Deklaration von Lima
über die
Leitlinien der Finanzkontrolle


Vorwort

Als vor mehr als zwei Dezennien, im Oktober 1977, am IX. INCOSAI in Lima (Peru) die Deklaration über die Leitlinien der Finanzkontrolle von den Kongreßteilnehmern per Acclamation angenommen wurde, konnte man zwar hoffen, aber nicht mit Gewißheit davon ausgehen, daß sie einen weltweiten Siegeszug antreten würde.

Die seither mit der Deklaration von Lima gewonnenen Erfahrungen haben die kühnsten Erwartungen übertroffen und gezeigt, welch entscheidenden Einfluß sie im jeweiligen innerstaatlichen Bereich auf die Entwicklung der öffentlichen Finanzkontrolle auszuüben vermag. Die Bedeutung der Deklaration ist für alle in der INTOSAI zusammengefaßten Obersten Rechnungskontrollbehörden gleichermaßen gegeben, ungeachtet ihrer unterschiedlichen regionalen Zugehörigkeit, ihrer unterschiedlichen Entwicklungsstufen, ihrer unterschiedlichen Einordnung in das System der Staatsgewalten und ihrer unterschiedlichen Organisationsstrukturen.

Der Erfolg der Deklaration ist vor allem darauf zurückzuführen, daß sie einerseits eine umfassende Auflistung aller mit der öffentlichen Finanzkontrolle zusammenhängenden Zielvorstellungen und Problemstellungen enthält, sich jedoch andererseits durch eine erstaunliche Prägnanz und Kürze auszeichnet, die ihre Handhabung erleichtert; aufgrund ihres bewußten Verzichts auf eine überflüssige Kasuistik beugt sie der Gefahr vor, den Blick auf das Wesentliche zu verstellen.

Das Hauptanliegen der Deklaration von Lima besteht in der Forderung nach Unabhängigkeit der öffentlichen Finanzkontrolle. Eine Oberste Rechnungskontrollbehörde, die diesem Anspruch nicht gerecht wird, entspricht nicht dem vorgegebenem Standard. Es kann daher nicht überraschen, daß die Frage der Unabhängigkeit der Obersten Rechnungskontrollbehörden im Rahmen der INTOSAI immer wieder thematisiert wurde und wird. Es gilt allerdings zu beachten, daß sich die Deklaration nicht mit der Unabhängigkeit allein zufrieden gibt, sondern darüber hinaus auch die Notwendigkeit ihrer rechtlichen Absicherung postuliert. Eine solche setzt aber funktionierende Rechtsschutzeinrichtungen voraus, die es nur in einer an rechtsstaatlichen Werten orientierten Demokratie gibt.

Rechtsstaat und Demokratie bilden daher die unverzichtbaren Prämissen für eine wirklich unabhängige öffentliche Finanzkontrolle und zugleich die tragenden Grundpfeiler der Deklaration von Lima. Als geradezu zeitlos essentielle Werte prägen sie das in der Deklaration enthaltene Gedankengut, das in dem seit der Beschlußfassung verstrichenen Zeitraum nichts an Aktualität eingebüßt hat und weiterhin unverändert Geltung beansprucht. Daß es demgemäß nach mehr als 20 Jahren ihrer Geltung zu einer unveränderten Neuauflage der Deklaration kommt, legt beredtes Zeugnis für ihre Qualität und die Weitsicht ihrer Redaktoren ab.

Für die nunmehrige Neuauflage ist der Internationalen Zeitschrift für staatliche Finanzkontrolle zu danken, die sich im Bewußtsein um die Bedeutung dieses fundamentalen Werkes, das nicht zu unrecht als Magna Charta der öffentlichen Finanzkontrolle gerühmt wird, verdient gemacht hat. Die Verbreitung der Deklaration von Lima ist damit auch für die Zukunft gesichert. Ihren hohen Ansprüchen gerecht zu werden, hat auch weiterhin unser aller Anliegen zu sein.

Wien, im Herbst 1998

Dr. Franz Fiedler

Generalsekretär der INTOSAI


Deklaration von Lima über die Leitlinien der Finanzkontrolle

Präambel

Der in Lima zusammengetretene IX. Kongreß der Internationalen Organisation der Obersten Rechnungskontrollbehörden (INTOSAI) hat in Anbetracht der Tatsache,

- daß die ordnungsgemäße und rationelle Verwendung öffentlicher Mittel eine der wesentlichen Voraussetzungen für die richtige Handhabung der öffentlichen Finanzen und die Wirksamkeit der von den zuständigen Behörden getroffenen Entscheidungen ist;

- daß es zur Erreichung dieses Zieles unumgänglich notwendig ist, daß jeder Staat über eine Oberste Rechnungskontrollbehörde verfügt, deren Unabhängigkeit gesetzlich verankert ist;

- daß das Vorhandensein einer solchen Behörde umso mehr erforderlich ist, weil die staatlichen Aktivitäten sich immer mehr auf den Sozial- und Wirtschaftsbereich ausdehnen und damit die Grenzen des herkömmlichen öffentlichen Finanzwesens überschritten werden;

- daß die spezifischen Ziele der öffentlichen Finanzkontrolle, nämlich die sachgerechte und wirksame Verwendung öffentlicher Mittel, das Streben nach einer straffen Wirtschaftsführung, die Ordnungsmäßigkeit der Verwaltungstätigkeit und die Information sowohl der staatlichen Stellen als auch der Öffentlichkeit durch die Veröffentlichung von objektiven Berichten für die Stabilität und die Fortentwicklung der Staaten im Sinne der Postulate der Vereinten Nationen notwendig sind;

- daß auf den vorangegangenen internationalen Kongressen der INTOSAI von den Vollversammlungen Beschlüsse gefaßt wurden, deren Verbreitung von allen Mitgliedsländern gebilligt wurde;

Beschlossen:

das Dokument mit dem Titel "Deklaration von Lima über die Leitlinien der Finanzkontrolle" zu veröffentlichen und zu verbreiten.

I. Allgemeines

§ 1. Zweck der Kontrolle

Die Institution der Kontrolle ist der öffentlichen Finanzwirtschaft als einer treuhändigen Wirtschaft immanent. Kontrolle ist nicht Selbstzweck, sondern ein unerläßlicher Bestandteil eines Regelsystems, der Abweichungen von der Norm und Verletzungen der Grundsätze der Gesetzmäßigkeit, der Wirtschaftlichkeit, der Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit der Gebarung so rechtzeitig aufzeigen soll, daß korrektive Maßnahmen im einzelnen Fall ergriffen, die verantwortlichen Organe haftend gemacht, Schadenersatz erlangt oder Maßnahmen ergriffen werden können, die eine Wiederholung derartiger Verstöße in der Zukunft verhindern oder zumindest erschweren.

§ 2. Vorkontrolle und Nachkontrolle

1. Setzt die Kontrolle vor dem Verwaltungs- oder Gebarungsvollzug ein, liegt Vorkontrolle vor, ansonsten Nachkontrolle.

2. Eine wirksame Vorkontrolle ist für eine gesunde öffentliche Finanzwirtschaft als treuhändiger Wirtschaft unerläßlich. Sie kann von den Obersten Rechnungskontrollbehörden, aber auch von anderen Kontrolleinrichtungen ausgeübt werden.

3. Die von Obersten Rechnungskontrollbehörden ausgeübte Vorkontrolle hat den Vorteil, einen Schaden noch vor seinem Eintritt verhindern zu können, jedoch den Nachteil der Arbeitsüberbürdung und der Verwischung der staatsrechtlichen Verantwortung. Die von Obersten Rechnungskontrollbehörden ausgeübte Nachkontrolle zeigt die Verantwortlichkeit des rechenschaftspflichtigen Organes auf, kann zum Ersatz des eingetretenen Schadens führen und ist geeignet, in der Zukunft die Wiederholung von Verstößen zu verhindern.

4. Ob Oberste Rechnungskontrollbehörden Vorkontrollen ausüben, hängt von der Gesetzeslage sowie den Bedingungen und Notwendigkeiten des jeweiligen Staates ab. Die Nachkontrolle ist jedoch eine unabdingbare Aufgabe jeder Obersten Rechnungskontrollbehörde, ungeachtet dessen ob sie auch eine Vorkontrolle ausübt.

§ 3. Interne und externe Kontrolle

1. Interne Kontrolleinrichtungen sind innerhalb der einzelnen Dienststellen und Institutionen errichtet. Externe Kontrolleinrichtungen gehören nicht dem Organisationsverband der zu prüfenden Institution an. Oberste Rechnungskontrollbehörden sind externe Kontrolleinrichtungen.

2. Interne Kontrolleinrichtungen sind notwendigerweise dem Leiter der Stelle, in deren Verband sie errichtet sind, unterstellt. Dessen ungeachtet sollen sie funktionell und organisatorisch so weit unabhängig sein, als dies aufgrund der jeweiligen Verfassungsstruktur möglich ist.

3. Der Obersten Rechnungskontrollbehörde als externer Kontrolleinrichtung obliegt es, die Wirksamkeit der internen Kontrolleinrichtung zu überprüfen. Ist die Wirksamkeit der internen Kontrolleinrichtung gewährleistet, so ist unbeschadet des Rechtes der Obersten Rechnungskontrollbehörde auf allumfassende Kontrolle jede sinnvolle Art der Aufgabenteilung oder Aufgabenübertragung und Zusammenarbeit zwischen Oberster Rechnungskontrollbehörde und interner Kontrolleinrichtung anzustreben.

§ 4. Formalkontrolle und Leistungskontrolle

1. Die traditionelle Aufgabe der Obersten Rechnungskontrollbehörden ist die Überprüfung der Gesetzmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Gebarung und des Rechnungswesens.

2. Neben dieser Überprüfung, die ihre Wichtigkeit und Bedeutung behält, tritt gleichwertig eine an der Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit, Sparsamkeit und Effizienz des staatlichen Handels orientierte Überprüfung, die nicht nur den einzelnen Gebarungsfall, sondern die gesamte Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung einschließlich ihrer Organisation und der Verwaltungssysteme umfaßt.

3. Die von Obersten Rechnungskontrollbehörden anzustrebenden Prüfungsziele der Gesetzmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit der Gebarung sind grundsätzlich gleichrangig; es ist Angelegenheit der Obersten Rechnungskontrollbehörde selbst, den im Einzelfall in Betracht kommenden Schwerpunkt besonders hervorzuheben.

II. Unabhängigkeit

§ 5. Unabhängigkeit der Obersten Rechnungskontrollbehörden

1. Oberste Rechnungskontrollbehörden können ihre Aufgabe nur dann objektiv und wirkungsvoll erfüllen, wenn sie von der überprüften Stelle unabhängig gestellt und gegen Einflüsse von außen geschützt sind.

2. Obwohl eine absolute Unabhängigkeit von Staatsorganen wegen ihrer Einbindung in das Staatsganze unmöglich ist, müssen die Obersten Rechnungskontrollbehörden mit der zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen funktionellen und organisatorischen Unabhängigkeit ausgestattet sein.

3. Das Bestehen der Obersten Rechnungskontrollbehörden und das erforderliche Maß ihrer Unabhängigkeit soll in der Verfassung festgelegt sein; näheres kann durch einfache Gesetze geregelt werden. Insbesondere muß ein ausreichender Rechtsschutz durch ein Höchstgericht gegen Eingriffe aller Art in die Unabhängigkeit und die Prüfungskompetenz der Obersten Rechnungskontrollbehörden gewährleistet sein.

§ 6. Unabhängigkeit der Mitglieder und Beamten der Obersten Rechnungskontrollbehörden

1. Die Unabhängigkeit der Obersten Rechnungskontrollbehörden ist mit der Unabhängigkeit ihrer Mitglieder untrennbar verbunden. Unter Mitgliedern sind jene Personen zu verstehen, die Entscheidungen der Obersten Rechnungskontrollbehörden zu treffen und eigenverantwortlich nach außen zu vertreten haben, also die Mitglieder eines entscheidungsbefugten Kollegiums oder der Leiter einer monokratisch organisierten Obersten Rechnungskontrollbehörde.

2. Auch die Unabhängigkeit der Mitglieder ist durch die Verfassung zu gewährleisten. Insbesondere darf durch die ebenfalls in der Verfassung festzulegenden Abberufungsmodalitäten die Unabhängigkeit der Mitglieder nicht beeinträchtigt werden. Bestellung und Abberufung der Mitglieder hängen von der verfassungsmäßigen Struktur der einzelnen Staaten ab.

3. Die Prüfungsbeamten der Obersten Rechnungskontrollbehörden dürfen in ihrer beruflichen Laufbahn keinen Einflüssen der zu prüfenden Stellen ausgesetzt und von diesen nicht abhängig sein.

§ 7. Finanzielle Unabhängigkeit der Obersten Rechnungskontrollbehörden

1. Den Obersten Rechnungskontrollbehörden sind die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, welche die Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben ermöglichen.

2. Die Obersten Rechnungskontrollbehörden müssen das Recht haben, die von ihnen für notwendig erachteten finanziellen Mittel bei der das Staatsbudget beschließenden Körperschaft erforderlichenfalls unmittelbar zu beantragen.

3. Die Obersten Rechnungskontrollbehörden sollen befugt sein, über die ihnen in einem eigenen Budgetabschnitt zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel eigenverantwortlich zu verfügen.

III. Verhältnis zu Parlament, Regierung und Verwaltung

§ 8. Verhältnis zum Parlament

Die von Verfassung und Gesetz eingeräumte Unabhängigkeit der Obersten Rechnungskontrollbehörden gewährleistet ihnen auch dann, wenn sie Organe der Parlamente sind und in deren Auftrag Prüfungen durchführen, ein Höchstmaß an Eigeninitiative und Eigenverantwortlichkeit. Die jeweilige Staatsverfassung hat das Verhältnis der Obersten Rechnungskontrollbehörde zum Parlament entsprechend den Bedingungen und Notwendigkeiten des betreffenden Staates festzulegen.

§ 9. Verhältnis zur Regierung und Verwaltung

Die Tätigkeit der Regierung, der ihr unterstellten Verwaltungsbehörden und der sonstigen von ihr abhängigen Einrichtungen ist Gegenstand der Kontrolle der Obersten Rechnungskontrollbehörde. Daraus folgt jedoch keine Unterordnung der Regierung unter die Oberste Rechnungskontrollbehörde. Insbesondere trägt die Regierung die volle und alleinige Verantwortung für die von ihr durchgeführten Handlungen und Unterlassungen und kann sich nicht auf Prüfungsfeststellungen - sofern diese nicht in Form von rechtskräftigen und vollstreckbaren Urteilen ergangen sind - und Gutachten der Obersten Rechnungskontrollbehörde berufen.

IV. Befugnisse der Obersten Rechnungskontrollbehörden

§ 10. Untersuchungsbefugnisse

1. Die Obersten Rechnungskontrollbehörden müssen Zugang zu allen mit der Gebarung in Zusammenhang stehenden Unterlagen und Dokumenten haben und von den Organen der geprüften Stelle mündlich und schriftlich alle erforderlich erscheinenden Auskünfte verlangen können.

2. Die Oberste Rechnungskontrollbehörde hat im Einzelfalle zu entscheiden, ob Prüfungen zweckmäßigerweise am Sitze der zu prüfenden Einrichtung oder am Sitze der betreffenden Obersten Rechnungskontrollbehörde stattfinden sollen.

3. Für die Erteilung von Auskünften sowie die Vorlage von Dokumenten und sonstigen Unterlagen einschließlich der Rechnungsabschlüsse an die Oberste Rechnungskontrollbehörde müssen entweder durch das Gesetz oder durch die Oberste Rechnungskontrollbehörde im Einzelfall Fristen festgesetzt werden.

§ 11. Durchsetzung der Prüfungsfeststellungen der Obersten Rechnungskontrollbehörden

1. Die geprüften Stellen haben zu den Prüfungsfeststellungen der Obersten Rechnungskontrollbehörden innerhalb allgemein durch das Gesetz oder im Einzelfall durch die Oberste Rechnungskontrollbehörde festgelegter Fristen Stellung zu nehmen und die aufgrund der Prüfungsfeststellungen getroffenen Maßnahmen bekanntzugeben.

2. Wenn die Prüfungsfeststellungen der Obersten Rechnungskontrollbehörde nicht in Form rechtskräftiger und vollstreckbarer Urteile ergehen, muß die Oberste Rechnungskontrollbehörde ermächtigt sein, an die zuständigen Behörden heranzutreten, die die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen und die Verantwortlichkeit geltend zu machen haben.

§ 12. Gutachtertätigkeit und sonstige Mitwirkungsbefugnisse

1. Die Obersten Rechnungskontrollbehörden können in wichtigen Fällen ihren Sachverstand in Form von Gutachten einschließlich Stellungnahmen zu beabsichtigten Gesetzen und sonstigen Vorschriften über finanzielle Angelegenheiten dem Parlament und der Verwaltung zur Verfügung stellen. Die Verwaltung trägt die alleinige Verantwortung für die Befolgung oder Ablehnung des Gutachtens. Durch solche zusätzliche Aufgaben darf jedoch zukünftigen Prüfungsfeststellungen der Obersten Rechnungskontrollbehörden nicht vorgegriffen und deren wirksame Prüfungstätigkeit nicht beeinträchtigt werden.

2. Vorschriften für ein zweckmäßiges und möglichst einheitliches Verrechnungsverfahren sollen nur im Einvernehmen mit der Obersten Rechnungskontrollbehörde erlassen werden dürfen.

V. Prüfungsmethoden, Prüfungspersonal, internationaler Erfahrungsaustausch

§ 13. Prüfungsmethoden und Verfahren

1. Die Obersten Rechnungskontrollbehörden sollen ihre Prüfungstätigkeit nach einem Programm durchführen, das sie sich selbst setzen. Rechte bestimmter Staatsorgane, in Einzelfällen die Durchführung einer bestimmten Prüfung zu verlangen, bleiben unberührt.

2. Da die Prüfung in den seltensten Fällen eine Totalprüfung sein kann, werden sich die Obersten Rechnungskontrollbehörden in der Regel auf Stichproben beschränken müssen. Diese müssen jedoch aufgrund eines vorgegebenen Modells und in solcher Anzahl erfolgen, daß ein Urteil über die Qualität und Ordnungsmäßigkeit der Gebarung möglich ist.

3. Die Prüfungsmethoden haben sich stets den Fortschritten der auf die Gebarung Bezug habenden Wissenschaften und Techniken anzupassen.

4. Die Ausarbeitung von internen Prüfungshandbüchern als Arbeitsbehelf für die Prüfer ist zweckmäßig.

§ 14. Prüfungspersonal

1. Die Mitglieder und Prüfungsbeamten der Obersten Rechnungskontrollbehörden müssen die für die vollständige Erfüllung ihrer Aufgaben erforderliche Befähigung und moralische Integrität aufweisen.

2. Bereits bei der Aufnahme in den Personalstand einer Obersten Rechnungskontrollbehörde ist auf entsprechende über dem Durchschnitt liegende Kenntnisse und Fähigkeiten sowie eine angemessene berufliche Praxis zu achten.

3. Der theoretischen und praktischen beruflichen Weiterbildung aller Mitglieder und Prüfungsbeamten der Obersten Rechnungskontrollbehörden auf interner, universitärer und internationaler Ebene ist höchste Aufmerksamkeit zu schenken und diese mit allen Mitteln, auch finanziell und organisatorisch, zu fördern. Die Weiterbildung muß über die traditionellen juristisch-wirtschaftlichen und Buchführungskenntnisse hinausgehen und auch andere betriebswirtschaftliche Techniken, einschließlich der elektronischen Datenverarbeitung, umfassen.

4. Um eine hervorragende Qualität des Prüfungspersonals zu gewährleisten, ist eine den besonderen Erfordernissen entsprechende angemessene Besoldung anzustreben.

5. Kann in einzelnen Fällen wegen der Notwendigkeit besonderer Fachkenntnisse mit dem eigenen Prüfungspersonal nicht das Auslangen gefunden werden, so ist es zweckmäßig, externe Sachverständige heranzuziehen.

§ 15. Internationaler Erfahrungsaustausch

1. Die Erfüllung der Aufgaben der Obersten Rechnungskontrollbehörden wird durch den internationalen Gedanken- und Erfahrungsaustausch innerhalb der Internationalen Organisation der Obersten Rechnungskontrollbehörden wirksam gefördert.

2. Diesem Ziele dienten bisher die Kongresse, ferner gemeinsam mit den Vereinten Nationen und anderen Institutionen veranstaltete Ausbildungsseminare, regionale Arbeitsgruppen sowie die Herausgabe einer Fachpublikation.

3. Eine Erweiterung und Vertiefung dieser Bestrebungen und Maßnahmen ist wünschenswert. Vordringlich ist die Erarbeitung einer einheitlichen Terminologie der öffentlichen Finanzkontrolle auf rechtsvergleichender Grundlage.

VI. Berichterstattung

§ 16. Berichterstattung an das Parlament und an die Öffentlichkeit

1. Die Oberste Rechnungskontrollbehörde soll durch die Verfassung berechtigt und verpflichtet sein, eigenverantwortlich über die Ergebnisse ihrer Tätigkeit jährlich dem Parlament oder dem zuständigen Staatsorgan zu berichten; der Bericht ist zu veröffentlichen. Hierdurch wird eine weitgehende Information und Diskussion gewährleistet, gleichzeitig vergrößert sich die Möglichkeit der Durchsetzung der Feststellungen der Obersten Rechnungskontrollbehörde.

2. Über besonders wichtige und bedeutungsvolle Wahrnehmungen soll die Oberste Rechnungskontrollbehörde auch zwischen den Jahresberichten gesondert berichten können.

3. Der Jahresbericht hat grundsätzlich die gesamte Tätigkeit der Obersten Rechnungskontrollbehörde zu umfassen; lediglich bei Vorliegen schutzwürdiger oder durch das Gesetz geschützter Interessen hat die Oberste Rechnungskontrollbehörde diese Interessen mit dem Interesse an einer Veröffentlichung sorgsam abzuwägen.

§ 17. Technik der Berichterstattung

1. Die Berichte haben den Sachverhalt und seine Beurteilung unter Beschränkung auf das Wesentliche klar und objektiv darzulegen. Die Sprache der Berichte hat präzise und allgemein verständlich zu sein.

2. Der Standpunkt der geprüften Stellen und Einrichtungen zu den Prüfungsfeststellungen der Obersten Rechnungskontrollbehörde ist in angemessener Weise zu berücksichtigen.

VII. Prüfungskompetenzen der Obersten Rechnungskontrollbehörden

§ 18. Verfassungsmäßige Verankerung der Prüfungskompetenzen, Kontrolle der staatlichen Gebarung

1. Die Prüfungskompetenzen der Obersten Rechnungskontrollbehörden müssen zumindestens in ihren Grundzügen in der Verfassung festgelegt sein; die nähere Ausführung kann durch einfaches Gesetz erfolgen.

2. Die konkrete Ausgestaltung der Prüfungskompetenzen der Obersten Rechnungskontrollbehörden hängt von den Bedingungen und Notwendigkeiten des jeweiligen Staates ab.

3. Die gesamte staatliche Gebarung, ungeachtet ob und in welcher Weise sie im allgemeinen Staatsbudget ihren Niederschlag findet, unterliegt der Kontrolle der Obersten Rechnungskontrollbehörde. Eine Ausgliederung aus dem Staatsbudget darf nicht dazu führen, daß diese Teilbereiche der Kontrolle der Obersten Rechnungskontrollbehörden entzogen werden.

4. Die Obersten Rechnungskontrollbehörden sollten bei ihren Überprüfungen auf eine aussagefähige Budgetklassifikation und ein möglichst einfaches und klares Rechnungswesen hinwirken.

§ 19. Kontrolle staatlicher Behörden und sonstiger Einrichtungen im Ausland

Staatliche Behörden und sonstige Einrichtungen, die im Ausland errichtet sind, sollen grundsätzlich ebenfalls von der Obersten Rechnungskontrollbehörde geprüft werden. Bei der Überprüfung am Sitze dieser Einrichtungen ist auf die durch das Völkerrecht gezogenen Grenzen Bedacht zu nehmen; in sachlich gerechtfertigten Fällen sollten jedoch derartige Beschränkungen im Wege der dynamischen Entwicklung des Völkerrechtes abgebaut werden.

§ 20. Überprüfung der öffentlichen Abgaben

1. Die Obersten Rechnungskontrollbehörden sollen eine möglichst weitgehende Kontrolle der Erhebung der öffentlichen Abgaben ausüben und hierbei auch Einblick in individuelle Steuerakte nehmen können.

2. Die Kontrolle der öffentlichen Abgaben ist in erster Linie eine Kontrolle der Gesetzmäßigkeit und der Ordnungsmäßigkeit; die Obersten Rechnungskontrollbehörden haben jedoch bei der Kontrolle der Anwendung der Abgabengesetze auch die Wirtschaftlichkeit und die Organisation der Abgabeneinhebung sowie die Erfüllung der Einnahmenvoranschläge zu überprüfen und erforderlichenfalls der gesetzgebenden Körperschaft Verbesserungsmaßnahmen vorzuschlagen.

§ 21. Verträge der öffentlichen Hand und öffentliche Bauten

1. Die namhaften Beträge, die die öffentliche Hand für Verträge und Bauten aufwendet, rechtfertigen eine besonders eingehende Kontrolle der eingesetzten Mittel.

2. Die öffentliche Ausschreibung ist das am meisten zu empfehlende Verfahren, das nach Preis und Qualität günstigste Angebot zu erzielen. Werden Leistungen nicht öffentlich ausgeschrieben, so soll die Oberste Rechnungskontrollbehörde die Gründe hierfür feststellen.

3. Bei der Kontrolle öffentlicher Bauten soll die Oberste Rechnungskontrollbehörde auf das Vorhandensein geeigneter die Tätigkeit der Bauverwaltung regelnden Normen hinwirken

4. Die Kontrolle öffentlicher Bauten umfaßt nicht nur die Ordnungsmäßigkeit der Zahlung, sondern auch die Wirtschaftlichkeit der Bauführung und die Qualität der Bauarbeiten.

§ 22. Prüfung elektronischer Datenverarbeitungsanlagen

Auch die bedeutenden für elektronische Datenverarbeitungsanlagen aufgewendeten Mittel rechtfertigen eine entsprechende Kontrolle. Hierbei ist eine Systemkontrolle durchzuführen, die sich insbesondere auf die Planung des Bedarfes, den wirtschaftlichen Einsatz der Datenverarbeitungsanlagen, die Heranziehung geeigneter Fachleute, die nach Möglichkeit aus der Verwaltung der geprüften Einrichtungen hervorgehen sollen, auf die Vermeidung von Mißbräuchen und auf die Verwertbarkeit der Ergebnisse erstreckt.

§ 23. Wirtschaftliche Unternehmungen, an denen der Staat beteiligt ist

1. Die Ausweitung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates erfolgt oftmals in der Form von nach privatem Recht errichteten Unternehmungen. Auch diese Unternehmungen unterliegen der Kontrolle der Obersten Rechnungskontrollbehörde, soferne der Staat an ihnen über eine substantielle Beteiligung - die bei einer Mehrheitsbeteiligung jedenfalls gegeben ist - verfügt oder beherrschenden Einfluß ausübt.

2. Diese Kontrolle erfolgt zweckmäßigerweise im nachhinein und hat sich auch auf die Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit zu erstrecken.

3. Bei der Berichterstattung über diese Unternehmungen an das Parlament und an die Öffentlichkeit sind Einschränkungen zum Schutze des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses zu berücksichtigen.

§ 24. Kontrolle subventionierter Einrichtungen

1. Die Obersten Rechnungskontrollbehörden sollen befugt sein, die Verwendung der aus öffentlichen Mitteln gewährten Subventionen zu überprüfen.

2. Wenn es der Kontrollzweck erfordert - besonders dann, wenn eine Subvention an sich oder im Verhältnis zu den Einnahmen oder zu der Kapitallage der subventionierten Einrichtung besonders hoch ist - soll die Kontrolle auf die gesamte Gebarung der subventionierten Einrichtung ausgedehnt werden können.

3. Mißbräuchliche Verwendung der Subventionsmittel soll die Verpflichtung zur Rückzahlung nach sich bringen.

§ 25. Kontrolle internationaler und übernationaler Organisationen

1. Internationale und übernationale Organisationen, deren Aufwand aus Beiträgen der Mitgliedsstaaten getragen wird, bedürfen so wie die einzelnen Staaten einer externen und unabhängigen Kontrolle.

2. Zwar hat diese Kontrolle dem Aufwand und den Aufgaben der jeweiligen Organisation angepaßt zu sein; sie wird jedoch nach ähnlichen Grundsätzen wie die Oberste Rechnungskontrolle der Mitgliedstaaten zu errichten sein.

3. Es ist notwendig, zur Wahrung einer unabhängigen Prüfung die Mitglieder einer solchen externen Kontrolleinrichtung vorwiegend aus dem Kreise der Obersten Rechnungskontrollbehörden zu bestellen.