VfSlg 15.886/2000 - Rechtssatz
Die Einrichtung kollegialer Verwaltungsbehörden mit richterlichem Einschlag gemäß Art20 Abs2 und Art133 Z4 B-VG ist von Verfassungs wegen nur ausnahmsweise zulässig, weil diese im Hinblick auf die damit verbundene Durchbrechung der Leitungs- und Weisungsbefugnis der obersten Organe der Vollziehung und im Hinblick auf die dadurch bedingte Ausnahme von der parlamentarischen Kontrolle einer besonderen Rechtfertigung bedarf.
Diese Rechtfertigung kann entweder darin liegen, daß solche Behörden dem Bild des Verfassungsgesetzgebers iSd Art133 Z4 B-VG entsprechen, das heißt - wie der historische Befund zeigt -, daß solchen Behörden als Berufungs- und Beschwerdeinstanzen bloße Kontrollfunktionen
anstelle der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof übertragen sind, oder auch darin, daß sie als Schieds- und Schlichtungsinstanzen eingerichtet sind, oder daß ihnen - wie zB den
Grundverkehrsbehörden - auch Entscheidungen über civil rights übertragen sind, oder schließlich darin, daß - wie bei der Telekom-Control-Kommission (vgl E v 24.02.99, B1625/98) - sich ihre Rechtfertigung aus dem Zusammenspiel von unterschiedlichem, aus der Materie resultierendem, insbesondere technischem Sachverstand ergibt.
§13 RegionalradioG, BGBl 506/1993 sowohl idF BGBl I 41/1997 als auch idF BGBl I 2/1999, war verfassungswidrig.
Der Privatrundfunkbehörde sind in erster und letzter Instanz Aufgaben der Verwaltungsführung, nämlich die Vergabe von Privatrundfunklizenzen übertragen, das heißt eine Verwaltungsaufgabe
im klassischen Sinn, wie sie die Erteilung einer Genehmigung zur Ausübung einer unter Bewilligungsvorbehalt stehenden Tätigkeit darstellt. Es handelt sich dabei um einen Verwaltungsbereich, der nicht - so wie im Telekom-Bereich - aus ganz besonderen Gründen eine
solche Einrichtung gerechtfertigt hat.
Der Hinweis der Bundesregierung, daß in diesem Bereich in hohem Maße auch "medienwissenschaftlicher Sachverstand" erforderlich ist, ist nicht geeignet, die Einrichtung der Privatrundfunkbehörde als Kollegialbehörde iSd Art133 Z4 B-VG zu rechtfertigen.
Der Verfassungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß mit der Übertragung der Erteilung von Privatrundfunk(sende)lizenzen an die Privatrundfunkbehörde die Entscheidung über civil rights verbunden ist.
§13 RegionalradioG widerspricht daher der Verfassung, weil der Gesetzgeber seine - wegen des aus Art1 iVm Art18 Abs1, Art20 Abs1 sowie Art129 ff B-VG ableitbaren Charakters der Republik Österreich
als rechtsstaatlicher Demokratie mit parlamentarischem Regierungssystem - bedingte und begrenzte Ermächtigung gemäß Art20 Abs2 und Art133 Z4 B-VG, kollegiale Verwaltungsbehörden mit richterlichem Einschlag einzurichten, überschritten hat.
Auch die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich des Ausschlusses der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes gegen Bescheide der Privatrundfunkbehörde haben sich als zutreffend
erwiesen.
Dadurch, daß der Gesetzgeber Aufgaben der Verwaltungsführung und Funktionen der Verwaltungskontrolle in einer einzigen Behörde zusammenfaßt, schließt er eine umfassende Kontrolle dieser Verwaltungstätigkeit in einem nicht mehr zu rechtfertigenden Ausmaß aus.
Die in Prüfung gezogene Regelung ist daher mit dem Rechtsstaatsprinzip, dem - wie aus Art129 B-VG deutlich hervorgeht - die Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung immanent ist, nicht vereinbar und daher verfassungswidrig.
Eine Beseitigung von verwaltungsinternem und verwaltungsgerichtlichem Rechtsschutz bei Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag führt bei ihrer Einrichtung allein in oberster Instanz zu einem rechtsstaatlichen Mangel, der eine solche Konstruktion verfassungswidrig werden läßt.
Die Richtlinie 90/387/EWG (idF der Richtlinie 97/51/EG) betrifft ausdrücklich nicht Rundfunk und Fernsehen, weshalb die im E v 24.02.99, B1625/98, für den Telekommunikationsbereich gezogene
Schlußfolgerung, daß wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts für den Anwendungsbereich der zitierten Richtlinie Art133 Z4 B-VG verdrängt werde und daß somit auch gegen Entscheidungen der Telekom-Control-Kommission als Regulierungsbehörde eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei, für die Privatrundfunkbehörde eben nicht zutrifft.