Wien, 11.10.2002
FREI um: 10.30 Uhr
Pressemitteilung:
Innenpolitik/Wirtschaft
Der Rechnungshof präsentiert seinen
Wahrnehmungsbericht betreffend
Bau- und Liegenschaftsverwaltung
im Bereich des BMA
Kulturinstitut New York
Österreichische Botschaft in Berlin
Nachfolgebeschaffung von
Luftraumüberwachungsflugzeugen
Präsident
Franz Fiedler plädiert für
einen
Österreich-Konvent
Der Rechnungshof (RH) fasst im vorliegenden Wahrnehmungsbericht folgende Prüfungsergebnisse im Bereich des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten (BMA) und des Bundesministeriums für Landesverteidigung (BMLV) zusammen:
Bau–
und Liegenschaftsverwaltung im Außenministerium
Die Sachausgaben des BMA für Bau– und Liegenschaftsangelegenheiten wurden von 23,50 Mill EUR (1998) auf 16,18 Mill EUR (2001) gekürzt. Zur Entlastung der angespannten finanziellen Lage leitete das BMA im Jahr 2000 die Veräußerung von nicht mehr benötigten Liegenschaften mit einem geschätzten Verkehrswert von 5,85 Mill EUR ein.
Das BMA begann im Frühjahr 1995 das IT–Projekt Facility Management; der Abschluss des Projekts verzögerte sich um zweieinhalb Jahre bis Mitte 2001. Wegen der fehlenden Dokumentation eignete es sich noch nicht als Controlling– und Steuerungsinstrument.
Das BMA hatte keine genauen Zielsetzungen und Richtlinien hinsichtlich des Einsatzes von personellen und finanziellen Ressourcen für die Verwaltung seines Immobilienbesitzes bzw der Abwicklung der Bauprojekte. Der RH regte an, die funktional ausgerichtete Organisationsstruktur der Bau– und Liegenschaftsverwaltung durch ein Facility Management zu ersetzen.
Aufgrund knapper Finanz– und Personalressourcen lagerte das BMA die Neubauvorhaben für das Kulturinstitut (nunmehr Kulturforum) New York sowie für die Österreichische Botschaft und Residenz in Berlin an die Bundesimmobiliengesellschaft mbH (BIG) aus.
Die begrenzten Ressourcen der Bauabteilung des BMA ließen die Auslagerung von Großprojekten zweckmäßig erscheinen. Bei der Abwicklung der beiden Projekte stellte der RH jedoch folgende Mängel fest:
Beim Kulturinstitut in New York wählte man schon 1991 die damals teuerste und aufwendigste Lösung. Beim Neubau der Österreichischen Botschaft in Berlin wurden den Vergleichsberechnungen für die Varianten unterschiedliche Parameter zugrunde gelegt.
Die Entwicklung der Raum– und Funktionsprogramme zeigte beim Kulturinstitut in New York eine Anpassung an die räumlichen Gegebenheiten anstelle von funktionellen Erfordernissen; bei der Österreichischen Botschaft in Berlin ließen Schwankungsbreiten bis zu 25 % bei den Nutzflächen der Varianten keine grundsätzlichen Kriterien der Raum– und Funktionsprogramme erkennen.
Beim Kulturinstitut New York stiegen die im Jahr 1995 geschätzten Errichtungskosten nach Einholung von neuerlichen Angeboten durch die BIG im Jahr 1998 von 20,4 Mill USD um 17 % auf 23,9 Mill USD und lagen im Juli 2002 bei 31 Mill USD, wobei noch keine anerkannte Schlussrechnung vorliegt.
Die mit der BIG vertraglich vereinbarten finanziellen Vorgaben wurden nicht eingehalten. Der RH kritisierte, dass das BMA als Bauherr bei beiden Projekten während der Bauphase für keine ausreichende Evaluierung der zu erwartenden Errichtungs– und Betriebskosten sorgte.
Der RH empfahl die Kostenerhöhungen und deren Auswirkungen auf den Mietzins zu klären. Im Zusammenhang mit den Finanzierungskonditionen stellte der RH ein Einsparungspotenzial von 5,50 Mill EUR beim Kulturinstitut New York und von 2 Mill EUR bei der Österreichischen Botschaft in Berlin fest.
Am 14. September 2001 stimmte das BMF der Angebotseinholung für die Drakennachfolge zu, welche das BMLV am 10. Oktober 2001 durchführte. Mit diesem Akt waren die Vorbereitungsarbeiten für die Angebotseinholung beendet, so dass der RH diesen abgeschlossenen Vorgang einer Prüfung unterziehen konnte.
Das BMLV hatte bereits beim Ankauf der gebrauchten Kampfflugzeuge SAAB 35 OE (Draken) im Jahr 1985 mit einem Ausscheiden nach rd zehn Jahren Verwendungsdauer gerechnet. Dennoch war die Planung für das Nachfolgemodell erst 1998 abgeschlossen. Die politische Entscheidung für die Angebotseinholung erfolgte 2001 in Form einer Empfehlung des Landesverteidigungsrates an die Bundesregierung.
Die Befassung des Ministerrates mit diesen grundsätzlichen Fragen der Heeresorganisation und Bewaffnung erfolgte am 2. Juli 2002.
Die in der Angebotseinholung erwartete Höhe der Gegengeschäftsquote von 200 % des Kaufpreises erschien — angesichts des hohen Pönales und damit möglicherweise verbundener hoher Gegengeschäftskosten — problematisch.
Die militärische Planung war bei diesem Beschaffungsvorgang vom jeweils übergeordneten Planungsdokument klar ableitbar. Das BMLV hat damit den seinerzeitigen Empfehlungen des RH entsprochen.
Ende der Legislaturperiode und die Arbeit des RH
Im Jahr 2002 hat der RH dem Nationalrat drei Berichte und den Bundesrechnungsabschluss 2001 vorgelegt. Diese Berichte beinhalten Einsparungspotenziale in dreistelliger Millionenhöhe in EUR. Der Tätigkeitsbericht 2001 und der Bericht über die durchschnittlichen Einkommen der gesamten Bevölkerung gem Art 1 § 8 Abs 4 des Bezügebegrenzungsgesetzes werden noch folgen.
Die Berichterstattung in den Bundesländern umfasste 38 Tätigkeits- bzw Wahrnehmungsberichte und ist damit für das Jahr 2002 weitgehend abgeschlossen.
Der Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2001 wurde sowohl in ATS als auch in EUR erstellt. Wie aus dem Bundesrechnungsabschluss 2001 hervorgeht, beträgt das gesamtstaatliche Maastricht „Defizit“ 2001 +0,2 % des BIP und die öffentliche Verschuldung 63,2% des BIP. Dem Überschuss für das Jahr 2001 von 4,5 Mrd ATS (0,33 Mrd EUR) stehen jedoch öffentliche Schulden von rd 1.828 Mrd ATS (132,84 Mrd EUR) gegenüber; im Jahr 2000 rd 1.794 Mrd ATS (130,38 Mrd EUR).
Für Verzinsung seiner Finanzschulden musste der Bund im Jahr 2001 bei einem Nettoabgabenerfolg von rd 522 Mrd ATS/37,93 Mrd EUR rd 104 Mrd ATS/7,56 Mrd EUR leisten, hingegen konnte er nur 10,4 Mrd ATS/ 0,75 Mrd EUR an Zinseinnahmen lukrieren. Im Jahr 2001 musste der Bund daher mehr als ein Sechstel des ihm zufließenden Abgabenertrages für die Bedienung der Staatsschuld heranziehen (Zinsen-Steuer-Quote von 17,8 %).
Konvent für Österreich
Seit dem Beitritt Österreichs zur EU im Jahr 1995 hat die Republik Österreich Zuständigkeiten und Aufgaben verloren. Bereits 70 % bis 80 % aller innerstaatlichen Rechtsvorschriften beruhen auf Vorgaben der EU, zumeist auf Richtlinien. Die Rechtssetzungsorgane der Mitgliedstaaten sind in ihrer Funktion daher überwiegend auf die Übernahme gemeinschaftlichen Rechtsbestandes reduziert.
Österreich musste einerseits Rechte an die EU abtreten und hat andererseits durch Privatisierungen und Ausgliederungen sein Tätigkeitsfeld und seinen Einflussbereich selbst geschmälert. Dies muss durchaus nicht besorgniserregend sein, weil ein „schlanker Staat“ keineswegs ein schwacher Staat sein muss. Es ist jedoch zu bedenken, dass der Verlust von Kompetenzen an die EU an eine — zumindest derzeit — nicht demokratisch durchstrukturierte Gemeinschaft erfolgt und sich die Übertragung staatlicher Aufgaben nach „unten“, zugunsten Privater bzw ausgegliederter Rechtsträger, nicht an systemtheoretischen Prinzipien orientiert, sondern pragmatisch erfolgt.
Während die Möglichkeit, die Vorgänge und die Entwicklung innerhalb der EU mitzugestalten, für Österreich relativ gering ist, sollte es die durch die EU vorgegebenen Rahmenbedingungen und die mit der Frage der weiteren Privatisierungen und Ausgliederungen im innerstaatlichen Bereich verbundenen Problemstellungen — endlich — zum Anlass für grundsätzliche Reformen nehmen. Die Forderung nach einer Bundesstaatsreform wird ohnedies sowohl von den Bundesländern als auch vom Bund erhoben.
„Mehr
Muskeln statt Fett“
Die Ziele der Reform sollten in einer Verschlankung des Staates („Mehr Muskeln statt Fett“) in effizienteren und kostengünstigeren Strukturen der Aufbau– und Ablauforganisation aller Staatsgewalten (Legislative, Exekutive und Judikative), wobei insb auf die Übereinstimmung von Aufgaben– und Ausgabenverantwortung Bedacht zu nehmen wäre, und in einer Erneuerung unseres gesamten Staatswesens und Staatsbewusstseins, wodurch Österreich für das 21. Jahrhundert fit gemacht wird, bestehen.
Das Ergebnis der Reform hat — demokratischen Prinzipien gehorchend — mehrheitsfähig zu sein und einen Beitrag zur stärkeren Identifizierung der Bürger mit ihrem Staat zu leisten.