POLITISCHE VEREINBARUNG
ÜBER DIE NEUORDNUNG DES BUNDESSTAATES
Ausgehend von der Tatsache, dass die Teilung der Staatsaufgaben zwischen dem Bund und den Ländern zum Wesen des Bundesstaates gehört und dass die Teilung der Staatsaufgaben auch ein Element der Demokratie darstellt –
Entsprechend dem Grundsatz, dass die Länder in jenen Bereichen, zu deren sachgerechter Lösung sie befähigt sind, in eigener Verantwortung entscheiden, soweit sich dies weder auf die Interessen des gesamten Staates noch auf die der Länder nachteilig auswirkt –
Unter Berücksichtigung der Interessen der Gemeinden und unter voller Bekräftigung der österreichischen Gemeindeautonomie –
Angesichts der Frage, wie Spielraum für die Erfüllung neuer Aufgaben durch das Abstoßen alter Bürden gewonnen werden kann und welche Gebietskörperschaft zweckmäßigerweise diese neuen Aufgaben übernimmt –
Im Hinblick auf die Herausforderungen und Aufgaben für die Gebietskörperschaften im Zuge der europäischen Integration, welche eine völlig neue Qualität des Zusammenwirkens der Gebietskörperschaften mit sich bringen wird –
Unter Berücksichtigung der von Wissenschaft und Praxis geäußerten Kritik an den Unzulänglichkeiten der geltenden Bundesverfassung, im besonderen der Kompetenzverteilung zwischen den Gebietskörperschaften –
Aufbauend auf dem von Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam in Auftrag gegebenen Gutachten über eine Strukturreform des Bundesstaates –
Geleitet von der Absicht, eine wirkungsvolle und bürgernahe Zusammenarbeit zwischen dem Gesamtstaat und den Teilstaaten sicherzustellen, die dem Wohl der Menschen in unserem Lande dienen soll –
Treten der Bundeskanzler, nach Befassung der Bundesregierung, und der Vorsitzende der Landeshauptmännerkonferenz, nach Befassung der Landeshauptmännerkonferenz und der einzelnen Landesregierungen, dafür ein, dass die folgenden Maßnahmen in einer Novelle zum B-VG erwirklicht werden:
1. Bundesstaatliche Aufgabenverteilung
a) Die Verteilung der Staatsaufgaben auf den Bund, die Länder und die Gemeinden ist im Sinne des Subsidiaritätsprinzips, einer effizienten und bürgernahen Besorgung der Staatsaufgaben, eines möglichst gleichwertigen Standards der grundlegenden Lebensverhältnisse im Bundesgebiet sowie der Anforderungen, die sich aus der europäischen Integration ergeben, neu zu ordnen.
b) Es sind geschlossene und abgerundete Kompetenz- und damit Verantwortungsbereiche des Bundes und der Länder zu schaffen. Für die „Querschnittsmaterien“ (wie zB Wirtschaftslenkung, Raumplanung, Umweltschutz und Katastrophenbekämpfung) sind problemorientierte kompetenzrechtliche Regelungen zu treffen. Bestehende Kompetenzzersplitterungen (wie zB in den Angelegenheiten der gesetzlichen beruflichen Vertretungen, des Schiffahrtswesens, des Elektrizitätswesens, des Arbeitsrechts, des Gesundheitswesens, des Dienst- und Personalvertretungsrechts, des Baurechts und des Behindertenrechts) sind zu beseitigen.
c) Die bisherige Form der Grundsatzgesetzgebung (Art 12 B-VG) ist zu beseitigen. Soweit erforderlich, ist nach anderen verfassungsrechtlichen Modellen zur Vereinheitlichung der Landesgesetzgebung in den davon betroffenen Angelegenheiten, zB im Wege einer Rahmengesetzgebung, zu suchen. Im übrigen werden diese Materien entsprechend den Grundsätzen in lit a und b in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes oder der Länder zu übertragen sein.
d) Inkorporierungsgebot
da) Alle Vorschriften zur bundesstaatlichen Kompetenzverteilung müssen in das
B-VG eingebaut und dort in möglichst geschlossenen Regelungsbereichen
konzentriert werden.
db) Befristete Kompetenzklauseln sind zu beseitigen oder durch Dauerregelungen zu ersetzen.
e) Im Rahmen der Generalkompetenz der Länder (Art 15 Abs 1 B-VG) sind die Länderkompetenzen demonstrativ aufzuzählen.
f) Die den Ländern im Zusammenhang mit ihrer Zuständigkeit zukommende Kompetenz, auf dem Gebiet des Zivilrechtes erforderliche Regelungen zu treffen, soll über den Art 15 Abs 9 B-VG hinaus dahingehend erweitert werden, dass auch zweckmäßige zivilrechtliche Regelungen entweder auf Grund einer Ermächtigung oder einer Zustimmung des Bundes getroffen werden dürfen.
2. Bundesverwaltung
a) Mittelbare Bundesverwaltung
Bundesgesetze sollten grundsätzlich durch die Länder zu vollziehen sein. Sofern dies erforderlich ist, soll eine Ermächtigung für den Bundesgesetzgeber vorgesehen werden, die es dem Bund ermöglicht, für ausdrücklich zu bezeichnende Angelegenheiten (insbesondere durch die Einräumung von Informationsrechten, die Erlassung von Verordnungen, die Erhebung von Amtsbeschwerden oder außerordentlichen Rechtsmitteln) eine einheitliche Vollziehung sicherzustellen.
b) Auftragsverwaltung
Wird die Verwaltung des Bundesvermögens dem Landeshauptmann übertragen, dann bleiben dem Bundesminister ausschließlich Entscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung vorbehalten. Eine solche Übertragung kann nur eingeschränkt oder widerrufen werden, wenn die Besorgung der Aufgabe nicht gewährleistet ist. Die bei der Besorgung der übertragenen Geschäfte entstehenden Kosten sind den Ländern vom Bund zu ersetzen, jedoch nur höchstens bis zu den vereinbarten und präliminierten Beträgen.
c) Unmittelbare Bundesverwaltung
Alle Kompetenzregelungen über die Einrichtung unmittelbarer Bundesbehörden in den Ländern, sowie die unmittelbare Vollziehung von Bundesgesetzen durch Bundesminister sind im B-VG zusammenzufassen und nur dort zu treffen. Auch durch bundesverfassungsgesetzliche Maßnahmen dürfen neue Bereiche künftig nur mit Zustimmung der Länder in unmittelbare Bundesverwaltung übertragen werden. Der Katalog des Art. 102 Abs 2 B-VG ist nach den Grundsätzen der Z 1 lit a und b zu bereinigen.
3. Delegation von Gesetzgebungsbefugnissen des Bundes an die Länder
Das derzeitige Regelungsinstrument des Art 10 Abs 2 B-VG soll auf alle Angelegenheiten des Art 10 Abs 1 B-VG ausgedehnt werden.
4. Bundesverfassungsgesetzliche Regelungen über die Gesetzgebung und Vollziehung der Länder und die Struktur der Landesorganisation
Die derzeitige Dichte der Bindung der Landesverfassung an die Bundesverfassung ist zu überprüfen und auf das notwendige Mindestmaß zu verringern.
Die Verfassungsautonomie der Länder ist zu stärken, insbesondere durch:
a) Heranziehung von Bundesorganen zur Vollziehung von Landesaufgaben
Insoweit ein Landesgesetz die Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung vorsieht, muß hiezu die Zustimmung der Bundesregierung eingeholt werden. Dies gilt nicht für die Mitwirkung von Organen der Bundesgendarmerie und der Bundespolizeibehörden bei Vorbeugungsmaßnahmen gegen Verwaltungsübertretungen, derer Verfolgung oder bei Anwendung gesetzlich vorgesehenen körperlichen Zwanges, sofern über die Kostentragung eine Übereinkunft im Finanzausgleichspakt getroffen und das Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres hergestellt wurde.
b) Einspruchsrecht der Bundesregierung gegen Gesetzesbeschlüsse der Landtage
Das Einspruchsrecht der Bundesregierung gemäß Art 98 Abs 2 B-VG soll nur mehr auf den behaupteten Eingriff in Zuständigkeiten des Bundes gestützt werden können.
c) Antragstellungsrecht für die Auflösung eines Landtages durch den Bundespräsidenten
Das Antragsrecht der Bundesregierung für eine Auflösung eines Landtages ist systemwidrig und soll daher durch das Antragsrecht der Landesregierung ersetzt werden (Art 100 B-VG).
d) Wahlen
Das derzeitige Homogenitätsgebot im Bereich des Wahlrechts ist in der Weise zu ändern, dass die erforderlichen Beschränkungen der Landesgesetzgebung hinsichtlich der Bedingungen des aktiven und des passiven Wahlrechtes ausschließlich im B-VG zu regeln sind. Im übrigen sollen die Länder bei der Gestaltung des Wahlrechtes auf Landes- und Gemeindeebene den gleichen Spielraum haben wie der Bund bei der Gestaltung der Wahlordnung zum Nationalrat. Auf kommunaler Ebene soll auch das Abgehen vom Prinzip des Listenwahl-rechtes ermöglicht werden.
e) Gemeinsame Einrichtungen
Den Ländern soll die Möglichkeit eröffnet werden, gemeinsame Einrichtungen für einzelne Verwaltungsbereiche (wie zB für die Zulassung von Baustoffen oder die Entscheidung in Sozialhilfesachen, die zwischen zwei oder mehreren Ländern strittig sind) zu schaffen. Die Schaffung solcher Einrichtungen ist der Bundesregierung anzuzeigen.
f) Struktur der Landesverwaltung
Die Einheit der Verwaltung in den Ländern ist zu wahren. Zu beseitigen wären die Zustim-mungsrechte der Bundesregierung bei der Erlassung oder Änderung der Geschäftseinteilung und der Geschäftsordnung (§ 2 Abs 5, § 3 Abs 2 des B-VG betreffend Grundsätze für die Einrichtung der Geschäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien, BGBl Nr 289/1925).
5. Weiterentwicklung der unabhängigen Verwaltungssenate
Eine Weiterentwicklung der derzeitigen Teilbereiche der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit ist anzustreben.
6. Mitwirkung der Länder an der europäischen Integration
Beim gegenwärtigen Stand der europäischen Integration ist durch die B-VG-Novelle, BGBl Nr 276/1992, eine wirkungsvolle Einbindung der Länder und ihre Mitgestaltungsmöglichkeit sichergestellt. Die Mitwirkung der Länder soll nach Maßgabe künftiger Entwicklungen ausgebaut werden, insbesondere hinsichtlich der Zusammenarbeit der europäischen Regionen.
7. Finanzverfassung
Die mit der Neuordnung der Kompetenzverteilung zusammenhängende Neugestaltung der Finanzverfassung und des Finanzausgleiches wird in dem zwischen den Finanzausgleichspartnern (Bund, Ländern und Gemeinden) zu beschließenden Finanzausgleichspakt festzulegen sein.
8. Bundesrat
Eine grundsätzliche Reform des Bundesrates ist im Sine der Stärkung seiner Stellung als Länderkammer anzustreben.
Umsetzung
Die genannten bundesverfassungsgesetzlichen Maßnahmen sollen bis längstens zur Volksabstimmung über die bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung zum EG-Beitritt als beschlussreife Regierungsvorlage textlich fixiert und spätestens in der aus Anlaß des EG-Beitritts erforderlichen Novelle zum B-VG beschlossen werden.
Der Bundeskanzler: Der Vorsitzende der
Landeshauptmännerkonferenz:
VRANITZKY LUDWIG
Wien, am 8. Oktober 1992
Protokollanmerkungen
zur Politischen Vereinbarung
über die Neuordnung des Bundesstaates*)
o Im Hinblick auf Pkt 7 der Politischen Vereinbarung ist festzuhalten, dass alle die Finanzverfassung und den Finanzausgleich betreffenden Punkte späteren Verhand-lungen des Bundesministers für Finanzen mit den weiteren Finanzausgleichspartner vorbehalten bleiben.
Insbesondere wird festgehalten:
1. Bei den aufzunehmenden Gesprächen wird das Bundesministerium für Finanzen davon ausgehen, dass die Bundesregierung in Angelegenheiten des Abgabenwesens der Länder (Gemeinden) und sofern finanzielle Interessen des Bundes berührt sind, ein ausdrückliches Zustimmungsrecht zu Gesetzesbeschlüssen der Landtage erhält. Kommt diese Zustimmung der Bundesregierung nicht zustande, kann der Gesetzesbeschluß nicht kundgemacht werden.
2. Durch Pkt 1d) der Vereinbarung wird die eigenständige finanzverfassungsgesetz-liche Regelung der Kompetenzverteilung in Abgabensachen außerhalb des B-VG nicht berührt. Die Regelung dieser Angelegenheiten bleibt auch weiterhin dem Finanz-Verfassungsgesetz vorbehalten.
3. Aus Pkt 2b) der Vereinbarung kann keine Festlegung abgeleitet werden, dass die Übernahme von Kosten durch den Bund in der Auftragsverwaltung als auf die Dauer festgeschriebene Tatsache angesehen werden kann.
o Die Bundesregierung hält fest, dass eine Änderung der konkreten Aufgabenverteilung durch die Politische Vereinbarung über die Neuordnung des Bundesstaates nicht vorweggenommen wird.
o Die auf dem Gebiet des Behindertenwesens bestehende Kompetenzzuordnung (Quer- schnittsmaterie) hat sich in den Grundsätzen bewährt und als sachlich begründet erwiesen, weil sie es ermöglicht, sich mit den Problemen des behinderten Menschen dort auseinanderzusetzen, wo sie auftreten.
Die sowohl zwischen Bund und Ländern als auch innerhalb dieser Gebietskörperschaften bestehende Überschneidungen und Zersplitterungen, die der grundsätzlichen Aufteilung der Kompetenzen nicht entsprechen, wären auf der Grundlage der bestehenden Kompetenzverteilung zu bereinigen (Bundesbehindertengesetz, Bundespflegegeldgesetz).
o Die Bundesregierung hält fest, dass es vom Grundsatz, neue Bereiche auch durch bundesverfassungsgesetzliche Maßnahmen nur mit Zustimmung der Länder übertragen zu können (Pkt 2 lit c), bezüglich der Sicherheitsbehörden für Fälle nicht wiedergutzumachenden Schadens einer Ausnahme bedarf.
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*) Ministerratsbeschluß der Bundesregierung vom 7. Juli 1992
Konkretisierung der Vorstellungen der Länder
zur Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern
über die Neuordnung des Bundesstaates*)
Entsprechend dem Beschluß der Landeshauptmännerkonferenz vom 29. November 1991, in die Beratungen noch Vorschläge über konkrete Kompetenzzuordnungen, insbesondere unter Berücksichtigung des Forderungskataloges der Länder einzubringen, werden von den Ländern
- ausgehend von der Tatsache, dass der Grundsatz der Bundesstaatlichkeit einen wesentlichen Bestandteil des österreichischen Staatswesens bildet,
- entsprechend dem Grundsatz, dass dem Bund in einem Bundesstaat nur Angelegenheiten von gesamtstaatlicher Bedeutung zukommen sollen,
- geleitet von der Erkenntnis, dass die derzeit bestehenden Mängel der Kompetenzverteilung nur durch eine Neugestaltung der Kompetenzverteilung behoben werden können,
ihre konkreten Vorstellungen zur legistischen Umsetzung einzelner Punkte der Vereinbarung darlegt:
I. Zu Z I der Vereinbarung (Kompetenztypen und Kompetenzzuteilung)
1. Kompetenz-Kompetenz
a) Eine bundesstaatliche Kompetenzverteilung verlangt nach Aufgabe der Kompetenz-Kompetenz des Bundes: eine justitiable Mitwirkung der Länder ist vorzusehen.
b) Die Bundeskompetenz, Abgaben und deren Erträge einfachgesetzlich bestimmen zu können, wäre zumindest auf die verfassungsrechtliche Ebene zu verlängern: eine justitiable Mitwirkung der Länder ist vorzusehen.
2. Forderungen auf Begründung der Länderkompetenz nach Art 15 B-VG
(demonstrative Aufzählung)
a) Erwachsenenbildung einschließlich Fernschulwesen
b) Denkmalschutz mit Ausnahme des Schutzes beweglicher Denkmale von nationaler Bedeutung gegen Abwanderung ins Ausland
c) Aufstiegshilfen (Sessellifte und Seilbahnen)
d) Ortsstraßenbahnen
e) Forstwesen
f) Wildbach- und Lawinenverbauung
g) Assanierung und Bodenbeschaffung
h) Sicherung der Nahversorgung
i) Fiaker
3. Abrundung von bestehenden Landeskompetenzen nach Art 15 B-VG:
a) Sozialhilfe und Behindertenwesen, Organisation von Gesundheits- und Sozialsprengeln
b) Wohnungswesen
c) Baurechtswesen einschließlich eines umfassenden Ortsbildschutzes
d) Naturschutz und Landschaftsschutz
e) Grundverkehr
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*) Beschlossen von der ao Landeshauptmännerkonferenz am 2. März 1992 (Klagenfurt)
f) Katastrophenhilfe
g) umfassende Gemeindeaufsicht
h) Dienstrecht, Personalvertretungsrecht und Arbeitnehmerschutz der Bediensteten der Länder Gemeinden und Gemeindeverbände, einschließlich der durch Landesgesetz geschaffenen Einrichtungen
4. Raumordnung und sonstige komplexe Materien (Querschnittsmaterien)
a) Allgemeines
o In der Bundesverfassung sind die komplexen Materien zB Energiewesen, anzuführen.
o Bund und Länder schließen Vereinbarungen nach Art 15a B-VG über die Zielbestim-mungen der Regelungen sowie über die Kompetenzausübung.
Kommen derartige Vereinbarungen nicht zustande, dürfen Regelungen – ausgenommen im Bereich Raumordnung – durch den jeweils zuständigen Gesetzgeber erfolgen. Erläßt der jeweils zuständige Gesetzgeber keine Regelung in seinem Teilbereich, ist der gegenbeteiligte Gesetzgeber zuständig, diese Angelegenheit zu regeln.
b) Raumordnung
Da in dieser speziellen komplexen Materie, die überwiegend im Zuständigkeitsbereich der Länder liegt, die Sektoralplanungen des Bundes aber massive Auswirkungen auf die Planungen der Länder haben (Autobahnen, Straßen, Eisenbahnen, Bergbau), ist eine Vereinbarung nach Art 15a B-VG abzuschließen.
In dieser Vereinbarung über die Zielbestimmungen und die Kompetenzausübung ist weiters zu verankern, in welcher Form die Sektoralplanungen des Bundes mit den in die Zuständigkeit der Länder fallenden Planungsmaßnahmen abzustimmen sind.
5. Wachkörper
a) Die Zuständigkeit des Bundes ist auf derzeit bestehende Bundeswachkörper einzuschrän-ken.
b) Die in Art 97 B-VG enthaltenen Einschränkungen der Länder sollen entfallen.
6. Interpretationsmaxime
In der Bundesverfassung soll verankert werden, dass die Kompetenztatbestände im Zweifel so auszulegen sind, dass dem bundesstaatlichen Prinzip Vorrang eingeräumt wird.
Das für die Gesetzgebung und Vollziehung geltende Berücksichtigungsprinzip soll ausdrücklich festgeschrieben werden.
7. Aufgabe der Trennschärfen der Kompetenzen
Die der derzeitigen Kompetenzaufteilung immanente Trennschärfe hat sich in vielen Bereichen als negativ erwiesen.
In den Randbereichen der jeweiligen Kompetenzen sollen die gegenbeteiligten Gesetzgeber Regelungen treffen dürfen. Derartigen Regelungen müssten sich im Rahmen eines gegenseitigen Rücksichtnahmeprinzips bewegen.
Die Aufgabe der Trennschärfe der Regelungsbereiche würde in den Randbereichen Konflikte verhindern und die Schaffung von finalen Zuordnungen erleichtern.
II. Zu Z 4 der Vereinbarung (Bundesverfassungsgesetzliche Regelung über die Struktur der Landesorganisation)
Die derzeitige Dichte der Bindung der Landesverfassung an die Bundesverfassung ist zu überprüfen und auf ein Mindestmaß zu verringern.
Die Verfassungsautonomie der Länder ist zu stärken, insbesondere durch
a) eine Einschränkung des Homogenitätsgebotes auf ein Mindestaß; die erforderlichen Einschränkungen sind ausschließlich im B-VG zu normieren;
b) die Möglichkeit der Schaffung einheitlicher Wahlbehörden im Landesbereich für alle Wahlen;
c) die Möglichkeit der Schaffung von Einrichtungen der Länder für die Gebarungskontrolle der Länder und der Gemeinden;
d) die Möglichkeit der Schaffung gemeinsamer Einrichtungen der Länder, auch mit hoheitlichen Befugnissen.
III. Zu Z 7 der Vereinbarung (Finanzverfassung)
a) Die Bundeskompetenz, Abgaben und deren Erträge einfachgesetzlich bestimmen zu können, wäre zumindest auf die verfassungsrechtliche Ebene zu verlagern: justitiable Mitwirkungsrechte der Länder sind vorzusehen (vgl Bemerkungen zu Z I lit b)
b) Vor einer Änderung von Abgaben und Abgabenerträgen zu Lasten der Länder, muß eine Einigung auf der Grundlage einer justitiablen Vereinbarung nach Art 15a B-VG zustande-kommen.
c) Partner und Träger des paktierten Finanzausgleiches sollen weiterhin der Bund, die Länder und die Gemeinden sein. Die Mitwirkungsrechte der Länder und Gemeinden bei Maßnahmen der einfachen Bundesgesetzgebung, von denen sie finanziell betroffen sind, sind unabdingbar.
Erläuterungen Landeshauptmann Dr. Purtscher:
I. 8. Vertretung gegenüber dem Ausland
Es ist klarzustellen, dass die Befugnis zur Vertretung der Republik gegenüber dem Ausland nicht die innerstaatliche Willensbildung erfasst. Im selbständigen Wirkungsbereich der Länder sollte eine generelle Möglichkeit geschaffen werden, dass die Länder die nach außen vertretungsbefugten Organe binden können. Ebenso sollte die Staatsvertragskompetenz der Länder von sämtlichen Mitwirkungsrechten des Bundes – mit Ausnahme der Zustimmung durch die Bundesregierung – befreit werden.
9. Sicherheitswesen
Die durch die B-VG-Novelle 1991 verfestigte unmittelbare Bundesverwaltung im Bereich des Sicherheitswesens ist ehestens zu beseitigen.
III. d) Während der Geltung eines Finanzausgleiches vorgenommene steuerpolitische Maß-nahmen, die mit Schmälerungen der Länder- oder Gemeindeanteile an den Abgabenerträgen verbunden sind, müssen für die Zeitspanne bis zum Wirksamwerden eines neuen Finanzausgleichspaktums voll ersetzt werden.
Das gleiche gilt für Ausgabensteigerungen, die bei den Ländern oder Gemeinden durch bundesrechtliche Maßnahmen entstehen.
IV. Bundesrat
Die Länder unterstützen eine Stärkung des Bundesrates im Bereich der Bundesgesetzgebung und fordern insbesondere das Zustimmungsrecht zum Finanzausgleichsgesetz. In wichtigen Fragen sollen die Bundesräte an Aufträge der landesverfassungsgesetzlich festgelegten Organe gebunden werden können.
V. Evolutivklausel
Das Paktum stellt einen ersten Schritt zu der vom Bund und den Ländern angekündigten, tief-greifenden Reform der bundesstaatlichen Struktur Österreichs dar, der – situationsbedingt – vor allem die Notwendigkeiten, die sich aus einem EWR-Abschluß bzw. EG-Beitritt ergeben, aufgreift. Die Strukturreform darf sich aber nicht in der Erfüllung des Paktums erschöpfen.
Erläuterung Landeshauptmann Dr. Zilk:
Die Länder müssen im Rundfunkwesen ein gestaltendes Mitwirkungsrecht erhalten.
Beide Ergänzungen wurden von der Landeshauptmännerkonferenz als Zusätze einstimmig beschlossen.