders
ausgeprägt. Mit der Pflege sind allein auf Bundesebene fünf
Regierungsmitglieder befasst. Das führt zu beachtlichen Fehlallokationen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der
Konventsdiskussion geht es um mehr als eine neue Verfassungsurkunde. Es geht um
Weichenstellungen für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes, wo gerade im
Sozial- und Gesundheitsbereich ungeheure Herausforderungen auf uns zukommen.
Wir bitten Sie, aus dem Beispiel der EU zu lernen.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön. Nächste Rednerin ist Frau Mag. Maier von
der ARGE Selbsthilfe Österreich. Bitte sehr. Ich darf Sie auf 6 Minuten
Redezeitbeschränkung aufmerksam machen.
Mag. Monika Maier: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte
Mitglieder des Österreichkonvents! Ich bedanke mich für die Möglichkeit, Ihnen
die Anliegen der Selbsthilfe im Zusammenhang mit dieser neuen Verfassung
darstellen zu dürfen.
Ein wesentliches Anliegen der Selbsthilfe ist die
Verankerung in der Verfassung. Selbsthilfe bezeichnet im weiteren Sinne das
selbstorganisierte Tätigwerden mit
anderen. Im engeren Sinne die gegenseitige Hilfe von Personen, die sich auf
Grund eines bestimmten Problems zusammengefunden haben, um sozial
handlungsfähig zu bleiben, und die Lebens- und Umweltbedingungen zu verbessern.
Das Engagement in der Selbsthilfe ist dabei ein Mittel, die
äußere, also die soziale und gesellschaftliche so wie die innere, also die
persönliche und psychische Isolation aufzuheben. Die Selbsthilfebewegung ist
eine Form des Engagements, das sich aus unmittelbarer Betroffenheit heraus
entwickelt und Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins und Selbstverständnisses
der Patientinnen und Patienten ist, die in steigendem Maße eine aktive Rolle im
Sinne von Verantwortungsübernahme und Beteiligung übernehmen.
Selbsthilfe ermöglicht Information, Kommunikation und
Bildungsarbeit. Das stärkt die Kompetenz der Patientinnen und Patienten, und
befähigt sie im Sinne des Empowerments.
Die Selbsthilfebewegung in Österreich hat eine
Organisationsstruktur, die sich in themenspezifischen Selbsthilfegruppen und
Selbsthilfeorganisationen und themenübergreifenden
Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen ausdrückt.
Derzeit gibt es in Österreich zirka 1200 themenspezifische
Selbsthilfegruppen und Organisationen mit mehr als 100.000 Teilnehmerinnen und
Teilnehmern, und in den einzelnen Bundesländern gibt es themenübergreifende
Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen.
Die ARGE Selbsthilfe Österreich ist ein Zusammenschluss
dieser themenübergreifenden Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen Österreichs
und Aufgabe der ARGE Selbsthilfe Österreich ist es unter anderem, als
Sprachrohr die Anliegen der einzelnen Selbsthilfegruppen und Organisationen in
den Bundesländern zu sammeln, zu bündeln und in relevante Gremien einzubringen.
Die Zahl der verschiedenen Formen der Selbsthilfe wird in
dem Maße steigen, wie die Bewältigung komplexer Alltagsprobleme, die im
Zusammenhang mit chronischer Krankheit, aber auch mit psychosozialen
Schwierigkeiten durch professionelle Leistungsangebote nicht mehr angemessen
bewältigt werden können.
Die Selbsthilfe muss an patientenrelevanten Entscheidungen
beteiligt werden. Die Vertretungsmöglichkeiten müssen allerdings der Struktur,
die gekennzeichnet ist durch basisdemokratische Entscheidungen, angemessen sein
und es sind auch die Ressourcen zumeist chronisch kranker Menschen zu
berücksichtigen. Das drückt sich zum Beispiel aus, dass ein angemessener
Zeitraum für die Erarbeitung von Stellungnahmen vorzusehen ist.
Bisher erfolgt die Einbindung der Selbsthilfe, in denen
sich chronisch kranke Menschen, beziehungsweise Menschen in schwierigen Lebenssituationen
zusammengeschlossen haben, nur punktuell. Und es kann durchaus von bloßem
Formalismus gesprochen werden. Es müssen die Mitwirkungsmöglichkeiten und die
Vertretung der Interessen der Selbsthilfe gefördert, und auch die notwendigen
Rahmenbedingungen bereitgestellt werden.
Die Beteiligung der Selbsthilfe garantiert eine Versorgung,
die sich an den Bedürfnissen der Betroffenen orientiert. Selbsthilfegruppen und
Selbsthilfeorganisationen haben eine Signalfunktion, d.h., Betroffene können
durch ihre Erfahrungskompetenz den Bedarf und die Bedürfnisse aufzeigen, ohne
gleichzeitig auch Anbieter dieser Leistungen zu sein, d.h., es stehen keine
kommerziellen Interessen dahinter.
Durch das Selbsthilfe-Engagement werden Patientinnen in die
Lage versetzt, die Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens effizient zu
nutzen und damit zu einem effizienten Ressourcenverbrauch beizutragen. Es kann
nicht so sein, dass Versicherte immer höhere Beiträge in ein Versorgungssystem
aufbringen müssen, deren Weiterentwicklung sie kaum beeinflussen können.
Ein weiteres Anliegen der Selbsthilfe ist die Verankerung
der Patientenrechte in der Verfassung. Derzeit gibt es in allen Bundesländern
eine Patienten-Charta – außer in Wien –, welche die individuellen Rechte der Patientinnen
und Patienten zusammenfasst. Die Praxis zeigt aber, dass die Umsetzung und
Durchsetzung dieser Rechte sehr schwierig ist, da kein Rechtsanspruch darauf
besteht.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und möchte
nochmals mit Nachdruck darauf hinweisen, dass das ehrenamtliche Engagement der
Betroffenen in entsprechender Form in diese Verfassung aufgenommen wird. Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke, Frau Magistra. Als nächster zu Wort gemeldet
ist Herr Universitätsprofessor Dr. Bauböck für die Aktion SOS-Mitmensch. Bitte
sehr, Herr Professor.
Dr. Rainer Bauböck: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte
Damen und Herren. Ich muss zuerst korrigieren: ich bin Universitätsdozent,
nicht Universitätsprofessor.
12,5 % der österreichischen Wohnbevölkerung – das ist mehr
als eine Million Menschen –, sind im Ausland geboren. 9 % sind ausländische
Staatsbürger. Von diesen sind aber wiederum nur ein Siebentel Bürger der
Europäischen Union. Österreich hat damit unter den europäischen
Einwanderungsländern einen der höchsten Anteile von Drittstaatsangehörigen.
Wie neuere Studien zeigen, ist diese Personengruppe in
doppelter Hinsicht benachteiligt: Erstens ist sie besonderer gesellschaftlicher
Diskriminierung und hohen Armutsrisiken ausgesetzt. Zweitens ist sie – auch im
europäischen Vergleich – im besonderen Maß rechtlich diskriminiert.
Die schlechte Rechtstellung von Migranten und Migrantinnen
ist ein gravierendes Hindernis für soziale, kulturelle und politische
Integration in Österreich und trägt direkt oder indirekt zu sozialer
Ausgrenzung bei.
Die Europäische Union strebt seit dem Europäischen Rat von
Tampere im Oktober 1999 einen einheitlichen Rechtsstatus für in den
Mitgliedstaaten niedergelassene Drittlands-Ausländer an. Diese sollen
vergleichbare Rechte erhalten wie EU-Bürger. In mehreren Mitteilungen seit
November 2000 hat die EU-Kommission eine europäische Zivilbürgerschaft
vorgeschlagen, die eine umfassende rechtliche Gleichstellung mit Inländern auch
ohne Erwerb der Staatsbürgerschaft bewirken würde.
Eine Reform der Österreichischen Verfassung sollte daher
erstens rechtliche Integrationsbarrieren abbauen und zweitens mit einem
expliziten Grundrechtskatalog den Weg für eine europäische Politik der
Gleichstellung ebnen.
Gleichheit vor dem Gesetz ist nämlich laut Artikel 2 des
Staatsgrundgesetzes in Artikel 7 des Bundes-Verfassungsgesetzes in Österreich
ein Staatsbürger-Privileg. Der Gleichheitsgrundsatz sollte neu formuliert
werden– Präsident Küberl hat es schon angesprochen – etwa analog zum Artikel 3
des deutschen Grundgesetzes: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
Abgesehen von der symbolischen Bedeutung einer solchen
Änderung wäre dies auch als Auftrag zu verstehen. Statt von einer
grundsätzlichen Ungleichberechtigung von In- und Ausländern auszugehen, müssten
rechtliche Unterscheidungen zwischen Inländern und in Österreich wohnhaften
Drittstaatsangehörigen jeweils sachlich begründet werden. Damit würden
zahlreiche Bundes- und Landesgesetze anfechtbar, welche Drittstaatsangehörige
in teilweise willkürlicher Weise von Leistungen ausschließen. Ich nenne hier
als Beispiele nur die Verbrechensopferentschädigung oder Unterhaltsvorschüsse.
Auch in einem neuen Grundrechtskatalog wäre
sicherzustellen, dass nur in begründeten Ausnahmen Grundrechte an die
Staatsangehörigkeit geknüpft werden. Darüber hinaus sollte in der Verfassung
ein umfassender Schutz vor Diskriminierung – etwa entsprechend Artikel 21 der
EU-Grundrechts-Charta – verankert werden.
Bestimmte Rechte sind für Migranten jedoch von besonderer
Bedeutung. Ihre Bedürfnisse sollten in einem erweiterten Grundrechts-Katalog
berücksichtigt werden. Dazu zählt:
erstens die Verankerung des Rechts auf Asyl in der
Österreichischen Verfassung, einschließlich des Rechts auf materielle
Versorgung für Asylwerber;
zweitens eine Ausgestaltung des Rechts auf Privat- und
Familienleben nach Artikel 8 der Europäischen Menschenrechts-Konvention, durch
die das Recht auf Familiennachzug für Ehe- und Lebenspartner sowie
minderjährige Kinder sichergestellt und Beschränkungen durch Quotenplätze und
lange Wartefristen ausgeschlossen werden;
drittens dürfte der Zugang zum Status des niedergelassenen
Drittstaatsangehörigen nicht durch unangemessene Bedingungen erschwert werden –
diese sind derzeit vor allem die Integrationsvereinbarung und der Nachweis
regelmäßigen Einkommens –, sondern sollte lediglich an den legalen fünfjährigen
Aufenthalt geknüpft sein;
viertens müssten bestehende Hindernisse für den freien
Zugang zur unselbständigen wie selbständigen Beschäftigung beseitigt werden;
fünftens sind Drittstaatsangehörige besonders von
Diskriminierung bei sozialpolitischen Transfer- und Dienstleistungen betroffen.
Ich möchte abschließend noch auf einen Punkt besonders
hinweisen: Bei der politischen Integration von Drittstaatsangehörigen ist
Österreich im europäischen Vergleich Schlusslicht. Politische Integration kann
entweder über erleichterten Zugang zur Staatsbürgerschaft erfolgen oder über
Erweiterung von Ausländerwahlrechten. In Österreich ist beides derzeit nicht
der Fall.
Ich meine daher, dass ein reformiertes Staatsbürgerschaftsgesetz,
das vor allem den automatischen Erwerb der Staatsbürgerschaft - anknüpfend an
die Geburt im Inland - verankert,
dringend geboten wäre.
Darüber hinaus sollte aber auch Artikel 117 Absatz 2 des
Bundesverfassungsgesetzes so reformiert werden, dass jenes Recht, das heute nur
EU-Bürgern zusteht, nämlich das kommunale Ausländerwahlrecht, grundsätzlich
auch Drittstaatsangehörigen eingeräumt wird. Dies wäre ein wesentlicher Beitrag
zur politischen Integration.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, dass der
Verfassungs-Konvent in seinen Arbeiten die Tatsache berücksichtigt, dass
Österreich bereits seit mehreren Jahrzehnten Einwanderungsland ist und dass
dies in einer neuen österreichischen Verfassungsordnung auch seinen Niederschlag
finden wird.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön, Herr Dozent. Nächste Rednerin ist Frau
Elisabeth Paschinger vom Sozialstaats-Volksbegehren. Bitte sehr. Ich darf auch
sie auf die sechsminütige Redezeitbeschränkung aufmerksam machen.
Elisabeth Paschinger: Werter Herr Präsident, hoher Konvent, verehrte
Damen und Herren!
Im April 2002 unterfertigen über 717.000 Österreicherinnen
und Österreicher das Volksbegehren Sozialstaat Österreich und stehe ich heute
vor Ihnen als deren Sprecherin. Jede und jeder einzelne dieser 717.000 teilen
mit ihrer Unterschrift die Überzeugung, dass die Verankerung unseres
Sozialstaates in der Österreichischen Bundesverfassung als Staatsziel nicht nur
sinnvoll, sondern äußerst notwendig ist. Sie alle demonstrierten eindrucksvoll
mit ihrer Unterstützung dieses Volksbegehrens, dass soziale Sicherheit und Chancengleichheit
keine leeren Worthülsen bleiben dürfen und Bedarf nach Erhalt und Ausbau des
Sozialstaates besteht.
Zur Erinnerung möchte ich nochmals den Text des
Volksbegehrens vortragen. Das Begehren selbst wurde ja leider wegen vorzeitiger
Auflösung des Nationalrates und anschließender Neuwahl der üblichen
parlamentarischen Behandlung entzogen.
Der Text: Österreich ist ein Sozialstaat. Gesetzgebung und
Vollziehung berücksichtigen die soziale Sicherheit und Chancengleichheit der in
Österreich lebenden Menschen als eigenständige Ziele. Vor Beschluss eines
Gesetzes wird geprüft, wie sich dieses auf die soziale Lage der Betroffenen,
die Gleichstellung von Frauen und Männern und den gesellschaftlichen
Zusammenhalt auswirkt. Sozialverträglichkeitsprüfung. Die Absicherung im Fall
von Krankheit, Unfall, Behinderung, Alter, Arbeitslosigkeit und Armut erfolgt
solidarisch durch öffentlich-rechtliche Sicherungssysteme. Die Finanzierung der
Staatsausgaben orientiert sich am Grundsatz, dass die in Österreich lebenden Menschen
einen ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage angemessenen Beitrag leisten.
Dieser Text beinhaltet sämtliche Forderungen, Wünsche und
Anregungen, welche Sie, werte Konventsmitglieder, von Vertreterinnen diverser
sozialer Organisationen bereits vor mir gehört haben und sicher nach mir auch
noch hören werden. Mit diesem Text fordern diese 717.000 Österreicherinnen und
Österreicher eine Verankerung des Sozialstaates als Staatsziel in der
Österreichischen Verfassung, die verbindliche Durchführung einer
Sozialverträglichkeitsprüfung vor Beschlussfassung von Gesetzen, die
solidarische Absicherung im Risikofall durch öffentlich-rechtliche
Sicherungssysteme, eine gerechte Finanzierung des Sozialstaates, eine
Sicherstellung von öffentlichen Einrichtungen sowie die Bereitstellung
öffentlicher Güter.
Dass diese Forderungen, dass dieses Begehren des Volkes
verfassungskonform dem Verfall preisgegeben wurde, ist eigentlich ein Affront
gegen die Demokratie, in der ja das Recht vom Volke ausgeht. Dieser Mangel ist unhaltbar
und sollte mit einer neuen Verfassung behoben werden. Freiwilliges,
unentgeltliches politisches Engagement der sonst so hoch gelobten Bürger- oder
Zivilgesellschaft darf nicht der Ignoranz zum Opfer fallen.
Lassen Sie mich abschließend persönliches hinzufügen: Ich
selbst war bis vor kurzem 25 Jahre lang in der öffentlichen Jugendwohlfahrt
tätig und habe in den letzten Jahren miterleben müssen, wie immer mehr allein
erziehende Mütter gezwungen sind, ihren Kindern ausschließlich Erdäpfel und
Nudeln zu kochen. Ja, es muss sogar die öffentliche Jugendwohlfahrt sich eines
kleinformatigen Mediums bedienen, um mit Spenden aus der Leserschaft die
Existenz arbeitsloser Mütter und deren Kinder zu sichern.
Ich bin nun seit Oktober als Leiterin der neu gegründeten
Wiener Pflegeombudsstelle damit konfrontiert, dass pflegebedürftige Menschen
aus Kostengründen von privaten Pflegeheimen in städtische Geriatriezentren
wechseln müssen, und das bei einer stetig anwachsenden Anzahl von
Pflegebedürftigen und bei gleichzeitigem Abbau von Pflegeplätzen in diesen
Zentren.
Selbstverständlich sind städtische Pflegeheime
verbesserungswürdig – keine Frage. Aber sie sind würdig, verbessert zu werden.
Öffentliche Einrichtungen und Hilfen müssen erhalten und ausgebaut werden, damit
Menschen in ihrer Bedürftigkeit nicht einem Markt ausgeliefert werden, der
ihnen um teures Geld ihre Existenz nicht wie vorgegaukelt sichert, sondern
vielmehr bedroht. Soziale Verantwortung des Staates muss verbindlich gemacht
werden – kein Charity, kein weihnachtlicher Punschstand für einen guten Zweck
können und dürfen soziale Rechte ersetzen.
Werter Konvent! Ich sehe der Notwendigkeit des
Sozialstaates tagtäglich ins Gesicht. Daher im Namen von 717.102
Österreicherinnen und Österreichern mein Appell an Sie: Treten Sie ein für
unseren Sozialstaat. Jetzt ! Vielen Dank.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön. Ein Gedanke von Ihnen scheint mir ganz
besonders bemerkenswert, nämlich, dass in Hinkunft Volksbegehren nicht mehr
verfallen sollen, wenn die Legislaturperiode ausläuft. Mir scheint das durchaus
sinnvoll zu sein, denn man kann natürlich die Meinung vertreten, in der
nächsten Legislaturperiode könnte man ja das Volksbegehren wiederholen. Nur
sollte man bedenken, welche Kosten damit verbunden sind. Ich würde meinen,
diesen Gedanken sollte der Konvent jedenfalls aufgreifen. Danke sehr.
Die nächste Wortmeldung liegt bei Herrn Erich Fenninger,
Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe Österreich. Bitte sehr! Sechs Minuten
Redezeitbeschränkung.
Erich Fenninger: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren des Konvents. Erstens bedanke ich mich recht herzlich für die
Einladung, heute hier vor Ihnen sprechen zu können, vor den
Konventsmitgliedern.
Die Aufgabe der Volkshilfe ist es, Menschen zu helfen, sie
zu unterstützen, sie zu begleiten. Das wissen Sie. Ich werde daher versuchen,
konkrete Anliegen von den Betroffenen zu artikulieren, deren Hilfe sie hier
brauchen und die wir auch unterstützen wollen. Wir kennen die
Benachteiligungen, die Bedürfnisse und die Anliegen aus unserer täglichen
Arbeit, von mehr als 5.000 Beschäftigten, 100en ehrenamtlichen Helferinnen und
50.000 Betroffenen täglich.
Trotz des Dankes in meiner Einleitung möchte ich auch um
Verständnis ersuchen für eine Kritik am Konvent. Die Verfassung ist die Basis
unserer Gesellschaft. Sie regelt irgendwo auch das Zusammenleben, sie ordnet
die Grundrechte. Die Chance wäre gewesen, noch stärker jene Menschen
miteinzubeziehen, für die die Verfassung geschrieben wird, nämlich für die
Österreicherinnen und Österreicher. Es ist vergleichbar mit einem
Leitbildprozess. Leitbilder sollen nicht nur Bilder der Führenden, Bilder der
Manager, der Managerinnen, der Politiker sein, sondern der Menschen, für die
die Leitbilder gelten sollen.
Ich hätte mir hier mehr Phantasie in der Abwicklung
gewünscht als eine Aneinanderreihung von Debattenbeiträgen, wo wir nur sehr
kurz Zeit haben. Ich hätte mir auch gewünscht, dass die Zusammensetzung des
Konvents stärker auch auf die Jugend, auf die Frauen insbesondere Wert legt und
auch vielleicht stärker die Zivilgesellschaft, die organisierte hereingelassen
hätte. Soweit ein wenig zur Kritik.
Zur Verfassung an sich – in aller Schnelle: Für wen soll
die Verfassung gelten? Eine Neufassung sollte alle in Österreich lebenden
Menschen, nicht nur die österreichischen Staatsbürgerinnen, vor dem Gesetz
gleichstellen. Betreffend der staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten treten
wir für eine Abkehr des Abstimmungsprinzips ein, hin zum Boden- und
Bekenntnisprinzip. In der österreichischen Verfassung soll gewährleistet sein,
dass alle völkerrechtlichen Verträge und Bestimmungen tatsächlich eingearbeitet
und gewährleistet werden. Insbesondere geht es uns um die schutzsuchenden
Menschen, dass sie ein gerechtes Asylverfahren haben, dass ihnen das garantiert
wird und dass sie auch Asyl gewährt bekommen – mit dem Ziel, dass niemand in
ein Land abgeschoben oder ausgewiesen wird, in dem elementare
Menschenrechtsvergehen bestehen, sie an Leib und Leben bedroht sind.
In welchem Kontext steht dieser Konvent? Kollege Marschitz
hat ja schon gesagt, man hat am Wochenende leider das Scheitern des EU-Konvents
gesehen. Trotzdem glaube ich, dass die Einarbeitung der EU-Grundrechtscharta in
die österreichische Verfassung wesentlich ist. Ich glaube auch, dass es wichtig
ist, darauf Wert zu legen, dass das österreichische Niveau der Grundrechte ein
höheres ist als der gemeinsame Nenner in Europa. Wir sind immer wieder stolz,
als Österreicherinnen und Österreicher, wenn wir bessere Standards im
Umweltbereich oder in anderen Bereichen haben. Wir sollten uns auch sehr rühmen
für höhere Standards im Sozialbereich. Wir sollten weiters auch dabei bleiben,
eine eindeutige Verankerung des laizistischen Prinzips der Trennung zwischen
Staat und Glaubensgemeinschaften als weiterhin wesentliches Grundprinzip zu
integrieren.
Menschen werden an den Rand gedrängt. Engagement für
Gerechtigkeit ist wichtig. Menschen werden gerade heute, vielleicht sogar
momentan etwas mehr als in den letzten Jahren, wieder ausgegrenzt, wieder
diskriminiert, ausgelacht, abgestempelt, mit Vorurteilen versehen, bekommen
wenig Chancen. Wir reden von Mehrheiten, aber wir reden auch von Minderheiten.
Wir reden von Frauen, von Kindern, wir reden von Menschen mit besonderen
Bedürfnissen, von Ausländern, von alten Menschen, von psychisch erkrankten
Menschen.
Wir fordern daher in Stichworten ein
Diskriminierungsverbot, ein Antidiskriminierungsgesetz in Verfassungsrang als
eine Säule der modernen Verfassung. Wir fordern als Volkshilfe auch die
tatsächliche Gleichstellung der Frauen, verfassungsmäßige Vereinbarkeit von
Beruf und Familie. Sie haben Anspruch auf Maßnahmen, ihre Benachteiligungen per
Gesetz einklagbar zu machen.
Menschen sind im Out. Menschen, die von der Volkshilfe
betreut werden, sind oft tatsächlich ohne Existenz, haben ihre
Existenzgrundlage verloren. Für viele von uns, die im oberen Bereich der
Gesellschaft angesiedelt sind, scheinen gerade diese Schicksale sehr weit
entfernt. Aber wir sollten uns hüten vor diesen Meinungen, dass dies weit weg
ist und dass das nur bestimmten Menschen passiert.
Ich möchte Sie wirklich ersuchen, sich vorzustellen, heute
hier wegzugehen vom Konvent oder nach der Weihnachtsfeier, nach 16:00 oder
17:00 Uhr, ins Auto einzusteigen und es passiert etwas – ein Unfall. Sie sind
selbst betroffen, Sie verletzen sich, Sie haben eine chronische Verletzung. Und
auf Grund der chronischen Verletzung und auch anderer Beteiligter bekommen Sie
Krisen in der Familie, Beziehungsprobleme. Die Beziehung geht in die Brüche.
Man verliert den Job, den man innehat. Man bekommt Depressionen.
Alkoholmissbrauch ist die Folge. Und Wohnungsverlust und Obdachlosigkeit gehen
oft mit dem einher. Und das passiert vielen Menschen innerhalb nur eines
Jahres. Das heißt, um an den Rand der Gesellschaft gedrängt zu werden von heute
auf quasi morgen, ist ein schnellerer Weg als der Abschluss einer neuen
Verfassung in Österreich. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass Sie als
Konventsmitglieder das auch mitsehen.
300.000 Österreicherinnen sind von der Armutsgrenze nicht
nur bedroht, sondern in dieser drinnen. Wir bitten deshalb auch hier in
Stichworten um eine staatliche Selbstverpflichtung zur Existenzsicherung für
alle. Die Volkshilfe wünscht sich ein eindeutiges Bekenntnis zum Sozialstaat
als Staatszielbestimmung, zum Solidaritätsprinzip in der Sozialversicherung und
alle Sozialstaatsvolksbegehren- Vorschläge als Forderungspaket zu übernehmen.
Stichwort: Zu alt und unrentabel. Pflege- und Altenarbeit:
Eine Kerntätigkeit der Volkshilfe - Sie wissen es - ist die Pflege und
Betreuung von älteren Menschen.
Ich komme zum Schluss. Und hier ist es uns wichtig, dass
man nicht nur in Sonntagsreden sagt, man braucht Pflegequalität und stellt sie
zur Verfügung, sondern dass auch am Montag von denselben Politikern das
angewendet wird und nicht die Budgets gekürzt werden, so wie derzeit in vielen,
vielen Bundesländern.
Zusammengefasst der Wunschzettel der Volkshilfe vor
Weihnachten:
- Wir brauchen in
der Verfassung weniger schöne Sätze als verankerte Ansprüche,
- wir brauchen keine
Almosen, sondern Rechte,
- wir brauchen eine
Verfassung, wo der Einzelne auch Möglichkeiten der Durchsetzung hat.
- Wir brauchen
keinen Ausverkauf der Dienstleistungen an den freien Markt,
der nicht
alles regelt,
- wir brauchen
soziale Dienstleistungen als Aufgabe von gemeinnützigen und nicht
gewinnorientierten Organisationen. Der Dienst an der Gesellschaft darf nicht zu
pekuniärem Profit führen.
- Recht auf soziale
Dienste.
- Wir brauchen eine
Sozialverträglichkeitsprüfung vor jeder Gesetzeswerdung
Der Schlusssatz ist: Wir bitten Sie, verehrte Damen und
Herren des Konvents, im Sinne der Menschen, die Schutz brauchen, sie nicht
allein zu lassen und auch die Verfassung dafür zu nützen, diesen ausreichenden
Schutz zu gewähren. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Wir haben nun den Bereich Soziales beendet und kommen zur
Anhörung der Vertreter aus dem Bereich Menschen mit Behinderungen.
Als Erster zu Wort gemeldet ist diesbezüglich Herr
Präsident Mag. Svoboda von der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für
Rehabilitation. Bitte sehr. Redezeitbeschränkung 6 Minuten.
Mag. Michael Svoboda: Herr
Vorsitzender! Hoher Konvent! Geschätzte Damen und Herren!
Menschen mit Behinderungen und der
Ausdruck Behinderung waren expressis verbis bis zum Jahr 1997 im
österreichischen Bundesverfassungsgesetz nicht zu finden. Erst durch das in
diesem Jahr in Artikel 7 verankerte Benachteiligungsverbot behinderter Menschen
als Staatszielbestimmung wurden die in allen Lebensbereichen vorkommenden
Diskriminierungen von Menschen mit Behinderungen als nicht im Interesse des
Staatsganzen verpönt. Auf der Basis dieses Benachteiligungsverbotes Behinderter
kam es zwar kurz darauf zu einer Reihe von Gesetzesänderungen, insbesondere auf
Bundesebene, jedoch blieb dies insoferne Stückwerk, als eben nur aus Teilen der
österreichischen Rechtsordnung diskriminierende Bestimmungen entfernt wurden,
und nicht zuletzt wegen des Untätigwerdens oder aus mangelnder Kompetenz des
Bundesgesetzgebers sind Gesetzesmaterien, die die unmittelbaren Lebensbereiche
behinderter Menschen betreffen, unverändert (und damit
weiterhin diskriminierend) geblieben.
Es ergibt sich daher aus der Sicht der
Menschen mit Behinderung auf zwei Ebenen des österreichischen Verfassungsrechts
Veränderungsbedarf, einerseits im Bereich der (besser) durchsetzbaren
Grundrechte der Menschen und andererseits im Bereich der Kompetenzverteilung in
Gesetzgebung und Vollziehung zwischen Bund und Ländern.
Zum Ersten. Verankerung
und grundsätzliche Ausformulierung des Benachteiligungsverbotes im
Grundrechtskatalog: In Entsprechung des
übereinstimmenden Willens der politischen Kräfte in unserem Land erscheint es
angebracht, das in der österreichischen Bundesverfassung bereits bestehende
Benachteiligungsverbot als Grundrecht behinderter Menschen zu formulieren und
dem Bund für die notwendige nähere Ausführung, was unter diesem
Benachteiligungsverbot zu verstehen ist, die entsprechende
Gesetzgebungskompetenz einzuräumen. Dadurch wird sichergestellt, dass das
Benachteiligungsverbot für behinderte Menschen von den Betroffenen leichter
durchgesetzt werden kann als bisher.
Zum Zweiten. Kompetenzverteilung
zwischen Bund und Ländern: Das Thema Behinderung findet sich als
Querschnittmaterie auf allen Ebenen der österreichischen Rechtsordnung wieder
und führt dazu, dass Bestimmungen, die behinderte Menschen betreffen, fast in
allen Bundes- und Landesgesetzen zu finden sind (Steuerrecht, Verkehrsrecht, Sozialrecht,
Sozialversicherungsrecht, Bauordnungen, etc.) und wird vom jeweiligen Gesetzgeber,
der zuständig ist, wahrgenommen.
„Behindertengesetzgebung“ im
traditionellen Sinn als Kernmaterie fällt in die Gesetzgebungskompetenz der
Länder. Darüber hinaus hat der Bund in einzelnen Gesetzen durch
Verfassungsbestimmung die Kompetenz der Gesetzgebung, Gesetzesänderung und
Vollziehung an sich gezogen (Behinderteneinstellungsgesetz,
Bundespflegegeldgesetz etc.). Das sich daraus entwickelte System der
Gesetzgebung für Menschen mit Behinderungen hat sich grundsätzlich bewährt und
sollte Eingang in ein neues Verfassungsgesetz finden und damit beitragen, dass
sich die Normadressaten, insbesondere auch in der Zuständigkeit der Vollziehung
der für sie betreffenden Gesetze, besser zurecht finden.
Neben diesen grundsätzlichen Anliegen behinderter Menschen
bestehen konkrete Einzelanliegen, die in einem Verfassungsgesetz „neu“ Eingang
finden sollten:
-
Anerkennung der
österreichischen Gebärdensprache durch Verankerung in einer zu Art.8 B-VG
korrespondierenden Regelung;
-
Zuordnung (und
damit Vereinheitlichung) des Ausweis- bzw. Passwesens für Behinderte in
Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenz des Bundes (war bereits Mitte der
Neunzigerjahre ein Gegenstand einer beabsichtigten Bundesstaatsreform, über den
Einigung zwischen Bund und Ländern erzielt wurde);
-
Verankerung einer
(gesetzlichen) Interessenvertretung für Behinderte auf Bundes- und Länderebene;
- Schutz
einwilligungsunfähiger Patienten vor medizinischen und/oder biologischen
Forschungseingriffen.
Geschätzte Damen und Herren! Ich darf
abschließend Sie ersuchen, dass Sie dem Anliegen behinderter Menschen bei der
Erarbeitung einer „Verfassung neu“ entsprechenden Stellenwert geben, sind doch
über 10 Prozent der Bevölkerung tatsächlich davon betroffen. Ich danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents
Dr. Franz Fiedler: Danke, Herr
Präsident. Nächste Rednerin der Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation ist Frau
Dr. Christina Meierschitz. Bitte sehr. Ich darf auch Sie auf die sechsminütige
Redezeit aufmerksam machen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr
geehrte Damen und Herren!
Wie wir bereits gehört haben, sind
bisher behinderte Menschen in der Bundesverfassung, abgesehen von Artikel 7,
nicht erwähnt. Jetzt ist die Chance für eine Veränderung, und wir müssen diese
Chance auch ergreifen. Behindertengleichstellung, gleiche Rechte und Chancen
für Menschen, unabhängig von ihrer Behinderung, ist derzeit oberstes Ziel der
zirka 700 000 behinderten Menschen, Staatsbürgerinnen und Staatsbürger von
Österreich. In Amerika wurde diese Forderung bereits umgesetzt und auch in der
EU wurden die ersten Schritte gemacht, um endlich Ungleichbehandlung und Nachteile
für behinderte Menschen, für zehn Prozent der Bevölkerung, wie wir gerade
gehört haben, zu verhindern. Nun ist Österreich gefordert, bundeseinheitlich
Garant dafür zu sein, dass Chancengleichheit in allen Bereichen umgesetzt und
verwirklicht wird. Behindertengleichstellung ist, wie wir bereits ausgeführt
haben, Querschnittmaterie und daher fordern wir ihre Verankerung in der
Verfassung. Es müssen auf Verfassungsebene Staatsziele vorgegeben und konkrete
Staatsaufgaben festgeschrieben werden. Verfasste Rechte verheißen den Bürgern
Dauerhaftigkeit und Verlässlichkeit auch in wechselhaften Zeiten. Unsere
Verfassung muss den Bürgerinnen und Bürgern bestimmte Recht zwingend
garantieren.
Was heißt nun Chancengleichheit, was
heißt Barrierefreiheit, beispielsweise? Ich will Ihnen vorerst eine Definition
von Barrierefreiheit geben. Barrierefreiheit bedeutet die gleichberechtigte
Möglichkeit der Teilnahme, Zugänglichkeit und Nutzung des gestalteten
Lebensraumes in der jeweils für den einzelnen behinderten Menschen notwendigen
Weise und unabhängig von der Art seiner Behinderung. Grundsätzlich muss der
Zugang derselbe wie für nicht behinderte Menschen sein. Die Nutzung muss selbst
bestimmt, ohne besondere Erschwernis und ohne fremde Hilfe erfolgen können.
Ich möchte nun zu Beispielen kommen.
Die ÖBB hat zurzeit zwei Zug-Typen für den Nahverkehr, den Talent und den
Desiro in Auftrag gegeben, die vom Bund und den Ländern mitfinanziert werden.
Diese beiden Fahrzeugtypen sind für behinderte Menschen nicht barrierefrei zugänglich
und nicht benutzbar. Es sind dies Neuankäufe. Als Barrierefreiheit ist nicht
nur die Beseitigung räumlicher Barrieren für Rollstuhlfahrer und gehbehinderte
Menschen zu verstehen, sondern beispielsweise auch die Kommunikation blinder
und gehörloser Menschen. Die Bahn muss allen Menschen ein barrierefreies Reisen
ermöglichen. Bahnhöfe, Bahnsteige und Züge müssen für jedermann ohne fremde
Hilfe, Erschwernisse oder Voranmeldung zugänglich und benutzbar sein.
Ich komme zur Finanzgebarung und
Förderungsverwaltung der Gebietskörperschaften. Diese muss ebenfalls an den
Grundsatz der Barrierefreiheit geknüpft werden. Es werden mit öffentlichen
Mitteln, das heißt, mit Geldern, die von allen Menschen, auch behinderten
Menschen, einbezahlt werden, Dinge finanziert oder gefördert, die nicht für
alle Menschen, nämlich behinderte Menschen, benutzbar beziehungsweise
zugänglich sind.
Das heißt, öffentliche Mittel dürfen
nur eingesetzt werden, wenn alle Menschen einen Nutzen davon haben. Förderungen
dürfen nur für das gewährt werden, das alle Menschen nutzen können, zum
Beispiel müssen Wohnungen barrierefrei zugänglich und benutzbar sein, damit
behinderte Menschen dieselben Chancen auf eine Wohnung haben, wie nicht
behinderte Menschen. Das muss bundeseinheitlich geregelt sein.
Zurzeit ist das E-Gouvernement-Gesetz
geplant, das keine Bestimmung für die Zugänglichkeit der Internetseiten für
behinderte Menschen vorsieht. Werden behinderte Menschen jetzt ausgeschlossen
sein? Das Internet ist für viele Menschen zum festen Bestandteil des
Alltagslebens geworden. Der Zugang zu Websites und deren Inhalte im Internet
stellt jedoch Menschen mit Behinderung oft vor eine Vielzahl von Problemen.
Arztpraxen müssen barrierefrei
erreichbar und benutzbar sein. Überlegen Sie, welche der Ihnen bekannten Ärzte
für einen Rollstuhlfahrer zugänglich sind. Glauben Sie mir, trotz intensivster
Recherchen haben wir keinen gefunden, der wirklich für alle Behinderungsarten
zugänglich ist, nämlich für Rollstuhlfahrer, aber auch für Blinde und gehörbehinderte
Menschen.
Optimale, medizinische Versorgung und
Rehabilitation für alle, die sie benötigen, unabhängig von der Ursache ihrer
Behinderung, sind Grundrechte, für die der Staat zu sorgen hat und daher in der
Verfassung festzuschreiben ist.
Ich komme zum Schluss noch auf das
Recht auf umfassende und inklusive Aus- und Weiterbildung: Wir brauchen eine
Zielbestimmung, in der sich der Bund zur inklusiven Bildung bekennt und diese
in ganz Österreich einheitlich gewährt wird. Inklusive Bildung bedeutet freien
Schulzugang mit entwicklungsorientiertem, individuellen Unterricht für alle
Schülerinnen und Schüler. Das umfasst sowohl Frühförderung als auch den
Kindergarten, die Schulen, aber auch das große Angebot der Erwachsenenbildung.
Wenn wir optimistisch in das 21.
Jahrhundert blicken, ist Chancengleichheit für behinderte Menschen in allen
Bereichen europaweit umgesetzt und verwirklicht, inklusive Österreich. – Danke
vielmals für die Aufmerksamkeit.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke auch. Die nächste Vertreterin der
Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation ist Frau Rita Donabauer. Bitte sehr.
Auch für Sie gilt die sechsminütige Redezeitbeschränkung.
Rita Donabauer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte
Mitglieder des Konvents! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich
möchte mich sehr herzlich bedanken für die Möglichkeit hier zu sprechen und die
Anliegen der Menschen mit psychosozialen Beeinträchtigungen und der
Dienstleistungsorganisationen, die im Bereich der psychischen und sozialen
Gesundheit tätig sind, vorzubringen. Ich stehe hier also nicht nur für die ÖAR
sondern auch für die pro mente austria mit 17 Mitgliedsorganisationen in den
österreichischen Bundesländern.
Ziel
der pro mente austria ist die Integration der Menschen mit psychischen
Beeinträchtigungen in allen Bereichen des täglichen Lebens, Hauptanliegen sind
daher die Forderung nach einem toleranten Klima in der Gesellschaft, Abbau von
Vorurteilen und Beseitigung bestehender Diskriminierungen und damit bin ich
beim Thema der österreichischen Verfassung.
Aufgabe
des Staates muss es sein, die Grundrechte für alle Menschen in diesem Land zu
sichern. Dabei kann aber nicht von den Durchschnittsbürgern und -bürgerinnen
ausgegangen werden, sondern es ist auf die Schwächsten in unserer Gesellschaft
Rücksicht zu nehmen. Tut man dies nämlich nicht, grenzt man damit schon viele
Bevölkerungsgruppen aus. Für Menschen mit Psychiatrieerfahrung sind die Wahrung
der Menschenrechte keine leere Floskel, es muss dieser Schutz jeden Tag neu
erkämpft werden. Das Recht auf Selbstbestimmung, das Recht auf Wohnen, das
Recht auf adäquate medizinische Behandlung, Therapie und Rehabilitation ist
nicht so selbstverständlich wie in anderen Bereichen. Sonst wäre es nicht
möglich, dass die ersten Zentren für medizinische Rehabilitation in Österreich
erst vor einem Jahr entstanden. Sonst wäre es nicht möglich, dass immer noch
Wohneinrichtungen für psychisch Kranke in Gemeinden am Widerstand der Umgebung
scheitern.
Grundrecht
muss aber auch sein, dass die Wohnmöglichkeit frei gewählt werden kann, was
voraussetzt, über eine soziale Absicherung und den Zugang zu Dienstleistungen
zu verfügen. Wie Gesetzte oder Verordnungen kontraproduktiv sein können, sieht
man aus der kürzlich verabschiedeten Änderung des Sozialversicherungsgesetzes,
das Teilnehmer und Teilnehmerinnen an Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation
aus der Arbeitslosen- und Pensionsversicherung ausschließt und sie daher im
Anschluss an die Maßnahme zu Sozialhilfeempfängern mit allen daraus
resultierenden Konsequenzen macht.
Gerade
Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen ist oft eine volle berufliche
Teilhabe am ersten Arbeitsmarkt verwehrt, für Teilnehmer und Teilnehmerinnen an
tagesstrukturierenden Maßnahmen ist derzeit aber keine arbeitsrechtliche
Absicherung vorgesehen, was dazu führt, dass keine Pensionsansprüche begründet
werden.
Ein
garantiertes Grundeinkommen ist zu fordern, um die Eigenständigkeit, die
Selbstbestimmung und die Wahlmöglichkeit der Lebensform von Menschen mit
Beeinträchtigungen zu gewährleisten.
Die
Notwendigkeit eines Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes und ein
entsprechender Diskriminierungsschutz ergeben sich jeden Tag neu. Dies gut und
fundiert in einer neuen Verfassung zu verankern, kann nur der Anfang sein.
Gleichzeitig muss aber gesagt werden, dass ein Behindertengleichstellungsgesetz
und ein Diskriminierungsschutz ohne Sanktionen und einklagbare Rechte ein
zahnloses Unterfangen darstellt.
Andererseits
kann eine Veränderung im Denken und Handeln nicht durch Gesetz verordnet
werden. Nur durch Bildung, Schulung und der Möglichkeit eines Zusammenlebens
von Menschen mit und ohne Behinderung kann den Barrieren im Denken, also den
Vorurteilen und einer Stigmatisierung der Betroffenen, entgegengewirkt werden.
Den
Staat trifft hier eine große Verantwortung, egal wie die Kompetenzen aufgeteilt
sind. Der Bund ist gefordert, Rahmenbedingungen durch Bundesgesetze zu
schaffen, Ausgestaltungen innerhalb dieses Rahmens können selbstverständlich
auch in die Länderkompetenz fallen. Dies läßt sich nicht nur für die
Landes-Behindertengesetze bzw. Sozialhilfegesetze sagen, dies trifft auch
analog für den Bereich des Bundessozialamtes zu.
Aber:
Egal wie die Kompetenzen aufgeteilt sind, die Finanzierbarkeit der Maßnahmen
und der Dienstleistungen muss gewährleistet sein. Das heißt: Eine Weitergabe
von Kompetenzen kommt nur mit einer gleichzeitigen Weitergabe der Finanzen in
Frage.
Der
Bund trägt die Verantwortung für die Sicherung der Grundrechte, der
Gleichstellung, der Nichtdiskriminierung und der Ermöglichung von Integration
von Menschen mit Beeinträchtigungen. Die öffentliche Hand trägt die
Verantwortung für die Bereitstellung von Unterstützungsstrukturen, soll aber
diese Dienstleistungen nicht selbst anbieten. Das heißt, es erscheint
sinnvoller, diese Aufgaben an private Non-profit-Organisationen auszulagern.
Damit ist aber auch für die finanzielle Absicherung dieser Dienstleister durch
Verträge Sorge zu tragen. Diese Verträge müssen Qualitätsstandards, Art und
Umfang der Leistungen und auch den Preis definieren und damit den
Organisationen und mit ihnen den Beschäftigten im sozialen Sektor berufliche
und finanzielle Sicherheit bieten. Ausschreibungen von Dienstleistungen sind
auf Sinnhaftigkeit zu überprüfen, Hauptkriterium für Vergaben kann nicht nur
der finanzielle Aspekt sein.
Bei
der Definition von Qualitätsstandards, der Festlegung und der Evaluation der
Dienstleistungen sind Experten und Expertinnen und Interessensvertretungen von
betroffenen Menschen verpflichtend beizuziehen. Diese Interessensvertretungen
sind auch gesetzlich und finanziell abzusichern, um ihnen ein Agieren zu
ermöglichen.
Zusammenfassend
ist zu sagen, die Würde des Menschen in seiner Gesamtheit ist stets in den
Vordergrund zu stellen, die Selbstbestimmung und Eigenverantwortung ist
anzuerkennen und zu ermöglichen. Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen
brauchen klare, überschaubare und transparente Strukturen, das wünsche ich mir
auch von einer neuen Verfassung. – Danke schön.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön. Nächster Vertreter der Arbeitsgemeinschaft für
Rehabilitation ist Herr Mag. Michael Krispl. Bitte sehr.
Mag. Michael Krispl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werter
Herr Präsident!
Ich möchte noch einmal auf wesentliche
behindertenpolitische Forderungen eingehen, die wir als Anforderungen an eine
künftige neue Verfassung haben, die den Grundsätzen der Transparenz,
Demokratisierung und auch der Bürgernähe verpflichtet sein soll.
Meine Damen und Herren! Die österreichische
Behindertenbewegung fordert seit langem die Schaffung eines ausdrücklichen
Kompetenz-Tatbestandes, und zwar Bundeskompetenz-Tatbestandes, für den großen
und umfassenden Themenbereich der Behindertengleichstellung.
Meine Damen und Herren! Diese Forderung entspricht auch den
Zielsetzungen des Österreich-Konvents, wenn es da heißt „Analyse der
Staatsaufgaben – Neubewertung der Kompetenzen und Schaffung einer neuen
Kompetenzverteilung,“ wie Herr Präsident Fiedler auch betont hatte, mit Mut zur
Innovation, mit Mut zur neuen Grenzziehung.
Meine Damen und Herren! Wenn wir uns das Regierungsprogramm
der Bundesregierung anschauen und wenn wir uns die behindertenpolitische Linie
der Europäischen Union anschauen, dann genießt der Themenbereich
Behindertengleichstellung und davon mitumfasst des Diskriminierungsschutzes für
Menschen mit Behinderungen wohl hohe Priorität. Trotzdem, und das wurde von
meinen Vorrednern bereits betont, findet sich kein ausdrücklicher
Kompetenz-Tatbestand, Behindertengleichstellung oder Diskriminierungsschutz in
der österreichischen Bundesverfassung.
Behindertengleichstellung ist eine so genannte
Querschnittsmaterie, die von allen Gesetzgebungskörpern und
Gebietskörperschaften mit zu behandeln ist. Dabei bietet sich aber ein sehr
weiter Spielraum, was die Qualität und die Quantität dieser
Gleichstellungsmaßnahmen angeht, ja es besteht nicht einmal eine ausdrückliche
Verpflichtung, derartige Maßnahmen tatsächlich setzen zu müssen. Das hat dazu
geführt, dass das Niveau der Behindertengleichstellung in den verschiedensten
Kompetenzbereichen sehr, sehr unterschiedlich ausgefallen ist, dass es mehr
oder weniger Maßnahmen der Behindertengleichstellung gibt, manchmal auch gar
keine und dass damit ganz legal immer wieder diskriminiert wird.
Meine Damen und Herren! Plakativstes Beispiel ist
beispielsweise das Baurecht. Bundeskompetenz, Landeskompetenz, Mitgestaltung
auch durch die Gemeinden ist der Alltag im Bereich des Baurechtes. Das hat dazu
geführt, dass, je nach kompetenzrechtlicher Anknüpfung und je nach politischer
Willensbildung, es zu mehr oder weniger barrierefreiem Bauen und rechtlicher
Verankerung des barrierefreien Bauens gekommen ist, dass barrierefreies Bauen
völlig unterschiedlich definiert wird, ja teilweise sogar überhaupt keine
Maßnahmen des barrierefreien Bauens vorgesehen werden.
Eine ähnliche Situation finden wir im Bereich des Schul-
und Ausbildungsrechts, meine Damen und Herren. Auch dort kann es je nach
politischer Willensbildung und je nach kompetenzrechtlicher Anknüpfung dazu
führen, dass mehr oder weniger Zugang zu Integrativ-Beschulung offen steht,
dass mehr oder weniger Zugang zu Ausbildungsgängen wie insbesondere zur
Pädagogischen Akademie offen steht.
Auch öffentliche Förderungen, meine Damen und Herren, und
der Einsatz öffentlicher Mittel werden nicht immer an den Grundsatz der
barrierefreien Zugänglichkeit und Benutzbarkeit der dadurch geförderten
Projekte geknüpft. Damit werden Menschen mit Behinderungen durchaus legal immer
wieder diskriminiert.
Meine Damen und Herren! Auch die öffentlichen
Dienstleistungen, wir haben es heute schon gehört, e-Government zum Beispiel,
werden auch nicht einheitlich barrierefrei zugänglich und benutzbar angeboten,
ja selbst aktuelle legistische Maßnahmen entbehren offenbar eines
ausdrücklichen Bekenntnisses zur Behindertengleichstellung.
Meine Damen und Herren! Das war nur eine kleine Auswahl der
aktuellen Diskriminierungen und des aktuellen Ergebnisses der derzeitigen
Kompetenzlage im Bereich Behindertengleichstellung. Deshalb fordern wir also
einen ausdrücklichen Bundeskompetenz-Tatbestand in Gesetzgebung und Vollziehung
für den großen Themenbereich Behindertengleichstellung und
Diskriminierungsschutz.
Im Jahr 1997 wurde auch ein Benachteiligungsverbot für
Menschen mit Behinderung und das Gleichbehandlungsgebot als Staatsziel in die
Verfassung aufgenommen. Wir erwarten uns von der künftig neuen
Bundesverfassung, dass ebenfalls das Benachteiligungsverbot und ein Staatsziel
der Gleichbehandlung für Menschen mit Behinderungen enthalten ist, wobei dieses
Staatsziel auch normative Wirkung haben müsste. Darüber hinausgehend müsste die
grundrechtliche Absicherung von Menschen mit Behinderungen in einer künftigen
neuen Bundesverfassung aber darüber hinaus gehen und müsste sich vielmehr an
jenem Grundrechtsniveau orientieren, das mit der Grundrechtscharta der
Europäischen Union vorgegeben worden ist.
Meine Damen und Herren! Wie es erst kürzlich in der
Parlamentskorrespondenz geheißen hat, die Verfassungsreform muss allen
Bürgerinnen und Bürgern etwas bringen, so auch Bürgerinnen und Bürgern mit
Behinderungen und ich appelliere an Sie, meine Damen und Herren des Konvents,
diese Forderungen der österreichischen Behindertenbewegung in Ihre Arbeiten
einfließen zu lassen. – Danke vielmals.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke auch,
Herr Magister. Nächste Rednerin für die Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation
ist Frau Mag. Silvia Weißenberg. Bitte sehr, Frau Magistra. Auch bei Ihnen gilt
die Redezeitbeschränkung von sechs Minuten.
Mag. Silvia Weißenberg: Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Konvents!
Ich vertrete die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für
Rehabilitation und insbesondere auch die Lebenshilfe Österreich als die
Bundesvereinigung für geistig und mehrfachbehinderte Menschen und deren
Angehörige. Ich möchte dem Konvent meinen Dank sagen, dass er den
Vertreterinnen und Vertretern der Behindertenbewegung die Möglichkeit bietet,
durch Präsentation ihrer Beiträge an der Diskussion zur künftigen Verfassung
Österreichs mitzuwirken.
Behinderte Menschen sind tagtäglich in ihrer Existenz
bedroht. Damit ist nicht nur pränatale Diagnostik, eugenische Indikation und
Sterbehilfe gemeint, um ein paar aktuelle Schlagwörter zu nennen. Gemeint ist
auch die so genannte Alltags-Euthanasie, das heißt behinderte Menschen sind
täglich Diskriminierungen ausgesetzt, die eine chancengleiche Teilnahme am
gesellschaftlichen Leben verhindern. Soziale Ausgrenzung findet im
gesellschaftlichen, im rechtlichen und im persönlichen Bereich statt.
Angesichts der vielfältigen Diskriminierungen ist es
wichtig, dass bei einer Neuformulierung der Grundrechte eine dem jetzigen
Artikel 7 Absatz 1 der Bundesverfassung entsprechende Bestimmung enthalten ist,
womit ein Benachteiligungsverbot und ein Bekenntnis der Republik, die Gleichbehandlung
von behinderten und nicht behinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen
Lebens zu gewährleisten, festgeschrieben wird.
Wir begrüßen in diesem Zusammenhang die Überlegungen des
Konvents, Staatszielbestimmungen künftig mit normativer Wirkung auszustatten,
und sie sollen somit in Richtung subjektiv durchsetzbarer Grundrechte gehen.
Falls jedoch Staatszielbestimmungen auch künftig keine unmittelbare Auswirkung
auf das Privatrecht haben, kann das Ziel, Diskriminierungen behinderter Menschen
zu verhindern und zu beseitigen, nur mit einem umfassenden
Behindertengleichstellungsgesetz erreicht werden. Im Gleichklang mit
internationalen Entwicklungen in der Behindertenpolitik könnte somit
Transparenz, Rechtssicherheit und schließlich eine erhöhte Selbständigkeit
behinderter Menschen realisiert werden.
Ein zentrales Problem stellt dabei die Tatsache dar, dass
das Behindertenwesen eine Querschnittsmaterie ist und damit die Zuständigkeit
für die verschiedenen Lebensbereiche zwischen Bund und Ländern geteilt ist.
Dennoch wäre es wesentlich, dass in dieser zentralen Menschenrechtsproblematik
eine österreichweite einheitliche Regelung getroffen wird. Der neue
Grundrechtskatalog sollte sich an der Charta der Grundrechte der Europäischen
Union orientieren. In Anlehnung zu Artikel 26 der Europäischen
Grundrechtscharta und Artikel 23 der Sozialcharta ist ein Anspruch behinderter
Menschen auf Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer
sozialen und beruflichen Eingliederung und ihrer Teilnahme am Leben der
Gemeinschaft in der Verfassung anzuerkennen.
Wir sind für eine explizite Aufnahme sozialer Grundrechte
in die Verfassung. Es geht darum, einen Nachteilsausgleich für jene vorzusehen,
die nicht einmal Grundvoraussetzungen erbringen können. Dazu zählt vor allem
die Gruppe der geistig behinderten Menschen. Es erscheint uns wesentlich, dass
ein soziales Element in der Verfassung verankert wird, das ein Recht auf ein
Mindestmaß an sozialer Wohlfahrt und Sicherheit, sowie ein Recht auf vollen Anteil
an den gesellschaftlichen und sozialen Errungenschaften garantiert. Ein
garantiertes Grundeinkommen wäre eine der Alternativen in der Ausgestaltung der
Sozialpolitik.
Geistig behinderte Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf
finden zumeist nur eine Beschäftigung in so genannten Beschäftigungstherapien
gegen Bezahlung eines kleinen Taschengeldes. Das bedeutet, dass diese Personen
aus allen arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen herausfallen, das
bedeutet aber insbesondere auch, dass sie im Alter keine Pensionsansprüche
erworben haben und zumeist gänzlich auf die Leistungen der Sozialhilfe
angewiesen sind.
Behinderten Menschen wird das Recht auf freie Wohnungswahl
verwehrt. Oftmals werden auch schon junge Menschen mit geistiger Behinderung
aus Mangel an entsprechenden Einrichtungen in Altersheimen untergebracht. Einen
Anspruch auf altersgemäßes Wohnen gibt es noch nicht.
Um soziale Ausgrenzungen und Armut zu bekämpfen, sollte in
Anlehnung zu Artikel 34 der Europäischen Grundrechtscharta das Recht auf soziale
Unterstützung und Unterstützung für die Wohnung, die allen, die nicht über
ausreichende Mittel verfügen, ein menschenwürdiges Dasein sichern, anerkannt
werden.
Als Fundament der Grundrechte ist in der Verfassung der
Schutz der Menschenwürde zu verankern. Laut Artikel 1 der Europäischen
Grundrechtscharta ist die Würde des Menschen unantastbar. Sie ist zu achten und
zu schützen. Das Gebot der Menschwürde muss den anderen Grundrechten
vorangestellt sein, was sich unter anderem auch an den Grenzen der Forschungsfreiheit
bewahrheiten muss.
- Die
Würde des Menschen ist gerade in der biomedizinischen Forschung und ihren
Anwendungsbereichen in jeder Phase zu respektieren. Experimente am menschlichen
Leben sind nicht zulässig.
- Einwilligungsunfähige
Menschen (dazu zählen geistig behinderte Menschen, Kleinkinder, Komapatienten)
müssen wirksam vor Forschungsuntersuchungen geschützt werden, die ihnen keinen
unmittelbaren Nutzen bringen. Biomedizinische Wissenschaft darf einzig dem Ziel
verpflichtet sein, die Lebenschancen und die Lebensqualität aller Menschen zu
erhöhen. Sie darf sich niemals in den Dienst eugenischer Absichten stellen.
- Forschungsuntersuchungen
dürfen grundsätzlich nur mit der persönlichen Einwilligung des betroffenen
behinderten Menschen durchgeführt werden.
In der Verfassung zu verankern ist auch das Recht auf Leben
für alle Menschen und das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit.
Auf gesellschaftlicher Ebene findet soziale Ausgrenzung behinderter Menschen
durch die Normvorstellung der nicht behinderten Gesellschaft statt. Die oder
der Abweichende wird als soziales Problem, als Bedrohung betrachtet,
stigmatisiert und ausgegrenzt.
Dies beginnt schon vor der Geburt des behinderten Menschen.
Es ist in Österreich immer noch erlaubt, einen Fötus bei Verdacht auf eine
Behinderung bis zum Tag der Geburt abzutreiben. Die modere Medizin sieht ihre
Aufgabe darin, Behinderung zu verhindern. Es findet bereits eine Selektion nach
Maß statt. Gefordert ist ein verantwortungsvoller Umgang mit den Möglichkeiten
pränataler Diagnostik. Die Präimplantationsdiagnostik muss als reine
Selektionsmethode in Österreich verboten bleiben.
Ich richte diesen Appell an Sie, geschätzte Damen und
Herren, als Sprachrohr für jene, die nicht für sich selbst sprechen können.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke, Frau Magistra. Die nächste Wortmeldung steht bei
der Geschäftsführerin des Österreichischen Zivilinvalidenverbandes,
Hedi Schnitzer. Ich darf Sie um Ihre Wortmeldung bitten. Bei Ihnen beträgt
die Redezeitbeschränkung zehn Minuten.
Hedi Schnitzer: Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Auch ich möchte mich ganz herzlich bedanken, dass ich hier
die Gelegenheit habe, die Forderungen und Anliegen des Österreichischen
Zivilinvalidenverbandes, einer österreichweit tätigen Behindertenorganisation,
die auch seit vielen Jahren Mitglied der österreichischen Arbeitsgemeinschaft
für Rehabilitation ist, darzulegen.
Eine Staats- und Verfassungsreform mit dem Ziel einer
zukunftsorientierten kostengünstigen, transparenten und bürgernahen Verwaltung
ist sicherlich jedenfalls zu begrüßen, setzt jedoch meines Erachtens voraus,
dass Klarheit über Zielvorstellungen, insbesondere auch was die
sozialpolitischen und sozialstaatlichen Ziele betrifft, herrscht und dass
einzelne Tatbestände ganz klar definiert werden.
Professor Christoph Badelt hat bereits im Jahr 1999 darauf
hingewiesen, dass der österreichische Sozialstaat eher das Produkt von
Ad-hoc-Lösungen für unmittelbar anstehende Probleme als das Ergebnis eines
sozialpolitischen Gesamtkonzeptes sein dürfte. Ich bin guter Hoffnung, dass dieser
Konvent und die ehrgeizigen und umfassenden Ziele, die hier gesetzt wurden,
einiges in Richtung eines Gesamtkonzeptes bewirken werden.
Ich bin bei meinen Überlegungen davon ausgegangen, dass der
derzeitige Artikel 7 der Österreichischen Bundesverfassung, welcher die
Gleichstellung als höchstrangiges Grundrecht darstellt, nicht nur gehalten,
sondern gefestigt und ausgebaut werden soll. Ich denke, es ist dabei notwendig,
dass wir alle ein Bild davon entwickeln, wie der Mensch mit Behinderung in
dieser Gesellschaft zu stehen und auszusehen hat, um diese Gleichstellung und
Gleichberechtigung tatsächlich gewährleisten zu können.
Im Anschluss daran ist die Frage zu stellen, welche
Leistungen diese unsere Gesellschaft beziehungsweise der Staat erbringen müssen,
um den Menschen mit Behinderung die volle und uneingeschränkte Teilhabe zu
ermöglichen, beziehungsweise bereits bestehende Ungerechtigkeiten abzubauen.
Meines Erachtens hat der Staat die Aufgabe, behinderungsbedingte Nachteile
auszugleichen beziehungsweise solchen entgegen zu arbeiten.
Ich denke dabei insbesondere auch an den präventiven
Bereich auch im Hinblick auf die Ansprüche unserer Leistungsgesellschaft, denen
viele Menschen auf Dauer nicht mehr gerecht werden können. Es geht vor allem
auch darum, behinderten Menschen einen Rahmen zu bieten, innerhalb dessen sie
ein selbst bestimmtes, eigenständiges Leben führen können, jenseits von
jeglichen Missbrauchsdiskussionen und Mitleidsaktionen. Menschen mit
Behinderungen brauchen kein Mitleid. Es hat in den letzten Jahren ein
Paradigmenwechsel stattgefunden, den ich selbst in der Organisation, die ich
hier vertrete, mitverfolgen durfte.
Die Organisation ist entstanden vor mehr als 40 Jahren aus
dem Bedürfnis heraus, dass selbst betroffene Menschen anderen Betroffenen Hilfe
anbieten. Aus diesem Grundsatz „Hilfe durch selbst Betroffene“ wurde in den
letzten Jahren das Thema peercounceling. Der ebenfalls wichtige ÖZIV-Grundsatz
„Hilfe zur Selbsthilfe“ hat sich zu dem Schlagwort Empowerment entwickelt, das
heute ein ganz wesentlicher Grundsatz für die selbstbestimmte Leben-Entwicklung
ist.
Menschen mit Behinderung brauchen geeignete
Rahmenbedingungen und Unterstützung, um ihre Fähigkeiten entsprechend einsetzen
und leben zu können. Daraus lässt sich aus meiner Sicht folgender Bedarf
ableiten:
Erstens zu den Rahmenbedingungen: Es braucht umfassende
Zugänglichkeit in allen Lebensbereichen für die Betroffenen. Diese brauchen finanzielle und
teilweise auch inhaltliche Unterstützung auf ihrem Weg zu einem eigenverantwortlichen,
selbstbestimmten Leben, auch wenn sie nicht im herkömmlichen Sinne
leistungsfähig sind.
Das Angebot muss umfassend qualitativ hochwertig und
leistbar sein. Ich möchte hier darauf hinweisen, dass behinderte Menschen
Kunden sind, die ein Recht darauf haben, aus einem transparenten Angebot die
für sie notwendigen Dinge herauszufiltern.
Um dies alles erreichen zu können, formulieren wir folgende
Forderungen: Es muss ein gesichertes Grundeinkommen geben, um den Betroffenen
zu ermöglichen, als Kunden aufzutreten und ihre elementaren Bedürfnisse,
unabhängig von einem Erwerbseinkommen, zu befriedigen. Auf die Notwendigkeit
einer hinreichenden materiellen Sicherung für die finanziellen Folgen
klassischer sozialer Notlagen wurde bereits in einer OECD-Studie in den
Achtzigerjahren hingewiesen. Dazu kommt meines Erachtens noch der ganz wichtige
Aspekt des Selbstwertes, welcher erwiesenermaßen sehr leidet, wenn Menschen auf
Dauer zu Transferbeziehern werden und dann meistens kommt es auch zu
Folgeerscheinungen mit noch weiteren Folgeproblemen.
Wir haben schon vieles gehört über die Barrierefreiheit
insbesondere auch im baulichen Bereich und über das Thema Querschnittmaterie
von Behindertenangelegenheiten, sodass auch wir uns dafür einsetzen, dass
Behindertenangelegenheiten in Bundeskompetenz fallen sollen. Dies hat nichts
mit Föderalismusfeindlichkeit zu tun, sondern soll sicherstellen, dass Klarheit
und Transparenz im Sinne der Betroffenen herrschen.
Wir glauben, dass es notwendig ist, insbesondere im
Hinblick auf die Größenordnung dieser Personengruppe. Wir haben zuerst gehört,
zehn Prozent - wird EU-weit geschätzt -, dass der Anteil der behinderten
Menschen ist. Der österreichische Mikrozensus spricht sogar von 30 Prozent. Im
Hinblick auf diese Größenordnung halten wir es für erforderlich, dass Menschen
mit Behinderung eine anerkannte Interessensvertretung analog dem Seniorenbeirat
bekommen.
Ich glaube auch, dass es notwendig ist, vom derzeit
herrschenden Kausalitätsprinzip speziell im Versicherungsbereich zu einem
Finalitätsprinzip zu kommen und dass Menschen mit Behinderung ungeachtet der
Ursache ihrer Behinderung gleichbehandelt werden müssen.
Im Bereich Kompetenzverteilung und Aufgabenbereiche denke
ich, dass es nicht der Staat sein sollte, der das direkte Angebot für Menschen
mit Behinderungen sicherstellt. Er muss die Betroffenen in die Lage versetzen,
das vorhandene Angebot zu überblicken und sich dieses bedarfsgerecht leisten
und organisieren zu können. Unsere tägliche Arbeit mit Betroffenen zeigt immer
wieder, wie viele Doppelgleisigkeiten und Irrwege es gibt. Diese sollten durch
Schaffung eines One-desk-Prinzips endgültig beseitigt werden. In diesem Bereich
fällt auch die Notwendigkeit, dass es dazu kommt, dass vorliegende Sachverständigengutachten,
die sich damit beschäftigen, in welchem Maße die vorliegenden Behinderungen
einschränkend sind, wechselseitig verpflichtend anerkannt werden müssten.
Ich kann hier nur ganz kurz von einem Fall erzählen. Ein
Klient, der bei uns ist, kämpft seit zwei Jahren, er bekam einen Bescheid, dass
ihm der Führerschein entzogen werden soll, um den Erhalt dieses Führerscheins.
Er hat eine Behinderung, die noch immer nicht ausdiagnostiziert ist. Aufs erste
Hinsehen schaut er aus, als ob er immer im volltrunkenen Zustand wäre. Er hat
eine Sprachstörung, die bei vielen Menschen und leider Gottes auch bei
Gutachtern dahingehend interpretiert ist, dass er kognitive und geistige
Einschränkungen hat. Und gibt es sehr viele Gutachten, die einander
widersprechen und es ist nicht möglich, bei den einzelnen zuständigen Ämtern
diese Gutachten anerkennen zu lassen.
Im strukturellen Bereich würde die alleinige Zuständigkeit
des Bundes für Behindertenangelegenheiten nicht zuletzt dazu führen, dass es zu
einer Gleichbehandlung aller Menschen mit Behinderungen in allen Bundesländern
kommt. Wir haben auch hier schon gehört, dass es da sehr viele Ungleichheiten
und Ungerechtigkeiten gibt. Und ich denke, auch das sollte nicht im Sinne
dieses Konvents sein.
Ich würde Sie gerne als Abschluss noch an die Sendung „der
Volksanwalt“ erinnern. Ich denke, viele von Ihnen haben sie gesehen. Es ging um
einen Mann mit Behinderung, der aufgrund eines Tumors auf den Rollstuhl
angewiesen ist und auch eine Einschränkung in den oberen Extremitäten hat.
Dieser Mann hätte die Chance, in eine Wohngemeinschaft eines Wiener
Trägervereins zu kommen mit der Auflage, dass er einen Rollstuhl bräuchte, der
mit dem Kinn bedienbar ist, weil er die Hände nicht mehr benutzen kann. Der
zuständige Sozialversicherungsträger hat dieses Ansinnen abgelehnt mit der
Begründung, dass dieser Mann ohnehin ununterbrochen Hilfe um sich braucht und
dass diese Hilfe dann ruhig diesen Mann auch schieben kann. Es ist nicht
notwendig, dass er diesen speziellen adaptierten Rollstuhl bekommt. Ich denke
mir, das ist ein Fall, wo man schon ganz genau hinschauen muss um zu erkennen,
wo die Selbstbestimmung in diesem Leben noch ist. Aber ich denke sogar übers
Fernsehen ist sehr deutlich herausgekommen, sie ist vorhanden. Dieser Mann hat
noch immer Lebenswillen und er braucht diese Selbstbestimmung, um seine
Motivation aufrechterhalten zu können.
Ich würde gerne mit einem Satz abschließen, der mir sehr
gut gefällt. „Wenn man den Menschen die Verantwortung nimmt, nimmt man ihnen
auch einen wesentlichen Bestandteil ihres Seins.“ Und in diesem Sinne ersuche
ich Sie alle, sich dafür einzusetzen, dass das eingangs von mir gezeichnete
Bild des behinderten Menschen, des gleichberechtigten Menschen in unserer
Gesellschaft zur Wirklichkeit werden kann. Ich danke Ihnen.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke auch. Wir haben mit Ihrer Wortmeldung den
Bereich Menschen mit Behinderungen abgeschlossen. Wir kommen nun zum nächsten
Bereich, Minderheiten, und ich darf als ersten Vertreter aus diesem Bereich
Herrn Mümtaz Karakurt für die ARGE Emigrantinnenberatung Österreich das Wort
erteilen. Ich mache aufmerksam, dass bei Ihnen eine Redezeitbeschränkung von
sieben Minuten gegeben ist. – Bitte sehr!
Mümtaz Karakurt: Sehr geehrte Mitglieder des Österreich
Konvents! Meine Damen und Herren!
Ich möchte mich im Namen der Arbeitsgemeinschaft
Migrantinnen- und Migrantenberatung Österreich für die Einladung herzlich
bedanken. Die Arbeitsgemeinschaft ist eine österreichweite Dachorganisation der
Migrantinnenberatungsstellen.
Ein wachsender Teil der Bevölkerung in Österreich ist
entweder nicht in Österreich geboren oder nicht im Besitze der österreichischen
Staatsbürgerschaft. Wie auch Walter und Maier im Grundriss der Bundesverfassung
feststellen, "zeigt die Rechtsentwicklung der neueren Zeit bezüglich der
verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte eine deutliche Tendenz, die
unterschiedliche Behandlung von Staatsbürger und Staatsbürgerinnen und
Ausländern und Ausländerinnen zu beseitigen, was sich besonders in der
Schaffung der Menschenrechtskonvention samt Zusatzprotokoll manifestiert".
Eine neue österreichische Verfassung muss sich vom Konzept
der Grundrechte als Staatsbürger- und Staatsbürgerinnenrechte verabschieden und
stattdessen jenes der Wohnbürgerschaft beziehungsweise der Menschenrechte
beinhalten. Bei diesem Konzept steht der Gleichstellung der in Österreich
ansässigen Migrantinnen und Migranten und Minderheitengruppe mit Staatsbürgern
und Staatsbürgerinnen als Prinzip im Vordergrund.
In Österreich beruht die Diskriminierung unter anderem auf
den Artikel VII B-VG, der das Gleichbehandlungsgebot auf Staatsbürgerinnen und
Staatsbürger einschränkt. Diese Einschränkung ist eine Form der
verfassungsrechtlichen Diskriminierung und hat in einer
pluralistisch-demokratischen Verfassung nichts verloren. Das
Gleichbehandlungsgebot muss auf alle in Österreich ansässigen Menschen
ausgedehnt werden. Die Forderung „Gleichheit der Menschen“ ist nicht nur ein
Instrument der Beziehung zwischen In- und Ausländern und Ausländerinnen,
sondern ein notwendiger Schritt zur Änderung der Verfassung.
Eine weitere verfassungsrechtliche Hürde für
Migranten/Migrantinnen bildet die fehlende Mitbestimmungsmöglichkeit. In
Österreich haben nicht EU-Bürger und -Bürgerinnen (=Drittstaatsangehörige)
weder auf kommunaler noch auf Landes-, Bundes oder EU-Ebene Wahlrecht. Auch das
passive Wahlrecht zum Betriebsrat und zu den Kammern (inklusive der
Österreichischen Hochschülerschaft) wird ihnen weiterhin vorenthalten.
Ein wesentliches Kennzeichen und Grundgedanke der gelebten
Demokratie ist die Möglichkeit der Mitbestimmung, Mitgestaltung und das Recht,
sich frei zu artikulieren.
Um diesen Grundsätzen zu entsprechen, volles
Mitbestimmungsrecht und uneingeschränkte Möglichkeit zur freien Artikulation,
ist die Einführung des Wahlrechts unumgänglich.
Da die österreichische Verfassung das Wahlrecht auf
Staatsbürger und Staatsbürgerinnen einschränkt, kann dieses demokratische
Defizit ohne Verfassungsänderung nicht aufgehoben werden.
Weiters möchte ich erwähnen, dass die Umsetzung von
Urteilen und Aufforderungen der internationalen Organisation UNO,
Menschenrechtskonvention, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte,
EU-Kommission in Österreich sehr schleppend umgesetzt wird und hier Reformen
dringend notwendig erscheinen.
Obwohl die Bundesregierung zur Umsetzung der
Antirassismus-Richtlinie der EU bis 19. Juli 2003 verpflichtet gewesen wäre,
wurde diese bis heute nicht umgesetzt. Auch die Frist bis 2. Dezember 2003 für
die Umsetzung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie in Beschäftigung und Beruf
ist ohne die Verabschiedung entsprechender gesetzlicher Bestimmungen
verstrichen. Um den Rassismus wirkungsvoll bekämpfen zu können, sollten ein
umfassender Gleichbehandlungsgrundsatz und Regelungen zur Antidiskriminierung
in der Bundesverfassung verankert werden.
Eine weitere Ungleichbehandlung von niedergelassenen
Drittstaatsangehörigen mit Österreicher und Österreicherinnen findet sich im
Zugang zum öffentlichen Dienst. Der gleiche Zugang zu öffentlichen Ämtern
besteht nämlich wie der Gleichheitsgrundsatz nur für österreichische
Staatsbürger und Staatsbürgerinnen. Um eine möglichst diskriminierungsfreie
Behandlung von niedergelassenen Ausländern und Ausländerinnen zu gewährleisten,
sollte bei der Ausarbeitung der neuen Verfassung diese Einschränkung auf
Bereiche der streng hoheitlichen Aufgaben beschränkt werden.
Angesichts der aktuellen Lage von Asylwerbern und
Asylwerberinnen in Österreich wird deutlich, dass die Aufnahme von Bestimmungen
der Genfer Flüchtlingskonvention in den zu schaffenden Grundrechtskatalog der
Verfassung und die grundrechtliche Absicherung dieser Rechte dringend notwendig
ist.
Meine Damen und Herren! Jede schlechte Stellung oder
Behinderung von den in Österreich ansässigen Menschen aufgrund ihrer Herkunft,
Hautfarbe, ethnischer oder kultureller Zugehörigkeit oder Staatsangehörigkeit
beim Zugang zu Ressourcen oder bei der Teilhabe an wirtschaftlichen,
gesellschaftlichen und politischen Leben ist inakzeptabel und muss durch
Antidiskriminierungsbestimmungen in der Verfassung verhindert und durch
antirassistische Politik und Praxis verteidigt werden.
Um die historischen Defizite und Ungleichbehandlungen
aufzuheben, die Normen der Menschen- und Bürgerinnenrechte auf alle Menschen,
die in Österreich ansässig sind, auszudehnen, sind die erwähnten Änderungen
unabdingbar. Ich hoffe und ersuche, dass die von mir dargestellten Vorschläge
in die zukünftige Verfassung aufgenommen werden. Ich danke für die
Aufmerksamkeit. Tesekkürler, Hvala!
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke auch. Nächster Redner ist Herr Mag. Marko Iljic
für den Wiener Integrationsfonds. Auch bei Ihnen, Herr Magister, gilt eine
Redezeitbeschränkung von sieben Minuten. – Bitte sehr!
Mag. Marko Iljic: Danke schön. Sehr geehrte Damen und Herren!
Die Wiener Integrationskonferenz ist eine Plattform von
Selbstorganisationen der Migrantinnen und der im Migrantinnenbereich tätigen
Beratungs- und Betreuungseinrichtungen.
Die Diskussion zur neuen Verfassung für Österreich sehen
wir als eine wichtige Chance zur Modernisierung des Grunddokuments unserer
Gesellschaft. Wir möchten uns im Folgenden auf den Bereich der Grundrechte
beschränken, deren Verankerung als Menschen- oder Bürgerinnenrechte Stellung
und Schutz von Menschen mit Migrationshintergrund ohne und mit österreichischem
Pass grundlegend bestimmen.
Unser wesentliches Anliegen ist es, den in der Verfassung
als Staatsbürgerrecht angelegten Gleichheitsgrundsatz vor dem Hintergrund des
BVG zur Beseitigung aller Formen von rassistischer Diskriminierung und der
darauf beruhenden Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu einem
staatsbürgerschaftsunabhängigen Menschenrecht weiter zu entwickeln. Es sollte
die neue Verfassung explizit die Gleichheit aller in Österreich lebenden vor
dem Gesetz und den Schutz aller Menschen vor Diskriminierung zum Inhalt haben.
Art. 7 des BVG sollte daher als Dreh- und Angelpunkt eines umfassenden
Antidiskriminierungspaketes lauten: Alle Menschen, die in Österreich leben,
sind vor dem Gesetz gleich. Ich wiederhole: Alle Menschen, die in Österreich
leben, sind vor dem Gesetz gleich. Weiters sollte dem Art. 13 EGV, dem Vertrag
von Amsterdam und den auf Unionsebene bestehenden einschlägigen Antidiskriminierungsrichtlinien
auch in der österreichischen Verfassung ein besonderer Stellenwert zugemessen
werden, dementsprechend sollte Art. 7 Absatz 1 neben dem Bekenntnis zur
tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern beziehungsweise behinderten
oder nichtbehinderten Menschen auch allen anderen im Art. 13 EGV erwähnten
diskriminierungsgefährdeten Menschen Schutz vor Benachteiligung zusichern und
positive Fördermaßnahmen zu faktischen Gleichstellung nicht nur zulassen,
sondern als wesentliches Ziel des Staates verankern.
Eine besondere Ausformung des Gleichheitsgrundsatzes sind
der Schutz und die Förderungsmaßnahmen, die so genannten autochthonen
alteingesessenen Minderheiten in Österreich erfreulicherweise zukommt. Wenn es
auch bei der Umsetzung der Schutzbestimmungen aus den Staatsverträgen von
Saint-Germain und Wien unter jüngeren Verfassungsbestimmungen viele Defizite
gibt, zum Beispiel topographische Verordnungen, Volksgruppengesetz.
Wir sehen eine rechtspolitische Herausforderung der Zukunft
darin, dass sich Österreich in ähnlicher Weise - wie im Art. 8 Abs. 2 des BVG
eingefügt - im Jahre 2000 auch zu
seinen allochthonen, in jüngerer Zeit zugewanderten neuen Minderheiten bekennt.
So sollte neben dem Schutz der alten so genannten autochthonen Minderheiten der
Schutz von neuen ethnischen, sprachlichen, religiösen und kulturellen
Minderheiten, die auf österreichischen Staatsgebiet leben, in der neuen
Verfassung verankert und deren Identität, Sprache und kulturelle Traditionen in
ähnlicher Weise geschützt und gefördert werden.
Das Verfassungsprinzip der repräsentativen Demokratie lebt
von der Mitsprache aller von Gesetzen und sonstigen politischen Entscheidungen
betroffenen in Österreich lebenden Menschen, die politische
Mitsprachemöglichkeit von Migrantinnen manifestiert sich primär in der
Möglichkeit wählen, um gewählt werden zu können. Das Wahlrecht ist ein
Grundrecht und derzeit weitgehend als Staatsbürgerrecht gestaltet.
Mit Ausnahme von EU-Bürgerinnen und so genannten
Drittstaatsbürgerinnen mit 5 Jahren Wohnsitz in Wien können Menschen ohne
österreichischen Pass derzeit auf keiner Ebene der allgemeinen
Vertretungskörper wählen und gewählt werden.
In Hinblick auf diesen Ausschluss zahlreicher Menschen mit
Lebensmittelpunkt in Österreich ist die derzeitige Demokratie eine
schwerwiegend defizitäre. Um dieses Defizit zu beheben, erachten wir als
unerlässlich im Rahmen der neuen Verfassung, Migrantinnen mit anderen als der
österreichischen Staatsbürgerschaft das aktive und passive Wahlrecht auf
Bezirks-, Gemeinde-, Landes- und Bundesebene einzuräumen beziehungsweise
zumindest deren Gleichstellung mit EU-Bürgerinnen vorzusehen.
Die Einräumung des Wahlrechts wäre ein starkes Signal dafür,
dass auch die Meinungen und Interessen dieser Menschen wertvoll und zu
vertreten sind. Dies wäre ein weiterer Eckpunkt eines
Antidiskriminierungspaketes.
Es ist unbestritten, dass nur ein gleichberechtigtes Reden
und Handeln von Migrantinnen und Österreicherinnen auf allen gesellschaftlichen
Ebenen neu entstehende, aber auch alte bereits bestehende Unklarheiten
beseitigen kann. Auch die bestehenden ungleichen Möglichkeiten der politischen
Partizipation zwischen den in Österreich lebenden Bürgern der Europäischen
Union und den so genannten Drittstaatsangehörigkeit entspricht nicht dem
europäischen Geist.
Da der Österreich-Konvent sich zu einer umfassenden
Diskussion über die anstehende Verfassungsreform bekennt, möchten wir noch das
Thema der Verwendung von kritisch zu hinterfragenden Begriffen einbringen. Als
Beispiel sei der in der österreichischen Rechtsordnung verwendete Begriff
„Fremde“ - zum Beispiel Datenbestand „Fremdenwesen“ - zu nennen. Die in der österreichischen Öffentlichkeit häufig
diskutierten politischen Maßnahmen zu möglichst guter Integration von
Migrantinnen zum Beispiel durch die so genannte „Integrationsvereinbarung“
werden a priori durch die diesen Menschen als unveränderlich zugeschriebene
Fremdheit erschwert und dadurch ihrer Ausgrenzung Vorschub geleistet. Wir
plädieren daher eindringlich für einen sensiblen Umgang mit Sprache sowie für
die Verwendung von Begriffen, die sich auf die Inhalte der Regelung anstelle
die von den Regelungen betroffenen Menschen beziehen.
Mit der Hoffnung, dass unsere Vorschläge im weiteren
Diskussionsprozess des Österreich Konvents Berücksichtigungen finden werden,
bedanke ich mich für die Einladung der Wiener Integrationskonferenz.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön,
Herr Magister. Nächster Redner ist der Herr Dr. Georg Schoiswohl für den
Auslandsösterreicher-Weltbund. Bitte sehr, Herr Doktor.
Dr. Georg Schoiswohl: Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und
Herren!
Derzeit leben mehr als 400.000 österreichische Staatsbürger
im Ausland. Der Auslandsösterreicher-Weltbund ist Dachverband,
Interessensvertretung und Serviceorganisation für die ihm angeschlossenen im
Ausland bestehenden Österreichervereinigungen – das sind Vereine, Verbände,
Councils, Round Tables etc. - und somit für die im Ausland lebenden
Österreicher. Er nimmt als Dachverband deren Interessen als einzige weltweite
Vertretungsoranisation wahr. Zurzeit sind etwa 170 Vereine mit Österreichbezug
auf allen Kontinenten Mitglied im Auslandsösterreicher-Weltbund.
Der AÖWB hat dem Österreich-Konvent seine Anliegen zu Wahl-
und Staatsbürgerschaftsfragen bereits schriftlich übermittelt und dankt für die
Möglichkeit, im Rahmen der heutigen Anhörung die Hauptanliegen auch mündlich
vortragen zu können.
Eine der Hauptinteressen der Auslandsösterreicher liegt in
der Verbesserung bzw. Vereinfachung der Möglichkeit, das Wahlrecht ausüben zu können.
Derzeit ist das Wahlrecht per Wahlkarte durch Einschaltung von einem
zusätzlichen österreichischen Zeugen oder die Bestätigung der Stimmabgabe durch
eine österreichische Vertretungsbehörde im Ausland sehr behindert. Vornehmlich
in überseeischen Ländern bestehen oft sehr weite Entfernungen zur nächsten
österreichischen Vertretungsbehörde, die zu überbrücken nicht nur einen
erheblichen Zeit-, sondern auch Kostenaufwand erfordern. Der Wähler muss sich
um die Eintragung in die Evidenz bei der zuständigen Gemeinde in Österreich
kümmern. Jeweils nach 10 Jahren muss ein Neueintrag in die Wählerevidenz durch
den Wähler beantragt werden, da von Amts wegen nach dieser Frist die
Eintragungen gestrichen werden. Weiters muss der Wähler dann noch gesondert zu
jeder Wahl schriftlich die Ausstellung einer Wahlkarte beantragen. Das für
diesen Antrag notwendige Formular kann über Internet abgerufen werden oder
liegt bei den Vertretungsbehörden auf. Es sind also Formulare zu besorgen,
Fristen einzuhalten, Zeugen zu finden, Eintragungen zu prüfen usw.
Wir schlagen deshalb vor:
- die Einführung einer echten Briefwahl im
Ausland, wie sie schon in einer Reihe anderer europäischer Länder erfolgreich
gehandhabt wird, genannt seien hier nur Deutschland oder Italien,
- die amtswegige Information aller in
Auslandswählerevidenzen eingetragener österreichischer Staatsbürger über
kommende Wahlen und Volksabstimmungen, die automatische Zusendung der
Wahlkarten an die in der Wählerevidenz eingetragenen Staatsbürger, ohne
zusätzliche schriftliche Anforderung
- bei Ablauf der 10 jährigen Eintragung in die
Wählerevidenz die amtswegige und rechtzeitige Information seitens der Gemeinden
über die baldige Streichung an die Betroffenen,
- und die Verlängerung und Vereinheitlichung der
Fristen für die automatische Aussendung und Rücksendung von Wahlkarten.
- Einführung
von e-Voting im Ausland - zunächst
für eine Testphase.
Auch im zweiten für uns wichtigen Bereich, dem
Staatsbürgerschaftsrecht, bestehen für Auslandsösterreicher erhebliche Hürden
und Probleme. In vielen Ländern ist aus gesetzlichen oder beruflichen Gründen
der Erwerb der Staatsbürgerschaft des Gastlandes absolut notwendig. Vielen
Österreichern ist dabei nicht klar, dass vor diesem Staatsbürgerschaftserwerb
die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft beantragt und
bewilligt werden muss, um diese weiter behalten zu können. Dieser Antrag muss
an das Herkunftsbundesland des Österreichers, der Österreicherin gerichtet
werden, wobei die Vergabepraxis der Genehmigung der Beibehaltung der
Staatsbürgerschaft der einzelnen Bundesländer sehr verschieden sein kann.
Wir schlagen deshalb vor:
- die Einführung des Rechtsanspruchs auf
Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft bei Erwerb einer fremden
aus Gründen des beruflichen oder sozialen Lebens im Gastland,
- die Einführung eines Rechtsanspruchs auf
Wiedererwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft - ohne Ausscheiden aus dem
fremden Staatsverband - sowie erleichterte Bedingungen für den Wiedererwerb,
- einen Rechtsanspruch auf die Verleihung der
österreichischen Staatsbürgerschaft für die Nachkommen von österreichischen
Vertriebenen, und
- die Verlängerung beziehungsweise
Wiedereröffnung der Frist für jene, die vor dem 1.9.1983 als Kind einer
österreichischen StaatsbürgerIn geboren wurden und aus Unkenntnis bzw.
Versäumnis der Fallfrist vom 31.12.1988 die Antragstellung versäumt haben,
- und weiters die Schaffung eines
Sondererwerbstatbestandes im Staatsbürgerschaftsgesetz, um bei langjährigem
rechtmäßigem Besitz einer Staatsbürgerschaftsurkunde auf die Richtigkeit dieser
Urkunde vertrauen zu dürfen - und nicht nach Jahren "gutgläubigen
Besitzes" der österreichischen Staatsbürgerschaft diese rückwirkend
entzogen zu bekommen. Im Übrigen darf ich darauf verweisen, dass die
Volksanwaltschaft seit ihrem 7. Bericht (zum Jahre 1983) die Notwendigkeit der
Schaffung eines derartigen Sondererwerbtatbestandes betont.
Abschließend glauben wir, dass die Anliegen der
Auslandsösterreicher durch eine institutionalisierte Vertretung im österreichischen
National- und Bundesrat besser und evidenter behandelt werden sollten. Die weit
mehr als 400.000 im Ausland lebenden Österreicher, und diese Zahl wird
möglicherweise durch die EU-Erweiterung und weltweite wirtschaftliche
Globalisierung eher wachsen, diese 400.000 Auslandsösterreicher sehen ihre
speziellen Anliegen nur bedingt in der österreichischen Volksvertretung
repräsentiert und sehen mit Interesse, wie andere europäische Staaten, wie
Italien, Frankreich und in Kürze auch Spanien, deren Auslandsbürger durch
dedizierte Sitze im Parlament direkt in den demokratischen Informations- und
Entscheidungsprozess einbeziehen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, es
ist uns bewusst, dass unsere Wünsche nach der Einführung einer echten
Briefwahl, nach für uns wesentlichen Anpassungen des Staatsbürgerschaftrechts
und nach einer Institutionalisierung einer Vertretung der Auslandsösterreicher
im National- und Bundesrat, nicht unbedeutend sind. Wir glauben aber, dass es
wichtig und gerechtfertigt ist, auf die Sorgen von nahezu einer halben Million
Wähler einzugehen und damit für diese eine noch engere Bindung an ihre Heimat
zu ermöglichen.
Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.
Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents
Angela Orthner : (übernimmt den Vorsitz) Als nächsten
darf ich Herrn Professor Dr. Wolfgang Neugebauer vom Dokumentationsarchiv des
österreichischen Widerstandes um sein Statement bitten. Bitte.
Dr. Wolfgang Neugebauer‡: Sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrte
Mitglieder des Konvents!
Ich bin sehr dankbar, dass Sie mir Gelegenheit geben,
einige Überlegungen und Anmerkungen aus der Sicht des Dokumentationsarchivs des
österreichischen Widerstands vorzutragen. Unser Institut ist eine von
ehemaligen Widerstandskämpfern und -kämpferinnen und Verfolgten des NS-Regimes
aufgebaute, heute von der Republik Österreich und der Stadt Wien getragene
Stiftung, die sich die Bewahrung der Erinnerung an die Opfer des
Nationalsozialismus und die wissenschaftliche Aufarbeitung von Widerstand und
Verfolgung zum Ziel gesetzt hat, aber auch die zeitgeschichtliche Aufklärung
und die Auseinandersetzung mit rechtsextremen, rassistischen und
antisemitischen Tendenzen zu ihren Arbeitsfeldern zählt. Ohne den
österreichischen Widerstand zu überschätzen und ohne die Mitwirkung vieler
Österreicher am Nationalsozialismus zu negieren, darf ich doch darauf
hinweisen, dass nicht wenige Österreicherinnen und Österreicher unter hohen
Risken für die Wiederherstellung eines freien Österreich und einer
demokratischen Verfassung eintraten und ihren eigenen Beitrag zur Befreiung zu
leisten versuchten, der in der Moskauer Deklaration der Alliierten 1943 von den
Österreichern verlangt wurde und auf den im Zuge der
Staatsvertragsverhandlungen österreichischerseits stets verwiesen wurde.
Für das Dokumentationsarchiv und die immer dort noch
tätigen Widerstandskämpfer und Verfolgten hat daher das am 8. Mai 1945
erlassene Verfassungsgesetz über das Verbot der NSDAP eine besondere Bedeutung.
Ist es doch eine von ihnen miterkämpfte historische Errungenschaft. Mit diesem
Verfassungsgesetz wurde das inhumane Gedankengut des Nationalsozialismus
kriminalisiert und jede Wiederbetätigung in diesem Geiste unter Strafe
gestellt. Nicht zuletzt durch die konsequente Rechtssprechung des
Verfassungsgerichtshofs, der das Verbotsgesetz als eine Generalklausel der
österreichischen Rechtsordnung qualifizierte, wurde dieses Gesetz zu einem
effizienten Instrument bei der Bekämpfung von Neonazismus. Insbesondere seit
der Novellierung 1992 konnten neonazistische Aktivisten sowie Leugner und
Verharmloser des Holocaust in Österreich erfolgreich in die Schranken gewiesen
werden.
In diesem Zusammenhang darf ich auch auf die im
Verfassungsrang stehenden Bestimmungen des österreichischen Staatsvertrages
verweisen, in denen gleichfalls nazistische und minderheitenfeindliche
Organisationen verboten und die Rechte der Minderheiten, also der kroatischen
und slowenischen Volksgruppe, festgeschrieben werden.
Aus diesen Gründen treten wir mit Nachdruck für die
Beibehaltung des Verbotsgesetzes und dessen hohen Stellenwerts in der
österreichischen Rechtsordnung ein, wiewohl wir davon ausgehen, dass seitens
der Parlamentsparteien an diesen von Univ.-Prof. Dr. Mayer in einer
Konventssitzung als Staatsziel definierten Verfassungsgesetz nicht gerüttelt
werden wird. Darüber hinaus halte ich es aber für überlegenswert, ob die
Kernsubstanz des Verbotsgesetzes und der einschlägigen Verfassungsbestimmungen
des Staatsvertrages nicht auch in einer neu formulierten Verfassung ihren Platz
finden sollten.
Erlauben Sie mir zum Schluss noch zwei kritische aber
keineswegs polemisch gemeinte Anmerkungen: Im Präambelentwurf der ÖVP scheint
mir die Formulierung von der Republikgründung nach den Schrecknissen beider
Weltkriege ein wenig zu undifferenziert und gleichsetzend zu sein.
Wünschenswert wäre eine klare Bezugnahme auf die Auslöschung Österreichs 1938,
auf die NS-Herrschaft und auf die Befreiung 1945, die das Wiedererstehen eines
freien Österreich und die friedliche, schließlich zur Integration führende
Entwicklung in Europa ermöglichte. In dem sozialdemokratischen
Grundrechtskatalog vermisse ich die historische Perspektive. Die Grund- und
Freiheitsrechte sind nicht 2003 vom Himmel gefallen, vielmehr haben die
schmerzlichen Erfahrungen, die Österreich und die anderen Völker Europas im 20.
Jahrhundert mit totalitären Diktaturen, mit Krieg und mit Fremdherrschaft
gemacht haben, jenen Lernprozess eingeleitet, der zur Akzeptanz und
Durchsetzung von Demokratie und Menschenrechten geführt hat.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihren
Bemühungen im Interesse unseres Landes viel Erfolg.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Herr Professor Neubauer. Ich bitte Herrn
Bundesobmann Josef Mitterhofer vom Südtiroler Heimatbund um seine Rede. -
Bitte.
Josef Mitterhofer: Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich bedanke mich für die Einladung. Es ist für den
Südtiroler Heimatbund eine Ehre, als einzige Vertretung unserer Heimat Südtirol
hier sprechen und unser Anliegen vorbringen zu können. Ich stell den Südtiroler
Heimatbund (SHB) kurz vor.
Er ist 1974 von den Südtiroler politischen Häftlingen der
fünfziger und sechziger Jahre gegründet worden, um die Rehabilitierung der
Mitglieder voranzutreiben. Ab 1977, nachdem Italien die UNO-Menschenrechtspakte
ratifiziert hatte, hat sich der Heimatbund wieder politisch betätigt.
Ich zitiere aus den Statuten: „Der Südtiroler
Heimatbund ist überparteilich. Sein Ziel ist die Durchsetzung des seit 1919
verwehrten Selbstbestimmungsrechtes, das die Entscheidung über die
Wiedervereinigung des geteilten Tirol bis zur Salurner Klause zum Gegenstand
hat. Die angestrebte Wiedervereinigung soll entweder durch einen einzigen
Volksentscheid oder durch schrittweisen Vollzug verwirklicht werden. Der SHB
sieht den Weg zur Erreichung dieser Ziele in der Anwendung von friedlichen
Mitteln im Allgemeinen und des durch internationale Verträge auch von Italien
und Österreich anerkannten Rechtes auf Selbstbestimmung im Besonderen.“
Zitatende
Dieses Ziel haben wir bis heute beibehalten, trotz der
vielen Anfeindungen. Sie werden sagen, das gehört der Vergangenheit an.
Außerdem habt ihr eine Autonomie, welche in Europa als Modell dargestellt wird.
Meine Damen und Herren, was 1989 beim Fall der Berliner
Mauer und in den folgenden Jahren in den osteuropäischen Staaten möglich war,
muss auch bei uns durchführbar sein. Italien hat die Schlussakte von Helsinki,
welche die Selbstbestimmung zum Inhalt haben, anerkannt und kann deshalb nicht
nein sagen, nur hinauszögern.
Felix Ermacora hat vor ca. 15 Jahren in Bozen, bei einer
Versammlung gesagt: „Keine Macht der Erde kann einem Volk die Selbstbestimmung
auf die Dauer vorenthalten, auch Italien den Südtirolern nicht, aber wollen und
verlangen muss man sie!“
Wir politische Häftlinge und viele Kameraden in Nordtirol
und Österreich haben 1961 aufgrund der sehr schlechten politischen,
wirtschaftlichen und sozialen Lage zum Sprengstoff gegriffen, um die
Weltöffentlichkeit auf das große Unrecht und die Unterdrückung durch Italien
aufmerksam zu machen. Wir sind nach der großen Verhaftungswelle in den Carabinierikasernen von Meran,
Eppan, Neumarkt und Brixen schwer gefoltert worden, sodass zwei Häftlinge Franz
Höfler und Toni Gostner nach mehreren Monaten an den Folgen gestorben sind.
Sepp Kerschbaumer, unser Anführer, ist am 07. Dezember 1964 nach dem großen
Sprengstoffprozess in Mailand, wo er die ganze Verantwortung übernommen hat, an
Herzversagen im Gefängnis von Verona gestorben. Seine Beerdigung mit über
20.000 Teilnehmern aus ganz Tirol, war eine wahre Kundgebung. Zusammen haben
wir über 500 Jahre Gefängnis abgesessen, haben 13 Tote zu beklagen und dazu
kommen noch das viele Leid und die Tränen unserer Frauen und Mütter. Ich selbst
bin auch gefoltert worden und habe knapp acht Jahre Gefängnis hinter mir und
meine Gesundheit ist seither arg angeschlagen. Das gehört zur Geschichte. Was
uns aber große Sorgen bereitet, ist die Gegenwart und Zukunft in unserer
Heimat.
Trotz Autonomie und Wohlstandes geht es volkstumspolitisch
in unserer Heimat bergab. Der Wohlstand hat den Südtirolern den politischen
Weitblick getrübt, viele sind nicht mehr bereit, ums Volkstum zu kämpfen. Wir
nähern uns der Mentalität der Italiener. Die Assimilierung schreitet
schleichend, aber unaufhaltsam fort, ohne dass es bemerkt wird. Dr. Günther
Birnbaum, Österreichischer Botschafter in Rom, hat laut Tageszeitung Dolomiten
vom 17. Oktober 1997 erklärt: „Den Südtirolern geht es gut und es geht ihnen
finanziell besser als den Nordtirolern. Aber jede Minderheit befindet sich in
einer delikaten Lage, denn es besteht ein Automatismus zur Assimilierung, auch
wenn keine Assimilierungspolitik betrieben wird.“ Auch der italienische Innenminister
Bianco hat bei seinem Südtirolurlaub im Sommer 2000 gesagt: “Durch den schnell
erworbenen Reichtum laufen die Südtiroler Gefahr, ihre Identität zu verlieren.“
Große Sorge bereitet uns auch die heutige politische Linie
der Südtiroler Volkspartei (SVP). Sie ist eine romtreue Partei geworden, deren
Hauptziele die Macht und das Geld sind. Sie hat kein Gespür mehr für die
Volkstumspolitik. Wenn das so weitergeht, dann waren die vielen großen Opfer
des Freiheitskampfes in den Sechzigerjahren umsonst.
Darum stellt sich für uns die Frage: Hat das Vaterland
Österreich überhaupt noch ein Interesse an Südtirol? Ist es bereit, den
Anspruch zu erheben und Schritte dazu in die Wege zu leiten, welche natürlich
viel Geschick und Kraft kosten werden? Ich möchte auf die Erklärung des
politischen Ausschusses des auswärtigen Amtes von 1946 verweisen.
Zitat: „Die Haltung Österreichs bedeutet in
keiner Weise einen Verzicht auf die unveräußerlichen Rechte unseres Staates auf
Südtirol. Der Ausschuss gibt der bestimmten Hoffnung Ausdruck, dass eine
geänderte Weltlage in Zukunft den Südtirolern die Möglichkeit der
Selbstbestimmung über ihre staatliche Zugehörigkeit geben wird. Er ist der
Meinung, dass dieses Prinzip der einzige Weg für eine dauernde Lösung der
Südtirolfrage ist, die von Österreich als gerecht und befriedigend angenommen
werden könnte.“ Zitatende.
Darum ersucht der SHB den Konvent um Aufnahme eines
Südtirol-Paragraphen in die österreichische Verfassung oder in eine Präambel,
um zum gegebenen Zeitpunkt mit Einverständnis der Südtiroler Schritte in die
Wege zu leiten, welche eine Wiedervereinigung Tirols oder eine Europaregion
Tirol, ohne Einfluss Italiens, zum Ziel hat.
Es darf nicht geschehen, dass wir Tiroler südlich des
Brenners noch einmal das Opfer der hohen Politik werden. Wir wollen vermeiden,
dass unsere Opfer für die Heimat Südtirol umsonst waren und hoffen, dass unsere
Nachkommen ihre Tiroler Identität bewahren können! Ich danke vielmals.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Herr Bundesobmann.
Als nächsten bitte ich Herrn Ing. Martin May vom
Verband der volksdeutschen Landsmannschaften um seine Wortmeldung. Bitte
Martin May: Verehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen
und Herren!
Ich vertrete den Dachverband der Volksdeutschen in
Österreich. Das waren nach dem Krieg nach den Vertreibungen 350.000 Menschen,
also auch von der politischen Bewertung ein ziemlich großer Patzen. Wir freuen
uns und danken herzlich für die Einladung. Wir haben es gleich weiter gegeben
an unsere interessierten Menschen und die freuen sich, dass eine Verankerung in
der Verfassung stattfinden könnte und ich darf jetzt ein paar Dinge vortragen,
die vielleicht von Interesse sind.
Auf die Geschichte kann ich nicht eingehen, denn die
Volksdeutschen sind die Volksgruppe, der eigentlich seit dem Ersten Weltkrieg
am meisten mitgespielt wurde in Europa. Das ist nicht allen geläufig, aber die
habsburgische Geschichte ist sicherlich den Herrschaften hier im Raume
geläufig, darauf brauche ich nicht einzugehen. Ich darf also nur ein paar
Punkte bringen.
Im Dachverband aller deutschen Altösterreicher aus dem Raum
der ehemaligen Donaumonarchie sind die Sudetendeutschen, die Donauschwaben, die
Siebenbürger Sachsen, zu denen ich gehöre, Karpatendeutschen,
Buchenlanddeutschen, Deutsch-Untersteirer und deutsche Beskiden. Diese Menschen
wurden zu Ende des Zweiten Weltkriegs zwangsweise vertrieben und 350.000, wie
schon gesagt, haben in Österreich eine neue Heimat gefunden. Wer damals nicht
flüchten konnte, wurde in Konzentrationslager, die so genannten Todeslager,
gesteckt. Nur wenige sind in ihrer Heimat verblieben, wo sie heute in
Minderheit leben. Alle diese Menschen, die Vertriebenen, verlangen eine
moralische und wirtschaftliche Wiedergutmachung und die Daheimgebliebenen eine
volle Anerkennung als autochthone Minderheiten dieser Staaten selbst.
Wir sind einen Schritt weiter gegangen und haben ein
Institut gegründet in unserem Dachverband, das Felix-Ermacora-Institut, dem ich
die Ehre habe, vorzusitzen, wir haben uns vorgenommen, in den nächsten Jahren
diese Frage der Minderheitenrechte in den ehemaligen Donaumonarchie-Raum zu
beobachten und ihnen jede Hilfe zu geben, die notwendig ist, um diese
Gleichheit zu erreichen.
Denn, Legislative und Exekutive – das sind zwei
verschiedene Dinge in manchen Staaten. Die Gesetzgebung ist in Ordnung, aber
die Durchführung ist mangelhaft. Und hier werden wir auch das Außenamt kräftig
unterstützen mit diesem Instrument.
Warum nennen wir uns Volksdeutsche, und warum sollte sich
Österreich für die Volksdeutschen einsetzen? Der Name als solcher spreche eher
für die Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland. Doch nicht Deutschland
war Jahrhunderte lang die Heimat dieser Völker, sondern Österreich.
Als nach dem Krieg überlegt wurde, die Flüchtlinge
deutscher Sprache weiter zu reichen in die Bundesrepublik hat sich etwas
Merkwürdiges ergeben. Die Britische Besatzungsmacht hat dagegen protestiert und
sie hat Folgendes gesagt: Dass diese Menschen nicht nach Deutschland, sondern
dass Österreich für die Aufnahme dieser Bevölkerung verantwortlich sei, weil
die vertriebenen Volksdeutschen als Altösterreicher anzusehen waren, die ihre
Heimatorte bis 1918 im Raume der Donaumonarchie hatten.
Im Friedensvertrag von Saint-Germain wurde festgelegt, dass
die Länder Böhmen, Mähren und Schlesien nach österreichischer Lesart, also
diese Sudetenländer, die von 3,5 Millionen Deutschen und ca. 7 Millionen
Tschechen bewohnt waren, an die neu gegründete Tschechoslowakische Republik
abgetreten wurden. Sie verloren ihre Staatsangehörigkeit des Staates Österreich
und ich darf zitieren eine Rede des deutsch-österreichischen
Parlamentspräsidenten Karl Seitz, einem Sozialdemokraten, anlässlich der
Verabschiedung der sudentendeutschen Regierungen und Vertretungen in Wien am
24. Dezember 1919. Es sind dies ziemlich die stärksten Worte, die ich jemals im
Zusammenhang mit unseren Problemen gelesen habe.
Ich zitiere: „Was nur irgend geschehen konnte,
um dem deutschen Volk in den Sudentenländern sein geheiligtes Recht auf
Selbstbestimmung zu wahren und durchzusetzen, das haben seine Berufenen, von
seinem Vertrauen getragenen Vertreter mit einer Pflichttreue, die bis zur
Selbstentäußerung geht, getan.
Wenn diesem Werke nicht der angestrebte Erfolg ermöglicht wurde, so
liegt das an der höheren Gewalt, der wir uns beugen müssen. Aber ist auch das
staatsrechtliche Band, das die deutschen Sudeten mit der Republik
Deutsch-Österreich vereinigt hat, zerschnitten. Unzerreißbar sind die Bande des
Blutes, der Sprache, der Kultur und der Sitte, die das deutsche Volk südlich
und nördlich der Thaya verbinden.“
Sehr geehrte Damen und Herren! Natürlich wollten damals die
Parlamentarier helfen. Sie durften aber nicht helfen. Aber Sie, hier im Raum,
Mitglieder des Konvents, Sie dürfen uns helfen und wir bitten Sie herzlich,
dies zu tun. Ich erspare Ihnen – das Lamperl leuchtet schon intensiv – ich
erspare Ihnen weitere Ausführungen. Ich glaube aber, dass Sie unsere Bitte, um
folgende Anmerkung:
„Österreich sieht sich verpflichtet, die
Interessen der deutschen Alt-Österreicher im In- und Ausland zu schützen und zu
vertreten“
erfüllen werden. Ich bedanke mich für Ihre Geduld.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Als nächste darf
ich Frau Helga Pankratz, Obfrau der Homosexuellen Initiative Wien, um ihre
Ausführungen bitten.
Helga Pankratz: Sehr geehrte Damen und Herren!
Aufgrund der Zeitbeschränkung werden wir uns in unserer
Stellungnahme auf spezifisch lesbische und schwule Anliegen konzentrieren,
obwohl wir als Teil der Zivilgesellschaft, als der wir uns selbstverständlich
verstehen, auch viele andere gesellschaftliche, für diese Verfassungsreform
relevante Anliegen unterstützen.
Aus lesbischer, schwuler und auch transgender Sicht ist der
wichtigste Punkt für eine neue Verfassung die explizite Aufnahme der Merkmale
sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität in den bestehenden Artikel 7.
Wir halten die jetzige Aufzählung Geburt, Geschlecht, Stand, Klasse und
Bekenntnis für längst nicht mehr ausreichend und nicht auf der Höhe der Zeit.
Wichtige, heutzutage brisante Kategorien wie Alter, Hautfarbe, Ethnizität
fehlen hingegen und es ist uns wichtig, zu betonen, dass eine reformierte
Verfassung den Schutz vor Rassismus explizit garantieren sollte. Wobei der
Begriff Rasse, wie er in internationalen Dokumenten vorkommt, ein höchst
problematischer ist.
Die Auflistung der Merkmale sollte sich an der EU-Charta
der Grundrechte orientieren, aber auch über diese hinausgehen. Wir schlagen –
der EU-Charta entsprechend – eine Mindestauflistung vor, die lautet:
Geschlecht, Rasse, Hautfarbe, ethnische Herkunft, soziale Herkunft, genetische
Merkmale, Sprache, Religion, Weltanschauung, politische oder sonstige
Anschauung, Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder nationalen Minderheit,
Vermögen, Behinderung, Alter, Familienstand sowie eben sexuelle Orientierung
und Geschlechtsidentität.
Sexuelle Orientierung, meine Damen und Herren, bezeichnet
weit über das Sexualverhalten hinausgehend zwischenmenschliche Zuneigung,
Verantwortung und Formen des menschlichen Zusammenlebens, wobei die
gleichgeschlechtliche oder bisexuelle Orientierung um nichts weniger natürlich
und gesund ist, wie die verschiedengeschlechtliche. Partner- und
Partnerinnenschaften, die auf homo- oder bisexueller Orientierung basieren,
tragen das gleiche Potential in sich, für die Gesellschaft als Ganzes von hohem
Wert und Nutzen zu sein, wie alle Formen des Zusammenlebens zwischen Mann und
Frau. Dieses Potential kann der Gesellschaft allerdings nur unter den
Bedingungen der Nichtdiskriminierung und wahrhaftiger Gleichberechtigung der
Geschlechter und aller geschlechtlichen Orientierungen zugute kommen. Mit der
Aufnahme von sexueller Orientierung in den Gleichheitsartikel würde Österreich
keineswegs Neuland betreten, sondern bloß internationale Entwicklungen
nachvollziehen.
Bereits 1994 hat der UNO-Ausschuss für Menschenrechte in
der Entscheidung im Fall Toonen gegen Australien festgestellt, dass sexuelle
Orientierung im Begriff Geschlecht, im internationalen Pakt über bürgerliche
und politische Rechte, Artikel 26, implizit enthalten ist. Dasselbe trifft auf
die Europäische Menschenrechtskonvention zu. Einerseits aufgrund gängiger
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, andererseits
aufgrund des Zusatzprotokolls 12, das von Österreich bis jetzt noch nicht
ratifiziert worden ist.
Einige Staaten haben sexuelle Orientierung bereits in ihre
Verfassungen ausdrücklich als Nichtdiskriminierungsgrund aufgenommen, etwa
Südafrika, Äquador, Fidschi und auch die Schweiz, wo dies durch die Bezeichnung
“Lebensform” erfolgt ist.
Weil sexuelle Orientierung nur Hetero-, Bi- und
Homosexualität definiert, werden Transgender-Personen nicht erfasst. Deshalb
ist es notwendig, Geschlechtsidentität als eigene Kategorie explizit
anzuführen. Ein solches Verbot der Ungleichbehandlung aufgrund der sexuellen
Orientierung und der Geschlechtsidentität muss selbstverständlich auch für alle
von der Verfassung garantierten Rechte gelten, etwa für das Recht, eine Ehe zu
schließen, eine Familie zu gründen.
In diesem Zusammenhang treten wir dafür ein, keine
besonderen Rechte vom Familienstand der Ehe abhängig zu machen. Meist geschieht
dies unter Hinweis auf die Erziehung von Kindern in der Ehe. Dieses Argument
trifft heute aber immer weniger zu. Viele Ehen bleiben kinderlos. Und zweitens
werden viele Kinder außerhalb von ehelichen Gemeinschaften großgezogen. Diese
Familienformen mit Kindern würden daher gegenüber auch kinderlosen Ehen
benachteiligt und diskriminiert.
Wir plädieren weiters, einen Passus in die Verfassung
aufzunehmen, der dem Artikel 1 der EU-Charta entspricht, in dem es heißt: Die
Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen. Daraus
sich ergebende Konsequenzen sind bei der Abwägung von Grundrechten abzuleiten,
wenn diese in Konflikt zueinander stehen. Etwa beim Recht auf freie
Religionsausübung und Überzeugungsfreiheit. In einer modernen Gesellschaft muss
auch Religionsfreiheit dort ihre Grenzen haben, wo unter Berufung auf religiöse
Lehren oder unter Hinweis auf jahrtausendealte Glaubensdoktrinen pure
Verhetzung gegen bestimmte Gruppen passiert und Menschen in ihrer Würde massiv
verletzt werden. Als Beispiel dafür seien die Lesben und Schwulen
diskriminierenden Vatikandokumente erwähnt.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke Ihnen im Namen der
Homosexuellen Initiative Wien für Ihre Aufmerksamkeit und Ihren guten Willen und
wünsche gutes Gelingen für das Reformvorhaben.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Ich bitte Herrn Dr. Helmut Graupner vom
Rechtskommittee Lamda um seine Ausführungen.
Dr. Helmut Graupner: Verehrte Mitglieder des Konvents!
Es war im Jahre 1787, als Josef II. die Todesstrafe für homosexuelle Kontakte in Österreich
aufgehoben hat. Es war damit, man glaubt es kaum, Österreich - unter jenen
Staaten der Welt, die jemals ein solches Totalverbot hatten - das erste Land
der Welt, das diesen Schritt gesetzt hat.
Auch Josef II. konnte sich allerdings nicht dazu durchringen,
homosexuelle Beziehungen zu entkriminalisieren, wie dies zwei Jahre später im
Zuge der französischen Revolution und in deren Gefolge in immer weiteren Teilen
Europas der Fall war. Österreich ist in diesem Bereich vom fortschrittlichsten
Staat der Welt zurück gefallen in einen der rückständigsten.
Josef II. hatte die Strafe auf maximal ein Monat Haft, von
der Todesstrafe her, reduziert. Seine Nachfolger haben diese Strafen wieder von
einem Monat Haft massiv erhöht. Bis 1971, bis das Totalverbot aufgehoben wurde,
war Homosexualität, homosexuelle Kontakte, homosexuelle Beziehungen mit
schwerem Kerker von mindestens einem halben Jahr bis zu fünf Jahren Haft bedroht.
Auch nach Aufhebung des Totalverbots hat Österreich
diskriminierende Sonderstrafbestimmungen beibehalten, von denen die letzte,
Paragraph 209 Strafgesetzbuch, erst im Vorjahr, im Jahr 2002, aufgehoben worden
ist.
In den 21 Jahren seines Bestehens hat allein dieses eine,
letzte antihomosexuelle Sonderstrafgesetz seit 1971 nahezu 2.000 homo- und
bisexuelle Männer als Opfer gefordert. Paragraph 209 ist auch nicht im Vorjahr
ersatzlos aufgehoben worden. Seine Ersatzbestimmung, Paragraph 207 B StGB,
unterscheidet zwar im Wortlaut nicht mehr zwischen Homo- und Heterosexualität.
Er wird aber unverhältnismäßig oft gegen gleichgeschlechtliche Kontakte
angewendet.
50 - 100 Prozent aller neu eingeleiteten Gerichtsverfahren
nach dieser neuen Bestimmung, da sind nicht die neuen Verfahren dabei, die nach
209 geführt wurden und jetzt nach der neuen Bestimmung fortgeführt wurden,
sondern allein die neuen Verfahren, sind die Hälfte bis 100 Prozent aller
dieser Verfahren gegen gleichgeschlechtliche Kontakte. Das hat das Europäische
Parlament veranlasst vor kurzem, Österreich ausdrücklich aufzufordern, zumindest
in der Vollziehung dieser Bestimmung nicht zu diskriminieren.
Gleichgeschlechtlich liebende Menschen sind, wie es die
Parlamentarische Versammlung des Europarates so treffend formulierte, Opfer
jahrhundertealter Vorurteile. Homo- und bisexuelle Frauen und Männer gehörten
zu den Hauptzielgruppen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.
Abertausende sind in den Konzentrationslagern wegen ihrer sexuellen
Orientierung umgekommen. Die 2. Republik hat diese Verfolgung fortgesetzt,
freilich mit anderen Mitteln – mit Strafverfolgung, mit schwerem Kerker, oft
genug verbunden mit Vernichtung der bürgerlichen Existenz.
Nach der heute bestehenden Rechtssprechung des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte ist die sexuelle Selbstbestimmung ein zentrales
Schutzgut der Europäischen Menschenrechtskonvention und Diskriminierung auf
Grund sexueller Orientierung inakzeptabel. Der Gerichtshof erachtet solche Diskriminierung als ebenso
schwerwiegend wie Diskriminierung auf Grund des Geschlechts, der Religion, der
Rasse, der Hautfarbe oder der ethnischen Herkunft. Und er verlangt für
Differenzierungen auf Grund der sexuellen Orientierung dementsprechend
besonders schwerwiegende Gründe.
Unterschiedliche Regelungen für gleichgeschlechtliche
Lebenssachverhalte einerseits und verschiedengeschlechtliche andererseits
müssen für die Erfüllung eines legitimen Ziels notwendig sein. Bloße
Plausibilität, Vernünftigkeit, Sachlichkeit oder die bloße Eignung, ein Ziel zu
erreichen, genügen nicht. Unterscheidungen sind genauso wie bei Geschlecht,
Religion, bei Rasse, bei Hautfarbe und ethnischer Herkunft nur dann zulässig,
wenn diese Unterscheidungen wirklich notwendig sind für ein legitimes Ziel.
Vorurteile einer heterosexuellen Mehrheit gegenüber einer
homosexuellen Minderheit können – und ich zitiere den Europäischen
Menschenrechtsgerichtshof – ebenso wenig eine ausreichende Begründung für
Eingriffe in die Rechte homo- und bisexueller Menschen bieten, wie ähnlich
negative Einstellungen gegenüber Menschen anderer Rasse, Herkunft oder Hautfarbe.
Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat ausdrücklich
auch betont, dass der Gesellschaft ein gewisses Maß an Unannehmlichkeiten
zuzumuten ist, um dem Einzelnen ein Leben in Würde und im Einklang mit seiner
sexuellen Identität zu ermöglichen.
Es ist heute die Aufhebung sämtlicher diskriminierender
Bestimmungen gegen homo- und bisexuelle Menschen eine Voraussetzung für die
Aufnahme neuer Mitglieder in die Europäische Union und in den Europarat. Die
Parlamentarische Versammlung des Europarates hat Diskriminierung auf Grund
sexueller Orientierung wiederholt wörtlich als „besonders abscheulich“ und als
„eine der abscheulichsten Formen von Diskriminierung“ verurteilt.
Die österreichische Verfassung hingegen kennt bis heute
keine Bestimmung, die es dem Staat ausdrücklich verbietet, auf Grundlage der
sexuellen Orientierung zu diskriminieren. Privaten jedoch werden durch die
geplanten Gleichbehandlungsgesetze ab nächstem Jahr solche Diskriminierungen
per Gesetz verboten werden.
Auch in die Diskriminierungsverbote der Bundesverfassung
sollte daher sexuelle Orientierung als schutzwürdige Kategorie aufgenommen
werden. So wie das bereits in Artikel 13 des EG-Vertrags und in Artikel 21 der
EU-Grundrechte-Charta der Fall ist. Das sollte schon aus Gründen der
Glaubwürdigkeit erfolgen, damit sich der Staat nicht selbst erlaubt, was er den
Rechtsunterworfenen verbietet. Aber es sollte nicht zuletzt auch erfolgen aus
Verantwortung vor der eigenen unehrenvollen Geschichte von Verfolgung und
Unterdrückung. Ich danke.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Herr Dr. Graupner. Mit ihm haben wir den
ersten Teil der Anhörung von Vertreterinnen und Vertretern von gesellschaftlichen
Organisationen und Interessensvertretungen aus dem Bereich Soziales, Menschen
mit Behinderungen und Minderheiten abgeschlossen.
Ich beginne jetzt mit der Diskussion. Hier ist als Erster
zu Wort gemeldet Herr Mag. Christoph Drexler. Die Redezeit für alle Diskutanten
ist mit fünf Minuten limitiert. - Bitte!
Mag. Christopher Drexler‡: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Meine sehr
verehrten Damen und Herren!
Ich darf vorweg allen Damen und Herren, die heute hier
gesprochen haben, danken für ihre Beiträge, die, wenn ich das so sagen darf,
doch eine sehr große Spannbreite auch gehabt haben, was es jetzt in der Debatte
natürlich relativ schwierig macht, auf alles, auf das es wert wäre einzugehen,
auch tatsächlich einzugehen. Lassen Sie mich daher nur zu einigen Punkten
kommen.
Es ist mehrfach, auch von einigen Vertretern von
Organisationen, auf das Thema Staatsziele abgestellt worden und es sind
entsprechende Staatsziele eingefordert worden. Wir führen derzeit im Ausschuss
1 des Österreich-Konvents eine sehr intensive Debatte, auch schon eine länger
andauernde Debatte über die Schaffung eines Katalogs von Staatszielen in der
neuen Bundesverfassung, über einzelne Staatsziele, über deren Notwendigkeit, über
deren konkrete Ausformulierung und dergleichen mehr.
Diese Diskussion ist im Laufen. Es ist eine sehr intensive
Diskussion. Es lässt sich noch nicht sagen, ob über den einen oder anderen Weg,
diese Staatsziele tatsächlich umzusetzen, Konsens erzielt werden kann. Es gibt
unterschiedliche Vorschläge, einen Katalog von Staatszielen in die
Bundesverfassung aufzunehmen. Es gibt den Vorschlag, Staatsziele in Form einer
Präambel zu formulieren und dergleichen mehr. Wir werden sehen. Ich glaube, die
Diskussion wird sehr ernsthaft geführt. Ich schaue hier dem Vorsitzenden des
Ausschusses sozusagen in die Augen. Die Vorsitzführung in diesem Ausschuss ist
schließlich nicht einfach. Aber ich glaube, wir werden über kurz oder lang zu
einem sinnvollen Ergebnis kommen.
Aber wenn, dann muss das jedenfalls der Fall sein. Auf
einen anderen Punkt darf ich eingehen. Es ist insbesondere, glaube ich, wenn
ich das richtig in Erinnerung habe, von Vertretern von Menschen mit Behinderung
mehrfach darauf hingewiesen worden, dass die Kompetenzverteilung dahin gehend
geändert werden sollte, dass Einzelnes jedenfalls Bundeskompetenz ist. Ich
möchte den Beratungen zur Kompetenzverteilung nicht vorgreifen, aber ich
glaube, Ziel muss in jedem Fall sein, als Ergebnis bei der Kompetenzverteilung,
dass nach Möglichkeit die adäquate Ebene gefunden wird, die für einzelne
Gesetzgebungsmaterien zuständig sein sollen. Und als Vertreter eines Landtages,
eines Landesparlaments, muss ich daher zumindest einschränkend sagen, es darf
nicht von vornherein gesagt werden, die adäquate Ebene ist in jedem Fall
sozusagen die Bundesebene, selbst wenn es bei den heute geschilderten Anliegen
möglicherweise so sein sollte. Aber wir müssen hier aufpassen, dass man nach
Möglichkeit, wenn man so will, eben die adäquate Ebene findet. Ich glaube
nicht, dass man da von vornherein schon sagen kann, das ist die eine oder die
andere.
Wie gesagt, das war eine sehr große Spannbreite an
Beiträgen, die es heute hier gegeben hat, und ich darf bei meinem unmittelbaren
Vorredner, bei Dr. Graupner anschließen, und vielleicht auch noch zum Thema der
sexuellen Orientierung in aller Kürze etwas zu sagen: Erstens bedanke ich mich
in diesem besonderen – ich sehe ihn jetzt nirgends, gut – in diesem besonderen Fall
für die rechtshistorische Darstellung, denn das war mir nicht bewusst, dass
sozusagen Josef II. hier eine besonders progressive Rolle in Österreich
eingenommen hat. Aber man soll ja bei solchen Anhörungen nicht nur für den
Konvents-Prozess sondern darüber hinaus etwas lernen, und dafür bedanke ich
mich recht herzlich, und natürlich war es so, dass der § 209 Strafgesetzbuch
viel zu lange der österreichischen Rechtsordnung angehört hat, und man mit der
Nachfolgebestimmung glücklich sein kann oder nicht.
Die Frage einer Formulierung in der Verfassung, die
sexuelle Orientierung als schutzwürdige Kategorie, wie Dr. Graupner, glaube
ich, gesagt hat, feststellt, ist jedenfalls eine, die es auch entsprechend zu
diskutieren gilt, und ich glaube schon, dass wenn man sich – und ich glaube,
das wird jeder in diesem Raum tun – gegen die Diskriminierung auf Grund der
sexuellen Orientierung einsetzt, dann wird auch eine solche Formulierung eben
Platz finden können. Wenn wir darüber einen Konsens finden könnten, wäre das
sicher ein sehr bemerkenswertes Ergebnis dieses Österreichkonvents und wieder
ein Beitrag dazu, dass er den Kaffee doch wert ist, der hier getrunken wird,
weil das irgendjemand einmal in Abrede gestellt hat vor einiger Zeit.
Herzlichen Dank einstweilen.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Als Nächste bitte
ich Frau Mag. Johanna Ettl um ihre Wortmeldung.
Mag. Johanna Ettl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Ich glaube, dass
der heutige Vormittag sehr wichtig war für die zukünftige Arbeit des Konvents.
Wir wurden mit wichtigen Anliegen und Forderungen von Vertreterinnen sozialer
Organisationen, von Minderheitenvertretern und -vertreterinnen, von
Behindertenvertretern und Migrantinnen konfrontiert. Die meisten dieser
Anliegen zeigen in eine Richtung, und diese Richtung deckt sich mit den
Anliegen der österreichischen Arbeitnehmerorganisationen. Wir brauchen endlich
in dieser österreichischen Bundesverfassung die Verankerung sozialer
Grundrechte. Das ist uns ein wirklich primäres Anliegen. Es geht nicht nur
darum, Staatsaufgabe, Staatsziele in Präambeln, wo auch immer, zu verankern,
das ist gut so, das soll recht sein, aber wenn die keinen Niederschlag
tatsächlich in sozialen Grundrechten finden, dann stehen sie leider nur auf dem
Papier.
Sehr geehrte
Damen und Herren! Die Gewährleistung von Freiheit und Gleichheit als
Grundrechte in diesem Staat, wie es derzeit der Fall ist, reicht nicht aus. Ich
wage sogar zu behaupten, dass sie ohne die Garantie sozialer Grundrechte für
viele wertlos sind. Denn was nützt den Menschen, die durch Krankheit,
Arbeitslosigkeit, Unfall, Behinderung vor den Trümmern ihrer Existenz stehen,
dass ihnen der Staat verfassungsrechtlich Freiheit und Gleichheit garantiert?
Was nützen diese – und ich sage jetzt, wohlgemerkt – wichtigen Grundrechte
alten Menschen, pflegebedürftigen Menschen, wenn sie keinen Anspruch auf Hilfe
und Unterstützung haben. Das haben im Übrigen bereits die Protagonisten der
Französischen Revolution erkannt, die den Grundsätzen Freiheit und Gleichheit,
den Grundsatz Brüderlichkeit an die Seite gestellt haben, heute würden wir sagen:
Solidarität.
Es ist also kein
Zufall, dass alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Ausnahme
Österreichs und Großbritanniens soziale Grundrechte in ihren Verfassungen
verankert haben, ebenso wie die Europäische Union, die bezeichnenderweise auch
mit Solidarität überschrieben wird. Dazu zählen etwa das Recht auf gesunde,
sichere und würdige Arbeitsbedingungen, der Schutz vor ungerechtfertigter
Entlassung oder das Recht auf Zugang zu Leistungen der sozialen Sicherheit,
aber auch zu anderen wichtigen öffentlichen Dienstleistungen. Nach Auffassung
der Arbeitnehmerorganisationen ist es nämlich darüber hinaus dringend
erforderlich, den Zugang der Bevölkerung zu öffentlichen Dienstleistungen nicht
nur als Verantwortung des Staates in der Verfassung fest zu schreiben, sondern
auch als Grundrecht der einzelnen Menschen in diesem Land, mit solchen Gütern
in ausreichenden Mengen in ausreichender Qualität zu akzeptablen Bedingungen
versorgt zu werden. Ich nenne hier die Bereiche Bildung, Kommunikations- und
Informationstechnologie. Ich nenne den Bereich Wasser, öffentlicher Verkehr und
so weiter und so fort.
Und ich möchte
aus diesem Grund, und weil es gerade einen aktuellen Anlass gibt, ein Beispiel
nennen. Dieses Beispiel wurde vor vier Tagen in einer der größten Zeitungen
Österreichs publiziert. Und zwar findet sich dort folgende Mitteilung: Strom
wird 2004 massiv teurer, und zwar um mindestens 10 Prozent. Als einer der
wichtigsten Gründe wird die Liberalisierung des Strommarktes genannt, die zu
einer Konzentration der Anbieter geführt habe. Meine Damen und Herren, da fragt
man sich doch wirklich – cui bono? Ist Liberalisierung ein Selbstzweck? Wer
bekommt nun eigentlich die 10 Prozent, die die Österreicherinnen und
Österreicher jetzt unter dem Prätext „Liberalisierung ist so schön“, mehr zu
bezahlen haben?
Wenn ich mich
nicht irre, wurden von der österreichischen Politik im Zusammenhang mit der
Energiemarktliberalisierung massive Preissenkungen versprochen. Das Gegenteil
ist eingetreten: ich habe keinen Mucks von der offiziellen Politik vernommen zu
dieser Entwicklung. Und wenn man sich anschaut, dass die realen Einkommen der
Arbeitnehmerinnen, der Pensionisten in diesem Land in den letzten Jahren nicht
nur nicht gestiegen sind, sondern sie sind stagniert, beziehungsweise gesunken,
und dann sind sie mit solche Preissteigerungen konfrontiert, die ihr reales
Einkommen noch weiter abstürzen lässt, dann fragt man sich, wohin geht die
Entwicklung, und darum sind wir der festen Überzeugung, dass es nicht nur
notwendig ist, die öffentlichen Dienstleistungen als Aufgabe, als Verantwortung
des Staates festzuschreiben, sondern auch sie als in irgendeiner Form als
Grundrecht durch die einzelnen Personen einklagbar zu machen.
Zum Abschluss
hätte ich ganz gerne noch einige ergänzende Anmerkungen gemacht, zu den
Vertretern der Migrantinnen und Migranten in Österreich. Es wurden zwar Prozentzahlen
genannt, die absoluten Zahlen sprechen sehr viel mehr: Es leben derzeit in Österreich laut letzter Volkszählung
von den etwas mehr als acht Millionen Einwohnern über eine Millionen Menschen,
die nicht in Österreich geboren wurden und das sind bitte nicht überwiegend die
Kinder von Angehörigen des Diplomatischen Personals, sondern das sind
tatsächlich üblicherweise Zuwanderer in Österreich. In dieser Zahl nicht
inkludiert sind jene Kinder von Migrantinnen und Migranten, die bereits in
Österreich geboren wurden.
Allein die Arbeiterkammer vertritt österreichweit rund
300.000 Arbeitnehmer, die noch nicht die österreichische Staatsbürgerschaft
besitzen. Was ist das besondere Problem dieser Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?
Ihre Arbeitslosigkeit ist annähernd doppelt so hoch, wie jene der inländischen,
österreichischen Arbeitnehmer. Das ist einmal eines der größten Probleme. Und
zum Zweiten sind sie natürlich besonders bedroht, durch Maßnahmen, wie
überzogene Saisonierregelungen und dergleichen. Das heißt, die derzeitige
Politik stellt sehr stark darauf ab, den Konkurrenzkampf bei jenen, die am
wenigsten qualifiziert sind, die sich am Arbeitsmarkt am härtesten tun,
anzuheizen. Ich glaube, auch da müsste man einen bestimmten Riegel einschieben
und sich das sehr viel besser überlegen, was da geschieht. Aus meinem letzten
Erfahrungshorizont, es ist auch die Rede von Familienzusammenführung, es geht
auch um die Kinder, die nach Österreich kommen. – Ich bin sofort fertig.
Nur ein Beispiel. Wir hatten vor
kurzem eine Berufs- und Bildungsinformationsmesse in der Wiener Arbeiterkammer.
Es kam eine vierte Klasse Hauptschule aus Floridsdorf. 27 Kinder, vier davon
waren des Deutschen mächtig, die anderen 23 sprachen etwa nicht eine Sprache,
sondern acht verschiedene Sprachen. Und jetzt sind wir mit dem Problem
konfrontiert, dass die Begleitlehrer und Begleitlehrerinnen fehlen. Es ist hier
einiges zu tun, in Richtung positiver Diskriminierung. – Ich danke.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Ich bitte Herrn Professor Haller um seine Wortmeldung.
Dr. Herbert Haller: Wir haben heute viele Stellungnahmen gehört,
die beeindruckend, ja geradezu bewegend waren. Trotzdem darf ich als Jurist
sagen, einige davon haben Themen behandelt, die wir üblicherweise in den
Bereich der einfachen Gesetzgebung, Aufgaben für den Gesetzgeber, ja zum Teil
auch in einen menschengerechten Vollzug zuordnen würden.
Ich darf, ich habe das schon einmal getan, bitten, dass man
nicht aus lauter Freude an einer möglichen neuen Verfassung, ein Misstrauen
gegen den einfachen demokratischen Gesetzgeber kultiviert. Demokratie baut auf
möglicherweise wechselnden Mehrheiten und diesen jeweiligen Mehrheiten im
Parlament muss auch ein Gestaltungsspielraum verbleiben.
Die Stellungnahmen waren trotzdem in keiner Weise
unpassend. Ich bin dankbar für sie, denn wenn die Verfassung das Grundlegende
behandeln soll, müssen wir informiert sein. Was sind denn die grundlegenden
Wertvorstellungen, Ideen, Bedürfnisse? Und unsere Aufgabe wird es sein, zu
unterscheiden, was weisen wir in den Verfassungsrang und was bleibt dem
einfachen Gesetzgeber.
Zu den Inhalten möchte ich zu zwei Begriffen etwas sagen.
Ich hatte das Gefühl, dass bisweilen und ich überpointiere jetzt – ein Angriff
gegen die Landesgesetzgebung stattgefunden hat. Wir wollen etwas Einheitliches,
wir wollen es einheitlich. Warum denn? Weil es nicht in jedem Land gleich gut
ist. Sehen wir es doch anders. Es gibt Länder, eines, mehrere, in denen es
besser ist als in den anderen. Das kann Vorbildwirkung haben, das kann ein
gutes Beispiel sein. Und wenn es wo schlecht ist, dann werden die anderen
diesen Fehler nicht machen.
Es gibt Bereich, in denen es sachbezogen ist,
landesgesetzlich zu regeln, weil hier die Nähe da ist, zu den Menschen, die die
Regelungen tragen.
Ich möchte zum Begriff der Sachlichkeit noch etwas sagen.
Es ist nicht jede Bevorzugung des Staatsbürgers eine Diskriminierung von
Nichtstaatsbürgern. Das ist die falsche Sicht. Und es ist nicht jene
Jugendförderung eine Diskriminierung der Alten. Es gibt eine Vielzahl von
edlen, hehren Zielsetzungen. Ich kann mich, und das ist von der Arbeitsteilung
her notwendig, für soziale Anliegen engagieren, für Umweltanliegen, für
Jugendförderung, Altenbetreuung, den Rechtsstaat, der auch etwas kostet. Und
wir dürfen der Politik nicht den moralischen Vorwurf machen, dass sie nicht
alles optimal realisiert, weil die Ressourcen begrenzt sind.
Ich würde meinen, dass wir uns hüten müssen, moralische
Verurteilungen auszusprechen, sondern es gibt zwischen diesen idealen
Zielsetzungen Abwägungen, die sicherlich von Menschen unterschiedlich getroffen
werden.
Und, wenn ich sagen darf, in einem christlichen Land wie
diesem, es gibt diese eine Formulierung: Liebe deinen Nächsten, wie dich
selbst. Das heißt, dich selbst darfst du auch ein bisschen lieben. Wer dir der
Nächste ist, ob das die Familie ist, ob das die Behinderten im Lande
Oberösterreichs sind, ob das die Volksdeutschen sind, oder ob das ein
verhungerndes, indisches Kind ist, das hast du selbst zu beurteilen und die
eine und die andere Möglichkeit ist, nicht moralisch abzuwerten.
Ich glaube, dass man auch berechtigt ist, die Last der
ganzen Welt auf seine Schulter laden zu wollen, weil man dann glücklich ist.
Die Frage ist nur, ob eine Gesellschaft das längere Zeit aushalten kann und ob
nicht doch eine gewisse Begrenzung, da oder dort, immer mitgedacht werden muss,
wenn man verantwortlich politisch arbeitet. Da der Vorsitzende des Konvents dem
Rechnungshof angehört, darf ich sagen, natürlich voll verantwortlich mit
Mitteln umzugehen, dass wir mehr für alle diese edlen Ziele auch haben.
Ich möchte schließen. Ich war einmal Mitglied der
Grundrechtskommission und wir waren nahe daran, ein soziales Grundrecht zu
realisieren, nämlich in etwa, wer sich erlaubterweise in Österreich aufhält,
dem ist auch der Unterhaltsrechtsanspruch zu gewähren. Es ist gescheitert, am
notdürftigen, anständigen, ordentlichen Unterhalt. Darüber konnte man sich
nicht einigen. Trotzdem darf ich bitten, wenn wir mit dem Recht utopische Ziele
verfolgen, dann ist es richtig. Ein Recht, ohne Utopien, scheint mir nicht
richtig. Es basiert ja auf Werthaltungen. Nur das Recht selbst darf nicht
utopisch sein, in dem Sinn, dass wir Dinge normieren, versprechen und nicht
halten können.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Ich erteile der Frau Abgeordneten Dr. Madeleine Petrovic
das Wort. Bitte.
MMag. Dr. Madeleine Petrovic: Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und
Herren!
Der Österreich-Konvent hat sich entschlossen, Hearings
abzuhalten. Es geht eine lange Vorgeschichte voraus, über die Involvierung der
Zivilgesellschaft der verschiedenen Institutionen, die verschiedene Anliegen
und Aufgabenbereiche vertreten.
Ich persönlich hätte mir eine stärke Involvierung, auch in
die Ausschüsse des Konvents gewünscht. Wir haben jetzt diese Form. Ich wende
mich hier einmal mehr an das Präsidium und ich werde es auch mit unserem
Präsidiumsmitglied, mit Eva Glawischnig, besprechen.
Ich bin überzeugt, dass die Ergebnisse dieser Hearings,
keine völlige Unverbindlichkeit haben können, dürfen, sollen, sondern dass der
Konvent sich damit auseinander zu setzen hat. Ich denke mir, der Konvent oder
die Ausschüsse des Konvents brauchen nicht notwendigerweise alles befürworten,
was hier vorgeschlagen wird. Es sind ja auch sehr unterschiedliche Dinge, aber
eine Pflicht, sich damit auseinander zu setzen, die möchte ich gerne mitnehmen
in die Ausschüsse.
Was ich persönlich für mich heute hier
mitnehme, ist einmal mehr die Bedeutung der Bekämpfung von Armut und das
Wissen, dass das nie so werden darf, dass man etwas gegen die armen Menschen
tun darf, oder sie aus irgendwelchen Bereichen verbannen, aus den Augen, aus
dem Blickfeld wegschicken darf, sondern dass eben die Armutsbekämpfung als
solche im Mittelpunkt steht und dass Armut etwas Relatives ist, in unserer
Gesellschaft etwas anderes als anderswo.
Und dass ein Kind, dass heute
beispielsweise über Grundvoraussetzungen der Kommunikation, der Medien, nicht
verfügt, auch sehr schnell arm sein kann. Und aus meinen Augen heißt die
Antwort, im einfach gesetzlichen Bereich, Grundsicherung und im
Verfassungsbereich, soziale Grundrechte. Ich höre auch schon dieses Wort so
laut, dass ich glaube, dass der Konvent sich diesen sozialen Grundrechten als
einem Recht auf Teilhabe nicht verschließen darf.
Ich komme zu den Anliegen der Auslandsösterreicherinnen und
Auslandsösterreicher. Ich finde es sehr schön und bemerkenswert, wenn Leute
auch teilweise nach langer beruflicher Abwesenheit im Ausland, hier die Treue
zu Österreich und das Interesse an den Vorgängen in Österreich und an der
österreichischen innenpolitischen Situation beibehalten, ich gehe aber gerade
in dem Punkt davon aus, dass es hier wirklich um reziproke Anliegen geht und
ich habe das nie verstanden, warum es Menschen in diesem Lande gibt, die seit
vielen, vielen Jahren, teilweise Jahrzehnten, Steuern zahlen, hier einer
Erwerbstätigkeit nachgehen, Familie haben und nicht einmal auf der kommunalen
Ebene wählen können. Selbstverständlich bin ich für eine Ausweitung des
Demokratiegedankens und so wie das die Auslandsösterreicherinnen und die
Auslandsösterreicher verlangen, so muss es wohl auch für die in Österreich
anwesenden Migrantinnen und Migranten eine Selbstverständlichkeit sein.
Ich komme zu einem allerletzten ganz kurzen Punkt, der mir
aber wichtig ist, zum Bereich der Minderheiten. Wie gesagt, die Grünen sind
immer für eine umfassende Antidiskriminierung eingetreten, aber gerade im
Bereich der ethnischen Minderheiten ist es mir schon sehr wichtig, ganz, ganz
wichtig in Österreich zu betonen, hier im Lande und als Verfassungsprinzip
haben wir eine Staatsnation, das heißt, es spielt keine Rolle, ob jemand als
erste Sprache, als ursprüngliche Sprache Deutsch – ich sage schon fast lieber
österreichisch – hat, oder eine andere Sprache. Das ist kein Kriterium des
Österreicherinnentums, sondern das ist eine Eigenschaft unter vielen, die auf
die meisten Leute hier im Land zutrifft. Und ich sage daher einmal mehr auch zu
den Anliegen der Vertriebenenverbände, das Kriterium Deutsch oder nicht Deutsch
kann und darf und soll in einer österreichischen Verfassung und in einem
Schutzprinzip keine Rolle spielen und ich sage außerdem, dass ich von der
Gewichtung der Anliegen her, da müssen wir einfach die österreichische
Geschichte präsent halten und sagen, es gab eine Fülle von Rechtswidrigkeiten
und Menschenrechtsverletzungen, aber der Ursprung, das Grundunrecht, das in
diesem oder im abgelaufenen Jahrhundert gesetzt worden ist, das war der
Holocaust, die Shoa. Das Andere waren teilweise auch gravierende Verletzungen,
aber wir dürfen hier Ursache und Wirkung nicht verkehren und wir müssen es bei
jedem dieser Schritte, die wir tun auch, unter Bedachtnahme auf diese
historischen Wahrheiten vornehmen. – Danke.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke.
Als Nächster wird Herr Dr. Kurt Stürzenbecher um seine
Wortmeldung gebeten.
Dr. Kurt Stürzenbecher: Sehr
geehrte Damen und Herren!
Ich glaube auch, dass es sehr wichtig war, dass Vertreter
von Nichtregierungsorganisationen heute hier ihr Wort ergreifen konnten, und
ich hoffe - und bin mir sicher, dass das für alle im Raum zutrifft, - dass das
nicht als Alibiveranstaltung gedacht war, sondern dass das, was hier
vorgebracht wurde, tatsächlich in die Ausarbeitung einer zukünftigen Verfassung
einfließen wird. Denn wie eine Gesellschaft mit ihren Minderheiten umgeht, ist
ein wesentlicher Gradmesser für die Qualität dieser Gesellschaft, für die
Humanität, die dieser Gesellschaft innewohnt. Dieser Gedanke soll eine
wesentliche Leitschnur auch für die Beratungen des Österreich-Konvents sein,
sollte in einer neuen Bundesverfassung seinen Niederschlag finden. Dazu gehört
insbesondere ein geeigneter Antidiskriminierungsschutz und deshalb sollte im
Bereich der Gleichheitsrechte ein moderner Gleichheitsgrundsatz verankert
werden, aber auch ein Diskriminierungsschutz, eine Antidiskriminierungsbestimmung.
Die könnte in etwa lauten: „Diskriminierung, insbesondere wegen der Geburt, des
Geschlechtes, der sexuellen Orientierung, der Rasse, der Hautfarbe, der
genetischen Merkmale, einer Behinderung, des Alters, der ethnischen oder sozialen
Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, der Sprache, der
Religion, der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, des
Vermögens oder der sozialen Stellung, sind verboten“. – Also eine durchaus
umfassende Bestimmung.
Als zweites Schlaglicht möchte ich noch auf die Tatsache
eingehen, die hier erwähnt wurde, nämlich dass Österreich ein Zuwanderungsland
ist. Das bedeutet, dass bestmögliche Voraussetzungen für die Integration von
Zuwanderinnen im Allgemeinen und für die politische Integration im Speziellen
sollen geschaffen werden. Das heißt, in der Bundesverfassung sollte in diesem
Sinn das kommunale Wahlrecht für Drittstaatsangehörige als Möglichkeit
vorgesehen werden. Derzeit ist ja nach herrschender Auffassung ein Wahlrecht
für Drittstaatsangehörige nur für die Bezirksvertretungen in Wien möglich und
im Sinn eines Europa des 21. Jahrhunderts sollte das ausgeweitet werden. Auch
hier bringe ich einen Vorschlag, wie es in etwa lauten könnte: „Mit Erreichung
des Wahl- und Stimmalters sind berechtigt“ – jetzt nur für die Landes- und
Gemeindeebene zähle ich auf – „Bürger und Bürgerinnen eines Landes und durch
das Recht der Europäischen Union oder durch Gesetz gleichgestellte Menschen bei
der Wahl des Landtages und bei der Teilnahme an Abstimmungen, Befragungen und
Begehren des Landesvolkes; Bürger und Bürgerinnen einer Gemeinde und durch das
Recht der Europäischen Union oder durch Gesetz gleichgestellte Menschen bei der
Wahl des Gemeinderates und der BürgermeisterIn, sofern sie vom Gemeindevolk
gewählt wird, sowie bei der Teilnahme an Abstimmungen, Befragungen und Begehren
des Gemeindevolkes“. Nebenbei erwähnt, sollte hier auch noch hinzugefügt
werden: „Jedenfalls wahl- und stimmberechtigt ist, wer am Tage der Stimmabgabe das
16. Lebensjahr vollendet hat“. In dem Sinne könnten die weiteren Beratungen
geführt werden.
Als Drittes möchte ich noch anfügen: In einer neuen
Verfassung sollte auch verankert werden, dass alle Menschen das Recht auf
Wahrung und Pflege ihrer Sprache und kulturellen Identität haben sollen. Was
die autochthonen Volksgruppen betrifft, sollte das Schutzniveau, der Auftrag
zur Förderung natürlich nicht hinter jenes der gegebenen Verfassungsrechtslage
zurückfallen, zum Beispiel Artikel 8 Absatz 2 B-VG, Staatsvertrag von
Saint-Germain, Staatsvertrag von Wien, sondern es sollte das Niveau
entsprechend den Gegebenheiten und Erfordernissen des 21. Jahrhunderts
ausgebaut werden.
Da mein Licht schon leuchtet, kann ich nicht auf einzelne
Wortmeldungen eingehen. Ich würde nur die Wortmeldung eines Vorredners nicht
ganz unkommentiert lassen: wir sollten uns einig darüber sein, dass
selbstverständlich in einem Europa des 21. Jahrhunderts für die Durchsetzung
von Rechten aller Art, auch der Rechte von Minderheiten, ausschließlich
gewaltlose, friedliche und legitime Mittel zulässig sein sollten. Das sollte
eine Selbstverständlichkeit sein.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke.
Ich bitte Herrn Dr. Ewald Wiederin um seine Wortmeldung.
Dr. Ewald Wiederin: Sehr geehrte Damen und Herren!
Auch ich kann selbstverständlich nicht alle Punkte
ansprechen, ich will aber versuchen, einige mir wichtig erscheinenden Aspekte
aufzugreifen.
Ein erstes Stichwort ist Armut. Österreich ist ein hoch
differenzierter Sozialstaat, aber die Vertreter der Armutskonferenz haben uns
heute wieder in Erinnerung gerufen, dass Armut ein Phänomen ist, das
tatsächlich existiert, und sie haben uns in Erinnerung gerufen, dass das
österreichische Verfassungsrecht in diesem Punkt einen blinden Fleck hat. In
einer rechtsvergleichenden Studie ist Franz Merli zum Ergebnis gekommen, dass
europaweit Österreich der einzige Staat ist, dessen Verfassung es nicht
verbietet, seine Bürger verhungern zu lassen. Von diesem Zustand – glaube ich –
sollten wir weg kommen. Als Mittel bieten sich auf der einen Seite ein
Staatsziel, auf der anderen Seite soziale Grundrechte an. Die Vertreter der
Zivilgesellschaft waren sich in dem Punkt nicht einig. Ich habe gemeint, aus
ihren Wortmeldungen überwiegend eine Präferenz für soziale Grundrechte
herauszuhören, und ich möchte nachdrücklich eine Lanze für diese Lösung
brechen.
Sozialstaat – auch dieser Konnex ist mehrfach hergestellt
worden – hat viel mit Menschwürde zu tun. Man kann den Sozialstaat vielleicht
sogar als Staat definieren, der es allen Bürgerinnen und Bürgern, wenn nicht
allen Einwohnern, ermöglicht, in Würde zu leben. Und zu dieser Würde gehört
auch, dass man nicht betteln muss, dass man Ansprüche hat, die gegen den Staat
durchsetzbar sind. Aus diesem Grunde zeigt sich gerade bei sozialen
Grundrechten, was uns die Menschenwürde wert ist. Ich unterstütze daher die
Forderung, in die Verfassung ein Grundrecht auf ein Leben in Würde aufzunehmen,
das im Kern einen Leistungsanspruch auf das Existenzminimum beinhaltet.
Ein zweiter Punkt hängt damit eng zusammen. Wir müssen zum
einen verhindern, dass die Leute in den Keller fallen. Wir dürfen aber zum
anderen die soziale Durchlässigkeit, d.h. die Aufzüge nicht vergessen. Damit
bin ich beim Stichwort „Bildung“. Auch in diesem Bereich können wir es durchaus
wagen, in der neuen Verfassung Leistungsansprüche zu verankern. Denkbar ist
insbesondere ein Anspruch auf unentgeltliche Grundversorgung im Schulbereich.
Das impliziert gewiss ein öffentliches Schulwesen; es bedeutet allerdings in
keiner Weise, dass der Staat alle Angebote selbst erbringen muss. Die Vertreter
der Behindertenorganisationen haben zu Recht darauf hingewiesen, dass es eine
Option darstellt, den Betroffenen die nötigen finanziellen Mittel in die Hand
zu geben, um sie auf diese Art und Weise in die Lage zu versetzen,
eigenverantwortlich zwischen verschiedenen qualitätsvollen Angeboten
auszuwählen.
Beim Stichwort „Behinderung“ glaube ich, dass wir
Behindertenrecht nicht den sozialen Grundrechten zuordnen, sondern sie als
Gleichheitsrechte ausgestalten sollten. Es geht darum, die Betroffenen in die Lage
zu versetzen, trotz eines Handicaps und mit einem Handicap gleichberechtigt zu
leben. Der Weg über ein Staatziel Behindertengleichbehandlung, den die geltende
Verfassung einschlägt, ist in meinen Augen der falsche Weg. Wir sollten uns
dazu durchringen, in der Verfassung einen Anspruch Behinderter auf tatsächliche
Gleichstellung zu verankern. Letztlich ist das nichts anderes als ein Recht,
vom Staat nicht behindert zu werden, weder rechtlich noch faktisch. Wenn aber
Behinderte einen einklagbaren Anspruch auf tatsächliche Gleichstellung haben,
dann wird die Kompetenzfrage zu einer Frage von sekundärer Bedeutung. Es ist
ein Irrtum zu glauben, dass sich in dem Moment, in dem eine Kompetenz auf den
Bund übertragen wird, automatisch auch das Niveau der Regelungen zum Besseren
wenden muss. Behindertenschutz ist derzeit eine Querschnittsmaterie, und ich
bin der Überzeugung, dass diese Einordnung sachgerecht ist. Benachteiligungen
aufgrund einer Behinderung kann nur jener Gesetzgeber abstellen, der zur
Regelung der Materie kompetent ist. An einem Beispiel illustriert: Ich kann mir
nicht vorstellen, wie der Bundesgesetzgeber die Barrierefreiheit baulicher
Anlagen sinnvoll durchsetzen soll, wenn er nicht auch über die
Baurechtskompetenz verfügt.
Eine letzte Bemerkung: Grundrechte sind als
Staatsbürgerrechte oder als Menschenrechte gestaltbar. Wir sollten die Linie
verfolgen, den Menschenrechten den Vorzug geben, wo immer es möglich ist. Das
gilt nicht nur für die Gleichheit, das gilt auch für die Erwerbstätigkeit und
für die Versammlungs- und Vereinsfreiheit. Staatsbürgerrechte kann man im
Zusammenhang mit politischen Grundrechten im engeren Sinn diskutieren. Auch
dort sollte aber die Beschränkung auf Staatsbürger kein Dogma sein. Vielen
Dank.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Ich bitte Herrn Professor Dr. Funk um seine
Ausführungen.
Dr. Bernd-Christian Funk: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren!
Wenn soziale Systeme gefordert sind -
Verfassungen sind Teilsysteme sozialer Systeme - gibt es zwei typische
Reaktionsmuster. Entweder schließen sie sich ab und ziehen Grenzen oder aber
sie öffnen sich und lösen Grenzen auf. Ich halte die zweite Reaktion für die
Bessere und möchte eine Lanze für Offenheit und für eine Berücksichtigung all
dessen brechen, was heute hier gesagt wurde. So weit es um Grundrechte geht,
werde ich mich dafür einsetzen, dass nichts von dem verloren geht, was hier
vorgeschlagen wurde. A priori ist alles gleichermaßen beachtenswert. Eine
Zensur wäre nicht angebracht. Nicht alles wird umsetzbar, wohl aber wird über
alles zu sprechen sein.
Konkret zu einigen Punkten:
Zu sozialen Grundrechte und
Staatszielbestimmungen: Ich trete für die Aufnahme sozialer Grundrechte in die
Verfassung ein. Ich halte die Zeit für gekommen, ja für überreif, um solche
Grundrechte in die Verfassung aufzunehmen. Soziale Grundrechte sind nicht gegen
Staatszielbestimmungen abzutauschen. Beide haben ihren guten Sinn.
Nächster Punkt:
Diskriminierungsverbote. Wenn sie mit Aufzählungen verpönter Arten von
Benachteiligungen versehen werden, so führt das zu keinem allgemeinen Schutz
vor Diskriminierungen. Es gibt Diskriminierungen, die wir noch gar nicht
kennen, die vielleicht in Zukunft auftreten. Aufzählungen bei
Diskriminierungsverboten sollten demonstrativ sein, um eine angemessene
Reaktion auf geänderte gesellschaftliche Problemlagen zu ermöglichen.
Das Anliegen des
Diskriminierungsschutzes betrifft drei Ebenen. Die eine ist die gesetzliche
Ebene. Sie lässt sich relativ gut mit verfassungsrechtlichen Vorkehrungen
ansteuern. Eine andere Ebene ist die der Vollziehung. Auch hier gibt es
bewährte rechtliche Strategien, um Diskriminierungen entgegenzuwirken. Die
dritte Ebene ist jene, auf die es ankommt; sie ist zugleich jene, die am
schwierigsten zu erfassen ist. Es ist der Bereich der gesellschaftlichen
Diskriminierungen. Eine Kombination von
sozialen Grundrechten und Staatszielbestimmungen könnte die
Integrationsfunktion und die Orientierungsfunktion der Verfassung
unterstreichen und mit rechtlichen Mitteln langfristig dazu beitragen, dass
gesellschaftliche Diskriminierungen abgebaut werden.
Mit einer „schlanken Verfassung“ ist
nicht zu rechnen. Wir gehen auf eine große Reform zu. Eine Verfassung, die sich
mit wenigen Artikeln begnügt, könnte die angestrebte Reform nicht
transportieren. Der ökonomisch motivierten Forderung nach möglichst wenig Text
sollte in diesem Zusammenhang kein Vorrang eingeräumt werden.
Mein strategischer Vorschlag richtet
sich gegen eine Haltung des Eingrenzens und Verengens. Man sollte nicht
aufzählen, was alles nicht gehen wird, sondern konstruktiv fragen, was sich mit
welchen Mitteln verwirklichen lässt. Danke.
Stellvertretende Vorsitzende
des Österreich-Konvents Angela Orthner: Als nächster
am Wort ist Herr Dozent Dr. Peter Bußjäger. Bitte.
Dr. Peter Bußjäger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren!
Wir haben heute von den Vertretern der
Behindertenorganisationen immer wieder den Wunsch nach einheitlichen Regelungen
gehört und dieser Wunsch ist aus der föderalistischen Sicht ernst zu nehmen.
Ich glaube, was hier artikuliert wurde, das sind
berechtigte Anliegen. Auf der anderen Seite muss man vor den Ergebnissen
warnen, die ein allzu blindes Vertrauen in die Leistungsfähigkeit einheitlicher
Regelungen schaffen könnte. Sie gehen im Regelfall mit dem Verlust von
Innovationen und Gestaltungsspielräumen auf dezentralen Ebenen einher. Und ich
bezweifle, ob auf der Bundesebene jener Gestaltungswille und jene
Gestaltungsfähigkeit vorhanden ist, die in den Untergliederungen oft
anzutreffen ist. Aber vermutlich wollen das die Vertreter der
Behindertenorganisationen auch nicht. Zumindest habe ich das verschiedentlich
rausgehört, dass natürlich keine Einebnung auf einem Mittelmaß erfolgen soll,
sondern doch eine Anhebung der Standards und hier bezweifle ich, ob man den Weg
der bundeseinheitlichen Regelung gehen soll oder ob man nicht andere Prinzipien
einführen soll. Die Überlegung der gegenseitigen Anerkennung, die Einführung
von Prinzipien, die letztlich auf ein Untermaßverbot hinauslaufen oder ein
richtig verstandenes Sachlichkeitsgebot, das darauf hinausläuft, dass die
Landesregelungen keine unsachlichen Differenzierungen vornehmen können in der
Gesamtbetrachtung. Hier glaube ich, könnte man durchaus weiter gelangen als bei
blinder Harmonisierung.
Ich glaube daher, dass die bloße Forderung nach einer
einheitlichen Regelung das Problem noch lange nicht löst. Die Einheitlichkeit,
die vermeidet die Differenzierung. Aber die Differenzierung kann mit unterauch
Fortschritt sein. Und ich würde um den Fortschritt fürchten bei bloßen
Vereinheitlichungen. Daher wäre ich mit diesen Forderungen äußerst vorsichtig.
Danke.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Mit dem Diskussionsbeitrag von Dr. Bußjäger haben wir
Anhörung und Diskussion zu den Bereichen des Sozialen, der Minderheiten und der
Menschen mit Behinderungen abgeschlossen. Der Ordnung halber möchte ich Ihnen
auch mitteilen, dass selbstverständlich im Präsidium beschlossen ist, dass alle
Wortmeldungen, so sie schriftlich vorliegen oder so sie dann im Protokoll
vorliegen, den Ausschüssen zugeleitet werden. Es ist auch mit den
Ausschussvorsitzenden Damen und Herren so vereinbart, dass sie sie in ihre
Beratungen mit einbeziehen. Ich bedanke mich bei den Organisationen sehr
herzlich, dass sie zum Hearing gekommen sind. Danke für ihre Beiträge.
Wir gehen nun weiter im Hearing mit den Bereichen Umwelt und
Sport. Wir beginnen mit der Umwelt und ich darf Herrn Mag. Herbert Schaupp vom
ÖKO-Büro um seinen Beitrag bitten.
Mag. Herbert Schaupp: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte
Damen und Herren! Mitglieder des Verfassungskonvents!
Ich darf mich im Namen des ÖKO-Büros, der
Koordinationsstelle österreichischer Umweltorganisationen bedanken für die
Möglichkeit, Ihnen hier unsere Anliegen zu Gehör zu bringen.
Ich werde versuchen, den Bogen zu spannen vom Programm des
Vormittages und da sind einige Begriffe gefallen, die mich zu meinen Beitrag
bringen, den ich für den WWF Österreich jetzt darlegen werden. Es ging um
Schutzziele. Es ging um Kompetenzverteilung, Bund, Länder. Und das ist genau
der Punkt, den ich ansprechen möchte. In meinem Beitrag geht es um den
Naturschutz. Und so gesehen ist der Naturschutz in diesen Diskussionen ein
Dauerbrenner. Der Naturschutz wird, glaube ich, in einem Atemzug genannt mit der
Bauordnung, wenn es darum geht, um Kompetenzen zwischen Bund und Ländern.
Warum der Naturschutz? Wie sieht die Lage aus? Ich möchte
nur kurz zitieren den OECD-Bericht, der vor kurzem veröffentlicht wurde, der
OECD-Umweltbericht für Österreich. Und darin heißt es, sämtliche heimische
Amphibien und die meisten heimischen Reptilien sind bedroht. Die zahlreichen
Schutzgebiete in Österreich bilden noch kein zusammenhängendes Netz von
Schutzgebieten mit Migrationskorridoren. Das heißt, es ist im Naturschutz trotz
vieler Anstrengungen nach wie vor sehr viel zu tun und dabei stoßen wir immer
auf ein Problem der Kompetenzzersplitterung.
Nehmen wir Tiere her wie zum Beispiel den Bären, den Luchs,
den Wolf. Nehmen wir Vögel, Greifvögel et cetera, et cetera. Diese Tiere haben
sozusagen keine Staatsbürgerschaft. Diese Tiere sind auch keine Angehörigen
eines Bundeslandes. Sie fliegen über die Grenzen. Sie wandern über die Grenzen
und was passiert dabei? Das beste Beispiel dafür sehen Sie hinter mir, das
österreichische Staatswappen. Das ist nämlich biologisch gesehen der Seeadler.
Und wenn wir uns ansehen, wie geht es dem Seeadler rein rechtlich gesehen in
Österreich ? Zwei Beispiele: In Oberösterreich steht er unter Naturschutz. Kaum
fliegt er über die Grenze nach Niederösterreich, ist er jagdbares Wild, wenn
auch ganzjährig geschont.
Sie sehen also, da gibt es ziemliche Unterschiede, wo man
sich manchmal fragt, ist das logisch? Macht das Sinn? Es geht aber noch weiter,
wenn ich sozusagen auf den linken Hintergrund gezeigt habe, auf die
österreichische Fahne, blicke ich jetzt auf die rechte, nämlich die Fahne der
Europäische Union. Wie sieht es da aus? Die Europäische Union hat zum Zwecke
des Naturschutzes zwei Richtlinien, das ist die Vogelschutzrichtlinie und die
Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Diese Richtlinien sehen vor, dass bestimmte
Schutzgebiete ausgewiesen werden und Managementprogramme vor allem für die
bedrohten Tierarten und auch Lebensräume umgesetzt werden.
Wie sieht das jetzt aus mit der Umsetzung in Österreich?
Zwei europäische Richtlinien und in Österreich: Neun Naturschutzgesetze, neun
Jagdgesetze und neun Fischereigesetze, also in 27 Gesetzen, Landesgesetzen
insgesamt müssen zwei europäische Richtlinien umgesetzt werden. Wir haben
diesen Prozess verfolgt vom WWF über die letzten Jahre. Er ist noch bei weitem
nicht abgeschlossen. Und ich sage Ihnen aus der Sicht einer
Naturschutzorganisation, es ist ein Alptraum, wenn es darum geht, einheitliche
und qualitätsvolle Schutzziele in Österreich umzusetzen. Wir haben in allen
Ländern unterschiedliche Schutzkategorien, unterschiedliche Zielsetzungen,
unterschiedliche Umsetzungen, unterschiedliche Herangehensweisen. Und so ist es
auch nicht erstaunlich, dass bisher mehr als zwei Dutzend
Vertragsverletzungsverfahren mit der EU in diesem Bereich angelaufen sind.
Weiters wirkt sich das auch aus bei der Umsetzung anderer internationaler
Abkommen aus. Ich habe schon den Bären angesprochen. Ein Tier, das zu uns
gekommen ist aus Kroatien, aus Slowenien bis hin in das Ötschergebiet. Der
bekannte Ötscherbär. Und für diese Art von Tieren gibt es eine Konvention, die
Bonner Konvention zum Schutz der wandernden Arten. Diese Konvention ist 1983 in
Kraft getreten. Wir sind gerade wieder in einer heftigen Phase der Diskussion
mit den Bundesländern in Österreich zwecks Umsetzung. Ich sehe sie auch schon
am Horizont, aber ob es wirklich passieren wird, ich glaube es erst dann, wenn
sie wirklich unterzeichnet und auch umgesetzt werden wird.
Abschließend möchte ich noch einen Verweis machen zur
aktuellen Politik. Wie Sie sicherlich wissen, wird ein Bundestierschutzgesetz
diskutiert und daher die folgende Empfehlung an die Mitglieder des
Verfassungskonvents, an Sie. Ich
bin noch immer zuversichtlich, dass es einen Bundestierschutz geben wird. Aber
schaffen wir keine zwei Klassen von Tieren. Die wild lebenden Tiere dürfen
nicht Tiere zweiter Klasse bleiben in Österreich und daher eben die Empfehlung
vor allem an den Ausschuss 5 des Verfassungskonvents „Aufgabenverteilung
zwischen Bund, Ländern und Gemeinden,“ die Schaffung eines Bundesgesetzes für
Naturschutz zu ermöglichen. Dieses Bundesgesetz sollte auch die Nationalparke
beinhalten. Danke sehr.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke. Als nächsten bitte ich Herrn
Dipl. Ing. Martin Blum um seine Ausführungen. Ebenfalls Ökobereich.
Dipl.-Ing. Martin Blum: Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich trete hier für das Ökobüro auf, bin vom VCÖ, vom
Verkehrsclub Österreich. Verkehr ist derzeit ein Dauerthema. Man denke nur an
die Lkw-Problematik, an die ÖBB-Reform, den Punkteführerschein oder das
Lkw-Road-Pricing.
In meinem kurzen Statement möchte ich nun zwei Bereiche
herausgreifen, deren Neuordnung im Rahmen des Österreichkonvents besonders
wichtig wäre, um eine Mobilität für die Zukunft zu schaffen, die sozial
gerecht, ökologisch verträglich und ökonomisch effizient ist. Es ist erforderlich,
das ungebremste Lkw-Wachstum und Wachstum des Pkw-Verkehrs einzubremsen. Ein
Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Raumordnung. Seit 1925 enthält die
österreichische Bundesverfassung keinen eigenen Kompetenztatbestand Raumordnung
mehr. Sie gehört damit zu den bedeutenden Landeskompetenzen. Im internationalen
Vergleich ist dies überaus selten. Es gibt in den meisten Nationalstaaten
zumindest eine Rahmengesetzgebung für die Raumordnung. Seit dem Jahr 1925 haben
sich aber grundlegende Rahmenbedingungen verändert. So hat sich beispielsweise
die durchschnittliche Wegelänge jedes Österreichers oder jeder Österreicherin
im Jahr 1950 von 8km täglich auf heute 30 bis 40km erhöht. Das heißt, es gäbe
großen Änderungsbedarf. Gemeinden- und Landesgrenzen werden täglich
überschritten, die aktuelle Raumordnung trägt dem wenig Rechnung, denn oft
werden Dinge auf Gemeindeebene entschieden mit Reichweiten weit über Gemeinde-
oder Landesebene hinaus.
Der VCÖ schlägt deshalb ein Bundesraumordnungsgesetz vor.
Es sollte eine Rahmengesetzgebung im Rahmen eines Bundesraumordnungsgesetz
geben. Der Rahmen für Länder und Gemeinden soll damit vorgegeben werden.
Besonders zu empfehlen wäre hier das in den Neunzigerjahren entwickelte so
genannte ABC System der Niederlande. Hier wurde speziell auf verkehrssparende
Raumordnung Rücksicht genommen.
Einen weiteren Aspekt bei der Raumordnung gibt es noch und
zwar die europäische Dimension. Die Raumordnung gewinnt auf europäischer Ebene
immer mehr an Bedeutung, das heißt, Österreich vergibt hier Chancen der
Mitgestaltung, wenn hier die nötigen Strukturen und Ansprechpartner fehlen.
Auch deswegen ist eine Bundeszuständigkeit für Raumordnung dringend notwendig.
Der zweite Vorschlag betrifft das Gebiet der
Finanzverfassung. Aktuell wird bereits in Österreich jeder vierte Euro für den
Verkehr ausgegeben. 25 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gehen in den
Verkehr. Der Verkehrsbereich und vor allem der Straßenverkehrsbereich ist ein
hoch subventionierter Bereich, weit über 10 Milliarden € an Subventionen
fließen jährlich in den Verkehr. Nicht sehr effizient, denn die Subventionen
führen zu einer höheren Nutzung des Straßenverkehrs als ökonomisch effizient
wäre.
Wir schlagen daher vor, dass zukünftig Subventionen und
Förderungen besser kontrolliert und analysiert werden sollen im Rahmen einer
Subventionskontrolle. Dies soll nun nicht zur Einschränkung des politischen
Handlungsspielraumes führen oder gar zu einer Kürzung der Subventionen nach der
Rasenmähermethode. Es soll vielmehr dazu führen, dass Subventionen effizienter
eingesetzt werden und eine Unterstützung für die politischen
Entscheidungsträger bieten.
Beispielsweise in Dänemark wurde hier entsprechend eine
Subventionsbehörde bereits eingeführt.
Zur Finanzverfassung gibt es nur noch zu sagen, dass auch
aus Sicht des Verkehrsbereiches hier eine Zusammenführung von Ausgaben- und
Einnahmenverantwortung dringend notwendig wäre. Ein Beispiel, das in den
letzten Wochen und Monaten auch öfters in den Medien war, ist die
Wohnbauförderung. Eine Einnahmenverantwortung beim Bund und
Ausgabenverantwortung beim Land führt in vielen Fällen zu Ineffizienz. Hier
wäre sicher auch sinnvoll - dort, wo möglich - die Einnahmenverantwortung auch
in die Zuständigkeit der Länder zu übergeben.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke. Ich bitte Herrn Mag. Erwin Mayer um seine
Wortmeldung.
Mag. Erwin Mayer: Grüß Gott meine Damen und Herren!
Mein Name ist Erwin Mayer von Greenpeace und ich habe heute
zwei Anliegen, die sehr eng miteinander verbunden sind. Das Erste ist die
Antiatompolitik. Wir haben vor kurzem die 25 Jahre Zwentendorf gefeiert
und da waren wir alle ganz stolz, wie wir nicht antiatomar in Österreich sind,
und es ist heute ungefragt, dass Österreich weiter diesen Kurs gehen soll. Was
hat diese Volksabstimmung vor 25 Jahren für Folgen gehabt? Wir haben
unmittelbar darauf ein Atomsperrgesetz gehabt - 1978 - und wir haben heute und
jetzt ein Bundesverfassungsgesetz aus 1999, das atomfreie Österreich. Das
schreibt uns vor, dass wir keine Atomanlagen haben sollen bis hin zu
Atomwaffenverbot, Durchfuhr von atomaren Material et cetera. Das ist alles sehr
gut und lobenswert, nur wir wissen auch, dass sozusagen hier Österreich nicht
isoliert ist. Wir wissen, dass es grenznahe AKW gibt, wir wissen auch, dass weiter entfernte AKW - Tschernobyl war über 2000 km entfernt
- Auswirkungen auf Österreich haben und wir wissen, dass es in Europa, jetzt
nachdem die Generation der ersten Generatoren von AKWs zunehmend am Schließen
sind, zahlreiche Pläne gibt, neue Reaktoren zu bauen. Finnland baut gerade,
Frankreich hat Pläne, Tschechien ist gerade vollendet – Temelin – und hat
weitere Pläne. Der Punkt ist: All das ist grenzübergreifend und es kann nicht
sein, dass wir sozusagen hier mit Österreich alleine zufrieden sind. Wir müssen
nach Europa wirken.
Der zweite Punkt, der seither passiert ist in diesen
25 Jahren, ist, dass Österreich ja bewusst der EU beigetreten ist mit den
zentralen Argumenten: 1994 dürfen wir nicht draußen stehen, wir müssen drinnen
sein, um mitreden zu können, um von innen zu gestalten und nicht nur von außen
das Ganze zu beobachten. Jetzt sind wir EU- Mitglied und sind in allen
relevanten Gremien, von Räten bis Parlament, vertreten.
Ein drittes Phänomen, das sich in den letzten
25 Jahren ereignet hat, ist, dass eine ursprüngliche reine
Wirtschaftsgemeinschaft der EU zunehmend zu einer politischen Gemeinschaft wird
- trotz des gestrigen Scheiterns -, aber wenn man das längerfristig betrachtet,
ist es nur ein kleiner Schritt und das hat auch dazu geführt, dass Kompetenzen
auch im Energiebereich zunehmend nach Brüssel wandern. Es ist immer weniger
eine nationale Angelegenheit, welchen primären Energieträger Sie einsetzen, wie
viel Subventionen Sie geben et cetera. Es werden immer mehr von Brüssel
Rahmenbedingungen, von Richtlinien vorgegeben, ob sich Atomenergie rechnet oder
nicht.
Und all das hat uns dazu geführt zu überlegen, wie können
wir diese Antiatomhaltung Österreichs nach Brüssel tragen, wenn es eben in
Österreich alleine nicht mehr ausreicht. Wir können es nach Brüssel tragen,
indem die österreichischen Vertreter in den europäischen Gremien eine konsequente
Antiatompolitik verfolgen. Jetzt kann man die freien Mandatare im Eu Parlament
natürlich nicht binden, aber es gibt auch Regierungsmitglieder, das sind
Exekutivorgane und die können wir mit einem konkreten Handlungsauftrag nach
Brüssel schicken. Unsere Idee ist eben genau das in der Verfassung zu
verankern, dass dieses Bundesverfassungsgesetz 1999, atomfreies Österreich,
erweitert wird auf ein atomfreies Europa und das heißt nichts anderes, dass es
einerseits eine Zielbestimmung gibt, dass Österreich sich zum atomfreien Europa
bekennt, aber wünschen alleine ist hier zu wenig. Das ist uns sehr bewusst,
sondern wenn man es ernst meint, muss es auch hier zu einer generellen
Ministerbindung kommen. Das heißt, alle österreichischen Minister, die in dem
relevanten Bereich in Europa aktiv sind, das heißt, in den Fachministerräten,
sollten für ein atomfreies Europa eintreten. Das heißt Initiativenstaaten, das
heißt aber natürlich auch, proatomare Bestimmungen, dann, wenn sie einstimmig
sind, mit Veto aufhalten oder jedenfalls dagegen stimmen. Wir glauben, dass
wir, wenn wir das erste Land in Europa sind, hier wirklich eine Vorbildwirkung
ausüben können und dass die anderen Antiatomstaaten, die ja eine Mehrheit
bilden auch nach dem Beitritt, auch innerhalb der 25, dass die diese Initiative
von Österreich brauchen.
Wir knüpfen dabei an an die Ministerbindung, die es bereits
gibt im §23E, die Ministerbindung Hauptausschuss im Einzelfall gibt es schon,
was ein Minister in Brüssel sagen soll, und wir sehen nicht ein - und alle
Argumentationen, die wir in den letzten Monaten gehört haben, erklären nicht -,
warum eine Einzelbindung Sinn macht und eine generelle Bindung von Ministern
nach Brüssel keinen Sinn macht. Das zum atomfreien Österreich.
Jetzt
zu dem zweiten Punkt – direkte Demokratie. Sie werden sich vielleicht fragen,
wieso beschäftigt sich ein [TONAUSFALL] mit direkter Demokratie. Ich hoffe, das ist
jetzt kein Störfall in irgend einem Kraftwerk, sondern nur die Redezeit. Nein,
warum beschäftigen wir uns damit? Umweltschutzanliegen, Tierschutzanliegen,
Gentechnik, etc. waren immer wieder Anliegen von Volksbegehren. In der Schweiz
hat es eine Untersuchung gegeben, dass ungefähr jede dritte Initiative, jede
dritte Abstimmung aus diesem Bereich kommt, und wenn wir uns bisher diese 30
Volksbegehren in Österreich anschauen, dann ist nur eine Minderheit davon
umgesetzt worden, je nachdem, was man als Umsetzen bezeichnet, kommt man mit
gutem Willen auf zwei, drei, maximal vier Volksbegehren, die unmittelbar
legistische Auswirkungen gehabt haben, im Sinne der Initiatoren. Die restlichen
wurden behandelt im Parlament, was so viel heißt, wie schubladiert und
abgelehnt. Und nicht immer kann man aber zwingend davon ausgehen, dass das
Minderheitenmeinungen waren; das mag sehr oft der Fall gewesen sein, dass
Volksbegehren auch Minderheitenmeinungen ausdrücken, aber man weiß es nicht.
Unser Volksbegehren zum Beispiel: Atomfreies Österreich, laut Umfragen will die
Mehrheit das, jetzt können Sie zu Recht sagen – eh schon wissen. Umfragen,
Umfragen sagen alles und nichts, je nach Auftraggeber und nach dem Wording.
Aber es gibt ja keine objektive Methode festzustellen bislang, ob eine
Initiative tatsächlich dem Mehrheitswillen der Österreich entspricht oder nicht.
Amtlich kann man es nur machen mit einer Volksbefragung oder mit einer
Volksabstimmung, dann weiß man es. Dann hat man eine Ja-Nein-Gewichtung, sonst
sind alle Spekulationen von Ja-Stimmen auf die Grundgesamtheit zu schließen,
müßig. Und deswegen treten wir dafür ein, dass ab 100.000 Unterschriften eines
Volksbegehrens ähnlich dem Schweizer Modell es zwingend zu einer
Volksabstimmung kommen kann. Wir meinen, dass ein Volksbegehren das Recht hat,
eben genau diese Feststellung von Ja-Nein-Stimmen zu bekommen und der
Mehrheitswille soll entscheiden. Da verlangen wir natürlich jetzt relativ viel
vom repräsentativem System. Letztendlich erinnert mich das an die gestrige
Debatte, da hat man auch von europäischen Staatschefs verlangt, sie sollen
Souveränität untereinander abgeben, sie sind ja dann weniger souverän und sie
sollen Souveränität abgeben und Macht abgeben an das Europäische Parlament.
Die, die beschließen, müssen sich selbst in ihrer Macht und Souveränität
reduzieren. Das ist viel verlangt, passiert sehr selten, aber es kann passieren
und es muss passieren; und deswegen meinen wir, im Konfliktfall, wenn es hier
zu einer Volksabstimmung nach einem Volksbegehren mit diesem Quantum von
Unterschriften kommt, soll es auch eine repräsentativstaatliche Entscheidung
overrulen können. Dann heißt, dann zählt die Volksabstimmung und nicht mehr die
einfache Mehrheit im Parlament. Dafür treten wir ein und wir glauben auch, dass
das Österreich sozusagen grüner machen würde, ökologischer machen würde, weil
wir den Eindruck haben, dass viele Anliegen, von der Mehrheit von uns
eingebracht, von der Mehrheit bereits getragen werden, nicht immer und dass man
hier eben Österreich auch punkto Verbindung der Politik mit dem Bürger
weiterbringen kann. Das heißt diese Politikverdrossenheit würde dadurch massiv
abgebaut werden. Danke.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke. Bitte Herrn Thorben Becker um seine Wortmeldung.
Thorben Becker: Meine
sehr geehrten Damen und Herren!
Ich bin jetzt der vierte Vertreter des Ökobüros. Ich
arbeite als Umweltjurist bei Global 2000 und wir haben uns in letzter Zeit
intensiv mit dem Verfassungsprozess, dem jetzt ins Stocken geratenen
Verfassungsprozess auf europäischer Ebene befasst. Schwerpunkt meines kurzen
Statements ist der grundlegende Teil der Verfassung, also Grundrecht, Ziele,
Verfassungsaufträge aus Sicht der Umwelt.
Eine neue Verfassung für Österreich bietet die große
Chance, den Umweltschutz und das Prinzip der Nachhaltigkeit im Verfassungsrang
zu stärken. Dies betrifft besonders die Verankerung und die Position des
Umweltschutzes in den grundlegenden Vorschriften der Verfassung. Aus unserer
Sicht geht es zum einen selbstverständlich darum, dass all die bestehenden
wichtigen Vorschriften zum Umweltschutz im Verfassungsrang, insbesondere das
Bundes-Verfassungsgesetz „atomfreies Österreich“, vollinhaltlich in die neue
Verfassung übernommen werden und in ihrer Wirkung erhalten bleiben. Eine neue
schlankere Verfassung darf auf keinen Fall weniger Umweltschutz bedeuten. Vor
allem aber muss die Überarbeitung der Verfassung genutzt werden, um die
Stellung des Umweltschutzes in der Verfassung zu stärken und wichtige neue
Regelungen in die Verfassung einzuführen.
Wenn man sich jetzt die bisherigen Ergebnisse der
Diskussion um eine neue europäische Verfassung ansieht, die für den
Umweltschutz im Wesentlichen die Fortschreibung des Status quo ist, dann bietet
sich für Österreich die große Chance, eine wesentlich fortschrittlichere
Verfassung zu beschließen. Dadurch würde Österreich auf der Ebene der
Verfassung seiner selbst gewählten Rolle als Umweltmusterland Europas gerecht
werden. Ein ganz entscheidender Fortschritt für die Umweltpolitik ist die
Verankerung des Umweltschutzes als Grundrecht in der Verfassung. Wir fordern
ein Grundrecht auf saubere und gesunde Umwelt. Nur diese Stellung wird der
Bedeutung des Umweltschutzes im Sinne einer ökologisch nachhaltigen Entwicklung
gerecht. Moderne Verfassungen, wie etwa die Verfassung Südafrikas, kennen ein
derartiges Recht, in Europa dagegen könnte Österreich mit der Einführung dieses
Grundrechts Vorreiter sein.
Als Folge des Grundrechts auf saubere und gesunde Umwelt
muss der Umweltschutz bei dem Erlassen der Auslegung von Gesetzen und
Verordnungen zwingend berücksichtigt werden. Außerdem ist ein Grundrecht
einklagbar und auch gegen die konkreten Handlungen des Staates durchsetzbar.
Dies hebt ein Grundrecht von in erster Linie deklaratorischen Zielen oder
Grundprinzipien der Verfassung ab. Entscheidend für die Wirksamkeit des
Grundrechts ist die Durchsetzbarkeit, also die Einklagbarkeit. Neben dem
Klagerecht von einzelnen betroffenen Personen muss auch
Umweltschutzorganisation die Parteistellung ermöglicht werden, damit bekommen
die Umwelt-NGO’s eine wichtige Kontroll- und Einflussnahmemöglichkeit. Erst
dann können die Interessen der Umwelt über das Grundrecht wirksam durchgesetzt
werden. Der Umweltschutz und das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung müssen
als herausragend wichtige Verfassungsaufträge mit Garantiefunktion des Staates
in der Verfassung verankert werden. Es ist aus unserer Sicht wichtig und
dringend erforderlich, dass neben dem Ziel einer sauberen Umwelt auch die
nachhaltige Entwicklung, insbesondere der Klimaschutz als Verfassungsaufträge
definiert werden. Denn es geht nicht nur um die Reinhaltung der Umwelt, also
Wasser, Boden und Luft, sondern um die Etablierung einer zukunftsfähigen
nachhaltigen Gesellschaft. Und eine saubere Umwelt in Österreich nützt uns
nichts, wenn Österreich soziale und wirtschaftliche Entwicklung nicht mit den
globalen ökologischen Grenzen vereinbar ist und es zu einer weltweiten massiven
Klimaveränderung kommt.
Ebenfalls als Verfassungsauftrag zu integrieren sind wie
gesagt die Vorschriften aus dem Bundes-Verfassungsgesetz „atomfreies
Österreich“. Dieses müsste aus unserer Sicht ergänzt werden, um die Vorschrift
Atomstromimporte nach Österreich zu verhindern, denn diese für ein wirklich
atomfreies Österreich wesentliche Verpflichtung ergibt sich aus dem aktuellen
Bundes-Verfassungsgesetz nicht. In einem eigenen Umweltartikel - jedenfalls in
einer prominenten Stelle in der Verfassung - sollten aus unserer Sicht wichtige
Grundprinzipien für die Umweltpolitik Österreichs festgeschrieben werden, das
sind unter anderem das Vorsorgeprinzip. Diese Anwendung würde dazu führen, dass
geplante Vorhaben, neue Technologien oder Verfahren erst dann genehmigt werden
können, wenn wirklich erwiesen ist, dass sie ungefährlich sind, das heißt, es
braucht eine ausreichende Risikoabschätzung.
Zweites Prinzip – das Verursacherprinzip, das besagt, dass
der Verursacher einer Belastung oder Emission deren Ungefährlichkeit zu
beweisen hat, und nicht die Betroffenen die Gefährlichkeit. Sehr wichtiges
Prinzip ist das Integrationsprinzip. Dies besagt, dass die Gesichtspunkte des
Umweltschutzes in allen anderen Politikbereichen, wie etwa Verkehr, Energie,
Wirtschaft, Tourismus und viele weitere zu berücksichtigen sind, mit anderen
Worten, es muss so was wie eine Umweltverträglichkeitsprüfung von allen
Gesetzen oder Verordnungen stattfinden.
Das war kurz zusammengefasst unsere Anregung für eine neue
Verfassung. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke. Als nächster am Wort ist Herr Mag. Franz Maier. Er ist
Geschäftsführer des Umweltdachverbandes. Bitte.
Mag. Franz Maier: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte
Damen und Herren!
Erlauben Sie mir zunächst drei prinzipielle Bemerkungen,
bevor ich auf die für uns besonders wichtigen inhaltlichen Punkte zu sprechen
komme. Der Umweltdachverband ist als Dachorganisation von 33 im Natur- und
Umweltschutz aktiven Vereinen mit insgesamt über 1,3 Millionen Mitgliedern ein
wesentlicher Teil der österreichischen Zivilgesellschaft. Ich möchte daher
gerade an dieser Stelle auch nicht verhehlen, dass wir es sehr bedauern, dass
unserem seinerzeitigem Ersuchen, einen Experten in den Österreich-Konvent
entsenden zu können, nicht entsprochen wurde. Die heute angebotene Möglichkeit,
vier Vertreter für ein je maximal 5-minütiges Statement zu nominieren, ist
dafür kein adäquater Ersatz. Wir nehmen die heutige Einladung
selbstverständlich aber gerne an und hoffen, dass es für uns auch in weiterer
Folge die Möglichkeit geben wird, unsere Positionen zu formulieren und
einzubringen.
Für den Umweltdachverband ist der Österreich-Konvent
grundsätzlich eine einmalige Chance, die Anforderungen des Natur- und
Umweltschutzes sowie des Leitprinzips der nachhaltigen Entwicklung sowohl in
der Bundesverfassung als auch im Zusammenspiel zwischen den
Gebietskörperschaften angemessen und ausreichend zu berücksichtigen. Wir
bringen dem Konvent von unserer Seite daher auch eine entsprechend hohe
Erwartungshaltung entgegen.
Jetzt zu zwei oder drei für uns inhaltlich wesentlichen
Forderungen an den Österreich-Konvent; ein umfassendes erstes Positionspapier
ist seit einiger Zeit ja über die Konvent-Website abrufbar.
Ein erster Punkt: Es braucht in Hinkunft über das Bekenntnis
zum umfassenden Umweltschutz hinaus eine tiefer und weiter gehende
Verpflichtung und eben nicht nur ein Bekenntnis zum Umwelt- und Naturschutz.
Eine derartige Staatszielbestimmung müsste inhaltlich zumindest dem Entwurf für
eine Verfassung für Europa entsprechen, und könnte wie folgt lauten: Die
Republik Österreich, also Bund, Länder und Gemeinden, die Republik Österreich
stellt ein hohes Umwelt- und Naturschutzniveau und die Verbesserung der
Umweltqualität nach dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung sicher. Die
derzeitigen Formulierungen im Bundesverfassungsgesetz über den umfassenden
Umweltschutz sind jedenfalls unserer Meinung nach um den Naturschutz und um die
biologische Vielfalt zu ergänzen.
Ein zweiter inhaltlicher Punkt: Mehr als zwei Drittel aller
Österreicherinnen und Österreicher sprechen sich ganz dezidiert gegen den
Verkauf von Waldflächen und Seen und gegen Liberalisierungs- und
Privatisierungstendenzen in der Wasserwirtschaft aus. Der Umweltdachverband hat
daher in den letzten Monaten im Schulterschluss mit dem Österreichischen
Gemeindebund und dem Österreichischen Städtebund ganz klar zu den
Liberalisierungsvorhaben der Europäischen Kommission im Bereich der
Wasserversorgung Stellung bezogen.
Unsere Kernforderung in diesem Bereich ist die Beibehaltung
der Gemeinnützigkeit für alle grundlegenden Dienstleistungen, wie sie im
besonderen Maße die Wasserversorgung darstellt. Und eben keine Liberalisierung
auf Kosten der Entwicklung des ländlichen Raumes, des Umweltschutzes und der
Versorgungssicherheit. Ebenso fordern wir die Achtung der demokratischen
Mitspracherechte der Bürger und Bürgerinnen bei der Gestaltung der öffentlichen
Daseinsvorsorge. Unseres Erachtens nach sollten demnach Bund, Länder und
Gemeinden per Verfassungsbestimmung verpflichtet werden, dass die
Verfügungsgewalt über den heimischen Wasserschatz in Österreich zu verbleiben
hat, und somit kein Verkauf von für die Allgemeinheit wichtigen natürlichen
Ressourcen des öffentlichen Eigentums erfolgen darf.
Wir verlangen daher einen Verfassungsschutz für unsere
lebenswichtigen Naturressourcen, insbesondere aber für das Wasser. Einige
Bundesländer haben hier bereits Schritte in diese Richtung gesetzt, nämlich
Niederösterreich, Wien und auch Oberösterreich.
Eine Bemerkung noch zum Schluss. Gerade im Zusammenhang mit
dem Verkauf und der Nutzung von Wald und Wasser ist mir besonders auch die
Feststellung wichtig, dass aus der Bundesverwaltung ausgegliederte Unternehmen
oder Tätigkeitsbereiche, wie eben die Österreichischen Bundesforste, in Zukunft
der vollen Überprüfbarkeit und Kontrolle durch den Rechnungshof und durch die
Volksanwaltschaft unterstellt werden sollten. Ich bedanke mich für Ihre
Aufmerksamkeit.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals, Herr Kollege. Am Wort ist Herr Andreas
Tschuguell, Umweltdachverband. Redezeit 5 Minuten, und dann
Dipl.-Ing. Plattner.
Andreas Tschuguell: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte
Damen und Herren!
Vielen Dank für die Einladung. Der Österreichische
Umweltdachverband fordert seit langer Zeit eine Kompetenzänderung in Sachen
Naturschutz hin zu einer Grundsatzgesetzgebungskompetenz des Bundes und einer
Kompetenz der Länder für Ausführungsgesetze sowie für die Vollziehung. Wir sind
im Gegensatz zum WWF nicht der Ansicht, dass ein Bundesnaturschutzgesetz
angemessen ist, aber, wie gesagt, eine Grundsatzgesetzgebungskompetenz oder,
wie dies vielleicht noch im Konvent diskutiert werden wird, eine
Rahmengesetzgebungskompetenz, sollte dieser neue Kompetenztyp geschaffen
werden.
Ich möchte das kurz argumentieren und mich daher
insbesondere an den fünften Ausschuss wenden und auch auf das Mandat an den
fünften Ausschuss verweisen, in dem ja steht, dass die Kompetenzverteilung
insbesondere auch unter Berücksichtigung des EU-Rechts beleuchtet werden
sollte. Ich möchte daher auf die Natura 2000-Richtlinien eingehen und Ihnen sagen,
wir haben als Umweltdachverband den Umsetzungsprozess sehr genau beobachtet und
die Umsetzungsgeschichte war eine Geschichte der Defizite und Probleme. Und
wenn man bedenkt, dass die Idee dieser Errichtung eines EU-weiten
Schutzgebietsnetzes vor allem auch von dem Gedanken der Kohärenz getragen ist,
und es dann auf Grund der Umsetzungsprobleme und Schwierigkeiten und auch
unterschiedlichen gesetzlichen Verankerungen in den Naturschutzgesetzen auf
innerstaatlicher Ebene eine teilweise Inkohärenz gibt, dann ist das schon
widersprüchlich. Und ich denke, dass eine EU-weite Vereinheitlichung einer
Materie doch jeden Mitgliedstaat dazu verpflichten sollte, ein möglichst hohes
Maß an innerstaatlicher Einheitlichkeit sicherzustellen, sei es auch durch eine
Kompetenzänderung weg von den Ländern hin zum Bund.
Die Bundeseinheitlichkeit bei der Natura 2000-Umsetzung ist
- vor allem durch die Verbindungsstelle der Länder - versucht gewährleistet zu
werden. Das ist aber nicht gelungen. Und es sind über 20 Verfahren anhängig
beim EuGH, es sind über 150 Horizontalbeschwerden bei der Kommission
vorliegend, betreffend die Natura 2000-Richtlinien. Und demnächst steht uns
wahrscheinlich eine Verurteilung durch den EuGH ins Haus wegen einer
Golfplatzerweiterung in Oberösterreich, die seinerzeit bewilligt worden ist.
Ich glaube also, dass es wichtig ist, eine gewisse Länderkompetenz vielleicht
eben durch eine Ausführungskompetenz im Naturschutz beizubehalten, weil ein
gewisser Wettbewerb der Länder im Naturschutz wichtig ist, und weil Naturschutz
auch auf Grundlage regionaler Problembetrachtungen erfolgen muss und daher
spezifische und unterschiedliche Regelungen notwendig sind. Ich glaube aber,
dass die Mindeststandards und die Grundsätze auf Bundesebene geregelt werden
sollten, insbesondere in jenen Bereichen, wo eine EU-Vereinheitlichung
vorliegt.
Ich trete daher für ein Bundesgrundsatzgesetz Naturschutz
ein. Beziehungsweise wollen wir nochmals anregen, diesen neuen Kompetenztyp der
Ziel- und Rahmengesetzgebung zu diskutieren und diesen dann allenfalls für den
Naturschutz vorzusehen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer (übernimmt den Vorsitz) : Danke
vielmals, Herr Kollege. Das Wort hat Dipl.-Ing. Plattner, ebenfalls vom
Umweltdachverband, gleiche Redezeit.
Dipl.-Ing. Gerald Plattner: Grüß Gott, sehr geehrte Damen und Herren! Recht
herzlichen Dank für die Einladung.
Ich möchte mich heute unter dem Titel „Vernetztes Denken
und Handeln zur Überwindung von Grenzen“ mit dem Thema Natur und Umweltschutz
auseinander setzen. Ich möchte Ihnen in Form von drei Themenkreisen fünf
Vorschläge unterbreiten.
Für die Naturfreunde Österreich steht das Wort Grenze als
Synonym für das Festhalten an überkommenen Regeln, für eindimensionales Denken
oder die fehlende Überwindung von realen Grenzen und Zuständigkeiten. Der Blick
auf das Ganze, auf das Gesamte kommt immer wieder zu kurz. Wenn man in die
Natur schaut, merkt man, dass sie uns etwas Anderes zeigt und lehrt. Es ist
daher mehr gesamthaftes vernetztes Denken mit dem Blick auf die Umwelt
beziehungsweise das Gemeinwohl dringend notwendig.
Zum Themenkreis Nachhaltigkeit: Mit der von der
Bundesregierung beschlossenen Nachhaltigkeitsstrategie hat Österreich seine
Leitziele für zukünftiges Handeln skizziert, eine Kernaufgabe in der Umsetzung
der Strategie ist die Integration von Umweltbelangen in alle relevanten
Sektorpolitiken wie Verkehr, Energie, Tourismus, Wirtschaft und so weiter.
Bestehende Barrieren und Ungleichgewichte zwischen Wirtschaft und Umwelt müssen
sukzessive abgebaut und eine sektorenübergreifende Herangehensweise vom Gesetzgeber
unterstützt werden. Nur wenn dieser ganzheitliche Ansatz in der Umsetzung
gelingt, so ist auch ein Fortschritt in Richtung Nachhaltigkeit zu erwarten.
Unser erster Vorschlag lautet daher: Verankerung des
Prinzips der Nachhaltigkeit und der Umweltintegration in relevante
Sektor-Politiken und sie regelnde Gesetze. Jede Sektor-Politik soll in Hinkunft
dem Prinzip der Nachhaltigkeit entsprechen und mit übergeordneten Zielen – wie
etwa dem Umweltschutz – in Übereinstimmung stehen. Wir schlagen daher vor – und
damit komme ich zum zweiten Vorschlag –, das Prinzip der Kohärenz der Politiken
soll gestärkt werden durch Abschaffung kontraproduktiver Förderungen, durch die
Ökologisierung von Förderungsrichtlinien und Programmen des Bundes und der
Länder, durch die verpflichtende Prüfung von Gesetzen hinsichtlich ihrer
Auswirkungen auf die Umwelt und die Nachhaltigkeit. Es geht auch darum, die
Externalisierung von Kosten – auch ein Vorredner hat das schon erwähnt – offen
zu legen.
Selbst, wenn diese Rahmenbedingungen erfüllt werden, ist es
notwendig, dass Nachhaltigkeit implementiert wird. Dazu ist es notwendig, dass
Strategien, Maßnahmen und Programme koordiniert, geplant und umgesetzt werden.
Wir schlagen daher vor – und das ist unser dritter Vorschlag – die Schaffung
einer Nachhaltigkeits-Schnittstelle zwischen dem Bund und den Ländern. Zum
Beispiel könnte die österreichische Raumordnungskonferenz mit neuen Kompetenzen
in eine Nachhaltigkeitskonferenz umgewandelt oder weiterentwickelt werden.
Ich möchte jetzt noch ein paar Bemerkungen zum Themenkreis
Wasser und andere wichtige Natur-Ressourcen Ihnen näher bringen und möchte
einleiten mit einer Umfrage, die heute schon ganz kurz erwähnt wurde. Gemäß
einer vom Umweltdachverband durchgeführten Umfrage sprechen sich mehr als zwei
Drittel der Österreicher und Österreicherinnen dezidiert gegen den Verkauf von
öffentlichen Waldflächen zur Budget-Sanierung, gegen den Verkauf von Seen und
gegen weit reichende Liberalisierungsbestrebungen in der Wasserwirtschaft aus.
Wir schlagen daher – und das ist unser vierter Vorschlag – einen
Verfassungsschutz für unsere lebenswichtigen Natur-Ressourcen Wasser, Wald,
Berge, Gletscher, Boden, Luft vor. Der soll unter anderem beinhalten, dass die
Verfügungsgewalt über die einheimischen Wasserreserven in Österreich bleiben,
dass Boden und Luft im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung geschützt werden
und dass Grundflächen mit für die Öffentlichkeit wichtigen natürlichen
Ressourcen nicht ohne vorherige strategische Bedarfsprüfung verkauft werden
dürfen.
Analoge Beispiele gibt es bei land- und
forstwirtschaftlichen Grundstücken oder Kulturgütern, wo geprüft wird, ob ein
Eigentumsübergang erfolgen darf. Warum kann das nicht für wichtige, strategisch
wichtige, natürliche Ressourcen auch gemacht werden? Zur strategischen
Bedarfsprüfung ist ein Ressourcen-Kuratorium einzurichten, in dem
Umweltorganisationen mit Sitz und Stimme vertreten sind.
Ein Letztes noch zur Bürgerbeteiligung, zum Themenkreis
Bürgerbeteiligung. Für uns ist eine wesentliche Voraussetzung für eine
erfolgreiche Umweltpolitik eine entsprechende Information aller Betroffenen und
die Möglichkeit, sich an Diskussions- und Entscheidungsprozessen aktiv zu
beteiligen. Wir glauben – und damit komme ich zum fünften Vorschlag –, dass
Partizipation ein fixer Bestandteil der Politik und Verwaltung werden muss.
Derzeit ist das nur in Teilbereichen gegeben.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Nächster
Redner ist Kollege Mag. Haßlacher, ebenfalls Umweltdachverband, ebenfalls
gleiche Redezeit.
Mag. Peter Haßlacher: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte
Damen und Herren!
Ich möchte für den Österreichischen Alpenverein hier vier
Vorschläge unterbreiten.
Erstens: Der alpine Natur- und Lebensraum ist durch eine
besondere Sensibilität gekennzeichnet. Österreich hat ja durch die Ratifizierung
der Alpenkonvention im letzten Jahr dem Rechnung getragen. Österreich bemüht
sich außerdem sehr vehement, seinen Alpenraum als eine sensible Zone anerkannt
zu wissen, umso einen höheren Schutz-Status zu erreichen. Und diese Bemühungen
auf europäischer Ebene müssen natürlich aus unserer Sicht auch innerstaatlich
untermauert werden, will man die Glaubwürdigkeit Österreichs in der
europäischen Umweltpolitik verstärken. Die dazu notwendigen Schritte dürfen
auch vor dem Verfassungsrecht nicht Halt machen. Gerade die Arbeit im
Verfassungskonvent sollte diesen Aspekt ernst nehmen.
Zweitens: Das Bekenntnis zum umfassenden Umweltschutz ist
bereits in der Bundesverfassung verankert. Allerdings sollte dieses Bekenntnis
vertieft werden und von der peripheren Stellung eines verfassungsrechtlichen
Nebengesetzes in das Bundes-Verfassungsgesetz selbst transformiert werden.
Diese Vertiefung sollte bei der Aufzählung der Schutzgüter Platz greifen.
Umfassender Umweltschutz bedeutet den Schutz des alpinen Raumes durch eine
nachhaltige und umweltschonende Wirtschafts- und Verkehrspolitik. Der ÖAV ist
sich zwar bewusst, dass die Aufwertung des Staatszieles zu einem Baugesetz der
Bundes-Verfassung wenig realistisch ist. Die Platzierung des umfassenden
Umweltschutzes sollte gleichwohl in einem eigenen Artikel des
Bundes-Verfassungsgesetzes im Anschluss an die Baugesetze Demokratie, Republik,
Bundesstaat und Rechtsstaat erfolgen. Eine bloße Erwähnung in der Präambel muss
mangels einer juristischen Verbindlichkeit aus unserer Sicht abgelehnt werden.
Drittens: Umfassender Umweltschutz ist nur durch das
Zusammenwirken staatlicher und gesellschaftlicher Kräfte möglich. Die NGO’s
haben sich in den letzten Jahren zu treibenden Kräften und innovativen,
konstruktiven Partnern in der Umweltpolitik entwickelt. Sie sind auch wichtige
Kontrollinstrumente in der österreichischen und europäischen Umweltpolitik
außerhalb der Staatsorganisation. Den Umweltorganisationen sollte
dementsprechend ein umfassendes Beschwerderecht gegen Staatsakte mit erheblichen
Auswirkungen für die Umwelt eingeräumt werden. Durch die Richtlinie über die
strategische Umweltprüfung SUP wird Österreich verpflichtet, auch Gesetze und
Verordnungen mit erheblichen Umweltauswirkungen zusätzlich zu den
UVP-pflichtigen Vorhaben im Vorfeld auf ihre Umweltauswirkungen zu überprüfen.
Wir regen deshalb an, die Verbandsklage nach Schweizer Vorbild
bundesverfassungsrechtlich zu verankern. Die Erfahrungen in der Schweiz, aber
auch in Deutschland, haben gezeigt, dass diese Rechtsgewährung keinesfalls zu
einer Prozessflut und zu Blockierungen notwendiger Entscheidungen eingesetzt
wird, dass es aber in wenigen Fällen doch zu rechtlich gebotenen und schlimme
Umweltsünden verhindernden Korrekturen gekommen ist.
Der vierte Punkt: Der ÖAV ist sich zwar bewusst, dass die
Bundes-Verfassung nicht der Ort ist, um die Parteistellung von
Umweltorganisationen in umweltverfassungsrechtlichen Verfahren detailliert zu
regeln. Sollte sich jedoch der Österreich-Konvent entschließen, eine
Rechtswege-Garantie nach dem Vorbild des Bonner Grundgesetzes zu installieren,
so sollte nach Ansicht des ÖAV auf eine Klausel zu Gunsten der Umwelt und ihre
rechtliche Vertretung der Umweltverbände aufgenommen werden.
In jedem Fall wird der Österreich-Konvent ersucht, in einem
Schlussbericht die Empfehlung aufzunehmen, in umweltrechtlichen Verfahren NGO’s
Parteistellung einzuräumen. Danke.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke, Kollege Haßlacher. Am Wort ist Frau Dr. Regina
Binder, Bevollmächtigte des Tierschutz-Volksbegehrens. 5 Minuten. Bitte, Frau
Kollegin.
Dr. Regina Binder: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte
Konvents-Mitglieder!
Eine zentrale Forderung des Tierschutz-Volksbegehrens
besteht darin, den Tierschutz als Rechtsgut im Verfassungsrang zu verankern.
Dafür gibt es gute Gründe und folgende Beispiele:
In der Schweiz genießt die Würde der Kreatur bereits seit
1992 den Schutz der Eidgenössischen Bundesverfassung. In Deutschland wurde der
Tierschutz im Jahr 2002 in Artikel 20a des Grundgesetzes verankert. Diese Staatsziel-Bestimmung
lautet wie folgt: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen
Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der
verfassungsmäßigen Ordnung.“
Das dritte Beispiel stammt aus Österreich. Es ist Artikel 9
des Salzburger Landesverfassungsgesetzes, der seit 1. Juli 2002 folgenden
Wortlaut hat: „Aufgaben und Zielsetzungen des staatlichen Handelns des Landes
sind unter anderem die Achtung und der Schutz der Tiere als Mitgeschöpfe des
Menschen aus seiner Verantwortung gegenüber den Lebewesen.“
Was bewirken aber nun solche programmatische
Verfassungsnormen? Die Verankerung des Tierschutzes in der Bundesverfassung ist
zunächst eine zwingende Voraussetzung für die Verbesserung des Vollzugs in
Angelegenheiten des Tierschutzes. Bei den zitierten Beispielen handelt es sich
um Staatszielbestimmungen, die die Staatsgewalten dazu verpflichten, das
staatliche Handeln - also Gesetzgebung und Vollziehung - an den definierten
Zielen zu orientieren.
Konkret bedeutet dies, dass Tierschutz als Staatsziel vom
Gesetzgeber in allen Bereichen der Rechtsordnung zu beachten ist, die Tiere
betreffen. Gerichte und Behörden haben bei der Auslegung von Rechtsvorschriften
die Staatsziele zu berücksichtigen. Die Verankerung des Tierschutzes in der
Bundesverfassung ist insbesondere Voraussetzung für die Vornahme einer
Güterabwägung, wenn es zu einer Kollision zwischen dem Tierschutz und
verfassungsrechtlich geschützten Rechtgütern - also etwa der Freiheit von
Wissenschaft, Kunst oder Religion - kommt.
In der Begründung zur Änderung des deutschen Grundgesetzes
betont der deutsche Verfassungsgesetzgeber, dass die „Rechtssprechung
Tierschutz nur dann angemessen vollziehen kann, wenn der Gesetzgeber den
Tierschutz ausdrücklich in das Gefüge des Grundgesetzes einbezieht.“ „Dies
dient“, so heißt es in der Begründung weiter, „der Rechtssicherheit.“
Tierschutz in der Verfassung ist aber auch aus Gründen der
Einheitlichkeit der Rechtsordnung geboten. Das Tier ist bekanntlich
zivilrechtlich längst keine Sache mehr. Und Tierschutz genießt in unserer
Gesellschaft einen so hohen Stellenwert, dass sich der einfache Gesetzgeber
nicht darüber hinweg setzen kann, sich zu einem ethisch motivierten Tierschutz
zu bekennen.
Es ist daher nicht nur folgerichtig, sondern auch zwingend
geboten, dass sich diese Entwicklung des modernen Tierschutzrechts auch auf der
höchsten Ebene der Rechtsordnung manifestiert und von ihr geschützt und
abgesichert wird. Gegen die Forderung nach der verfassungsrechtlichen
Verankerung des Tierschutzes wurde bislang nur ein formales Argument vorgebracht,
nämlich, dass Staatszielbestimmungen der österreichischen Bundesverfassung
wesensfremd seien, weil diese traditionellerweise der Grundrechtstheorie
verpflichtet wäre. Bei diesem Argument handelt es sich freilich um eine bloße
Abwehrstrategie, der Folgendes entgegenzuhalten ist: Erstens, trotz der
ausgeprägten Grundrechtstradition der österreichischen Bundesverfassung, gibt
es bereits jetzt Staatszielbestimmungen, etwa das bereits angesprochene
Bundesverfassungsgesetz über den umfassenden Umweltschutz, um nur ein Beispiel
zu nennen. Zweitens kann eine zeitgemäße Verfassung, und ich gehe davon aus,
dass der Konvent bestrebt ist, eine solche zu erarbeiten, nicht ohne Definition
von Staatszielen das Auslangen finden. In einer zeitgemäßen Verfassung müssen
Staatszielbestimmungen und Grundrechte nebeneinander bestehen können und
einander in sinnvoller Weise ergänzen.
Ich halte das Anliegen nach der Anerkennung des
Tierschutzes als Rechtsgut im Verfassungsrang für die wichtigste und am
wenigsten verzichtbare Forderung des Tierschutzvolksbegehrens. Tierschutz
genießt in unserer Gesellschaft unbestrittenermaßen einen hohen Stellenwert,
und er wird als öffentliches Anliegen anerkannt. Es ist mit der Bedeutung des
Tierschutzes daher unvereinbar, dass dieser a priori, also ohne jede
Möglichkeit zur Überprüfung der konkreten Interessen im Einzelfall, gegenüber
verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern unterliegen muss.
Wenn vor wenigen Wochen aus dem Mund des Herrn
Landwirtschaftsministers zu hören war, dass Gott nicht in der Verfassung
verankert werde und folglich auch der Tierschutz nicht, dann ist dem entgegen
zu halten: Tierschutz ist keine Glaubensfrage, Tierschutz ist eine
Rechtspflicht. Danke.
Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents
Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals,
Frau Doktor. Wir haben damit den Komplex Umwelt im weiteren Sinn des Wortes
behandelt und kommen jetzt zum Thema Sport. Als Erster zu Wort gemeldet ist
Herr Dr. Franz Löschnak vom und für den ASKÖ. Bitte, Herr Kollege! Die Uhr ist
auf sechs Minuten gestellt.
Dr. Franz Löschnak: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und
Herren!
Ich bedanke mich für die Einladung des Konvents vom 24.
November, für den österreichischen Sport hier eine Stellungnahme abgeben zu
können, denn, Herr Präsident, ich spreche nicht nur als Präsident des ASKÖ,
sondern der Bundessportorganisation, und möchte darauf hinweisen, dass die
Bundessportorganisation die Vertretung des österreichischen Sports ausübt, denn
in der Bundessportorganisation sind die drei Dachverbände, also ASKÖ, ASFÖ
Union und die 53 anerkannten Fachverbände sowie der Behindertensport vertreten.
Daher ist es immer schon das Bestreben der BSO gewesen, eine enge
Zusammenarbeit mit allen repräsentativen Organisationen im Sport anzustreben
und gleichzeitig ist sie bestrebt seit Jahren, eine Erweiterung ihrer Basis
vorzunehmen durch die Öffnung der BSO für neue Sportverbände und für neue
Sportarten.
Der Stellenwert des Sports international braucht nicht
weiter unterstrichen zu werden. Alleine in der EU, meine sehr geehrten Damen
und Herren, betreiben rund 100 Millionen Bürger aus den 15 Mitgliedstaaten in
700.000 Sportvereinen aktiv Sport. Der Stellenwert des Sports wird mit dem
Beitritt sportbegeisterter Länder, wie es etwa die Ungarn oder die Tschechen
oder die Slowenen und insbesondere auch die Polen sind, noch zusätzlich gesteigert
werden.
Daher ist es, so glaube ich, weiters gar nicht
verwunderlich, dass Österreich im Rahmen der BSO rund 3,5 Millionen Bürger
unseres Landes in etwa knapp 13.000 Sportvereinen aktiv Sport ausüben. Das
heißt, dass bei uns etwa 40 Prozent der Bevölkerung in einem statistisch
relevanten Ausmaß Sport betreiben. Aus unserer Sicht ist das natürlich zu
wenig, weil wir insbesondere es gerne hätten, auch einen weiteren Teil der 60
Prozent Inaktiven zu aktivieren. Aber vielleicht ist gerade die Chance der
rechtlichen Absicherung und Verstärkung des Sports eine Chance, diesen Weg
voran treiben zu können.
Ich möchte aber noch erwähnen, dass der Sport in diesem
Land pro Jahr eine Wertschöpfung von etwa 5,5 Milliarden Euro erreicht durch
den Sporttourismus, durch den Sportartikelhandel, aber auch durch die
ehrenamtliche Tätigkeit von fast 300.000 ehrenamtlichen Funktionären in diesen
13.000 Sportvereinen, in diesen 53 Fachverbänden und in den drei Dachverbänden
sowie im Behindertensport und natürlich auch im österreichischen Olympischen
Komitee und im Rahmen der Länder.
Was sind die Ziele, die der österreichische Sport bei
dieser Gelegenheit deklarieren möchte und wo er die Bitte anschließt, dass Sie
ihn in diesem Bestreben hier, wie gesagt, die 60 Prozent Inaktiven zumindest
teilweise in Zukunft zu erreichen, unterstützen?
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die BSO, und damit
der gesamte österreichische Sport strebt natürlich eine Verankerung des Sports
in der Verfassung an. Ich glaube, dass das auch gerechtfertigt ist auf Grund
seiner umfassenden Bedeutung in gesellschaftspolitischer, sozialer,
erzieherischer, gesundheitlicher und ökonomischer Hinsicht. Die Verankerung des
Sports in der Verfassung sollte nicht zuletzt auch in Anlehnung an die
Bestrebungen, die es in der EU gibt, hier einen eigenen Sportartikel in den
Verträgen zu schaffen, erfolgen. Wir, die BSO, treten damit weiters für eine
verfassungsmäßige Verankerung des Grundrechts auf Bewegung für alle Menschen in
Österreich ein, insbesondere für den Kinder- und Jugendsport und für den
Schulsport, ein heißes Thema nicht nur der letzten Wochen, sondern seit Jahren
und Jahrzehnten, genauso wie für den Behindertensport und den Seniorensport.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Ich darf dem Präsidenten des ASGÖ herzlich danken und
jetzt den Generalsekretär des ASVÖ, Herrn Netopilek zum Rednerpult bitten.
Bitte, Herr Kollege.
Felix Netopilek: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte
Damen und Herren des Österreich-Konvents!
Der Allgemeine Sportverband Österreichs, als
parteipolitisch und weltanschaulich ungebundener Sport-Dachverband mit nahezu
4.800 Vereinen und über einer Million Mitgliedern, misst der Arbeit des
Österreich-Konvents, den österreichischen Staat modern und zukunftsorientiert zu gestalten, höchste
Bedeutung zu. Bei unseren Überlegungen gehen wir von der Grundsatzerklärung des
Vorsitzenden des Österreich-Konvents, Präsident Dr. Franz Fiedler aus, der
sagt: „Innovation setzt den Mut der Veränderung voraus“ und weiters „Die Ziele,
die dem Konvent für seine Arbeit vorgegeben sind, stellen nicht auf
Strukturerhaltung, sondern - ganz im Gegenteil - auf Innovation ab.“
In den Jahren seit der Erstellung der Bundes-Verfassung
haben sich der Stellenwert und der Aufgabenbereich des Sportes enorm gewandelt.
Die Frage einer Verankerung des Sportes in der österreichischen Verfassung
wurde schon mehrere Male, vor allem bei legistischen Problemstellungen, ins
Auge gefasst, jedoch bisher noch nicht vollzogen.
Den steigenden Anforderungen des Staates in Sportfragen
haben auch die vorangegangenen Regierungen Rechnung tragen müssen. Zahlreiche
Bundesgesetze für die Regelung von wichtigen Bundesangelegenheiten mit
Sportbezug wurden geschaffen. Aber auch die Betrauung von Regierungsmitgliedern
(Bundeskanzler, Vizekanzlern, Vizekanzlerinnen, Ministern, Ministerinnen,
Staatssekretäre) mit Sportfragen zeigt, dass eine Anpassung bzw. Klärung der
Verantwortlichkeiten auf Bundesebene notwendig ist. Wobei bislang die
verfassungsrechtlichen Fragen und Kompetenzen keine optimale Lösung erlaubt
haben.
Prinzipiell ist dabei jedoch zu beachten, dass die
Eigenständigkeit und Entscheidungsfreiheit des nichtstaatlichen Sportes und
damit der unabhängigen Sportorganisationen gewahrt werden, sowie dessen
Regelungen und Handlungen in Eigenverantwortung gewährleistet sein müssen.
Auch im Bereich des EU-Rechts wurden die Fragen und
Eigenheiten des Sportes zu Beginn unterschätzt. Zahlreiche Entscheidungen des
EU-Gerichtshofes haben große Probleme hervorgebracht und die Verantwortlichen
dazu bewogen, eine klare Lösung zu finden. Daher soll der Sport in Form eines
Artikels auch im Rahmen der neuen EU-Verfassung Berücksichtigung finden – im Artikel
III 182.
In einigen grundsätzlichen Punkten ist es daher sinnvoll,
den Sport auch in der Österreichischen Bundes-Verfassung zu verankern. Da
aufgrund der Vielfältigkeit des Sportes und seiner bestehenden Grundstruktur
mit Vereinen – Landesverbänden - Bundesverbänden unterschiedliche
Zuständigkeiten zu beachten sind, ist die Schaffung eines eigenen Artikels in
Erwägung zu ziehen. Alle Überlegungen gehen dabei vom allgemeinen Begriff der
sportlichen Betätigung ohne Einteilung von Leistungsklassen aus.
Grundsätzlich ist der ASVÖ der Meinung, dass die
Möglichkeit der Sportausübung als Grundrecht des Einzelnen in allen
Lebensbereichen zu verankern ist. Bestärkt wird diese Forderung durch
Untersuchungsergebnisse zahlreicher nationaler und internationaler wissenschaftlicher
Studien, welche den volksgesundheitlichen Aspekt und die enormen positiven
volkswirtschaftlichen Auswirkungen hervorheben und auch zahlenmäßig belegen.
Folgende Themenbereiche sollten aus der Sicht des
Allgemeinen Sportverbandes Österreichs bei der Verankerung des Sportes, bzw.
der Erstellung eines Artikels in der österreichischen Verfassung im
Wesentlichen berücksichtigt werden:
Bund, Länder und Gemeinden sollten per
Verfassungsbestimmung verpflichtet werden, dass der Sport als Grundrecht des
Einzelnen im Bildungsbereich anzusehen ist,
das Recht des Einzelnen auf regelmäßige Sportausübung im
Kindergarten, in der Schule und im Rahmen des Wehrdienstes in ausreichendem
Ausmaß berücksichtigt werden muss,
der Sport als Bestandteil der Gesundheitserziehung und
medizinischer Prävention gesehen werden muss (dies begründet sich auch in der
Gesundheitsdefinition der WHO, die von einem Wohlbefinden im körperlichen,
seelischen und geistigen Bereich spricht),
die Hervorhebung der erzieherischen Funktion des Sportes
eine Aufgabe in allen Bildungsbereichen, vor allem im persönlichkeitsbildenden,
sein muss, der Sport als optimale Möglichkeit der sozialen Integration
anzusehen und einzusetzen ist,
die erforderlichen finanziellen Mittel für die
Möglichkeiten der Sportausübung in freien und unabhängigen Sportorganisationen
bereitzustellen sind.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals. Ich darf Herrn Professor Bauer als
Präsident des Behindertensportverbandes zum Rednerpult rufen. Bitte, Herr
Kollege.
Robert Bauer: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren!
Zuerst möchte ich Dank sagen, dass dem Österreichischen
Behindertensportverband die Möglichkeit gegeben wird, hier unsere Probleme und
Wünsche zu deponieren. Der Österreichische Behindertensportverband ist die
Dachorganisation von 130 Behindertensportvereinen in Österreich und es gibt
6.000 aktive Sportler, die in den angeschlossenen Vereinen Sport betreiben.
Dabei muss man zwischen Breiten- und Spitzensport
unterscheiden. Diese Unterscheidung ist nicht nur für den Behindertensport an
sich, sondern auch für die Sozialversicherung, wie ich noch ausführen werde,
von großer Bedeutung. Wie Sie wissen, gibt es im ASVG eine Bestimmung, wonach
Sozialversicherungsträger den Behindertensport fördern können. Lediglich die
Allgemeine Unfallversicherungsanstalt sowie die ehemalige
Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter haben jedoch von dieser Möglichkeit
Gebrauch gemacht. Der Österreichische Behindertensport, der seine Anfänge im
Versehrtensport der Kriegsinvaliden nach dem 2. Weltkrieg gefunden hat, hat
daher eigentlich immer nur von Subventionen dieser Sozialversicherungsträger
bzw. von privaten Sponsoren sein Budget bedeckt. Seit kurzer Zeit (2003) gibt
es auch die gesetzliche Bundessportförderung. Durch sie werden allerdings die
Kosten nur teilweise abgedeckt.
Für die Sozialversicherung, und da komme ich auf das vorher
Gesagte zurück, aber auch für die Allgemeinheit, hat der Behindertensport eine
besondere Bedeutung. Wenn Sie daran denken, dass ein Querschnittgelähmter oder
Amputierter durch seine Verletzung in Tiefe Depressionen stürzt und nun
plötzlich konfrontiert mit Sportlern und Spitzensportlern aus dem
Behindertensport sieht, dass das Leben nicht nur weitergeht, sondern eine neue
Erfüllung bekommt, wenn sie junge Alpinskiläufer, aber auch Leichtathleten
sehen, die einbeinig oder einhändig diesen Sport ausüben. Es ist für solche
Leute eine große Motivation. Längst schon hat die Sozialversicherung erkannt,
dass der Behindertensport hier auch Kosten sparen hilft, weil ein so Behinderter,
der Sport betreibt, gesund bleibt, aber keinesfalls seinen Gesundheitszustand
verschlechtert.
Nun sagte ich schon, dass die finanzielle Situation für den
Behindertensport derzeit nicht rosig ist, dass wir aber hoffen, und da möchte
ich meinem Vorredner, Herrn Minister Löschnak beipflichten, dass der Sport in
der Verfassung verankert wird und wir wünschen, dass man dabei den
Behindertensport nicht vergisst. Es hat sich nämlich in der Vergangenheit immer
gezeigt, dass man zuerst für den allgemeinen Sport und dann, etwas
zeitverzögert, für den Behindertensport Normen findet. Wir sind Mitglied der
Bundesportorganisation. Wir waren dies zuerst einmal, ohne dass wir finanzielle
Mittel in Anspruch nehmen konnten. Seit Neuestem erhalten wir aus dem
Bundessportförderungsgesetz Mittel, die aus dem Budget kommen. Nur, und das
sage ich jetzt auch, beinhaltet dies einen nicht unbedeutenden Nachteil. Die
privaten Sponsoren glauben jetzt, dass durch die Mittel, die uns vom Budget
zufließen, unsere gesamten Ausgaben abgedeckt sind und sagen immer öfter, ihr
habt doch jetzt Geld aus dem Budget, da braucht ihr die privaten Sponsoren
nicht mehr, und so sind wir jetzt gerade in einer Situation, die wir
hoffentlich bald überbrücken können. Wir wünschen uns, dass die Finanzierung
des Behindertensports in Österreich gesichert ist, dass wir mit unseren
Ansprüchen den Nichtbehinderten gleichgestellt werden. Wir hoffen, dass eine
diesbezügliche Formulierung in der Verfassung möglich sein wird. Ich danke für
Ihre Aufmerksamkeit.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals, Herr Präsident. Nächster Redner ist der
Generalsekretär der Sportunion, Mag. Smoly. Bitte, Herr Kollege.
Mag. Fritz Smoly: Sehr
geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Namens der Sportunion Österreich
möchte ich auch recht herzlich bedanken, dass ich hier die Gelegenheit bekommen
habe, vor dem Österreich-Konvent sprechen zu dürfen.
Eine Studie der Österreichischen
Bundessportorganisation, die in Zusammenarbeit mit dem Institut für
Sportwissenschaften der Universität Wien im Jahr 2000 erstellt wurde, hat
ergeben – wie schon Herr Präsident Löschnak erwähnt hat – dass 60 Prozent der
Österreicherinnen und Österreicher nie beziehungsweise nur sehr selten Sport
treiben. Neben diesem Bewegungsmangel, kommt es durch einseitige und übermäßige
Ernährung, vor allem zu viel tierische Fette und zu wenig Ballaststoffe, zu
Übergewicht. Die Österreicherinnen und Österreicher befinden sich im
europäischen Spitzenfeld, was das Übergewicht betrifft. Bereits 15 Prozent der
Volksschüler sind vom Übergewicht betroffen.
Neben dem beruflichen Alltagsstress
ergibt sich einen meist tödlichen Mix für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch
hier sind wir, was die Todesrate betrifft, EU-weit an der Spitze. Weniger
dramatisch, aber nicht minder schmerzvoll, sind die Auswirkungen der
Zivilisationskrankheiten auf den Stützapparat. Haltungsschäden, besonders im
Nacken-, Hals- und Schulterbereich und in der Lendenwirbelsäule sind uns allen
bekannt.
Sehr geehrte Damen und Herren! Das
menschliche Genom ist aber seit Beginn der Evolution unverändert auf Bewegung
ausgelegt. Vor Millionen von Jahren wurde der Stress, der beim Antreffen eines
wilden Tieres entstand, entweder durch Flucht oder durch Kampf abgebaut. Beides
war mit Bewegung verbunden.
Heute entsteht Stress durch unsere
tägliche Arbeitssituation. Oft kann dieser Stress nicht abgebaut werden. Die
verschiedenen Krankheitsbilder entstehen. Bewegung, ausgewogene Ernährung,
ausreichende Entspannung, verbunden mit sozialer Geborgenheit in der Familie
oder Freundeskreis, ein befriedigendes Arbeitsverhältnis und ein ökologisch
gesundes Umfeld, sind die wesentlichen Gesundheitsfaktoren unserer Zeit.
Lebenslanges Sport treiben kann einen
wesentlichen Beitrag zu diesem Wohlbefinden, zur Lebensqualität der Menschen
leisten, nicht nur im motorischen, sondern vor allem auch im sozialen Bereich,
für junge, wie für alte Menschen. Daher ist es uns ein Anliegen, dass Sport und
Bewegung ein Grundrecht in der modernen Zivilgesellschaft werden soll.
Besonders den jungen Menschen, von
klein auf, soll auf die körperliche Bewegung als menschliches Grundverhalten
anerzogen werden. Vom Kindergarten an und während der gesamten Schulzeit, soll
jede Österreicherin und jeder Österreicher Recht auf mindestens zwei
Unterrichtsstunden Sport und Bewegung haben. Auch für den Berufsschüler soll
diese Forderung gelten. Die Schule ist die einzige Institution, wo alle
Bürgerinnen und Bürger mit gezielter, systematischer Bewegung konfrontiert
werden. Neben den positiven Auswirkungen auf die körperlichen
Grundeigenschaften, Ausdauerkraft, Koordination, Geschicklichkeit, sind vor
allem psychosoziale Auswirkungen, wie Stressregulation, Steigerung der
subjektiven Lebensqualität, die Befindlichkeitsverbesserung und die
Bekräftigung des Selbstbildes und Selbstkonzeptes hervorzuheben.
Gerade in der laufenden Diskussion, um
die Finanzierung unseres Gesundheitssystems, muss der Sport und die Bewegung
ein Fixbestandteil der Prävention der Vorsorge sein. Jeder Euro in der Sport
investiert, erspart das Dreifache im Gesundheitswesen, was eine aktuelle Studie
aus Amerika beweist. Welche Auswirkungen soll das für eine neue,
österreichische Verfassung haben? Wenn es ein Grundrecht auf Bewegung geben
soll, so gehört der Sportunterricht aus der Schulautonomie herausgelöst. Da
darf es keine demokratisch legitimierte Abwahl durch die verschiedenen
Schulgremien geben, wie es zum Beispiel auch keine Abwahl vom Deutsch- oder
Mathematikunterricht gibt.
Gerade die 14 bis 19-jährigen brauchen
zum Ausgleich ihres stundenlangen Sitzens in der Schule das Recht auf mindestens
zwei Unterrichtsstunden im Sport. Sport ist heute mehr als Wettkampf und
Rekord, daher muss der Bund im Bereich gesamt österreichischer
Gesundheitsförderaktivitäten verstärkte Gesetzgebungs- und
Koordinationskompetenz erhalten. Ausbildung und Regelungen der
Arbeitsbedingungen für Menschen, die im Sport beziehungsweise in der
Gesundheitsförderung tätig sind, also nicht nur Berufssportler, sondern auch
Trainer, Lehrwarte, Übungsleiter.
Nicht nur für den Leistungssport,
sondern verstärkt auch für den Präventionsbereich, mit entsprechender
Befähigungsnachweise, mit Kompetenzen im Ernährungsbereich und in den
verschiedenen, medizinisch therapeutischen Bereichen.
Anerkennung und Finanzierung von
Präventionsmaßnahmen durch Sport bei den Sozialversicherungsträgern. Erstellung
von Antidoping-Richtlinien, auch für kommerzielle Sportanbieter und deren
Kontrolle der Einhaltung. Sicherstellung ausreichender Sportstätten,
überregionale Raumplanung, unter Berücksichtigung ökologischer Notwendigkeiten.
Sportstättenschutz, vor allem von Sportstätten in Ballungszentren. Schlagwort:
Sportplatz um die Ecke.
Sicherung der Ehrenamtlichkeit im
Sport, im Sinne der Bürgergesellschaft durch einheitliche, steuerliche
Regelungen, durch Gleichstellung im Versicherungsschutz mit den Blaulicht-Organisationen.
Verfassungsrechtliche Absicherung der Basisfinanzierung des Sports, durch Bund,
Länder und Kommunen, zur Aufrechterhaltung des Sportbetriebes und für den Bau
der Erhaltung und den Betrieb der notwendigen Sportstätten. – Ich bedanke mich
für Ihre Aufmerksamkeit.
Stellvertretender Vorsitzender
des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals, Herr Generalsekretär!
Ich habe jetzt noch vier
Wortmeldungen, nämlich Dr. Kostelka, Frau Dr. Lichtenberger, Professor Rack und
Professor Raschauer. Gibt es weitere Wünsche auf Wortmeldungen? Das scheint
nicht der Fall zu sein. Dann kann ich die Rednerliste so abschließen. Diesen
vier Rednern stehen vereinbarungsgemäß je fünf Minuten zur Verfügung.
Bitte, Herr Dr. Kostelka.
Dr. Peter Kostelka: Sehr geehrter Herr
Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Konvent!
Ich möchte mich auf drei Bemerkungen
beschränken. Die Erste setzt sich auseinander mit der Diskussion, die wir am
Beginn dieses zweiten Hearings gehabt haben, mit Fragen des Umweltschutzes, des
Naturschutzes, des Tierschutzes.
Und ich war tief beeindruckt, welche
Perspektiven sich da auch für den Ausschuss 5 ergeben, weil nicht verkennbar
war, dass die Klagen über die Normenvielfalt und über die Vollzugsdefizite
gerade in diesem Bereich nicht geleugnet werden können. Das ist auch durchaus
etwas, was ich aus meiner persönlichen Tätigkeit in anderen Bereichen weiß,
dass es schwer jemandem zu erklären ist, dass man mit einer Fischerkarte von
Oberösterreich nicht in Niederösterreich oder in der Steiermark fischen darf,
aber mit einer solchen aus Portugal sehr wohl, weil das aus den EU-rechtlichen
Bestimmungen sich zwingend ergibt.
Aber nicht nur das. Im Grunde genommen
ist es doch so, dass der Tierschutz in den drei föderalistisch organisierten
Staaten Europas ein identes Schicksal, jetzt kann man fast schon sagen,
hoffentlich haben wird, weil nämlich der Tierschutz in der Schweiz bis in die
Sechzigerjahre auch eine kantonale Kompetenz war, um dann auf Bundesebene
gehoben zu werden. Und in der Bundesrepublik Deutschland ist dieser Schritt vor
17 oder 18 Jahren getan worden und als letztes föderalistisch organisiertes
Land folgt Österreich. Was folgere ich daraus? Dass es eben ganz einfach
bestimmte Bereiche gibt, wo die Regelungsinhalte so ident sind, dass eine
Division durch neun eher zu einem Verlust des zu schützenden Rechtsgutes führen
kann, und nicht zu einem Gewinn.
Das Beispiel Seeadler ist genannt
worden. Ich kann mich gut an eine Tierschutz-Enquete in diesem Haus erinnern,
wo dargelegt worden ist, wenn ein Schneehuhn die notwendigen geographischen
Kenntnisse hat, dass es das ganze Jahr über geschützt sein kann, es muss sich
nur das jeweils richtige Bundesland für seinen Aufenthalt aussuchen.
Mich haben auch in diesem
Zusammenhang, die Hinweise von EU-Klagsfluten sehr nachdenklich gemacht und ich
möchte letztendlich auch hinzufügen, dass der Weg der Mindeststandards, wie er
jetzt vom Bundestierschutzgesetz vorgeschlagen wird, nicht ganz unproblematisch
ist, weil das mit Sicherheit zu einem nicht führen darf, nämlich zur
Nivellierung nach unten.
Die zweite Bemerkung, die ich machen
möchte, setzt sich auseinander mit den Forderungen nach der direkten Demokratie
und nach einem gewissen Automatismus. Und fürwahr, wenn man die Verfassung
aufschlägt, und zu Artikel 1 kommt, dann liegt auf der Hand, wenn das Recht
schon vom Volke ausgeht, warum auch dann nicht in diesem Bereich mutige
Schritte nach vorne zu tun?
Meine Perspektiven in diesem
Zusammenhang, meine Skepsis, ergibt sich nicht aus dem repräsentativen System.
Das würde das wohl aushalten müssen und es gibt auch Staaten, die es aushalten.
Es ist aber sehr wohl zu bedenken, dass sich eine Diskussion auf diesem Gebiet
auf keinen Fall in einer Regelung
niederschlagen darf, die als Sonntagsregelung zu bezeichnen ist.
Es muss klar sein, dass EU-rechtliche
Regelungen für einzelne Mitgliedsstaaten nicht mehr disponibel sind. Ich kann
mich sehr gut erinnern an einen diesbezüglichen Vorschlag, der besagt hat,
EU-Recht darf nicht solchem Instrumentarium unterworfen werden, ebenso
Verfassungsfragen, Grundrechtsfragen, dauernde finanzielle Belastungen. Wenn man dann die Liste der bisherigen
Volksbegehren durchgegangen ist, dann ist man zur Auffassung gelangt, dass es
bestenfalls bei einem einzigen solchen Volksbegehren diskutabel ist, ob es
überhaupt zulässig gewesen wäre, eine Volksabstimmung durchzuführen.
Meine Position in diesem Zusammenhang
daher: Wenn eine solche Regelung vorzunehmen ist, dann ist auch
sicherzustellen, dass es zu einer Erweiterung der Demokratie und nicht zu einer
Scheindemokratie kommt. – Danke.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Dr. Kostelka. Frau Dr. Lichtenberger, dann
Prof. Rack.
Dr. Evelin Lichtenberger‡: Sehr geehrte Damen und Herren! Vor allem sehr
geehrte Damen und Herren der Zivilgesellschaft, die Sie uns heute sehr
eindrücklich vor Augen geführt haben, was die Notwendigkeiten für ein modernes
Staatsverständnis auch für ein modernes Verständnis von Nachhaltigkeit von
staatlichem Handeln ist.
Nun muss man sich eigentlich fragen, warum diese Dinge
nicht schon längst Selbstverständlichkeiten sind, warum nach zirka 20 Jahren
Diskussion über Nachhaltigkeit, über die Notwendigkeit von Umweltschutz,
Naturschutz, Tierschutz nicht schon längst befriedigende Regelungen gefunden
worden sind. Die Antwort ist relativ klar: Natürlich gibt es für die Anliegen
des Umwelt-, Natur- und Tierschutzes harte Gegner. Sehr harte Gegner, denn ein
Denkfehler ist nach wie vor extrem weit verbreitet, nämlich Umweltschutz,
Naturschutz und Tierschutz in erster Linie als Bremser für Initiativen zu
verstehen und weniger als eine neue Innovationskraft, die auch neues
staatliches Handeln ermöglicht und zwar eines unter Berücksichtigung des
Vorsorgeprinzips.
Ich nehme einige Dinge gerne auf, die Sie heute gefordert
haben und mir ist auch eines klar geworden; es wird nicht ein Entweder-oder
geben können, also entweder ein Grundrecht oder ein Staatsziel, sondern auf
Grund der Bedeutsamkeit der Anliegen beide Pfade beschritten werden müssen.
Also, sowohl die Frage eines Grundrechts auf Gesundheit oder eine gesunde
Umwelt, als auch eine Präzisierung des derzeit existierenden Staatszieles.
Vollkommen klar ist aber aus Ihren Wortmeldungen geworden,
dass das Auslangen mit einer Präambel sicher nicht gefunden werden kann. Eine
Erwähnung in einer Präambel kann also diese Ziele nicht erfüllen, denn es muss
jedenfalls nicht nur festgeschrieben, sondern auch die Umsetzung gesichert werden.
Wenn ich zur Frage der Grundrechte komme, möchte ich aus
einem Beispiel, das mir natürlich sehr nahe liegt, das noch einmal
illustrieren. Derzeit gibt es die Möglichkeit zum Beispiel eines Frächters,
gegen ein Nachtfahrverbot zu klagen, aber die Möglichkeit eines Anrainers zum
Schutz seiner Gesundheit Rechtsmittel zu ergreifen, ist wesentlich schlechter
bis gar nicht ausgebildet. Und diese Ungleichheit muss auch beseitigt werden.
Ich denke an eine Verankerung von Bürgerbeteiligung, von einer Verbandsklage,
auch Übernahme der ARHUS-Konvention in ihren wesentlichen Zielsetzungen als
unverzichtbare Bestandteile einer neuen Verfassung und glaube, dass jedenfalls
direkt demokratische Mechanismen extrem wichtig sind, etwa mit den Grenzen, die
hier auch angesprochen worden sind, dass eine Verbandsklage extrem wichtig ist,
denn die Umwelt spricht nicht für sich selbst, sie braucht Anwaltschaft. Und da
das keine individuellen Rechte sind, müssen wir auch in Richtung Verbandsklage,
in Richtung auf eine kollektive Anwaltschaft in diesem Sinne denken und
handeln.
Auch über einige Ideen, die hier vorgebracht worden sind,
glaube ich, lohnt sich eine weitere und vertiefte Diskussion in den
Ausschüssen. Da wäre natürlich, wir haben das ja schon begonnen in einem unserer
Ausschüsse, die Frage der Erdehnung der Antiatomhaltung der österreichischen
Verfasstheit derzeit auf außerpolitisches Handeln eine sehr wichtige Idee.
Ich denke auch, dass die Idee mit der Raumordnungskonferenz
eine sehr interessante ist. Wie man allerdings dann diese Raumordnungskonferenz
beschickt, wird die zentrale Frage für die Umsetzung sein, denn eine zweite
Landeshauptleutekonferenz hinter verschlossenen Türen, gerade bei diesem
zentralen Anliegen für die Zukunft der Bevölkerung, möchte ich keinesfalls
dabei sehen.
Ein Punkt noch zum Schluss: Ich glaube, die Frage des
Tierschutzes sollte man nicht nur im Zusammenhang mit Bundes- oder
Landeskompetenzen diskutieren, denn die Entwicklung des neuen
Bundestierschutzgesetzes hat ja leider gezeigt, dass es nicht unbedingt immer
eine Verbesserung bedeutet, wenn eine Verbundlichung stattfindet, zumindest für
einige Bundesländer kann das eine wesentliche Verschlechterung sein.
Also, ich glaube, dass diese Ziele unbedingt und
unverzichtbar einen zentralen Platz in einer neuen Verfassung haben müssen,
sonst würde man sich das Prädikat „moderne Verfassung“ keinesfalls umhängen
können. – Danke.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Kollegin. Am Wort ist Herr Professor Dr. Reinhard Rack. – Bitte.
Dr. Reinhard Rack: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich
relativ kurz halten und ich hoffe, ich kann dieses Versprechen auch einlösen.
Der Grund dafür, weshalb nicht sehr,
sehr viel jetzt unmittelbar als Antwort gesagt werden soll und kann, hat damit
zu tun, dass die Funktion dieser Anhörung es ja war und ist, hier zuzuhören und
dann auch nachzulesen, was uns hier die Vertreter diverser Interessen
präsentiert haben.
Diese Anhörung, genau so wie die
Erste, hat gezeigt, dass hier sehr wichtige Anliegen präsentiert worden sind,
von den sozialen Fragen „Thema Behinderung“ über das „Thema Umwelt“ und
Naturschutz bis hin zuletzt zum Sport. Es gibt eigentlich kein Anliegen, wo man
sagen könnte, dem kann man nicht zustimmen, das wäre nicht unterstützenswert.
Die eigentliche Frage aber, und mit der müssen wir uns intensiv auseinander setzen
auf den verschiedensten Ebenen, in den Ausschüssen vor allem auch, ist jene,
wie wir dann mit diesen Forderungen umgehen werden, und da ist einiges schon
angeklungen, was ich hier noch einmal unterstreichen möchte.
Für mich ist es nicht wirklich verständlich,
ob wir, und da sind Forderungen mehrfach erhoben worden, mit der Verschiebung
der Zuständigkeiten von den Ländern auf den Bund, etwa beim Thema Tierschutz,
nun wirklich der Weisheit letzten Schluss haben. Das erinnert mich an die
Anhörungen und an die Diskussionen im Rahmen des Europäischen
Verfassungskonvents, wo auch überall dort, wo aus den Mitgliedsstaaten heraus
Unzufriedenheit mit der Situation im eigenen Land oder Unzufriedenheit mit
irgendwelchen Ergebnissen vorhanden war, dann die Forderung nach Europäisierung
erhoben worden ist. Im Übrigen ohne diese Forderung nach Europäisierung mit
einer entsprechenden Berücksichtigung auf der finanziellen Seite der Dinge zu
begleiten.
Und die zweite Frage ist eben auch,
die mir so wirklich Kopfzerbrechen bereitet, weil ich im Ausschuss 1 –
Staatszielbestimmungen und im Ausschuss 4 – Grundrechte ja auch ganz konkret
mit diesem Thema mich auseinander setzen muss, neben den Kollegen, die dort
arbeiten.
Sehr, sehr viele der Forderungen nun
auch bei all diesen Anliegen, die in die Richtung gegangen sind, hier bräuchten
wir mehr und besseren Schutz für wichtige Themen, sind für mich unter einem
Strich eigentlich zu subsumieren. Und der ist der, überall dort, wo wir mit
dem, was der einfache Gesetzgeber - sei es jetzt Bundesgesetzgeber oder
Landesgesetzgeber - derzeit bietet, anbietet, möglich macht, nicht zufrieden
sind, wollen wir das Ganze jetzt dadurch lösen, dass wir es einen Stock höher
auf die Verfassungsebene schieben und dort festschreiben. Ersetzen wir also, so
gesehen, die einfache Mehrheit durch die Zweidrittelmehrheit. Wenn wir die
einfache Mehrheit nicht erreichen, dann sollen wir es mit der
Zweidrittelmehrheit schaffen.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Professor. Letzte Wortmeldung:
Professor Raschauer. Gleiche Redezeit, fünf Minuten.
Dr. Bernhard Raschauer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Umwelt und Natur sind die Lebensgrundlagen des Menschen.
Völlig klar, aber trotzdem: In dem Moment, wo man sich mit diesen Fragen unter
verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten auseinander setzt, kommt die
Spannungslage zum Tragen. Dann ist nicht mehr das, was Umweltpolitik und
Naturschutzpolitik ist, gleichzeitig auch Verfassungspolitik. Das bereitet uns
die Schwierigkeiten. Und aus den Beratungen möchte ich anders als mein
Vorredner, vielleicht doch ein paar Überlegungen als Antwort – gewissermaßen für
die Zeit, die Sie geopfert haben – anbieten.
Zur Frage der Landeszuständigkeit. Frau Dr. Binder – ich
glaube, sie ist nicht mehr hier, im April bei der Tierschutzenquete sind wir
nebeneinander gesessen und ich habe damals gewarnt, nachzulesen im Protokoll,
vor einer Bundeszuständigkeit – ist es nicht so, wenn man das Steiermärkische
oder das Salzburger Tierschutzgesetz liest, dass es im Rahmen einer
bundesrechtlichen Regelung jedenfalls nicht besser werden kann?
Meine Damen und Herren! Ich hätte Angst vor einem
Bundesnaturschutzgesetz. Ich habe das wirklich an der Front erlebt und möchte
mit Nachdruck davor warnen, eine Naturschutzkompetenz des Bundes anzustreben.
Dann gibt es etwa das Semmeringbasistunnel-Problem überhaupt nicht mehr. Dann
wäre das Naturschutzrecht nämlich im eisenbahnrechtlichen Verfahren mit
anzuwenden. Lasst den Ländern, was Ländersache ist, auch in den Bereichen des
Umweltrechts.
Wohl aber ist es, ein Redner hat darauf hingewiesen, sehr
wertvoll, das Instrumentarium zur Wahrung der Bundesinteressen bei der
Umsetzung von Gemeinschaftsrecht zu intensivieren. Es kann nicht davon abhängig
sein, dass wir durch ein europäisches Gericht verurteilt werden. Es haftet
immerhin die Republik Österreich. Da muss es künftig andere Umsetzungsinstrumente
geben.
Ein Thema, das uns lange beschäftigt hat, ist die
Wasserversorgung. Warum es uns so lange beschäftigt hat, hat unter anderem
damit zu tun, dass es andere Bereiche der Daseinsvorsorge gibt, wo man nicht in
gleicher Weise mit demselben Maßstab messen kann, was die Qualität als
Staatsaufgabe betrifft. Und es hat aber auch damit zu tun, dass
Wasserversorgung in dem Moment, wo man die Wiener Stadtgrenzen verlässt, nicht
mehr notwendig eine kommunale Aufgabe ist. Es gilt eine Formulierung zu finden,
die nicht auf eine Verstaatlichung hinausläuft. Hier die richtige Formulierung
zu finden, welche die besondere Sorge des Staates für die Wasserversorgung zum
Ausdruck bringt, ohne nachteilige Effekte zu haben, ist eine mühsame Sache.
Nachhaltigkeit. Ich persönlich trete gegen die Aufnahme des
Begriffes der Nachhaltigkeit in die Verfassung ein. Wenn Sie sich juristisch
näher damit beschäftigen, ist Nachhaltigkeit eine Abschwächung gegenüber dem
Vorsorgeprinzip. In aller Deutlichkeit ist das nunmehr bei der letzten
Wasserrechtsnovelle zu beobachten. Das Wasserrechtsgesetz war ein
Vorsorgegesetz, jetzt ist es ein Nachhaltigkeitsgesetz. Das heißt: „Du darfst
Gewässer benutzen bis zur Grenze des Kippens“. Das ist nicht klassisches
österreichisches Wasserrecht. Daher rate ich auch zur Vorsicht bei
Staatszielformulierungen auf diesem Gebiet.
Man muss immer bedenken, Verfassungspolitik ist etwas
eigenes. Ich selbst habe Sorge, dass wir wieder darauf und daran sind, den
Staat zu überfrachten. Ich sehe nämlich noch nicht, wo die
Einsparungspotentiale sind. Es sind derzeit nur neue Anforderungen, wie wir sie
insbesondere am Vormittag hörten, die an den Staat herantragen werden.
Allerdings: Wenn es sich herausstellt, dass in den weiteren Entwicklungen des
Konvents mehr und mehr Forderungen an den Staat – er hat zu fördern und dieses
und jenes selbst zu machen – herangetragen werden, dann wird es ganz wichtig
sein, dass man das Regelungsniveau bei den Grundlagen des Menschen, Umwelt und
Natur, auch in gleicher Weise nachzieht. Dann ist es wahrscheinlich nicht mehr
haltbar, es bloß bei einem Bekenntnis zum umfassenden Umweltschutz zu belassen.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Professor Raschauer. Weitere Wortmeldungen
liegen nicht vor. Damit können wir auch die Tagesordnungspunkte 1 und 2 als
erledigt betrachten.
Wir haben unser heutiges Arbeitsprogramm erfüllt. Ich
möchte mich im Namen aller Konventmitglieder sehr herzlich bedanken bei den
Vertretern der Zivilgesellschaft, der Organisationen, die uns hier viele
Gesichtspunkte aufgezeigt und wertvolle Anregungen gegeben haben, die sicher in
die Arbeit des Konvents in der einen oder anderen Form einfließen werden.
Da dies heute die letzte Sitzung im laufenden Jahr ist,
möchte ich feststellen, dass ich glaube, dass doch sehr hart und intensiv
gearbeitet wurde von den Mitgliedern des Konvents, ganz besonders in den
Ausschüssen, deren Arbeitsintensität, wenn man sich den Terminkalender ansieht,
eindrucksvoll ist.
Daher als Erstes einen herzlichen Dank an alle Mitarbeiter,
die sich dabei betätigen, Mitarbeiter der einzelnen Konventsmitglieder, des
Rechnungshofes, Mitarbeiterinnen des Parlamentes auch und ich freue mich, dass
die Kooperation so gut funktioniert.
Zweitens natürlich auch ein Wort des Dankes an die
Kolleginnen und Kollegen, die als Mitglieder des Konvents tätig sind und, weil
es sich gerade ergibt, dass ich den Vorsitz innehabe, ist das eine gute
Gelegenheit, auch dem Herrn Präsident Fiedler herzlich zu danken für die nicht
leichte, manchmal schwierige, manchmal auch die Nerven ein bisschen
strapazierende, aber letztlich doch schöne und lohnende Arbeit als
Vorsitzender. Herzlichen Dank, Herr Präsident Fiedler.
Jetzt steht noch bei mir, dass erstens der 9. Jänner –
wie schon bekannt gegeben – als Termin nicht in Anspruch genommen wird.
Zweitens, dass die nächste Sitzung für den 26. Jänner geplant ist, wobei
die Uhrzeit noch nicht exakt feststeht, aber ich glaube, es kann sich nur um
die Frage handeln, ob wir um 9 Uhr oder um 10 Uhr beginnen. Diese
schwierige Frage werden wir sicher noch im Konsens lösen können.
Ich wünsche Ihnen schöne Feiertage und ein gutes neues Jahr
und darf die Sitzung schließen. Danke vielmals.