VfSlg 11.500/1987 - Leitsatz
Zurückweisung einer Berufung durch die Landesregierung gegen einen Vorstellungsbescheid (betr. Baubewilligung), da die BH schon im Namen der Landesregierung entschieden hat; Wirksamkeit der Nov. LGBl. 35/1985 für das aufsichtsbehördliche Verfahren; keine Gesetzesbestimmung nimmt den außerhalb des neu kundgemachten Textes des GemeindeG stehenden Vorschriften nur deshalb ihre Geltung, weil auch sie in die Neukundmachung hätten eingezogen werden können; keine Bedenken gegen §92 Abs2 zweiter Satz idF der Neukundmachung LGBl. 40/1985 (Hinweis auf VfSlg. 10912/1986 und 10913/1986)
Von der Möglichkeit der Errichtung von Kollegialbehörden (iSd Art20 Abs2, Art133 Z4 B-VG) als oberste Instanz darf nicht in einem Maß Gebrauch gemacht werden, da die allgemeine Leitungsbefugnis der obersten Organe und die umfassende Zuständigkeit des VwGH in Frage gestellt würde.
Österreich hat im Zuge des Beitritts zur MRK, bei ihrer Ratifikation und anläßlich ihrer Erhebung in den Verfassungsrang die Garantie des Art6 MRK in bezug auf "zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen" im wesentlichen durch die traditionelle Zuständigkeit der Gerichte (§1 JN) als erfüllt
angesehen; es kann dem Gesetzgeber nicht möglich sein, durch Zuweisung von Rechtsstreitigkeiten an Verwaltungsbehörden die Garantie des Art6 Abs1 MRK in beliebigem Umfang unwirksam zu machen
Zur Abgrenzung Zivilrecht/Verwaltungsrecht; Versagung einer Baubewilligung - kein "civil right", nicht jeden Eigentumseingriffs iSd Art5 StGG ist eine Entscheidung über ein "civil right"; es ist nicht erforderlich, hier das Einschreiten eines Tribunals anstelle der vorgesehenen Behörden zu fordern;
zur Rechtsprechung der Europäischen Instanzen in der Auslegung des Art6 MRK; zu Fragen der Umsetzung dieser Rechtsprechung im Hinblick auf die österr. Staatsorganisation; zur Abgrenzung des
Begriffs den "civil right"; für den Bereich typisch öffentlich-rechtlicher Eingriffe in private Rechtsstellungen genügt die Möglichkeit der nachprüfenden Kontrolle durch den VwGH
Die verfassungsrechtlich gebotene Entscheidung der Angelegenheit durch eine Verwaltungsbehörde kann als solche weder eine Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes noch eine Rechtsverletzung wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm darstellen; Einrichtung einer Gerichtsbarkeit, die über die Kontrolle durch den VwGH hinaus nach eigener
Sachverhaltsermittlung ihre Entscheidung anstelle der Behörden trifft, ist von Verfassungs wegen nicht erzwingbar
Zur Auslegung der MRK; an die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Staatsorganisation ist der VfGH auch im Falle eines Widerspruchs zur MRK gebunden