329/A XXI.GP

Eingelangt am: 24.11.2000

 

                                                               Antrag

 

der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Jarolim

und Genossen

betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes - Verfassungsgesetz um

Bestimmungen über einen weisungsfreien Bundesstaatsanwalt ergänzt wird

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes - Verfassungsgesetz

um Bestimmungen über einen weisungsfreien Bundesstaatsanwalt ergänzt wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Das Bundes - Verfassungsgesetz zuletzt geändert durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. 1

Nr. 68/2000, wird wie folgt geändert:

 

1. Nach Art. 92 wird folgender Art. 92a eingefügt:

 

                „Artikel 92a. (1) Die öffentliche Anklage wird von den bei den

staatsanwaltschaftlichen Behörden ernannten und ständig tätigen Staatsanwälten

wahrgenommen. Sie sind Organe der Rechtspflege.

 

                (2) Die staatsanwaltschaftlichen Behörden unterstehen dem Bundesstaatsanwalt. Dieser

ist unabhängig und weisungsfrei.

 

                (3) Der Bundesstaatsanwalt wird aufgrund eines Vorschlages des Hauptausschusses

vom Nationalrat in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer

Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen gewählt. Seine Amtsdauer beträgt

sechs Jahre. Eine einmalige Wiederwahl ist zulässig.

                (4) Dem Vorschlag des Hauptausschusses des Nationalrates hat eine öffentliche

Ausschreibung voranzugehen. Der Hauptausschuß hat eine öffentliche Anhörung durch -

zuführen, an der Vertreter der Richter und Staatsanwälte zu beteiligen sind. Näheres wird in

der Geschäftsordnung des Nationalrates bestimmt.

 

                (5) Dem Nationalrat und dem Bundesrat stehen gegenüber dem Bundesstaatsanwalt die

Befugnisse nach Art. 52 mit Ausnahme der Befugnis, in Entschließungen Wünschen über die

Ausübung der Vollziehung Ausdruck zu geben, und Art. 53 zu.

 

                (6) Der Bundesstaatsanwalt ist hinsichtlich der Verantwortlichkeit den Mitgliedern der

Bundesregierung gleichgestellt.“

 

2.            Dem Art. 151 wird folgender Abs. 25 angefügt:

 

                „(25) Art. 92a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. 1 Nr. .../.... tritt mit

1. März 2001 in Kraft. Beim Inkrafttreten anhängige Verfahren sind vom Bundesstaatsanwalt

fortzuführen. Die erstmalige Bestellung des Bundesstaatsanwaltes nach den Bestimmungen

des Art. 92a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. .../.... hat vor dem

Inkrafttreten dieses Bundesverfassungsgesetzes zu erfolgen, sodaß er sein Amt am 1. März

2001 antreten kann. Erfolgt bis zu diesem Zeitpunkt keine Bestellung, kommt ab diesem

Zeitpunkt bis zur Bestellung des Bundesstaatsanwaltes dem Generalprokurator dessen

Stellung zu.“

 

Zuweisungsvorschlag: Verfassungsauschuß

                                                               Begründung

 

 

Mit dem Antrag der Abg. Dr. Kostelka, Dr. Jarolim und Genossen betreffend ein

Bundesgesetz, mit dem das Staatsanwaltschaftsgesetz durch Bestimmungen für den Fall der

Befangenheit des Bundesministers für Justiz ergänzt wird (314/A), eingebracht am

30.10.2000, wurde versucht, eine kurzfristig umsetzbare Lösung für verschiedene Fälle einer

möglichen Befangenheit des Justizministers zu finden. Es wurde dort vorgeschlagen, dass im

Falle einer möglichen Befangenheit des Justizministers in konkreten Strafsachen ein

Zuständigkeitsübergang der Aufgaben des Justizministers auf den Generalprokurator erfolgen

sollte. Dieser Antrag stand unter anderem auch unter dem aktuellen Eindruck, dass der

gegenwärtige Justizminister der langjährige Rechtsvertreter von FPÖ - Obmann Jörg Haider

war und gegen letzteren Erhebungen der Staatsanwaltschaft liefen. Öffentliche von

verschiedensten Seiten kritisierte Äußerungen des Bundesministers für Justiz (,....über jeden

Verdacht erhaben“) verschärften den Eindruck einer möglichen Pflichtenkollision.

 

Die justizpolitische und verfassungspolitische Debatte über die Weisungsfreiheit des

Bundesministers für Justiz hat sich inzwischen weiterentwickelt. Dazu gab es Stellungnahmen

von Seiten der Staatsanwälte, der Richterschaft und aus der Wissenschaft. Es scheint nunmehr

angebracht, eine generell für die Zukunft möglichst problemfreie Lösung für die

Weisungsspitze der Anklagebehörden zu schaffen, die einem entwickelten demokratischen

Rechtsstaat unabhängig von Tagesereignissen auf längere Frist hin bestmöglich entspricht.

 

In diesem Sinn wird der Vorschlag gemacht, die staatsanwaltschaftlichen Behörden einem

unabhängigen und weisungsfreien Bundesstaatsanwalt zu unterstellen. Die dazu nötigen

neuen verfassungsrechtlichen Grundlagen wären in einem neuen Artikel 92a.B - VG zu treffen.

Da dieser Vorschlag einen - im Vergleich zum Vorschlag 314/A - deutlich weiteren

Kompetenzübergang vom Bundesminister für Justiz nunmehr an den Bundesstaatsanwalt

bedeuten würde, scheint eine wesentliche parlamentarische Mitwirkung bei der Bestellung des

Bundesstaatsanwaltes demokratiepolitisch dringend geboten. Deshalb soll der

Bundesstaatsanwalt aufgrund eines Vorschlages des Hauptausschusses des Nationalrates vom

Nationalrat mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen gewählt werden.

Mit dem erhöhtem Quorum soll mit dazu beigetragen werden, dass eine bestqualifizierte

Person gewählt wird, die nicht in unmittelbarem Parteienstreit steht. Das verfassungsmäßig

vorgeschriebene Konsensquorum soll damit zu einem möglichst großen Vertrauen des

Bundesstaatsanwaltes mit seinen äußerst sensiblen Aufgaben in der Bevölkerung und in der

Justiz beitragen. Auch soll der Bundesstaatsanwalt hinsichtlich der Verantwortlichkeit den

Mitgliedern der Bundesregierung gleichgestellt sein und sollen dem Nationalrat und dem

Bundesrat gegenüber dem Bundesstaatsanwalt mit Ausnahme des Entschließungsrechtes die

Befugnisse gem. Art. 52 und 53 B - VG zukommen, wobei in der Praxis insbesondere die

Frage - und Auskunftsrechte - eine erhebliche Bedeutung haben werden.

 

Der Einbindung der Richter und Staatsanwälte in den Bestellungsvorgang des

Bundesstaatsanwaltes dient die Bestimmung, dass diese an der öffentlichen Anhörung im

Hauptausschuss des Nationalrates zu beteiligen sind.