VfGH 12. 12. 2003, A 2/01, A 141-146/02
Auszug aus den Entscheidungsgründen
II.1.2. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es "Sache der Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, zu bestimmen, welches Gericht für die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten über diesen [staatshaftungsrechtlichen] Schadenersatz zuständig ist" (zuletzt EuGH 30.9.2003, Rs. C-224/01, Köbler).
Soweit die Kläger ihren Anspruch auf sogenanntes "legislatives Unrecht" stützen, wäre der Verfassungsgerichtshof nur dann zuständig, wenn die anspruchsbegründenden Handlungen oder
Unterlassungen nicht einem hoheitlich tätig gewordenen Vollzugsorgan, sondern unmittelbar dem Gesetzgeber zuzurechnen wären [vgl. VfSlg. 16.107/2001 ("Brennermaut") sowie VfGH 7.10.2003, A 11/01]. In den in den Klagen genannten Fällen sind aber Vollzugsorgane, nämlich Gerichte tätig geworden, die eine allfällige Nichtbeachtung des Gemeinschaftsrechtes durch den Gesetzgeber hätten aufgreifen können. Nun stützen die Kläger ihre Ansprüche auch auf Verletzungen des Gemeinschaftsrechts durch Oberlandesgerichte und/oder den OGH. Insoweit Handlungen oder Unterlassungen den Oberlandesgerichten anzulasten wären, wären solche Ansprüche im Amtshaftungswege und nicht vor dem Verfassungsgerichtshof nach Art137 B-VG geltend zu
machen (vgl. hiezu auch die beiden oben genannten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes).
Für die Entscheidung über Klagen über gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsansprüche aus behaupteterweise gemeinschaftswidrigen Entscheidungen von Höchstgerichten, für die ein Amtshaftungsanspruch nicht besteht (§2 Abs3 Amtshaftungsgesetz - AHG), ist jedoch der Verfassungsgerichtshof im Verfahren nach Art137 B-VG zuständig (vgl. VfGH 10.10.2003, A36/00).
Der Verfassungsgerichtshof ist zur Entscheidung über die vorliegenden Klagen daher nur insoweit zuständig, als die behauptete Verletzung des Gemeinschaftsrechts einer Entscheidung des OGH
zuzurechnen ist:
Wie oben dargestellt ist allen Verfahren gemeinsam, dass Oberlandesgerichte die Rechtsmittel abgewiesen haben. Dagegen erhoben die Kläger jeweils Revisionsrekurse an den OGH. Der OGH entschied nun nicht materiell über die Revisionsrekurse, sondern gab ihnen wegen hinreichend geklärter Rechtslage keine Folge. Die behauptete Verletzung des Gemeinschaftsrechts habe nach Ansicht des OGH nicht stattgefunden, sodass für die Oberlandesgerichte auch kein Anlass zur
Vorlage von Fragen an den EuGH gemäß Art234 EG bestanden habe.
Der OGH hat in seiner Amtshaftungsjudikatur die Haftung gemäß §2 Abs3 AHG nicht nur dann ausgeschlossen, wenn ein Höchstgericht selbst in der Sache entschieden hat. Vielmehr meinte der OGH, dass eine höchstgerichtliche Entscheidung auch gleichlautende Entscheidungen der Vorinstanzen deckt, weil es sonst mittelbar zu einer Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der höchstgerichtlichen Entscheidung käme (OGH 25.8.1993, 1 Ob 10/93, JBl. 1994, 185; 25.2.1997, 1 Ob 2147/96h, EvBl. 1997/141). Legt man diese Überlegungen jenen Fällen zu Grunde, bei denen der OGH Rechtsmitteln mit der Begründung keine Folge gibt, dass Probleme des Gemeinschaftsrechtes hinreichend geklärt seien, so sind solche Beschlüsse ebenfalls dem OGH zuzurechnen, auch wenn diese Beschlüsse verfahrensrechtlicher Natur sind und der OGH nicht in der Sache selbst entschieden hat. In den Klagen, die Gegenstand des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof bilden, werden somit Ersatzansprüche geltend gemacht, die - wären sie berechtigt - einer Entscheidung eines Höchstgerichtes, nämlich des OGH, zuzurechnen wären.
Der Verfassungsgerichtshof ist daher unter diesem Aspekt zuständig, über die geltend gemachten Ansprüche in einem Verfahren nach Art137 B-VG zu entscheiden.