Untersuchungsausschuss und Aktenherausgabeverlangen
Auszug
aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 1984 (2 BvE 11/83, 2
BvE 15/83)
In: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE),
Band 67 (1985),
S. 100 ff.
Gegenstand der Organstreitverfahren war die Frage, ob die
Bundesregierung, der Bundesminister der Finanzen und der Bundesminister für
Wirtschaft dadurch gegen Art. 44 Grundgesetz (GG) verstoßen haben, dass sie die
vom 1. Untersuchungsausschuss des 10. Deutschen Bundestages (sogenannter
Flick-Ausschuss) angeforderten Akten unter Berufung auf das Steuergeheimnis nur
unvollständig vorgelegt haben.
In den Leitsätzen der Entscheidung heißt es dazu:
[...]
2. Wird ein Untersuchungsausschuss des
Bundestages zur Kontrolle der Bundesregierung eingesetzt, erstreckt sich das
Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses nach Art. 44 Abs. 1 GG auch
auf das Recht auf Vorlage der Akten.
3. a) Auf ein solches
Aktenherausgabeverlangen findet gemäß Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG die Vorschrift
des § 96 stopp sinngemäß, d. h. unter Beachtung des Sinns parlamentarischer
Kontrolle Anwendung.
b) Das Wohl des Bundes
oder eines Landes (§ 96 StPO) ist im parlamentarischen Regierungssystem des
Grundgesetzes dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut. Die
Berufung auf das Wohl des Bundes gegenüber dem Bundestag kann mithin in aller
Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksame Vorkehrungen
gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen werden.
c) Nur unter ganz
besonderen Umständen können sich Gründe finden lassen, dem
Untersuchungsausschuss Akten unter Berufung auf das Wohl des Bundes oder eines
Landes vorzuenthalten. Solche Gründe können sich insbesondere aus dem
Gewaltenteilungsgrundsatz ergeben. Die Verantwortung der Regierung gegenüber
Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung
voraus, der einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen
grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich
einschließt.
[...]